DIE VOLKERRECHTLICHE LAGE DER FREIEN STADT DANZIG SETT 1945 Von Dr. Hans Viktor BOttcher GOTTINGEN • VANDENHOECK & RUPRECHT • 1958 YE ROFFENTLICHUNGEN DES INSTITUTS FUR INTERNATIONALES RECHT AN DER UNIVERSITAT KIEL 39 Die vom Institut far Internationales Recht an der Universitat Kiel in dieser Schriftenreihe verOffentlichten Reitz-age bringen nur die persiinlicben Ansichten der Verfasser zum Ausdruck. Vandenhoeck & Ruprecht, Gottingen 1958. — Printed in Germany.— Ohne ausdriickliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Ruch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfaltigen. Gesamtherstellung: Hubert & Co., Giittingen 7467 INHALT Einleitung 15 Erster Tell GESCHICFITLICHE UND POLITISCHE ENTWICKLUNG Erster Abschnitt: Errichtung des Freistaates (Entwicklung von 1919 his 1932) 17 A. Abtrennung Danzigs vom Deutschen Reich und Griindung eines selbstandigen Staates 17 B. Die Lage Danzigs zwischen dem Deutschen Reich und Polen 21 Zweiter Abschnitt: Durchsetzung des Nationalsozialimus in Danzig (Ent23 wicklung von 1933 bis 1937) A. Regierungsiibernahme durch die Nationalsozialistisehe Deutsche Arbeiterpartei B. Verfassungsstreitigkeiten und Auseinandersetzungen mit dem Välkerbund I. Volkstagswahlen im. Jahre 1935 II. Einschrankung der Kompetenzen des VOlkerbundes gegeniiber Danzig 23 25 25 26 Dritter Abschnitt: Vorbereitung der Wiedereingliederung (Entwicklung von 1937 bis 1945) A. Die Situation zwischen Danzig und dem Viilkerb-und B. Deutsch-polnische Kontroverse bezilglich Danzigs C. Rivalititt zwischen Partei und Staat D. Die I. II. III. IV. Ereignisse des Jahres 1939 bis zur Eingliederung 1VIilitArische Vorbereitungen Putschversuche ZusammenstO13e zwischen. Danzig und Polen Staatsstreich Vierter Abschnitt: Wiedereingliederung und deutsche Verwaltung (Entwick- lung von 1939 his 1945) A. Eingliederung Danzigs in das Deutsche Reich 28 28 29 31 32 32 32 33 34 35 35 36 B. Deutsche Gesetzgebung zur Vollziehung der Eingliederung I. Gesetz fiber die Wiedervereinigung der Freien Stadt Danzig 37 mit dem Deutschen Reich vom. 1. 9. 1939 II. PrMB des Fiihrers und Reichskanzlers aber die Gliederung und 37 Verwaltung der Ostgebiete vom 8. 10. 1939 Inhalt III. Runderlal3 des Reichsministers des Innern betreffend Erwerb der deutschen StaatsangehOrigkeit in den in das Deutsche Reich eingegliederten Ostgebieten vom 25. 11. 1939 IV. Verordnung fiber die deutsche Volksliste und die deutsche StaatsangehOrigkeit in den eingegliederten Ostgebieten vom 4. 3. 1941 in der Fassung vom 31. 1. 1942 V. R-underla.6 des Reichsministers des Innern betreffend Erwerb der deutschen StaatsangehOrigkeit durch ehemalige polnische und Danziger Staatsangehorige vom 13. 3. 1941 39 Fiinfter Abschnitt: Besetzung Danzigs durch Polen im Jahre 1945 und Ausweisung der Beviilkerung 39 Sechster Abschnitt: Organisation der vertriebenen Danziger innerhaib Westdeutschlands und ihre politischen Handlungen seit 1945 41 A. Entstehung einzelner Heimatgruppen B. Der Bund der Danziger e.V 41 42 C. Die Vertretung der Freien Stadt Danzig D. Denkschrift der Danziger 43 E. Exilregierung 45 P. Legitimation der Vertretung der Freien Stadt Danzig I. Wahlen II. Massenversammlungen 45 45 46 38 38 44 Zweiter Tell STELLUNGNAHME ZUR DANZIGER FRAGE Erster Abschnitt: Standpunkt der Danziger 47 A. Rechtslage B. Ansprache 47 49 C. Politische Einstellung der Danziger 50 51 Zweiter Abschn,itt: Standpunkt der Alliierten A. Westliche Alliierte I. Allgemein rechtliche Beurteilung sowie Praxis im Ausland 1. VOlkerbund und VOlkerbundskommissar 2. England 3. Frankreieh 4. Vereinigte Staaten von Amerika 5. Ubrige Staaten II. Praxis der Besatzungsmachte in. Westdeutschland 1. Praxis hinsichtlich der StaatsangehOrigkeit 2. Praxis hinsichtlich Versorgungsfragen 51 52 52 52 54 B. Sowjetunion und Polen I. Polen II. Sowjetunion 54 56 58 58 60 60 60 62 Inhalt 5 Dritter Abschnitt: Deutsche Stellungnahme 63 A. Schrifttom 63 63 I. rbersicht II. Irmerstaatliche Giiltigkeit der Eingliederung 1939 (nach deutschem Recht) III. Ungiiltigkeit der Eingliederungen 1939 und 1945 1. Deutsche StaatsangehOrigkeit 2. Staatenlosigkeit 3. Danziger StaatsangehOrigkeit B. Die Praxis in Verwaltung, Gesetzgebung und Rechtsprechung I. Praxis hinsichtlich versorgungsrechtlicher Fragen II. Praxis hinsichtlich der Staatsangehorigkeit 1. Praxis in der britischen and franzOsischen Besatzungszone (Deutsche Staatsangehorigkeit) 2. Praxis in der amerikanisehen Besatzungszone (Danziger StaatsangehOrigkeit) 3. Vereinheitlichung der Praxis (Deutsche StaatsangehOrigkeit) 64 66 66 67 68 69 69 71 71 71 73 Dritter Tell STAATS- UND VOLKERRECHTLICHE PROBLEME Erster Abschnitt: Das Problem der Annexion der Freien Stadt Danzig 1. K apit el : Die Eingliederung Danzigs in das Deutsche Reich im Jahre 1939 A. Staatsrechtliche Beurteilung I. Voraussetzungen fiir die Eingliederung nach deutschem Stan tsrecht 1. Art. 2 und 78 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung 2. Wirksamkeit der Bestinaraungen. der WRV fiber die Eingliederung fremden Staatsgebietes Beurteilung der Rechtsakte des Danziger Staates 1. Beurteilung nach der Danziger Rechtsordnung 2. AnschluBwille der Bevolkerung als mogliche Legitimationsquelle 3. Der Gesichtspunkt der Rechtserneuerung durch Staatsumwalzungen III. Folgerungen fiir die Bewertung der Wiedervereinigung nach deutschem. Becht 1. Rechtsgeltung verfassungswidriger Gesetze 2. EinfluB des VOlkerrechts auf das deutsche innerstaatliche Recht B. VOlkerrechtliche Beurteilung I. Die Eingliederung als vertragliche Inkorporation 1. Titel: Vertragliche Inkorporation eines ganzen Staates im VOlkerrecht 2. Titel : Die Eingliederungsakte unter dem Gesichtspunkt der vertraglichen Inkorporation 3. Titel: Die Frage der Rechtsgiiltigkeit der vertraglichen korporation Danzigs In 76 76 76 76 76 77 78 78 79 80 84 84 85 87 87 87 88 89 6 Inhalt AA. Aus-vvirkungen der Rechtsmangel der Danziger Eingliederungsakte I) Selbstbestimmungsrecht II) VOlkerrechtliche Vertretungsbefugnis des Danziger ,Staatsoberhauptes" als „allgemeine defacto -Regierung" BB. Verletzung vOlkerrechtlicher Vertrage I) Verletzung vOlkerrechtlicher Vertrage durch Danzig II) Verletzung vOlkerrechtlicher Vertrage durch das Deutsche Reich 1. Versailler Vertrag a) Per Versailler Vertrag als Grundlage des -vOlkerrechtlichen Status der Freien Stadt Danzig b) Bindung des Deutschen Reiches an den Rechtsstatus Danzigs 2. Kellogg-Pakt a) Bedeutung des Kellogg-Paktes fiir nichtkriegerische Gewaltakte b) Die Besetzung Danzigs durch das Deutsche Reich unter dem Gesichtspunkt des „Kriegszustandes" aa) Das deutsche Vorgehen in Danzig bb) Per deutsche Angriff auf Polen CC. SchluBfolgerung (Bewertung der vertraglichen Inkorporation) II. Die Eingliederung als einseitige Inkorporation 1. Titel : „Annexion" AA. Formelle Voraussetzungen der Annexion I) Merkmale der Annexion II) Die Eingliederung Danzigs tinter dem Gesichtspunkt der Annexion 1. Gewaltsamkeit des deutschen Vorgehens 2. Inbesitznahme 3. Annexionserkldrung BB. Frage der RechtmdBigkeit oder Rechtswidrigkeit der Annexion I) Kriegerische Annexion II) Nichtkriegerische Annexion 1. Die Bedeutung gevvaltsamer Gebietserweiterungen als StOrung der VOlkerrechtsordnung . . 2. Vertragsrecht a) Art. 10 der VOlkerbundssatzung b) Kellogg-Pakt 3. VOlkergewohnheitsrecht CC. Anerkennung DD. Zusammenfassung 2. Titel : „Militarische Besetzung" AA. Abgrenzung von „Annexion" und „occupatio bellica" BB. Die deutsche Besetzung Danzigs als „occupatio bellica" I) Meinungsstreit II) Zusamnienhang zwischen der deutschen Besetzung Danzigs und dem deutsch-polnischen Kriege 89 89 90 91 91 92 92 92 93 94 94 95 95 96 96 97 97 97 97 99 99 100 100 100 100 102 102 103 103 103 103 104 105 105 105 107 107 109 Inhalt 7 1. Auswirkung der VOlkerbundsgarantie 2. Danzig als deutsche Militarbasis III) Analoge Anwendung der Regeln fiber die ,occupatio bellica" III. Teilergebnis (Die vOlkerrechtliche Beurteilung des deutschen Vorgehens in Danzig) 109 110 111 114 2. Kap it el : Die Eingliederung Danzigs in die Republik Polen. im Jahre 1945 A. Vorgange, die zur Eingliederung Danzigs fiihrten I. Dekret vom 30. Marz 1945 1. Inhalt des Dekretes 2. Griindung der Wojewodschaft Danzig a) Verwaltungsaufteilung b) StaatsangehOrigkeitsgesetzgebung c) Sonstige Gesetzgebung 3. Austlehnung der polnischen Gesetzgebung auf Danzig II. Sonstige Annexionsmerkmale B. Rechtliche Wiirdigung der polnischen Inkorporationshandlungen. I. Annexionserkldrung im Stadium der „occupatio bellica" .. . II. Die Potsdamer Beschliisse 1. Die politischen Bestrebungen der Alliierten beziiglich Danzigs -wahrend des II. Weltkrieges a) Entwieklung bis zur Krim-Konferenz b) Von Jalta bis Potsdam c) Verhandlungen. in Potsdam 2. Wiirdigung der Potsdamer Erkldrung (Textauslegung) . . . a) Die Einbeziehung Danzigs in die sowjetische Besatzungszone b) Vergleich mit der Bestimmung beziiglich K5nigsbergs c) Anordnung der Ausweisung deutscher BevOlkerung . . 3. Polnische Verwaltung a) Besetzung durch die Alliierten b) Zweck der alliierten Besetzung c) Berechtigung der alliierten. Manahmen and die rechtlichen Schranken Sonstige Reehtfertigungsgriinde Teilergebnis (Die vOlkerrechtliche Beurteilung des polnischen Vorgehens in Danzig) 136 .. 136 Zweiter Abschnitt: Das Problem des Fortbestandes des Danziger Staates 114 115 115 115 115 116 116 117 117 117 119 119 119 120 121 124 126 127 127 129 130 132 132 133 134 135 1. K ap it el : Das Problem der Nichtigkeit volkerrechtswidriger Gebiets136 veranderungen A. Rechtliche Bedeutung der Nichtigkeit volkerrechtswidriger Gebiets136 veranderungen B. Bestrebungen im modernen. VOlkerrecht zur vertraglichen Durehsetzung der Nichtigkeit volkerrechtswidriger Gebietsveranderun137 gen 137 Rechtsentwicklung bis zur Stimson-Erkldrung I. II. Rechtsentwicklung seit der Stimson-Erkldrung bis zum 138 II. Weltkrieg 8 Inhalt III. Rechtsentwieklung seit dem IL Weltkriege 139 1. Einflul3 des panamerikanischen Rechtsdenkens 139 2. Atlantik-Charta and ITNO-Charta 140 140 C. Neuere Staatenpraxis 142 D. Stellungnahme I. Grundsatz 142 1. „Nichtigkeit" im VOlkerrecht 142 2. „adjudicatio" als mEiglicher Ausgleich im Falle der Bejahung der Nichtigkeit 142 II. Ausnahme (Annexion im Stadium der „occupatio bellies.") 143 2. Kapitel: Das Problem der Umwandlung der „occupatio bellica" in eine vollendete Annexion 144 A. Voraussetzungen fiir die Umwandlung in eine vollendete Annexion 144 B. Fortsetzung der occupatio bellica als „Zwischenzustand" 145 3. Kapitel: Das Problem der Nichtanerkennung valkerrechtswithiger 146 Gebietsveranderungen A. Nichtanerkennung der Inkorporationen Danzigs 146 I. Nichtanerkennung der Annexion durch das Deutsche Reich 146 im Jahre 1939 II. Nichtanerkennung der Annexion durch Polen im Jahre 1945 147 B. Rechtliche Auswirkungen der Nichtanerkennung auf den Bestand des Danziger Staates 147 „Nichtanerkennungstheorie" I. 147 II. Bedeutung der Nichtanerkennung im Stadium der occupatio bellica 148 4. Kapitel: Das Problem der Staatskriterien im „Zwischenzustand" 149 A. Die Staatsgewalt 150 I. Die Exilregierung unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung der 150 Staatsgewalt 151 II. Das Staatsvolk als Trager der Staatsgewalt B. Das Danziger Staatsvolk 152 152 I. Begriff des Staatsvolkes II. Die Danziger im Exil unter dem Gesichtspunkt des Staats153 volkes C. Rechtliche Bedeutung der Trennung von Staatsvolk and Staats155 gebiet wahrend der occupatio bellica I. Objektive Unmeglichkeit des Zusammenschlusses als „Staats155 yolk" infolge der occupatio bellica 156 II. Ergebnis Dritter Abschnitt: Das Problem der StaatsangehOrigkeit A. Erwerb der deutschen StaatsangehOrigkeit I. Rechtsakt der Verleihung der deutschen StaatsangehOrigkeit II. Wirkung der Verleihung der deutschen StaatsangehOrigkeit 1. Die rechtliche Lage 1939-1945 2. Die rechtliche Lage seit 1945 157 158 158 159 159 161 Inhalt a) StaatsangehOrigkeitsverhaltnisse bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehorigkeit vom 22. 2. 1955 aa) BeschluB des Bundesverfassungsgerichts vom 28. 5. 1952 aaa) Rechtsgrundsatze bbb) Wiirdigung bb) Rechtsgrundsatz des Verbots des „venire contra factum proprium" aaa) Grundsatz bbb) Die Bekundung des Willens b) StaatsangehOrigkeitsverhaltnisse seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung von Fragen. der StaatsangehOrigkeit vom 22. 2. 1955 B. Fortbestehen einer Danziger Staatsangehorigkeit C. Zusammenfassung I. Rechtslage wahrend des „Zwischenzustandes" II. Rechtslage nach Beendigung des „Zwischenzustandes" 9 162 162 162 163 165 165 166 167 168 170 170 171 DOKUMENTENANHANG 1 Verordnung betreffend das Staatsoberhaupt der Freien Stadt Danzig vom 23. 8. 1939 2 Polnisehe Note vom 24. 8. 1939 an den Senat der Freien Stadt Danzig (Protest gegen Forsters Ernennung zum Staatsoberhaupt) 3 Danziger „Staatsgrundgesetz" vom. 1. 9. 1939 4 Telegranam. des Danziger Staatsoberhau.ptes an den „Fiihrer" des Deu.tsch.en Reiches am 1. 9. 1939 und Antworttelegramm vom gleichen Tage 5 Aufruf des Oberbefehlshabers des Heeres, v. Brauehitsch, an die Danziger BevOlkerung am 1. 9. 1939 (Auszug) 6 Gesetz fiber die Wiedervereinigung der Freien Stadt Danzig mit dem Deutsehen Reich vom 1. 9. 1939 (Auszug) 7 Polnisches Dekret vom 30. 3. 1945 fiber die Bildung der Wojewodschaft Danzig 8 2 Schreiben fiber die Bildung des Rates der Danziger vom 10. 5. 1947 9 Abkonamen zwischen der Vertretung der Freien Stadt Danzig und den Landsmannsehaften WestpreuBen vote. 20. 6. 1949 10 Rede von Lord Halifax vor dem House of Lords and von Chamberlain vor dem House of Commons am 2. 9. 1939 (Auszug) 11 Schreiben eines UNRRA District Directors an den UNRRA Director Preetz vom 3. 8. 1945 (betr. Status der Danziger) 12 Antworten auf Fragen im englisehen Unterhaus beziiglich Danzig vom 31. 10. 1945; 18. 11. 1946; 12. 12. 1946 (Ausztige) 13 Urteil des Ra8d voor het Rechtsherstel vom 28. 8. 1956 (betr. Vernatigen eines Danzigers in Holland) 172 172 173 174 174 175 176 176 178 178 179 180 181 10 Inhalt 14 Schreiben der Schweizerischen Verrechnungsstelle, Abt. fär die Liquidation deutscher VermOgenswerte, vom 9. 2. 1953 an Dr. Stern- feld (betr. Danziger VermOgen in der Schweiz) 15 Schreiben des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland, London, vom 14. 9. 1951 (betr. StaatsangehOrigkeitsverhaltnisse der Danziger in Deutschland) 16 Schreiben des Auswartigen Amtes an die Forschungsstelle fiir VOlkerrecht and auslanclisches Offentliches Recht der Universitat Hamburg vom 28. 7. 1953 (betr. Rechtswirksamkeit von Kollektiveinbiirgerungen von ehemaligen SthatsangehOrigen der Freien Stadt Danzig) 17 RunderlaB des Auswartigen Amtes vom 2. 3. 1953 (betr. Status der Danziger) 18 Schreiben der Militarregierung von Nordrhein-Westfalen an das Danzig-Sekretariat vom 21. 4. 1949 (betr. Danziger in Deutschland) 19 Entscheidung der Britischen Militarregierung von Nordrhein-Westfalen vom 6. 5. 1948 (betr. Rechtswirksamkeit des Wiedervereinigungsgesetzes vom 1. 9. 1939) 20 Erla13 des Oberprasidenten der Nordrheinprovinz vom 10. 4. 1946 (betr. Danziger in Deutschland) 21 Schreiben des Ministers des Innern des Hessischen Staatsministeriums vom 18. 2. 1949 (betr. Status der Danziger) 182 183 185 186 187 187 188 188 ABKURZUNGEN VON GESETZ-, VERORDNUNGS-, ENTSCHEIDUNGSUND DOKUMENTENSAMMLUNGEN ADAP AJIL Arch. off. R. Arch. VR BBIP Berber BannerDudenJanssen B YIL Voile des Crusen' Lewinsky DDP Akten zur deutschen au.swartigen Politik 1918-1945 aus dem artigen Amtes Serie D/1937-1945, Archiv des deutschen Ausw herausgegeben von den Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, England und Frankreich. Bd. V : Polen, Sildosteuropa, Lateinamerika, Klein- und Mittelstaaten, Juni 1937-1939 (Baden-Baden 1953). Bd. 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Auslandische Dokumente zur Oder-NeiBe-Linie (Osthandbuch, Heft 6, Stuttgart 1949). Deutsches Biiro fiir Friedensfragen 100 Dokumente zur Vorgeschichte des Krieges, Auswahl aus Deutsche Informations- dem amtlichen deutschen WeiBbuch (Berlin 1940). stelle Europaische Politik 1933-1939 im Spiegel der Prager Akten Deutsches (Bd. 8, Essen 1941). Institut fiir a-uBenpolitische Forschung Danziger Juristische Monatsschrift. DJM Dokumenta- Die Vertreibung der deutschen BevOlkerung aus den Gebieten ostlich der Oder-NeiBe (Bd. I/1, 1/2, o. D., herausgegeben vom tion der Bundesminister fiir Vertriebene). Vertreibung 12 Dokumente and Materialien DVK Dz. U. EA EKV Engl. Blaubuch Frz. Gelbbuch GA GB1 Hack-worth IIBDStR HBVR IMG IoP JIR JurB1 Kraus,- Heinze ,KrausROdiger Lauterpacht LewinskyWagner LP LR MFA v. Mangoldt Abkiirzungsverzeichnis Dokumente und Materialien aus der Vorgeschichte des zweiten Weltkrieges aus dem Archiv des Auswartigen. Amtes (Bd. 1-2, herausgegeben vom Ministerium fiir Auswartige Angelegenheiten der LTdS SR, Moskau 1948-1949). Dokumente zur Vorgeschichte des Krieges, herausgegeben vom Auswartigen Amt, Nr. 2 (Berlin 1939). „Dziennik Ustaw", Polnisches Gesetzblatt. Europa Archiv. Entscheidungen des Hohen Kommissars des VOlkerbundes in der Freien Stadt Danzig. Zusammengestellt und herausgegeben beim Senat der Freien Stadt Danzig 1921---1932, 6 Bande, (Danzig 1922-1933). English Blue Book. Documents concerning German-Polish Relations and the Outbreak of Hostilities between Great Britain and Germany on September 3, 1939. His Majesty's Stationary Office, Miscellaneous No. 9 (London 1939). Livre Jamie Francais. Documents diplomatiques 1938-1939. Ministere des Affaires Etrangêres. Archiv des Gottinger Arbeitskreises. Gesetzblatt der Freien Stadt Danzig. A Digest of International Law, 8 Bde, Washington 1940-1944. Handbuch des deutschen Staatsrechts. In: Das Offentliche Recht der Gegenwart, Bd. 28/29. 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Im September 1939 erfolgte die Wiedervereinigung mit dem Deutschen Reich. Im Marz 1945 geriet Danzig in polnischen Besitz. Der 2. Weltkrieg endete ohne allgemeinen Friedensvertrag. Zahlreiche durch den Kriegsverlauf strittig gewordene territoriale Rechtsverhaltnisse sind daher ungeklart geblieben. Auch Danzig gehOrt zu jenen Gebieten, iiber deren rechtliches Schicksal eine Einigung unter den Beteiligten nicht zustande gekommen ist. Infolge theses Spannungsverhaltnisses vermochten sich die politischen Handlungen bisher einer rechtlichen. Normierung und damit jeder Kontrolle zu entziehen und einer „vollendeten Tatsache" entgegenzustreben. Dieses Provisorium dauert nun bereits dreizehn Jahre. Etwa 300000 Danziger leben als „Vertrieben.e" auBerhalb ihres Heimatgebietes. Ein derartiger Schwebezustand lost zahlreiche rechtliche Probleme aus. In diesen. Bereich gehOrt auch die Frage, ob der Danziger Staat noch existiert and ob es noch eine Danziger Staatsan.gehOrigkeit gibt. In der Verwaltungspraxis and in der Rechtsprechung des In- und Auslandes ist sie vereinzelt angesprochen, im Schrifttum wiederholt zum Gegenstand der ErOrterung gemacht warden. Abgesehen von einigen Ausnahmen handelt es sich hierbei aber nicht um ausfiihrliche and griindliche Abhandlungen, sondern meter um kurze rbersichten.. Bei dem Studium der verschiedenen VerOffentlichungen stellt man iiberdies fest, daB sich sowohl aus den Ergebnissen als auch aus den Begriindungen eine auffallig uneinheitliche Beurteilung ergibt. Der Verfasser bemiiht sich in der vorliegenden Arbeit, die verschiedenen Rechtsansichten zu wiirdigen und einen Beitrag zur Klarung der genannten Rechtsprobleme zu liefern. Zwei Ereignisse haben die staats- mid vOlkerrechtliche Ent wicklung Danzigs in neuester Zeit entscheidend beeinfluBt : die Wiedervereinigunn mit dem Deutschen. Reich am 1. 9. 1939 und die Einbeziehung in die polni. 16 Einleitung sche Verwaltung am 7. 4. 1945. Auf jene beiden politischen Geschehnisse werden sich die nachfolgenden Untersuchungen zu konzentrieren haben. Zunachst wird eine Darstellung der geschichtlichen und politisehen Ereignisse vorgenommen, soweit sie als Grundlage fiir die rechtliche Begutachtung erforderlich ist. Es wird hierbei besonders der Versuch gemacht, jene Zusammenhange aufzudecken, die den wachsenden EinfluB des Deutschen Reiches auf die Danziger Entwicklung in den Vorkriegsjahren bedingten and die schlieBlich zu den EingliederungsmaBnahmen fahrten. Imifinblick auf die Frage, ob ein juristisches Fortleben der „Freien. Stadt Danzig" als staatliches Gebilde denkbar ist, wird auch auf die staatsrechtlichen Bestrebungen und Organisationen der vertriebenen Danziger innerhalb Westdeutschlands eingegangen. Im AnschluB daran folgt eine eingehende Darstellung der verfiigbaren Stellungnahmen zum bezeichneten Problemkreis, wobei zunachst die Meinung der Danziger selbst, sodann der Standpunkt des Auslandes and schlieBlich die Stellungn.ahme innerhalb der Bundesrepublik behandelt wird. In einem. Britten Teil werden die sich aus dem ersten Teil ergebenden and im zweiten Teil aufgeworfenen staats- und vOlkerrechtlichen Probleme einer Wiirdigung unterzogen. Ilierbei wird ausgegangen von ether Beurteilung der innerstaatlichen, zur Vereinigung fiihrenden Vorgange in Danzig, urn anschlieBend die Wirkungen gewaltsamer Geloietsverand.erungen im VOlkerrecht zu untersuchen und die Frage zu loeantworten, wieweit ein Stadt trotz fremder Okkupation juristisch fortzubestehen vermag. AbschlieBend wird die gegenwartige StaatsangehOrigkeit der Danziger untersucht. Erster Tell GESCHICHTLICHE UND POLITISCRE ENTWICKLUNG Erster Abschnitt Errichtung des Freistaates (Entwicklung von 1919 his 1932) A. Abtrennung Danzigs vom Deutschen Reich and Griindung eines selbstandigen Staates Naeh Beendigung des 1. Weltkrieges erhob der neugeschaffene polnische Staat die Forderung, Danzig vom Deutschen. Reich abzutrennen und an Polen anzugliedern. Es gelang Polen, die Alliierten von der Notwendigkeit zu iiberzeugen, ihnen in Danzig einen „freien Zugang zum Meere" zu sichern. Die deutsche Friedensdelegation hingegen berief sich auf das Selbstbestimmungsrecht der VOlker und wandte sich gegen die Abtretung der Stadt Danzigl, deren BevOlkerung bis auf eine kleine, in erster Linie polnische Minderheit (ca. 4%) 2 deutsch war. Sie erklarte sich indessen bereit, Polen in den Hafen. Memel, Konigsberg und Danzig besondere Rechte zu sichern. Die Alliierten bekannten sich zu keiner der beiden Auffassungen. Sie waren. -untereinander uneinig. Lloyd George und zuerst auch Wilson wiinschten. Danzig als rein deutsche Stadt bei Deutschland zu belassen. Clemenceau dagegen war bereit, den polnischen Wiinschen nachzugeben a. Es kam zu einem KompromiB. Die Alliierten sahen die zweckmaBigste LOsung in der Schaffung eines selbstandigen Danziger Staates, in dem Polen zur Sicherung des freien Zugangs zur Ostsee Sonderrechte eingeraumt werden sollten. In ;liver Antwort erklarten. die Alliierten Mate u. a. 4 : 1 Note der deutschen Delegation vom 29. 5. 1919, abgedruckt bei Kraus Rodiger S. 433ff, insbes S. 468f. 2 Keyser, Geschichte der Stadt Danzig S. 30. 3 Vgl. Recke, Danzig auf der Pariser Fried enskonferenz. 4 Aus der Mantelnote Clemenceaus vom 16. 6. 1919, auszugsweise abgedruckt bei Lewinsky-Wagner S. 194. 2 7467 Bdttcher, Danzig 18 Abtretung Danzigs „. . . Die Stadt Danzig soil die Verfassung einer Freien Stadt erhalten; ihre Einwohner sollen autonom sein; sie sollen nicht unter die Herrsehaft Polens konamen und sollen. keinen Teil des polnischen Staates bilden. Polen soil gewisse wirtschaftliche Rechte in Danzig bekommen, die Stadt selber ist von Deutschland abgetrennt worden, well es kein anderes mogliches Mittel gab, jenen ,freien und sicheren Zugang zum Meer& zu verschaffen, welchen Deutschland zu iiberlassen versprochen hatte." Von dem deutschen Interesse an einer Verbindung zwischen Reich und OstpreuBen wurde nicht gesprochen. Die Abtretung Danzigs erfolgte am 10. 1. 1920 mit dem Inkrafttreten des VersaiLler Vertrages. Das zwischen den Alliierten und dem Deutschen Reich am 9. 1. 1920 unterzeichnete Pariser Abkommen 5 regelte den gleichzeitigen Ubergang der Staatshoheit der G-ebiete Danzig and Memel an die alliierten and assoziierten Hauptmachte. Durch den Versailler Vertrag6 verpflichteten sich die Alliierten, die Stadt Danzig nebst dem in Art. 100 bezeichneten Gebiete als Freie Stadt zu errichten und sie unter den Schutz des VOlkerbundes zu stellen (Art. 102). Die Alliierten verpffichteten sich ferner, ein tbereinkommen zwischen der polnischen Regierung und der Freien Stadt Danzig zu verrnitteln, das mit der Errichtung der Freien Stadt Danzig in Kraft treten sollte (Art. 104). Der Zweek dieses Vbereinkommens sollte sein, Danzig in das polnische Zollgebiet aufzunehmen, eine Freizone im Hafen zu errichten, der polnischen. Regierung die Leitung der auswartigen Angelegenheiten der Freien. Stadt Danzig sowie den Schutz ihrer StaatsangehOrigen im Ausland zu iibertragen and die gleichmaBige Behandlung der polnischen and Danziger BevOlkerung im Gebiet des Freistaates sicherzustellen. Ferrer sollten Polen durch dieses Abkommen gewisse Rechte wie freie Benutzung und der Gebrauch der WasserstraBen, Docks, Binn.enhafen, Vberwachung and Verwaltung der Weichsel and des gesamten Eisenbahnnetzes usw. eingeraumt werden, um Aim die ungehinderte Einmid Ausfuhr durch den Danziger Hafen zu sichern (Art. 104). Die Verfassung sollte im Einvernehmen mit einem Hohen Kommissar des VOlkerbimdes von Vertretern der Freien Stadt Danzig ausgearbeitet and vom VOlkerb-und gewahrleistet werden. Der Hohe Kommissar nahm seinen Sitz in Danzig. Er wurde mit der erstinstanzlichen Entscheidung der Streitigkeiten zwischen Polen and der Freien Stadt Danzig betraut (Art. 103). Die Errichtung der Freien Stadt Danzig erfolgte (lurch die Errichtungsurkirnde der Botschafterkonferenz der alliierten und. assoziierten Hauptmachte vom 27. 10. 1920, die am 9. 11. 1920 von den Vertretern der Freien 5 Vbereinkommen, betreffend die Abtretung der Gebiete von Danzig und Memel, abgedruckt bei Lewinsky-Wagner S. 194; Kraus-ROdiger Bd. II, S. 868. 6 Art. 100-108 enthalten die Bestimmungen -Ether Danzig. V älkerbund und Danzig 19 Stadt angenommen wurde and am 15. 11. 1920 in Kraft trat 7 . Gleichzeitig trat der Pariser Vertrag zwischen Polen und Danzig vom 9. 11. 1920 in Kraft, der auf Grund des Art. 104 des Versailler Vertrages abgeschlossen wurde 8. Er bildete die Rechtsgrun.dlage fur die Beziehirngen zwischen Danzig und Polen°. Im Einvernehmen mit dem Hohen Kommissar des VOlkerbundes arbeitete die verfassungsgebende Versammlung eine Verfassung aus und nahm sie am -49. 8. 1920 an. Der VOlkerbund bestatigte am 17. 11. 1920 10 das Inkrafttreten der Verfassung. Gleichzeitig iibernahm er the Garantie dieser Verfassung und erklarte ferner, daB die Freie Stadt mit dem Tage ihrer Errichtung durch die alliierten und assoziierten Hauptmachte geinaB Art. 102 des Versailler Vertrages ureter den Schutz des VOlkerbundes gestellt sei. Das en.dgiiltige Inkrafttreten. der Verfassung erfolgte jedoch erst durch eine entsprechende Erklarung des Hohen Kommissars am 11. 5. 1922, n.achdem. auf Verlangen des VOlkerbundes einige Anderungen vorgenommen waren. Danach durfte u. a. eine Verfassungsanderung nur mit Zustimmung des VOlkerbundes erfolgen (Art. 49 der Danziger Verfassung), der Senat der Freien Stadt Danzig wurde verpflichtet, dem VOlkerbund auf dessen Verlangen jederzeit amtliche Auskunft fiber die Offentlichen Angelegenheiten der Freien Stadt Danzig zu erteilen (Art. 42), und die Amtsdauer des Prasidenten. des Senats wurde von 12 auf 4 Jahre herabgesetzt (Art. 25) 11. Nach der Genehmigung des Hohen Kommissars bestatigte der VOlkerbundsrat in seiner Sitzung vom 13. 5. 1922 12, daB die Verfassung water der Garantie des Viilkerbundes stehe. Mit dieser Garantie bezweckte der VOlkerb-und, einen geordneten Ablauf des inneren Staatslebens der Freien Stadt Danzig auf der Grundlage der Verfassung und im Rahmen der durch den Versailler Vertrag vorgesehenen Freiheitsbeschrankungen, sowie die innerstaatliche Unabhangigkeit und Selbstandigkeit sicherzustellen13. Der Schutz der Freien Stadt Danzig, der vom Viiikerbund iibernommen worden war, bedeutete eine Erganzung der Garantie dahin, daB auch die auBere Unabhangigkeit des Freistaates gewahrleistet sein sollte. Die Aufgabe des Vtilkerbundes als Protektor der Freien Stadt Danzig war es, die territoriale Un7 Abgedruckt bei Lewinsky-Wagner S. 196; L °ening, Die rechtlichen Grundlagen S. 9. 8 StAD 1921, S. 6; Lewinsky-Wagner S. 428. Erganzt wurde dieser Vertrag durch das Warschauer Abkommen vom 24. 10. 1921 (Lewinsky -Wagner S. 442) and Zusatzabkommen vom 21. 12. 1921 (Lewinsky-Wagner S. 545). 9 Vgl. Matschke S. 73ff.; diese Auffassung wurde auch vom Hohen Kominiv,ar des VOlkerbundes in seiner Entsch.eidung vom 6. 12. 1921 (EKV 1921, S.46) and vom Hanger Gerichtshof in seinem Gutachten vom 4. 2. 1932 (STIG Serie A/B Nr. 44) vertreten. BeschluB des Vakerb-undsrates vom 17. 11. 1920 (SdN Dok. Nr. 20/29/17 Annex,. 130a); auszugsweise abgedruckt bei Lewinsky-Wagner S. 198. 11 Vgl. Matschke S. 47. SdN JO 1922 S. 532. 19 Vgl. Matschke S. 48. 20 VOlkerbund und Polen versehrtheit und politische Unabhangigkeit der Freien Stadt Danzig zu , erhalten 14 . ,X1‘ Sinn dieser Garantie- und Sahutzbestimmung war, die Freie Stadt Danzig . ------ gegen jede Emmischung zu schiitzen, die ihre durch den Versailler Vertrag vorgesehene Sonderstellung verletzte oder gefahrdete. Die VOlkerhundsstaaten erkannten also die Gefahr, die in der Verselbstandigung des aus dem Deutschen Reich herausgeliisten deutschen Gebietes, ferner aber auch darin lag, daB Polen, das Danzig far sich beanspruchte, dort weitgebende Rechte zustanden. Urn mOglichen Konflikten zu begegnen und Danzig so zu erhalten, wie es im. Versailler Vertrag vorgesehen war, schufen sie das besondere Schutzverhaltnis. Wahrend sie selbst die Gewahrleistungspflichten abemahmen, folgten aus dem Versailler Vertrag aber auch far Danzig Verpflichtungen gegeniiber dem VOlkerbund 15 . In der Hoffnung, damit seinen EinfluB in Danzig zu erweitern und zu verbin dem, daB Danzig ein souveraner Staat warde, strebte Polen danach, diesen Schutz zu abemehmen. Der VOlkerbund gab dieser Forderung nicht nach. Er machte lediglich die Konzession, zu erklaren, daB er die polnische Regierung far besonders geeignet hielt, „tinter Umstanden die Verteidigung Danzigs zu Lande and die Aufrechterhaltung der Ordnung im Gebiete der Freien Stadt Danzig sicherzustellen, falls die Danziger Polizeitruppen nicht geniigen sollten" 16 . Es wurde aber ausdracklich klargestellt, daB es eines besonderen Auftrages des Viilkerbmidsrates bzw. seines Hohen Kommissars bedurfte, um Polen zu berechtigen, VerteidigungsmaBnahmen fiir die Freie Stadt Danzig durchzufiihren. Danzig war somit als Ergebnis eines politischen Kompromisses 17 gegen den Willen seiner Einwohner 18 vom Reichsgebiet abgetrennt worden. Es besaB eine eigene Regierung, den „Senat", eine gesetzgebende KOrperschaft, den „Volkstag", eine eigene Gerichtsbarkeit mit dem „Obergericht" als hachster Instanz und seit 1923 auch eine eigene Wahrung, den „Danziger Gulden" (Bank von Danzig). Obwohl die Souveranitat der Freien Stadt den genannten Beschrankungen unterworfen war, gait Danzig nach herrschender Meinung' 9 als selbstandiger Staat und VOlkerrechtssubjekt. Das 14 Vgl. den dem BeschluB des VOlkerb-undsrates vom 17. 11. 1920 zugrunde liegenden Bericht des Grafen Ishii (SdN Dok. 20/29/17 Annex. 130) ; auszugsweise abgedruckt bei Crusen-Lewinsky S. 203. 15 Nach dem Bericht des Grafen Ishii (Arun. 14) sind die Verpffichtungen u. a. : 1. Die Verfassung muB die Billigung des VOlkerbundes erhalten. 2. Die Verfassung kann nur mit Genehmigung des VOlkerbundes geandert werden. 3. Das Verfassungsleben der Freien Stadt Danzig rn-uB sich irnmer nach den Bestim.mtmgen der Verfassung richten. is BeschluB des VOlkerbundesrats vom 22. 6. 1921 (SdN JO 1921 S. 671f.), abgedruckt bei Lewinsky-Wagner S. 284. Vgl. Cavare Bd. 1 S. 404. 18 Vgl. Keyser a.a.O. S. 29. 19 VerdroB 1.Aufl. S. 57; Guggenheim Bd. I S. 210; OppenheimLauterpacht Bd. I S. 175 Amu. 4; Laun, Der gegenwartige Rechtszustand Danzig und Polen 21 Danziger Staatsgebiet bildete eine Flache von 1951 qkm, 58 qkm davon Frisches Haff. Im Jahre 1939 lebten ca. 400000 Men.schen auf diesem Gebiet, davon ca. 250000 in der Stadt Danzig 20 . Etwa 96% der BevOlkerung des Freistaates war deutschen Vol k-stums 21 . AuBer Danzig lagen noch die Stadte Zoppot, Tiegenhof und Neuteich im Gebiete des Freistaates. B. Die Lage Danzigs zwischen dem Deutschen Reich und Polen Nach dem Beginn des Eigenlebens Danzigs als Stadt traten sogleich die Schwachen zutage, die in der Errichtung des kleinen, zwischen Polen and Deutschland gelegenen Staates begrtindet waren. Auf der einen Seite stand Polen, das nicht von seinem Ziel ablieB, Danzig zu einer polnischen Stadt zu machen, und das seine ihm durch den Versailler Vertrag gewahrten Sonderrechte dazu benutzte, Danzig allmahlich von sich abhangig zu machen. Auf der anderen Seite stand das deutsche Danzig, das nicht nur aus der preuBischen Staatsverwaltung losgelOst, sondern auf Grund der Versailler Bestimmungen auch aus dem deutschen Wirtschaftsverband herausgerissen und der ganzlich andersgearteten Wirtschaft des neuerstandenen und neu aufbauenden Polens angegliedert wurde. Die politische Neugestaltung des Ostens wirkte zimachst belebend auf die Dan ziger Wirtschaft. Bald fiihrte die enge wirtschaftliche Bindung an Polen jedoch zu einem steten Niedergang. Der Lebensstandard in Danzig war hOher als in Polen. Die niedrigen Lane and die sozialen. Lasten sowie die Wahrungsentwertungen in Polen verminderten den Absatz Dan ziger landwirtschaftlicher and industrieller Erzeugnisse auf dem polnischen Markt, wahrend umgekehrt die Polen. im Danziger Absatzgebiet als starke Konkurrenten auftreten konnten. Eine weitere betrachtliche EinbuBe erlebte die Danziger Wirtschaft durch den Abzug eines groBen Teils des Giiterumschlags durch den neuen polnischen Hafen Gdingen. Bereits urn Jahre 1924 begann S. 13; Schröder, Die vôlkerrechtliche Stellung Danzigs S. 20; Kaufmann, Der rechtliche Status der Freien Stadt Danzig S. 1ff.; Bode+, S. 8; Crusen, Das StaatsangehOrig,keitsrecht S. 873f.; Mason S. 228ff., insbes. S. 247; vgl. auch die Zusammenstellung bei Makowski, Le caractere etatique S. 49ff.; Mattern S. 55; Cavare Bd. I S. 405, mit der Einschrankung, daB Danzig eM VOlkerrechtssubjekt ohne staatlichen Charakter sei; a. A.: hauptsachlich polnische, aber auch franzOsische Schriftsteller ; vgl. Mak ow s ki a. a. 0. S. 42ff. ; Rousseau S. 170f., (lessen Kenntnisse fiber die Zusammenhange in Danzig jedoch offenbar auf ungenauen Informationen beruhen naiissen, wie aus einer Bem.erkung auf S. 172 hervorgeht, nach der Danzig bereits durch die Danziger Verordnung vom 23. 8. 1939 an das Deutsche Reich angegliedert worden sei. Die Zshlen beruhen auf Schwarz, Chronik des Krieges, Der Krieg, seine Vorgeschichte und seine Entwicklung bis Z11111 1. 2. 1940, S. 27 (3. Aufl. Berlin 1940). 21 Keyser a.a.O. S. 30. 22 Danzig and Polen Polen mit dem Bau eines Hafens in Gdingen, das mit franzasischem Kapital innerhalb weniger Jahre aus einem kleinen unbeachteten. Fischerdorf zu einem leistungsfahigen. Umschlagplatz mit einer Einwohnerzahl von 114000 im Jahre 1938 heranwuchs. Palen leitete nur noch Massengiiter wie Schrott, Eisenerze, Kohle, Holz, Zement and Rohzucker -fiber Danzig. Den Umschlag von hochwertigen Stiickgiitern das eigentliche Geschaft fiir die Danziger Zwischenhandler dagegen wickelte Polen fiber Gdingen ab 22. Spater baute Polen eine Bahnlinie durch das „Korridor"-Gebiet, um die oberschlesische Kohle unter Umgehung Danzigs in Gdingen verschiffen zu kOnnen 23. Mit der Errichtung theses leistungsfahigen Hafens hatte es aber die einzig mOgliche politische Rechtfertigung seiner Forderung auf Abtrennung Danzigs als freier Zugang zum Meer — preisgegeben denn nur die rberzeugung, daB Polen einen freien Zugang zum Meere haben masse, hatte die Alliierten zur eiruniitigen Billigung der Verselbstandigung Danzigs veranlaBt. Auch durch politische Stimmungen in Polen sind der Danziger Wirtschaft Schwierigkeiten bereitet worden 24. Der Danziger Staat konnte schlieBlich seine Ausgaben nicht mehr decken und erhielt Zuschiisse vom Deutschen Reich. Die Weltwirtschaftskrise verscharfte noch die schwierige Lage Danzigs 25. 111 einem Sachverstandigen-AusschuB im VOlkerbund, der sich zu Zoll- and Wirtschaftsfragen. Danzigs gutachtlich zu auBern hatte, wurde im Jahre 1932 festgestellt, daB durch die MaBnahmen der polnischen Nation die Lebensgrun.dlagen der Freien Stadt Danzig allmdhlich derart erschiittert warden, daB man an eine Anderung der Grundlagen des Danzigpolnischen Verhaltnisses denken miisse 26. Angesichts der schlieBlich hoffnungslosen. wirtschaftlichen. Lage war es nur natiirlich, daB Danzig von einer Verbindung mit Polen fortstrebte das Ziel verfolgte, seine Verselbstandigung so bald wie mOglich ruckgangig zu machen. In der aufgezeigten Polaritat der Interessen, aber auch darin, daB die Situation Danzigs sowohl politisch als auch wirtschaftlich — unnatiirlich und kompliziert war, liegt der Grund fiir die fortgesetzten Streitigkeiten zwischen Danzig und Polen, die den Hohen Kommissar des Viilkerbtmdes als erstinstanzliches Entscheidungsorgan sowie den Haager Gerichtshof in den Jahren 1920 bis 1933 standig in A nspruch nahmen 27. 22 Bereits im Jahre 1928 warden 18% des Cresamtum gehlages Danzigs und Gdingens fiber den Hafen Gdingen abgewickelt. 1938 waren es 56%. Der Wert des Warenurnschlags war 1938 in Gdingen mehr als drefinal so gra wie in Danzig (Schwarz a.a.O. S. 28). 23 Vgl. zu diesen Ausfiihrungen Peiser S. 8ff.; Leonhardt S. 36ff.; Schwarz a.a.O. S. 27ff.; Keyser a.a.O. S. 32f.; Rauschning, The Conservative Revolution S. 62ff. 24 Vgl. Peiser S. 11. Vgl. Leonhardt S. 41. 26 Deutsches Bar° fiir Friedensfragen, Vergleich S. 1. 27 Vgl. StIG Serie B Nr. 11 (1925), Nr. 15 (1928), Nr. 18 (1930), Serie A/B Nr. 43 (1931), Nr. 44 (1932). Regierungsiibernahrne durch, die NSDAP in Danzig 23 Zweiter Abschnitt Durehsetzung des Nationalsozialismus in Danzig (Entwieklung von 1933 bis 1937) 28 Die Regierungsiibernahme durch die NSDAP in Danzig and der AbschluB des deutsch-polnischen. Zehnjahrespaktes brachten eine vollstandige Ver schiebung der Grundkonzeption mit sich. Nicht mehr Danzig and Polen bildeten. die Fronten, es fand vielmehr eine Verlagerung auf den innerstaatlichen Sektor Danzigs statt. Der vom Deutschen. Reich gefOrderten NSDAP, die bei dem vertraglich an Deutschland gebundenen. Polen bemerkenswerten Riickhalt fand, standen die Oppositionsparteien gegeniiber, die dem Vordrangen der NSDAP erheblichen Widerstand entgegensetzten. and sich sehr viel langer behaupteten als die Opposition im Deutschen Reich. Der Hobe Kommissar schlichtete nicht mehr zwischen Danzig wad Polen, sondern befand caber die Antrage and Verfassungsbeschwerden der Danziger Opposition, wobei im allgemeinen eine Frontenbildung Danziger Opposition und VOlkerb-tmd einerseits gegen die von Polen unterstiitzte Danziger NSDAP andererseits zu beobachten war, wie im folgenden darzustellen sein wird. A. Regierungsiibernahme durch die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Wie die nationalsozialistischen Ideen zunachst in ganz Europa gewissen Widerhall fanden 29, so gelang es der NSDAP, auch in. Danzig Fu.13 zu fassen 3°. Das Anwachsen. dieser Bewegun.g wurde bier durch das Spannungsverhaltnis zwischen Danzig and Palen rind durch die standig bedrohlicher werdende Wirtschaftskrise begiinstigt. Der Gedanke des Wiederanschlusses an das Deutsche Reich als einzig moglicher Ausweg aus der verfahrenen Lage wurde auch von den an.deren Parteien verfolgt. Die junge radikale nationalsozialistische Partei schien jedoch, nachdem sie sich ire. Januar 1933 in Deutschland durchgesetzt hatte, die sicherste Gewahr fiir eine baldige Verwirklichung der Riickgliederung zu bieten. 28 Die Darstellung des 2. and 3. Abschnittes beruht auBer auf den jeweils angegebenen Quellen auf Gesprachen des Verfassers nach 1945 mit dem letzten. Hohen Sommissar des VOlkerbundes in Danzig, Prof. Carl J. Burckhardt, dem letzten franzOsischen.Konsul inDanzig, Ministre plen. Guy Baron de la Tournelle, dem Polizeiprasidenten. der Freien Stadt Danzig, Dr. Helmuth FrobOss, ferner auf persOnlichen TTherlieferungen des Leiters der Auswartigen Abteilung des Senats der Freien Stadt Danzig, Staatsrat Dr. Viktor BOttcher. 29 Vgl. Rauschning a.a.O. S. 69. 39 Griindung im. Jahre 1926. Nach anfanglichen MiBerfolgen FOrderung durch den 1930 von Hitler nach Danzig gesandten Albert Forster (vgl. LR vol. XIII, S. 70 ff.). 24 Die NSDAP in Danzig Bei der Volkstagswahl am 28. 5. 1933 erhielten die Nationalsozialisten 107 331 Stimmen. (50,03%), die Opposition 106 797 Stimmen. Die NSDAP erhielt 38 von 72 Sitzen im Volkstag und bildete mit Unterstiltzung der beiden Abgeordneten der polnischen Minderheit die erste nationalsozialistische Regierung in Danzig ureter Fiihrung von Dr. Hermann Rauschning 31 . Rauschning war einer der friihen intellektuellen Anhanger des Nationalsozialismus, der jedoch schon bald nach der Regierungsbildung in ernsthafte Konflikte mit seiner Partei genet 32. Er ging von der Annahme aus, daB eine Anderung der durch den Versailler Vertrag geschaffenen Rechtslage Danzigs nur durch einen Krieg erreichbar sei. Seine Absicht war daher, einen Staat zu entwickeln, der imstande sein wurde, auf der Grundlage des Versailler Vertrages ein eigenstandiges Leben zu fiihren.. Er betrieb deshalb nicht den in Danzig vorherrschenden AnschluBgedanken, sondern trat vielmehr fiir eine Annaherung an Polen ein und war bereit, diesem Konzessionen zu machen. Mit der Linie Rauschnings konnte sich die Partei nicht einverstanden erklaren. Sie war ausfiihrendes Organ der deutschen NSDAP, also Hiders, und war bestrebt, so bald wie moglich die Gleichschaltung von Partei und Staat in Danzig durchzusetzen. Mit ihrer Anti-Versailles-Politik, die dem WiederanschluB zustrebte, war der Gedanke des Ausbaues des Freistaates nicht zu vereinen. Rauschning wurde am 23. 9. 1934 von seiner Fraktion zum Riicktritt gezwungen. Nachdem er vor den Neuwahlen 1935 in einem offenen. Brief das nationalsozialistische Regime angegriffen hatte, wurde er als Hochverrater und Abtriinniger verfolgt and begab sich am 8. 