Antikörper gegen Antigene (OS) Einstieg Information Videofilm „Impfen statt leiden“. Immunologie – oder wie funktioniert das Immunsystem? Ein spezieller Krankheitsfall aus dem Familien- und Bekanntenkreis der Schüler kann als Beispiel herangezogen werden. Eine Wiederholung über Krankheitserreger und Infektionen aus der 5. Klasse (Bakterien, Viren) kann die Brücke zum Thema „Immunsystem“ darstellen. Unter dem Begriff Immunität versteht man – im Gegensatz zu einer angeborenen Resistenz – die erworbene Widerstandsfähigkeit gegenüber bestimmten pathogenen Organismen (Krankheitserregern). spezifische Immunität Komplementsystem Immunglobuline T B Granulozyten Makrophagen O S Lymphozyten zellulär unspezifische Resistenz humoral ELEMENTE DER IMMUNABWEHR Plasmazellen (nach einem Poster der Immuno-AG, Wien) Der Organismus reagiert sowohl unspezifisch (allgemeine Resistenz) als auch spezifisch (Immunität) auf eindringende Krankheitserreger. Die spezifische Abwehr richtet sich gegen ganz bestimmte chemische Eigenschaften des eingedrungenen Antigens. In beiden Fällen kann die Abwehr über die Körperzellen (zellulär) oder über die Körperflüssigkeit (humoral) erfolgen. Sekundäre lymphatische Organe haben Bedeutung für die Abwehrfunktion An der Abwehr beteiligt sind die lymphatischen Organe: Eine Immunreaktion tritt erstmals Tage bis Wochen nach der Geburt auf. Zunächst enthält die Muttermilch die wichtigen Antikörper. Der Organismus lernt erst allmählich, körperfremde Stoffe zu erkennen. Eine unspezifische zelluläre Abwehr erfolgt beispielsweise durch Phagocytose. Dazu dienen Zellen der lymphatischen Organe und bestimmte Leukozyten (Freß- Primäre lymphatische Organe sind embryonale Bildungsstätten für Lymphocyten Knochenmark Thymusdrüse UNSER ABWEHRSYSTEM Milz Mandeln Wurmfortsatz Lymphknoten 50 variable Region AntigenBindungsstelle konstante Region Antigen Kohlenhydrat TürangelRegion schwere Kette leichte Kette zellen, Makrophagen). Sie stammen von Zellen des Knochenmarks ab. Eine unspezifische humorale Abwehr erfolgt beispielsweise durch Bildung von Interferon in virusinfizierten Zellen. Das Komplementsystem besitzt die Fähigkeit, die Zellmembranen vieler Bakterienarten aufzubrechen. Bei dieser Reaktion werden Stoffe frei, die Phagozyten an den Reaktionsort locken (Chemotaxis). Am Reaktionsort umhüllen andere Teile des Komplementsystems die Oberfläche von Bakterien, wodurch diese den Phagozyten zugänglich werden (Opsonisierung). Die spezifische zelluläre Abwehr durch bestimmte weiße Blutkörperchen (T-Lymphozyten) wird ergänzt mit einer spezifischen humoralen Abwehr durch Antikörper (Immunglobuline). Spezifische Abwehr oder Immunität Im Gegensatz zur Resistenz, die allgemein gegen jegliche Krankheitserreger wirkt, ist die Immunität zielgerichtet gegen ganz bestimmte Krankheitserreger wirksam. Sie ist durch die Bildung von Antikörpern gekennzeichnet, die nur mit einem bestimmten Antigen reagieren (Antigen-Antikörper-Reaktion). Antigene sind Eiweißstoffe oder Vielfachzucker, welche vom Organismus als körperfremd erkannt werden, worauf er mit der Bildung von Antikörpern antwortet. Die Antigene dringen meist über natürliche Körperöffnungen (Nahrungs- und Atemwege) oder über Wunden ein. Antigene Eigenschaften haben beispielsweise Zellbestandteile von Bakterien, Viren, Pilzen, Blutkörperchen, aber auch die Oberfläche von Körperzellen (Niere, Leber, Herz usw.). UNSER ABWEHRSYSTEM IgG Antikörper sind Eiweißstoffe (Immunglobuline), die gegen körperfremde Stoffe (eben gegen die Antigene) wirken. Sie werden von Plasmazellen gebildet. Die Grundstruktur der Immunglobuline besteht aus zwei identischen leichten Polypeptidketten und zwei identischen