Biopsychologie WiSe – Die Nervenzelle Die Nervenzelle 1. Einleitung 2. Neuronen (Evolution & Funktionelle Anatomie) 3. Neuronentypen 4. Gliazellen 5. Methoden zur Visualisierung von Neuronen Quelle: Thompson Kap. (1), 2, (Pinel Kap. 3) 1. EINLEITUNG • Recht junge Erkenntnis (Ende 19. Jahrhundert): Gehirn setzt sich aus vielen einzelnen Neuronen zusammen (~1 Billionen; 10 12 Neuronen). Abbildung Thompson 1.1 & Pinel 3.11 (Golgi-Färbung; 1-2% Färbung) 2. NEURONEN (= NERVENZELLEN) 2.1 Evolution von Neuronen und Nervensystemen • Neuronen haben sich im Lauf der Evolution auf die Informationsübertragung im Körper spezialisiert. • Sehr primitive Tierstämme (z.B. Schwämme) besitzen kein Nervensystem. • Die ersten Nervensysteme (einfache Nervennetze) bei Tieren wie Seeanemonen und Quallen. • Der grundlegende elektrochemische Mechanismus der Informationsübertragung wurde in der Evolution beibehalten und auf Neuronen übertragen. • Das Wirbeltiergehirn stellt die Fortsetzung einer Entwicklung dar, die sich bereits in primitiven Gehirnen abzeichnet. Abbildung Thompson 1.3 • Jedes Ganglion aufsteigende) enthält: Fasern afferente von (zuleitende Sinneszellen oder („Afferenz“), Interneuronen und efferente (ableitende oder absteigende) Neuronen („Efferenz“). • Nervenbahnen verbinden die einzelnen Ganglien Koordination der Ganglien über das Ganglion am „Kopf“ Kopf- oder „Oberschlundganglion“ als Beginn eines Gehirns. Abbildung Thompson 10.1 1 Biopsychologie WiSe – Die Nervenzelle • Die Evolution des menschlichen Gehirns spiegelt sich wider in der Ontogenese. Abbildung Pinel 3.1 & 3.2 2.2 Aufbau von Nervenzellen 2.2.1 Allgemeiner Aufbau im Überblick Abbildung Pinel 3.5 • Auch Neuronen haben Zellmembran, Zytoplasma, Organellen, Nucleus, DNA Gilt für alle eukaryotischen Zellen (Eukaryonten vs. Prokaryonten). • Aber Unterschiede zu anderen Zellen: • (1) Keine Teilungsfähigkeit postnatal (Ausnahme: Gyrus dentatus im Hippocampus Stichwort Gedächtnis) • (2) Zellmembran bei Neuronen ist darauf spezialisiert, Information aufzunehmen, weiterzuleiten und zu übertragen. Soma oder Perikaryon = Zellkörper (beinhaltet Zellkern mit DNA und Organellen) Axon (Neurit) • Jeweils einer der Fortsätze für Übertragung von Informationen zu anderen Zellen zuständig • Erhöhung der Leitungsgeschwindigkeit durch myelinisierte Axone (Myelin= griech. für „Mark“ • Abschnitte, in denen das Axon nicht verhüllt ist „Ranviersche Schnürringe“ • Beim Menschen Die meisten Neuronen myelinisiert; Bsp. für nicht-myelinisierte Axone: Lange Schmerzfasern („Hand auf Herdplatte“), weil … • Vorteil Myelinisierung Geschwindigkeit und Raumbedarf (Bsp. Nervus opticus) • Zielzellen des Axons: Neuronen, Muskelzellen, Drüsenzellen Synaptische Endknöpfchen • Endigung des Axons an der Substanzen freigesetzt werden, die die nächste Zelle erreichen • Synaptisches Endknöpfchen + Synaptischer Spalt + Postsynaptische Membran = Synapse (griech.= „Verbindung“, „Vereinigung“) 2 Biopsychologie WiSe – Die Nervenzelle Dendriten (griech.= „Baum“) • Unterscheidung: „basale“ und „apikale“ Dendriten • Ansatzpunkte für Axone anderer Zellen zur Informationsübertragung Abbildung „Zusammenfassung: Bestandteile Neuron“ Jetzt etwas genauer in 2.2.2. bis 2.2.5. 