4. 1935 nachts fiber die Grenze nach Polen. Sein Nachfolger wurde Greiser, stellvertretender Gauleiter der NSDAP in Danzig. Als eine der ersten MaBnahmen des im Mai 1933 gebildeten Volkstages wurde am 24. 6. 1933 das Gesetz zur Behebng der Not von Volk und Staat (Emachtigungsgesetz) 33 verabschiedet, durch welches der Volkstag den Senat der Freien Stadt Danzig ermachtigte, auf bestimmten, in § 1 diesel Gesetzes einzeln aufgefiihrten 34, in § 2 genau abgegrenzten Gebieten im Rahmen der Verfassung MaBn.ahmen. mit Gesetzeskraft zu erlassen. Dieses Gesetz muB Kier Erwahnung finden, weil sich die NSDAP seiner zur Durchsetzung verschiedener verfassungswidriger MaBnahmen bediente. Das Gesetz wurde mit Zweidrittel-Mehrheit 35 (50 Stimmen NSDAP, Zentrum, Deutschnationale Volkspartei, gegen 19 Stimmen Sozialdemokraten, Kommunisten, Polen) vom Volkstag angenommen 36. Es bestimmte, daB die erlassenen Verordnungen. dem Volkstag -unverziiglich zur Kenntnis gebracht werden 31 Vgl. Leonhardt S. 58. 32 Rauschning a.a.O. S. 56f. 33 GB1. 1933 S. 273; abgedruckt bei Crusen-Lewinsky S. 33. 34 8 Hauptgruppen and 89 einzeln aufgefillixte Punkte. 35 Vgl. Burckhardt in einer T.Tnterredung mit dem deutschen Vizekonsul in Danzig v. Grolman, am 18. 7. 1938 (ADAP Bd. V, S. 57). 36 WTB vom 24. 6. 1933. Volkstagswahl 1935 25 muBten und aufzuheben waren, wenn der Volkstag das binnen einer Frist von 3 Monaten verlangte. Die Verlangerung dieses Gesetzes um weitere 4 Jahre erfolgte am 5. 5. 1937 37 durch den Volkstag mit der erforderlichen Zweidrittel-Mehrheit 39 . Der VOlkerb-und hatte kein.e Einwande gegen den ErlaB dieses Gesetzes erhoben 39 . B. Verfassungsstreitigkeiten und Auseinandersetzungen mit dem Viiikerbund I. Volkstagswahlen im Jahre 1935 Im Jahre 1935 wurde der Volkstag durch MehrheitsbeschluB aufgelOst, da die Zusammensetzung each Ansicht der NSDAP nicht mehr ihrem wachsenden EinfluB entsprach. Bei den Volkstagswahlen vom 7. 4. 1935 erhielten die Nationalsozialisten zwar 59% der Stimmen 40 , sie errangen damit aber nicht die erhoffte, fiir die Anderung der Verfassung erforderliche Zweidrittel-Mehrheit. Mit diesen Wahlen war der Kampf der NSDAP gegen die Opposition, ein. Kampf, in den sich nun auch der VOlkerbund einmischte, and der in Wahrheit eine Auseinandersetzung zwischen dem nationalsozialistischen Deutschen Reich and dem VOlkerbund darstellte, in eine entscheidende Phase getreten. Die NSDAP hatte vorerst eine Niederlage erlitten. Die Opposition fuhrte den Gegenschlag. Sie focht die Wahlen an. Sie behauptete, die NSDAP habe WahlfaLschungen groBen Stils begangen und nur dadurch eine verhaltnismaBig groBe Zahl von Stimmen auf sich vereinigen. kiinnen. 41 . Nachdem ein Einspruch vom Wahla-usschuB zuruckgewiesen worden war, riefen die Oppositionsparteien gemeinsam die Entscheidung des Danziger Obergerichts an. Nur die polnische Gruppe beteiligte sich nicht an dieser MaBnahme 42. Nach einem 6 Monate dauernden Verfahren erklarte das Obergericht am 14. 11. 1935 enter Vorsitz seines Prasidenten Dr. v. Hagens die Wahl mit Ausnahme von 18 Landgemeinden fur giiltig. Die Wahl wurde nicht wiederholt. Das Gericht nahm eine neue Stimmenverteilung vor, durch welche die Nationalsozialisten. einen Sitz im Volkstag einbiiBten 43 . Die Opposition, gestarkt durch den fur sie Partei 37 GB!. 1937 S. 358a. 38 47 gegen 20 Stimmen, wobei das Zentrum nun.mehr dagegen stimmte. 39 Vgl. SdN Rapport 1935/36, 1. part. S. 87. 4° Vgl. Bode S. 14. 41 Raosehning bebauptete in einem Brief vom 11. 10. 1947 aus Gaston, Oregon, daB nach &bathing Forsters die NSDAP bei Neuwahlen in den Stadten nur 17%, auf dem Laude 15% der Stimmen erhalten haben wiirde. (Der Brief befindet sick in den Akten der „Vertretung der Freien Stadt Danzig".) 42 Leonhardt S. 164; auch die polnische Regierung lehnte eine Verrnittlung ab, vgl. Lipski am 24. 10. 1938 in Berchtesgaden (ADAP Bd. V, S. 89). 43 DNB vom 14. 11. 1935. 26 Verfaseungsstreitigkeiten vor dem VOlkerbundsrat nehmenden Hohen Kommissar Lester und durch die Haltung Englands und Frankreichs, brachte die Frage zur Entscheidung des VOlkerbundes. Der VOlkerbundsrat war in letzter Zeit mehrfach mit der Entscheidung Danziger innerstaatlicher Fragen befaBt worden and hatte einige Danziger Gesetze und MaBnahmen fiir verfassungswidrig erklart 44 , nachdem ein JuristenausschuB und in einem Fall auch der Standige Internationale Gerichtshof durch Gutachten vom 4. 12. 1935 45 dariiber befunden hatten. Danzig war den Empfehlungen. des Viilkerbundsrates, einige Gesetze zu andern, nicht in alien Punkten nachgekommen, da es sich den juristischen. Argumenten nicht anschloB. Im Januar 1936 kam es zur entscheidenden Sitzung in Genf. Eden, als Berichterstatter des VOlkerbundes in Danziger Fragen, gruff, unterstazt von Lester und den Mitgliedern des Viiikerbundes, aber auch von der allgemeinen deutschfeindlichen Stimmung, die Danziger Regierung auBerordentlich scharf an. Er drohte mit der Einsetzung einer internationalen Untersuchungskomrnission und mit der Durchfiihrimg von. Neuwahlen unter internationaler Polizeiaufsicht 46. Bemerkenswerterweise war es Polen, das in dieser kritischen Situation einlenkte. Der polnische AuBenminister Beck, der die Beziehungen. zum Deutschen Reich nicht gefahrden wollte, betonte das gate Einvernehmen zwischen der poinischen und der n.ationalsozialistischen Danziger Regierung 47 . England gab nach. Es kam zu einem KompromiB. Der VOlkerbundsrat akzeptierte das Urteil des Danziger Obergerichts und lehnte eine Untersuchung der Wahlvorgange ab. Danzig muBte einige Gesetze and Rechtsverordnimgen aufheben bzw. abandern und MaBnahmen zur Sicherstellung der Pressefreiheit treffen". Auch Danzig hatte nach Riickfrage in Berlin nachgegeben. Bereits einige Monate spater nahm es jedoch eine festere Haltung ein. II. Einschrankung der Kompetenzen des Vtilkerbundes gegeniiber Danzig Im Juli 1936 wurde Greiser, der President des Danziger Senats, wegen eines Zwischenfalls kurzfristig aufgefordert, vor dem VOlkerbundsrat zu 44 1. Rechtsverordnung zur Wahrung des Ansehens nationaler Verbande vom 10. 10. 1933 (GB1. S. 502) und die Anderung dieser Verordnung durch die Reehtsverordnun.g -Ether das Recht zum Verkaufen und Herstellen von TJniformen oder besonderen Abzeichen eines hinter der Regierung stehenden Verbandes vom. 6. 3. 1934 (GB1. S. 132). — 2. Rechtsverordnung betreffend das Tragen einheitlicher Sonderkleidung vom 4. 4. 1934 (GB1. S. 221). — 3. 2 Rechtsverordnungen zur Anderung des Strafgesetzbuches and der StrafprozeBordnung vom. 29. 8. 1935 (darunter die Anderung des § 2 StGB, miter Angleichung an das deutsche Gesetz). — 4. Verbot der Zeitung „Danziger Volksstimme" ; vgl. hierzu SdN Rapport 1935/36, 1. part. S. 85ff. 45 Der StIG erklarte die Rechtsverordnungen vom 29.8.1935 fill. verfassungswidrig (Serie A/B Nr. 65 1935); vgl. SdN Rapport 1935/36, 1. part. S. 87, 91. 46 Vgl. SdN Rapport 1935/36 S. 89; Leonhardt S. 207f. 47 Vgl. SdN Rapport 1935/36 S. 90 Arun.. 1; Leonhardt S. 200. 48 Vgl. SdN Rapport 1935/36 S. 93. Zuruckweichen des VOlkerbundsrates 27 erscheinen 49. Die Danziger Delegation wurde vorher in Berlin von Hitler empfangen, der ihr seine Direktiven. mitgab. Bezeichnend far die Absichten Hitlers ist eine Beraerkung, die Goring damals der Danziger Delegation gegen-iiber fallen lieB, dem Sinne nach etwa : „Nun verderbt Th r Juristen mir nicht wieder alles I." 5° Dies war offensichtlich eine Anspielung auf die Bestrebungen, mittels der NSDAP die Verfassung in Danzig mehr and mehr zu unterminieren and eine Angleichung an die Verhaltnisse im Reich zu erreichen. Dieses Ziel war nur dureh Verfassungsbriiche mad VOlkerrechtsverletzungen mOglich, wogegen sich die Juristen begreiflicherweise straubten u. Das inzwischen starker gewordene Deutsche Reich hielt offenbar den Zeitpun.kt fiir geeignet, in der Danziger Frage deutlicher zu werden. Greiser hielt eine Rede in Genf vor dem VOlkerbundsrat 52, in der er im BewuBtsein der deutschen Riickendeckung seine Argumente sehr viel scharfer formnlieren konnte, als dies bisher iiblich gewesen war. Er verlangte die Abberufung des Hohen 'Commissars and verwahrte sich gegen. die Ein.raisclumg des VO/kerbimdes in die inneren Angelegenheiten der Freien. Stadt Danzig. Wiederum hielt sich Polen, das mit der Untersuchung des Zwis'chenfalls betraut wurde, zuruck 53. Der VOlkerbun.dsrat bildete ein Dreierkomitee, bestehend aus den AuBenministern Englands, Frankreichs and Schwedens (Eden, Delbos, Sandler). Das Dreierkomitee sollte in Znk-nnft die Danziger Frage beobachten and dein VOlkerbundsrat Bericht erstatten. Wenn Danzig sich schlieBlich durchsetzte, so ist die Ursache darin zu suchen, daB Polen die Vermittlerrolle iibernahm. Nach erneuten Vorwiirfen. Lesters wegen Danziger Verfassungsbriiche hatte der VOlkerbun.dsrat Polen mit der Untersuchung der strittigen Fragen beauftragt. Die polnische Regierung sollte auBerdem fiber MOglichkeiten. zur Aufrechterhaltung der Garantie des VOlkerbundes fiir die Dan ziger Verfassung berichten. Polen iiberreichte daraufhin eine Erklarung des Danziger Senats, worin dieser seine Auffassung bestatigte, daB sich die rechtlichen Beziehungen Danzigs zum HohenKommissar des VOlkerbundes auf das in Kraft befindliche Statut griincleten.54. Die polnische Regierung fiigte hinzu, der Hohe Kommissar d.iirfe seine durch den Versailler Vertrag vorgesehene Tatigkeit nicht zu einem H in dernis fur die interne Verwaltung Danzigs werden lassen; von den Tnformation.en, die er verwerte, seien in erster Linie die des Senats zu 43 Der deutsche Kreuzer Leipzig hatte Danzig einen offiziellen Besuch abgestattet. Der Kommandant des Kreuzers hatte entgegen den Regeln des Protokolls beim Hohen Kommissar des Völkerbundes keinen Besuch gemacht, weil dieser anlafflich des Besuches eines deutschen Panzerschiffes im Jahr zuvor zu einem Empfang der deutschen. Offiziere auch die Vertreter der Danziger Opposition eingeladen hatte. 51- Vgl. ADAP Bd. V, S. 84f. 5° Vgl. Anm. 28 (Watcher). 52 Vgl. SdN Rapport 1935/36 2. part. S. 22. 53 Vgl. SdN Rapport 1935/36 2. part. S. 23. 54 Vgl. SdN Rapport 1936/37 1. part. S. 44ff. 28 Ausschaltung des Hohen Kommissars beriicksichtigen. Diese Vorsch15,ge machte sich auch das Dreierkomitee zu eigen. Auf Grtmd seines Berichtes beschlol3 im Januar 1937 der VOlkerbundsrat, einen neuen Hohen Kommissar in Danzig einzusetzen. Die Aufgabe des Hohen Kommissars, beim VOlkerbundsrat den Antrag zu stellen, Fragen des Verfassungslebens der Freien Stadt Danzig auf die Tagesordnung zu setzen, wurde dem Dreierkomitee ilbertragen 55. Praktisch bedeutete das ein Nachgeben gegenuber den deutschen, durch Danzig gestellten Forderungen, namlich den weitgehenden Verzicht auf Einmischung in die internen Angelegenheiten der Freien Stadt Danzig. Das Dreierkomitee konnte eine direkte Interventionspolitik, wie sie dem Hohen Kommissar moglich gewesen war, kaum betreiben, weil ihm die enge Beriihrimg zum Danziger Staatsapparat fehlte. Es hat auch praktisch keine Versuche in dieser Richtung unternommen. Dieser Wandel in der internationalen Danzig-Politik bedeutete zugleich das Todesurteil fiir die Oppositionsparteien, die nach and nach aufgelOst wurden. Als letzte noch bestehende Partei wurde das Zentrum am 21. 10. 1937 vom Polizeiprasidenten wegen Verstol3es gegen § 129a StGB (Urngehung von Anordnungen und Gesetzen des Staates) aufgelost. Der Volkerblind hatte eine weitere, in seinem Kampf gegen die a-utoritaren Staaten entscheidende Position aufgegeben. Danzig war nunmehr fest in. den Handen. der NSDAP, die ohne Widerstand im Innern, in enger Zusammenarbeit mit dem De-utschen. Reich, an die innerstaatliche Umwandlung im nationalsozialistischen Sinne und an die Vorbereitung des Anschlusses gehen. konnte. Dritter Abschnitt Vorbereitung der Wiedereingliederung (Entwicklung von 1937 bis 1939) A. Die Situation zwischen Danzig und dem VOlkerbund Als Carl J. Burckhardt, der Nachfolger Lesters, am 1. 3. 1937 seine Tatigkeit als Hoher Kommissar des Valkerbundes in Danzig aufnahm, sah er sich dieser v011ig veranderten Situation und einer mmmehr fest vorgezeichneten Entwicklun.g gegeniiber. Er hatte den Auftrag, sich nicht in die internen Angelegenheiten der Freien Stadt Danzig einzumischen. Die Wahrnehmung der Garantie- und Schutzaufgaben des VOlkerbundes bestand nun im wesentliehen in der Beobachtung und Berichterstattung an das Dreierkomitee, slater auch in der Vermittlung zwischen Danzig und 55 Vgl. SdN Rapport 1936/37 1. part. S. 44ff. Deutsch-polnische Verhandlungen 29 Polen. Mit groBem eliplomatischen Geschick und durch den EinfluB seiner starken. PersOnlichkeit versuchte Burekhardt in den Jahren vor Kriegsbeginn., die einer LOsung der Danziger Frage zustrebende Entwicklung in friedliche Bahnen zu Der VOlkerb-wid vermied es fortan, die Danziger Frage auf die Tagesordnung zu setzen56 . Seine Tendenz war, den Posten des Hohen Kommissars allmahlich abzubauen 57, ohne allerdings den bisweilen erOrterten. Vorschlag aufzugreifen, Garantie und Schutz Danzigs auf Deutschland oder Polen oder gar auf beide zu iibertragen 58. England und Frankreich zeigten sich an Danzig desinteressiert 59. Eden hatte Burekhardt gegeniiber vor dessen Reise nach Danzig geauBert, daB die britische Regierung es begriiBen wiirde, wean Deutschland and Polen in direkten Verhandlungen eine Einigung beziiglich Danzigs erreichen kOnnten 60. B. Deutsch-polnische Kontroverse beziiglich Danzigs Derartige Versuche scheiterten aber am Widerstande Polens. Polen hatte zwar auf der einen Seite bei den Auseinandersetzungen zwischen Danzig und dem VOlkerbund geschlichtet und dadurch zugleich eine Starkung der NSDAP herbeigefiihrt, deren Verhahen den polnischen. Interessen durch intensives Betreiben der Riickgliederung Danzigs am meisten zuwiderlief. Auf der anderen Seite aber widersetzte es sich nun hartnackig jedem dentschen Versuch, die Danziger Frage durch Verhandlungen einer LOsung zuzufiihren. Es bestand auf dem Festhalten an der Versailler Regelung und sperrte sich auch gegen die Bestrebungen, das Amt des VOlkerbundskommissars abzuschaffen, nachdem es anfanglich selbst diesen Wunsch geauf3ert hatte €1. Als die Dan ziger Delegation und auch die Presse nach der Rede Greisers am 4. 7. 1936 den Sitzungssaal des VOlkerbundes verlassen hatte, antwortete der polnische Vertreter auf die vertrauliche Frage Edens, ob Palen im Palle eines gewaltsamen. deutschen Eingriffes in Danzig einschreiten wiirde, bejahenc1 62. Von dieser Grundhaltung wich Polen wahrend der folgenden. Jahre nicht ab, and im. gleichen MaBe, wie sich das deutsch-polnische Verhaltnis allinahlich triibte, entwickelte sich zwischen 56 Vgl. SdN Rapport 1937/38 1. part. S. 38; 1938/39, S. 20 ; Burekhardt S. 6. ADAP Bd. V, S. 35, 109, 126, 136f., 143. Vgl. polnische Vorsehlage im September 1937 (ADAP Bd . V, S. 3ff.) und im. November 1938 (ADAP Bd. V, S. 107f.). ss Vgl. ADAP Bd. V, S. 6, S. 6 ° Burekhardt S. 2f. 63- AuBerung Becks gegenilber v. Neurath am 13. 1. 1938 (ADAP Bd. V, S. 31). Vgl. Ausfiihrungen Edens im Unterhaus am 28. 2. 1945 (Parl. Deb. HC. vom 28. 2. 1945, Sp. 1500ff.). 5'7 58 62 30 Deutsch-polnische Verhandlungen Danzig and Polen wieder jene Kontroverse, wie sie bis etwa 1934 die Danzig-polnischen Beziehungen beherrscht hatte. Deutschland verhielt sich zunachst abwartend 63 . Es hatte Zeit. Nachdem in Danzig der innere Umbruch gelungen war, konnte die Entwicklung dort zunachst nur im Sinne Deutschlands verlaufen. Die Bitte Polens im September 1937 um Abgabe einer zweiseitigen Garantieerklarung bzgl. des Danziger Statuts wurde vom Deutschen Reich mit der Begriindung abgelehnt, daB eine solche Erklarung der Anerkennung der Versailler Regelung gleichkame 64 . Seit Ende 1938 versuchte das Deutsche Reich aber mit wachsendem Nachdruck, das Gesprach mit Polen auf eine GenerallOsung der Danziger- and der Korridorfrage zu bringen. Hitlers mit geringen Abweichungen immer wiederkehrender Vorschlag war : Riickkebr der Freien Stadt Danzig ins Deutsche Reich, Anlage einer exterritorialen. Eisenbahn and StraBe durch den Korridor, Sicherstellung polnischer wirtschaftlicher Interessen in Danzig und eine deutsche Garantieerklarung fur die deutschpoinische Grenze, ahnlich der deutschen Erklarung fiber Elsafi-Lothringen Frankreich gegeniiber". Polen beharrte auf seinem Standp-unkt, daB es auf die Freie Stadt Danzig, die fur Polen symbolische Bedeutung babe, als selbstandigen Staat nicht verzichten kOmie. Es war lediglich bereit, der AblOsun.g des VOlkerbund-Statuts durch omen deutseh-polnischen Vertrag zuzustimmen und eventuell auch gewisse Abanderungen des Statuts zuzulassen, wobei nach polnischer Ansicht Danzig als reichsdeutsche Stadt an.erkannt werden konnte". 63 Noch am 5. 11. 1937 erklarte Hitler dem polnischen Botschafter Lipski, daB keine Absicht bestande, das Danziger Statut zu andern (ADAP Bd. V, S. 27). 64 ADAP Bd. V, S. 11, 17. ss Vgl. die Besprechungen zwischen Ribbentrop und Lipski am 24. 10. 1938 (ADAP Bd. V, S. 77ff.), am 19. 11. 1938 (ADAP Bd. V, S. 106ff.), am 15. 12. 1939 (ADAP Bd. V, S. 119), "Unterredung zwischen Hitler und Beck am 5. 1. 1939 (ADAP Bd. V, S. 130, 132), Besprechungen zwischen Ribbentrop und Beck am 9. 1. 1939 (ADAP Bd. V, S. 132f.) and am 1. 2. 1939 (ADAP Bd. V, S. 139f.), deutsch-polnische Besprechungen Ende IVIarz 1939 mit wachsendem Nachdruck auf seiten des Deutsehen Reiches (Unterredung RibbentropLipski am 21. 3. 1939 - vgl. ADAP Bd. VI, S. 60, 71ff. - am 26. 3. 1939 ADAP Bd. VI, S. 101 f. - Livre Jaune Francais S. 97), Hitlerrede am 28. 4. 1939 anlaBlich der Kundigung des 10-Jahres-Paktes mit Polen (Livre Jaune Francais S. 113) und das am gleichen Tage der polnischen Regierung iiberreichte deutsche Memorandum (ADAP Bd. VI, S. 288ff.), T_Tnterredung Hitlers mit Burckhardt am 19. 7. 1939 (Livre Jaune Francais S. 188), Vorschlage Hitlers Ende August 1939 (Livre Jaune Francais S. 259ff.), ultimative For-. derung Hitlers am 31. 8. 1939 (English Blue Book S. 151ff.). ss Vgl. Lipski am 19. 11. 1938 (ADAP Bd. V, S. 107f.), Beck gegeniiber Hitler am 5. 1. 1939 (ADAP Bd. V, S. 132), Beck am 9. 1. 1939 (ADAP Bd. V, S. 132f.), am 1. 2. 1939 (ADAP Bd. V, S. 140), Ablehnung deutscher Vorschlage durch die polnische Regierung Ende Marz 1939 (durch das am 26. 3. 1939 von Lipski in Berlin iiberreichte polnische Memorandum, vgl. ADAP Bd. VI, S. 102ff.; Livre Jaune Francais S. 97), polnisches Memorandum vom 5. 5. 1939 (ADAP Bd. VI, S. 357ff.), polnische Stellungnahme im Juni 1939 (Livre Jaune Francais S. 160). Gauleiter Forster 31 C. Rivalitat zwischen Partei und Staat Ke ►nzeichnend far die Vorkriegsentwicklung in Danzig selbst ist die Rivalitat, die zwischen Partei mad. Staat bestand. Obgleich im Volkstag auBer den Polen jetzt nur noch nationalsozialistische Abgeordn.ete saBen and die Regierung rein nationalsozialistiseh war, existierten dennoch diese beiden. Lager. Auf der einen Seite stand. der Parteichef Gauleiter Forster mit seinen Parteianhangern, die unbeschwert von den Bindungen, denen die staatlichen Organe unterworfen waren, ihre Ziele zu verfolgen trachteten. Auf der anderen Seite stand der Regierungschef Greiser, der die weitaus griiBere Anhangerschaft in der Beviilkerung besaB, mit den leitenden. Beamten, die sich an die Verfassung und an die viilkerrechtlichen. Vertrage gebunden fahlten und eine legale Regelung anstrebten67. Forster war ReichsangehOriger. Hitler hatte ihn. im Jahre 1930 nach Danzig gesandt, um die NSDAP dort aufzubauen 68. Als treuer Anhanger Triflers falute er dessen Weisungen durch and bereitete die Inkorporation Danzigs vor69. Bereits im April 1937 bestatigte er vor der Offentlichkeit seine Absicht, die Verfassung Danzigs im totalitaren Sinne umzuwandeln 70. Es gelang ihm, die Opposition zu unterdriicken. -und durch politische ZwangsmaBnahmen schlialich ganzlieh auszuschalten. Er versuchte die Gleichschaltung mit dem Deutschen Reich praktisch durchzufiihren, indem er nach und each die in Deutschland schon bestehenden nationalsozialistischen Gesetze auch in Danzig in Kraft setzte. Bis zum November 1938, als die Juden.verfolgungen einsetzten, wurde er in dieser Beziehung von der polnischen Regierung unterstiitzt, the ihn im Mai 1938 zu einem offiziellen Besuch nach Warschau eingeladen hatte 71. Er stand standig mit Berlin in Fiihlung and empfing von dort seine Richtlinien 72. Er wirkte in Danzig bei alien wichtigen Entscheidungen mit and stand aus diesem Grunde auch selbst in stAndiger Verbindung mit dem Hohen Kommissar des VOlizerbundes 73. Obwohl er als Parteichef keine staatliehe Stelle innehatte, hatte er faktisch seit etwa Ende 1937 die innerstaatliche Macht in Handen, so daB der Senat der Freien Stadt Danzig nur noch als eine Art Schattenregierung zu bezeichnen war 74. Vgl. ADAP Bd. V, S. 84f., 50ff.; Bd. VI, S. 782f.; Livre Jaune Francais S.103, 112; Burckhardt S. 4. ss LR vol. XIII, S. 70ff. ss Vgl. Burckhardt S. 4. 7° Vgl. Burckhardt S. 4. 71 Vgl. ADAP Bd. V, S. 40; Burckhardt S. 7. 72 Vgl. Anweisungen des ReichsauBenministers an. Forster im Jahre 1939 (ADAP Bd. V, S. 135); Burckhardt S. 5, 7. 73 Burckhardt S. 4ff. 74 Burckhardt S. 3f.; vgl. Livre Jaime Francais S. 178f.; ADAP Bd. VI, S. 782f. 32 Vorbereitung der Eingliederung D. Die Ereignisse des Jahres 1939 bis zur Eingliederung 1. Militarische Vorbereitungen Danzig stand im Jahre 1939 im Zeichen der Kriegsvorbereitungen. Hitler gab verschiedene Anordnungen an die Wehrmacht zur Vorbereitung einer handstreichartigen Besetzung Danzigs 75 . Demzufolge warden die Grenzen zwischen Danzig und Polen in. Verteidigungszustand gesetzt. Danzig stellte militarische Verbande auf, indem es die Zahl der Polizeitruppen erheblich erhate. Verstarkt warden diese Truppen durch freiwillige SS-VerbAnde, die von Forster aufgestellt wurden. Diese Formationen warden von Offizieren des Deutschen Reiches ausgebildet und mit deutschen. Waffen ausgeriistet. Sie warden unter den Oberbefehl des deutschen Generalmajors Eberhard gestellt. Deutsche Soldaten und Waffen wurden standig fiber die ostpreuBische Grenze und auf dem Seewege eingeschmuggelt. Zur Erleichterung wurde fiber die Weichsel eine Pontonbriicke gebaut 76 . Die Polen erhaten daraufhin die Zahl ihrer Zollinspektoren bei den deutsch-Danziger Gren.ziibergangen fiber das iibliche Ma.I3 hinaus 77 . Fortdauernde heftige Zusammenstae zwischen Polen und Danzig waren die Folge 78 . II. Putschversuche Forster erhob immer scha,rfer die Forderung auf Wiedervereinigung Danzigs mit Deutschland.. Ein Staatsstreich, der in der Absicht, durch Erklarung des Anschlusses can fait accompli zu schaffen, fur den 29. 3. 1939 geplant war, wurde im letzten Augenblick von Berlin untersagt. Greiser hatte angesichts des drohenden polnischen Einmarsches 79 dort interveniert 8°. Himmler kam zur Vermittlung nach Danzig. Man sprach von der Abliisu_ng 75 Vgl. IMG Bd. I, S. 221f., Bd. III, S. 253, Bd. VII, S. 250, Bd. XXXIV, 200ff. (GB 46/C 30); ADAP Bd. VI, S. 186ff.; vgl. auch Tippelskirch S.21. Vgl. zu den genannten Kriegsvorbereitungen. in Danzig: Livre Jaune Francais S. 102; Englisch Blue Book S. 69f., 81f.; ADAP Bd. VI, S. 626, 689, 773. 77 Vgl. den deutsch-polnischen Notenwechsel (ADAP Bd. VI, S. 525f., 593). 78 Livre Jaune Francais S. 15; ADAP Bd. VI, S. 455ff., 524f., 755f., 804f., 838 ff. Burckhardt hatte es zwar abgelehnt, im Palle einer Anschlaerklarimg Polen mit dem Schutz der Freien Stadt zu beauftragen (Livre Jaune Francais S. 212), doch hatte die polnische Regierung mehrfach die Einmarschabsicht fiir den Fall eines deutschen Eingriffes geiiaert (Livre Jaune Francais S. 102, 112, 178, 209f., 255; English Blue Book S. 73, 85ff. ; Deutsches Bar° fiir Friedensfragen, Heft 6 S. 103). Seit Anfang 1939 wurden auch nailitarische Vorbereitungen an der polnisch-Danziger Grenze getroffen. (Livre Jaune Francais S. 97, 102). 80 Er flog mit dem Leiter der Auswartigen Abteilung des Senats und. dem PrAsidenten der Bank von Danzig am 28. 3. nach Berlin -und erhielt dort die Versicherung, daI3 die Partei in Danzig entsprechende Anweisungen erhalten werde (Livre Jaune Francais S. 102f.). Vorbereitung der Eingliederung 33 Forsters, der offenbar zu voreilig gehandelt hatte. Er wurde jedoch von Hitler gestatzt 81-. Eine Erklarung hierfiir laBt sich nur in den allgenaeinen Annexionsbestrebungen finden. Hitler brauchte die beiden nebeneinander wirkenden Faktoren, ein nach auBen beschwichtigendes legales Organ 82 and ureter dessen. De ckmantel die keiner auswartigen Kontrolle unterworfenen Krafte der Partei, die nahezu ungestOrt seine Plane vorbereiten konnten. Mitte Juni 1939 -warden in Danzig noch einmal Putschversuche erwartet, die jedoch nach indirekter Vermittlung Burckhardts in Berlin nicht zur Durchfiihrung kamen 83 . Burckhardt war nach ErlaB der Ariergesetze vom VOlkerbund. aus Danzig zuriickgerufen worden und kehrte erst nach mehreren Monaten, Ende Mai 1939, auf Wunsch Polens und Danzigs endgiiltig dorthin zuriick 84 . Greiser benutzte die Einberufung zu einer Ubung der Kriegsmarine in Pilau Mitte Juni 1939, um den Konflikten aus dem Wege zu gehen, die sich aus der allgemeinen Situation in Danzig und aus der Position Forsters fur ihn als Staatschef ergaben. Er kehrte erst kurz vor Kriegsausbruch nach Danzig zuriick 85 . Er war faktisch nicht meihr in der Lage, seine verfassungsmaBigen Funktionen auszuiiben 88 . Die Senatssitzungen warden nicht mehr im Senatsgebaude, sondern in der Jopengasse, im Dienstgebaude des Gauleiters, abgehalten. ZusammenstiiBe zwischen Danzig und Polen Die Auseinandersetzungen zwischen Polen und Danzig erreichten im August 1939 ihren HOhepunkt. Der Streit ging um the bewaffneten polnischen Zollinspektoren bei den Danziger Grenzstellen 87 . Danzig versuchte nach erfolglosen Protesten deren Tatigkeit zu erschweren. Polen sperrte daraufhin die Einfnhr wichtiger Danziger Prodnkte, die durch diese MaBnahme zum grOBten Teil dem Verderb ausgesetzt waren. Infolge eines 81 Vgl. Livre Jaune Francais S. 112. 82 Die Englander batten mehrfach erklart,, daB sie gegen Verfassungsanderungen nur darn etwas einzuwenden hatten, -wenn sie nicht in parlamentarischer Form herbeigefiihrt worden seien, vgl. die Unterredung zwischen dem. britischen AuI3enminister Halifax- und dem Danziger Stantsrat Dr. BOttcher am 23. 6. 1938 in London (ADAP Bd. V, S. 50ff.; vgl. auch ADAP Bd. V, S. 41ff.). 83 Burckhardt S. 11. 84 Burckhardt S. 9; ADAP Bd. V, S. 1361. 85 Livre Jaune Francais S. 155; vgl. auch ADAP Bd. VI, S. 782f. 86 Am 16. 7. 1939 teilte Forster dem Hohen Kommissar mit, er habe jetzt alle Vollm.achten von Hitler zu jeder Entscheidung und er sei der alleinige Herrscher in Danzig (ADAP Bd. VI, S. 782). 87 Vgl. Aufzeichnungen fiber den Notenwechsel: ADAP Bd. VI, S. 8041., 864f., 889ff., 897f., 899f., 900f., 907, 925. 3 7467 Biittcher, Danzig 34 Partei und Staat in Danzig MiBverstandnisses 88 reagierte Polen mit einer ultimativen Note S9; in der es Repressalien androhte. Beck erklarte England und Frankreich gegeniiber, Polen wiirde militarische MaBnahmen ergreifen, wenn der Danziger Senat die polnische Note zuriickweise". Die Aufklarung durch den Senat wurde in der polnischen Presse, die ohnehin seit Monaten eine auffallend antideutsche Tendenz zeigte 91, als vollstandiges Zuriickweichen des Nationalsozialismus kommentiert. Hitler schaltete sich ein and drohte Polen Gegenmal3nahmen an 92. Polen antwortete, daB es jede weitere derartige Intervention des Deutschen Reiches als Aggression betrachten wiirde 93. Hitler bat Burckhardt am 11. 8. zu sich auf den Obersalzberg. Es wurde noch einmal vermittelt 94. IV. Staatsstreich Am 20. 8. 1939 bat Greiser den Hohen Kommissar zu sich. Er teilte ihm mit, daB eine neue Vergewaltigung der Verfassung95 and eine grundlegende Anderung des Statuts bevorstiinden, welche infolge der Anstrengungen des Gauleiters bei Hitler — unterstiitzt durch Ribbentrop durchgesetzt werden kOnnten. Forster wiirde durch eine Senatsverordnung zum Staatsoberhaupt eingesetzt werden. Per Senat wiirde darn nur noch dekorative Fnnktionen habeas. Auf Einwendungen. Burckhardts erklarte Greiser, daB er sich den Besorgnissen Burckhardts fiir die Folgen einer derartigen Umwandlung miter den augenblicklichen Umstanden ansehliisse and es fiir seine Pflicht halte, seinen Befiirchtungen Ausdruck zu verleihen. Die angekiindigte MaBnahme wurde durch SenatsbeschluB vom 23. 8. 1939 und durch die sog. „Staatsoberhaupt-Verordnung" (Verordnung mit Gesetzeskraft) des Senats vom 23. 8. 1939 96 verwirklicht. In einem Briefaustausch zwischen Greiser und Forster" kam zum Ausdruck, daB mit der „Verfassungsanderung", welche die „Einheit von Partei und Staat" herbeifiihrte, „in diesen Tagen, in denen sich das Schick sal Danzigs entscheidet", ein Sachverhalt legalisiert ware, der bereits seit langem existierte. 88 Ein polnischer Zollinspektor empfing einen Brief, in der y ihm mitgeteilt wurde, daB laut einer Anordnung des Senats die Zollinspektoren mit Gewalt von der Ausiibung ihrer Tatigkeit ferngehalten werden sollten (Burckhardt S. 13). 89 Polnische Note vom 4. 8. 1939 (vgl. ADAP Bd. VI, S. 901f.). 9° Vgl. Livre Jaune Francais S. 209f. 91 Vgl. Schwarz (Anm. 20) S. 32f.; ADAP Bd. VI, S. 119f. 269f., 385f., 395. 92 Deutsche Verbalnote vom 9. 8. 1939 (vgl. English Blue Book S. 86f.; Burckhardt S. 14). 93 Polnische Verbalnote vom 10. 8. 1939 (vgl. English Blue Book S. 87f.). 94 Burckhardt S. 14f. 95 Verschiedene Erlasse von NS-Gesetzen in den Jahren vorher waren bereits als Verfassungsdurchbrechunuen bezeichnet worden. 96 GBI. 1939, S. 413, abgedruckt unten S. 172. 97 Text in englischer Ubersetzung: English Blue Book S. 105f. Eingliederung Danzigs 35 Polen protestierte in einer Note an den Danziger Senat vom 24. 8. 1939 98 . Am gleichen. Tage ordnete es die Teilmobilmachung seiner Armee an 99 . Ms am nachsten Tage das deutsche Linienschiff „Schleswig-Holstein" im Danziger Hafen einlief, schlugen Burckhardt and der polnische diplomatische Vertreter in Danzig, Chodacki, eine Einladung Forsters zu Ehren der deutschen Offiziere aus. Sie dokumentierten damit, daB sie das neue Staatsoberhaupt nicht anerkannten 100 . Inzwischen war der deutsch-sowjetische Pakt abgeschlossen worden, und Frankreich beraiihte sich, Polen von einem. militarischen Eingriff in Danzig zuriiciczuhalten m . Am 25. 8. 1939 schloB England jedoch den Beistandspakt mit Polen ab 102 und bekraftigte dadurch seine in letzter Zeit haufiger bekundete Absicht, Polen im Falle einer deutsch-polnischen Auseinandersetzung, auch bei einem Eingriff in Danzig, zu Hilfe zu kommen" 3 . Vermittlungsvorschlage 104 der Englander in den letzten Augusttagen kamen zu spat. Am 31. 8. urn 12.40 Uhr gab Hitler die „Weisung Nr. 1 fiir die Kriegfiihrung" aus, worm der Angriff auf Polen befohlen wurde" 5 . Vierter Abschnitt Wiedereingliederung und deutsche Verwaltung (Entwicklung von 1939 bis 1945) A. Eingliederung Danzigs in das Deutsche Reich Am 1. 9. 1939 um 4.45 Uhr deutscher Sommerzeit begann der deutsche Einmarsch in Poloa m°. Die polnischen. Stutzpunkte im Gebiet der Freien Stadt Danzig wurden von deutschen Truppen mit Unterstiitzung der Danziger Verbande angegriffen und each heftigen Kampfen besetzt. Die 98 Abgedruckt unten S. 172. ss Vgl. Livre Jaune Francais S. 248. 100 Vgl. Burckhardt S. 15. 101 Livre Jaune Francais S. 247, 250, 255. 102 Abgedru.ckt in: Deutsches Biiro far Friedensfragen Heft 6, S. 3f. Am 4. 9. 1939 wurde ein entsprechendes franzasisch-polnisches Abkomrnen unterzeichnet. 103 Vgl. English Blue Book S. 74ff., 77. Per auf den 25. 8. angesetzte Angriff auf Polen wurde im letzten Augenblick wieder verschoben (vgl. GOrlitz S. 47). 104 BevOlkerungsaustausch, Schaffung eines Modus vivendi far Danzig (vgl. English Blue Book S. 142f.; Livre Jaune Francais S. 262ff.). 1°5 Hofer S. 150. 1°6 Vgl. Greiner S. 51; Tippelskirch S. 5. 3* 36 Eingliederung Danzigs „Schleswig-Holstein" beschoB die „Westerplatte", den polnischen Stiitzpunkt an der Weichselmiindung. Forster erlieB als Staatsoberhaupt der Freien Stadt das sog. „Staatsgrun.dgesetz""7 , durch das er Danzig zum Bestandteil des Deutschen Reiches erklarte. Durch Telegramm bat er den „Fiihrer" des Deutschen Reiches, die Wiedervereinigung durch Reichsgesetz zu vollziehen m . Im Antworttelegramm kiindigte Hitler die sofortige Voliziehung des Reichsgesetzes fiber die Wiedervereinigung an und ernannte Forster zum Chef der Zivilverwaltung 1Q9 . Der Oberbefehlshaber des Heeres v. Brauchitsch erlieB einen Aufruf an die Danziger Beviilkerung m , in dem er erklarte, daB Danzig nunmehr der militaxischen Oberhoheit des Deutschen. Reiches unterstande. Der Ffihrer, so heiBt es in dem Aufruf, babe v. Brauchitsch die vollziehende Gewalt im Gebiet des ehemaligen Freistaates ubertragen und ihm Forster als Chef der Zivilverwaltung unterstellt. Der Hohe Kommissar des VOlkerbundes wurde am friihen Morgen des 1. September von Forster aufgesucht, der sich in Begleitung von einigen deutschen SS-Offizieren befand. Burckhardt erhielt die Aufforderung, Danzig innerhalb kiirzester Frist zu verlassen. Er protestierte gegen. die GewaltmaBnahmen, durch die er selbst an der Ausubung seiner Funktion gehindert, der Freistaat de facto ausgelOscht wurde. Gegen 8.30 Uhr verlieB Burckhardt, begleitet von seinen Mitarbeitern, Danzig und reiste in die Schweiz zurfick ill . Das Reichsgesetz iiber die Wiedervereinigung der Freien Stadt Danzig mit dem Deutschen Reich 112 wurde am gleichen Tage verkiindet. Die bisherigen Danziger Staatsorgane, Volkstag und Senat, stellten ihre Tatigkeit ein. Das bisherige Staatsoberhaupt fibte nun als Organ des Deutschen Reiches Regierungsgewalt aus. B. Deutsche Gesetzgebung zur Vollziehung der Eingliederung Die Vbertragung der deutschen Rechtsordnung auf das dem Deutschen Reich angegliederte Danziger Gebiet sowie die Einbeziehung Danzigs in die reichsdeutsche Verwaltung warden in mehreren Etappen vollzogen. Im einzelnen warden folgende MaBnahmen getroffen: 107 GB1. 1939, S. 435, abgedruckt unten S. 173. 108 Vgl. Schwarz (Anm. 20) S. 36, abgedruckt unten S. 174. 109 Vgl. Schwarz (Anm. 20) S. 37, abgedruckt unten S. 174. 110 Vgl. Schwarz (Anm. 20) S. 38, abgedruckt unten S. 174. m Vgl. hierzu Burckhardt S. 15; der Verfasser hat auch Mitteilungen verwertet, die Burckhardt ihm gegeniiber am 31. 3. 1953 gemacht hat. 112 RGB1. 1939 I, S. 1547, abgcdruckt unten S. 175. Eingliederung Danzigs 37 I. Gesetz fiber the Wiedervereinigung der Freien Stadt Danzig mit dem Deutschen Reich vom 1. 9. 1939 13-3 Durch das Wiedervereinigungsgesetz vom 1. 9. 1939 wurde das Danziger Staatsgrundgesetz Reichsgesetz. Die Freie Stadt Danzig wurde gemA,B § 1 des Gesetzes Bestandteil des Deutschen Reiches Thre StaatsangehOrigen -warden zu deutschen StaatsangehOrigen erklart (§ 2). Die Verfassung der Freien Stadt Danzig wurde auBer Kraft gesetzt. Ina iibrigen blieb das bisherige Recht in Kraft (§ 3). Am 1. Januar 1940 trat das gesamte Reichsrecht und preuBische Landesrecht in Kraft (§ 4). Als Zentralstelle fiir die Wiedervereinigung wurde der Reichsminister des Tim em bestimmt. Er hatte die erforderlichen Durchfiihrungsbestimmungen zu erlassen (§ 5). Auf Grand dieses Gesetzes wurden in den folgenden Jahren zahlreiche Erganzungs- und Durchfiihrungsbestimmungen der verschiedenen Verwaltungsressorts erlassen114. II. ErlaB des Fiihrers und Reichskanzlers fiber the Gliederung und Verwaltung der Ostgebiete vom 8. 10. 1939 115 Durch diesen ErlaB wurde der „Reichsgau WestpreuBen" gebildet, der spater in „Reichsgau Dan zig-WestpreuBen" umbenannt wurd.e 116. Der „Reichsgau" wurde in die Regierungsbezirke Danzig, Marienwerder und Bromberg gegliedert. Er umfaBte das Gebiet der Freien Stadt Danzig, das westliche OstpreuBen und einen Teil des „Korriclors". § 6 des Erlasses enthielt die StaatsangehOrigkeitsregelung: „(1) Die Be-cc ohner deutschen oder artverwandten Blutes der eingegliederten Gebiete werden deutsche StaatsangehOrige nach MaBgabe naerer Vorschriften. (2) Die Volksdeutschen dieser Gebiete werden Reichsbiirger nach. MaBgabe des Reiclisbargergesetzes." 117 Fiir das Gebiet der Freien Stadt Danzig wurden im iibrigen. die Bestimmungen des Wiedervereinigungsgesetzes vom 1. 9. 1939 nicht beriihrt (§ 9). 113 Siehe Anm. 112. I" Jeweils im Reichsgesetzblatt verafentlicht. 115 R GB1. I S. 2042, in Kraft getreten am 26. 10. 1939 (R GB1. I S. 2057). 116 Durch den ErlaB des Fiihrers und Reieliskanzlers zur Anderung des Erlasses Ober Gliederung and Verwaltung der Ostgebiete vom 2. 11. 1939, RGB1. I S. 2135. 117 Das Reiclisbiirgergesetz vom 15. 9. 1935, R GB1. I S. 1146 lautet : „(1) Reichsbiirger ist nur der Staatsangeharige deutschen oder artverwandten Blutes, der dureh rein Verhalten beweist, daB er gewillt und geeignet 1st, in Treue dem deutschen Volk und Reich zu dienen. (2) Das Reichsbiirgerrecht wird dureh Verleihung des Reiehsbiirgerbriefes erworben. (3) Der Reiehsbiirger ist der alleinige Trager der vollen politischen Rechte nach MaBgabe der Gesetze" (§ 2). - Das Reichsbiirgergesetz ist inzwisehen dureh. das Kontrollratsgesetz Nr. 1 vom 20. 9. 1945 (ABl. KR. S. 6) aufgehoben warden. 38 Eingliederung Danzigs III. RunderlaB des Reichsministers des Innern betreffend Erwerb der deutschen Staatsangehdrigkeit in den in das Deutsche Reich eingegliederten Ostgebieten vom 25. 11. 1939 118 Dieser ErlaB bezieht sich auf die bisher erlassenen Regelungen (I und II) and bestimmt vorbehaltlich abschlieBender gesetzlicher Regelung fiir den Danziger Bereich im Absatz 2: „(2) Deutsche StaatsangehOrige sired diejenigen deutschen VolkszugehOrigen, die 1. bis zum 1. 9. 1939 die Danziger StaatsangehOrigkeit besessen haben • • CG Die Absatze 3-5 enthalten. Sonderregelungen far Ehefrauen und Kinder. IV. Verordnung fiber die deutsche Volksliste und die deutsche Staatsangehorig keit in den eingegliederten Ostgebieten vom 4. 3. 1941 118 in der Fassung der Zweiten Verordnung fiber die deutsche Volksliste und die deutsche StaatsangehOrigkeit in den eingegliederten Ostgebieten vom 31. 1. 1942 120 Durch diese auf Grund des Erlasses vom 8. 10. 1939 ergangene VO wurde in den eingegliederten Ostgebieten zur Aufnahme der deutschen BevOlkerung eine deutsche Volksliste eingerichtet, die sich in vier Abteilungen gliederte. Die Verordnung enthielt zugleich die abschlieBende Regelung der Staatsangehiirigkeit der Danziger 121 . In § 4 der VO wurde wiederholt, daB die ehemaligen Danziger Staatsangehiirigen 122 mit Wirkung vom 1. 9. 1939 die deutsche StaatsangehOrigkeit erwarben. Eine Sonderregelung war fiir einzelne Danziger vorgesehen, bei denen festgestellt wurde, daB sie die Voraussetzungen fiir die Aufnahme in die Abteilungen 1 oder 2 der deutschen. Volksliste nicht erfiiliten 123 . Wurde eine solche FestRMBliV. 1939 S. 2385; abgedruckt bei Ruby S. 664; auszugsweise bei MaBfeller, 2. Aufl. S. 239 und Lichter, 2. Aufl. S. 295; der RunderlaB vom 25. 11. 1939 ist durch RunderlaB I e 512 5/41 - 5000 Ost vom 13. 3. 1941 (nicht verOffentlicht; auszugsweise abgedruckt bei MaBfeller, 2. Aufl. S. 244) aufgehoben worden. 119 R GB1. I S. 118. 120 RGB1. I S. 51; auszugsweise abgedruckt bei MaBfeller, 2. Aufl., S. 241. 121 Vgl. RunderlaB I e 5125/41 - 5000 Ost vom 13. 3. 1941, Abs. 1 (nicht verOffentlicht; auszugsweise abgedruckt bei MaBfeller, 2. Aufl., S. 244; Ruby S. 674). 122 Als ehemalige Danziger Staatsangehorige wurden gem5,13 § 1 Abs. 3b der VO vom 4. 3. 1941 diejenigen Personen bezeichnet, die am 1. 9. 1939 Danziger StaatsangehOrige waren oder die an diesern Tage staatenlos waren, zuletzt aber die Danziger Staatsangehärigkeit besessen hatten oder am 1. 9. 1939 ihren Wohnsitz im ehemaligen Freistaat Danzig batten. 123 Bis auf wenige Ausnahmen erfiillten die Danziger diese Voraussetzungen (vgl. RunderlaB vom 13. 3. 1941 Ie 5125/41 - 5000 Ost II Abs. 9; bei Ma13feller, 2. Aufl. S. 249). Eine Eintragung in die deutsche Volksliste (Abteilun.g 1 oder 2) war daher gemaB § 1 Abs. 4c der Verordnung vom 4. 3. 1941 fur sie nicht vorgesehen. Juden und Zigeuner erfiillten die Voraussetzungen nicht; bei „jiidischen Mischlingen" konnten Ausnahmen zugelassen werden (§ 4 Abs. 2). 118 Sowjetische Besetzung Danzigs 1945 39 stellung getroffen, so erwarben sie die deutsche StaatsangehOrigkeit auf Widerruf, wenn sie in die Abteilung 3 der deutschen Volksliste aufgenommen wurden (§ 5)124. Wurden sie in Abteilung 4 der deutschen Volksliste aufgenommen, erwarben sie durch Einbiirgerung die deutsche StaatsangehOrigkeit auf Widerruf (§ 6). Ehemalige Danziger StaatsangehOrige fremder VolkszugehOrigkeit konnten ausnahmsweise auf Grund von besonderen Richtlinien die deutsche StaatsangehOrigkeit auf Widerruf durch Einbiirgerung erwerben (§ 6 Abs. 2). V. RunderlaS des Reichsministers des Innern betreffend Erwerb der deutschen Staatsangehiirigkeit durch ehemalige pohilsche und Danziger StaatsangehOrige vom 13. 3. 1941 125 Dieser RunderlaB ist als Durchfiihrungsbestimmung zu der VO vom 4. 3. 1941 ergangen. Er enthalt nahere Bestimmungen fiber die Einrichtimg der deutschen Volksliste und die in die verschiedenen. Abteilungen aufzunehmenden. Personenkreise. tinter Nr. III werden die in der Verordnung vom 4. 3. 1941 getroffen.en StaatsangehOrigkeitsregelungen wiederholt : „Die ehemaligen Danziger StaatsangehOrigen haben grundsatzlich mit Wirkung vom 1. 9. 1939 die deutsche Staatsangehorigkeit erworben . . ." Fiinfter Abschnitt Besetzung Danzigs durch Polen im Jahre 1945 und Ausweisung der BevOlkerung In den Jahren. 1939 bis Anfang 1945 hat das Gebiet der Freien Stadt Danzig der Staatsgewalt des Deutschen. Reiches unterstanden. Dieser Zustand anderte sich im Verlaufe des Vorraarsches der sowjetischen Armeen. im Friihjahr 1945. Im Marz wurde das Danziger Staatsgebiet von sowjetischen Truppen miter dem Befehl des Marschalls Rokossowski besetzt 126 . Ein Teil der BevOlkerung floh vor den eindringenden Truppen nach Westen. 127 . Am 24. Marz 124 Durch RunderlaB des Reichsministers des Innern I Ost 628/42 — 4160 vom 4. 5. 