schweren Polypeptidketten, welche durch Disulfidbrücken miteinander verbunden sind. Bei den meisten Säugern und auch beim Menschen lassen sich fünf Molekülklassen der Immunglobuline unterscheiden: IgG, IgA, IgM, IgD und IgE. Sie differieren voneinander in Größe, elektrischer Ladung, Aminosäuren und Kohlenhydratanteil. Jede Klasse übernimmt bestimmte Funktionen bei der Abwehr von Infektionen und andere immunologische Aufgaben. Ein IgG-Molekül (siehe Abb.) hat zwei Bindungsstellen, die so gebaut sind, daß dort nur jene Antigene gebunden werden können, welche die Bildung der Antikörper ausgelöst haben (Schloß-SchlüsselPrinzip). Zur Anpassung an die verschiedenen Antigene dienen die variablen Regionen der leichten Ketten. Eine Allergie ist eine Überempfindlichkeit gegenüber körperfremden, aber an sich unschädlichen Stoffen. Manchmal jedoch kommt es nach dem Erstkontakt zu einer Sensibilisierung (Primärreaktion) und bei erneutem Kontakt zu einer spontanen und ausgeprägten Immunabwehr (Sekundärreaktion). Eine Allergie ist somit eine übersteigerte, fehlgeleitete Immunabwehrreaktion. Bei allergischen Reaktionen kann man Antikörper vom Typ IgE beobachten, die ihrerseits wiederum mit Mastzellen über Rezeptoren eine Verbindung eingehen und die Ausschüttung von aktiven Substanzen bewirken. Die Folge sind die klassischen allergischen Erkrankungen, wie Heuschnupfen, Asthma oder allergische Hautausschläge. 51 O S Dem Abwehrsystem helfen, damit es helfen kann Impfungen sind auch im Erwachsenenalter notwendig. Damit der Impfschutz erhalten bleibt, müssen Auffrischungsimpfungen gegen Kinderlähmung und Diphtherie-Tetanus in zehnjährigen Abständen erfolgen. Die Auffrischung gegen FSME wird zur Aufrechterhaltung eines optimalen Schutzes in dreijährigen Abständen empfohlen. Die Gefährlichkeit von Infektionskrankheiten wird heute von der Bevölkerung vielfach unterschätzt. Besonders im mittleren und höheren Lebensalter können sie mit schweren Komplikationen verbunden sein oder sogar tödlich verlaufen. Eine seuchenhafte Ausbreitung kann nur durch den Impfschutz eines größeren Bevölkerungsanteiles verhindert werden. Der größte Erfolg der Medizin in unserem Jahrhundert war sicher die Verhinderung vieler Infektionskrankheiten durch die Entwicklung und Einführung von Schutzimpfungen. Daß um die Jahrhundertwende allein in Wien über 50.000 Menschen an Diphtherie erkrankten, von denen über 21.000 starben, und selbst in den Jahren 1946 und 1947 noch 1.112 Menschen in Österreich an Diphtherie gestorben sind, ist für uns heute fast unvorstellbar. Durch die Impfung ist Diphtherie jetzt eine extrem seltene Krankheit geworden. Auch Kinderlähmung ist für uns schon fast in Vergessenheit geraten. In den Jahren 1947 und 1948 sind über 4.500 Menschen an Kinderlähmung erkrankt, 392 davon sind verstorben. Selbst noch in den Jahren 1954 bis 1959 sind bei der Kinderlähmungsepidemie in Österreich 591 Todesopfer zu beklagen gewesen. Durch die Einführung der Schluckimpfung gegen Kinderlähmung ist bei uns der letzte Erkrankungsfall an Kinderlähmung im Jahre 1980 aufgetreten: er betraf ein nicht geimpftes Kind, das sich im Ausland infiziert hatte. Allein an diesen beiden Beispielen zeigt sich, daß durch Schutzimpfungen die Häufigkeit schwerer und lebensbedrohlicher Infektionskrankheiten drastisch gesenkt werden konnte. Dies kann aber nur dann so bleiben, wenn auch weiterhin möglichst alle Menschen diese Impfungen erhalten und auffrischen! Gelingt es, die Gesamtbevölkerung durchzuimpfen, dann gelingt es auch, jene Infektionskrankheiten zu beseitigen, deren einziger Wirt der Mensch ist. Dazu gehören Polio, Röteln und Masern. Daß dies möglich ist, kann am Beispiel