2.2.2 Zellkörper mit Organellen Abbildung Pinel 3.6 Mitochondrien • Es entsteht Energie in Form von ATP-Molekülen unter Verbrauch von Glucose und Sauerstoff. • ATP-Moleküle besitzen Phosphatverbindung (genauer: Phosphorsäureanhydridbindungen). • Abfallprodukte Kohlendioxid (wird ausgeatmet) und Wasser. • Energie wird vom Neuron benötigt zur (a) Informationsweiterleitung, (b) Synthese von Substanzen, (c) Ausbildung von Synapsen. • Stichwort Sauerstoffmangel • Mitochondrien überall im Neuron Endoplasmatisches Reticulum • Membransystem, das einen Großteil des Zytoplasmas der Zelle durchzieht • „raues“ ER Beteiligung an Synthetisierung von Proteinen (z.B. Transmitter) • Glatte Anteile des ER Beteiligung an Lipid-Synthese • ER nur im Soma der Zelle Golgi-Apparat • Intrazelluläres Membransystem • Verpackt Substanzen in Vesikel • Golgi-Apparat im Soma und z.T. im synapt. Endknöpfchen 2.2.3 Axon Aufbau • Durchmesser zwischen 0.2 bis 20 Mikrometer bei Säugetieren • Jedes Neuron hat nur ein Axon (Stichwort Axon-Kollaterale direkter Einfluss eines Neurons auf verschiedene Zielzellen) • Länge beim Menschen bis zu 1 Meter Abbildung Thompson 2.3 3 Biopsychologie WiSe – Die Nervenzelle Axonaler oder axoplasmatischer Transport: • Zellkörper zu Synapse: anterograder Transport • Synapse zu Zellkörper: retrograder Transport Mikrotubuli • Feines Röhrensystem, welches das Axon vom Zellkörper bis zur Synapse durchzieht • z.B. Stoffe aus ER Transport entlang Mikrotubuli zum Endknöpfchen • Stichwort Pinocytose Transportgeschwindigkeit • Schnell: 10-20 mm / Tag transportiert; langsam: 1 mm / Tag 2.2.4 Synapse Abbildung Thompson 2.4 • Synapsen werden nur von Nervenzellen und deren Zielzellen ausgebildet. • Synapsen bilden funktionellen Kontakt zwischen zwei Zellen. Abbildung Birbaumer & Schmidt 2.8 • Axodendritische, axosomatische und axoaxonische Synapsen Aufbau • Präsynaptische Axonendigung, synaptischer Spalt, postsynaptische Membran: Vesikel • Breite des synaptischen Spalts: etwa 20 Nanometer (nm) • Postsynaptische Membran mit Rezeptoren Funktionsweise Abbildung Thompson 2.5 • Stichwort Exocytose • An postsynaptischer Membran Rezeptorbindung Aktivierung der postsynaptischen Membran (erregend oder hemmend) Anzahl von Synapsen pro Zelle im Gehirn -bis zu 100.000 Synapsen pro Zelle (im Schnitt: 5.000-10.000) -je mehr Dendriten, desto mehr Synapsen 2.2.5 Dendriten 4 Biopsychologie WiSe – Die Nervenzelle Abbildung Rosenzweig, Leiman & Breedlove (RLB) 2.1 • Funktion vergrößert Reiz-aufnehmende Oberfläche der Nervenzelle • In Großhirnrinde: Tausende von dendritischen Dornen oder Spines an Dendriten (siehe Abbildung Thompson 2.4) • Erfahrungen können Form und Anzahl der Spines beeinflussen; Veränderungen innerhalb von Sekunden 3. NEURONENTYPEN 3.1 Nach Funktion Abbildung Thompson 2.7 Motoneuronen • Entsenden Axone aus dem Nervensystem und bilden Synapsen mit Muskelfasern • Meist großer Dendritenbaum, ausgeprägter Zellkörper und sehr langes, myelinisiertes Axon • Zellkörper der innervieren Motoneuronen, liegen im die Muskeln Rückenmark. im Körper Zellkörper der Motoneuronen, die Muskeln im Gesicht innervieren, liegen im Hirnstamm. • Stichwort Nerv • Motoneuronen werden durch höhere motorische Zentren im Gehirn (motorischer Cortex) gesteuert. Sensorische Neuronen • Projizieren vom Körper in das Zentralnervensystem • z.B. taktile Empfindungen oder Schmerzreize von der Körperoberfläche • Zellkörper der sensorischen Neuronen liegen unmittelbar außerhalb des Rückenmarks in Gruppen zusammen Spinalganglien • Bedenken: Faser von Hautoberfläche hin zu Spinalganglion ist ein Dendrit! Interneurone • Neurone, die zwei andere Neuronen miteinander verknüpfen • Stellen im Gehirn die große Mehrheit 3.2 Nach Art und Anzahl der Fortsätze (aus Soma) Abbildung Rosenzweig, Leiman & Breedlove (RLB) 2.3 5 Biopsychologie WiSe – Die Nervenzelle • Uni- oder Monopolare Neuronen: Bsp: Sensorische Neuronen des Tastsinns • Bipolare Neuronen: Bsp. Neuronen in sensorischen Systemen • Multipolare Neuronen: Die meisten ZNS Neuronen 4. GLIAZELLEN 4.1 Allgemein • Gliazellen (= „Neuroglia“); Glia griech. für „Leim“ • Dienen nicht der Weiterleitung von Information • Postnatal noch vermehrungsfähig • Gliazellen habe eine Reihe wichtiger Funktionen; vieles jedoch noch unklar • 10 bis 50mal mehr Gliazellen als Nervenzellen im Gehirn etwa 50% des Gehirnvolumens • Neue Erkenntnisse: Evt. doch an Infoverarbeitung beteiligt; einige haben Rezeptoren für Neurotransmitter, Kommunikation evt. über gap junctions; im Kleinhirn evt. an Gedächtnisprozessen beteiligt 4.2 Gliazelltypen Man unterscheidet... -Astrozyten oder Astroglia (auch Makroglia) -Oligodendrozyten oder Oligodendroglia -Mikroglia (Hortega-Zellen) -Schwannsche Zellen (Zellen des PNS!) Astrozyten, Astroglia Abbildung Pinel 3.10 (alte schwarz-weiss Abbildung heißt 3.9) • Häufigste Gliazellart; sternförmig (Astron griech. = „Stern“) Blut-Hirn-Schranke („Blood-Brain Barrier“, BBB): • Astroglia bilden Teil der BBB sehr wichtige Funktion • BBB hindert viele Substanzen mit dem Blutstrom ins Gehirn einzudringen. Wozu gibt es die BBB? • Viele natürlich vorkommende Substanzen sind toxisch für Neuronen. 6 Biopsychologie WiSe – Die Nervenzelle • Zentrale Neuronen sind nicht regenerationsfähig und müssen daher besonders geschützt werden. Abbildung Birbaumer & Schmidt 2.10b (siehe auch Thompson 2.9) • Mechanismus der BBB: (siehe Abbildung) • Ferner: Astrozyten in Kontakt mit den Nervenzellkörpern; Annahme Bedeutung für selektiven Transfer von Substanzen aus dem Blut in Neuronen; Mechanismus ist ungeklärt • BBB: Problem bei der Verabreichung von Pharmaka Weitere Funktionen: • Aufnahme überschüssiger Transmitter aus synaptischem Spalt • Bedeutung für „Immunsystem“ des Gehirns Phagozytose • Nach Hirnverletzung Glia-Narbe (Sinnvoller Mechanismus, aber auch ein „Problem“) Myelinbildende Gliazellen Abbildung RBL 2.6 Oligodendrozyten (Oligodendroglia) • Bilden Myelinscheide im Gehirn • Fortsätze eines Oligodendrozyts umhüllen in der Regel 15 Axone • Stoppen Regeneration geschädigter Axone Abbildung Pinel 3.9 (alte schwarz-weiss Abbildung heißt 3.10) Schwannsche Zellen • Bilden Myelinscheide im peripheren Nervensystem • Jede Zelle bildet nur ein einziges Myelinsegment • Können anscheinend die Regeneration von beschädigten Neuronen einleiten (nicht im ZNS) • EINSCHUB: Multiple Sklerose Mikroglia • Hauptfunktion Teil des „Immunsystems“ des Gehirns • Wandern in großen Mengen in beschädigte oder entzündete Hirnbereiche • Phagozytose 5. METHODEN Abbildung Birbaumer & Schmidt 20.2a-c • Methode der Neuroanatomie: Neuronen durch Anfärbung sichtbar machen 7 Biopsychologie WiSe – Die Nervenzelle • Einige bekannte sind... Golgi-Färbung: • Hirngewebe wird mit Silbernitrat gefärbt • Hierdurch werden 1-2% der Neuronen vollständig gefärbt; bis heute unklar, warum nur ein so kleiner Anteil der Neuronen die Färbung annimmt • Charakterisierung verschiedener Zelltypen in einer Hirnregion Nissl-Färbung: • Franz Nissl • Endoplasmatisches Reticulum sog. „Nissl-Schollen“ • Schollen sind empfindlich für die Chemikalie Thionin (stark blauer Farbstoff) • Ergo: Bei Nissl-Färbung nur Markierung der Zellkörper • Untersuchung der Größe und Dichte von Zellkörpern in einer Hirnregion Tracing: • Nutzt axonalen Transport • Fluoreszierender Farbstoff (engl: „dye“) wird in eine Gruppe von Zellkörpern injiziert Transport zur Synapse (= anterograder Transport) • Injektion in Axonendigung Transport zum Zellkörper (= retrograder Transport). • Gesamtes Neuron wird gefärbt • Untersuchung neuronaler Bahnen, Funktionalität von Neuronen nach Läsionen 8