1942 (nicht verOffentlicht, zit. nach Lichter,, 2. Aufl. S. 302 Anm.13) wurde angeordnet, daB die Feststellung, daB ein ehernaliger Danziger StaatsangehOriger die Voraussetzungen fur die Aufn.ahme in die Abt. 1 oder 2 der Volksliste and dh,mit far den Erwerb der deutschen StaatsangehOrigkeit § 4 nicht erfiille, dem Betreffenden schriftlich tinter Rechtsmittelbelehrimg zu erOffnen sei. 125 Quelle wie Anna. 121. 126 Dokumentation. der Vertreibung der Deutschen. Bd. I/1, S. 280ff. 127 Daselbst Bd. I/1, S. 280ff., 291ff. 40 Ubergabe an Polen forderte Marschall Rokossowski die Danziger durch Flugblatter zur übergabe auf. Aus dem Fiihrerhauptquartier kam jedoch der Befehl, Danzig zu verteidigen 128 . Die Eroberung der Stadt war bis zum 27. 1Viarz im wesentlichen abgeschlossen 129 . Danzig wurde nach der Einnahme vollig zerstOrt 13°. Die Sowjetunion, die in Verhandlungen mit den Westmachten immer wieder gefordert hatte, daB Danzig zur neuerstandenen polnischen Republik gehOren masse, -abergab das Gebiet der Freien Stadt Danzig an die polnische Verwaltung, die zunachst von polnischen Truppen wahrgenommen wurde 131 . Am 30. 3. 1945 erlieB der polnische Nationalrat in Warschau ein Dekret, durch das die Freie Stadt Danzig in die polnische Verwaltung eingegliedert wurde 132 . Polen begann sofort, die BevOlkermig Danzigs aus ihrer Heimat zu vertreiben und in dem freiwerdenden Raum Polen anzusiedeln 133 . Von den etwa 400 000 Danzigern, die 1939 in Danzig lebten, sollen. nach Angaben des polnischen statistischen Jahrbuches vom Jahre 1947 am 1. 6. 1947 noch 7000 Deutsche im Gebiet der Freien Stadt gelebt haben 134 . Zur gleichen Zeit soli die dortige Bevolkerung aus 242 000 Polen und 1000 Einwohnern anderen Volkstums bestanden haben. Ob diese Angaben richtig sind, last sich nicht feststellen. Nach den Ermittlungen in den Besatzungszonen Deutschlands im Jahre 1946 wurde festgestellt, daB etwa 250 000 Menschen aus der Freien Stadt Danzig sich dort niedergelassen hatten 135 . These Zahl erhate sich im Laufe der darauffolgenden Jahre nach Schatzungen des „Bundes der Danziger" auf etwa 300000. Das Schicksal von rund 95 000 Danzigern ist also noch unbekannt. Man weiB auch nicht, welche Verluste wahrend der Flucht und wahrend der Ausweisungen eingetreten sind und wieviel Danziger sich evtl. noch in Kriegsgefangenschaft befinden. Die im Freistaat gebliebenen Danziger werden von den Polen als sogenannte „Autochthonen" (Ureinwohner) bezeichnet, d. h.. solche Personen, die ihre polnische VolkszugehOrigkeit bestatigt haben. 136 . Sie muBten sich, soweit bekannt, durch Unterschrift zu loyalem Verhalten gegeniiber den Polen verpilichten 137 . Die ausgewiesenen Danziger sammelten sich zunachst im norddeutschen Raum and in Danmark und verteilten sich dann allmahlich auf die verschiedenen Besatzungszonen mit Schwerpunkt in Nord- und Westdeutschland. Auf Westdeutschland und Westberlin entfallen nach Angaben von 128 Daselbst Bd. I/1, S. 282f. 129 Daselbst Bd. I/1, S. 284 Anm. 1, S. 302; Thorwald S. 260. ,,; 130 Dokumentation der Vertreibung der Deutschen Bd. I/1, S. 298, 457, 459. 131 Daselbst Bd. I/1, S. 302, 305; Bd. 1/2, S. 460f., 463. 132 Dz. U. 1945 Nr. 11, Pos. 57, auszugsweise in deutscher Ubersetzung abgedruckt unten S. 176, im Original auf Taf. I und II zwischen S. 128 und 129. 133 Dokumentation der Vertreibung der Deutschen Ed. 1/2, S. 653f., 659ff. 134 Lippky S. 29. 135 Daselbst a. a. O. 138 Vgl. hierzu Geilke, Die Eingliederung S. 23ff. 137 Vgl. Lippky S. 28; Gottinger Arbeitskreis, Ostdeutschland S. 19. Die Danziger each der V ertreibung 41 Lippky etwa 170000 Danziger. Es sind aber seit 1946 Verschiebungen eingetreten.. Nach den neusten Schatzungen des Bundes der Danziger wolinen ca. 235 000 Danziger im Westen, ca. 65 000 in der Sowjetzone. Am 2. 8. 1945 beschlossen die Alliierten in Potsdam, das Gebiet der Freien Stadt Danzig bis zur endgiiltigen Festlegung der Westgrenze Polens unter polnische Verwaltung zu stellen 138 . Sechster Abschnitt Organisation der vertriebenen Danziger innerhalb Westdeutsehlands und ihre politischen Handlungen seit 1945 139 A. Entstehung einzelner ileimatgruppen Gleich nach der deutschen Kapitulation im Mai 1945 errichteten die Danziger Rechtsanwalte Dr. Sternfeld und Kiewning in Kiel eine Meldestelle ft:1r die im Raum Kiel befmdlichen Danziger. Etwa 6000 Danziger wurden in dieser Meldestelle erfaBt, die von der britischen Militarregierung genehmigt und unterstiitzt wurde, indem letztere ihr die niitigen Raume zur Verfiigimg stellte and damit eine Ausnahme von dem sorest allgemein bestehenden Versammlungsverbot machte. AuBerdem warden von der Militarregierung Danziger Passe ausgestellt. Die Dan ziger bereiteten eine Eingabe an die Alliierten vor. In Lubeck hatte zur gleichen Zeit das Danziger evangelische Konsistorium unter Fiihrtmg des das Bischofsamt wahrnehmen.den Oberkonsistorialrats Giilzow die dort lebenden Danziger (schon damals aber 7000) versammelt und eine „Hilfsstelle beim evangelischen Konsistorium Danzig" eingerichtet. Am 6. 6. 1945 fand in der Liibecker Marienkirche die erste Versammlun.g statt, zu der mehrere hundert Danziger Landsleute erschienen. Im Juni 1945 nahmen Kiewning und Dr. Sternfeld mit Giilzow Filhlung auf. Da sie das gleiche Ziel verfolgten, and in der Absicht, ihrem Willen ein grOBeres politisches Gewicht zu verleihen, beschlossen sie, ihre politischen Forderungen gemeinsam zu vertreten. So machten sie am 13. Juli 138 Absehnitt IX des Potsdamer Abkomrnens vom 2. 8. 1945. 139 Die Darstellung theses Abschnittes wurde each den folgenden Unterlagen an.gefertigt, die dem Verfasser vom Prasidenten der Vertretung der Freien Stadt Danzig zur Verfiigung gestellt wurden : 1. Die Protokolle der Tagungen and Besprechungen. 2. Die Texte der von den Danzigern verfaBten Memoranden. 3. Reelitsgutachten, die von den Danzigern verfaBt wurden. 4. „Unser Danzig", Mitteilungsblatt des Bundes der Danziger e. V. 5. Schriftwechsel der Vertretung der Freien Stadt Danzig mit dem Ausland. 42 Rand der Danziger 1945 ihre erste politische Eingabe bei der Regierung GroBbritanniens fiber die britische Militarregierung. Darin hieB es: „Wir bitten 1. festzustellen, daB die Danziger StaatsangehOrigen AngehOrige eines den Alliierten befreundeten Staates sind und den entsprechenden. Schutz genieBen, 2. entsprechend der Feststellung zu 1. die staa ts- und vOlkerrechtliche Stellung Danzigs -und seiner Burger zu regeln." Sie protestierten gegen die Austreibungen durch die Polen und forderten ihre Riickfiihrung in die Heimat und die Anerkermung ihrer Rechte auf Herstellung des Freistaates, fur den Fall der UnmOglichkeit einer Riickfiihrung aber die Schaffung von ausreichenden Lebensbedingungen in einer neuen Heimat. Im August verlegte Dr. Sternfeld. semen Sitz nach Lubeck, das sich dam zum Zentrum der Sammelbewegung entwickelte. Dabei trat Gillzow starker in den Vordergrund, da er als AngehOriger der Kirche eine grOBere Bewegungsfreiheit besaB. Unter seinem Vorsitz wurde ein'_ArbeitsausschuB gebildet, der die Verhandlung mit den Englanders fortsetzte. Die britische Militarregierung unterstiitzte weiterhin die Bemiihungen der Danziger, stellte ihn.en Fahrzeuge zur Verfiigung, erleichterte ihnen durch Ausstellung von Bescheinigungen den Zutritt zu den verschiedenen Dienststellen und schlug im September sogar die Griindung einer sogenannten „Partei der Danziger" vor. Dieser Vorschlag wurde jedoch nicht verwirklicht. Am 15. 8. 1945 fand die erste Tagung der Danziger Sammelstelle in Lubeck statt. B. Der Bund der Danziger e. V. Der ZusammenschluB der Danziger wurde allmahlich erweitert, indem man die Verbirtdung zu anderen Samm.elgruppen herstellte. In dem Bestreben, eine Vereinigung zu erreichen, die uber den Rahmen der Danziger evangelischen Religionsgemeinschaft hinausging und such den anderen Konfessionen gerecht wurde, andererseits aber in der Befiirchtung, daB der politische ArbeitsausschuB eines Tages von den Eng15,nders verboten werden kOnnte, wurde beschlossen, eine zweite Einrichtung zu schaffen, die soziale Aufgaben zu erfiillen hatte. Nach zahlreichen. Vorbesprechungen, an denen sich maBgeblich auch die von einer Hamburger Meldestelle erfaBten Danziger beteiligten, wurde am 15. 3. 1946 in Hamburg durch eine zehnkOpfige Griinderversammlung der „Bund der Danziger" gegrundet und in das Vereinsregister eingetragen. Mach Aufforderung durch ein Rundschreiben, das der Bund an die Danziger in den vier Besatzungszonen richtete, wurden in alien Ansied.lungen. der Danziger sogenannte „Ortsstellen" des Bundes gegriindet. Vertretung der Freien Stadt Danzig 43 Marz 1947 ordnete die Militarregierung mit der Begriindung, die Genehmigung sei irrtiimlich erfolgt, plOtzlich die AuflOsung des „Bundes der Danziger e.V." an. Per „Hilfsstelle beim ev. Konsistorium in Danzig" gelang es, die Interessen der Danziger weiter zu vertreten und vor allem die Aufgaben der sozialen. Betreuung wahrzunehmen. Nachdem Eingaben an den Kontrollrat in Berlin und die Militarregierung gemacht warden waren, erteilte die britische Militarregierung im Juli 1948 den Danzigern die Genehmigung, ihre Arbeit im Bund der Danziger fortzusetzen. Um dem Bund die demokratische Form zu sichern, wurden nach einer von der Militarregierung genehmigten Satzung Wahlen. durchgefiihrt. Die in den einzelnen Orton wohnenden Danziger wahlten ihre „Bezirksbeauftragten", und diese wahlten wiederum am 6. 8. 1948 den neuen Vorstand des „Bundes der Danziger e. V.". Tm C. Die Vertretung der Freien Stadt Danzig Bemerkenswert an der Entwicklnng der Organisationen der Danziger Burger in Deutschland nach 1945 ist ihre bewuBte Zweigleisigkeit. Neben dem „Bund der Danziger" entstand eine andere Organisation, die „Vertretung der Freien Stadt Danzig", die aus dem ArbeitsausschuB hervorging and die politischen Aufgaben wahrzunehmen hatte. Dieser Einrichtung lag der Gedanke zugrunde, ein Gremium zu schaffen, welches den Willen der Danziger BevOlkerung reprasentierte. Die Danziger hielten dieses Gremium fur geeignet, die Rechtsnachfolge des Senats der Freien Stadt Danzig anzutreten. Sie wiinschten damit der Auffassung entgegenzutreten, der Danziger Staat sei rechtlich untergegangen, indem sie das Vorhandensein der Staatsgewalt behaupteten. Die Entstehung dieses zweiten Organs der Danziger begann mit der Bildung des „Rates der Danziger" durch Giilzow im Mai 1947 m . Per „Rat der Danziger" setzte sich zusammen aus ehemaligen nicht nationalsozialistischen fiihrenden PersOnlichkeiten Danzigs, d. h. dem noch lebenden Prasidenten des Senats, den Senatoren, den Fiihrern der Fraktionen der Oppositionsparteien im Danziger VoWstag rind namhaften Mannem aus dem Kreise der Danziger Staatsbiirger, die auf Vorschlag kooptiert wurden. Da Wahlen praktisch noch nicht durchzufiillren waren, sah man in der Bildung eines Rates dieser Zusammensetzung die beste provisorische Form fiir eine Vertretung der Danziger BevOlkerung. Alle bisherigen Handlungen Giilzows and des Arbeitsausschusses wurden vom Rat bestatigt. Der Rat hatte die Aufgabe, fiber alle die Freie Stadt Danzig and ihre StaatsangehOrigen betreffenden Angelegenheiten zu beraten und die fiir das Wohl der Danziger notwendigen Schritte zu unternehmen. Fur die Wahr14° Siehe die unten auf S. 176 Nr. 8 abgedruckten Dokumente. 44 Die Danziger und die TVestalliierten nehmung der laufenden Geschafte bestellte der Rat einen sogenannten ExekutivausschuB, der insbesondere die Verbindung zum Ausland suchte und herstellte. Der „ExekutivausschuB", spater die „Vertrettmg der Freien. Stadt Danzig" genannt, sollte das Organ der politischen Fuhrung sein, dem insbesondere die auBenpolitischen Aufgaben zufielen, wahrend dem Bund hauptsachlich die Erfassung und Betreuung der Danziger BevOlkerung oblag. Der ExekutivausschuB bestand aus dem Vorsitzenden dessen Vertreter Dr. Sternfeld und den weiteren Ratsmitgliedern Dr. Langguth und. Bramer aus Hamburg. Rat und ExekutivausschuB wurden nach ihrer Griindung von der britischen Militarregierung als ungesetzlich verboten. Das Sekretariat des Ausschusses wurde daher nach Bad Kissingen in. die amerikanische Zone verlegt, wo das Verbot nicht wirksam war. Bei dem Danziger Rechtsanwalt Dr. Marx wurde ein Biiro eingerichtet. Gewisse innere Spannun.gen traten auf, als eine Gruppe von Danzigern in der amerikanisehen Zone, mit Zentrum in Frankfurt, einen eigenen., von den Liibeckern abgesonderten Kurs einschlug. Diese Gruppe versuchte mit Hilfe von einigen. fahrenden Danzigern in Hamburg und Bremen die Gesamtfiihrung an sich zu reiBen, indem sielzow vorwarf, die Interessen der Danziger nicht genilgend vertreten zu haben. Um eine Spaltung zu verhindern, trat Gillzow, der im ilbrigen mehr und mehr von kirchlichen Aufgaben in Anspruch genommen wurde, zuriick. Dr. Sternfeld, der den Vorsitz ilbemahm und aus dem ExekutivausschuB die „Vertretung der Freien Stadt Danzig" schuf, belief im Januar 1948 eine Tagung des „Rates der Danziger" nach Bad Kissingen ein. Hier gelang es, den ZusammenschluB mit den bisher noch abseitsstehenden Gruppen endgiiltig zu vollziehen. D. Denkschrift der Danziger In zahlreichen Sehreiben and Eingaben hatte sich der ArbeitsausschuB bereits an die Staatsra gnner der westlichen Alliierten gewandt lil. Nun wurde im Sommer 1948 eine umfassende Denkschrift fertiggestellt, die im wesentlichen aus einem, vOlkerrechtlichen und einem. historischen Tell bestand. Auf den Tram lt dieses Memorandums, in dem das Recht der Danziger auf ihren Staat und ihre Heimat dargestellt war, wird unten bei der Darstellung des Standpunktes der Dan ziger noch a-usfiihrlicher eingegangen 142 . Die Denkschrift wurde an die Vereinten Nationen und deren Mitgliedstaaten gesandt, mit der Bitte, die Danziger in der Durchsetzung ihrer Forderungen zu unterstiitzen. Die UNO lehnte es jedoch ab, die Danzig141 Siehe Anm. 146. 142 Unten S. 47ff. Die Danziger and die Westalliierten 45 frage auf ihre Tagesordnung zu setzen. 143 . Immerhin begann sich allmahlich ein gewisser Widerhall der Beraiihimgen der Danziger im Ausland bemerkbar zu machen, indem wenigstens Empfangsbestatigungen durch die UNO and einen Teil der Mitgliedstaaten eintrafen. E. Exilregierung Von seiten Englands schien man sich unter der Hand fur die Moglichkeiten der Bildung einer Danziger Exilregierung zu interessieren, da ein Offizier des „Intelligence Office" in Hamburg nach lAngeren Besprechungen mit den Danzigern im September 1948 einen entsprechenden Vorschlag anforderte, der ihm auch iiberreicht wurde. Man hatte auch von seiten der Danziger die Bildung einer offiziellen. Exilregierung in Erwagung gezogen, um noch eindeutiger nach auBen den Willen. zum Ausdruck zu bringen, daB die Danziger an ihrem alten Staat festzuhalten wiinschten. Dieser Gedanke wurde nochmals auf ether Tagung von Rat, Vertretung and Vorstand des Bundes am 28./29. 1. 1950 in Bremen ernstlich erOrtert. Die fiihrenden Danziger kamen jedoch zu der Cberzeugung, daB eine richtige Exilregierung zuviel Aufwand erfordere, der von der verarmten, zahlenmaBig geringen Danziger BevOlkerung nicht getragen werden kiinne. Aber auch unter einem anderen Gesichtspunkt wandte man sich gegen. die Bildung einer Exilregierung. Die Vertretung wollte verhindern, daB man. sie einer Exilregierung im herkOmmlichen Sinne dieses Wortes gleichsetzte. Sie betrachtete sich nicht als Regierung im Exil, also getrennt vom Staatsvolk, sondern als effektives and rechtmaBiges Organ dieses Staatsvolkes. Der Rat hielt die Vertretung fur legitimiert, das Danziger Staatsvolk nach innen and nach auBen zu vertreten and also fiir befugt, sich als provisorischen Rechtsnachfolger des Senats der Freien Stadt Danzig anzusehen. F. Legitimation der Vertretung der Freien Stadt Danzig I. Wahlen Um die Legitimation ihrer Vertretung zur Representation des Danziger Staatswesens noch mehr zu bekraftigen, beschlossen die Danziger, eine Wahl vorzubereiten. Sie beabsichtigten damit gleichzeitig, eine AnnAberung 143 Schreiben des General Counsel der UNO, A. H. Feller, an Dr. Sternfeld vom 4. 5. 1949: "The Secretary-General is not in a position to comply with your request that the Danzig question be placed on the agenda of the General Assembly. In this connection you are referred to Rules 12 and 13 of the General Assembly Rules of Procedure." Nicht veräffentlicht Quelle wie oben Anm. 139 Ziff. 5. 46 Willenskundgebungen der Danziger an die Bundesregierung in Bonn zu erreichen. Diese hatte es abgelehnt, mit der Vertretung der Freien Stadt Danzig zu verhandeln, da sie nicht nach d.emokratischen. Prinzipien aufgebaut sei, also keine ausreichende Legitimation besitze. Es wurde eine Wahlordnung auSgearbeitet, die vom Rat der Danziger und von den Bezirksbeauftragten des Bundes der Danziger beschlossen wurde. Am 3. 6. 1951 und am 24. 6. 1951 wurde eine allgemeine, gleiche und geheime Wahl aller vertriebenen Danziger im Bundesgebiet und Westberlin durchgefiihrt, an der sich die Danziger BevOlkerung mit Abgabe von iiber 53 000 Stimmen beteiligte 144. In den einzelnen Ortsstellen wurde entsprechen.d der jeweiligen BevOlkerungszahl eine bestimmte Anzahl von Wahlmannern gewahlt. Auf einer groBen Versammlung, zu der sich etwa 30 000 Danziger am 2. 8. 1951 in Litheck trafen, wahlten die Wahlmanner 36 Ratsmitglieder — den „Rat der Danziger". Die so gewahlten Volksvertreter versammelten sich am 4. 8. 1951 im Liibecker Rathaus und wahlten die „Vertretung der Freien Stadt Danzig", an deren Spitze weiterhin. Dr. Sternfeld blieb, der nun den Titel „President der Vertretung der Freien Stadt Danzig" fiihrte. Der Name „Senat" wurde nicht verwandt, weil die Vertretung nicht die Verwaltungsaufgaben einer Regierung auszuilben. beabsichtigte. II. Massenversammlungen Die Danziger BevOlkerung bekundete ihr Einverstandnis mit der Tatigkeit der Vertretung nicht nur durch die Wahlen, sondern auch auf den alljahrlichen Massenversammlungen. Bei diesen Zusammenkiinften auBerten sie ihren Willen, in die Heimat, in den alten, wiederzuerrichtenden Staat zuriickgefiihrt zu werden. Folgende Versaminlungen fanden statt 145 : 1949 in Liibeck mit ca. 5 000 Danzigern 1950 in Hamburg mit ca. 23 000 Danzigern 1951 in Liibeck mit ca. 30 000 Danzigern 1952 in Dusseldorf mit ca. 23 000 Danzigern 1953 in Kiel mit ca. 26 000 Danzigern 1954 in Hannover mit ca.. 35 000 Danzigern 1955 in Diisseldorf mit ca. 20 000 Danzigern 1956 in Lubeck mit ca. 20 000 Danzigern 1957 in Hannover mit ca. 25 000 Danzigern 1958 in Diisseldorf mit ca. 20000 Danzigern ;Unser Danzig" 1951 Nr. 7, S. 4. Die Zahlen stammen aus den TJnterlagen der Vertretung der Freien Stadt Danzig und des Bundes der Danziger e. V. 144 145 Zweiter Teil STELLUNGNAHMEN ZUR DANZI GER FRAGE Erster Abschnitt Standpunkt der Danziger A. Rechtslage In zahlreichen AuBerungen durch Memoranden, Gutachten, Reden, Aufsatze wad Stellungnahmen — haben die Danziger ihre Situation einer rechtlichen Wiirdigung unterzogen'46 . Wenn auch die juristische Beweis146 Dies gilt vor allem fur folgende Stellungnahmen: a) Gutachten and Aufsatze von: Gillz ow, amtierender Bischof des Danziger evangelischen Konsistoriums, AusschuB der verdrangten Ostkirchen, Liibeck: „Die Zahlung von Versorgungsbeziigen an ehemalige Angehorige des Offentlichen Dienstes, unter besonderer Beriicksichtigung der FlUchtlingspensionare", vom 7. 9. 1948. Kalah.ne, Abgeordnete im Danziger Volkstag: AuBerimg zum. Aufsatz von May „Dan.zigs Recht auf Eigenstaatlichkeit", vom 13. 11. 1948. Koennemann, Erster Vorsitzender des Bundes der Danziger: Zur Geschichte des Bundes der Danziger. In: Un.ser Danzig, Jahrgang 1950 Nr. 8, S. 8. Langguth, Mitglied der Vertretung der Freien Stadt Danzig: Die StaatsangehOrigkeit der Danziger, verwandt im. Memorandum von 1948. Die Rechtsstellung der Danziger seit ihrer Vertreibung. In: Unser Danzig, Jahrgang 1949 Nr. 9, S. 5. Gutachten caber die Frage des Erwerbs der deutschen StaatsangehOrigkeit durch die Danziger auf Grund des Reichsgesetzes vom. 1. 9. 1939, Ende 1948. Stellungnahme zum Gutachten von Bode zu Rechtsfragen bzgl. der Lebensversicherungsanstalt WestpreuBen von 1948, vom 1. 3. 1948. Stellungnahme zum Aufsatz von May, vom 24. 10. 1948. Entgegnung zu der Stellungnahme von Kalahne, vom 5. 12. 1948. May: Danzigs Recht auf Eigenstaatlichkeit. Niehuus: Grundsatzliches zum Danzig-Problem, vom 20. 12. 1946. St ernfeld: Die Ersatzan_sprilehe wegen Beschlagnahme der Danziger Vermiigen durch die Polen. 48 Die Rechtslage Danzigs und die Danziger fiihrung im einzelnen etwas abweicht, so laBt sich doch eine allgemeine Lithe beobachten, die besonders deutlich in dem groBen Memorandum von 1948147 kenntlich gemacht ist: Ausgegangen wird von der Tatsache, daB Danzig seit 1920 ein Staat und als Viilkerrechtssubjekt allgemein anerkannt war. Die Einverleibung in das Deutsche Reich am 1.. 9. 1939 sei sowohl nach staats- wie auch each vOlkerrechtlichen Gesichtspunkten rechtsunwirksam gewesen. Das sogenannte Danziger „Staatsgrundgesetz" vom 1. 9. 1939 148, durch welches der Gauleiter Forster den AnschluB Danzigs an das Deutsche Reich erklarte, sei ungfiltig gewesen, da es von einem unrechtmaBigen Organ erlassen worden sei; denn der ErlaB der Senatsverordnung vom 23. 8. 1939 149, durch die Forster zum Staatsoberhaupt ernannt worden war, sei ein Verfassungsbruch gewesen. Als Grundlage der Verordnung sei das Ermachtigungsgesetz vom 24. 6. 1933 150 bezeichnet worden, nach dem aber gesetzliche MaBnahmen nur im Rahmen der Verfassung getroffen werden konnten. Nach dieser sei aber der Senat Oberste LandesbehOrde. Die Ernennung zum „Staatsoberhau.pt" habe also eine Verfassimgsanderung dargestellt, die nur nach der vorgeschriebenen Billigwag dutch den Volkstag und durch Betr. Frage der Rechtswirksamkeit der wa'hrend des 2. Weltkrieges vorgenommenen Kollektiveinbiirgerung der Danziger StaatsangehOrigen, vom 22. 7. 1952. Betr. Gesetz zur Regelung von Prager). der StaatsangehOrigkeit, vom 23. 5. 1953. b) Memoranden Die Angeb.Origen der Freien Stadt Danzig in Schleswig-Holstein an Churchill, vom 13. 7. 1945. KaMime an Churchill, September 1946. Kalahne, Free City of Danzig's women and mothers, Appeal to the United Nations, 1Vidrz 1947. Kalahne an Bevin, vom 20. 8. 1947. „Der Vertreter der Danziger im Exil", Gerhard Giilzow, evangelischer Bischof von Danzig, an Truman, Juni 1947. Die Vertretung der Freien Stadt Danzig, Exposé an UNO, USA, Frankreich and England, vom 1. 7. 1947. Zocher, Vorschlag fur Eingabe an UNO an Frau Prof. Kalahne (nicht abgesandt), vom 1. 8. 1948. Die Vertretung der Freien. Stadt Danzig. Memorandum an die UNO und samtlicb.e Mitgliedstaaten der UNO, Sommer 1948. Die Vertretung der Freien Stadt Danzig. Entwurf fiir Memorandum (nicht abgesandt), vom 5. 3. 1952. Die Vertretung der Freien Stadt Danzig. Entwurf fiir Memorandum (nicht abgesandt), vom 28. 4. 1952. c) Protokolle der Danziger Tagungen seit 1945. Schriftwechsel der Danziger Vertretung mit den Vereinten Nationen und deren Mitgliedstaaten, insbesondere England, Frankreich, USA, dem ehemaligen Prasidenten des Senats, Rauschning, dem ehemaligen Viilkerbundskornrnissar, Burckhardt, usw., Briefe, Aktenmaterial usw. 147 Siehe oben S. 44. 148 GB1. 1939 S. 435, abgedruckt unten S. 173. 149 GB1. 1939 S. 413, abgedruckt unten S. 172. 3-so GB1. 1933 S. 273. Die Anspriiche der Danziger 49 den VOlkerbwid habe wirksam worden kiinnen. Die Zustimmung Danzigs zur Eingliederung habe demnach gefehlt, und Deutschland sei nicht in der Lage gewesen, durch sein Gesetz iiber die Wiedervereinigung Danzigs mit dem Deutschen Reich vom 1. 9. 1939151 den Untergang des Danziger Staates herbeizufiihren. Ferner kiinne von einer wirksamen Annexion nicht die Rede sein, da Deutschland durch seinen gewaltsamen. Eingriff gegen verschiedene vOlkerrechtliche Vertrage (Versailler Vertrag, Kellogg-Pakt) verstoBen habe und die Einverleibung von den Mitgliedstaaten des VOlkerbundes nicht anerkannt worden. sei. Deutschlands Vorgehen wird als „occ-upatio bellica" bezeichnet. Wahrend_ einer solehen. kriegerischen Besetzung sei eine wirksame Rinverleibung nicht miiglich, um so weniger, als die ubrigen nichtanerkennenden Nationen die Wiederherstellung des alten Zustandes gefordert und dafiir gekampft hatten. Der Danziger Staat wird daher als fortbestehend angesehen. Auch Polen habe keine wirksame Einverleibung vornehmen kiinnen. Die Annexionserklarung Po lens (Dekret vom 30. 3. 1945) verstaBe gegen die im Potsdamer Abkomraen getroffene Regelung und sei von den meisten der UNO-Staaten infolgedessen nicht anerkannt. Danzig sei lediglich bis zur Friedensvertragsregelung unter polnische Verwaltung gestellt worden; es sei de jure each wie vor als Staat anzusehen. Zur Bekraftigung dieser A-uffass-ung wird auf englische und amerikanische Entscheidun.gen und einige deutsche Autoren verwiesen, welche gleichfalls die Fortexistenz des Danziger Staates anerkennen. Da der Stant nicht untergegangen sei, bestehe auch die Danziger StaatsangehOrigkeit nosh. Das Danziger StaatsangehOrigkeitsgesetz vom 30. 5. 1922 152 bestimme, wer diese Staatsan.gehOrigkeit heute besitze. Die Verleihung der deutschen StaatsangehOrigkeit durch das deutsche Gesetz vom 1. 9. 1939 sei als Kollektiv-Zwangseinbiirgerung vOlkerrechtswidrig und unwirksam. Nur soweit Danziger in den Dienst des Deutschen Reiches getreten seien — each 1939 oder auch nach 1945 —, hatten sie nach dem Reichs- and StaatsangehOrigkeitsgesetz von 1913 die deutsche StaatsangehOrigkeit erworben, daneben aber ihre Dan ziger StaatsangehOrigkeit behalten., da nach dem Danziger StaatsangehOrigkeitsgesetz eine Doppelstaatlichkeit mOglich sei. B. Anspriiche Aus dieser Beurteilung der Rechtslage leiten die Danziger eine Anzahl von Anspruchen ab, die sie mit Nachdruck vertreten. 151 RGB1. 1939 I, S. 1547, auszugsweise abgedruckt unten S. 175. 152 GB1. 1922 S. 129. 4 7467 BOttcher, Danzig 50 Die An8pritche der Danziger 1. Die Forderungen richten sich einmal gegen die Mitgliedstaaten des ehemaligen Volkerbundes, der die Danziger Verfassung garantiert und den Schutz der Freien Stadt Danzig each auBen iibernommen hatte. Die Danziger fordern: a) Anerkennung der Staatlichkeit Danzigs und der Danziger Staatsangehiirigkeit ; b) Wiederherstellung des alten Freistaates enter dem Schutz der Vereinten. Nationen, an Stelle des VOlkerbundes, wobei sie sich iiber die Tatsache im klaren sired, daB die UNO nicht Rechtsnachfolger des VOlkerbundes ist ; c) Riickfiihrimg der Danziger in ihre Heimat reach Herstellung ihrer Rechte linter Sicherung durch die Vereinten Nationen. 2. Gegen Polen richtet sich ihre Forderung auf Riickgabe des einverleibten Staates und des gesamten beschlagnahmten VermOgens, bzw. Ersatz der Schaden. 3. Von Deutschland wird ebenfalls Herausgabe des iibernommenen VermOgens, bzw. Schadensersatz gefordert. Ferrer wollen die Danziger, die infolge der Kriegswirkungen auf deutsches Staatsgebiet verschlagen wurden, bis zur Wiederherstellung ihrer Rechte den deutschen StaatsangehOrigen gleichgestellt werden. C. Politische Einstellung der Danziger Die Danziger unterstreichen in der Mehrzahl die Tatsache ihrer deutschen Abstammung und Gesinn.ung. Sie meinen, es liege kein ungerechtfertigter Widerspruch darin, wenn sie — was ihnen deutscherseits hauflg vorgeworfen wurde auf der einen Seite inn erhalb Deutschlands Gleichberechtigung verlangten, andererseits jedoch die Forderung auf Selbstandigkeit durchzusetzen versuchten. Sie glauben, daB sie ihre Anspriiche auf Wiederherstellung der Lebensgrundlage in der Heimat nur durchsetzen kiirmen, wenn sie sich auf ihre Sonderrechte als AngehOrige eines Staates berufen' 53. Im iibrigen stimmen nach ihrer Ansicht Art und Tnhalt ihrer Forderungen mit den politischen Interessen Deutschlands aberein. Thre Haltung laBt sich etwa wie folgt umreiBen 154 : Sie vertreten die Ansieht, daB Danzig de jure noch ein Staat und Viilkerrechtssubjekt sei. Sie 153 Siehe das Abkommen zwischen der Vertretung der Freien Stadt Danzig und den Landsmannsehaften WestpreuDen vom 20. 6. 1949, abgedruckt unten S. 178. 154 Entnommen aus einem Brief des Prasidenten der Vertretung der Freien Stadt Danzig, Dr. Sternfeld, vom 10. 9. 1953 an den Verfasser. Die Anspriiehe der Danziger 51 leiten daraus Rechtsanspriiche auf Wiederherstellung der ExistenzmOglichkeit in einem Danziger Staatswesen und auf Ersatz der zugefiigten Schaden ab. Sie sind der Ansicht, daB es notwendig sei, diese Anspriiche auch praktisch geltend zu machen. Bei einer schrittweisen Liisung der Wiedervereinigung des deutschen Ostens mit West- und Mitteldeutschland, die von der Bundesrepublik angestrebt werde, sei diese im giinstigsten Fall in der Lage, ihre Anspriiche hMsichtlich des deutschen Staatsgebietes in den Grenzen vom 31. 12. 1937 geltend zu machen. Danzig liege aber auBerhalb dieses Gebietes. Man wiirde von deutscher Seite also in jedem Falle auf Danzig verzichten miissen, zumal ein Rechtsanspruch auf Riickgabe Danzigs fiir Deutschland nach seiner eigenen. Konzeption (Grenzen von 1937) nicht bestehe. Es ware somit im Interesse der in die Heimat zuriickstrebenden Danziger, aber gerade auch im gesamtdeutschen Interesse unverantwortlich, auf die bestehenden Rechtsanspriiche zu verzichten. Die Vertretung der Freien Stadt Danzig fiihrte aus diesem Grunde einen heftigen Kampf gegen. den ErlaB des vom Bundesministerium des Innern geplanten Gesetzes zur Regelung von StaatsangehOrigkeitsfragen. 155. Obgleich eine etwa fortbestehende Danziger StaatsangehOrigkeit nach Ansicht der Danziger durch ein solches Gesetz nicht beeinfluBt wird, waren die Danziger doch der Auffassung, daB man eine endgiiltige Regelung dieser Frage schon aus auBenpolitischen Griinden einer friedensvertraglichen LOsung nicht vorwegnehmen diirfe, insbesondere, als durch die faktisch erzielte Gleichberechtigung (Art. 116 GG) kein Bediirfnis bestehe, schon jetzt endgilltige MaBnahmen zu beschlieBen, die der Durchsetzung der politischen Forderungen im Wege stehen kOnnten. Die Danziger wiesen auf die Gefahr hin, die das Aufgehen eines ganzen Staatsvolkes in einem anderen fiir die Fortexistenz dieses Staatsvolkes mit sich bringen wiirde. Zweiter Abschnitt Standpunkt der Alliierten A. Westliche Allilerte Auch bei den westlichen Alliierten hat sich entsprechend der allgemeinen Halting, die sie zur Deutschlandfrage eingenommen haben — eine einheitliche Stellungnahrae entwickelt, die in der Verwaltungs- und. Gerichtspraxis ihrer Besatzungsstreitkrafte innerhalb Deutschlands wie auch 155 Das Gesetz ist inzwischen verabschiedet worden; siehe unten S. 74. 4* 52 Die Rechtslage Danzigs und die Westatiierten der auslandischen. Staatenpraxis Ausdruck gefunden hat. Dabei wird in der praktischen Behandlung der Danziger entscheidend darauf abgestellt, ob sie ihren Wohnsitz im Ausland oder in Deutschland haben. I. Allgemeine reehtliehe Beurteilung sowie Praxis im Ausland Die Einverleibung Danzigs in das Deutsche Reich am 1. 9. 1939 war nach Ansicht der Alliierten eine einseitige MaBnahme des Deutschen Reiches. Die Alliierten machen geltend, eine tbereinkunft mit den VOlkerbundsstaaten, die den Schutz Danzigs und die Garantie fiir seine Verfassung iibernommen batten, habe nicht stattgefunden. Die Eingliederung wurde daher, entsprechend der vorher eingenommenen Ha'tune°, nicht anerkannt. Die gleiche Beurteilung erfuhr die Eingliederung Danzigs durch Polen im Jahre 1945. 1. VOlkerbund und VOlkerbundskommissar Der Viiikerbundsrat hat zu den Gesehehnissen. in Danzig nach Kriegsbeginn nicht offiziell Steflung genommen. Der Hohe Kommissar Burckhardt bekundete die Nichtanerkennung der Ernennung Forsters zum. Staatsoberhaupt durch seine Weigerung, an einem Empfang des Gauleiters anlaBlich eines deutschen Kriegsschiffbesuches teilzunehmen 157. Im ubrigen protestierte er Senat und Forster gegeniiber gegen die gewaltsame Eingliederung, bevor er am 1. 9. 1939 Danzig verlassen mu.Bte 159. In der Zeit nach 1945 hat Burckhardt mehrmals in Privatgesprachen mit fiihrenden Danzigern seiner tberzeugung Ausdruck gegeben, daB Danzig als Staat noch existiere 159 . Er halt die „Vertretung der Freien Stadt Danzig" auf Grund der durchgefiihrten Wahlen unter den gegebenen Umstanden fur ausreichend legitimiert, als ordnungsmaBiges Organ der Danziger zu fungieren. Er ermunterte die Danziger, in der Verfechtung ihrer Rechtsanspriiche fortzufahren, bezeichnete ihr Vorgehen iiberdies als politische Notwendigkeit, um das Deutschtum in Danzig zu erhalten. 2. England Am klarsten ist die Nichtanerkennung der beiden Einverleibungen von England ausgesprochen worden. Sowohl Lord Halifax als auch Chamberlain haben in ihren. Reden vor dem englischen Ober- und Unterhaus am 2. 9. 1939 als Kriegsgrund den deutschen Einmarsch in Polen und das einseitige Vorgehen in der Danzig156 Siehe oben S. 35. 157 Siehe oben S. 35. Siehe oben S. 36. 159 Mitteilung durch die Vertretung der Freien Stadt Danzig. Auch dem Verfasser gegentiber hat Burckhardt am 31. 3. 1953 in Versailles sinngemali das gleiche geauBert. Die Rechtslage Danzigs und England 53 Frage genannt. Beide haben ausdracklich betont, daB die Regierung GroBbritanniens die Eingliederung Danzigs in das Deutsche Reich nicht anerkenne 16°. Sie verstoBe gegen den. von England mitunterzeichneten Vertrag' 61 and das Abkommen zwischen Polen und Danzig. Das Foreign Office bestatigte 1945 diese llaltung in einer Stellungnahme zur Frage der englischen Politik hinsichtlich der Danziger StaatsangehOrigen, wie aus dem Schreiben einer UNRRA-Dienststelle in der britischen Besatzungszone Deutschlands vom 3. 8. 1945 hervorgeht 162. Darin heiBt es, die englische Regierung erkenne die Eingliederung Danzigs 1939 nicht an. Die Danziger StaatsangehOrigkeit bestehe fort. Nach dieser Erklairung sollen die Danziger allerdings in der Praxis -wie Deutsche behandelt werden, da Danzig nicht polnisch sei und als Freistaat faktisch aufgehOrt habe zu existieren. Diese Regelung trifft jedoch, wie aus spateren 1V1aBnahmen ersichtlioh ist 163, nur auf die seit KriegsschluB in Deutschland lebenden Danziger zu, fiber deren Behandlung man sich z-unachst nicht einig war 1.64 . Am 17. 9. 1945 gab der britische AuBenminister eine ErklArung ab, mit der sich das Foreign Office gegen das fait accompli des Ostens wandte m . Bevin hat dann am 31. 10. 1945 vor dem Unterhaus auf eine Anfrage des Abgeordneten Mr. Pickthorn erklart, daB die rechtliche Situation der Freien Stadt Danzig unverandert sei und so bleiben werde, bis eine Regelung durch einen Friedensvertrag getroffen sei. 166. GroBbritannien zieht also aus der Politik der Nichtanerkennung, die sich sowohl auf die deutsche als auch auf die polnische Eingliederung bezieht 167 , die Folgerung, daB der Dan ziger Staat de jure noch bestehe. 160 Parl. Deb. HC vom. 2. 9. 1939; Livre Jaune Francais S. 340f.; English Blue Book S. 172f.; abgedruckt unten S. 178. 161- Die Errichtungs-Urkunde der Freien. Stadt Danzig vom 15. 11. 1920; abgedruckt bei Lewinsky- Wagner S. 196. 162 Abgedruckt unten S. 179. 163 In einer damals unter der britischen Besatzungsmacht in Deutschland verbreiteten Militarzeitschrift werde in Beantwortung eines Leserbriefes mitgeteilt, daB ,A CCG (d. h. Control Commission for Germany, d. Verf.) official ' says that Danzigers of German origin now living in Germany . . . administratively are not regarded as Danzigers." Soldier, The British Army Magazine, Juli 1946, S. 46. 16 Wie Prof. Dr. med. Albrecht, Nordhorn, in einem Schreiben vom 21.9. 1946 an den Bund der Danziger berichtet, erklarte der Deutschland-Kommentator des BBC, Lindley Frazer, in einer Sendung des Londoner Rundfunks namens „Was wollen Sie wissen" Anf'ang September 1946 in Beantwortung einer Frage nach der Rechtsstellung Danziger Burger sinngemaB folgendes : (1) Danziger StaatsangehOrige in England warden nach wie vor als AngehOrige des Freistaates behandelt und kännten z. B. ohne weiteres ein Visum in jedes Ausland bekommen; (2) Danziger, die in der britischen Zone (Deutschlands) wohnen, miiBten, soweit Barn, d. h. Lindley Frazer, bekannt sei, bis zum Friedensvertrag als Staatenlose behandelt werden. 165 Deutsches Bar° far Friedensfragen, Heft 15 S. 166. 166 Parl. Deb. HC vom 31. 10. 1945, abgedruckt unten S. 180. 167 Siehe Anm. 162-164. 54 Die Rechtslage Danzigs und Frankreich Im Unterhaus ist diese Frage noch mehrmals zur Sprache gebracht worden, wobei sich herausstellte, daB trotz der Ansicht, eine Danziger StaatsangehOrigkeit bestehe noch, im Arbeitsministerium die Danziger zeitweise als deutsche StaatsangehOrige behandelt wurden, was sich z. B. in der Verweigerung der Arbeitserlaubnis auBerte. Durch Aussprachen wurde jedoch eine Bereinigung dieser Divergenz in Aussicht gestellt' 68 . Am 24. 11. 1947 wurde die von Bevin am 31. 10. 1945 geduBerte Auffassung noch einmal besta'tigt 1-69 . 3. Frankreich Frankreichs Politiker haben in ihren Erklarungen vor dem Parlament bei Kriegsausbruch Danzig nicht ausdriicklich erwahnt. Sie verfolgten jedoch zumindest in der unmittelbaren Vorkriegszeit die gleiche Politik wie GroBbritannien und erklarten. Deutschland am gleichen Tage wie ihr Biindnispartner aus dem gleichen Grunde den Krieg. Sie haben wie die anderen Mitglieder der Vereinten Nationen das Urteil von Nurnberg anerkannt, in dem das deutsche Vorgehen in Danzig als VOlkerrechtsbruch gewertet wurde. Ebenso Mat sich aus spateren Erklarungen schlieBen, daB Frankreich die deutschen Erwerbungen seit 1938 nicht anerkennt 170 . Auch die Eingliederung Danzigs durch Polen entgegen den Abmachungen von Potsdam hat Frankreich nicht anerkannt, wie aus AuBerungen auf den verschiedenen AuBenministerkonferenzen ersichtlich ist und wie es nach dem GOrlitzer Vertrag vom 6. 7. 1950 ausdracklich bekundet wurde m . Die Auffassung der franzOsischen Regierung entspricht also der englischen : Der Danziger Staat wird als de jure existent betrachtet. Es gibt eine Danziger StaatsangehOrigkeit. Danzig steht nach dem Potsdamer Abkommen enter vorldufiger polnischer Verwaltung. Eine endgiiltige Regelung kann erst durch einen Friedensvertrag erfolgen 172 . 4. Vereinigte Staaten von Amerika Der von den USA in der Regel angewandten Praxis der Nichtanerkennung von gewaltsam bewirkten Gebietsveranderungen (Stimson-Doktrin) entsprach es, daB auch sie die Eingliederung Danzigs 1939 nicht anerkannten. Diese Haltung kam in mehreren Entscheidnngen zum Ausdruck. 168 Vgl. Parl. Deb. HC vom 18.11. 1946 ; 12. 12. 1946, abgedruckt unten S. 180. 169 Parl. Deb. HC vom 24. 11. 1947; vgl. auch die Erkliftrimg des britischen. AuBenministers Lloyd im Unterhaus am 10. 7. 1957, daB seine Regierung die Oder-NeiBe-Linie nicht anerkennen werde, sondern sich an das Potsdamer Abkommen vom August 1945 gebunden halte (Part. Deb. HC vom 10. 7. 1957). 17° Erklarung der franzOsischenRegierung vom 7.7. 1950, zit. in Hoffmann, Friedrich S. 3. 171 Daselbst 1. c. 172 Diese Auffassung findet ihre Bestatigung durch eine Mitteilung, die der Directeur des Affaires Politiques am Quai d'Orsay, Ministre plónipotentiaire, Baron de la Tournelle, am 18. 5. 1953 dem Verfasser gegenuber machte. Die Recht$lage Danzigs und die USA 55 In der Executive Order des Prasidenten der Vereinigten Staaten vom. 14. 6. 1941 173 fiber die Sperre von Guthaben der Angela&igen der Achsenmachte und der von ihnen besetzten Staaten wurden Danzig, Osterreich, die Tschechoslowakei, Polen und Albanien gesondert aufgefuhrt. In einem „Local Board Memorandum" Nr. 112 vom 3. 6. 1943 174 dagegen wurde Deutschland einschlieBlich Osterreich and Danzig unter den Feindlandern genannt. Doch entsprach dies nicht der allgemein Praxis, denn im Jahre 1945 erklarte das State Department, daB Danzig kein Tell Deutschlands sei. Es stelle eher ein befreites als feindliches Land dari-75. Das „Office of the Alien Property Custodian" brachte im Juni 1946 in seinem Jahresbericht 178 zur Kenntnis, daB Eigentum der Danziger Burger im Gegensatz zu deutschem Eigentum nicht ranger beschlagnahmt da Danzig kein Tell Deutschlands sei. Ausgenommen von dieser Vergunstigung wurden Personen, die fur den Feind tatig waren. Besonders deutlich wird der Grundsatz der Nichtanerkennung in einem Urteil eines amerikanischen Bundesgerichts vom 9. Juli 1947 in Sachen Zellerl" . Dort wird ausgefiihrt, die Vereinigten Staaten hatten die Einverleibung Danzigs niemals anerkannt. Bemerkenswerterweise wird aber das Fortbestehen der Danziger StaatsangehOrigkeit von dem Willen abhangig gemacht, den der einzelne in den Vereinigten Staaten wohnende Danziger bekundet. Wer durch sein Verhalten erkennen lieB, daB er den AnschluB billige, wurde trotz der vOlkerrechtlichen Ungaltigkeit der Einverleibung Danzigs durch das Deutsche Reich als deutscher Staatsangehiiriger angesehen. Es kommt hiermit ein grundsatzlicher Gedanke zum Ausdruck, dem spatere deutsche Firitscheidungen, wie weiter unten dargestellt wird, zum Durchbruch verhelfen. Es ist einmal der standig bekundete individuelle Wille, der seine Beriicksichtigung fin det, und zum andern. die Tatsache, daB sich eine Person, die sich mit dem AnschluB einverstanden erklarte und die entsprechende Haltung einn.ahm, nicht auf die valkerrechtliche Unwirksamkeit dieses Anschlusses berufen kann 178 . Auch die Eingliederung Danzigs in Polen 1945 haben die Vereinigten Staaten nicht anerkannt. Nach der Besetzung Danzigs durch sowjetische and polnische Truppen wandten sie sich mit einer offiziellen. Note an die 174 Zitiert nach Langer S. 173. 173 Zitiert nach Langer S. 169. 175 Zitiert naeh Langer S. 205. 178 Annual Report, Office of Alien Property Custodian, Fiscal Year Ending June 1945, S. 7: "Property of residents of Austria, Sudetenland or Danzig, other than citizens of Germany or Japan, is no longer vested except upon the finding that such persons have acted for or on behalf of the enemy. The State Department has determined that these areas are not parts of. Germany and constitute liberated rather than enemy territory." 177 U. S. ex rel. Zeller v. Watkins, 72 F. Supp. 980 (S. D. N. Y. 1947), auszugsweise abgedruckt in AJIL Bd. 42, S. 226 (1948). 17 8 Vgl. zu diesem Fall auch die Anm. Bishop, daselbst S. 194, 199. 56 Die Rechtslage Danzigs und die Niederlande Sowjetunion 178 . Sie pro testierten gegen das „fait accompli" im Osten und dagegen, daB Danzig angeblich in aller Form einverleibt worden sei 180 . Kurz darauf wiederholten sie ihren Protest 181 . Wie Langguth in seiner Ansprache auf einer GroBkundgebung der Danziger in Hamburg am 6.8. 