der Pocken aufgezeigt werden. Im Oktober 1977 erkrankte weltweit das letzte Mal ein Mensch an Pocken! Aktive Immunisierung O S Passive Immunisierung ● = abgeschwächter Krankheitserreger (Antigen) ● = Krankheitserreger (Antigen) Y = Antikörper UNSER ABWEHRSYSTEM 52 Impfungen für spezielle Risikogruppen Grippe-Impfung Der Impfstoff gegen die durch Viren ausgelöste „echte“ Grippe wird immer wieder den sich laufend ändernden Virustypen angepaßt. Eine jährliche Impfung, am besten im Herbst, wird vor allem älteren und chronisch kranken Menschen empfohlen, weil die Grippe für diese Personen lebensbedrohend werden kann, besonders ab 65. Aber nicht nur alte Menschen, sondern auch jene, welche die Krankheit auf andere Menschen übertragen können, sollten sich impfen lassen. Hepatitis-A-Impfung Hepatitis A (infektiöse Gelbsucht) wird durch Schmierinfektion und durch den Genuß von verunreinigtem Wasser oder Nahrungsmitteln übertragen und ist in südlichen Ländern sehr stark verbreitet. Gegen Hepatitis A gibt es jetzt eine sehr wirksame und gut verträgliche Impfung. Sie ist allen Personen zu empfehlen, die einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind. Dies gilt z. B. für Reisende in Länder mit niedrigem Hygienestandard und für Personen, die durch ihre berufliche Tätigkeit einem höheren Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind. 2 von 10.000 Kindern (Untersuchung an Sechsjährigen) im Laufe eines Jahres mit Tuberkulose angesteckt, wobei nur 10 Prozent der Angesteckten erkranken; sie können heute behandelt werden. Die Therapie ist aber sehr langwierig. Gerade in letzter Zeit haben sich gegen Antibiotika resistente Keime entwickelt. Die derzeitige Impfung verleiht nur zu einem geringen Prozentsatz Schutz. Es wird an einem neuen Impfstoff gearbeitet, der zur Zeit erprobt wird. Die Tuberkuloseimpfung soll daher heute nur mehr gezielt und in Einzelfällen durchgeführt werden, nachdem der Arzt die individuelle Tuberkulosegefährdung beurteilt hat. Mit einer einfach durchzuführenden Tuberkulinprobe kann festgestellt werden, ob eine Infektion mit Tuberkulose erfolgt ist bzw. ob ein Impfschutz besteht. Die Tuberkulose ist eine meist chronisch verlaufende Infektionskrankheit, die in verschiedenen Formen auftreten kann. Vorwiegend wird die Lunge befallen, doch kann Tuberkulose auch andere Organe, z. B. die Nieren, den Magen-Darm-Trakt, die Knochen und Gelenke, die Haut und das Nervensystem (Hirnhautentzündung), treffen. Hepatitis-B-Impfung Hepatitis B (Serumhepatitis) wird vor allem durch infiziertes Blut, aber auch durch Geschlechtsverkehr mit einem infizierten Partner und auf Neugeborene infizierter Mütter übertragen. Die Impfung gegen diese Form von infektiöser Gelbsucht wird für alle besonders ansteckungsgefährdeten Personen, wie Ärzte und Krankenpflegepersonal, für Dialysepatienten, aber auch für Sexualpartner infizierter Personen und Neugeborene von infizierten Müttern empfohlen. Für Reiselustige Besondere Maßnahmen zur Vorbeugung sind bei Auslandsreisen, speziell in tropische Länder, erforderlich. Entsprechende Empfehlungen und Vorschriften sind in den Apotheken oder beim Arzt erhältlich. Zusätzlich zu dem bei uns vorgesehenen Impfschutz (Polio, Diphtherie-Tetanus, FSME) können Impfungen gegen Gelbfieber, Cholera, Typhus, Hepatitis A sowie eine Chemoprophylaxe gegen Malaria notwendig sein. Tuberkulose-Impfung (BCG-Impfung) Die Tuberkuloseimpfung wird nur für Personen empfohlen, die einer erhöhten Ansteckungsgefahr ausgesetzt sind und bei denen die Tuberkulinprobe negativ ist. In Österreich ist heute das Ansteckungsrisiko für Tuberkulose im Kindesalter sehr gering. Derzeit werden nur UNSER ABWEHRSYSTEM 53 O S