1950 mitteilte, ging auch eine Botschaft des amerikanischen AuBenministeriums an den KongreB im Januar 1950 von der Fortexistenz des Danziger Staates aus 182 . Spater haben die Vereinigten Staaten. in Verbindung mit der Berufung auf die im Potsdamer Abkommen. getroffene Regelung die Nichtanerkennung der polnischen Inkorporation haufig bekundet 183 . Auch sie haben als Deutschland das Gebiet vom 31. 12. 1937 angesehen 184 , also ausschlieBlich Danzigs, das sie aber nicht Palen zusprachen, sondern gemeinsam mit GroBbritannien und der Sowjetunion durch das Pot damer Abkommen bis zur Friedensregelung unter polnische Verwaltung stellten. 5. (Thrive Staaten Auch in anderen Nationen ist zur Danzig-Frage Stellung genommen worden. Besonders die niederlandischen BehOrden hatten sich verschiedentlich mit der Frage zu befassen, ob die Danziger „feindliche Untertanen" i. S. der niederlandischen FeindvermiigensVO sired. Durch das Urteil des niederlandischen Raad voor het Rechtsherstel vom 13. 9. 1951 185 wurde das hollandische VermOgen einer Danzigerin freigegeben.: Danzig sei durch die ungilltigen. Eingliedenmgen von 1939 and 1945 als VOlkerrechtssubjekt nicht untergegangen, sein Fortbestand als Freistaat kOrme nicht angezweifelt werden. Ebenso gabe es noch eine Danziger Staatsangehiirigkeit. Schon am nachsten Tag erging aber die Entscheidung einer anderen Kammer des gleichen Gerichts 186 , die insofern einen abweichenden Standpunkt vertrat, als sie die Danziger seit dem 1. 9. 1939 fiir deutsche StaatsangehOrige hielt. Sic stiitzte ihre Auffassung auf die 179 Note der USA vom 8. 4. 1945 (Deutsches Bar° fiir Friedensfragen, Heft 6 S. 109); vgl. ferner Deutsches Dim ftir Friedensfragen, Heft 15 S. 67; vgl. hierzu auch unten S. 125. 180 Die Formulierung „in aller Form" kann sich nur auf das polnische Gesetz zur Eingliederung Danzigs vom 30. 3. 1945 beziehen. 181 Note der USA vom 8. 6. 1945 (wie Anm. 179). 182 Laut Bericht in: Unser Danzig, Jahrgang 1950 Nr. 9, S. 7. 182 Vgl. Protesterklarung der USA vom 9, 1950 nach Abschlu13 des GOrlitzer Abkommens (Gottinger Arbeitskreis, Ostdeutschland S. 89); ,Was war warm?", 1950, S. 245 C; Hoffmann, Friedrich S. 3; England, Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland gaben ahnliche Erklarungen ab. 184 Erklarung vom 5. 6. 1945, ABL KR. Erg.B1. Nr. 1, S. 11; vgl. Ges. Nr. 161„Nr. 52 Art. 7e, Ges. Nr. 53 Art. 7g der Militarregierung in Deutschland. 185 In der Sache Clara Kruger (Rechtsherstel 1951, Nr. 108). 186 In der Sadie Mix (Rechtsh.erstel 1951, Nr. 110) wie auch die Entscheidung des gleichen Gerichts in der Sache Volkmann vom 4. 2. 1953 (vgl. Verzijl, NJurB1 1954, S. 785). Die Rechtslage Danzigs und Schweden 57 „normative Kraft des Faktischen", die nach ihrer Ansicht auch im VOlkerrecht anzuerkennen Das Nederlands Beheersinstitut hat diese Auffassung noch in seinem BeschluB vom 17. 12. 1952 188 vertreten und die Danziger als feindliche Untertanen im Sirme der FeindvermOgensVO vom 20. 10. 1944 angesehen. In der Sitzung am 19. 7. 1956 189 hat das Beheersinstitut semen urspriinglichen Standpunkt, die Danziger seien am 1. 9. 1939 deutsche StaatsangehOrige geworden, aufgegeben. Dennoch hat es die Danziger weiterhin als feindliche Untertanen behandelt, mit der Begriin.dung, daB sie gema,B Artikel 116 GG als deutsche Staatsangehiirige anzusehen seien. Eine Klarung dieser Frage ist schlieBlich durch das Urteil des Raad voor het Rechtsherstel R. 24.420 vom 28. 8. 1956 199 herbeigefiihrt worden, durch das der BeschluB des Beheersinstituts vom 17. 12. 1952 fiir ungiiltig erklfirt wurde. Das Gericht stellte fest, daB der Klager, ein Danziger, der 1899 in Danzig geboren wurde und jetzt in Westdeutschland wohnt, nicht feindlicher Untertan im Sinne der FeindvermOgensVO sei und ordnete die Freigabe seines beschlagnahmten Vermogens an. Das Gericht hielt die Verleihung der deutschen StaatsangehOrigkeit am 1. 9. 1939 fiir unwirksam. Die Dienststelle des Amerikanischen Hohen Kommissars fiir Deutschland hat sich durch eine Entscheidung vom 10. 4. 1952 191 nach Priifung durch seine vOlkerrechtlichen Rechtssachverstandigen dem Ergebnis des oben genannten niederlandischen Urteils vom 13. 9. 1951 in vollem Umfange angeschlossen. Es ist ferner eine Entscheidung aus Schweden bekanntgeworden, nach der ein dort lebender Danziger namens Kuttenkeuler each wie vor als Danziger StaatsangehOriger angesehen und behandelt wird. Es wurde ihm ein schwedischer PaB mit dem Vermerk „Danziger StaatsangehOrigkeit" 187 Ver zij I a. a. O. S. 785f. halt diese Entscheidung fiir ein Fehlurteil. Er meint, selbst wenn man die Eingliederung Danzigs im Jahre 1939 als vollendete Tatsache ansehen wurde, diirfe dieses Unrechtsfaktum nicht zur Auslegung eines hollandischen Gesetzes herangezogen werden. Im iibrigen kOnne wahrend eines Krieges keine Einverleibung vorgenommen werden; es sei daher begreiflich, daB auch das Ausland die deutsche Staatsangehãrigkeit der Danziger Burger nicht anerkennt and die deutschen MaBnahmen gegen. die Freie Stadt im Jahre 1939 als rechtlich „nul et non avenue" ansieht. 188 In der Sache Wetzel WE 8091, nicht verOffentlicht ; zit. in dem ebenfalls unverOffentlichtenUrteil des Raad vo or b.et Rechtsherstel R .24.420 vom 28.8.1956, das auszugsweise in deutscher tbersetzung unten auf S. 181 abgedruckt ist; die gleiche Ansicht liegt der Entscheidung des Appellationsgerichts in Amsterdam vom 17. 6. 1954 (Nederlands Jurisprudentie 1954, Nr. 6463; vgl. auch Nederlands Tijd_schrift voor internationaal Becht 1955, 298) zugrunde. 188 Nicht verOffentlicht; zit. in dem in Anna. 188 genannten Urteil vom 28. 6. 1956. 180 In der Sache Wetzel, nicht verOffentlicht; in deutscher Ubersetzung auszugsweise abgedruckt unten S. 181. 191 Langguth, Brief vom 17. 4. 1952 an die Vertretung der Freien Stadt Danzig; Memorandumentwurf vom 28. 4. 1952. 58 Die Rechtslage Danzigs und die Schweiz ausgestellt. Die schwedischen BehOrden verfolgen bei alien dort lebenden Danzigern diese Praxis192. Eine von dieser -liberal' befolgten Praxis abweichende Entscheidung wurde nur in der Bescheinigung eines argentinischen Gerichts vom 15.5.1950 festgestellt193, nach der eine 1907 in Danzig geborene Frau als „heim.atlos" angesehen wird und diese Bezeichnung in ihren PaB eingetragen. wurde. In der Schweiz ist das Danziger VermOgen freigegeben worden, nachdem zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland ein Vertrag caber die Behandlung deutscher VermOgenswerte in der Schweiz geschlossen worden war'94. Die Freigabe erfolgte mit Zustimmung der Alliierten, die auf Betreiben der Danziger mit besonderer Unterstiitzung der USA erreicht wurde 195. Nach dieser Entscheidung soil das VermOgen der Danziger auf Antrag gdnzlich von der Sperre befreit werden196. II. Praxis der Besatzungsmfichte in Westdeutschland 1. Praxis hinsichtlich der Staatsangehdrigkeit Hier hat die alliierte Praxis innerhalb. Deutschlands einen anderen Weg beschritten als im Ausland. Wahrend die im Ausland lebenden Danziger als AngehOrige eines fortbestehenden Danziger Freistaates behandelt wurden, stimmen die Entscheidungen, weiche die Danziger innerhalb Westdeutschlands betreffen, grOBtenteils nicht mit dieser Auffassung iibereM. Trotz Anerkennung einer noch existierenden Danziger StaatsangehOrigkeit wurden die Danziger z. B. in der brititschen Besatzungszone Deutschlands wie deutsche StaatsangehOrige behandelt. Die Richtlinien hierffir wurden 1945 vom Foreign Office ausgegeben. Die Danziger Burger sollten danach in der Praxis zuna,chst wie deutsche StaatsangehOrige behandelt werden197. Diese Weisung bezieht sick, wie aus der in England geilbten Praxis -und weiteren Anordnungen ersichtlich ist, nur auf die in Deutschland lebenden. Danziger. So sagte eM Beamter der CCG 1946 198, daB Danziger deutschen Ursprungs, die in Deutschland lebten, verwaltungsmdBig nicht als Danziger angesehen wiirden. 192 Diese Mitteilung stammt von der Vertretung der Danziger, die von Herrn Kuttenkeuler persOnlich Nachricht erhielt. 193 Gerichtliche Beseheinigung der Camara Nacional de ler Tnstancia en los Civil Buenos Aires vom 15. 5. 1950 in Sadie VOlkers; nicht vertiffentlicht. 194 Vertrag vom 26. 8. 1952. BGB1. 1935 II, S. 19. 195 Diese Mitteilung erhielt der Verfasser von Dr. Sternfeld, der selbst an den Verhandlungen in der Schweiz teilgenommen hatte. 196 Schreiben der Schweizerischen Verrechnungsstelle, Abt. fiir die Liquidation deutseher Vermogenswerte vom 28. 10. 1952 and vom 9. 2. 1953; letzteres abgedruckt unten S. 182. 197 Schreiben einer UNRRA-Dienststelle vom 3.. 8. 1946; abgedruckt unten S. 179. 198 „Soldier", Juliheft 1946, S. 46; siehe oben Arn-nerkung 163. Die Rechtslage Danzigs und die westlichen Besatzungsmachte 59 In der britischen Zone, die das Hauptauffanggebiet fiir die ausgewiesenen Danziger war, sind eine ganze Reihe von ahnlich lautenden Entscheidungen ergangen. Nach einer Anordnung der britischen. Militarregierung vom 13. 3. 1946 1-9° wurden alle Personen, die nach deutschen Gesetz die deutsche StaatsangehOrigkeit besaBen, als Deutsche betrachtet, solange das Gesetz nicht aufgehoben war, wenn sie nicht einzeln durch die Regierungen anderer Lander als AngehOrige dieser Lander anerkannt warden. Es wurde weiter ausgefiihrt : Das Gesetz vom 1.9. 1939 sei nicht aufgehoben worden. Die Burger der Freien Stadt Danzig seien infolgedessen Deutsche und miiBten als solche behandelt werden, obwohl der Stichtag fur die Festsetzung der deutschen Staatsgrenzen der 31. 12. 1937 sei, Danzig also nicht dazu gehOre. Die Tatsache, daB nicht die Absicht bestand, das Gesetz vom 1. 9. 1939, soweit es die Verleihung der deutschen Staatsangehiirigkeit bewirkte, als ungiiltig anzusehen, wird in noch allgemeinerer Form aus einem Schreiben der Militarregierung Westfalen vom 25. 4. 1946 2°° erkennbar : Es sei im gegenwartigen Zeitpunkt nicht beabsichtigt, die „Nazi-Gesetze", durch die AngehOrige von gewissen Landern, die von Deutschland besetzt waren, gezwungenermaBen naturalisiert wurden, aufzuheben, es sei denn., es handele sich um Falk, in denen eine der Vereinten Nationen sich ausdriicklich zugunsten eines ihrer AngehOrigen verwende. Hervorgehoben zu werden verdient, daB man sich nicht mehr damit begniigte, die Danziger wie deutsche StaatsangehOrige zu behandeln, sondern sie als deutsche StaatsangehOrige bezeichnete. Das bedeutet in sofem ein Abweichen von der absol-uten Nichtanerkennung des Annexion.svorganges im Jahre 1939, als nunmehr zwischen. der vOlkerrechtlichen Ungiiltigkeit auf der einen und der innnerstaatlichen Wirksamkeit des rechtswidrigen Aruaexionsvorganges auf der anderen Seite unterschieden wird. Eine rechtliche Begriindung fur these auf den ersten Blick widerspruchsvon anmutende Regelung ist aus den Entscheidungen nicht zu ersehen. Es werden in erster Linie Erwagungen der ZweckrnaBigkeit zu diesem Ergebnis gefuhrt haben. 201 . Doch zeigen jene Entscheidungen einen Weg, der von zahireichen Autoren spater beschritten worden ist and der in Verbindung mit dem zweiten, jenen Anordnungen innewohnenden Gedanken zu dem fur die deutsche Verwaltungspraxis richtungweisenden BeschluB des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 28. 5. 1952 202 fiilarte. Es ist dies der Gedanke, daB Zwangseinbiirgerun.gen galtig sein kOnnen, wenn die Eingebiirgerten von ihrera alten Staat nicht in Anspruch genommen werden. 199 ABl. SchlET. 1946, S. 23. 200 Rascb.e, 1. Au& S. 52. 201 Dafiir spricht auch die Tatsache, daB die Danziger hinsichtlich versorgungsrechtlicher Fragen als Danziger StaatsangehOrige angesehen warden; vgl. unten S. 60. 202 BVerfG 1, 322. 60 Die Rechtslage 'Danzigs and die westlichen Besatzungsmetchte Im gleichen Sinne sind noch mehrere andere Entscheidungen ergangen, so z. B. durch die Landesmilitiarregierung Niedersachsen. 1948 2°3 und durch die britische Militarregierung Nordrhein-Westfalen vom 21. 4. 1949 204 und vom 6. 5. 1948 2°5. Auch die amerikanische Militarregierung soil sich im Marz 1947 in der gleichen Weise erklart habeas 2° °. 2. Praxis hinsichtlich Versorgungsfragen In einigen. Fallen ist zeitweise von der hier dargestellten Praxis abgewichen worden, and zwar durchweg in Fallen, in denen es sich darum handelte, Versorgungsanspriiche der eingewanderten Danziger befriedigen zu miissen. So ordnete die Militarregierung Nordrhein-Westfalen 1947 207 die Einstellung der Zahlung an verdrangte ehemalige Beamte bzw. Hinterbliebene der auslan.dischen Staaten an, die nach 1938 in das Deutsche Reich eingegliedert wurden. Zu Beginn des Jahres 1948 auBerte sie sich noch einmal im gleichen Sinn e w8, wobei sie Danzig diesmal ausdriicklich erwahnte. Den friiheren Beamten. des Freistaates Danzig — so wird ausgeführt — kOnnten z. Z. Pensionen aus deutschen Haushaltsraitteln nicht gezahlt werden, da die Pension eine Schuld des Staates Danzig sei. Die Einverleibung Danzigs in das Deutsche Reich sei von den Besatzungsmachten nicht anerkannt worden, es bestehe daher keine Verbindlichkeit, die Pensionen aus deutschen Offentlichen Mitteln zu bezahlen. Das gleiche Ergebnis enthalt eine Mitteilung der Public Expenditure Branch vom 2. 5. 1947 20° auf eine Anfrage des Zentralhaushaltsamtes der britischen Zone, die zur Folge hatte, daB einige Lander der Bundesrepublik ihre Zahlungen einstellten. Allmahlich wurden jedoch die Versorgungsanspriiche der Danziger in alien. Landern durchgesetzt 210. B. Sowjetunion und Polen I. Polen Genau wie die Westalliierten hatte auch Polen, dessen Rechte durch die Eingliederung erheblich beeintrachtigt wurden, die einseitige LOsung des Danzig-Problems 1939 nicht anerkannt. Bereits vor Ausbruch des Krieges 203 ErlaB des Niedersachsischen Ministers des Irmern vom 13. 1. 1949, abgedruckt in StAZ 1949 S. 44. 206 Abgedruckt unten S. 187. 2°1 Abgedruckt unten S. 187. 206 Weserkurier vom 4. 11. 1947. 207 Zit. naeh Erlal3 des Kultusrninisters des Landes Nordrhein-Westfalen vom 28. 11. 1947 II E 2/039 34 gen. Tgb. Nr. 1172 II E 4 (nicht veroffentlicht). 208 Zit. nach einem Schreiben des Regierungsprasidenten von Arnsberg vom 8. 3. 1948 (nicht verOffentlicht). 209 Aktz. HQ Finance Division HQ CCG (BE) FIN/22 059 (PE), zitiert nach Gillzow S. 4. 210 Vgl. Menzel, Danziger Staatsangehorigkeit S. 888. Die Rechtslage Danzigs und Polen 61 hatte die polnische Regierung mehrfach zum Ausdruck gebracht, daB sie eine deutsche Intervention in Danzig als Kriegsgrund ansehen wurde 211 . Die Politik der am 30. 9. 1939 in Paris gebildeten polnischen. Exilregierung war darauf gerichtet, die Eroberung Danzigs durch das Deutsche Reich riickgthigig zu machen 212. Einer der Hauptgrimde fur das im Kriegsverbrecher-ProzeB gegen den Prasidenten des Danziger Senats, Arthur Greiser, am 9. 7. 1946 von dem Polnischen. Obersten Gerichtshof gefallte Todesurteil war die verfassungsund vOlkerrechtswidrige Gesetzgebung, welche die Eingliederung am 1. 9. 1939 einleitete, and an. der Greiser maBgeblich beteiligt war 213. Auch das „Danziger Staatsoberhaupt" Forster wurde am 29. 4. 1948 in Danzig zum Tode verurteilt 214. Wenn Polen sich dennoch der These von der Fortexistenz des Freistaates nicht anschloB, so allein deshalb, weil es Danzig als polnisches Gebiet beanspruchte. Polen hatte seine Forderung, Danzig in die polnische Republik einzugliedern, in Versailles nicht durchsetzen kOrmen. Es versagte sp5,ter dem Danzig von 1920 die Anerkennung als Staat und VOlkerrechtssubjekt and vermied es im diplomatischen Verkehr und bei Vertragsverhandlungen deshalb auch bewuBt, vom Staate Danzig zu reden 216. Im Jahre 1945 wollte Polen seine alte Forderung endgiiltig realisieren und behauptete, mit der Annexion. Danzigs seinen berechtigten Anspruch befriedigt zu haben ; so wurde z. B. auch immer wieder von der „Riicklrehr" Danzigs gesprochen 216. Polen .hat infolgedessen die deutsche Bevolkerung Danzigs bis auf wenige Ausnahmen vom Erwerb der polnischen StaatsangehOrigkeit ausgeschlossen and sie, soweit sie nicht schon vorher miter dem Druck der eindringenden. Truppen das Land verlassen hatte, ausgewiesen. Eire Gesetz zur Aberkennung der polnischen Staatsangehiirigkeit, verbunden mit Ausbilrgerung, wie es am 13. 9. 1946 217 u. a. fiir die bis 1939 die polnische StaatsangehOrigkeit besitzenden Volksdeutschen der sogenannten „wiedergewonnenen Gebiete" erlassen wurde 218, war far die Danziger nicht erforderlich, da sie 211 Livre Jaune Francais S. 112, 210. 212 Vgl. die Rundfunkerklarung der polnisehen Exilregierung an das polnische Volk am 20. 12. 1939 (Deutsches Biiro fiir Friedensfragen, Osthandbuch, Heft 6 S. 12). 213 LR Vol. XIII, London 1949, case No. 74, S. 70. 214 IoP, Chronology of Events; nach. Auskunft des Deutschen Roten Kreuzes ist Forster kurz vor Weihnachten 1955 hingerichtet worden. 215 Vgl. Bode S. 3; in diesen Zusaramenh.ang gehort beispielsweise die Weigerung Polens, das Danzig-polnische Eisenbahntarifabkommen von 1924 zu ratifizieren. Der Hohe Kommissar des Völkerbundes MacDonell entschied am 7. 11. 1924 gegen Polen (EKV 1924, S. 58ff.); vgl. hierzu auch Mason S. 239. 216 Vgl. die Forderung auf eMer Konferenz der UPP in Moskau am 28. 6. 1943, zit.: Umiastowski S. 156; vgl. auch Skubiszewski S. 271. 217 Dz. U. 1946, Nr. 55, Pos. 310, abgedruckt bei Geilke, Das StaatsangehOrigkeitsrecht von Polen S. 106ff. 218 Vgl. unten S. 116f. 62 Die Rechtslage Danzigs und die Sowjetunion ohnehin die polnische Staatsangehiirigkeit nicht besessen hatten. Polen betrachtete sie als Deutsche and vies sie als deutsche StaatsangehOrige aus. Diese Bewertung liegt auch dem Enteignungsgesetz vom 8. 3. 1946 219 zugrunde, das auf Danziger und deutsche StaatsangehOrige in gleicher Weise Anwendung fand. Daneben wurden aber auch einige Danziger Einwohner polnischer StaatsangehOrigkeit durch das Dekret vom 22. 2. 1946 22° als „feindliche Elemente" aus der polnischen Gemeinschaft ausgeschlossen, bzw. als Verrater den Strafgerichten zugefiihrt 221. Die wenigen Danziger mit Danziger StaatsangehOrigkeit, die in Danzig bleiben durften, erwarben gratenteils zwangsweise 222 auf Grund eines Gesetzes, das den Erwerb der polnischen StaatsangehOrigkeit durch die Beviilkerung polnischen Ursprungs ermOglichte 223, die polnische StaatsangehOrigkeit. Seine Anspriiche sttitzt Polen einmal auf geschichtliche, politische und wirtschaftliche Gesichtspunkte 224. Es beruft sich ferner auf die im Potsdarner Abkommen getroffene Regelung, durch welche nach polnischer Auslegung Danzig Polen zugesprochen wurde. Die Unterstellung Danzigs unter die polnische Verwaltung sollte nach Auffassung Polens eine „endgiiltige LOsung" herbeifiihren. Polen miBt der Tatsache, daB in Ziffer IX des Potsdamer Abkommens, von der „friiheren Freien Stadt Danzig" die Rede 1st, entscheidende Bedeutung zu 225. II. Sowjetunion Im Gegensatz zu Polen billigte die Sowjetunion 1939 als Biindnispartner Deutschlands die Vereinigung Danzigs mit dem Deutschen Reich 226, bezog aber als Gegner Deutschlands spater eine andere Stellung 227. Heute erkennt sie die Einverleibung Danzigs durch Polen als endgiiltige LOsung an und stiitzt sich dabei wie Polen auf das Potsdamer Abkommen. Auch nach Ansicht der Sowjetunion — wie sie sich aus der Praxis ergibt — muB daher logischerweise die Freie Stadt Danzig als untergegangen betrachtet werden. Nach sowjetischer Ansicht besteht infolgedessen eine Danziger StaatsangehOrigkeit nicht mehr. 219 Dz. U. 1946, Nr. 13, Pos. 87. 225 RPL IV (1948), S. 11; vgl. Ges. vom 6. 5. 1945 (Dz. U. 1945, Nr. 17, Pos. 96). 221 Dekret vom 28. 6. 1946, zit.: RPL IV (1948) S. 11. 222 Vgl. Lippky S. 28. 223 Dekret vom 22. 10. 1947 (Dz. U. 1947, Nr. 65, Pos. 378). 224 Vgl. Deutsches Biiro far Friedensfragen, Auslandsstimmen S. 1, 8. 225 K1 afk o w sk i S. 75; zit. : Deutsches Biro fiir Friedensfragen, Heft 15, S. 23. 226 Vgl. Geheimes Zusatzprotokoll zum Nichtangriffsvertrag zwischen Deutschland und der Sowjetunion vom 23. 8. 1939; abgedruckt in EA 1947, S. 1043. 227 Vgl. IMG Bd. I, S. 242. Die Rechtslage Danzigs and das deutsche Schrifttum 63 Dritter Absehnitt Deutsche Stellungnahme In Deutschland hatters sich sowohl Wissenschaft als auch (in nosh starkerem MaBe) VerwaltungsbehOrden und Gesetzgeber mit den Problemen um die Rechtsstellung der Danziger nach 1945 auseinanderzusetzen. Dagegen sind deutsche Gerichte nur in wenigen. Fallen mit dieser Frage befaBt worden. A. Schrifttum L tbersicht Um die im Schrifttum vorhandenen unterschiedlichen Tendenzen klar hervortreten zu lassen, with der Darstellung ein Schema vorangestellt, das die verschiedenen BeurteilungsmOglichkeiten graphisch veranschaulicht (Tabelle I). Wie zu den einzelnen der im Schema aufgefiihrten Fragen von Tabelle Volkerrechtswidrigkeit der Eingliederung 1939 und 1945 1 Innerstaatliche Giiltigkeit der Eingliederung Ungiiltigkeit der Eingliederungen 1939 und 1945 1939 (nach deutschem Recht), Untergang des Staates, Erliischen der Danziger Staatsangehärigkeit, Erwerb der deutschen Staatsan gehOrigkeit Untergang des Staates, ErlOschen der Danziger Staatsangehorigkeit Staatenlosigkeit Deutsche Staatsangehorigkeit Nichterwerb der deutschen StaatsangehOrigkeit Nur Danziger Staatsangehorigkeit Erwerb der dentschen Staatsangehorigkeit Doppelstaatlichkeit Fortbestehen des Staates Fortbestehen der Danziger StaatsangehOrigkeit Verlust der Danziger StaatsangehOrigkeit Staa,tenlosigkeit Erwerb der deutschen Staatsangehorigkeit 64 Die Rechtslage Danzigs und das deutsche Schrifttum den verschiedenen Autoren Stellung genommen wird, laBt sich aus der Tabelle II (S. 65) ersehen. Man erkennt an dieser tThersicht, die noch nichts fiber die Begriindung der verschiedenen Ansichten aussagt, daB von einer „herrschenden Meinung" im deutschen Schrifttum keineswegs gesprochen werden kann. II. Innerstaatliche Giiltigkeit der Eingliederung 1939 (nach dentschem. Recht) Im einzelnen fiihren die in Tab. II zitierten Autoren folgendes aus: Bode 228 untersucht die irmerstaatlichen und vOlkerrechtlichen Gesichtspunkte. Die Verletzung des VOlkerrechts durch die deutschen MaBnahmen begriindet nach Bode lediglich Anspriiche der verletzten Staaten. Die innerstaatliche Wirksamkeit erklart Bode damit, daB er dem each einem Staatsstreich verfassungswidrig zustande gekommenen. Danziger Eingliederungsgesetz ureter dem Gesichtspunkt der „normativen Kraft des Faktischen" Rechtswirkung beimiBt. Infolgedessen halt er das deutsche Wieclervereinigungsgesetz fiir giiltig und nimmt den Untergang des Danziger Staates sowie das ErlOschen der Danziger Staatsangehi5rigkeit an. v. Mang old.t 228 schlieSt sich den Auffassungen Bodes an 23°. Eine ahnliche, in der Begriindung etwas andere Auffassung wird von Scheuner 231 vertreten. Er bezieht zur Rechtslage der Sudetendeutschen. eine Stellung, die er auch entsprechend fiir Danzig angewendet wissen will 232 : „Die Weigerung von Staaten, die Annektion anzuerkennen, macht sie aber nicht vOlkerrechtlich unwirksam. Die Einbeziehung der sudetendeutschen Gebiete war v51kerrechtlich wirksam und wird auch kunftig durch einen Friedensvertrag ausdriicklieh rackgangig gemacht werden miissen. Nach der allgemein anerkannten Norm aber ist die Frage, ob jemand die Staatsangeharigkeit eines Staates besitzt, nach dem Recht dieses Staates zu beurteilen . . . Die Tatsache, daB einzelne Lander diese Eingliederung nicht anerkennen, beriihrt die innerstaatliche Gesetzgebung nicht and Rix die deutschen BehOrden 1st diese auch b.eute nocb. maBgebend." Die entsprechenden StaatsangehOrigkeitsvorschriften, so fahrt Scheuner fort, seien als fortgeltendes Reichsrecht zu behandeln. Die Sudetendeutschen — also nach den Ausfiihrungen Scheuners auch die Danziger seien deutsche StaatsangehOrige. 229 A. a. O. A.a.0. S. 16ff. Die Berufung auf die „Normative Kraft des Faktischen" wurde unter anderem von Volkmann (in: A.u13erungen. zum Rechtsgutachten von Bode vom 30. 7. 1948 und 11. 12. 1948) mit der Begri,indung angegriffen, daB die Zeit far die Schaffung wirksamen neuen Rechtes zu kurz gewesen sei. 231 A.a.O. S. 5ff. 232 Scheuner a.a.O. S. 6f. 228 238 Die Rechtslage Danzigs und das deutsche Schrifttum 65 Tabelle II Stellungnahme deutscher Autoren Beurteilung 1. 2. a) aa) Schriftsteller Innerstaatliche Giiltigkeit der Eingliederung 1939 Untergang des Danziger Staates Erloschen der Danziger StaatsangehOrigkeit Erwerb der deutschen Staatsangeheirigkeit Bode, v. Mangoldt, Scheuner Ungiiltigkeit der Eingliederungen 1939 und 1945 Untergang des Danziger Staates ErlOschen der Danziger Staatsangehorigkeit Staatenlosigkeit Crusen, IL-J. -.1-61. -ek bb) Deutsche Staatsangehorigkeit Makarov, Schätzel Lichter, Mehnert-Sehulte, Menzel b) Deutsche StaatsangehOrigkeit, ohne Entscheidung der Frage, ob der Danziger Staat noch besteht e) Fortbestehen des Danziger Staates Deutsches Biiro fur Friedensfragen, Hahn Doppelstaatlichkeit MaBfeller aa) bb) Danziger StaatsangehOrigkeit Nichterwerb der deutschen Staatsangehorigkeit Kaufmann, Laun, Mattern, Mrose Bode, Rechtsgutachten S. 16ff.; Crusen, Anmerkung zura Urteil — 2 R 7/49 — des LG Tubingen vom 2. 3. 1949, DRZ 49, 499; Deutsches Bart) fur Friedensfragen, Osthandbuch. Heft 15, S. 23f.; Hahn. Z. ausl. Off. R. u. V. R. Bd. 14 (1951), S. 261 Anm. 4. Jellinek, H.-J., S. 213f.; Kaufmann, Der rechtliche Status der Freien Stadt Danzig S. 5; Laun, Rechtsgutachten zur rechtlichen Lage Danzigs; Lichter, 2. Aufl. S. 216f.; Makarov, JZ 1952, 405; v. Mangoldt, Schreiben vom 27. 11. 1948 an den Senat der Hansestadt Hamburg (nicht vereiffentlieht); Mat3feller, 2. Aufl. S. 314; vgl. auch 1. Aufl. S. 215; Mattern S. 57f.; Mehnert-Schulte S. 201f.; Menzel, Bonner Kommentar Art. 116, S. 21f.; Mrose S. 37, 87ff.; Schatzel, Der heutige Stand S. 302ff.; Staatsangehorigkeit S. 560f.; Scheuner, StaatsangehOrigk-eit und Lastenausgleich S. 5f. 5 7467 BOttcher, Danzig 66 Staatsangehikigkeit der Danziger III. Ungtiltigkeit der Eingliederungen 1939 und 1945 1. Deutsche StaatsangehOrigkeit Mehrere Autoren, die der Ansicht sind, die Eingliederung Danzigs in das Deutsche Reich sei nichtig, sind dennoch der Auffassung, die Verleihung der deutschen. StaatsangehOrigkeit an die Danziger WohnbevOlkerung sei wirksam. Es zeichnet sich in dieser). Stellungnahmen eine Entwicklung ab, die mit der bereits erwahnten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. 5. 1952 233 und im 1. Gesetz zur Regelung von Fragen der StaatsangehOrigkeit ihren. Niederschlag gefunden hat. S ch a t z el 234, der die Frage des Fortbestehens Danzigs sehr vorsichtig anspricht, entscheidet sich im Grunde wohl far den Untergang des Freistaates. Er fiihrt aus, die Annahme des Weiterbestehens eines Danziger Staates wegen. Nichtanerkennung der Annexion erscheine heute doch sehr stark als eine Fiktion. Er statzt jedoch seine Ansicht zu Unrecht auf die Annahme, „daB Danzig z. Z. von keinem Staate als latent existent anerkannt" werde; denn Danzig wind, im zweiten Abschnitt bereits ausgefahrt, von verschiedenen Machten noch heute als Staat angesehen, wenn auch eingeraumt werden muB, daB diese Anerkennung uberwiegend theoretisch ist. Bemerkenswert ist, daB S c h at z el sich in der Staatsangehorigkeitsfrage auf eine Bindung des deutschen Staates an seine StaatsangehOrigkeitsregelung, also auf den Rechtsgrundsatz des Verbotes des venire contra factum proprium stiitzt, indem er (allerdings an anderer Stelle) ausfiihrt, wenn. Personen sich in Deutschland auf ihre durch Annexion verliehene deutsche StaatsangehOrigkeit beriefen, gebe es keine rechtliche MOglichkeit, ihnen die Behandlung als Deutscher zu verweigern. 235. Er halt zwar prinzipiell Doppelstaatlichkeit im Falle Danzig far mOglich, zweifelt jedoch andererseits ebenso wie am Weiterbestehen Danzigs auch an der Existenz einer Danziger Staatsan.gehOrigkeit. Auch Men z el, der die Frage des Weiterbestehens des Danziger Staates und der Danziger Staatsangehärigkeit offen laBt, halt den deutschen Staat fiir verpflichtet, die mit der Wiedervereinigung verbundene StaatsangehOrigkeitsverleihung anzuerkennen: die Bundesrepublik Deutschland, die sich als mit dem deutschen Reich identisch oder teil-identisch betrachte, kiinne sich nicht auf die vOlkerrechtliche Unwirksamkeit des Eingliederungsaktes berufen and sei insofern an die einmal verliehene StaatsangehOrigkeit gebunden, falls der davon betroffene Personenkreis daran festzuhalten wansche 236. Ahnlich auBert sich Li chter 237. Er haft die Verleihung der 233 BVerfG 1, 322; vgl. oben S. 59. 23.5 234 Der heutige Stand a. a. 0. S. 302ff. S. 297. 236 Bonner Kommentar Art. 116, S. 22; vgl. auch MaB fell er , 2. S. 314 und die amtliehe Begriindung =xi Entwurf des 1. StARegG (abgedruckt: MaBfeller, 2. Aufl. S. 368ff.). 237 2. Aufl. S. 216f. StaatsangehOrigkeit der Danziger 67 deutschen StaatsangehOrigkeit fiir unwirksam, da sie wahrend einer occupatio bellica erfolgt sei. Er meint aber, es erscheine durchaus vertretbar, den kollektiv eingebiirgerten Danzigern die deutsche StaatsangehOrigkeit nicht vorzuenthalten, solange keine vOlkerrechtlich handlungsfahige Danziger Regierung existiere, welche die Danziger in Anspruch nehmen kOnne. Makar o v 238 enthalt sick einer klaren Entscheidung: Ein staatliches Gebilde bestehe faktisch nicht, auch gabe es keinen rechtlich anerkannten Rechtsnachfolger der Freien Stadt Danzig. Das Weiterbestehen der Danziger Staatsangehiirigkeit sei eine Fiktion. Falls man sie verwerfe, wiirde man die ehemaligen Danziger als deutsche StaatsangehOrige betrachten miissen. Ma B feller 239 griindet seinen Standpunkt auf die Entscheidung des BVerfG. Er ist der Ansicht, die Verleihung der deutschen StaatsangehOrigkeit am 1. 9. 1939 sei rechtswirksam. Die ehemaligen Danziger StaatsangehOrigen, die ihren Wohnsitz in Deutschland batten, seien weiterhin als deutsche StaatsangehOrige zu behandeln, wean sie seit dem Zusammenbruch im Jahre 1945 standig den Willen bekundet hatten, als deutsche StaatsangehOrige behandelt zu werden. In der 2. Auflage seines Buches 24° vertritt er dariiber hinaus die Auffassung, die Danziger StaatsangehOrigkeit sei nicht erloschen, die Danziger seien zur Zeit also Doppelstaatler. Der Gedanke der innerstaatlichen Giiltigkeit der deutschen Staatsan.gehOrigkeitsregelung kommt augenscheinlich ebenfalls bei M ehnert S chult e 241 zum Ausdruck, die hinsichtlich der Danziger, Memellander, Sudetendeutschen usw. ausfiihren: „Was den Erwerb der deutschen Staatsangehärigkeit . durch die Annexion gewisser Gebiete anlangt, so ist die RechtsbestAndigkeit dieser Manahmen nach innerdeutschem Recht nicht ohne weiteres deshalb zu bezweifeln, weil diese Akte zeitweise die Anerkennung fremder Staaten nicht gefunden haben.‘‘ 2. Staatenlosigkeit Nach Ft-J. Jellinek 242 erfolgte die Eingliederung am 1. 9. 1939 im Rahmen einer occupatio bellica 243, muBte deshalb als absolut unwirksam angesehen werden und konnte auch nicht den Wechsel der Staatsangehorigkeit der Bewohner Danzigs bewirken. Obwohl nach seiner Ansicht Danzig aber auch kein Teil Polens geworden sei, da eine Friedensregelung noch fehle und die polnischen MaBnahmen nicht anerkannt worden seien, masse trotzdem die Existenz Danzigs verneint werden. Es fehle an einer Regierung, auch sei die Danziger BevOlkerun.g nicht mehr in Danzig. Die Bemerkung Jellineks, daB Danzig auch von keinem anderen Staat als latent weiter299 1. Aufl. S. 215. A.a.0. S. 405. A.a.0. S. 314 241 A. a. O. S. 261f. 242 A.a.0. S. 213f. 243 So auch Moritz, Gerichtsbarkeit S. 7f.; ders., Die deutsche Besatzungsgerichtsbarkeit S. 47ff. 238 240 5* 68 Staatsangehorigkeit der Danziger bestehend angesehen werde, laBt sich jedoch anzweifeln, wie bereits oben ausgefiihrt wurde. Im Ergebnis sieht Jellinek die Danziger als Staatenlose an. Die kollektive Verleihung der deutschen StaatsangehOrigkeit verstaBe gegen die Regeln der „occupatio bellica" un.d sei daher absolut unwirksam, falls nicht Einzeleinbiirgerung erfolgte. Er sehlieSt sich damit dem Urteil des Landgerichts TObingen vom 2. 3. 1949 244 an. 3. Danziger Staatsangehorigkeit Es werden aber auch andere Konsequenzen aus der Ungifitigkeit der Ein.gliederungen. Danzigs in den Jahren 1939 und 1945 gezogen. Einige im deutschen Schrifttum maBgebende Autoren unterstiitzen den Rechtsstan.dpunkt der Danziger: Laun 245 stellt einen Vergleich zu Osterreich an. Auf die ihm vorgelegten Fragen, ob Danzig als viilkerrechtliches Rechtssubjekt derzeit noch bestehe, oh es demgemaB noch eine Danziger StaatsangehOrigkeit gebe und ob die Freie Stadt Danzig einen Anspruch auf die Wiederherstellung ihrer vOlkerrechtlichen Vorkriegsstellung habe, antwortet er: „Nach meiner Rechtsiiberzeugung sired diese drei Fragen zu bejahen, wenn man dasjenige, was die alliierten 1Viaclate auf dem Gebiet des ehemaligen GroBdeutschen Reiches verfiigt haben, als positives geltendes Välkerrecht voraussetzt. Denn nach dem von diesen 1115,chten selbst geschaffenen Recht treffen dieselben Griinde, welche zu der Anerkennung gefiihrt haben, daB Osterreich noch immer dasselbe Rechtssubjekt und nicht untergegangen ist, ebenso fiir Danzig zu. Wenxt dieses zutrifft, muB es auch die StaatsangehOrigkeit in beiden Staaten umfassen. So gut die Osterreicher nicht als Staatsangehorige des restlichen deutschen Reiches gelten, so gut miissen auch die Danziger ihre friihere Staatsangehorigkeit behalten haben." Die Danziger StaatsangehOrigkeit steht nach Ansicht Launs denjenigen zu, die vor dem zweiten Weltkrieg Danziger Staatsangehiirige waren. Eire Vergleich zwischen Osterreich und Danzig erscheint jedoch in Anbetracht der Verschiedenheit der Voraussetzungen bedenklich. Die Ansicht, daB wahrend der ZugehOrigkeit Osterreichs zum Deutschen. Reich 1938 bis 1945 eine Osterreichische StaatsangehOrigkeit fortbestan.den habe, ist iiberwiegend abgelehnt worden 246. Fur die Danziger fragt es sich aber gerade, ob trotz deutscher, sowjetischer und polnischer Besetzung ihre Staats244 DRZ 49, 499: Polen sehe den Freistaat als nicht mehr bestehend an, wodurch die Danziger heute staatenlos seien. Hahn a. a. 0. greift diese Begriindung an: „. . . Anscheinend betrachtet sich das Gericht als an polnische Rechtsauffassungen gebunden." 245 A. a. 0. 246 BM-1Z 3, 197; OVG Berlin, 13. 5. 1953, DVB1. 53, 665; Wiirtt.-Bad. Verwaltungsgerichtshof, 12. 2. 1954, DVB1. 54, 253; Bundesverwaltungsgericht, 29. 10. 1954, StAZ 1955 S. 8. Die Danziger und die V erwaltungspraxis 69 angehOrigkeit noch fortbesteht. Kaufmann verweist in seinem Gutaehten 247 auf die amtlich kundgetane Ansicht der Alliierten, die Eingliederungen von 1939 und 1945 nicht anzuerkennen. Er halt die Gesamteinbtirgerung der Danziger 1939 durch Deutschland fiir unwirksam. Zum gleichen Ergebnis gelangen Mr ose 248 und Ma t t e rn 249 sowie der V. Senat des Obersten Finanzgerichtshofes in Bayern in seinem Rechtsgutachten. vom 5. 4. 1946 25°. Das Deutsche BUrc, far Friedensfragen in Stuttgart hat fiber die vOlkerrechtliche Lage Danzigs berichtet 251, ohne selbst die eine oder andere Ansicht zu vertreten. Es geht davon aus, daB die Einverleibung 1939 die Anerkennung der Machte nicht gefunden habe. Es untersucht darn die Abmachungen im Potsdamer Abkommen hinsichtlich Danzigs und kommt zu dem Ergebnis, daB an dem Status Danzigs durch die Vereinbarungen der Alliierten nichts geandert worden sei 252. B. Die Praxis in Verwaltung, Gesetzgebung und Rechtsprechung Wahrend nach 1945 zunachst noch die Weisungen der Besatzungsmachte befolgt warden und demgemaB zwischen. den Landern Unterschiede bestanden, bildete sich seit Errichtung der Bundesrepublik allmahlich eine einheitliche Praxis in Bund und Landern. Es waren vor allem zwei Probleme, die hierbei im Vordergrund standen : Versorgungsrechtliche Fragen und StaatsangehOrigkeitsfragen. I. Praxis hinsiehtlich versorgungsrechtlieher Fragen In den ersten Nachkriegsjahren wurden die Danziger auf Grand entsprechender Anweisungen der Militarregierungen versorgungsrechtlicb nicht als Deutsche angesehen, d. h. ehemalige Danziger Beamte (oder deren Nin terbliebene) erhielten keine Pensionen. Aus der Fiille der gesammelten Entscheidungen seien einige kermzeichnende Beispiele genannt : Der Oberprasident der Provinz Schleswig-Holstein teilte durch RunderlaB vom 23. 1. 1946 253 mit, daB an Versorgungsberechtigte, die im Dienste der friiheren Freien Stadt Danzig und im ehemaligen Memelgebiet tatig gewesen seien, keine Zahlung von Pensionen erfolgen ark. Eine Klarung masse spaterer zentraler Regelung vorbehalten bleiben. Durch RunderlaB 24° A.a.O. S. 37; 87ff. 247 A. a. O. S. 5f. 23 ° J1R 13d. 1, S. 193 (1948). "9 A.a.O. S. 57f. 231 A.a.0. S. 23f. 232 Vgl. auch Hahn 5.261 Anm. 4, der offenbar den gleichen Rechtsstandpunkt einnimmt. 253 Amt fi_ir Inneres, Az. S. F. 4 (nicht verOffentlieht). 70 Die Danziger und die Verwaltan,gepraxis der gleichen BelaOrde vom 6. 4. 1946 254 warden dann die Anspriiche der Danziger beracksichtigt, aber der Tnnenminister des Landes SchleswigHolstein schrankte durch Erlasse vom 15. 12. 1947 255 und vom 4. 2. 1949 256 die Recite der Danziger Versorgungsberechtigten wieder ein. Nach diesen. letzteren Erlassen konnten ehemalige Beamte der Freien Stadt Danzig Versorgungsbezage nur soweit erhalten, als ein Anspruch nach deutschem Recht (also erst nach dem 1. 9. 1939) erworben war. Der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen gab durch ErlaB vom 26. 10. 1947 257 bekannt, d.a13 es gemaB den Anordnungen der IVIilitarregierungen nicht mehr mOglich sei, Vorschasse an zugewanderte Beamte und Hinterbliebene aus auBerdeutschen. Gebieten zu zahlen, die vor 1938 nicht zum Altreich gehärten. Die gleiche Regelung traf en der ErlaB des Kultusministers von Nordrhein-Westfalen vom 28. 11. 1947 258 und der ErlaB des Finanzministers dortselbst vom 18. 5. 1948 258 . Zur Begrandung wurde auf die Finanztechnische Anweisung Nr. 88 vom 18. 11. 1946 der Militarregierung fur die britische Besatzungszone hingewiesen. 260. Fiir Niedersachsen wurde durch ErlaB des Finanzministers vom 17. 6. 1948 261 die gleiche Anordnung getroffen: Nach einer Entscheidung der Militarregierung diirften an verdrangte Versorgungsberechtigte fremder Staaten, die wahrend des Krieges dem Reich eM- oder angegliedert worden sind, Versorgungsbezage (Vorsch-asse) nicht gezahlt werden, wenn die Beamten auBerhalb der vOlkerrechtlich anerkannten Grenzen des Deutschen Belches beschaftigt waren und somit keine Versorgungsansprache nach deutschem Recht batten. Insbesondere hin.sichtlich der Versorgungsbeziige der friiheren Beamten der Freien. Stadt Danzig gehe die Militarregierung davon aus, daB die Einverleibung Danzigs in das Deutsche Reich von den Besatzungsmachten nicht anerkannt sei. Eine Versorgung aus deutschen Offentlichen Mitteln kiinne daher nicht gewahrt werden. Da jedoch eine Friedensregelung immer mehr hinausgeschoben wurde, fiir die Danziger wie auch far andere Flachtlinge aber irgendeine praktische Regelung getroffen werden muBte, setzte sich allmahlich (in Flachtlingsgesetzen und Verwaltungsanordnungen) der Gedanke der Gleichstellung mit den deutschen StaatsangehOrigen durch, der dann in Art. 116 GG seine endgiiltige Fassung erhielt. 254 Amt fiir Inneres, 1/II P. 13 10 (nicht verOffentlicht). 255 AB1. Schl.-II. 1948 S. 3. 256 I 5/1850 d 353/49 (nicht verOffentlicht). 257 B 3035-22429—IV (nicht verafentlicht). 258 II E 2/039 34 gen. Tgb. Nr. 1172 II E 4 (nicht verOffentlicht). 258 Zit. in einem Schreiben des Regierungsprasidenten von Arnsberg vom 15. 6. 1948 (nicht verOffentlicht). 260 Vgl. auch den Erla13 des Ministers des Innern vom 24. 5. 1948 (II A—I/ 25-52 — nicht verOffentlich.t). 261 Abt. I/5-20535c — (nicht verOffentlicht). Die Danziger und die Verwaltungspraxis 71 II. Praxis hinsichtlieh der Staatsangehiirigkeit 1. Praxis in der britischen und franzi5sischen, Besatzungszone (Deutsche StaatsangehOrigkeit) Die Frage each der StaatsangehOrigkeit der Danziger wurde meist unabhangig von den oben geschilderten VerwaltungsmaBnahmen auf dem Gebiet des Versorgungsrechts beurteilt. Hier ist festzustellen, daB die Lander der britischen und der franzOsischen Besatzungszone — mit Ausnahme Hamburgs — den Richtlinien der Besatzungsmacht folgend, den Erwerb der deutschen StaatsangehOrigkeit 1939 fiir galtig hielten. In den Landern der amerikanischen Besatzungszone sowie in Hamburg wurden die Danziger — der Praxis der USA von der absoluten Niehtanerkennung von Annexionshan.dlungen entsprechend dagegen als Danziger StaatsangehOrige angesehen. Fiir Schleswig-Holstein war die bereits zitierte Anordnung der Militarregierung vom 13. 3. 1946 maBgebend 262. Der Oberprasident der Nordrhein.Provinz gab in einem ErlaB vom 10. 4. 1946 263 bekannt, daB alle Personen, die die deutsche Staatsangehtirigkeit durch ein deutsches Gesetz erlangt hatters,' als Deutsche angesehen warden, solange dieses Gesetz nicht fiir ungfiltig erklart wiirde. Nach einem Schreiben des Oberprasidenten. von Niedersachsen vom 11. 6. 1946 264 Ziff. 1 b galten die Danziger als deutsche StaatsangehOrige. Durch Erlasse des Ministers des Innern des Landes Niedersachsen vom 13. 1. 1949 265 und 14. 6. 1949 266 wurde im Einvernehmen mit der Landesmilitarregierung erklart, daB das Gesetz vom 1. 9. 1939 nicht aufgehoben sei, und daB die Danziger daher die deutsche StaatsangehOrigkeit hatten. Auch in den Landern der franassischen Besatzungszone 267 und in Westberlin 268 warden die Danziger in der Praxis der jeweiligen StaatsangehOrigkeitsressorts als deutsche Staatsangehorige behandelt. 2. Praxis in der amerikanischen Besatzungszone (Danziger Staatsangehorigkeit) In den Landern der amerikanischen. Besatzungszone war die Sitzung des Landerratsaussehusses fiir staats- und verwaltungsrechtliche Fragen am 14./15. 12. 1948 in Stuttgart richtungweisend 269. Hier wurde ausgefiihrt : 263 Abgedruckt unten S. 188. 262 ABl. Schl-H 1946 S. 23. 264 Mrose S. 99. 265 1/4 Nr. 7544; StAZ 1949 S. 44. 266 Auszugsweise abgedruckt bei MaB feller S. 167. 268 1V1rose S. 99. 267 StAZ 1949 S. 59. 269 StAZ 1949 S. 59. Laut Brief von Ministerialrat Dr. Arndt vom 2. 9. 1948 an die Forschungsstelle fiir Viilkerrecht und auslandisehes Offentliches Recht der Universittit Hamburg hatte der AusschuB scion einmal am 22. 4. 1947 in 72 Die Danziger und die Verwaltung8praxi8 Der Danziger Staat sei nicht untergegangen. Personen, die am 1. 9. 1939 die Danziger StaatsangehOrigkeit besaBen, seien weiterhin Danziger StaatsangehOrige. Da die Besetzung Danzig& eine militarische Okkupation wahrend des Krieges ohne die Folgen des vOlkerrechtlichen Gebietsiiberganges gewesen sei, hatten die Danziger die deutsche StaatsangehOrigkeit nicht erworben27°. Auf these Entscheidung berief sich der Minister des Tnnern von Hessen in seinem ErlaB vom 18. 2. 1949 271. Nach diesem konnte in Kennkarten usw. als StaatsangehOrigkeit „Danzig" eingetragen werden. Der Senat der Hansestadt Hamburg hatte sich dem Standpunkt des Landerratsausschusses vom Dezember 1948 angeschlossen und sah Danzig und die Danziger Staatsangehärigkeit als noch bestehend an 272. Auch der Timenminister des Landes Wurttemberg-Baden gab durch ErlaB vom 6. 9. 1948 273, also schon vor der Stuttgarter Sitzung des Siiddeutschen Landerrats, bekannt, daB bis zur allgemeinen gesetzlichen Regelung der deutschen Grenzfragen. der Erwerb der deutschen StaatsangehOrigkeit auf Grund der deutschen Gesetzgebung seit 1938 nicht als rechtswirksam angesehen werde. Die gleiche Auffassung liegt dem Schreiben der Bayerischen Staatskanzlei vom 15. 9. 1948 274 zugrunde, in dem ausgefUhrt wird, Bayern erkenne die Annexionsakte des Deutschen Reiches seit dem 31. 12. 1937 nicht an und erklare sie fiir null und nichtig 275. Diese Auffassung fand spater in. den sogenannten Tubinger BeschlUssen vom Herbst 1951 276 ihren allgemeineren Niederschlag und werde auch vom Auswartigen Amt 277 vertreten. einer Referentenbesprechung zu dieser Frage Stellung genomxnen und war zu dem provisorischen Ergebnis gekommen, daB der Danziger Staat untergegangen sei und die Danziger staatenlos seien (vgl. auch LG Tubingen, DRZ 49, 499, sowie das unten auf S. 188 abgedruckte Schreiben des hessischen Innenministers vom 18. 2. 1949). 270 auch Rechtsgutachten des Obersten Finanzgerichtshofes in Bayern, vom 5. 4. 1946, JIR Bd. 1, S. 193 (1948). 271 I-lb 12-21, abgedruckt unten S. 188. 272 Mrose S. 100. DaB Hamburg den Erwerb der deutschen. Staatsangehorigkeit nicht anerkannte, kommt in dem ErlaB des Senats (Rechtsamt, Aufsicht caber die Standestimter) vom 5. 8. 1950 zum Ausdruck (StAZ 1951 S. 53). 273 Mrose S. 101. 274 Seidl-Hohen.veldern S. 323. 275 Vgl. auch. das Rundsch.reiben des Arbeitsausschusses der MUnchener Kreditinstitute Nr. 21/45 vom 14. 11. 1945 (nicht veroffentlicht), in dem ausgefiihrt wird, daB „Danziger StaatsangehOrige, die sich seit langerer Zeit im Altreich aufhalten . ., nicht auf Grund des Artikels Ib des Gesetzes Nr. 52 .. . blockiert (sind)", da „der frahere Freistaat Danzig . . . mange's auBenpolitiseher Selbstandigkeit nicht als solcher im Krieg mit den Vereinten Nationen (stand)." 276 1VIaBfeller, 2. Aufi. S. 200. 277 Schreiben des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland in London vom 14. 9. 1951 (nicht verOffentlicht), abgedruckt unten S. 183. Das Bundesverfassungsgericht and die Sammeleinbargerungen 73 3. Vereinheitlichung der Praxis (Deutsche Staatsangehiirigkeit) Die Ansicht von der Ungiiltigkeit der Kollektiv-Einb-iirgerungen, die auf Grund vOlkerrechtswidriger Annexionen erlassen waren, konnte sich nicht durchsetzen. In der bereits zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Sache Czastka vom 28. 5. 1952 278 wird u. a. ausgefiihrt: „Aus der Unwirksamkeit der Annexion dureh das Deutsche Reich seit dem 1. 1. 1938 kann . . . auf Grund der gesamten Umstande nicht die Folgerung gezogen werden, daB alle mit den Annexionen zusamnaenhangenden Zwangsverleib.ungen deutseher Staatsangehiirigkeit als nichtig zu betrachten seien." Die n&here Abgrenzung erfolgt dann in positiver Form: „Die Festsetzung des Stich.tages vom 31. 12. 1937 kann daher enter Beriicksichtigung der Anspriiche der fremden Staaten nur in dem Sinn verstanden werden, daB alle mit Annexionen each diesem Datum verbundenen Zwangseinbilirgerungen als unwirksam zu betrachten sind, soweit die betreffenden Personen von den Staaten, deren Gebiet annektiert wurde, als ihre StaatsangehOrigen in Anspruch genommen werden. . . . 1st dies nicht der Fall, dann besteht auch nach deutschem Recht jedenfalls kein AnlaB, die betreffenden Personen als Nicht-Deutsche dann zu betrachten, wenn der zwangsweise Eingebiirgerte seit dem Zusamraenbruch im Jahre 1945 standig den Willen bekundet hat, als deutscher Staatsangehbriger behandelt zu werden." Das Bundesverfassungsgericht entschied Kier lediglich, ob eM ehemaliger tschechoslowakischer StaatsangehOriger deutsehen Volkstums, der durch die tschechischen MaBnahmen aus seiner Heiraat each Deutschland ausgewiesen wurde, auf Grund der deutschen. „Protektorats"- Gesetzgebung die deutsche StaatsangehOrigkeit besitzt. In der Begriindung wird das Danzig-Problem nicht erwahnt. Das Bundesinnenministerium hat sich aber die allgemeinen, vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsatze zu eigen gemacht and sie als bindend fur die Behtirden angesehen. Der Bundesminister des Tnnern hat infolgedessen mit einem RunderlaB vom 7. 6. 1952 279 an die Lander der Bundesrepublik allgemeine Richtlinien iiber die Behandlung der seit 1938 durch Kollektiveinbiirgerungen zu deutsehen StaatsangehOrigen erklarten Personen gegeben. Er hat die im BeschluB des Bundesverfassun.gsgerichts enthaltene Begriindung referiert and die Entscheidung u. a. auch auf die in Westdeutschland wohnenden Danziger bezogen, wobei die Frage offen bleibt, ob die Danziger StaatsangehOrigkeit als erloschen zu betrachten. sei. Mit dem BeschluB des Bundesverfassungsgerichts, in Verbindung mit dem RunderlaB, ist der Weg fur eine Vereinheitlichung der Verwaltungs278 BVerfG 1, 322, 330, 331; vgl. oben S. 59 and auch die im Falle Rubesch ergangene Entscheidung des BVerfG vom 12. 12. 1952 (BVerfG 2, 98). 279 1429 A — 510/52; abgedruckt bei MaBfeller, 1. Aufl. S. 284. 74 Staatsangeheirigkeitsregelurugagesetz praxis auf dieser°. Gebiet gewiesen worden, wobei allerdings die Frage zu beantworten bleibt, ob eine solche vom Bundesminister des Innern geiibte Verallgemeinerung dem Wortlaut und Inhalt der Entscheidung des Bundesverfassungsgeriehts entspricht 28°. Die Verwaltungspraxis der Lander hat sich diesen neuen. Richtlinien angeschlossen 281. Auch das Auswartige Amt hat angesichts dieser Entwicklung seine Stellungnahme von 1951 einer Revision unterzogen und sich, wenn auch z-imachst zOgernd 282, schlieBlich zu der Auffassung des Bundesministers des Innern bekannt 283. Um eine endgiiltige Regelung herbeizuf-iihren, hat das Bundesministerium des Innern einen Gesetzesentwurf zur Regelung von Fragen der StaatsangehOrigkeit ausgearbeitet und ihn. im Friihjahr 1953 dem Bundesrat zur Stellungnahme vorgelegt. Das Gesetz wurde am 21. 10. 1954 vom neuen Bundestag verabschiedet. Da er verschiedene wesentliche Anderungsvorschlage des Bundesrates verworfen hatte, wurde gemaB Art. 77 Abs. 2 GG der VermittlungsausschuB angerufen. Bundestag and Bundesrat erteilten. dem Vermittlungsvorschlag ihre Zustimmung 284. Das Gesetz ist am 26. 2. 1955 in Kraft getreten 288. Soweit die Gesetzesbestimmungen fur die vorliegende Arbeit von Bedeutung sind, worden sie in folgenden wiedergegeben : ,§ 1 (1) Die deutschen VolkszugehOrigen, denen die deutsche StaatsangehOrigkeit auf Grund folgender Bestimmungen verliehen worden ist: a). . . b) . . . c) . . . d) Verordnung fiber die deutsche Volksliste und die deutsche StaatsangehOrigkeit in den eingegliederten Ostgebieten vom 4. 1Viarz 1941 (RGB1. I S. 118) in der Fassung der 2. Verordnung fiber die deutsche Volksliste und die deutsche StaatsangehOrigkeit in den eingegliederten Ostgebieten vom 31. Januar 1942 (RGB1. I S. 51). e) . . . f) . . . 280 Vgl. hierzu die Ausfiihrungen auf S. 162ff. 281 Vgl. RunderlaI3 des schleswig-holsteinischen Ministers des Innern vom 12. 8. 1952 (StAZ 1952, S. 256); ErlaB des Senats der Hansestadt Hamburg, (Rechtsamt, Aufsicht fiber die Standesamter) vom 11. 8. 1952 (StAZ 1952 S. 203) ; RunderlaB des hessischen Ministers des Innern vom 2. 7. 1952 (StAZ 1952, S. 226); ErlaB des Innenministeriums von Baden-Wurttemberg vom 26. 6. 1953 (StAZ 1952, S. 174); EntschlieBung des bayerischen Staatsministers des Innern vom 17. 7. 1952 (StAZ 1953, S. 35). 282 Vgl. RunderlaB des Auswartigen. Amtes vom 2. 3. 1953 zum PaBgesetz ; abgedruckt unten. S. 186. 283 Sehreiben des Auswartigen Amtes vom 28. 7. 1953 an die Forschungsstelle fur VOlkerrecht -und auslandisches Offentliches Becht der Universitat Hamburg; abgedruckt unten S. 185. 284 Vgl. hierzu Gundrum, StAZ 1955 S. 77. 285 Gesetz zur Regelung von Fragen der StaatsangehOrigkeit vom 22. 2. 1955 (1. StARegG), BGB1. I S. 65. Staatsangehdrigkeitsregelungsgesetz 75 sired nach. MaBgabe der genannten Bestimmungen deutsche StaatsangehOrige geworden, es sei denn, daB sie die deutsche StaatsangehOrigkeit durch ausdriickliche Erklarung ausgeschlagen haben oder noch ausschlagen 286. (2) Dasselbe gilt far die Ehefrau und die Kinder eines Ausschlagungsberechtigten, soweit sie nach. deutschem Becht ihre Staatsangehorigkeit von ihm ableiten, unabhangig davon, ob er von seinem Ausschlagungsrecht Gebrauch macht. Ehefrauen, die im Zeitpunkt der EheschlieBung die deutsche Staatsangehorigkeit besaBen, haben diese behalten. Die Ansschlagung hat die Wirkung, daB der Ausschlagende die deutsche §3 Staatsangehorigkeit nach MaBgabe des § 1 nicht erworben. hat. § 5 (1) Nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes kann. die Ausschlagung nur noch bis zum Ablauf eines Jahres erklart werden. (2) Jeder Ausschlagungsberechtigte ist befugt, vor Ablauf der Ausschlagungsfrist auf das A-usschlagungsrecht zu verzichten. § 25 Das Heimatrecht der Vertriebenen and die sick aus ihm kunftig ergebenden Regelungen ihrer StaatsangehOrigkeit werden durch die auf Grund dieses Gesetzes abgegebenen Erklarungen nicht berahrt." Durch dieses Gesetz wird fiir die Danziger festgestellt, daB sie mit Wirkung vom 1. 9. 1939 287 die deutsche StaatsangehOrigkeit erworben haben, falls sie nicht von dem ihnen im Gesetz zugebilligten Ausschlagungsrecht bis zum 25. 2. 1956 Gebrauch gemacht haben. Eine solche Ausschlagung wirkt ex tune. In der Begriindu.ng zum Entwurf288 wurde darauf hingewiesen, daB die Vorfrage, ob die BevOlker-ung Danzigs von ihrem Heimatstaat in Ansprach genonamen wiirde, z. Z. nicht beantwortet werden kiinne. Eine vOlkerrechtlich handlungsfdhige Danziger Regierun.g, die die Danziger in Anspru.ch nehmen ktinne, sei gegenwartig nicht vorhanden. Solange eine Inanspruchnahme nicht vorliege, erscheine es nicht angangig, den kollektiv eingebilrgerten Danzigern, die deutsche StaatsangehOrige zu sein wiinschen, die Anerkennung dieses Status vorzuenthalten. 286 Im. Gesetzentwurf hieB es : „. . es sei denn, daB die Verleihung der deutschen Staatsangehorigkeit ihrem Willen nicht entsprach und sie dies ausdracklich erklart haben (Ausschlagung)" ; der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme vom 24. 4. 1953 u. a. vorgeschlagen, statt „erklart haben" „erklb,ren." zu setzen, urn Unklarheiten zu vermeiden. 281 Das Gesetz vom 1. 9. 1939 uber die Wiedervereinigung der Freien. Stadt Danzig mit dem. Deutschen Reich ist aus politischen Griinden nicht genannt worden, sondern die Verordnung von 1941, die aber bzgl. der Verleihung der StaatsangehOrigkeit fiir die Danziger die gleiche Wirkung erzielt, vgl. oben. S. 38. 288 Abgedruckt bei: MaBfeller, 2. Aufl. S. 368ff. Dritter Teil STAATS- UND VOLKERRECHTLICHE PROBLEME Erster Abschnitt Das Problem der Annexion der Freien Stadt Danzig 1. Kapitel Die Eingliederung Danzigs in das Deutsche Reich im Jahre 1939 Die Eingliederung Danzigs in das Deutsche Reich am 1. 9. 1939 beriihrt nicht nur die beiden unmittelbar beteiligten Staaten Danzig und Deutschland, sondern auch dritte Staaten, die mit Danzig in einem Vertragsverhaltnis standen, sowie den VOlkerbund, der auf Grund des Versailler Vertrages die Garantie der Danziger Verfassung und den Schutz der Freien Stadt Danzig iibernommen hatte. Es ist deshalb notwendig, die Vorgange, die zur Eingliederung fiihrten, von der staatsrechtlichen und von der vOlkerrechtlichen Seite her zu betrachten. A. Staatsrechtliche Beurteilung I. Voraussetzungen fur die Eingliederung nach deutschem Staatsrecht 1. Art. 2 und 78 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung tber die Ausdehnung des Deutschen Reiches auf fremdes Staatsgebiet enthalt die Weimarer Reichsverfassung (WRIT) folgende Bestimmungen 289 : Art. 2 „Das Reichsgebiet besteht aus den Gebieten der deutschen Lander. Andere Gebiete kOnnen durch Reichsgesetz in das Deutsche Reich aufgenommen werden, wenn es ihre Bevälkerung kraft des Selbstbestimmungsrechts begehrt." Art. 78 Abs. 3 „Vereinbarungen mit fremden Staaten aber Veranderung der Reichsgrenzen werden nach Zustimmung des beteiligten Landes durch das Reich abgeschiossen. 289 Die Auszeichnungen im Text sired vom Verfasser vorgenommen. Die Eingliederung Danzigs und die Weimarer Verfassung 77 Die Grenzver-anderungen diirfen nur auf Grund eines Reichsgesetzes erfolgen, soweit es sich nicht um bloBe Berichtigung der Grenzen unbewohnter Gebietsteile handelt." Das in Art.2 Satz 2 geforderte Begehren der BevOlkerung brauchte nicht in der Form eines „Volksbegehrens" oder eines „Plebiszits" zum Ausdruck zu kommen. Es geniigte die Erklarung durch eine anerkannte Volksvertretung 290. GemaB Art. 2 und Art. 78 Abs. 3 Satz 2 war auBerdem nach erfolgter Vereinbarung der ErlaB eines Reichsgesetzes fiir die Anderung der Reichsgrenzen erforderlich. 2. Wirlcsamkeit der Bestimmungen der WRV fiber die Eingliederung fremden Staatsgebietes Art. 2 Satz 1 WRV hatte im Jahre 1939 keine Gultigkeit mehr, da die bundesstaatliche Gliederung des Reiches beseitigt worden. war 291. Im ubrigen war jedoch die WRV, die nicht ausdriicklich aufgehoben worden war, wenn sie auch als „ Verfass-u,ng" nicht mehr gait, in wesentlichen Teilen noch wirksam 222. Fiir die Bestimmungen caber die Eingliederung fremder Staatsgebiete laBt sich dies aus der Tatsache entnehmen, daB Deutschland sich bei den „Anschliissen" seit 1938 an diese Normen gebunden fithlte und sie zumindest formell erfii11te 293. Nach deutschem irmerstaatlichen Recht war also fiir eine wirksame Eingliederung eine Erklarung des verfassungsmaBig zustancligen. Organs des Danziger Staates des Inhalts erforderlich, daB Danzig seine Eigenstaatlichkeit aufzugeben und im Deutschen Reiche aufzugehen wiinsche. Das Deutsche Reich muBte seine Bereitwilligkeit zur Erweiterung seines Staatsgebietes erklaren und die Eingliederung durch Reichsgesetz vollziehen. Durch den ErlaB des „Danziger Staatsgrundgesetzes", den Telegrammwechsel zwischen Forster und Hitler und die Verkiindung des Reichsgesetzes zur Wiedervereinigun.g 224 wurden rein auBerlich die genannten staatsrechtlichen Voraussetzungen fiir die Eingliederung erfiillt. 299 Vgl. Giese S. 52, Ziff. 3 zu Art. 2; An.schiitz S. 44 zu Art. 2 Ziff. 7, 8; Poetzsch S. 32, Aura.. 3 zu Art. 2. 291 „Neuaufbaugesetz" vom 30. 1. 1934 (RGB1. I S. 75). 292 Vgl. Huber, Verfassungsrecht S. 53; Dennewitz S. 185ff.; OLG Hamburg, 1Jrt. vom 3. 2. 1948 (SJZ 48, 322); vgl. auch H.-J. Jellinek S. 124. 293 1. eisterreich: a) Zustimmung der Osterreichischen Bundesregierung, Plebiszit am 10. 4. 1938, b) Reiehsgesetz fiber die Wiedervereinigung vom 13. 3. 1938 (RGB1. I S. 237). - 2. Sudetenland: a) Zustimmung der tschechoslowakischen Regierung am 21. 11. 1938 auf Grund des Miinchener Abkommens vom 29. 9. 1938, b) Reichsgesetz fiber die Wiedervereinigung vom 21. 11. 1938 (RGB1. I S. 1641). - 3. BOhmen und Mahren: a) „Abkommen" vom 15. 3. 1939, b) ErlaB caber das Protektorat Bamen und Maren vom 16. 3. 1939 (RGB1. I S. 485). 4. Memel: a) Staatsvertrag zwischen. dem Deutschen Reich und Litauen vom 22.3. 1939 (RGB1. II S. 608), b) Reichsgesetz fiber die Wiedervereinigung vom 23. 3. 1939 (RGB1. I S. 559). 294 Vgl. oben S. 35L 78 Das Danziger Staatsgrundgesetz von 1939 H. Beurteilung der Rechtsakte des Danziger Staates 1. Beurteilung each der Danziger Rechtsordnung Dennoch ist es fraglich, ob durch das Reichsgesetz vom 1. 9. 1939 eine rechtswirksame Vereinigung Danzigs mit dem Deutschen Reich vollzogen werden konnte, denn der ErlaB des Danziger Staatsgrundgesetzes 295, durch das Danzig zum. Bestandteil des Deutschen Reiches erklart wurde, stellte einen Verfassungsbruch dar. Das „Staatsgrundgesetz" wurde vom „Staatsoberhaupt" Forster erlassen. Dieser war durch Senatsverordnung vom 23. 8. 1939 296 zum „Staatsoberhaupt" ernannt worden. Als Ermachtigungsgrundlage fiir die Verordnung wurden der Abschnitt I und der § 2 des Danziger Gesetzes zur Behebung der Not von Volk und Staat vom 23. 6. 1933 297 und das Gesetz zur Verlängerung dieses Gesetzes vom 5. 5. 1937 298 genannt. Nach diesem Gesetz durfte der Senat im Rahmen der Verfassung auf den im Gesetz angefiihrten Gebieten und innerhalb der sich aus dem Gesetz ergebenden Grenzen Mal3nahmen mit Gesetzeskraft erlassen. Abgesehen davon, daB durch die Staatsoberhaupt-Verordnung eine MaBnahme bewirkt wurde, die auBerhalb der im Ermachtigungsgesetz festgelegten Grenzen lag 299, hielt sich die Ernennung Forsters nicht „im Rahmen der Verfassung". Nach der Danziger Verfassung gab es kein „Staatsoberhaupt", das durch eine Person verkOrpert wurde. Der „Senat", an dessen Spitze der President des Senats stand, war Oberste LandesbehOrde m. Die Ernenxtung eines „Staatsoberhaupts" war also eine Verfassungsanderung. Diese konnte aber nur durch BeschluB des Danziger Parlaments („Volkstag") zustande kommen. Die Abanderung muBte in zwei, mindestens einen Monat auseinanderliegenden Lesungen mit Zweidrittel-Mehrheit und bei Anwesenheit von mindestens zwei Dritteln der gewahlten Abgeordneten beschlossen werden 301. AuBerdem war die Zustimmung des VOlkerbundes Voraussetzung fur das 295 Vgl. oben S. 36. 296 GB1. 1939 S. 413; abgedruckt unten S. 172. 297 GB1. 1933 S. 273; abgedruckt bei Crusen-Lewinsky S. 33. 298 GB1. 1937 S. 358. 299 Vgl. S. 24f.; der § 2 des ErmAchtigtmgsgesetzes lautet: „Der Senat darf von der im § 1 bezeichneten Ermächtigung nur Gebrauch machen zum Zweck a) der Aufrechterhaltung der Ordnung der Finanzen des Staates, der Gemeinden und der Gemeindeverbande sowie der Offentlich-rechtlichen Verbande, b) der Behebung finanzieller, wirtschaftlieher, sozialer, kultureller oder politischer Notstande, c) der Erzielung von Ersparnissen, d) der Anpassung an die rechtliche Regelung in den Nachbarstaaten, e) der Aufrechterhaltung und des Ausbaues der Offentlichen Ordnung und Sicherheit, f) der Vereinfachung und Fortentwicklung der Verwaltung und der Rechtspflege, g) der Behebung der Arbeitslosigkeit. — In diesem Rahmen sind Strafandrohungen zulassig. " Art. 25, 39 Danziger Verfassung, abgedruckt bei Crus en -Lewinsky S. 1. 301 Art. 49 Abs. 1 Danziger Verfassung. Der Ansehlufiwille der Bevolkerung 79 T-nkrafttreten der Verfassungsanderung 3°2 . Per Hohe Kommissar des Viilkerbundes in Danzig, Prof. Burckhardt, erhob aber sofort Einwendungen gegen diese MaBnahmen des Senats. Ferner hatte die Verordnung gemaB § 3 des Errnachtigungsgesetzes unverziiglich dem Volkstag zur Kenntnis gebracht werden miissen, der bin n en 3 Monaten nach dem Tage der Verkundung die Aufhebung verlangen konnte. Die Einsetzung des „Staatsoberhaupts" war demnach verfassungswidrig. Dariiber hinaus ist auch der ErlaB des „Staatsgrundgesetzes" als Verfassungsbruch zu werden. Die Aufgabe der Eigenstaatlichkeit und die Eingliederung in das Deutsche Reich waren mit der Aufhebung der Verfassung verbunden, stellten also den denkbar grOBten Eingriff in die Verfassung der Freien Stadt Danzig dar, far den zumindest auch die in der Verfassung fur eine Verfa,ssungsanderung vorgesehenen Formen erforderlich waren. Der Senat and Forster haben sich also fiber die fur sie verbindliche Verfassung hinweggesetzt. Das „Staatsoberhaupt" war folglich kein rechtmaBiges Staatsorgan, und es ist zumindest zweifelhaft, ob es ein rechtsgiiltiges Gesetz erlassen konnte. 2. Anschlu§wille der Bevolkerung als mOgliche Legitimationsquelle Es ist aber zu uberlegen, ob das Fehien einer rechtsg-illtigen Erklarung Danziger Organe durch den etwa in anderer Form ZUM Ausdruck gebrachten AnschluBwillen der Danziger BevOlkerung geheilt werden konnte. LieBe sich nachweisen, daB die Danziger BevOlkerung in ihrer Mehrheit die Vereinigung mit dem Deutschen Reich begehrte, so kOnnte in diesem Begehren vielleicht — auch nach dem Recht der WRV (Art. 2) — eine Legitimations. quelle gefunden werden. Eine Volksabstimmung, wie sie z. B. in Osterreich am 10. 4. 1938 durchgefiihrt wurde, hat in Danzig nicht stattgefunden. Auch sonst hat kein Rechtsakt einem anschluBfreundlichen Willen der Danziger Bevolkerung Ausdruck verliehen. Mit Riicksicht auf die deutsche VolkszugehOrigkeit der Danziger BevOlkerung muB aber die Frage angeschnitten werden, ob ein etwa im Zeitpunkt der Angliederung vorhandener AnschluBwille rechtlich beachtlich sein kOnnte, wenn der Nachweis erbracht wurde, daB er die Ursache fiir die Staatsumwalzung und damit fiir den Hoheitswechsel gebildet hat. War namlich das Einverstandnis der BevOlkerung mit den vom „Staatsoberhaupt" getroffenen MaBnahmen vorhanden, so ware die AnschluBerklarung des „Staatsoberhauptes" ein vom Danziger Staatsvolk gewollter Akt. Es unterliegt keinem Zweifel, daB der uberwiegende Teil der BevOlkerung seit Beginn der Eigenstaatlichkeit Danzigs im Jahre 1920 die Vereinigung 302 Art. 49 Abs. 3 Danziger Verfassung. 80 Der Danziger Staatsstrekh von 1939 gewollt und angestrebt hat. Auch hatte die NSDAP, unter deren Alleinherrschaft die Angliederung schlieBlich volizogen wurde, in den Wahlen caber 50% der abgegebenen Stimmen erhalten 303, und in zahlreichen Massenkundgebungen bezeugten Akklamationen den zumindest in nationalsozialistischen BevOlkerungskreisen verbreiteten AnschluBwillen. Dennoch erscheint es fraglich, ob eine grundsatzliche Bereitschaft zur sofortigen Vereinigung gerade in. den Krisentagen zu Begins des zweiten Weltkrieges, auch angesichts der alliierten Drohungen und des einseitigen d.eutschen Vorgehens, angenommen werden kann. Auch im Hinblick auf die Methoden der nationalsozialistischen. Herrschaft erscheint dieser Zweifel berechtigt. Es gab in Danzig eine stark antinationalsozialistische Opposition, deren. Wirken nur durch Zwangsmanahmen unterdriickt wurde 304 und deren fiihrende Krafte zur Zeit der Vereinigung im Konzentrationslager Stutthof saBen 3°6. Zu beriicksichtigen ist ferner eine gewisse Differenzierung der Auffassungen zwischen Partei und Staat, die im Vorkriegsjahr in wachsen.dem MaBe in Erscheinung trat 3°6 . Wenn es auch zweifellos starke anschluBfreundliche StrOmungen in Danzig gegeben hat, so laBt sich keineswegs nachweisen, daB das Danziger Staatsvolk unter den gegebenen Umstanden and in diesem Zeitpunkt die Wiedervereinigung durchzusetzen wiinschte, gesch.weige deren, daB sein Wunsch fur die AnschluBerklarung Forsters ursachlich war. Aus den angefiihrten Griinden fehlte es auch miter Beriicksichtigung des Volkswillens an einer rechtsgiiltigen Bereitwilligkeitserklarung des Danziger Staates. 3. Der Gesichtspunkt der Re,chtserneuerung durch Staatsumwitizungen Die ErOrterungen miter Ziffer 1 beschranken sich auf eine Priifung der VerfassungsmaBigkeit, gemessen an den positives Vorschriften der bisherigen Danziger Rechtsordnung. Nun sired aber gerade diese Vorschriften durch das „Staatsgrundgesetz" Forsters auBer Kraft gesetzt worden. Die Verfassung wurde aufgehoben, die Trager der Hoheitsgewalt, die Organe des Staates, fiir aufgelOst erklart. Sie haben auch tatsachlich ihre Tatigkeit sofort eingestellt. Eire so weitgehender Eingriff in die Verfassung des Staates zwingt zu der rberlegmig, ob der Akt Forsters uberhaupt noch nach dem MaBstab der von ihm selbst vernichteten. Rechtsordnung gemessen werden darf. Die vollstandige AuBerkraftsetzung der Verfassung mid die Ausilbung der Staatsgewalt durch einen verfassungswidrigen Machthaber bedeutet Bruch der Legalitat und ist unter bestimmten Voraussetzungen als Staats304 Vgl. oben S. 25f. 3°3 Vgl. oben S. 24f. 305 Vgl. Volkmann in der GegenduBerung vom 11. 12. 1948 zum Schreiben von v. 1Viangoldt vom 27. 11. 1948 (zit. oben zu Tab. II, S. 652) (nicht verOffentlieht). 306 Vgl. oben S. 31. Der Danziger Staatsstreich von 1939 81 streich zu werden 307. Dania einen derartigen. innerstaatlichen Umbruch kann neues verbindliches Recht begriindet werden. Diese heute in Praxis and Lehre allgemein. anerkannte Theorie beruht auf der Erkenntnis, daB eine vollendete Staatsurawalzung dem Machtbereich der nach Wiederherstellung des rechtmaBigen. Zustandes strebenden Krafte entzogen. ist". Hiernach sind alle Akte des umstoBenden Gewalthabers — auch die Umsturzhandlung als Akt der RechtsschOpfung selbst" trotz des ihnen. eigenen. Unrechtgehalts als verbindliche Rechtsnormen anzusehen.. Die Anerkennung des Gewalthabers als Begriinder einer neuen Rechtsordnung ist allerdings an die Voraussetzung gekniipft, daB er eine vollendete Tatsache geschaffen hat. Die bloBe Tatsache des auBeren Machtbesitzes geniigt nicht. Der neue Zustand muB endgiiltig durchgesetzt und von Bestand sein 310. Nada Ansicht Bodes 311 geniigte die tatsachliche Machtausiibung des Danziger Staatsoberhauptes diesen Erfordernissen. Zur Begriindung fiihrt Bode an, Forster habe die tatsachliche Macht in Handen gehabt und sei in der Lage gewesen, die gesetzgebende und vollziehende Gewalt — wie im Art. II des Staatsgrundgesetzes zum Ausdruck gebracht — wirklich auszu-iiben.. Widerstand sei den MaBnahmen nicht entgegengesetzt worden. Dieser Beurteilung stehe auch nicht die Tatsache entgegen, daB Forster im Auftrage and mit Unterstiitzung des Deutschen Reiches gehandelt habe. v. Mangoldt 312 unterstreicht diese Ausfiihrungen mit dem Hinweis, daB Forster, wenn er seine Herrschaft auch nur neun Tage a,usgeiibt habe, nicht gestiirzt worden sei. AuBerdem sei in Danzig der Wunsch, mit dem Deutschen. Reich zu einer Einheit verbunden zu werden, sehr weit verbreitet gewesen. Diese Auffassung wird von Danziger Autoren kritisiert. Volkmann 313 halt die Zeit der Usurpation Forsters zur Schaflung wirksamen neuen Rechts flit zu kurz. Uber dies sind nach seiner Ansicht in Danzig Krafte vorhanden gewesen, die die Tatsache der Gewaltherrschaft durch das „Staatsoberhaupt" rechtlich urtgeschehen hatten machen kOnnen.. Insbesondere hatten in Danzig liegende polnische Truppen auf ihre Autorisation zum 307 Vgl. Huber, Verfassungsrecht S. 81; Laun, Allgemeine Staatslehre S. 57f. 3° 8 Vgl. G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre (3. Aufl. 1929) S. 332ff.; Herrfahrdt S. 57ff.; Laun, Allgemeine Staatslehre S. 56ff. (4. Aufl. Hamburg 1947); Huber, a.a.O. S. 82; vgl. auch. G. Jellinek, Gesetz und Verordnung S. 276 (Neudruck 1919); Helfritz, Volk und Staat S. 87; Anschiltz, Bd. I S. 6; Meyer, Lehxbuch des deutschen Staatsrechts (6. Aufl. 1905) S. 24; Rspr.: RGZ 99, 287; 100, 25. Auch im VOlkerrecht ist das Problem des ,fait accompli" von erheblicher Bedeutung (vgl. G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre 1929, S. 332), wie die weiteren Au_sfiihrungen zeigen. werden (vgl. S. 144ff). 309 Vgl. Laun, Allgemeine Staatslehre S. 58; Jellinek, Allgemeine Staatslehre 1929, S. 332; Herrfahrdt S. 57f., 72ff. 31° Vgl. Herrfahrdt S. 60; Jellinek, Allgemeine Staatslehre 1929, S. 334ff.; Huber, Verfassungsrecht S. 82. 312 Zit. oben zu Tab. II, S. 65. 311 Zit. oben zu Tab. II, S. 65. 313 Vgl. S. 64, Anm. 230. 6 7467 BOttcher, Danzig 82 Die Durchsetzung des Staatsstreichs Eingreifen durch die Garantie-Machte der Danziger Verfassung gewartet. Langguth 314 teilt diese Meinung. Er weist noch auf die Anwesenheit des llohen Kommissars des VOlkerbundes in Danzig him. Ferner hebt er das Fehlen der subjektiven Voraussetzungen fur die endgUltige Schaffung einer neuen Rechtsordnung hervor und meint, es hate sich bei der Mehrheit der Danziger BevOlkerung wohl kaum die „Vberzeugung" gebildet, daB die tatsachlichen Herrschaftsverhaltnisse als rechtlich anzuerkennen seien. Diese Begriindun.gen vermOgen jed.och nicht vollends zu uberzeugen. Richtig ist, daB es far die Bewertung der Vorgange bedeutsam ist, ob es in Danzig Krafte gegeben hat, die die Macht Forsters hatten brechen kOruaen. Fur die Vollendung des Staatsstreiches entscheidend sind aber allein die endgiiltigen Tatsachen, nicht rein theoretische Miiglichkeiten. Es hat sich gezeigt, daB die polnischen Truppen tatsachlich nicht in der Lage gewesen sind, die sMachtverschiebung zu verhindern, die von reichsdeutschen Truppen gedeckt war. Es ware auch wohl kaum ein Danziger auf den Gedanken verfallen, den Schutz der Danziger Verfassung von den polnischen Truppen zu erbitten. Was die subjektiven Voraussetzungen anbetrifft, so wird von der Danziger Kritik die Bedeutung des RechtsbewuBtseins nicht klar genug hervorgehoben. Langguth 315 zitiert Jellinek : sie — die Ausiibung der Staatsgewalt ist zu erganzen durch die Einsicht, daB den tatsachlichen Verhaltnissen selbst normative Kraft innewohnt, d. h. daB aus ihnen die Vberzeugung hervorgehen ma, daB die tatsachlichen Herrschaftsverhaltnisse als rechtlich anzuerkennen seien.“ Diese Einsicht ist aber keineswegs gleichzusetzen mit innerer Billigung der Vorgange. Die BevOlkerung muB von der Vorstellung beherrscht gewesen sein, daB die neue Ordnung fiir sie verbindlich gewesen ist, mag sie damit einverstanden gewesen sein oder nicht 31s . Die beiden hier gegeniibergestellten Ansichten — sowohl die Bodes und v. Mangoldts, als auch die der Danziger Autoren — gehen also nur aber die Frage auseinander, warn die durch Rechtsbruch zur Macht gelangte Gewalt zur Quelle verbindlicher Normen wird. Einig sind sich die genannten Schriftsteller in der Auffassung, daB die Ereiguisse in Danzig als „Staatsstreich" zu werten sind, ferner darin, daB ein Staatsstreich erst dann — im Sinne einer Rechtserneuerung „gelungen" ist, wenn er sich durchgesetzt hat. Aber gerade darin kann beiden Richtungen nicht gefolgt werden. Die Lehre befaBt sich bei der Untersuchung des Staatsstreichproblems mit den Wirkungen der Verfassungsaufhebung und der Durchsetzung einer neuen obersten Gewalt im Staate. Auch die angefiihr-te 314 Gutachten fiber die Frage des Erwerbs der Deutschen Staatsangehikigkeit durch die Danziger, von Ende 1948, S. 7ff. 313 A.a.0. S. 9. 316 Loening in: Th.oma, Handbuch des deutschen Staatsrechts Bd. I, S. 705 (Abschnitt „Staat"). Der Staatsstreich und das Eingreifen Deutschlands 83 hOchstrichterliche Rechtsprechung behandelt diese Fragen, und zwar bei der Beurteilung der nach dem ersten Weltkrieg gebildeten. Regierungsgewalten in Deutschland. In Danzig ging es aber nicht darum, eine neue oberste Gewalt im Staate durchzusetzen, sondern das ausschlieBliche Ziel war die AuflOsung des Staates und die Angliederung an das Deutsche Reich. Verfassungsaufhebung, Vereinigung aller Staatsgewalt bei Forster und Angliederung waren ein einziger Vorgang, der sich in der Nacht vom 31. 8. zum 1. 9. 1939 abspielte und sofort durch das „Staatsgrundgesetz" verkiindet wurde. Zur gleichen Zeit, als these Ereignisse abliefen, standen deutsche Truppen in Danzig und unterstiitzten gemeinsam mit unter deutschem Oberbefehl stehenden, von Forster aufgestellten Danziger Verbanden die Durchsetzung der Eingliederung. Am gleichen Morgen began.n der deutsch-polnische Krieg, und die deutschen Truppen griffen die „Westerplatte" sowie die iibrigen in Danzig befindlichen polnischen Stiitzpunkte an. Am gleichen Tage wurde Danzig unter die militarische Oberhoheit des Deutschen Reiches gestellt und auch die Wiedervereinigung durch das Deutsche Reich volizogen. Unter diesen Umstanden kann sich die Beurteilung nicht in einer Wertung der Ereignisse als „Staatsstreich" erschOpfen. Verfassungsaufhebung Eingliederung, getragen durch militarische Aktionen StaatsauflOstmg des aufnehmenden Staates, bedeuten mehr als Staatsstreich. Sie bilden. einen Sondertatbestand, der eine Verbindung von Staatsstreich und Angliederung darstellt, zugleich aber auch eine Verschmelzung der Angliederung und Eingliederung, d. h. der MaBnahmen Forsters einerseits und Hitlers andererseits zur Durchfiihrung der Vereinigung Danzigs mit dem Deutschen Reich. Die Voraussetzungen fiir das Vorgehen in Danzig waren durch Albert Forster geschaffen worden 3 ". Bereits im Jahre 1937 hatte er eine Machtstellung erreicht, die es ihm ermoglichte, eine deutsche Intervention in Danzig vorzubereiten. Er handelte ausschlieBlich nach den Weisungen Hitlers, dessen Ziel es war, Danzig wieder in das Deutsche Reich einzugliedern. Der Senat stellte im Grunde nur noch eine Schattenregierung dar. Die verfassungsmaBigen Organe blieben jedoch in Fun k-tion. Es war mit dieser Entwicklung die Grundlage fiir die milititrischen Vorbereitungen geschaffen, die in Danzig unter deutscher Regie and mit deutscher Ausriistung getroffen wurden. Forster, der die deutsche Truppen.macht hinter sich hatte, war schlieBlich in der Lage, den „Staatsstreich" durchzufaren imd den AnschluB Danzigs an das Deutsche Reich mit Unterstutzung des Deutschen Reiches zu bewirken. Bei Betrachtung dieser Vorgange ergibt sich, daB der „Staatsstreich" Forsters in Danzig als Teil eines einseitigen deutschen Eingriffes gewertet werden muB. Diese Form der Eingliederung vermittels Staatsumwalzung entzieht sich der staatsrechtlichen Beur311 Naber ausgefiihrt oben S. 31. 6* 84 Der Staatsstreich and das Eingreifen Deutschlands teilung und greift in den Bereich des VOlk.errechts caber. Sie ist ,ein im VOlkerrecht nicht unbekannter Vorgang 318 . Es bleibt zu priifen, ob das deutsche Vorgehen als vOlkerrechtlicher Gewaltakt, etwa als Annexion — an.zusehen. ist rind welche Folgen sich daraus fur den Bestand des Danziger Staates ergeben kOnnten 31°. Beziiglich des aufgeworfenen staatsrechtlichen Problems ergibt sich — sofern man es isoliert betrachtet aus dem Ablauf der Geschehnisse kein Anhalt, der zu der Annahme eines „durchgesetzten Staatsstreiches" berechtigt. Durch die sich unmittelbar an den ErlaB des Staatsgrundgesetzes anschlieBende Vollziehung der tatsachlichen Eingliederung ist eine positive Entscheidung der Frage, ob Forster sich nach Aufhebung der Verfassung endgultig durchzusetzen vermochte und etwa geniaB dem Prinzip der „normativen Kraft des Faktischen" 32° wirksame Danziger Rechtsakte erlassen konnte, unmOglich geworden. Auch unter Beriicksichtig-ung dieses Rechtsgedankens Mat sich somit keine Legitimationsquelle auffinden. Es fehlte in bezug auf die Vereinigung Danzigs mit dem Deutschen Reich an einer rechtsgiiltigen Einverstandniserklarung des Danziger Staates. Es erilbrigt sich daher, auf die Frage einzugehen, ob die Danziger Rechtsakte wegen VerstoBes gegen vOlkerrechtliche Grundsatze angreifbar gewesen sind. III. Folgerungen far die Bewertung der Wiedervereinigung nach deutschem Recht 1. Rechtsgeltung verfassungswidriger Gesetze Noch nicht beantwortet ist die Frage, welchen EinfiuB das Fehlen einer rechtsgilltigen Einverstandniserklarung des Danziger Staates auf die Rechtswirksamkeit des dentschen „Wiedervereinigungsgesetzes" gehabt hat. Es wurde bereits festgestellt, daB selbst wenn die Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung im Jahre 1939 generell keine Geltung meter gehabt hatten, das Erfordernis des Einverstandnisses des einzugliedernden Staates auch im Falle Danzigs vom Deutschen Reich anerkannt mad. somit als rechtlich bindend angesehen worden ist 321. Da ein rechtsgilltiges Einverstandnis Danzigs fehlte, war das Reichsgesetz mit einem Rechtsmangel behaftet, der es verfassungswidrig machte. Nun gab es aber damals, wie schon wahrend der Weimarer Republik 322, keine Instanz auBer dem Gesetzgeber selbst —, die in der Lage gewesen ware, ein verfassungswidriges Gesetz 318 Vgl. Sch.atzel, Die Annexion. 1920, S. 21ff.; vgl. such die AusfiThrungen auf S. 103 dieser Arbeit. 312 Diese Fragen werden im Rahrnen der vOlkerrechtlichen Beurteilung, S. 97ff., untersucht. 320 Jellinek, Allgemeine Staatslehre 1929, S. 334ff. 321 Oben S. 77. 322 Vgl. Anschiitz, Bd. I S. 324ff. Die Rechtsgiiltigkeit des Wiedervereinigungsgesetzes 5 aufzn b eben. Das Fehl en eines materiellen Prilfungsrechts 323 hatte zur Folge, daB keinem Reichsgesetz die Anerkennung versagt wurde, weil es gegen die Verfassung verstieB 324. Das gait besonders fiir die Gesetze des „Dritten Reiches", in dem Hitler allein die gesetzgebende Gewalt ausiibte 325. Nach den bisher angestellten Vberlegungen kOn-nte also die Eingliederung rechtswidrig, aber dennoch innerstaatlichwirksam vorgenommen. worden sein. 2. Einflul3 des Vigkerrechts au/ das deutsche innerstaatliche Becht Die Wirksamkeit des Wiedervereinigungsgesetzes kthante dennoch angezweifelt werden, wenn es gegen. einen Satz des VOlkerrechts verstoBen hat und dieser Rechtssatz Reichsgesetzen rangmaBig iibergeordnet war. Es sei zunachst einmal unterstellt, daB die Eingliederung als deutsche Annexion anzusehen war, and daB es schon. im September 1939 einen allgemein anerkannten Grundsatz des VOlkerrechts gegeben hat, daB Annexionen rechtswidrig sind. Konnte ein solcher VOlkerrechtssatz der Wirksamkeit des Reichsgesetzes entgegenstehen? Im September 1939 herrschte in der Frage, nach welcher Rangordnung sich das Verhaltnis von Vi5lkerrecht zu Landesrecht bestimme, die dualistische Auffassung in Lehre und Praxis vor 336. Nach dieser Auffassung galten weder VOlkerrecht noch Landesrecht als Recht hOherer Ordnung, sondern beide standee sich als getrennte Rechtskreise gegenuber. Danach war die innerstaatliche Gultigkeit eines vOlkerrechtswidrigen Gesetzes denkbar, sofern sich nicht aus innerstaatlichem Recht selbst etwas Gegenteiliges ergab. In der deutschen Rechtsordnung existierte keine Vorschrift fiber die Giiltigkeit oder Ungiiltigkeit viilkerrechtswidrigen. Reichsrechts. Allerdings bestimmte Art. 4 WR-V a27 : „Die allgemein anerkannten Regeln des VOlkerrechts gelten als bindende Bestandteile des deutschen Reich.srechts." Nach der Praxis zu Art. 4 WRY war die Geltung einer VOlkerrechtsnorm im innerstaatlichen Bereich von einem Transformationsakt abhiingig; als 323 Nach iiberwiegender Ansicht durfte unter der Weimarer Republik der Richter nur prafen, ob das Gesetz a) orclnungsgemal3 verkiindet, b) (lurch spateres Gesetz aufgehoben oder geandert, c) im Widerspruch zu ranghOherem Gesetz erlassen war; vgl. hierzu auch Anscb.iitz S. 416. Einen Rangunterschied zwischen Verfassungsgesetzen gab es aber 1939 nicht mehr; vgl. Dennewitz S. 188ff. (191). 324 Vgl. Anschiitz S. 324ff. 325 Vgl. Dennewitz S. 191, vgl. Gesetz fiber den Neuaufbau des Reiches vom 30. 1. 1934 (RGB1. I S. 75), durch das der Reichsregierung das Recht zur Verfassungsgesetzgebung verliehen wurde. 326 Vgl. Oppenheina-Lauterpacht, Bd. 1 S. 42 (1948); Anzilotti, Lehrbuch S. 41ff.; Triepel S. 263; Walz, VOlkerrecht S. 259; Walz, ZfVR 18, S. 149 (1934); Huber, Verfassungsrecht S. 265. 327 Die Fortgeltung nach 1933 war umstritten, vgl. H el fri t z , Volk und Staat S. 44; Huber, Verfassungsrecht S. 266, bejaht die Fortgeltung des Art. 4 WRV als Bestandteil der neuen ungeschriebenen Verfassungsordnung. 86 Die Rechtsgidtigkeit des Wiedervereinigungsgesetzes allgemein anerkannte Regeln des Viilkerrechts galten nur diejenigen Normen, die auch vom Deutschen Reich ausdriicklich anerkannt waren 328 . Eine solche Anerkennung konnte auch widerrufen werden. Damit war die Entscheidung, ob ein Gesetz imWiderspruch zu einemVOlkerrechtssatz stand, auf der Ebene des Landesrechts weitgehend in das Ermessen des deutschen Staates gestellt. Selbst wenn es eine allgemein anerkannte Regel des VOlkerrechts gegeben hatte, die dem Reichsgesetz vom 1. 9. 1939 widersprach, so wiirde theses Gesetz gegeniiber dem transformierten Viilkerrechtssatz nach damals geltendem innerdeutschen Verfassungsrecht gleichen Verfassungsrang eingenommen und als lex posterior, wie auch als lex specialis Giiltigkeit gehabt haben 329. Auch bei Weitergeltung des Art. 4 WRY war also das Reichsgesetz caber die Wiedervereinigung selbst im Falle seines VerstoBes gegen das Viilkerrecht innerstaatlich wirksam, d. h. es war fiir den Geltungsbereich der deutschen Rechtsordnung verbindlich. Dieses Ergebnis kOnnte insoweit bedeutsam sein, als daraus nach heute geltendem deutschen Recht hinsichtlich einzelner Bestimmungen des Wiedervereinigungsgesetzes bzw. der auf ihm fuBenden Rechtshandlungen Schliisse gezogen w-iirden. Dies kOnnte beispielsweise fur die Beurteilung der Verleihung der deutschen StaatsangehOrigkeit an die Danziger zutreffen 33°. Auf die Frage aber, ob nach dein. 1. September 1939 ein Danziger Staat und VOlkerrechtssubjekt fortbestanden hat, versagt das soeben ermittelte Zwischenresultat eine Antwort. Es vermag nichts dazu zu sagen, ob der Wirkungsbereich der deutschen Rechtsordnung auch auf das eingegliederte Gebiet des Danziger Staates ausged.ehnt worden ist. Wird die wirksame Erstreckung des deutschen Rechts auf Danzig bejaht, so kann — aber auch erst daraus — der Untergang Danzigs als Staatsgebilde gefolgert da zwei VOlkerrechtssubjekte werden. Die Entscheidung hierilber ist beteiligt sind zwischenstaatlichen Charakters ; sie hangt von der vOlkerrechtlichen Beurteilung der Eingliederung ab 331 . Es geniigt also nicht, den innerdeutschen G-esetzgebungsakt rechtlich zu erfassen, sondern es ist vielmehr auBerdem notwendig, den fiber den staatsrechtlichen Kompetenzbereich hinausreichenden Vorgang des -0 bergreifens eines Staates auf den anderen als vOlkerrechtlich erhebliche Handlung zu iiberpriifen. Die historischen Vorgange, die zur tatsachlichen Unterstellung Danzigs unter die deutsche Hoheitsgewalt gefiihrt haben, sind demnach unter dem Gesichtspunkt des damals geltenden VOlkerrechts zu untersuchen, mit dem Ziele, zu ermitteln, welche Rechtsfolge sich daraus fiir die Existenz des Danziger Staates ergibt 332. 328 Huber a.a.O. S. 266; Menzel, Bonner Kommentar, Art. 25, S. 7ff. 328 Vgl. Menzel a.a.O. S. 10. 330 Vgl. oben S. 73ff„ unten S. 162ff. 331 Vgl. Verdrol3, Die Verfassung S. 145. 332 Vgl. oben S. 83f. Vertragliche Inkorporation Danzigs? 87 B. Wilkerreehtliehe Beurteilung I. Die Eingliederung als vertragliche Inkorporation 1. Titel: Vertragliche Inkorporation eines ganzen Staates im VOlkerrecht Das ureter staatsrechtlichen Gesichtspunkten angeschnittene Problem, ob das Danziger „Staatsoberhaupt" wirksame Rechtsakte erlassen konnte, nauB nun noch einmal aus der Wilkerrechtlichen Perspektive einer Beurtei, lung unterzogen werden. Da Forster nach Danziger Recht keine rechtsgiiltigen Erklarungen abgegeben hat, ist zweifelhaft, ob zwischen dem De-utschen Reich und der Freien Stadt Danzig ein vOlkerrechtlicher Vertrag zur Ubertragung der territorialen Souveranitat caber das Danziger Staatsgebiet auf das Deutsche Reich zustande gekommen ist. Der Staatenpraxis ist der Vorgang des freiwilligen Aufgehens eines Staates in einem anderen Staat durchaus gelaufig. Als Beispiele seien aufgefiihrt : der Vertrag zwischen PreuBen und den Fiirstentiimern Hohenzollern vom 7. 12. 1849, der Vertrag zwischen Belgien und dem Kongostaat vom 28. 11. 1907 333 sowie der Vertrag zwischen Japan und Korea vom 22. 8. 1910 334. Auch im Schrifttum wird die Befugnis der Staaten anerkannt, fiber ihr Staatsgebiet zu verfiigen. 335. Die vertragliche Regelung fiber die „Abtretung" des ganzen Staatsgebietes ist eine der „Zession" ahnliche Sukzessionsform. Von manchen Schriftstellern 336 wird sie daher auch „Zession eines ganzen Staates" genannt. Zession heiBt aber Abtretung. Diese ist begrifflich nur denkbar, wenn sie sich auf den Teil eines Staatsgebietes bezieht. Abtretung des ganzen Staates wiirde Untergang des Staates bedeuten. Voraussetzung zur Durchfiihrung der vtilkerrechtlichen Zession ist aber das Vorhandensein von zwei Vertragspartnern, also von zwei unabhangigen VOlkerrechtssubjekten, die auch each AbschluB des Vertrages noch vorhanden sind, um den Gebietsilbergan.g zu vollziehen 337. Giiltigkeitsvoraussetzungen fiir eine Zession von Gebieten sind erstens ein vOlkerrechtlicher Akt (der Abtretungsvertrag) und zweitens der Vollzug durch die Inbesitznahme des abgetrennten Territoriuras 338. Bei der vertraglichen Eingliederung eines ganzen Staates tritt noch der tat333 Schoenborn S. 19; Schatzel, Die Annexion 1920, S. 45. 334 Schoenborn S. 19. 338 Oppenheim-Lauterpacht, Bd. 1 5.499; VerdroB, Die Verfassung S. 184, 186. 338 Vgl. Schatzel, Die Annexion 1920 S. 9, 45; Schroeder, Staatsangehorigkeit S. 39. 337 Vgl. statt anderer Schoenborn S. 13f. 338 Vgl. Schroeder, StaatsangehOrigkeit S. 39; Guggenheim, Bd. I S.405; nach Schoenborn S. 18 gernigt der Zessionsvertrag. 88 Vertragliche Inkorporation Danzigs? sachliche Vorgang der freiwilligen SelbstauflOsung hiliZU 339 . Schoenborn"' bezeichnet deshalb die Vereinbarung zur Eingliederung eines ganzen Staates als „Annexionsvertrag". Damit ist er dem tatsachlich vorhandenen Unterschied gerecht geworden und hat zugleich dem Umstand Rechnung getragen, daB die sogenannten freiwilligen Einverleibungen meist dem Tatbestand der Annexion sehr nahe kommen und ihn vielleicht auch erfiillen. 341 . Dennoch ist die Begriffsbildung „Annexionsvertrag" ein Widerspruch in sich selbst, da Annexion die Bezeichnung fiir einseitige Akte der Staaten. ist 342 . Die vertragliche Inkorporation eines ganzen Staates bildet somit einen Sondertatbestand zwischen Zession und Annexion 343 . 2. Titel: Die Eingliederungsakte enter dem Gesichtspunkt der vertraglichen Inkorporation Die Voraussetzungen fiir einen solchen Staats-Inkorporationsvertrag waren im Jahre 1939 dutch das Deutsche Reich und Danzig zumin.dest formell erfiillt worden 344 . Forster erkl5xte die AuflOsung des Danziger Staates durch das „Staatsgrundgesetz". Die Inbesitznahme erfolgte dutch das Reichsgesetz fiber die Wiedervereinigung. Der erforderliche vOlkerrechtliche Akt ist in dem Telegrammwechsel zwischen den Chefs der beiden Staaten zu sehen. Er ist auch fur die VOlkergemeinschaft erkennbar zum Ausd ruck gebracht worden. Die Verkiindung des Reichsgesetzes vom 1.9. 1939 und Hitlers Rede im Reichstag, die in Presse and Rundfunk wiedergegeben wurde, geniigten diesem Erfordernis. Es handelt sich zwar nicht um ausdriicklich an die iibrigen Nationen. gerichtete Erklarungen, doch lieBen sie den unzweideutigen Inkorporationswillen Deutschlands erkennen, zumal unzahlige Ankiindigungen der Durchfiihrung des Wiederanschlusses durch Offentliche Reden, in diplomatischen Verhand.lungen und in Presse und Rundfunk vorausgegangen waren. Die vtilkerrechtliche Vertretungsbefugnis Hitlers ergibt sich aus dem Gesetz fiber das Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches vom 1. 8. 1934 345 . Eine besondere Notifikation an die 339 Bode a.a.O. S. 19; a. A.: Schatzel, Die Annexion 1920, S. 45f., der SelbstauflOsung eines Staates nicht fiir moglich halt und AuflOsung erst als Folge der Ausdehnung des einverleibenden Staates annimrn.t. 340 A. a. 0. S. 19f. Er verlangt au g er dem Vertrag, der nach seiner Ansicht den einzuverleibenden Vertragspartner auslascht, einen tatsachlichen Vollzugsakt („Annexion."); er unterscheidet Annexionen mit und ohne Vertrag. So auch H.-J. Jellinek S. 69. 341 Man denke an die gewaltsamen Einverleibungen, die ohne Kriege durchgeftihrt worden sind; vgl. die Beispiele unten S. 103f. 342 Vgl. S chat z el, Die Annexion 1920 S. 50ff.; Menzel, Deutschland S. 60; StOdter S. 62; H.-J. Jellinek S. 111f. 343 A. A.: S c hat z el , Die Annexion 1920, S. 9, 45f., der von einem Unterfall der Zession spricht. 344 Die Vorgange sind auf S. 35f geschildert worden. 345 RGB1. I S. 747. Vertragliche Inkorporation and Selbstbestimmungsrecht 89 fremden Staaten war nicht erforderlich 346. Somit wiirde der vOlkerrechtlichen Eingliederung kein Formhindernis entgegenstehen, wenn nicht die Akte des Danziger Staates mit erheblichen Rechtsmangeln behaftet gewesen waren. Daraus ergeben sich aber Zweifel an der vi5lkerrechtlichen Vertretungsbefugnis des Danziger Staatsoberhauptes. 3. Titel: Die Frage der Rechtsgiiltigkeit der vertraglichen Inkorporation Danzigs AA. Auswirkungen der Rechtsmangel der Danziger Eingliederungsakte I) Selbstbestimmungsrecht Es ist daher im folgenden zu untersuchen, ob trotz der Verfassungswidrigkeit der Danziger Rechtsakte eine vOlkerrechtlich giiltige vertragliche Eingliederung vorgenommen wurde. Zunachst wird die Frage behandelt, ob dem Willeia der Danziger BevOlkerung auf Wiedervereinigung Danzigs mit Deutschland insofern vOlkerrechtliche Bedeutung zukommen kaim, daB dieser Volkswille die verfasslingswidrigen Erklarungen Forsters ersetzt. Dieses Problem wurde bereits bei der Behandlung der innerstaatliehen Vor.. gange angesprochen 347 . Das Vorhandensein eines gegenwartigen AnschluBwillens des Danziger Staatsvolkes konnte nicht einwandfrei festgestellt werden. Selbst wenn die iiberwiegende Zahl der Danziger die Wiedervereinigung nachweisbar gewollt hatte, ware ein solcher Wille nicht geeignet, als vtilkerrechtlicher Rechtfertigun.gsgrund zu dienen. Wenn auch in verschiedenen Fallen der Hoheitswechsel vom bekundeten Willen der betroffenen BevOlkerung abhangig gemacht wurde 348 , so ist das Selbstbestimmungsrecht der Volker dennoch gegenwartig noch kein Bestandteil des allgemeinen. VOlkerrechts 349 . Die Vornahme einer Volksbefragung bzw. die Beriicksichtigung des Volkswillens 1st zwar eine in der Staatenpraxis der internationalen GebietszugehOrigkeitsanderungen immer haufiger gestellte Forderung 350, 346 Vgl. Anzilotti, Lehrbuch S. 260; v. Liszt-Fleisehmann S. 243; Schatzel, Die Annexion 1920, S. 52. 347 Oben S. 79f. 343 Vgl. besonders die Plebiszite auf Grund des Versailler Vertrages. 349 Menzel, EA 1 (1949), S. 1892; ders., Jahrbuch der Albertus-TJniversitdt 5 (1954), S. 204f., 220; Scheuner, Die Annexion S. 91; VerdroB, Wilkerrecht, 3. Aufl. S. 214; Wehberg, Eroberung S. 90; Fenwick S. 363; OppenheimLauterpacht, Bd. 1 S. 503f.; Rousseau S. 82; a. A.: Sauer, System des Viilkerrechts S. 35; Schatzel, Die Annexion 1950, S. 25. 350 Atlantik-Charta vom 14. 8. 1941, Ziff. 2 (Arch VR I S. 89); Erklarung von Jalta vom 11. 2. 1945 (Kraus -Heinze Nr. 1, S. 7); Art. 1 Ziff. 2 der Charta der Vereinten Nationen; Art. II der franzOsischen Verfassung vom 13. 10. 1946; Resolution der Ministerprasidenten-Konferenz der 11 westdeutschen Minister im Februar 1949 in Hamburg, zit.: H.-J. Jellinek S. 44; Ziff. 4 der EntschlieBungen der VOlkerrechtslehrertagung im Jahre 1949 in Hamburg (Arch. off. R. 1950, S. 76). 90 Vertragliche Inkorporation und die „Regierung" Forster die als regulierendes Prinzip der internationalen Ordnung allgemeinere Anerkennung beansprucht 351 , sie ist aber keineswegs eine unabdingbare Voraussetzung filr die vOlkerrechtliche Giiltigkeit eines Gebietserwerbs. Da das Selbstbestimmungsrecht der Viiiker noch kein Institut des heute — oder 1939 — geltenden VOlkerrechts ist bzw. war, kann es auch nicht zur Rechtfertigung eines in volkerrechtswidriger Form durchgefiihrten Inkorporationsvertrages dienen. II) V Olkerrechtliche Vertretungsbefugnis des Danziger „Staatsoberhauptes" als „allgemeine de-facto-Regierung" Im allgemeinen vermOgen nur die Organe der Staaten als im Wilkerrecht anerkannte Reprasentanten vOlkerrechtlich verbindliche Erklarungen abzugeben. Aber nicht nur legale Regierungen, sondern auch Staatsorgane, die auf dem Wege der Staatsumwalzungen mad des Verfassungsbruchs die Herrschaft im Staate erlangt haben, sind each dem VOlkerrecht berufen, ihren Staat nach aul3en hin zu vertreten 352. Voraussetzung fur die viiikerrechtliche Vertretungsbefugnis solcher Regierungen ist ihre Effektivitat 353. Dazu ist die Kompetenzausdehnung der „generellen de-facto-Regierung" 354 auf den grOBten Teil des Staates, aber dariiber hinaus auch die Gewahr fiir eine gewisse Dauer und Stabilitdt erforderlich 355, m. a. W.: die Durchsetzung einer verfassungsautonomen Ordnung 356. Aus der Fiille von geschichtlichen Beispielen allgemeiner de-facto-Regierungen seien aus neuerer Zeit die Falk der russischen Revolutionsregierungen von 1917 und der deutschen Revolutionsregierung von 1918 genannt. Aus jiingster Zeit bietet sich das Beispiel der Regierung der Zentralen. Volksrepublik China an. Die gleichen Erwagungen, die zur Verneinung des „d.urchgesetzten Staatsstreichs" fiihrten, sind auch hier entscheidend. Angesichts der mit dem Umbruch verkniipften sofortigen StaatsauflOsung und -eingliederung erscheint es zumindest duBerst zweifelhaft, ob vOlkerrechtlich das Bestehen einer defacto-Regierung in Danzig im August-September 1939 nachzuweisen ist. Sollte das entgegen der hier vertretenen Ansicht auf Grund einer anderen Wiirdigung der historischen Vorgdnge bejaht werden, so ergibt sich sogleich die weitere Frage nach der Anerkennung durch Drittstaaten. Nach Ansicht verschiedener Autoren 357 harigt die Wirksamkeit der Rechtsakte einer allgemeinen de-facto-Regierung von der erfolgten Anerkennung dieser Re351 S cheuner, Die Annexion S. 91. 352 Verdro13,VOlkerrecht, 1. Aufl. S. 100f.; Kunz, Die Anerkennung S. 152; Schwarzenberger S. 48; Spiropoulos S. 11ff., 124; Fauchille S. 320. 35 3 Kunz a.a.0. S. 120ff. 354 Man unterscheidet sie von der „lokalen de-facto-Regierung", die nur einen Teil des Staates besetzt halt (Kunz a. a. O. S. 122). 355 Kunz a. a. 0. S. 135; Spiropoulos S. 25; VerdroB, Wilkerrech.t, 1. Aufl. S. 174f. 356 VerdroB, Die Verfassung S. 145. 357 Spiropoulos S. 14. Verletzung vakerrechtlieher Vertrage aura Danzig 91. gierung durch die VOlkergemeinschaft ab. Es ist jedoch Kunz 358 recht zu geben, der den Rechtshandlungen einer Umbruch-Regierung auch dann valkerrechtliche Wirksamkeit beimiBt, wenn die VOlkergemeinschaft die Anerkennung der de-facto-Regierung versagt hat. Die Verweigerung der Anerkennung mit der Begriindung, die Verfassungsdn.derung sei illegitim, w-iirde ein Urteil in sich schlieBen, das dem Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten eines Staates widersprache 359 . Vtilkerrechtlich gilt daher diejenige Regierung als zur Reprasentation nach auBen befugtes Organ, die der Wirklichkeit each die endgiiltige Ilerrschergewalt ausiibt. Die Anerkennung einer de-facto-Regierung ist demgemd13 hinsichtlich der vtilkerrechtlichen Wirksamkeit der von dieser Regierung gesetzten Rechtsakte nur deklaratorischen Charakters. Ihre eigentliche Bedeutung gewinnt sie fiir die Anfnahme diplomatischer Beziehungen 360. Im ubrigen sei bemerkt, daB eine Anerkennung der Danziger Forster-Regierung tatsachlich nicht erfolgt ist 361. BB. Verletzung vOlkerrechtlicher Vertrage Begegnet nach den vorangegangenen ErOrterungen die Annahme eines rechtsgiiltigen Inkorporationsvertrages schon in formaler Hinsicht den schwersten Bedenken, so zeigt eine rberpriifung des angeblichen Eingliederungsvertrags auf seine Vereinbarkeit mit 1939 bereits bestehenden VOlkerrechtsverhaltnissen vollends die Unhaltbarkeit der Vertragsthese. 1) V erletzung vakerrechtlicher V ertrage durch, Danzig Jede illegale Regierung, ganz gleich, ob sie sich schon endgiiltig durchgesetzt hat oder noch nicht, ist an die durch the de jure-Regierung vorher eingegangenen vOlkerrechtlichen Abmachungen gebunden 362. Danzig war Vtilkerrechtssubjekt 363, folglich vOlkerrechtlicher Vertragspartner. Die Souveranitat der Freien Stadt Danzig war aber den oben naher geschilderten Beschriinkungen unterworfen 364. Mit der Aufhebung der Verfassung und den ubrigen MaBnahmen, die den vOlkerrechtlichen Eingliederungsakt begriinden sollten, setzte sich Forster aber fiber die dem Danziger Staat vOlkerrechtlich gezogenen Grenzen der Ilan.cllungsfahigkeit hinweg. Die AngliederungsmaBnahmen. Danzigs griffen in das Danzig-polnische Vertragsverhaltnis (Pariser Vertrag vom 9. 11. 1920 365) und damit zugleich in die auch fur Danzig verbindlichen Normen des Versailler Vertrages ein; sie erfolgten unter Umgehung Polens, dem die Fiihrung der auswartigen 358 A.a.O. S. 163f.; so auch Anzilotti, Lehrbuch S. 133ff. 359 Anzilotti a.a.O. S. 133. 361 Vgl. oben S. 51ff. 360 Kunz a.a.O. S. 163. 362 Anzilotti, Lehrbuch S. 132; v. Liszt S. 47, Kunz a.a.O. S. 141. 364 Oben S. 18f. 363 Vgi. oben S. 20. 365 Vgl. oben S. 19. 92 Verletzung des Versailler Vertrages durch, Deutschland Angelegenheiten der Freien. Stadt oblag und das demzufolge den deutschDanziger Vertrag hatte abschlieBen miissen. Per Vertrag vereitelte auBerdem die der Republik Polen zugestandene Ausubung von Hoheitsrechten im Danziger Hafer und an der Weichsel. Ferner bedeuteten die Eingliederungsakte einen Einbruch in das Rechtsverhaltnis (Garantie- und Schutzverhaltnis) zwischen dem VOlkerbund und. Danzig. II) Verletzung vakerrechtlicher Vertrage durch das Deutsche Reich Auch das Deutsche Reich verletzte mit der Einverleibung Danzigs seine vOlkerrechtlichen Vertragspflichten. 1. Versailler Vertrag a) Der Versailler V ertra,g als Grundlage des veilkerrechtlich,en Status der Freien, Stadt Danzig. Deutschland hatte gemaB Art. 100 Versailler Vertrag (VV) zugunsten der alliierten und assoziierten Hauptmachte auf alle Rechte und Anspriiche auf das Gebiet der spateren Freien Stadt Danzig verzichtet und_ gemaB Vertrag vom 9. 1. 1920 366 zugleich die Ubergabe Danzigs an die alliierten und assoziierten Hauptmachte vollzogen. Per Verzicht geschah unter der in Art. 102 festgelegten Bedingung, daB Danzig durch die alliierten und assoziierten Hauptmachte als Freie Stadt errichtet and unter den Schutz des VOlkerbundes gestellt wurde. Per Versailler Vertrag regelte auch das Schutz- und Garantiev-erhaltnis zwischen. Danzig und . dem VOlkerbund, der die Danziger Verfassung garantieren sollte 367, und die Grundziige des Rechtsverhaltnisses zwischen Danzig und Polen, d. h. die Beschrankung der Souveranitat Danzigs zugunsten von Polen 368 . Im Versailler Vertrag wurde auch vereinbart, daB das Rechtsverhaltnis zwischen Danzig und Palen. unter Zugrundelegung der Bestimmungen des Versailler Vertrages durch einen Vertrag zwischen. Danzig und Polen festgelegt werden. sollte. Auf Grund dieser Vereinbarung wurde spater der Pariser Vertrag von 9. 11. 1920 369 zwischen Danzig und Polen geschlossen. Der Versailler Vertrag bildete somit die Grundlage far : 1. die vOlkerrechtliche Form der zu errichtenden Freien. Stadt Danzig, 2. das Rechtsverhaltnis zwischen Danzig und dem Välkerbund, 3. das Rechtsverhaltnis zwischen Danzig und Polen, 4. die kiinftigen vOlkerrechtlichen Beziehungen zwischen Danzig und dem Deutschen Reich. Mit anderen -Worten: Die Partner des Versailler Vertrages waren. an die Aufrechterhaltung der genannten Rechtsformen, die durch das Vertrags366 labereinkonamen, betreffend die Abtretung der Gebiete von Memel und Danzig; abgedruckt bei Kraus -R Odiger, Bd. II S. 868. 367 Art. 103 VV. 368 Art. 103, 104, 107 VV. 369 Erganzt durch das Warschauer Abkommen. vom 24. 10. 1921 und Zusatzabkommen vom 21. 12. 1921 (vgl. Lewinsky-Wagner S. 442ff., 545ff.). Bindung Deutschlands an den Versailler Vertrag 93 werk in einen rechtlichen Zusammenhang gebracht worden waren, vertraglich gebunden. b) Bindung des Deutschen Reiches an den Rechtsstatus Danzigs. Der Versailler Vertrag wurde allerdings in Deutschland als ungerechte, erzwungene Liisung empfunden 370. Die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, besonders die Epoche des „Dritten. Reiches", war deshalb mit politischen Revisionsversuchen erfiillt. Das Deutsche Reich erklarte am 19. 10. 1933 seinen Austritt aus dem VOlkerbund 371, fiihrte im Marz 1935 die allgemeine Wehrpflicht ein 372, besetzte am 7. Marz 1936 die demilitarisierte Rheinzone, stellte im Februar 1937 die uneingesehrankte Reichshoheit caber die Reichsbank and die Reichsbahn her 373 mid unternahm andere Revisionen des Versailler Vertrages, wobei insbesondere an die Riickgliederung abgetretener Gebiete zu denken 1st. SchiieBlich erkliirte Hitler am 7. 9. 1937 in Niirnberg : „Der Vertrag von Versailles 1st tot!" 374 Im deutschen VOlkerrechtsschrifttum wurden Zweifel an dem viilkerrechtlich einwandfreien Zustandekommen des Versailler Vertrages geauBert 375. Man stiitzte sich im wesentlichen auf eine Verletzung des mit der LansingNote vom 5. 11. 1918 zustande gekommenenVorfriedensvertrages durch die alliierten und. assoziierten Machte und ferner darauf, daB die Annahme des Versailler Vertrages erzwungen worden sei. Dennoch hat dieser Vertrag fiber ein Jahrzehnt lang die anerkannte Gruncllage der europaischen Ordnung gebildet, und die Staatenpraxis 1st von seiner Wirksamkeit ausgegangen. Der VOlkerbun.dsrat hat these Auffassung seinen Entscheidungen zugrunde gelegt 376, und auch der Standige Internationale Gerichtshof hat sich zu dieser Ansicht bekannt 377. Der Internationale Militargerichtshof in Niirnberg ist gleichfalls von der Giiltigkeit der Versailler Vertragsbestimmungen ausgegangen und hat auch die Eingliederung Danzigs als Bruch des Versailler Vertrages bezeichnet 378 . 370 Vgl. VerdroB, VOlkerrecht, 1. Aull. S. 15ff.; Kunz a.a.O. S. 56ff. 371 SdN JO 1934, S. 16. 372 Gesetz vom 16. 3. 1935 (RGB1. I S. 375). 373 Gesetz vom 10. 2. 1937 (RGB1. II S. 47). 374 Vgl. Berber S. 1023. 375 Vgl. Kunz a. a. 0. S. 67ff., 224ff., 278ff. sowie die dort angefiihrte Literatur ; Berber S. 101ff.; VerdroB a.a.O. g. 15ff.; vgl. auch Strupp, Der Versailler Friedensvertrag S. 16f., der den Versailler Vertrag trotz seiner Mangel fiir verbindlich halt; vgl. aus jiingster Zeit Decker S. 115ff. 376 Vgl. den BeschluB des VOlkerbundsrates yam 17. 4. 1935, SdN JO S. 51 (die Einfiihrung der allgemeinen Wehrpflicht wurde als Verletzung des VOlkerrechts bezeichnet) and vom 19. 3. 1936, SdN JO S. 340 (der VOlkerbundsrat stellte auf Anruf der franzOsischen Regierung fest, daB die Rheinlandbesetzung eine Verletzung des Art. 43 VV darstellte). 377 Gutachten vom 2. 4. 1933, A/B Nr. 44 mid yam 4. 12. 1935, A/B Nr. 65. 378 Vgl. INIG Bd. I, S. 242; vgl. auch das Urteil des polnischen Obersten Gerichtshofes yam 7. 7. 1946 im Greiser-ProzeB. Auch hier wird festgestellt, daB die Bindung an den Versailler Vertrag auch miter dem Gesichtspunkt der ,clausula rebus sic stantibus" nicht einseitig geliist warden. konnte (LR Bd. XTII S. 70). 94 Verletzung des Kellogg-Paktes durch Deutschland? Auch Deutschland war an diesen Vertrag gebunden. Nach einem in der Vtilkerrechtswissenschaft iiber wiegend anerkannten Grundsatz wird. ein Staat Burch einseitige LoslOsung oder Nichterfiillung von den Verpflichtungen eine,s välkerrechtlichen Vertrages nicht entbunden 379. Die Tatsache der vertraglichen Verpflichtung ist auch von Deutschland nie bestritten worden. Das Deutsche Reich hat trotz der oft wiederholten politischen Forderung, einen groBen Teil der Versailler Regelungen wieder riickgangig zu machen, standig konkludent zum Ausdruck gebracht, daB es sich rechtlich, an die von ihm unterzeichneten Vereinbarungen gebunden filhlte. Es hat deshalb immer wieder versucht, die Eingliederung Danzigs auf der Grund.lage einer vertraglichen Revision zu erreichen und hat die einseitige LOsung bis zum Jahre 1939 hinausgeschoben, obwohl die Situation in Danzig weit meter nach einer Korrektur verlangte, als das z. B. bei dem vorhergegangenen „AnschluB" Osterreichs der. Fall gewesen war. Es steht somit auBer Zweifel, daB Deutschland im Jahre 1939 an die Regelung des Versailler Vertrages gebunden war. Die Eingliederung verletzte diesen Vertrag und war infolgedessen ein VerstoB gegen das VOlkerrecht. 2. Kellogg-Pakt Eine weitere VOlkerrechtsverletzung kOnnte sich aus dem Kellogg-Pakt vom 27. 8. 1928 ergeben. Dieser wurde von samtlichen GroBmachten und — mit Ausnahme einiger siid.ainerikanischer Staaten — von alien Mitgliedern des VOlkerbundes ratifiziert 38°. Auch Deutschland hat diesen Vertrag unterzeichnet und ihm durch Reichsgesetz vom 9. 2. 1929 m- innerstaatliche Wirksamkeit verliehen. a) Bedeutung des Kellogg-Paktes fur nichtkriegerische Gewaltakte. Im Art.1 des Vertrages erklaren die Vertragsstaaten „feierlich im Namen ihrer VOlker, daB sie den Krieg als Mittel fur die LOsung zwischenstaatlicher Streitfalle verurteilen und auf ihn als Werkzeug der nationalen Politik in ihren gegenseitigen Beziehungen verzichten". GemaB Art. 2 miissen alle Streitigkeiten friedlich erledigt werden. Die Tragweite dieser Vorschriften ist umstritten 383 . Es wird mitunter behauptet, daB auch nichtkriegerische militarische Aktionen unter den Pakt fallen 383. Diese Annahme ist aber nach dem Wortlaut, der den „Krieg" 372 Vgl. Schwarzenberger S. 91; Anzilotti, Lehrbuch S. 337ff., 359f.; Guggenheim, Bd. I S. 104ff., 121; Rousseau, 1944 S. 576, der skk ausdracklieh ftir Weitergeltung des VV ausspricht; so binsiehtlich Danzigs auch Schatzel, Der heutige Stand S. 273ff.; Kaufmann, Der rechtliche Status a. a. O. S. 1 ff. 380 Vgl. Wehberg, Eroberung S. 43; auch Danzig hat mit Wirkung vom 11. 9. 1929 seinen Beitritt erklart (vgl. Crusen-Lewinsky S. 233). 381 RGB1. II S. 27. 382 Vgl. Gottschalk S. 215ff. 383 Vgl. Geib S.38; Keller S. 102; Seelle S. 167; Strupp, Grundzuge S. 200; vgl. auch die „Interpretation des Briand-Kellogg-Paktes" durch die Budapester Tagung der International Law Association im Jahre 1934 (Wehberg a.a.O. S. 101). Verletzung des Kellogg-Paktes durch Deutschland? 95 verbietet, nicht berechtigt. Bereits kurz nach AbschluB des Paktes wurde auch auf diese Lake hingewiesen 384 . Im Urteil des Internationalen Militargerichtshofes in Nurnberg vom 1. 10. 1946 erfuhren die Bestimmungen des Kellogg-Paktes eine weite Au.slegung; denn auch das Vorgehen des Deutschen Reiches gegen Osterreich, die Tschechoslowakei und gegen Danmark warden als Angriffshandlungen gekennzeichnet, durch welche dieser Vertrag verletzt wurde 386. Selbst der Internationale Militargerichtshof hat aber den Fall Danzig nicht zu den „Angriffskriegen" gerechnet undihn. deshalb lediglich eine Verletzung des Versailler Vertrages genannt. Auch dem Urteil des Internationalen Militargerichtshofes liegt also nicht die Annahme zugrunde, daB durch den Kellogg-Pakt auch auBerhalb des „Angriffskrieges" vorgenommene Gewaltakte verurteilt worden sind 386. b) Die Besetzung Danzigs durch das Deutsche Reich enter dem Gesichtspunkt des „Kriegszustandes". Die Eingliederung Danzigs stellt deshalb nur dann eine Verletzung des Kellogg-Paktes dar, wenn sie die Folge eines deutschen Angriffskrieges war. aa) Das deutsche Vorgehen in Danzig. Auf die Frage, ob zwischen Deutschland und Danzig Kriegszustand herrschte, muB — so abwegig die MOglichkeit einer solchen Annahme auch erscheinen mag — kurz eingegangen worden, da ein Zustand kriegerischer Besetzung verschiedentlich bejaht worden ist 387. Die Vertreter dieser Ansieht berufen sich hierbei auf die Tatsache, daB von deutscher Seite nailitarische Vorbereitungen zur handstreichartigen Besetzung Danzigs getroffen worden waren und daB reichsdeutsche Truppen das Gebiet des Freistaates besetzten und Kampfhandlungen gegen einzelne dort befindliche polnische Stiitzpunkte unternahmen. Es mag ferner die Erwagung mitgesprochen haben, daB der deutsche Angriff auf Polen zugleich eine kriegerische Aggressionshandlung gegen das vertraglich mit Polen eng verbundene Danzig gewesen sein kOnnte. Die Betrachtung der Vorgange in Danzig 388 zeigt aber, daB kein Krieg zwischen Deutschland und Danzig gefiihrt worden ist. Es lassen sich zwar in der VOlkerrechtsordnung keine exakten Definitionen far das Bestehen eines Kriegszustandes feststellen. Zu den Mindestvoraussetzungen hierfiir gehOrt aber nicht nur das Einsetzen militariseher Streitkrafte und der Kampf mit Waffen, sondern auch der Wille mindestens eines der Betroffenen zur Kriegsfiihrung 389 . 385 DIG Bd. I S. 241, 243. 384 Wehberg a.a.O. S. 49f. 386 Vgl. im gleichen Sinne V e r dr o .13 , VOlkerrecht, 3. Aufl. S. 514; Wehberg, Die Achtung S. 177; Wehberg, Eroberung S. 49f.; Hold-Ferneck II, 5.249; Oppenheim-Lauterpacht, Bd. II S. 151ff., bes. 184ff. 387 Jellinek S. 213f.; LG Tilbingen vom 2. 3. 1949, DRZ 49, 499; Crusen, Anm. daselbst; Kaufmann a.a.0. S. 4; Volkmann, AuBerung zu Bode S. 2. 388 Oben S. 31ff. 389 Hold-Ferneck, Bd. II S. 240ff.; vgl. auch Guggenheim, Bd. II S. 593ff.; Westlake S. 2. 96 Verletzung des Kellogg-Paktes durch Deutschland? Von deutscher Seite wurde keine Kriegserklarung abgegeben. Die Iiriegserklarung ist ein sicherer Anhalt fiir den Kriegsbeginn 39°. Gerade die neuere Zeit zeigt jedoch, daB uberfallartige Angriffe ebenso zum Kriege fiihren kOnnen.. In Danzig wurden aber auch keine Feindseligkeiten ertifFnet. Die deutsche Besetzung Osterreichs im Zuge des „Anschlusses" im Jahr 1938 billet ein Beispiel dafilr, daB nicht jeder Einsatz von Waffengewalt, nicht jede rnilitarische Besetzung zum Kriege fiihrt. Weder auf deutscher n.och auf Danziger Seite war die Absicht verhanden, Krieg zu fiihren, noch die Annahme gegeben, daB das deutsche Vorgehen Krieg bed.eute. Die Waffen wurden nicht erhoben, Gefechtshandlungen fanden nicht statt. Unter diesen Umstanden kann von einem Kriegszustand zwischen dem Deutschen Reich und Danzig nicht gesprochen werden. bb) Der deutsche Angriff auf Polen. Da Danzig trotz seiner engen vertraglichen Beziehungen zu Polen ein selbstdndiges VOlkerrechtssubjekt war, bezog auch der deutsche Angriff auf Polen Danzig nicht ipso lure mit in den Kriegszustand ein. Der Välkerbundsrat hatte zwar erklart, daB er Polen fiir geeignet halte, im Falle eines Angriffs auf Danzig die Verteidigung zu ilbernehmen, doch bedurfte es hierfiir, so wurde ausdriicklich erklart 391, eines besonderen. Auftrages durch den VOlkerbund, bzw. den Ilohen Kommissar. Ein solcher Auftrag ist nicht erteilt worden. Es kann somit festgestellt werden, daB zwischen Deutschland und Danzig kein Kriegszustand herrschte. Die Berufung auf den Kellogg-Pakt zur Verurteilung des deutschen Verhaltens beziiglich Danzigs geht also fehl. CC. SchluBfolgerung (Bewertung der vertraglichen Inkorporation) Aus den ErOrterungen fiber die Eingliederung als vertragliche StaatsInkorporation ist folgendes zu entnehmen: 1. Die välkerrechtliche Vertretungsbefugnis des auf seiten Danzigs als Vertragspartei handelnden Organs unterliegt zumindest erheblichen Bedenken; 2. der vOlkerrechtliche Akt des Vertragsschlusses zwischen Danzig und Deutschland war fehlerhaft. Beide Vertragsparteien verstieBen gegen. vOlkerrechtliche Bestimmungen, die fiir beide Partner in gleicher Weise verbindlich waren. Wo ist nun die Grenze zwischen der auf einem „Staatsstreich" beruhenden. vertraglichen Inkorporation und einer einseitigen Inkorporation? Da beide Sukzessionsformen ineinander iibergehen, besteht die Gefahr, daB der in39° Hold-Ferneck, Bd. II S. 240. m Beschlul3 des VOlkerbundsrates vom 22. 6. 1921; abgedruckt : L ewinsky Wagner S. 284. Einseitige Inkorporation Burch Annexion? 97 korporierende Staat den einseitigen Akt als vOlkerrechtlichen Vertrag tarnt und dadurch die Rechtswidrigkeit seines Eingriffs zu verschleiern sueht. Eine Inkorporationsvereinbarung zweier Staaten, bei der die Erklarungen des einen Partners durch eine „allgemeine de-facto-Regierung" abgegeben werden, die sich durchgesetzt hat, ist eM vOlkerrechtlicher Vertrag 392 . Eine ebensolche rbereinkunft mit einem Staatsorgan, das nur zum Zwecke der Durchsetzung der Inkorporation die Herrschaft an sich gerissen hat, wird dagegen in den meisten Fallen Bestandteil eines einseitigen Einverleibungsaktes sein 393. Das trifft auch fiir die Danziger Wiedervereinigung zu, da Forster erwiesenermaBen im Auftrage Hitlers gehandelt and mit dem „Staatsstreich" uno actu die Staatsaufliisung und Angliederung (durch das „Staatsgrundgesetz") erklart hat. Hinzu kommt, daB beide Vertragspartner gemeinsam gegen vOlkerrechtliche Bestimmungen verstoBen haben. Es ware deshalb in diesemFalle verf ehlt, den einverleibenden Staat dadurch soh-Utz en zu wollen, daB man die verfassungsbriichige andere Partei als vertretungsbefugte de-facto-Regierung bezeichnet. Demnach muB davon ausgegangen werden, daB sowohl der StaatsauflOsungsakt als auch der vOlkerrechtliche Vertrag rechtsungiiltig gewesen sind. Also geschah die Wiedervereinigung nicht als Folge eines Vertrages, sondern erfolgte vielmehr durch einen einseitigen Akt. II. Die Eingliederung als einseitige Inkorporation I. Titel: Annexion Im folgenden soil untersucht werden, ob die Wiedervereinigung als Annexion zu werden ist und ob Deutschland im Jahre 1939, nach dem damaligen Stande des Viiikerrechts, mit der Annexion. Danzigs dessen Einverleibung in den Gebietsbestand des Deutschen Reichs rechtswirksam herbeigefiihrt hat. AA. Formelle Voraussetzungen der Annexion I) Ifferkmale der Annexion Rrend „Zession" die vertragliche Form des vOlkerrechtlichen. Gebietserwerbs ist, bezeichnet man mit „Annexion" die einseitigen Akte des Gebietserwerbs, auBer der „Okkupation" herrenlosen Gebietes. Bei der Verwendung des Wortes „Annexion" als Rechtsbegriff ist Vorsicht geboten, weil dieses Wort in der Reehtswissenschaft mit versehiedenen Bedeutimgen gebraucht wird. Diese Divergenzen sind insbesondere darauf zuriickzufaren, daB gerade in den letzten Jahrzehnten auf dem Gebiet des Viiikerreehts der Gebietshoheitsveranderungen ein erheblicher Wandel zu ver392 Ein soleher bilateraler Vertrag kann trotz Verletzung eines vorher ge- sehlossenen Kollektivvertrages, an dem beide Parteien beteiligt sind, fiir diese rechtsverbindlich sein. Das ergibt sich aus dem Grundsatz der Relativita der viilkerreehtliehen Pflie)xten, vgl. V er dr oB , VOlkerreeht, 3. Aufl. S. 130, 147. 393 So wurde der .AnsebluB Osterreichs 1938 und der Staaten Toskana, Parma und Modena im Jahre 1860 als Annexion bezeichnet (unten S. 1031.). 7 7467 BOttcher, Danzig 98 Begriff der Annexion, zeichnen ist 394. Einige Autoren verstehen unter „Annexion" die kriegerische Eroberung 395, andere jede gewaltsame Einverleibung 398. Hierbei unterscheiden sich wiederum diejenigen, die miter Annexion den vollendeten Gebietserwerb nach erfolgter Annexionserklarung 397, evtl. nach einem Friedensvertrag 398 oder sogar erst nach internationaler Anerkennung 399 verstehen, von denen, die mit Annexion lediglich die Annexionserklarune w oder die Tatsache des Einverleibens nach eingetretener Eroberung bzw. Unterwerfung meinen 401. Es wird also unterschieden zwischen Amiexion als Bezeichnung des Zustandes der vollendeten Einverleibung und Annexion in der Bedeutung der nitigkeit des gewaltsamen Eingliederns. Der Annexionsbegriff wird dabei mehr oder weniger weft gefaBt. Einerseits wird unter Annexion nur der die Eingliederung vollziehende Rechtsakt verstanden, der den tatsachlichen Vorgang der StaatszerstOrung voraussetzt, andererseits der im angloamerikanischen Recht mit „subjugation" (debellatio oder conquest + Annexion) 402 bezeichnete Gesamtvorgang der . Einverleibung. Es wird hier davon abgesehen, auf die versehiedenen in der Välkerrechtsdoktrin fiir einseitige Gewaltakte gepragten Begriffe (debellatio, conquest, subjugation usw.) einzugehen so-wie die einzelnen Theorien zu ertirtern 403. Es geniigt, festzustellen, daB each iiberwiegender Ansicht die nichtvertragliche Aneignung fremden Staatsgebietes, ganz gleich, wie sie bezeichnet wird, an das Vorhandensein eines objektiven und eines subjektiven Moments gekniipft ist 4134. Objektiv -wird die vollstandige Unterwerfung, subjektiv die Aneign-ungsabsicht verlangt. Dem Inkorporationswillen muB durch Rechtsakt Ausdruck verliehen werden 495. Es ergibt sich demnach eine Definition, die auch im folgenden zugrirnde gelegt wird: Mit Annex-ion wird der gewaltsame Gebietserwerb, also die einseitige, gewaltsame Ausdehnung der tatstichlichen Gewalt eines Staates (Erwerberstaat) auf das gesamte zu erwerbende Gebiet eines anderen Staates mit der Erklarnng des Erwerberstaates, sich das beherrschte Gebiet einverleiben zu wollen, bezeichnet. Diese Definition enthalt die Merkmale, welche sowohl die anglo-amerikanische als auch die kontinentale VOlkerrechtslehre tar die Unterscheidung 394 Vgl. Menzel, Deutschland S. 58. 395 So Wehberg, Eroberung S. 88 ff. 396 So Schatzel, Die Annexion 1920, S. 8, 125. 397 Abendroth, NJ 47, 73; H.-J. Jellinek S. 111; v. Kempski, zit. nach Sti5dter S. 67; Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Anfi., 1. Druck 1921, 5.284; Schonborn S. 87. 398 Scheuner, Die Annexion S. 81; vgl. auch Schônborn S. 19ff. 399 Schatzel, Die Annexion 1920, S. 125. 469 Sauer, System des Vakerrechts S. 142; v. List S. 93; v. Dassel S. 8. 401 V. Liszt-Fleischmann S. 150; Oppenheim-Lauterpacht, Bd. 2 S. 600; StOolter S. 67. 402 Menzel a.a.O. S. 59f. 403 Vgl. hierzu die Zusammenstellung bei Menzel a.a.O. S. 57ff.; H.-J. Jellinek S. 111ff.; StOdter S. 66ff.; Greve S. 48f., 54. 404 Vgl. H. -J. Jellinek S. 112; StOdter S. 68. 405 Vgl. Menzel a.a.O. S. 60. Annexion Danzigs? 99 der nichtvertraglichen Einverleibung fremden Staatsgebietes von der vertraglichen Eingliederung verwendet 4°6 : 1. Das Vorgehen des Annektierenden muB ein einseitiger Gewaltakt sein, 2. der Annektierende muB das gesamte zu annektierende fremde Staatsgebiet in Besitz nehmen, d. h. er muB die tatsachliche Gewalt vollstandig erlangen, 3. each Inbesitznahme muB der Annektierende eine Erklarung abgeben, aus der die VOlkergemein.schaft seinen Willen zu erkennen vermag, die territoriale Souveranitat auf das fremde Staatsgebiet auszudehnen. II) Die Eingliederung Danzigs enter dem Gesichtspunkt der Annexion 1. Gewaltsamkeit des deutschen V orgehens Aianexionen wurden meistens als Folge eines Krieges vorgenommen. In solchen Fallen ist es nicht schwer, das Merkmal der Gewalt nachzuweisen. Nun hat die Untersuchung ergeben, daB Deutschland die Eingliederung vornahm, ohne gegen Danzig Krieg gefiihrt zu haben. Die Staatenpraxis zeigt jedoch, daB der Krieg nicht das einzige Mittel der Gewalt ist, dessen sich die Staaten bedient haben, um ihr Gebiet zu vergrOBern. Es gibt zahlreiche Beispiele, die beweisen, daB Annexionen auch ohne vorherige Entfesselung eines Krieges vorgenommen werden kOnnen 4°7. Es sei her an die Annexion Krakaus durch Osterreich im Jahre 1846, an die Einverleibung mittelitalienischer Fiirstentiimer in das KOnigreich Sardinien im Jahre 1860 und des Kirchenstaates durch Italien im Jahre 1870 erinnert. Beziiglich Danzigs wurde nun bereits festgestellt, daB eine giiltige vOlkerrechtliche Vereinbarung schon aus dem Grunde nicht zustande gekommen war, weil fiir Danzig kein verfassungsmaBiges Organ handelte. Sind die AuBerungen Forsters (das Staatsgrundgesetz und sein Telegranaro. an Hitler) nicht Erklarungen einer Vertragspartei, so kiinnen sie genausowenig als Zustimmung Danzigs zur Einverleibung gewertet werden. Zur Untersuchung der Frage, ob das Deutsche Reich tatsachlich die Einverleibung Danzigs mit Mateln der Gewalt betrieben hat, ist es erforderlich, den Einverleibungsvorgang in seinem gesamten tatsachlichen Zusamrnenhang zu betrachten. Aus dem in Teil I dargestellten geschichtlichen Ablauf laBt sich unzweideutig das standige tatkraftige Bestreben der Reichsregierung entnehmen, Danzig wieder in das Gebiet des Deutschen Reiches einzutiigen. Urn dem Vorwurf einer Politik der Gewalt zu entgehen, ver .suchte Hitler, das formate Einverstandnis Danzigs zu erreichen, indem er die verfassungs- and viilkerrechtswidrige Einsetzung des Gauleiters Forster als „Staatsoberhaupt" bewirkte. Forster war lediglich ein willfahriges Werkzeug Hitlers, als er diesen „bat", „die Wiedervereinigung Danzigs in das Deutsche Reich zu vollziehen". 466 Vgl. Sehatzel, Die Annexion 1920, S. 50ff.; H.-J. Jellinek S. 111f.; StOcIter S. 62; Menzel a.a.O. S. 60. Vgl. Sehatzel, Die Annexion 1920, S. 155ff. 7* 100 Annexion Danziga? Deutschland erhob nicht nur die Forderung auf Riickgliederung Danzigs, sondern es hatte den Willem, den WiederanschluB auch gegen Widerstand, gegebenenfalls mit Waffengewalt, durchzusetzen, and zwar gegebenenfalls auch gegen den mOglichen Widerstand derjenigen Danziger, die trotz ihrer deutschen Gesinnung gewillt waren, sich an die vOlkerrechtlichen Vereinbarungen and Bindungen zu halten. Kann somit an der Gewaltsamkeit der Einverleibung nicht mehr gezweifelt werden, so stellt sie sich als einseitiger Gewaltakt im Frieden dar. Man kOnnte these durch Gewaltanwendung im Frieden erreichte Eingliederung als „nichtkriegerische Annexion" bezeichnen, falls die anderen Merkmale einer Annexion ebenfalls vorliegen. 2. Inbesitznahme Zur Feststellung, ob Deutschlands Organe die tatsachliche Gewalt erlangt haben, genfigt der Hinweis auf die Tatsache, daB Danzig von 1939 bis 1945 unter deutscher Herrschaft gestanden hat. Eine Priifung, ob die deutsche Inbesitznahme auch als endgiiltig im Slime einer wirksamen Einverleibung mit Untergang des Danziger Staates anzusehen war, ist zur Beantwortung der Frage, ob der Tatbestand der Annexion erfiillt ist, nicht erforderlich. 3. Annexionserkkirung Eine Annexion liegt aber erst dann vor, wenn der Annexionswille durch eine fiir die Volkergemeinschaft erkennbare Erklarung zum Ausdruck gekommen ist 408 . Die Annexionserklarung erfolgte durch die Verkiindung des Reichsgesetzes vom 1. 9. 1939 und in der Rede Hitlers im Reichstag. Da eine besondere Notifikation an die fremden Staaten nicht notwendig war 408, geniigte the Wiedergabe in Presse und Rundfunk dem Erfordernis der Bekanntmachung an die VOlkergenaeinschaft 410. BB. Frage der Rechtmal3igkeit oder Rechtswidrigkeit der Annexion Es muB nun untersucht werden, in wieweit durch eine gewaltsame Einverleibung fremden Staatsgebietes (Annexion) im Jahre 1939 ein, rechtsbest5ndiger Gebietsiibergang moglich war. I) Kriegerische Annexion Das VOlkerrecht des ausgehenden Mittelalters kannte noch die „Eroberung" als Rechtstitel m. Die vollstandige Besetzung and Unterwerfung geniigte zum giiltigen Erwerb des eroberten Gebietes 43-2. Entsprechend der 408 Vgl. SchOnborn S. 87; G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 1921, S. 295; Schatzel, Die Annexion 1920, S. 52. 4° Vgl. oben Anna. 346. 410 Vgl. oben S. 88f. 411 Siehe statt anderer Wehberg, Eroberung S. 88. 412 Zahlreich waren die Versuche rechtlicher Konstruktionen. So wurde die Eroberung beispielsweise als Unterfall der „Okkupation" angesehen (Schatzel, Die kriegerische Annexion 101 mittelalterlichen Kriegsauffassung waren noch bis zum Beginn der Neuzeit nicht nur der Krieg, sondern auch die kriegerische Einverleibung von Gebieten statthaft 413. Diese dem Sieger zugebilligte Annexionsfreiheit fiihrte zu der Forderung, den Annexionswillen bekanntzugeben. Unter „Eroberung" verstand man nun nicht mehr die bloBe Inbesitznahme mit der selbstverstándlichen. Rechtsfolge der Einverleibung, sondern die „kriegerische Annexion" 414, also kriegerische Inbesitznahme mit Einverleibungserklarung, wobei erst diese Annexionserklarung den endgultigen rbergang der Gebietshoheit herbeiftihrte. Mit der Entwicklung der modernen europaischen Nationalstaaten im 19. Jahrhundert und dem Sieg des Posivitismus gewann der Gedanlze Gestalt, daB Kriege und Gebietserwerbungen fur das Vaterland gerechtfertigt seien 415. Aus der Souveranitat folgte nach damaliger Ansieht das freie Recht auf Kriegfiihrung und das Prinzip der Annexionsfreiheit. Noch auf den Haager Konferenzen von 1899 und 1907 und im ersten Weltkrieg herrschte diese Auffassung vor. Die Entscheidung zum Krieg war keine Rechtsfrage, sondern eine Frage des politischen Ermessens. Schranken -wurden lediglich insofern errichtet, als die Kriegfiihrung selbst der rechtlichen Regelung unterworfen wurde (Kriegserklarung, Kriegsgefangenenrecht usw.) 416 und als fiir die Folgen einer Annexion gewisse Regelungen zum Schutze der betroffenen Beviilkeru.ng getroffen wurden. „Bei dem heutigen Stande der internationalen Organisation ist die Annexion noch eine Notwendigkeit", schrieb Schatzel im Jahre 1920 417, obwohl er damals schon von der Rechtswidrigkeit von Eingriffen in fremde Staatsspharen wider den Willen der betroffenen Staaten uberzeugt war. Er gestand damit eM, daB die Internationale Ordnung noch der Willkiir ihrer einzelnen Glieder unterworfen war. Zwischen dem ersten Weltkrieg und dem Jahre 1939 ist pier jedoch ein entscheidender Wandel zu verzeichnen. Bereits der VOlkerbund hat den Gedanken der Kriegsverhiitung belebt. § 10 der Viilkerbundssatzung enthielt die Verpflichtung der gegenseitigen Achtung der Unversehrtheit des Gebietes, jedoch noch kein Kriegsverbot. Zunachst scheiterten alle weiteren Versuche zur Festigung der vertraglichen Einschrankung des jus ad bellum. Das sogenannte „Gen.fer Protokoll" vom 2. 10. 1924 — einer jener VerDie Annexion 1920, S. 151), weil durch vollstandige Unterwerfung die Staatsgewalt gebroehen, das Gebiet herrenlos geworden sei. Die „Eroberung" im Idassischen Sinne ist als Erwerbsgrund im neuzeitlichen VOlkerrecht nicht mehr anerkannt worden (vgl. Schatz el , Die Annexion 1950, S. 21; Der Friede S.333; Die Annexion. 1920, S. 149; Mattern S. 7; Wehberg a.a.O. S. 88ff). 413 Vgl. Sauer a.a.O. S. 273; Wehberg a.a.O. S. 89f. 414 Sch.atzel, Die Annexion 1920, S. 125; 1950, S. 11. 415 Vgl. Sauer a.a.O.; Schdtzel, Die Annexion 1920, S. 126ff. 416 Haager Abkommen vom 18. 10. 1907 caber den Beginn der Feindseligkeiten, RGB1. 1910 S. 82, und Haager Landkriegsordnung vom gleichen Datum, 417 Die Annexion 1920, S. 200. daselbst S. 107. 102 Die nichtkriegerische Annexion suche fand noch keine Billigung. AuBerhalb des Rahmens des VOlkerbundes wurde aber schlieBlich der vertragliche Verzicht auf den Krieg als Mittel fur die L6sung internationaler Streitfalle durch den Briand-KelloggPakt im Jahre 1928 durchgesetzt 418. Der Sanktionskrieg und der Verteidigungskrieg wurden noch nicht von diesem Vertragswerk erfaBt. Durch das Verbot des Angriffskrieges entfiel aber nunmehr die Rechtsgrundlage der kriegerischen G-ebietserweiterungen. Die kriegerische Annexion auf Grund eines Angriffskrieges war jetzt volkerrechtswidrig, nach Ansicht einiger Autoren sogar Nach dem bisher gewonnenen Ergebnis handelte das Deutsche Reich volkerrechtswidrig, falls eine nichtkriegerische Annexion nicht anders zu beurteilen ist als die „Eroberung", d. h. die kriegerische Annexion. II) Nichtkriegerische Annexion 1. Die Bedeutung gewaltsamer Gebietserweiterungen als Steirung der V Olkerrechtsordnung Zur Klarung der Frage, ob auch die im Frieden erfolgte Annexion im Jahre 1939 volkerrechtswidrig war, nauB zunachst gefragt werden, ob es entscheidend darauf ankommt, daB der Krieg als Mittel zur Durchsetzung der Gebietsforderung erklart wurde, oder sich ein anderes Moment auffinden laBt, das, der Einverleibungshandlung inhareiat, die Annexion der rechtlich negatives Bewertung aussetzt. Per Angriffskrieg ist far rechtswidrig erklart worden, damit Mensch,en vor Gewaltakten geschiltzt werden. Es sollte aber auch verhindert werden, daB jeder Staat beliebig durch gewaltsame Handlungen die territoriale Integritat eines fremden Staates antastet. Ideen wie das Selbstbestimmungsrecht und die Wahrung der Menschenrechte wurden allmahlich zu Postulates der internationalen Ordnung. Sie fanden im Kriegs- und Eroberungsverbot ihren — allerdings nur unvollkommenen — Niederschlag. Da es nun aber im Wesen dieser Prinzipien liegt, die Souveranitat der Staaten vor gewaltsamen Vbergriffen zu bewahren, liegt die Vermutung nahe, daB lede Art von Gewaltakt und jede Art von gewaltsamer Gebietserweiterung — auch ohne Krieg — volkerrechtswidrig ist. Per Einwand, das Unterlassen des Kriegseintritts sei als Einverstandnis zu werden, -und die nichtkriegerische Annexion sei aus diesem Grunde rechtmaBig, wird durch die tlberlegung entkraftet, daB, ware nur die kriegerische Annexion rechtswidrig, jeder Staat gezwirngen sein wurde, von sich aus Kriegshandlungen zu begehen, um zu verhindern, daB er auf diese — nichtkriegerische Weise annektiert wird. Deshalb erscheint auf den ersten Buick wahrscheinlich, daB das VOlkerrecht — als Vertrags- oder Gewohnheitsrecht bereits im Jahre 1939 auch nicht418 RGB1. 1929 II, S. 2'7. 419 Vgl. Wehberg, Eroberung S. 101ff. (bes. 104); Schroeder, StaatsangehOrigkeit S. 50ff., 64. Die nichtkriegerische Annexion im VOlkerrecht 103 kriegerische Gewaltakte verurteilte, eine Frage, die im folgenden genauer zu untersuehen sein wird. 2. Vertragsrecht a) Art. 10 der VOlkerbundssatzung. Durch these Bestimmung verpflichten sich die Mitglieder des VOlkerbundes, „die Unversehrtheit des Gebietes und die bestehende politische Unabhangigkeit aller Bundesmitglieder zu achten und gegen jeden auBeren Angriff zu wahren." Das Deutsche Reich gehOrte im Jahre 1939 nicht mehr dem VOlkerbund an, so daB Art. 10 der Välkerbundssatzung damals nicht mehr Deutschland verpflichtendes Vertragsrecht war. Aber wenn Deutschland auch nicht mehr Mitglied des VOlkerbundes war, so blieb es doch als Mitglied der VOlkergemeinschaft an deren Rechtsordnung gebunden. Es wird daher noch zu priifen sein, ob das in diesem Artikel enthaltene Rechtsprinzip im Jahre 1939 schon. Bestandteil des allgemeinen Välkerrechts geworden war. Vorher muB jedoch noch der Briand-Kellogg-Pakt Erwahnung finden. b) Kellogg-Pakt. Dieser Pakt, Kriegsachtungspakt genannt, verbietet, wie oben 42° dargestellt wurde, nicht die nichtkriegerischen Angriffe. Ohgleich es nicht an Versuchen gefehlt hat, ihn extensiv auszulegen, war doch im Jahre 1928 die Entwicklung noch nicht reif fiir das hickenlose vertragliche Verbot der Gewalthandlung, denn Verbot bedeutet mehr als bloBe Feststellung der Rechtswidrigkeit. Die Anwendung von Gewalt au/3erhalb des Krieges ist durch den Kellogg-Pakt nicht untersagt word.en 4a. 3. Volkergewohnheitsrecht Die Beispiele nichtkriegerischer Annexionen sind, gemessen an den Beispielen kriegerischer Annexionen, nicht sehr zahlreich 422. Die Vberpriifung der Staatenpraxis ergibt hier aber, daB solche Eingriffe bereits um die Mitte des 19. Jahrhunderts, obwohl sich eM Gewohnheitsrecht noch nicht entwickelt hatte, als rechtswidrig angesehen wurden. Eine Unterscheidung zwischen Annexion im Kriege and auBerhalb des Krieges wurde hinsichtlich der Frage each dem Unrechtsgehalt nicht vorgenommen. EM Vergleichsfall aus dem 19. Jahrhundert ist die Annexion mittelitalienischer Gebiete im Jahre 1860 im Zusammenhang mit der Einigung Italiens unter KOnig Victor Emanuel von Sardinien. Auch hier bediente sich der Annektierende zur Verwirklichung seiner Absicht, die Staaten Toskana, Parma und Modena zu erwerben, revolutionarer Bewegungen, mit deren Hilfe er die tatsachliche Gewalt erlangte. Erst die nachtragliche Anerkennu_ng durch das Ausland heilte die Rechtswidrigkeit dieser Einverleibungen 423. Weitere Falle sind die Annexionen des Freistaates Krakau durch Osterreich im Jahre 1846 421, des Kirchenstaates durch Italien, 420 S . 94f. 421 Vgl. Anm. 386. 422 Vgl. die Zusammenstellung bei S ehdtz el , Die Annexion 1920, S. 13 ff.,155 ff. 424 Daselbst S. 16. 423 Daselbst S. 21ff. 104 Die nichtkriegerische Annexion, im VOlkerrecht 1870 425 der tiirkischen Provinzen Bosnien und der Herzegowina durch die Donaumonarchie 1908 426, von Korea durch Japan 1910 427, von Luxemburg durch Deutschland sowie des Fiirstentums Albanien durch Italien im 1. Weltkrieg 428. Per Mandschureikonflikt im Jahre 1932 entsprach — soweit der Begriff der gewaltsamen Gebietsveranderung in Frage steht — im wesentlichen den Vorgangen in Danzig 429. Japan intervenierte mit Waffengewalt (ohne jedoch Krieg zu fiihren) und erzwang die LoslOsung der Mandschurei von China. Japan annektierte diese zwar nicht, aber schuf statt dessen einen Neustaat enter seinem EinfluB. Das Vorgehen Japans wurde sofort seitens des AuBenministers der Vereinigten Staaten, Stimson, schari beanstandet, von diesem fiir rechtswidrig erklart und von den Vereinigten Staaten nicht anerkannt (Stimson-Doktrin) 430. Per Erklarung Stimsons folgten Erklarungen des VOlkerbundsrates und der VOlkerbundsversammlung 431, die keinen Zweifel daran lieBen, daB sick ein. VOlkergewohnheitsrecht dahingehend gebildet hatte, daB jede Art von gewaltsamer Gebietserweiterung nunmehr rechtswidrig war. Aus neuester Zeit ist das Beispiel des ästerreichischen „Anschl-usses" besonders geeignet, zum Vergleich herangezogen zu werden, bestand doch hinsichtlich Planung und Durchfiihrung dieser Einverleibung zum Palle Danzig auffallende rbereinstinamung. Auch in Osterreich gelang es Hitler, einen Regierungswechsel zu erzwingen und dadurch das formale Einverstandnis Osterreichs fur den AnschluB zu erreichen 432. Wenn auch spater die Anerkennung des durch den „AnschluB" geschaffenen Zustandes erfolgte — die im Verlaufe des 2. Weltkrieges iibrigens durch die alliierten Hauptmachte widerruf en wurde 433 —, so bestand doch kein Zweifel an der urspriinglichen Rechtswidrigkeit des deutschen Vorgehens 434. Im Urteil des Internationalen Militargerichtshofes in Nurnberg wurde der „AnschluB" sogar als Angriffskrieg mit nachfolgender Annexion bezeichnet 435, obwohl ein Krieg tatsachlich nicht ausbrach. Auch eine nichtkriegerische Annexion war also nach der im Jahre 1939 geltenden Volkerrechtsordnung rechtswidrig. CC. Anerkennung Die Rechtswidrigkeit von Gebietsveranderungen kann nach modernem VOlkerrecht aber durch Anerkennung anderer Staaten geheilt werden 436. 425 Daselbst S. 22 428 Daselbst S. 25. 428 Daselbst S. 34, 157. Daselbst S. 155 427 439 Daselbst 1. c. 429 Vgl. H.-J. Jellinek S. 138. 432 Vgl. Schroeder a.a.O. S. 60f. 431 Siehe unten S. 138. 433 Durch die gemeinsame Erklarung caber die Drei-Machte-Konferenz in Moskau vom 30. 10. 1943, abgedruckt in AJIL Bd. 38 Suppl. S. 7 (1944). 434 Heinl S. 45; H.-J. Jellinek S. 142ff.; Garner S. 421ff.; Schatzel, Per heutige Stand S. 293ff. 435 IdG I S. 213--216. 438 Menzel, Rechtsgutachten 1953 S. 5ff.; Schatzel, Die Annexion 1920, S. 152ff.; 1950, S. 1ff.; Oppenheim-Lauterpacht, Bd. 1 S. 137. Heilung rechtswidriger Annexionen 105 So kann die VOlkergemeinschaft unrechtmaBig geschaffene Zustande durch Anerkennung, d. h. durch Verzicht auf Geltendmachung der UnrechtmaBigkeit, nach und nach wieder in rechtmaBige iiberleiten. Es ware also zu fragen, ob andere Staaten durch eine Anerkennung der Eingliederung Danzigs, trotz der Rechtswidrigkeit der zugrunde liegenden Handlungen, erkennen lieBen, daB sie sich mit dem neuen faktischen Zustand auch rechtlich abgefunden hatten. Es ist nicht erforderlich, daB die Gesamtheit der Staaten ihre Anerkennung zum Ausdruck bringt. Die Mehrzahl bzw. die wichtigsten Staaten miissen sich aber an dem Akt beteiligen 437, weil die Anerkennung sich sorest nur im Verhaltnis der Anerkennenden zum betroffenen Staat auswirken karua. Hinsichtlich Danzigs ist eine Anerkennung (auBer vielleicht durch konkiudente Handlung seitens der Biindnispartner Deutschlands) weder de facto noch de jure erfolgt. DD. Zusammenfassung Aus dem Dargestellten ergibt sich : Die deutschen. MaBnahmen waren formell eine Annexion. Nach der im Jahre 1939 geltenden Viilkerrechtsordnung war jede Annexion rechtswidrig, selbst wenn sie sich bei gegebener Machtilberlegenheit der einen Seite in auBerlich friedlichen Formen abspielte 438. In dieser Beziehung war belanglos, ob die Annexion mit kriegerischen Mitteln oder auBerhalb des ICrieges erfolgte 439. Somit war auch die Annexion Dan zigs volkerrechtswidrig. Die VOlkerrechtswidrigkeit des Annexionsaktes hatte durch Anerkennung der Staaten geheilt werden kiinnen; eine solche Anerkennung ist aber ausgeblieben. Besetzung" AA. Abgrenzung von „Annexion" und „occupatio bellica" Mit dem Ergebnis des 1. Titels ist noch nicht entschieden, ob der Annexionsakt infolge seiner Rechtswidrigkeit auch rechtsunwirksam ist. Im Viilkerrecht herrscht der Grundsatz der Effektivitat. VOlkerrechtswidrige Akte sind nicht zugleich auch rechtsungiiltig. War die Annexion ein wirksamer Erwerbstitel, so waren nicht nur alle mit ihr im Zusammenhang stehenden Gesetzgebungsakte (wie Verleihung der StaatsangehOrigkeit, Vermtigensverffigungen, rberfiihrungen von Gesellschaften in deutsche ICOrperschaften des Offentlichen Rechts usw.) wirksam, sondern auch der Danziger Staat untergegangen. VOlkerrechtlich bestanden dam lediglich Ansprii.che der Verletzten auf Wiedergutmachung, Herstellung oder RU Anahme, bzw. auf Nichtanwendung der erlassenen Akte. Dieses paradox 437 Vgl. Menzel, Reebtsgutachten 1953 S. 9. / 438 Vgl. Scheuner, Die Annexion S. 81. 439 Vgl. Wehberg, Eroberung S. 117; Langer S. 111. 2. Titel: 106 Annexionen und „occupatio bellica" scheinende Nebeneinander von Rechtswidrigkeit und (vorlaufiger) Reehtswirksamkeit entspricht in der Tat der Staatenpraxis 4". Eine Ausnahmeregelung besteht aber hinsichtlich der Annexionen, die wahrend einer „occupatio bellica" erklart werden. Die „occupatio bellica" ist ein ldar geregelter vOlkerrechtlicher Tatbestand. Durch sie wird nur ein tatsachliches Verhaltnis zum okkupierten Staat geschaffen, d. h. der Okkupant ist beschrankt auf die Ausubung der tatsachlichen Herrschaftsgewalt, ohne selbst zum Trager der Staatsgewalt des okkupierten Staates zu werden. Die „occupatio bellica" ist kein Erwerbstite1 441. Sie wird erst beendet, wen.n entweder der okkupierte Staat wieder in seine Rechte eingesetzt ist oder die Rechtslage infolge Zession oder durchgesetzter Annexion eine Anderung erfahren hat. Solange der Kampf nicht entschieden ist, darf eine Anderung nicht vorgenommen werden. Der Okkupant ist an die Vorschriften der Haager Landkriegsordnung auch dann gebunden, wenn sie nicht als VOlkervertragsrecht zwischen ihm und dem Okkupierten gilt 442, zumindest soweit sie Vijlkergewohnheitsrecht geworden sind 442. Im Stadium der „occupatio bellica" ist eine Annexionserklarung also absolut unwirksam 444. Geschichtliche Beispiele fiir verfriihte Annexionserklarungen. sind: Die Annexion der Burenstaaten durch England 1900, von Tripolis durch Italien 1911, Polens 1939, Eupen-Malmedys 1940. Man kann hiernach grundsatzlich zwischen „Annexion" und „occupatio bellica" in folgender Weise unterscheiden: Annexion zielt auf Erwerb, Okkupation ist bloB Besetzung ohne Erwerb ; Annexion erfordert Erwerbswillen 445, wahrend das subjektive Moment far die „occupatio bellica" unerheblich ist. Die Tatsache der Besetzung ist fiir die Erfiillung des Tatbestandes ausreichend (Art. 42 IMO). Auch Besetzung mit Erwerbswillen kann infolgedessen „occupatio bellica" sein; Annexion, jedenfalls kriegerische Annexion, setzt die „occupatio bellica" voraus. Die „occupatio bellica" ist ein objektives Tatbestandsmerkmal der „kriegerischen Annexion". Sie dauert bis zur Beilegung der Auseinandersetzung, auf der sie beruht 446. Wenn nun nach dem VOlkerrecht der wahrend der „occupatio bellica", also vor der Streitentscheidung, vorgenommene Akt der kriegerischen Annexion rechtsungiiltig ist, muB gefragt werden, ob diese Rechtswirkung 440 H.-J. Jellinek S. 243; VerdroB, VOlkerreeht, 3. Auft. S. 61ff.; 81f., Sehatzel, Per heutige Stand S. 306; Triepel S. 263. 441 Vgl. oben S. 100ff. 442 Laun, Haager Landkriegsordnung S. 67ff.; IMG I S. 285; IL-J. Jellinek S. 112ff., 240ff. 443 Laun, Haager Landkriegsordnung S. 19, 54; Grewe S. 109f. 444 Bode a.a.0. S. 41f.; IL-J. Jellinek S. 250; Mattern S. 24; Sehatzel, Per Friede S. 339; ders., Die Annexion 1920, S. 149; Scheuner, Die Annexion S. 88ff.; Verdro B, Vôlkerrecht, 3. Aufl. S. 212. 445 Die kriegerische Besetzung des Deutsehen Reiches 1945 ist schon aus diesem Grunde keine Annexion gewesen. Es fehlt der subjektive Tatbestand der Annexion. 446 11.-J. Jellinek S. 250. Die Besetzung Danzigs als „occupatio bellica" 107 vielleicht auch fiir die nichtkriegerische Annexion Geltung besitzt. Die deutschen EingliederungsmaBnahmen miissen daher auch unter dem Gesichtspunkt der „occupatio bellica" betrachtet werden. Die hier zu untersuchende Frage nach der unmittelbaren Wirkung des Rechtsaktes der Annexionserklarung ist zu trennen von der gesondert zu priifenden Frage der Tatsachenwirkung, d. h. der Frage : Kann sich die Einverleibung trotz etwaiger Unwirksainkeit des rechtswidrigen Annexionsaktes zur „vollendeten Annexion" im Sinne eines endgiiltigen, unbestrittenen, also rechtswirksamen G-ebietserwerbs ent wickelt habeas? Tabelle III auf Seite 108 m.ag diesen Gedankengang veranschaulichen.. BB. Die deutsche Besetzung Danzigs als „occupatio bellica" I) Meinungsstreit H.-J. Jellinek 447 stellt die deutsche Besetzung Danzigs als „occupatio bellica" dar und halt aus diesem Grunde die Eingliederung fiir „absolut unwirksam". Er selbst 448 wiederholt aber eine Definition 449, nach welcher „occupatio bellica" die militarische Besetzung eines fremden Staates im Verlaufe einer kriegerischen Auseinandersetzung unter Fortbestand. seiner Eigenstaatlichkeit und Handlungsfahigkeit ist. Diese Definition scheint im Widerspruch zu der erwahnten Ansicht zu stehen, denn zwischen Deutschland und. Danzig herrschte kein Kriegszustand 45°. Vielleicht ist Jellinek im Ergebnis aber doch beizupfiichten, da mOglicherweise die deutsche Besetzung Danzigs den gleichenRechtsschranken unterliegt, wie die „occupatio bellica". Bode 451 bestreitet die Anwendbarkeit der Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung, da Deutschland sich nicht im. vOlkerrechtlichen Kriegszustand mit Danzig befunden habe. Aber auch eine analoge Anwendung der Haager Landkriegsordnung lehnt er ab : die deutsche Besetzung sei eine „occupatio pacifica" gewesen, der aber sogleich die endgiiltige, totale Einverleibung tatsachlich und rechtlich gefolgt sei. Die „occupatio bellica" sei ihrer Natur und ihrem Zwecke nach aber die tatsachliche Besetzung „fronden Staatsgebietes" 452 . Aus diesem Grunde kOnne eine entsprechende Anwendung der Vorschriften fiber die „occupatio bellica" nicht in Betracht kommen. Diese Begriindung verkennt aber das Wesen der „occupatio bellica". Bode bewegt sich in einem circulus vitiosus. Man kann die „occupatio bellica" nicht mit der Begriindung leugnen, daB die totale Einverleibung auch rechtlich bereits erfolgt sei, wenn die Frage der Rechtswirksamkeit der 447 Daselbst S. 213; so auch Kaufmann, Gutachten S. 4; Laun, Gutachten 1948, S. 1f.; Volkmann, ÀuBerung S. 2. 449 Diese entstammt Grewe S. 106. 448 A. a. 0. S. 240f. 481 A. a. O. S. 41ff. 45° Vgi. oben S. 96f. 452 Auszeichnung vom Verfasser. Rechtsfolgen der Einverleibung eines Staates 108 4 ct M .fr.: 0 • ,•- 4:-, g g M .4 .4.z ..., Q i o 4 0 ).-+ o ce o d P.I M F-4 :4 fr.4 r/2 -......4, g F-4 02 •-• bq , to to ..., .,.. - -, --, m -4. tn 4.D 4 0 o T.4 ,...0 3 o r-r ton -0 .. "cs , g rn 4D . o o ,.g F-1 F-4 Go 4. . V o F..t -.I. 0 4 g V -4•D • 1..1 V Vto V 4D 4 0 75 "4 'O"4 ,-t - o t.-4 m F-; g Q E e • x a ',4 = 2 k Q z '6 Q '0 = Z.. -'. c3 11 0 0 `w.,.9 ;-1 —, ,-.0 -0 --, c.) '-'1` :ce c.) $4 4-4 O t z . o o .-4 t o ' • c e F n -4- g 0 k g it *- 0 z t :aio .2 4., X 0 • 40 Q c). 41) Q g 15 71):n • v-i <0 -::: V g 0 ;.4 ,-4 co 0 -0 41 Tpi t)0 :e3 0 0 •.-n r..1 = .._:, 0 .2 c3 -cs , M 0 ?SI 0 8 -4. g <0 p :0 --...n ti) Die Besetzung Danzigs und die VOlkerbundsgarantie 109 Einverleibung selbst von dem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein der „occupatio bellica" abhangt. Die „occupatio bellica" ist ihrer Natur nach ein voriibergehender Zustand. Solange der Krieg nicht beendet ist, solange noch Bundesgenossen des okkupierten Staates im Kampfe sind, also die MOglichkeit besteht, daB dem Aggressor das eroberte Gebiet wieder entrissen wird, ist jede Annexionserklärung verfriiht, somit unwirksam 453. Bo des Argumentation geht auBerdem nur vom deutsch-Danziger Verhaltnis aus — daher die Verwendung des Begriffes „occupatio pacifica" — und beriihrt nicht die Frage des Zusamraenhanges zwischen deutscher Besetzung und deutsch-polnischem Krieg bzw. dem allgemeinen Kriegszustand. Eine solche Priifung gibt aber wichtige Anhaltspunkte fiir die rechtliche Einstufung der deutschen Besetzung. II) Zusammenhang zwischen der deutschen Besetzung Danzigs und dem, deutsch-polnischen Kriege 1. Auswirkung der VOlkerbundsgarantie Als Deutschland Danzig besetzte, griff es unter Verletzung seiner eigenen, durch den Versailler Vertrag eingegangenen. Bindung in das Schutzverhaltnis der VOlkerbundsstaaten gegenilber Danzig ein. Es schuf damit den Tatbestand, der den VOlkerbundsrat bzw. den Hohen Kommissar des VOlkerbundes ermachtigte, VerteidigungsmaBnahmen zum Schutze der Freien Stadt Danzig zu ergreifen, insbesondere Polen mit der Verteidigung zu beauftragen. 454 . Wenn England und Frankreich — die Hauptmachte des VOlkerbundes — daraufhin den Krieg erklarten, so nicht allein als Bundesgenossen Polens, sondern, wie zum Ausdruck gebracht wurde 455, ebenfalls als Garanten der territorialen Unversehrtheit des Danziger Staates. Man kOmate dann weiter argumentieren, daB bei der Beurteilung des Besatzungszustandes von der Tatsache auszugehen sei, daB zwischen der deutschen Besetzung Danzigs and dem Kriegszustand Deutschlands mit England, Frankreich, Polen mid anderen Alliierten ein unmittelbarer Zusammenhang bestand. Diese Argumentation 456 ist aber nicht stichhaltig, da ein Auftrag zur Verteidipmg Danzigs, der nach einem BeschluB des VOlkerbundsrates 457 453 Ipsen, Deutsche Gerichtsbarkeit S. 109; Schatzel, Die Annexion. 1920, S. 145ff.; Der Friede S. 339; Scheuner, Die Annexion. S. 88ff.; VerdroB, VOlkerrecht, 3. Ault., S. 190, 212; H.-J. Jellinek S. 121ff.; nach der Ansicht des Niirnberger Gerichtshofes sind aus dem gleichen Grunde alle nach dem 1. 9. 1939 durch das Deutsche Reich vorgenommenen Besetzungen ungiiltig: 454 Vgl. oben S. 20. DIG Bd. I, S. 285. 455 Oben S. 52ff.; vgl. Rede von Lord Halifax vom 2. 9. 1939, abgedruckt unten S. 178. 456 In diesem Sinne Langguth in seinem Gutachten: Die StaatsangehOrigkeit der Danziger, 1948: GroBbritannienundFrankreich hatten sich als Garanten der Freien Stadt Danzig in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des VOlkerbundes mit Deutschland im Kriege befu.nden. 457 BeschluB vom 22. 6. 1921 (SdN JO 1921, S. 671). 110 Danzig als deutsche Militeirbasis erforderlich war, nicht ergangen ist. Auch der Hohe Kommissar des VOlkerbundes hat keine MaBnahmen zur Verteidigung der Freien Stadt Danzig ergriffen. Selbst der etwaige Einwand, daB es dem Hohen Kommissar in.folge der iiberraschenden Besetzung in den friihen Morgenstunden des 1. 9. 1939, von der auch das Amtsgebaude des VOlkerbundskommissars betroffen war 458, un.mOglich gemacht wurde, sein Amt auszuiiben, der Auftrag aber stillschweigend gegeben worden sei, greift nicht durch. Abgesehen davon, daB eine so einschneidende Anordnung wie die Aufforderung zur Beistandsleistung, beispielsweise an Polen, nicht als durch konkludente Handlung gegeben angesehen werden kann, laBt die Zuriickhaltung des VOlkerbundes hinsichtlich der Ereignisse in Danzig vor Ausbruch des Krieges nicht darauf schlieBen, daB er im Falle der deutschen AnschluBerklarung den Verteidigungsauftrag erteilen wollte. Diese Tendenz zeigte sich auch in einer AuBerung Burckhardts in Warschau im Mai 1939 gegeniiber dem polnischen AuBenminister 459. Beck erinnerte ihn an sein Recht, Polen mit der Verteidigung Danzigs zu beauftragen. Burckhardt antwortete aber ausweichend und meinte, er wiirde in einem solchen Falle zunachst nach Genf berichten. Es ware auBerdem kaum sinnvoll und aussichtsreich gewesen, Polen, das selbst angegriffen und hart bedrangt war, mit der Verteidigung Danzigs zu beauftragen 46°. Polen wurde zwar durch den deutschen Angriff zwangslaufig in die Rolle des Verteidigers gedrangt, auch des Verteidigers seiner Servituten in Danzig. Damit wurde es aber nicht zum Helfer des Danziger Staates. Polen als Protektor der Freien Stadt Danzig anzusehen, stande im Widerspruch zu der standig geauBerten polnischen Auffassung, Danzig sei eigentlich polnisch und masse wieder ein Bestandteil der Republik Polen werden. 2. Danzig als deutsche Militarbasis Aus dem deutschen Verhalten selbst kOnnen wichtige Aufschliisse fiir das Problem der Besetzungsform gewonnen werden. Danzig cliente dem Deutschen. Reich als militarischer Stiitzpunkt und Kriegshafen fiir seine Operationen. gegen. Polen. Fiir einen normalen „AnschluB", wie das Deutsche Reich ihn bereits mehrfach durchgeftihrt hatte, ware ein derart komplizierter deutscher Militarapparat 461, wie er in Danzig vor Kriegsbeginn geschaffen wurde, nicht erforderlich gewesen, zumal Widerstand seitens der bis auf die Forster-Verbande unbewaffneten Dan ziger nicht zu erwarten war. Die deutschen. MaBnahmen beruhten auf dem der deutschen Fuhrung bekannten polnischen Operationsplan, nach dem OstpreuBen konzentrisch angegriffen and bei dieser Gelegenheit Danzig in Besitz genommen werden 459 Livre Jaune Francais S. 212. 458 Burckhardt S. 15. 460 A. A.: Volkmann, AuBerung S. 1: die polnischen Truppen Batten nur auf die Autorisation durch die G-arantiemachte der Danziger Verfassung zum Eingreifen in Danzig gewartet, und diese ware erfolgt, sobald der Staatsstreich sich erkennbar behauptet hatte. 461 Oben S. 32. Sonderformen der „occupatio bellica" sollte 462. Die Basis Danzig mit Hafen und Flugplatz muBte gegen die erwarteten polnischen Angriffe gehalten werden, bis die deutschen Armeen aus Pommern und OstpreuBen sich vereinigt hatten 463. Deutsche Marinestreitkrafte and Sturzkampfflugzeuge bekampften von Danzig aus die )5 Westerplatte" — die polnische Munitionsbasis in Danzig —, Hela und andere Ziele in der Danziger Bucht. Die neun bewaffneten polnischen punkte in der Stadt Danzig 464 warden angegriffen. Deutsche Artillerie schoB von Danziger Territorium aus auf Ziele im polnischen „Korridor"-Gebiet, und es entwickelten sich zablreiche Kampfe an der Danzig-polnischen Grenze. Die militarische Besetzung war bereits vollzogen, als die Anrtexion vom Deutschen Reich erklart wurde 465 . Sie erfolgte reibungslos, weil der deutsche Angriff auf Polen urspriinglich friiher erfolgen sollte und eingehend vorbereitet worden war 468 . Aus diesem Grunde konnte auch der deutsche Oberbefehlshaber des Heeres bereits am Morgen des Kriegsausbruches erklaren., daB Danzig nunmehr der militarischen Oberhoheit des Deutschen Reiches unterstehe " 7 . Es besteht also ein direkter Zusammenhang zwischen der deutschen Besetzung Danzigs und dem Kriegszustand 468 . III) Analoge Anwendung der Regeln caber die „occupatio bellica" Das deutsche Vorgehen in Danzig war somit nicht allein Durchsetz-ung der Wiedervereinigung, sondern aul3erdern railitarische Friedensloesetzung mit dem Zwecke, Danzig als Militarbasis im deutsch-polnischen Kriege zu benutzen. Es gibt in der Staatenpraxis sehr viele Beispiele auBerlich nichtkriegerischer militarischer Besetzungen 469. In Zweck, Form and Versueh einer Rechtfertigung bestanden erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Besetzungsfallen. Die Grenze zwischen kriegerischer und nichtkriegerischer Besetzung war oft schwer erkennbar m . Es sind daher in der Lehre Versuche unternommen worden, Sonderformen der „occupatio bellica" zu konstruieren. Im folgenden seien der Ubersicht halber die wichtigsten dieser Okkupationsf orm en zusammengestellt. 462 GOrlitz S. 60; Moos S. 87. 463 Tippelskirch S. 22f. 464 Schwarz (Anm. 20) S. 102 465 Vgl. im einzelnen die Darstellung oben S. 32ff. "6 Bis zum 20. 8. 1939 sollten die Vorbereitungen fiir den „Fall WeiB" (Feldzug gegen Polen) abgesehlossen sein. Am 25. 8. wurde der Angriff befohlen, dock wieder abgesagt, vgl. G Orlitz S. 38, 44ff. (47). 467 Vgl. oben S. 36. 468 So auch Moritz, Gerichtsbarkeit S. 7 f., der es fiir zweifelhaft halt, ob die Besetzung Danzigs als auBerhalb von Kriegshandlungen erfolgt angesehen werden kann und der die Besetzung als „occupatio bellica" bezeichnet. 469 Als Beispiele seien genannt: Die deutsche Okkupation Danemarks 1940 und die englische Besetzung der FarOer and Islands 1940 (Briiel S. 159); aus falterer Zeit: Die Besetzung Nicaraguas 1912, Haitis 1915 und San Domingos durch amerikanische Truppen, ferner die deutsche Besetzung Luxemburgs 1914 and die Rheinlandbesetzung durch Frankreieh 1919 (II.-J. Jellinek S. 247). 479 So beispielsweise bei der deutschen Besetzung Norwegens 1940 bis zur Kriegserklarung 1941. 112 Sonderformen der „ockwatio bellica" Tabelle IV I. Kriegsbesetzungen 1. „occupatio bellica" (Haager Besetzung) 2. „Potenzierte Besetzung" 472 3. „Annexionsbesetzung" 473 4. „Spezielle Besetzung" 474 Militarische Besetzung im Kriege Militarische Besetzung unter Vorbereitung der Einverleibung bereits wahrend des Krieges MilitarischeBesetzung mit Einverleibungs-willen (Einverleibung durch Krieg) Militarische Besetzung im Kriege zur Schaffung eines neuen Zustandes (Fortsetzung der occupatio bellica) Besetzungen nach Beendigung der Kampfh,a,ndlungen „occupatio post bellum ante pacem" 475 (unterDuldung durch den betroffenen Staat) 1. „Waffenstillstandsbesetzung" 476 2. „Militarische Sicherungsbesetzung"477 3. „Interventionsbesetzung" 478 4. „Sequestrationsbesetzung" 479 5. „Wirtschaftliche Sicherungsbesetzung" 480 6. „Treuhandbesetzung" 481 7. „Mandatsbesetzung" 482 III. Fri edensbesetzungen Militarische Besetzung zwischen Krieg and Frieden (Besatzungszweck nicht mehr im Zusammenhang mit militarischen Operationen) Militarische Besetzung wahrend des Waffenstillstandes bis zum Friedensvertrag (bzw. Wiederaufnahme der Kampfhandlungen) Militarische Besetzung zur Sicherung des errungenen Sieges Militarische Besetzung zur Umwandlung der innerstaatlichen Verhaltnisse (der Verfassimg des besiegten Staates) Militarische Besetzung zur vortibergehenden Ubern.ahme der obersten Staatsgewalt Militarische Besetzung zur Durchsetzung wirtschaftlicher Anspriiche Militarische Besetzung zur Erfiillung eines treuhanderischen Zweckes Militarische Besetzung fiber Mandatslander Militarische Besetzung im Frieden Militarische Besetzung im Frieden unter Widerstand seitens des Okkupierten 471 Laun, Der gegenwartige Rechtszustand S. 15; Brfiel S. 146ff.; H.-J. Jellinek S. 240ff.; Grewe S. 106ff.; Verdro 6 , VOlkerrecht, 3. Aufl. S. 380ff. 472 Cybichowski S. 303; vgl. StOdter S. 131f.; H.-J. Jellinek S. 247f. 473 Cybichowski S. 297ff.; vgl. StOdter a.a.0.; H.-J. Jellinek S. 248f. 474 Cybichowski S. 303ff.; vgl. StOdter a.a.0. 475 Grewe S. 118. 4" StOdter S. 130. 477 Grewe a.a.0. 478 Grewe S. 126ff. 479 Grewe S. 141ff. 480 Grewe S. 155ff. 481 StOdter S. 137ff. 482 StOdter S. 143. 483 Cybichowski S. 306ff.; Brilel S. 149f.; II.-J. Jellinek S. 247. 484 Briiel S. 146; StOdter S. 130. 1. „occupatio pacifica" 483 2. „occupatio mixta" 484 Analoge Anwendung der Regeln caber die „occupatio bellica" 113 Von den in der Tabelle IV zusammengestellten Okkupationsformen kommt die „Annexionsbesetzung" der Eingliederung Danzigs am nachsten. Aber abgesehen davon, daB auch sie eine rein kriegerische Besetzung ist, fiihrt these Begriffsbildung keinen Schritt weiter. Denn die Ansicht Cybic how ski s 485, der diesen Begriff gepragt hat, daB eine vorzeitige Annexion — vor AbschluB der Gewaltausubung Gebietserwerbstitel sein kann, steht, wie bereits dargelegt 486, im Widerspruch Tom VOlkerrecht. Aber auch unter Zuhilfenahme der friedlichen Okkupationsformen ist binsichtlich der Annexionsbewertung nichts gewonnen, da sie nicht wie die „occupatio bellica" vOlkerrechtlich geregelte Begriffe sind 487. Die Schranken der friedlichen. Besetzung ergeben sich vielmehr in erster Linie aus den Grundsatzen des friedlichen Zusammenlebens der VOlker, wie beispielsweise aus vertraglichen Regelungen. Da die Befugnisse des kriegerischen Okkupanten sehr viel weiter gehen als die des friedlichen Besetzers, liegt der Gedanke nahe, a fortiori zumindest die Beschrankungen, denen der Kriegsokkupant unterliegt (Art. 42ff. HKO) auch auf den militarischen Friedensokkupanten. anzuwenden 488. Das muB um so mehr gelten, wenn, wie im Falle Danzigs, zwischen Besetzung und Kriegszustand ein enger Zusammenhang besteht, und die Okkupation auch aus diesem Grunde der „occupatio bellica" verwandt ist. Diese beiden Gedanken sprechen fiir die Anwendung der Regeln fiber die „occupatio bellica". Auch hinsichtlich Danzigs handelt es sich urn eine „occupatio" von vorubergehender Dauer. Solange die Waffenentscheidung nicht gefallen war, muBte mit der Miiglichkeit gerechnet werden, daB der tatsachliche Zustand der Okkupation wieder riickgangig gemacht wurde. Gegen die entsprechende Anwendung eines verwandten Rechtssatzes bestehen. im VOlkerrecht keine Bedenken 489. Die Voraussetzungen fiir die Anwendung des Kriegsbesetzungsrechtes liegen zwar nicht vor, aber seine Anwendbarkeit ist auch pier gerechtfertigt, weil der Krieg zwar nicht Ursache, wohl aber Zweck der Okkupation gewesen ist. Das entspricht der beiden Fallen gemeinsamen Rechtsidee, dem Okkupanten nicht weitgehendere Befugnisse einzuraumen, als nach dem Zwecke der Okkupation erforderlich ist. Wenn sogar dem kriegerischen Okkupanten die Vornahme einer Annexion untersagt ist, so muB das erst recht fiir den militarischen Okkupanten auBerhalb des Krieges gelten. Dieses Resultat entspricht auch der vorher getroffenen Feststellung 49°, daB es fur die Beurteilung der Rechts486 Oben S. 105ff. 485 A.a.O. S. 298. 487 Vgl. Cybichowski S. 305. 488 Nach allgemein anerkannter Auffassung stellen die in der Haager Landkriegsordnung enthaltenen. Vorschriften nur einen Niederschlag ohnehin geltenden Volkergewohnheitsrechts dar (vgl. St6dter S. 180). 488 Vgl. Art. 38 Nr. 3 des Statuts des StIG; Verdro.6, Die Verfassung S. 69ff.; Sauer, System des VOlkerrechts S. 355; Guggenheim, Bd. I S. 128ff.; StOdter S. 141. 49° Oben S. 105. 8 7467 BOttcher, Danzig 114 Das VOlkerrecht and das deutsche Vorgehen in Danzig widrigkeit der Annexion nicht dara-uf ankommt, ob sie kriegerisch oder nichtkriegerisch erfolgte. Solange also der zweite Weltkrieg andauerte, blieb die endgiiltige Eingliederung ausgeschlossen, da die 111Oglichkeit bestand, daB Danzig dem Deutschen Reich wieder entrissen wiirde. Tatsachlich hat Deutschland im letzten Kriegsjahr das Danziger Gebiet wieder verloren. Daher braucht die Frage, ob die Besetzung sich in voile Souveranitatsausubung umgewandelt hat, in dem Falle der deutschen Besetzung nicht gestellt zu werden. III. Teilergebnis (Die vakerrechtlithe Beurteilung des deutschen Vorgehens in Danzig) Die vOlkerrechtliche Beurteilung des deutschen Vorgehens in Danzig kann nunmehr wie folgt zusammengefat werden: Eire rechtsgiiltiger vOlkerrechtlicher Inkorporationsvertrag ist nicht zustande gekommen. Die Eingliederung erfolgte vielmehr durch einen ein.seitigen deutschen Gewaltakt, der formell als Annexion zu ken nzeichnen ist. Das Deutsche Reich erklarte die Annexion aber wahrend der militarischen Besetzung. Unter entsprechender Anwendung des allgemeinen VOlkerrechtssatzes, daB Annexionsakte, die vor Beendigung der „occupatio bellica" erlassen werden, rechtsunwirksam sired, ist auch der deutsche Einverleibungsakt im Falle Danzig viilkerrechtlich unwirksam. Da aber prinzipiell die deutschen Rechtshandlungen trotz Viilkerrechtswidrigkeit im Bereiche der deutschen Rechtsordnung Rechtswirkungen ausltisen konnten 491, ist nunmehr festzustellen, daB diese Rechtswirkungen dennoch nicht eintraten, weil der Ausnahmetatbestand der militarischen Besetzung das verhinderte. Audi das Deutsche Reich war an die Rechtsgrundatze der Haager Landkriegsordnung gebunden. Insbesondere ist keine vOlkerrechtlich wirksame Erstreckung des deutschen Rechtsbereichs auf das eingegliederte Gebiet mOglich gewesen; das Välkerrechtssubjekt Danzig ist also durch das Wiedervereinigungsgesetz nicht untergegangen. 2. Kapitel Die Eingliederung Danzigs in die Republik Polen im Jahre 1945 Das soeben gewonnene Ergebnis, daB trotz der deutschen Ein.verleibungshandlungen. das VOlkerrechtssubjekt Danzig bestehen geblieben war, bildet die Grundlage fiir die viilkerrechtliche Beurteilung der Lage, die sich seit 1945 unter polnischem EinfluB in Danzig entwickelt hat. 491 Oben S.86. Eingliederung Danzigs in Polen 1945 115 Im Jahre 1945 folgten der deutschen Besatzungsmacht in Danzig die sowjetische und die polnische. Die Besetzung erfolgte im Zuge der Kriegshandlungen gegen das Deutsche Reich. Danzig wurde hierbei ebenso wie spater das deutsche Gebiet unter polnischer Besetzung — durch Polen annektiert. Im folgenden soli zunachst dargestellt werden, welche MaBnahnaen Polen traf, um sich Danzig einzugliedern. A. Vorginge, die zur Eingliederung Danzigs fiihrten I. Dekret vom 30. illeirz 1945 1. Inhalt des Dekretes Am 30. Marz 1945, dem Tage der Besetzung der Stadt Danzig durch sowjetische und polnische Truppen, erlia der polnische Ministerrat in Warschau ein Dekret mit Gesetzeskraft 492 , durch das die Wojewodschaft (Provinz) Danzig gebildet wurde. Zu dieser Wojewodschaft gehOrten gemaB Art. 2 des Dekretes „das Gebiet der ehemaligen Freien Stadt Danzig" sowie die Kreise Gdingen-Stadt, Karthaus, Seekreisj Stargard, Berent und Dirschau. Letztere waren friiher Teile der polinschen Wojewodschaft Pommerellen 493 . Durch Art. 3 des Dekretes wurden im Gebiet der „ehemaligen Freien Stadt Danzig" alle Vorschriften der bisher giiltigen Gesetzgebung als mit der Verfassung des polnischen demokratischen Staates unvereinbar auBer Kraft gesetzt. Zugleich wurde auf theses Gebiet die im iibrigen Teil der Wojewodschaft Danzig gtiltige Gesetzgebung ausgedehnt. Das Dekret wurde vom Prasidenten des Landesnationalrates bestatigt -und trat am 7. 4. 1945 mit seiner Verkiindung in Kraft. Es hatte seine gesetzliche Stiitze im Gesetz vom 3. 1. 1945 494 . 2. Griindung der Wojewodschaft Danzig Es fallt zunachst auf, daB Danzig nicht im bisherigen Umfange des Freistaates als Verwaltungseinheit bestehen geblieben ist, sondern daB urspriinglich polnische Gebiete des „Korridors" mit dem Territorium des Freistaates zur Wojewodschaft vereinigt warden sind. Auffallig ist welter, daB Danzig gegen-iiber den urspriinglich reichsdeutschen, von den Polen besetzten Gebieten eine gesonderte Regelung erfnhr. Diese Ausnahmestellung nahm es nicht nur in zeitlicher Hinsicht ein (die polnische Besetzung 492 Dz.U. 1945 Nr. 11, Pos. 57, auszugsweise in cleutscher rbersetzung abgedruckt unten S. 176, im Original auf Tafel I und II zwischen S. 128 und 129. 493 Pommerellen war eine nach dem 1. Weltkriege von Polen gegrundete Wojewodschaft, die die Gebiete des sog. „Korridors" umfaBte. Sie wurde dumb. das Dekret vom 30. 3. 1945 zugunsten der neu gegriindeten. Wojewodschaft Danzig verkleinert. 04 Mit diesem Gesetz wurden die durch Dekret vom 15. 8. 1944 auf den Landemationalrat iibertragenen Rechte zur Vereinfachung des Verfahrens, Gesetze zu erlassen, auf die vorlaufige Republik Polen iibertragen. 8* 116 Die polnische Verwaltung Danzigs des Danziger Raumes lag zeitlich vor AbschluB der Eroberung der iibrigen deutschen Gebiete). Bei Betrachtung der spateren polnischen Gesetzgebung wird erkennbar, daB Danzig nicht zu den dem Deutschen Reiche weggenommenen sog. „wiedergewonnenen Gebieten" gerechnet wurde: a) Verwaltungsaufteilung. Durch Dekret vom 13. 11. 1945 caber die Verwaltung der wiedergewonnenen Gebiete 495 wurde das „Ministerium der Wiedergewonnenen Gebiete" geschaffen. Unter „wiedergewonnenen Gebieten" verstand Polen alle neuerworbenen Gebietsteile westlich und nOrdlich seiner Staatsgrenze von 1939 496. Demnach hatte auch Danzig dazu gehären miissen. Das ist aber nicht der Fall, wie sick aus dem Wortlaut dieses Dekrets und des Dekrets vom 29. 5. 1946 497 ergibt. Art. 5 des erstgenannten Dekrets besagt : „Der Ministerrat vollzieht . . . die Aufgliederung der wiedergewonnenen Gebiete in Wojewodschaften and Kreise . . wobei er einzelne Kreise sehon. bestehenden Wojewodschaften zuteilen kann . . ." Auf Grund. theses Artikels wurde dann durch das Dekret vom 29. 5. 1946 die „einstweilige Verwaltungsaufteilung in den wiedergewonnenen Gebieten" durch Griindung der Wojewodschaften Allenstein, Stettin und Breslau 498 vorgenommen. Was iibrig blieb, wurde in die bereits bestehenden polnischen Wojewodschaften Bialystok, Danzig, Posen und Schlesien eingegliedert. In § 3 heiBt es: „Aus dem Territorium der wiedergewonnenen Gebiete werden eingegliedert: 1. 2. in das Gebiet der Wojewodschaft Danzig die Kreise: Elbing mit der Stadt Elbing, Marienwerder, Lauenburg, Marienburg, Stuhm ." Wahrend die Wojewodschaft Danzig bis dahin auBer dem Gebiet der Freien Stadt Danzig nur aus Gebieten bestand, die vor dem Kriege zu Polen (Pommerellen) gehOrt batten, warden ihr nun auch Teile des Deutschen Reiches (von OstpreuBen und. Hinterpommern) angegliedert. b) Staatsangehorigkeitsgesetzgebung. Fiir die „wiedergewonnenen. Gebiete" wurde die Regelung durch Gesetz vom 28. 4. 1946, betreffend the polnische Staatsangeharigkeit aller polnischen. VolkszugehOrigen, die in den wiedergewonnenen Gebieten wohnhaft sind 499, getroffen. Fiir die Bewohner des Danziger Freistaates wurde am 22. 10. 1947 ein Gesetz betreffend die Staatsan.gehdrigkeit des polnischen Staates von Personen. polnischer Nationalitat, die auf dem Gebiete der ehemaligen Freien Stadt Danzig wohnen 690, 495 Dz. U. 1945 Nr. 51, Pos. 295. 497 Dz. U. 1946 Nr. 22, Pos. 177. 499 Dz. U. 1946 Nr. 15, Pos. 106. 495 Art. 2 des Dekrets. 495 §§ 1 und 2 des Dekrets. 500 Dz. U. 1947 Nr. 65, Pos. 378. Die polnischen Annexionshandlungen 117 erlassen. Der Zweiteilung der Eingliederungsgesetzgebung in „wiedergewonnene Gebiete" and „Freie Stadt Danzig" entsprach also eine gesonderte Regelung der polnischen StaatsangehOrigkeit fiir die Bewohner dieser beiden Gebiete. c) Sonstige Gesetzgebung. In den Gesetzen, die Regelungen sowohl fiir das Gebiet der Freien Stadt Danzig als auch fiir die wiedergewonnenen Gebiete trafen, wurde auch ausdriicklich zwischen beiden unterschieden501. 3. Ausdehnung der polnischen Gesetzgebung auf Danzig Bemerkenswert ist weiterhin, daB Polen nicht nur das Gebiet des eistaates in das polnisehe Verwaltungssystem eingegliedert, sondern die Danziger Rechtsordnung durch die polnisehe ersetzt hat 502. Auch eser Akt ging caber den Rahmen einer bloBen milithrischen Besetzung aus. Aus diesen. polnischen Rechtssetzungsakten laBt sich schlieBen, daB Polen die Absicht verfolgte, Danzig sofort zu einem Teile Polens zu mache.n. Polen glaubte, das Hindernis der fremden Territorialsouveranitat, das vielleicht bei den „wiedergewonnenen. Gebieten", die unbestritten zum Deutschen Reich gehOrten, zundchst als Schranke erschien, im Palle Danzigs nicht ausraumen zu brauchen. Polen gliederte Danzig daher sofort nach der militarischen Besetzung und noch vor Beendigung der Kampfhandlungen ein, wahrend es wenigstens mit der ftirmlichen Eingliederung der „wiedergewonnenen Gebiete" bis each dem Potsdamer Abkommen wartete. Festzuhalten ist deranach, daB Polen bereits vor der deutschen Kapitulation, und zwar mit Wirkung vom 7. 4. 1945, dem Tage des Inkrafttretens des Dekrets vom 30. 3. 1945, das Gebiet der Freien Stoat Danzig annektiert hat. Sonstige Annexionsmerkmale Der Vollstandigkeit halber seien auch die iibrigen Vorgange erwahnt, welche die tats6chliche Einverleibung Danzigs durch Polen kennzeichnen: 1. Die Ausweisung der Danziger. Bereits im Mai 1945 begann Polen, die Dan ziger Beviilkerung auszuweisen, soweit sie nicht polnischer Herkunft war503. Diese MaBnahme laBt den Armexionswillen Polens erkennen. 2. Die polnische Enteignungsgesetzgebung bezOglich Danzigs. Das Vermiigen Danzigs und der Danziger Burger, soweit diese nicht polnische Volks501 Vgl. Dekret vom 22. 2. 1946 caber den AusschluI3 feindlicher Elemente aus der polnischen Gemeinschaft, zit.: RPL Nr. 1/48, S. 11; Enteignungsdekret vom 8. 3. 1946 (Dz. U. 1946 Nr. 13, Pos. 87) deutsche TJbersetzung abgedruckt bei Geilke, Die LOsung der deutschen Frage S. 127; Enteignungsdekret vom 6. 12. 1946 zit.: IoP S. I b 6. 502 Art. 3 des Dekrets vom 30. 3. 1945. 503 Exposé der Danziger von) 1. 7. 1947; vgl. Keyser S. 35. 118 Die polnischen Annexion,sh,andlungen zugehOrige waren, wurde zugunsten des polnischen Fiskus entschadigungslos enteignet 504. 3. Note der polnischen. Militarmission in Berlin an den Kontrollrat, Anfang November 1947, in der das Verbot der Danziger Vereinigungen in Westdeutschland verlangt wurde, da these Revan.checharakter hatten 5°5. Polen hat sich mehrmals gegen „revisionistische" Bestrebungen gewandt 506. 4. Warschauer Kommunique der Acht-Machte-Konferenz am 24. 6. 1948, in dem die Westgrenze Polens als Friedensgrenze bezeichnet wurde 507. 5. Gesetz vom 11. 1. 1949 caber die Vereinigung der wiedergewonnenen Gebiete mit der allgemeinen Staatsverwaltung 508. Das Sonderministerium fiir die polnischen Westgebiete wurde durch das letztere Gesetz aufgelOst. Dieser Akt wird als formelle Einverleibung der polnisch verwalteten. Gebiete angesehen509. Obwohl die formelle Eingliederung Danzigs schon im Jahre 1945 erfolgte, muB these MaBnahme dennoch erwahnt werden, da sie den AbschluB der polnischen Annexionshandlungen bildete. Die polnische Regierung hat in einem Exposé die Motive dargestellt, die zum ErlaB des Gesetzes vom 11. 1. 1949 fiihrten m°. Diese Ausfiihrungen lassen die GesamtAnnexionsabsichten Polens klar hervortreten. Die Einrichtung einer Sonderverwaltung fiir die wiedergewonnenen Gebiete durch das Dekret vom 13. 11. 1945 — so heiBt es — habe nur solange aufrechterhalten werden miissen, wie auBergewOhnliche Umstande das erforderten. Inzwischen seien die wiedergewonnenen Gebiete unter erheblichen Anstrengungen beviilkert und nutzbar gemacht worden, und dadurch seien Bedingungen geschaffen worden, die eine Verschmelzung mit der allgemeinen Sta2.tsverwaltung erlaubt hatten. Bleibt somit schon kein Zweifel mehr an dem Annexionswillen Polens bzgl. der wiedergewonnenen Gebiete, so gilt das um so mehr fiir das Territorium der Freien Stadt Danzig, das sofort vollstandig eingegliedert wurde. 5° 4 Vgl. die Enteignungsdekrete vona 3. 1. 1946 (Dz. U. 1946 Nr. 1, Pos. 1), bes. Art. 2, zit.: RPL Nr. 3/48, S. 21; deutsche Vbersetzung abgedruckt bei Geilke, Die LOsung der deutsehen Frage S. 120; vom 5. 2. 1946 (Dz. U. 1946 Nr. 3, Pos. 17), zit.: RPL Nr. 2/48, S. 9; vom 8. 3. 1946 (Dz. U. 1946 Nr. 13, Pos. 87), bes. Art. 2, zit. : RPL Nr. 3/48, S. 21, deutsche Ubersetzung abgedruckt bei Geilke a.a.O. S. 127; vom 6. 12. 1946, zit.: IoP S. Ib 6; vgl. auch Geilke S. 70ff. 505 Zocher a.a.O. Ziff. 14c; vgl. GA 10/48, S. 7f. 508 Vgl. Note der polnischen Militarmission in Berlin an den Kontrollrat vom 23. 1-0. 1947 gegen revisionistische Bestrebungen; Note der polnischen Regierung vom 31. 8. 1948 gegen revisionistische Bestrebungen. (GA 16/48, S. 2). 507 IoP S. DX 149; Deutsches Biro fiir Friedensfragen Heft 15, S. 249. 508 Dz. U. 1949 Nr. 4, Pos. 22; vgl. Legislation Polonaise I—VI 1949, Warsaw 1950, S. 9f. 5°9 Deutsches Biro fiir Friedensfragen Heft 15, S. 73. 51° Drucksache des Parlaments Nr. 406, zit. nach Legislation Polonaise I—VI 1949, Warsaw 1950, S. 10. Vorzeitige .Annexion 119 6. Das G-Orlitzer Abkommen zvvischen Polen and der Deutschen Demokratischen Republik am 6. 7. 1950 iiber die Friedensgrenze der Oder-NeiBe al. 7. Praambel der Verfassung Polens vom 22. 7. 1952 512 : „Die Wiedergewonnenen Gebiete sind fih- ewige Zeiten an Polen zuriickgekehrt." B. Reehtliche Wiirdigung der polnisehen Inkorporationshandlungen Bei der rechtlichen Beurteilung der polnischen Inkorporation Danzigs shad insbesondere zwei Ereignisse hervorzuheben: 1. Die Annexion am 30. 3. 1945, also noch vor Beendigung der Kriegshandlungen, 2. die Regelungen durch die Alliierten Hach Einstellung der Kampfhandlungen durch die Potsdamer Erklarung vom 2. 8. 1945, nach welcher Danzig water polnischer Verwaltung bleiben sollte. I. Annexionserklarung im Stadium der occupatio bellica Die Ausfiihrungen fiber die Rechtswidrigkeit von Annexionen 513 finden auch auf die polnischen InkorporationsmaBnahmen Anwendung. Im Verlaufe des zweiten Weltkrieges wurde das vtilkerrechtliche Annexionsverbot sogar gefestigt, wie die Atlantik-Charta vom 14. 8. 1941 erkennen lal3t 514 und wie spater in Art. 2 Nr. 4 der Satzung der Vereinten Nationen vom 26. 6. 1945515 vertraglich festgelegt wurde. her erfolgte die Annexionserklarung, als Danzig von Polen each kriegerischer Eroberung militarisch besetzt war und der Krieg noch andauerte. Eine Annexionserklarung ist aber wahrend einer occupatio bellica nicht zulassig 515. Es eriibrigt sich aus diesem Grunde, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob Polen der Viilkergemeinschaft seinen Annexionswillen bekannt gegeben hat 517. II. Die Potsdamer Besehliisse Die am 11. 2. 1945 in Jalta abgegebene Erklarung der alliierten. Hauptmachte gab Polen kein Recht zu Gebietserwerbungen irgendwelcher Art. Die 511 GB!. DDR 1950 S. 1205. 512 Zitat nach der deutschen rbersetzung in: Deutsches Institut fiir Rechtswissenschaft, Die Verfassungen der europaischen Lander der Volksdemokratie, mehrsprachige Ausgabe S. 92, 95 (1953). 513 Oben S. 102ff. 514 Vgl. Wehberg, Eroberung S. 59; Kraus, Die Oder-NeiBe-Linie S. 27ff. 515 Wortlaut : „Alle Mitglieder haben sich in ihren. internationalen Beziehungen jeder Drohung oder Anwendung von Gewalt zu enthalten, die sich gegen. die territorials Unversehrbarkeit oder die politische TJnabhangigkeit irgendeines Staates richtet ..." (abgedruckt bei Kraus -Heinze Nr. 6). 516 Vgl. oben S. 106, Anna. 444. 517 Dies wird von Kraus, Die Oder-Neifie-Linie S. 18 m. E. zu Unreeht bezweifelt, da die polnische provisorische Regierung keinen Zweifel an ihrem Tnkorporationswillen gelassen hat (vgl. S 114ff.), andererseits offizielle Notifikationen fiir eine wirksame Einverleibung nicht erforderlich sind (vgl. S. 88f). 120 Potsdamer Abkommen Alliierten legten sich bezuglich der kiinftigen Westgrenzen Polens nicht fest, sondern verschoben die endgiiltige Regelung dieser Frage ausdriicklich auf die geplante Friedenskonferenz 518. Dennoch bereft sich Polen auf die Versprechungen und Vereinbarungen der Alliierten and halt insbesondere die der polnischen Annexionserklarung folgende Potsdamer Deklaration fur eine rechtliche Billigung seines Vorgehens 51°. In Art. IX des Potsdamer Abkommens 520 wurde bestimmt • " .. The Three Heads of Government reaffirm their opinion that the final delimitation of the western frontier of Poland should await the peace settlement. The Three Heads of Government agree that, pending the final determination of Poland's western frontier, the former German territories . . . including the area of the former Free City of Danzig, shall be unter the administration of the Polish, State and for such purposes should not be considered as part of the Soviet Zone of occupation in Germany." 1. Die politischen Bestrebungen der Alliierten bezaglich Danzigs wethrend des 2. Weltkrieges Die polnische and sowjetische Ansicht, in Potsdam sei endgiiltig iiber das Schicksal der deutschen Ostgebiete und fiber Danzig entschieden worden, steht den Verlautbarungen der westlichen Alliierten entgegen, die beharrlich an ihrem Standpunkt festhalten, daB sie keiner endgilltigen Regelung der polnischen and sowjetischen Westgrenzen zugestimmt hatten. Angesichts der erheblichen Meinungsverschiedenheiten zwischen den VertragsschlieBenden bedarf es, um Klarheit in die lurch Potsdam geschaffene Situation zu bringers, einer Betrachtung der inneren Zusammenhange. 13 Jabre nach den folgenschweren politischen MaBnahmen der alliierten Hauptmachte ist es nunmehr an Hand der inzwischen erschienenen. politischen Memoiren.literatur moglich, ein einigermaBen zutreffendes Bild von den Zielen zu gewinnen, die zur Zeit der Potsdamer Konferenz verfolgt warden. 518 Ziff. 6 der Deklaration von Jalta: "The three heads of government consider that the eastern frontier of Poland should follow the Curzon Line with digressions from it in some regions of five to eight kilometers in favour of Poland. They recognize that Poland must receive substantial accessions of territory in the north and west. They feel that the opinion of the new Polish Provisional Government of National Unity should be sought in due course on the extent of these accessions, and that the final delimitations of the western frontier of Poland should thereafter await the peace conference." (abgedruckt bei Cornides-Volle S. 56; deutscher Text bei Kraus-Heinze Nr. 1, S. 6f.). 519 Vgl. PPD Nr. 166 vom 11. 4. 1947. 529 Abgedruckt bei v. Mangoldt, Dokumente S. 119; Kraus -Heinze Nr. 8; L KR. Erg. Bl. Nr. 1, S. 17; der franzeisische Text lautet: «. . . Les ch fs des trois Gouvernements reaffirment l'avis que la delimitation finale de la frontiere occidentale de la Pologne dolt etre faite au moment du reglement de la aix. — Les chefs des trois Gouvernernents sont d'accord sur le fait que, en at endant le trace dófinitif, les territoires ex-allemands . . . comprenant la re ion de l'ex-cite libre de Dantzig, seront remis a l'administration de l'Etat po onais et a cette fin ne devront pas etre consider& comme partie de la zone sodietique d'occupation de l'Allem.agne» (AB1. KR. Erg. Bl. No. 1, S. 18). Kriegsverhandlungen der Alliierten 1941-1943 121 Mit Riicksicht auf den tar diese Arbeit gesetzten Rahmen sei von einer ErOrterung des gesamten Fragenkomplexes der deutschen Gebiete Ostlich ' abgesehen. Es soil versucht werden, das Teilder Oder-NeiBe-Linie 52 problem Danzig, soweit es sich aus dem Zusammenhang Risen laBt, getrennt zu betraehten. a) Entwicklung bis zur Krim-Konferenz. Als nach Beginn des deutschen. Feldzuges gegen. die Sowjetunion in den Wintermonaten 1941/42 der Plan diskutiert wurde, Polen fiir seine Gebietsverluste im Ostri-gia die Sowjetunion Burch die Abtretung deutscher Gebiete zu entschddigen, stand bereits die Abtretung Danzigs an Polen ernsthaft zur ErOrterung 522. Die westlichen Staatsmanner stimmten den diesbeziiglichen sowjetisch-polnischen Wiinschen im Prinzip zu, und bei den darn folgenden Kriegskonferenzen und Verhandlungen bestand hinsichtlich dieses Teilprojektes vollige Einigkeit. Bei den Verhandlungen in Washington Mitte Marz 1943 sprachen Roosevelt und Eden sich tar eine Anerkennung der polnischen Forderung auf OstpreuBen aus. Roosevelt schlug bei dieser Gelegenheit die Aussiedlung der deutschen BevOlkerung aus OstpreuBen vor 523. Am 6. 10. 1943 erhielt Eden von Churchill Richtlinien fiir die Moskauer AuBenministerkonfere-nz. Danach sollte Polen dureh Oberschlesien, Danzig und OstpreuBen fiir seine 521 Siehe dazu Kraus a.a.0.; Wagner a.a.0.; Hoffmann a.a.0.; Dentseizes Biiro fiir Friedensfragen, Heft 15, a. a. 0. ; der Gottinger Arbeitskreis, Ostdeutschland a. a. 0. ; M e iB ner , Die sowjetische Deutsehlandpolitik a. a. 0. ; Seraphim-Maurach-Wolfrurn a.a.0. 522 Stalin machte bereits am 16. 12. 1941 Eden gegeniaber in Moskau im Zusammenhang mit der ErOrterung der sog. Curzon-Linie als polnisch-russische Grenze den Vorschlag, OstpreuBen an Polen abzutreten (Churchill, Der II. Weltkrieg Bd. III/2, S. 294). In den folgenden Jahren wurde haufig von dem Plan gesprochen, Palen OstpreuBen zu iaberlassen. Unter OstpreuBen verstanden die Alliierten Bas siadliche OstpreuBen siidlich des spater von der Sowjetunion annektierten Konigsberger Gebietes, einschlieBlich des Gebietes der Freien Stadt Danzig, die oft nicht gesondert erwiihnt wurde. Als Beispiele dafiir, daB Danzig zu OstpreuBen gerechnet wurde, scion genannt: Ein Vorschlag des amerikanischen AuBenministers Sumner Welles zur Abtretung OstpreuBens, wobei er als westliche Begrenzung die Westgrenze des Freistaates Danzig nannte (Welles S. 354), sowie eine Erklarung Edens am 28. 2. 1945 vor dem Unterhaus fiber die Ergebnisse der Krimkonferenz. Eden ging im besonderen auf die Danziger Frage ein Lind schlug zur endgiiltigen Losung dieses Problem die Abtretung „Ostpreuf3ens" an Polen vor (Parl. Deb. HC vom 28. 2. 1945 Sp. 1500ff.). AuBerdem war die fast stereotyp wiederkehrende Wendung bei den meisten Erklarungen beziiglich der Westgrenze Polens: der notwendige „breite Zugang zum Meer", die „lange Kiistenlinie" usw. Dies entsprach den Forderungen Polens auf Danzig als Zugang zum Meer nach dem ersten Weltkrieg (vgl. hierzu den Bericht des polluschen Premienninisters Sikorski vom 19. 11. 1939, nach dem England und Frankreich Polen eine langere stenlinie nach dem Versailler Vertrag zubilligten (Holborn, Bd. I S. 450); ferner Churchill am 24. 5. 1944 vor dem Unterhaus (Parl. Deb. HC vom 24. 5. 1944, Sp. 778ff.); ebenso am 15. 12. 1944: "Poland will gain in the North the whole of East Prussia, west and south of the fortress of Konigsberg including the great city and port of Danzig . . ." ; Bericht Roosevelts vor dem KongreB :Ober die Krimkonferenz am 1. 3. 1945 (Congr. Rec. vom 1. 3. 1945, S. 1621). 523 S her wood S. 581f. ; Deutsches Biro fur Friedensfragen, Heft 6 S. 27. 122 Kriegsverhandlungen der Alliierten 1943144 an die Sowjetunion verlorenen Gebiete entschadigt werden 524 . Uber diesen Vorschlag wurde dann in. Moskau (19.-30. 10. 1943) auch eine grundsatzliche Einigung erzielt 525 . Auch in London wurde der Plan, OstpreuBen und Danzig nach Beendigung des Krieges an Polen zu geben, zwischen Eden, dem sowjetischen. Botschafter Maisky und dem USA-Botschafter Winant zur Sprache gebracht 526 . Wahrend Churchill sich auf der Teheran.-Konferenz (26. 11.-1. 12. 1943) bereits mit der Oder-Linie als Polens Westgrenze eM.verstanden erklarte, empfahl Eden dagegen die Beschrankung auf OstpreuBen, Danzig, Oberschlesien und Teile von Pommern 527. Nach seiner Riickkehr aus Teheran berichtete Churchill am 14. 1. 1944 dem britischen. Kabinett, daB sich die britische, amerikanische und russische Regierung geeinigt hatten, Deutschland in einzelne Staaten. aufzuteilen, OstpreuBen und die deutschen Gebiete Ostlich der Oder n Polen abzutreten und die BevOlkerung auszusiedeln 528 . Er versuchte ferner, die polnische Exilregierung fiir die in Teheran diskutierten Plane zu gewinnen. Er sprach am 22. 1. 1944 Mikolajczyk und Romer gegeniiber auch wieder u. a. von der geplanten Abtretung Danzigs und einer Aussiedlung seiner BevOlkerung 529. Die prinzipielle rbereinstimmung der alliierten Staatsmanner hinsichtlich der geplanten Abtretungen einschlieBlich Danzigs geht auch aus einem am 14. 2. 1944 vollzogenen Briefwechsel zwischen Churchill und Stalin hervor 53°. Vor dem Unterhaus verteidigte Churchill am 22. 2. 1944 die in Teheran vorgeschlagenen Plane. In der anschlieBenden Debatte (23. 2.) wurde Churchills Ostpolitik scharfste Kritik entgegengesetzt. Jede Gebietsveranderung, auch die Schaffung eines polnisehen Zuganges zum Meer auf Kosten des rein deutschen OstpreuBen, wurde abgelehnt 531. Auch im Oberhaus wurde eine Politik der Umsiedlung und territorialen Veranderungen veturteilt 532 . Churchill beharrte aber auf seinem Standpunkt. Am 24. 5. sprach er vor dem Unterhaus erneut von der breiten 1VIeereskiiste, die man Polen geben. miisse 533. Eden dagegen driickte sich vorsichtiger aus and erklarte am 12. 7. 1944, nachdem nochmals aus dem Unterhaus vor der Abtretung OstpreuBens an Polen gewarnt worden war, territoriale Entscheid-ungen seien bisher nicht gefallen 534 . Er lieB aber keinen. Zweifel daran, daB die britische Regierung grundsatzlich solche Gebietsabtretungen fiir angebracht Melt, and erinnerte an die Erklarungen Churchills vom 22. 2. 1944 535 (so auch am 524 Churchill, Der II. Weltkrieg, Bd. V/1 S. 408. 526 Ciechanowski S. 200. 525 GA 2/3 S. 5; Marzian S. 393. 527 GA 2/3 S. 5; Wagner S. 55ff. 528 Churchill, Der II. Weltkrieg, Bd. IV/2 S. 317. 529 Lane S. 55ff. 53° GA 8/9 S. 5; GOttinger Arbeitskreis, Ostdeutschland S. 81. 531 Parl. Deb. HC vom 23. 2. 1944, Sp. 890ff. 532 Parl. Deb. HL vom 8. 3. 1944, Sp. 1097ff. 533 Parl. Deb. HC vom 24. 5. 1944, Sp. 778ff. 534 Deutsches Baro far Friedensfragen, Heft 6 S. 44, 48; Der Gottinger Arbeitskreis, Ostdeutschland S. 84. 535 Par t . Deb. HC vom 22. 2. 1944, Sp. 699. Kriegsverhandlungen der Alliierten 1944 123 24. 5.), daB die Atlantik-Charta keine Garantien hinsichtlich des Gebietsstandes Deutschlands gebe 536 . Auf der Moskauer Konferenz vom 9.-18. 10. 1944 wurde wiederum von der Oder-Linie als deutscher Ostgrenze gesprochen 537 ; und als Churchill am 15. 12. 1944 zur Zukunft Polens Stellung nahm, sprach er sich erneut dafiir aus, daB u. a. OstpreuBen einschlieBlich Danzig zu Polen gehOren sollte und die BevOlkeru.ng umgesiedelt werden masse. Roosevelt Melt sich bei den Dreierverhandlungen, sobald die Frage der Westgrenze Polens angeschnitten wurde, auffallig zuriick 538. Gebietsveranderungen lieBen sich nicht mit der amerikanischen Verurteilung gewaltsamer Gebietsveranderungen vereinen533 . Die Vereinigten Staaten gingers auch nicht auf die polnischen Vorschlage ein, das znkiinftige, bis an die Oder und NeiBe 54° reichende Polen gemeinsam mit England und der Sowjetnnion zu garantieren. Die britische Regierung stellte darauf in Aussicht, gemeinsam mit der Sowjetunion auch ohne die Vereinigten Staaten die Garantie f dr die Gesamtheit des neuen Polens zu tibernehmen. 541. Sie hoffte, damit ihren EinfluB in Polen zu starken und Mikolajczyk und seine Partei zu unterstiitzen 542. Und dock konnten sich auch die Vereinigten Staaten letzten Endes den Planen fiir eine Verlegung der Grenzen Polen each Westen nicht verschlieBen543 ; denn sie glaubten, die Unterstiitzung Parl. Deb. HC vom 17. 7. 1944, Sp. 1713f. 537 Churchill, War Speeches Bd. V, S. 292. 538 Bullit S. 22f.; Wagner S. 83. 533 Wagner S. 77, 86; Hull Bd. 2, S. 1165ff. 540 Os obka -Morawski, einer der fiihrenden polnischen Kommunisten Mitglied der am 31. 12. 1944 gebildeten provisorisehen polnischen Regierung in Lublin —, erhob als erster in einem Interview (veraffentlicht in Manchester Guardian am 30. 8. 1944) Offentlich den Anspruch auf die Oder-NeiBe-Linie (vgl. Wiskemann S. 79, Anm. 2). 541 Der UnterstaatssekretOx im Foreign Office, Sir Alexander Cadogan, schrieb am 2. 11. 1944 im Auftrage des Premierministers Churchill an den AuBenminister der polnischen Exilregierung in London Tadeusz Romer in Beantwortung einer Anfrage vom 31. 10. 1944, die britische Regierung werde eine Verschiebung der Westgrenze Polens bis an die Oder-NeiBe-Linie auf der Friedenskonferenz befiirworten und gemeinsam mit der sowjetischen. Regierung die Garantie far die Tin.abhangigkeit und den Bestand des neuen Polens -Obernehmen, auch fill. den Fall, daB sich die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika nicht Baran beteiligen wrirde (vgl. Polish Embassy London, Poland, Germany and European Peace, S. 105f.). 542 GA 5/6 S. 11; 16 S. 5; Londoner Times vom 17. 11. 1947. 543 Vgl. A_uBerung Roosevelts im Mitrz 1943 gegeniiber Eden, die GroBraachte batten zu betimmen, welehe Gebiete Polen erhalten solle (Sherwood S. 710); Schreiben Roosevelts vom 17. 11. 1944 an Mikolajczyk, die Vereinigten Staaten kOnnten zwar keine Garantie geben, warden aber im Falle eines britischsowjetisch-polnischen Ubereinkommens keine Einwendungen gegen Entschadigung Polens mit deutschen Gebieten erheben (Wagner S. 98; Stettinius S. 41, nach. dessen Beschreibung die Vereinigten Staaten gegen eine zu weite Ausbreitung Polens, wohl aber fur dessen VergrOBerung durch OstpreuBen [ohne Konigsberg], Oberschlesien and Teile Pommerns eingestellt waren; vgl. auch. Stettinius S. 64f.). 538 124 Die Jalta-Konferenz der Sowjetunion im fernen Osten zu brauchen 544. Auch mag die sowjetische Machtausdehnung auf dem Kontinent eine Rolle gespielt haben 545. b) Von Jalta bis Potsdam. Als die „GroBen Drei" sich im Februar 1945 zur letzten Kriegskonferenz in Jalta versammelten, war angesichts der wachsenden politischen Gegensatze zwischen West- und Ostalliierten eine Verstandigung fiber die polnische Frage — auch fiber die Westgrenze — nur teilweise zu erreichen. Beziiglich Danzigs und OstpreuBens bestand aber einhellig die Absicht, diese Gebiete an Polen anzuschlieBen 546. Vor dem britischen Unterhaus haben Churchill mid Eden dann ihre Zugestand.nisse an die Sowjetunion verteidigt, wobei sie erwahnten, daB die Abtretung deutscher Gebiete davon abhange, ob eine dernokratische polnische Re! gierang geschaffen werden kOnne. Die endgilltige Festlegung der Grenze sollte als Tell der Regelung der deutschen Frage auf der Friedenskonferenz vorgenommen werden 547 . Eden berichtete hierbei caber seine Erfahrungen als Berichterstatter fur Danzig im VOlkerbund. Er meinte, eine LOsung von wirklichem Wert kOnne nie moglich sein, solange Danzig and der Korridor in der alten Form bestehen blieben. Entweder masse Polen jeder Ausgang zum Meer genommen werden oder aber Ostpreul3en masse aufhOren. deutsch zu sein, und der Korridor masse verschwinden. Von diesen beiden Alternativen empfehle er dem Haase ohne ZOgern die zweite. Am 1. 3. 1945 sprach Roosevelt vor dem KongreB caber Jalta. Er hielt es fur die beste Losung, wenn Danzig polnisch -wiirde 548. Nach Jalta verscharften sich die Gegensatze zwischen den Westalliierten and der Sowjetunion immer mehr. Die Sowjetunion und Polen hielten sich nicht an die Abmachungen von Jalta, nach denen die polnische Regierung auf demokratischer Grundlage neu gebildet and die polnische Westgrenze erst nach Verhandlungen mit der neugebildeten polnischen Regierung Burch einen Friedensvertrag festgelegt werden sollte. Sie verzOgerten die Verhandlungen und waren offensichtlich bestrebt, indessen vollendete Tatsachen zu schaffen. Bereits am 5. 2. 1945, also noch wahrend der Jalta-Konferenz, hatte der President des polnischen Nationalrates, Bierut, die rbernahme der Verwaltung der deutschen Ostgebiete angekiindigt 549 ; and der Vorsitzende des Lubliner Befreiungskomitees OsObka-Morawski erklarte am 1. 3. 1945 vor dem Nationalrat, daB die „wiedergewomaenen Gebiete" der 544 Wagner S. 113f.; Byrnes S. 24; Leah y S. 343f., 361f.; Stettinius S. 92ff.; am letzten. Tag der Krimkonferenz wurde ein Geheimabkommen zeichnet iiber die Bedingungen, ureter denen die Sowjetunion in den Krieg gegen. Japan eintreten 545 Vgl. allgemein. Hull, Bd. 2 S. 1436ff. 546 Stettinius S. 209f.; Churchill, Der II. Weltkrieg Bd. VI/2 S. 42, 52ff. 547 Parl. Deb. HC vom. 27. 2. 1945, Sp. 1275ff.; vom 28. 2., Sp. 1500ff.; vgl. Churchill, Reden Bd. VI S. 92ff. 548 . . also — what shall I call it — the anomaly of the Free State of Danzig — I think Danzig would be a lot better if it were Polish" (Congr. Rec. yam 1. 3. 1945 S. 1621). 549 Keesings Arch. 1945, S. 79. Zwischen Jalta and Potsdam 125 polnischen Kultur zuriickgegeben werden warden. Die Spuren der jahrhundertelangen Germanisierung sollten ausgelOscht werden 55°. Kurz darauf wurde mit der Verwirklichung dieser Plane bereits begonnen. Nach der Bildung der Wojewodschaften Masuren, Oberschlesien, Niederschlesien und Pommern am 14. 3. wurde am 30. 3. die Wojewodschaft Danzig errichtet. Die Vereinigten Staaten wandten sich daraufhin durch ihren Botschafter in Moskau am 8. 4. 1945 an die Sowjetunion 551 : Nach Presse- und Radioberichten seien gewisse sowjetisch besetzte Gebiete, darunter „die Freie Stadt Danzig", in aller Form Polen einverleibt worden. Es wurde um Aufklarung fiber den gegenwartigen Status gebeten. In ihrer Antwortnote behauptete die Sowjetunion am 17. 4., daB each Abzug der deutschen Truppen nur polnische Bevtilkerung in jenen Gebieten zuriickgeblieben sei, fiir die eine Ortliche polnische Verwaltung eingerichtet werden muBte. Die Ma13nahme stehe jedoch in keiner Beziehung zur Grenzfrage. Damit gab sich die amerikanische Regierung nicht zufrieden. Sie wandte sich am 8. 5. erneut an die Sowjetunion und verlangte die Einhaltung der Abmachungen von Jalta, nach denen die deutschen Ostgebiete bis zur endgiiltigen Friedensregelung ureter sowjetischer militarischer Besetzung bleiben maten. Die Vereinigten. Staaten hatten bisher — so heiBt es in der Note — den Einchuck gehabt, daB polnische BehOrden nur vereinzelt fiir die Ortliche technische Verwaltung eingesetzt worden seien. Sie batten aber Meldungen erhalten, nach denen die Warschauer Regierung mit Zustimmung sowjetischer Besatz-ungsbehOrden in aller Form die Einverleibung der fraglichen Gebiete in das polnische Staatssystem dekretiert und polnische Volkszugehiirige aus Polen zur Verwaltung dieser Gebiete eingesetzt babe. Auch seien Umsiedlungen polnischer BevOlkerung in jene Gebiete veranlat worden. In der Antwortnote der sowjetischen Regierung vom 16. 5. zeigt sich bereits der Zwist, der die politische Entwicklung seit Potsdam beherrscht hat. Die Sowjetnnion wuBte, daB keine Macht mehr in der Lage war, ihr das Eroberte wieder zu entreiBen. In Jalta, so argumentierte sie, sei die VergrOBerung Polens anerkannt worden. Angesichts dieser Regelung sei es natiirlich, daB die Zivilverwaltung nach polnischem Recht and each Anweisung der polnischen provisorischen Regierung gehandhabt wiirde. Im ubrigen verstehe es sich von selbst, daB — wie in Jalta vorgesehen — die endgiiltige Festlegung der westlichen Grenze Polens bei der Friedensregelung erfolgen wiirde. Mit dieser Entgegnung behielt die Auseinandersetzung zunachst ihr Bewenden. Sie wurde erst auf der Berliner Konferenz im Sommer 1945 wieder aufgenommen. Die Sowjetunion betrachtete eine Friedensvertragsregelung nur als formelle Bestatigung der bereits in Jalta getroffenen Absprachen; demgegeniiber meinten die Westmachte, rechtsgaltige Abmachungen iiber die endgiiltige Abtretung deutscher Ostgebiete uberhaupt 551 Lane S. 256f. 55° Keesings Arch. 1945, S. 212. 126 Die Potsdamer Konterenz noch nicht getroffen zu haben. Die Erklarung der vier Alliierten am 5. 6. 1945 552 fiber die Aufteilung Dentschlands innerhalb seiner Grenzen in Besatzungszonen bestatigte diese Auffassung. Es unterliegt keinem Zweifel, daB die Alliierten sich iiber die Notwendigkeit einer „Entschadigung" Polens auf Kosten deutscher Gebiete grundsatzlich geeinigt hatten. Insbesondere stand der Plan, Danzig den Polen zu geben, von vornherein fest. Die endgiiltige Grenzfestlegung wurde aber immer wieder hinausgeschoben. Grundlegende Meinungsverschiedenheiten (in erster Lithe iiber die vom. Osten gewiinschte Anerkennung der polnischen Warschau-Regierung, die Begrenzung der Westausdehnung Polens und das AusmaB einer Bevrilkerungsumsiedlung) verhinderten eine rbereinkunft. Wenn andererseits auf westalliierter Seite bei alien Verhandlungen eine bemerkenswert nachgiebige Haltung zu beobachten war, die sogar so welt ging, daB die Vereinigten Staaten bereit waren, von den in der AtlantikMarta verkiindeten Prinzipien abzuweichen, so zeigt dies, wie sehr die Westmachte noch kurz vor dem militarischen Zusammenbruch Deutschlands und Japans der Unterstfitzung des ristlichen Partners zu bediirfen glaubten. c) Verhandlungen, in Potsdam. Als die Regierungsoberhdupter der USA, Englands and der Sowjetunion sich in Potsdam trafen, hatte die sowjetische Besatzungsmacht bereits den ristlichen Teil ihrer Okkupationsgrenze an Polen iibergeben., das dort seine Verwaltung einrichtete. In Ankniipfung an den Notenwechsel vom April und Mai gleichen Jahres versuchten die Westmachte nochmals, eine Riickgdngigmachung der polnischen Verwaltung fiber die deutschen Ostgebiete zu erreichen 553. Stalin hingegen begriindete die sowjetischen MaBnahmen mit der Notwendigkeit, geordnete Verhaltnisse im Riicken der sowjetischen Armee sorgen zu miissen. Er raumte aber eM, daB keiner der Besatzungsmachte das Recht zirsiehe, eine neue Zone zu errichten. Er bestatigte auBerdem, daB in Jalta keine endgilltigen Gebietsregelungen getroffen worden seien. Die Westmachte muBten letzten Endes nachgeben. Sie waren nicht in der Lage, das fait accompli zu beseitigen, und versuchten schlieBlich nur noch, die Zugestandnisse in der Frage der polnischen Verwaltung gegen andere Forderungen — wie Hrihe der Reparationen, Herstellung diplomatischer Beziehungen mit verschiedenen sowjetabhangigen Staaten, Beteiligung der Sowjetunion am Kriege gegen. Japan — zu kompensieren. Auf Grund falscher Angaben iiber die Zahl der noch in den polnisch besetzten Gebieten befindlichen deutschen Bevrilkerung seitens der Sowjetunion stimmten die westlichen Staatsmanner schlieBlich auch deren Umsiedlung Z11 554. Auch nach Anhrirung von Vertretern der polnischen Regie552 ABl. KR. Erg.B1. Nr. 1, S. 11. 553 Byrnes S. 79ff.; vgl. Wagner S. 149f. 554 Byrnes S. 80. Die Potsdamer Erklarung und Danzig 127 rung, zu denen auch Mikolajczyk gehorte, blieben sie aber dabei, daB sie endgiiltige Grenzregelungen auf dieser Konferenz nicht vorzunehmen wiinschten. Vielmehr warden nun stdrkste Bedenken gegen eine Westausdehnung Polens erhoben, die dem polnischen Verwaltungsbereich entsprach. Die Westmachte befiirchteten, daB dadurch die Versorgung der deutschen Bevolkerung in ihren Besatzungszonen gefdhrdet werden kiinnte und daB die deutsche Wirtschaft in Unordnung geraten -wiirde 555. Sie waren auch iiber den gewaltigen BevOlkerungszustrom aus dem Osten beunruhigt. Besteht somit zwar kein Zweifel daran, daB die Alliierten bis zum Zusammentreffen in Potsdam die Absicht hatten, Danzig an Polen zu gegen, so ergibt sich dennoeh aus ihren Verhan.dlungen. und Absprachen ebenso zweifelsfrei, daB sic bis zu diesem Zeitpunkt eine endgiiltige Regelung nicht vorzunehmen wiinschten. Das geht, wie im folgenden darzustellen sein wird, auch aus dem Wortlaut des Potsdamer Abkommens hervor. 2. Wurdigung der Potsdarner Erklarung (Textauslegung) a) Die Einbezieh,ung Danzigs in die sowjetische Besatzungszone. Aus dem Wortlaut des neunten Abschnitts der Potsdamer Erklarung 556 ergibt sich zunachst, daB die Freie Stadt Danzig linter der Verwaltung des polnischen Staates stehen soli and daB sie insoweit nicht als Tell der sowjetischen Besatzungszone zu betrachten ist. Die Wendung „for such purposes" laBt darauf schlieBen, daB nicht beabsichtigt war, grundsatzlich von der bisher unter den Alliierten getroffenen Regelung 557 abzuweichen, nach der die deutschen Ostgebiete zum Bereich der sowjetischen Besatzungszone gehiirten558 . Es sollte lediglich zum Ausdruck gebracht werden, daB die drei Regierungsoberhaupter mit der Ausiibung der Okkupationsgewalt durch Polen einverstanden waren 559. Ferner ergibt sich aus dem Wortlaut, daB die drei Regierungsoberhaupter bei ihrer bisherigen Auffa.ssung blieben, daB die polnisehe Westgrenze erst auf der Friedenskonferenz festgelegt wiirde. Dies ist eine eindeutige Regelung, die, wie die Verhandlungen und. 555 So Churchill am 22. 7. (vgl. Leahy S. 475). 558 Die bier einschlagigen Bestinananngen dieses Abschnitts sired oben auf S. 120 und in An.m. 520 daselbst abgedruckt. 557 Vgl. Berliner Erklarunc, vom 5. 6. 1945, wonach Deutschland innerhalb seiner Grenzen von 1937 in ej4 Zonen aufgeteilt wird; vgl. auch die nach der Potsdamer Erklarung erlassene Kontrollratsproklamation Nr. 2 vom 20. 9. 1945 (Kraus -Heinze Nr. 35, Anh. I), in der von den Grenzen Deutschlands vom 31. 12. 1937 gesprochen ward; so auch Kontrollratsgesetz Nr. 52, Art. VII 9e, Nr. 53, Art. VII 11g; vgl. USA-Note vom 8. 5. 1945, die Proteste gegen polnische Eingliederung der zur sowjetischen Besatzungszone gehOren.den Gebiete aussprach (Deutsches Biiro fair Friedensfragen, Heft 6, S. 110; Eisenhower S. 431). 558 Vgl. hierzu Kraus, Die Oder-NreiBe-Linie S. 33, Anm. 75; Klein S. 39ff. 559 Bereits bei den Verhandlungen in Jalta hatte Stalin angekiindig,t, daB die Sowjetnnion an der Besetzung ihrer Zone in Deutschland vielleicht andere Lander beteiligen wollte, ohne daB these in der KontrollbehOrde vertreten scan wiirden (vgl. Wagner S. 117). 128 Die Potsdarner Erldeirung und Danzig die vorher in Jalta abgegebene Erklarimg zeigen, nicht nur einen Hinweis auf eine noch ausstehende rein formelle Bestatigung rechtlich bereits festgelegter Tatsachen enthalt, sondern die Vornahme rechtsgilltiger territorialer Vereinbarungen. kiinftigen Friedensverhandlungen vorbehalt 560. Auffallig ist die besondere Nennung der Freien Stadt Danzig im Text der Deklaration. Bezeichnenderweise heiBt es in der Formulierung nicht: „die friih.eren Gebiete des Deutschen Reicks einschliefflich des Gebietes der frilheren Freien Stadt Danzig" 561-, sondem: „die frillier deutschen Gebiete, einschlieBlich . . ." „deutsch" ist also eine ethnologische, nicht eine staatsrechtliche Bezeichnung. Damit sollte also nicht etwa ausgesagt werden, daB Danzig als ursprungliches Reichsgebiet angesehen wurde. Danzig gehOrte mit seiner Bevolkerung deutschen Volkstums zu den „friiher deutschen Gebieten", „friiher" wohl deshalb, well die deutsche BevOlkerung zum groBen. Tell these Gebiete bereits verlassen hatte 562. Die besondere Erwahnung Danzigs: „einschlieBlich der friiheren. Freien Stadt Danzig" war erforderlich, um eine Diskrepanz mit der Erklarung der Alliierten vom 5. 6. 1945 563 zu vermeiden, nach der als Deutschland das am 31. 12. 1937 zum Deutschen Reich gehOrige Gebiet angesehen wurde. Obwohl also die Freie Stadt Danzig nicht fiir einen Bestandteil des Deutschen Reiches gehalten wird, soli sie zur Ostlichen Besatzungszone gehiiren. Gerade dieser Bestimmung ist in Verbindung mit dem Hinausschieben der territorialen. Regelungen zu entnehmen, daB Danzig nicht als zu Polen gehOrig, also nicht als annektiert betrachtet werden sollte. Diese Auffassung wird durch Kommentare der Westalliierten kurz nach Potsdam bestatigt 564. Dagegen spricht deshalb auch nicht die Bezeichnung Danzigs als „friihere Freie Stadt Danzig", wie polnische Publizisten verschiedentlich behaupten 565. Genauso, wie das Beiwort „friiher" vor den deutschen. Gebieten nur den tatsachlichen Verhaltnissen Rechnung trug, sollte mit dieser Formulierung offenbar der tatsachlichen Situation Redlining getragen werden, die der rechtlichen nicht entsprach, well keine Danziger Regierungsgewalt mehr 560 Vgl. Kraus, Die Oder-NeiRe-Linie S. 33. 561' Vgl. den englischen und franzOsischen Text auf S. 120 und Anm. 520 daselbst. 562 Vgl. Deutsches Bilro filr Friedensfragen Heft 15, S. 23f.; Kraus, Die Oder-NeiBe-Linie S. 33, Anm. 74; Stalin hatte gegenilber den Westalliierten behauptet, es gebe keine Deutschen mehr in den deutschen Ostgebieten (vgl. S. 126). 563 ABI. KR. Erg.Bl. Nr. 1, S. 17. 564 Truman am 9. 8. und 16. 8. 1945 (vgl. Wagner S. 154f.); Bevin am 20. 8., 10. 10. und 31. 10. 1945; Churchill am 16. 8. 1945; Eden am 20. 8. 1945 (Parl. Deb. RC vom 16. 8., 10. 10., 30. 10. 1945). 565 Kl a fk owski S. 75, zit.: Deutsches Biiro fiir Friedensfragen, Heft 15, S. 23. Die Potsdamer Erkleirung and Danzig 129 ausgeiibt wurde 666. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, daB die ribereinkiinft fiber die deutsch-polnische Grenze nicht durch die drei Regierungen der Machte, sondern durch die drei Regierungschefs („Three Heads of Government") getroffen wurde. Scion auf der Krimkonferenz wurde der Text : „Die drei Machte" in „die drei Regierungschefs" geandert, urn verfassungsrechtlichen Bedenken der Vereinigten Staaten Rechnung zu tragen, die sich ohne Mitwirkung des Senats nicht auf eine bestimmte Grenzregelung festlegen -wollten 567 . Diese Abanderung, die dann auch in die Potsdamer Bestimmung -fiber die deutsch-polnische Grenze iibernommen wurde, zeigt, daB kein die Machte bindender Staatsvertrag abgeschlossen werden sollte. Noch deutlicher ergibt sich dies aus der im Abschnitt Ktinigsberg gebrauchten persOnlichen Wendung : „Der President der Vereinigten Staaten and der britische Premierminister haben erklaxt, daB sie den Vorschlag dieser Konferenz bei den bevorstehenden Friedensverhandlungen unterstiitzen werden." 568 Hiernach erwarteten die beteiligten Staatsmanner den baldigen. Beginn einer Friedenskonferenz. Im Hinblick auf diese Konferenz wiinschten sie, untereinander gewisse Bindungen einzugehen. Eine die drei Machte bindende vertragliche territoriale Regelung in bezug auf die polnische Westgrenze, somit auch fiir Danzig, ist in Potsdam weder gewollt noch erklart worden 569. b) V ergleich mit der Bestimmung beziiglich, Kein,igsbergs. Die Behandlung der Konigsberger Frage in der Potsdamer Deklaration laBt gleichfalls einen RiickschluB auf die Regebi-ng des Danziger Problems zu. Der Vorschlag der Sowjetunion, das nardllche OstpreuBen einschlieBlich Kiinigsbergs der Sowjetunion zuzusprechen, wurde grundsatzlich angenommen, aber vorbehaltlich der endgiiltigen Regelung der territorialen Fragen im Friedensvertrag. AuBerdem erklarten der President der Vereinigten Staaten and der britische Premierminister, daB sie den sowjetischen Vorschlag der Konferenz zu diesem Punkte bei der bevorstehenden Friedensregelung mi.terstiitzen wiirden. Beziiglich Danzigs wie auch der iibrigen. deutschen Ostgebiete fehlt sowohl die Erklarung des grundsatzlichen Ein.verstananisses als auch der SchluBsatz, durch den die beiden westlichen Staatsmanner ihre Unterstiitzung in A-ussicht stellten. Wenn aber selbst fiir Konigsberg, iiber desseia Abtretung man sich grundsatzlich geeinigt hatte, nicht die Absicht bestand, es vor AbschluB eines Friedensvertrages der Sowjetunion end566 Vgl. Deutsches Biiro fiir Friedensfragen, Heft 15, S. 23. 667 Wagner S. 128; vgl. bzgl. des Geheimabkommens von Jalta fiber den Krieg mit Japan Briggs in AJIL Bd. 40, S. 376 (1946); vgl. auch Kraus, Die Oder-NeiBe-Linie S. 34, Anm. 78, wonach diese Frage bereits auf der Konferenz von Teheran eine Rolle spielte. 568 Abschnitt XIII der Potsdamer Erklarung. 569 Vgl. Kraus S. 30; Wagner S. 157 Anm. 2, S. 158. 9 7467 Blitteher, Danzig 130 Die Potsdamer Erklärung und Danzig giiltig zuzusprechen 570, so kann eine soiche Absicht erst recht nicht im Falle Danzigs angen.ommen werden, da von dem Plan, es an Polen abzutreten, in der Potsdamer Deklaration nicht gesprochen wird. Somit ergibt sich auch aus der Form, in der die KOnigsberger Frage in der Potsdamer Erklarung Erwahnung fand, eine Bestatigu_ng der Rechtsansicht, daB Danzig durch diese Deklaration nicht endgiiltig Polen zugesprochen werden sollte. c) Anordnung der Ausweisang deutscher Bevolkerung. Die Anordnung der Umsiecllung fast der gesamten deutschen BevOlkerung hatte keinen Sinn. — so wird von polnischer Seite behauptet —, wenn die Gebietsabtretung nicht endgiiltig gemeint ware571. Die einschlagige Klausel in der Potsdamer Erklarung 572 lautet 573 : "The Conference reached the following agreement on the removal of Germans from Poland, Czechoslovakia and Hungary : The Three Governments, having considered the questions in all its aspects, recognise that the transfer to Germany of German population, or elements therof, remaining in Poland, Czechoslovakia and Hungary, will have to be undertaken." Demnach waren Ausweisungen der deutschen BevOlkerung aus Polen vorgesehen. „Polen" heiBt nicht „Teil Deutschlands und der Freien Stadt Danzig, der zur sowjetischen Besatzungszone gehOrt und unter polnischer Verwaltung steht". In alien anderen. Fallen ist im Potsdamer Abkommen, wenn es sich um deutsche Gebiete handelt, nicht von „Polen" usw. die Rede, sondern von „friiher deutschen Gebieten" und von der „friiheren Freien Stadt Danzig". Man mag sich vergegenwartigen, daB zu dem Polen von 1937 auf Grund des Versailler Vertrags ausgedehnte Lander mit deutscher BevOlkerung gehOrten, die nunmehr also nicht zu den sogenannten „wiedergewonnenen Gebieten" — den 1937 zum Deutschen Reich gehOrenden Gebieten —, sondern zu „Palen" gezahit werden. Die umgekehrte Argumentation„,Polen" sei einschlieBlich der „friiher deutschen Gebiete" und der „friiheren Freien Stadt Danzig" zu verstehen, vertragt sich nicht mit der Bezeichnung der polnischen Herrschaftsausiibung als bloBe „Verwaltung" des zur sowjetischen Besatzungszone gehOrenden Territoriums. Es heiBt ja im Text auBerdem: Umsiedlung nach „Deutschland". Zu. Deutschland gehOren nach der Definition der Alliierten aber auch die deutschen Ostgebiete, soweit sie innerhalb der Grenzen Deutschlands vom 570 Vgl. MeiBner, Die Sowjetunion S. 131, nach dessen Absicht Konigsberg unter treuhanderischer Verwaltung der Sowjetunion steht. 571 Vgl. u. a. die Erldarung des polnischen Aul3enministers Cyrankiewicz am 10. 4. 1947 auf einer Pressekonferenz, zit. : PPD Nr. 166, vom 11. 4. 1947. 572 Abschnitt XIII des Potsdamer Abkommens, abgedruckt: AM. KR. Erg. 131. Nr. 1, S. 19; deutsche Ubersetzung bei Kraus -Heinz e, Nr. 8, S. 19; v. Mangoldt, Dokumente S. 122, 124. 573 Auszeichnungen vom Verfasser. Die Potsdamer Erklarung und Danzig 131 31. 12. 1937 liegen. Auch in dem Text der Potsdamer Erklarung fiber die Umsiedlung findet sich somit eine Bestatigung dafiir, daB die Alliierten die deutsch-polnische Frage noch nicht zu Risen gewillt waren. Ein Vergleich dieser dem Wortlaut nach klaren Regelung mit den 16.1uBerungen alliierter Staatsmarmer, auch mit ihrem Verhalten nach Potsdam, zeigt unverkennbar eine Divergenz von Willenserklarung und inn erem Willen. Es wurde bereits dargestellt, daB die Alliierten zunachst geneigt waren, das Bevolkerungsproblem durch Massenumsiedlungen aus den deutschen Ostgebieten. zu Ibsen, die sie Polen zusprachen574. Zu einer Entscheidung hatten sie sich jedoch bis 1945 nicht durchringen kOnnen. Auf der Potsdamer Konferenz waren die Westathierten auch in der Umsiedlungsfrage vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Sie waren nicht in der Lage, die seit Monaten im Gange befindliche Austreibungsaktion aufzuhalten dem hartnackigen Drangen der Sowjets zu widerstehen. Sie klammerten sich daher an die Versicherung Stalins vom 21. 7. 1945 575, die Deutschen hatten ein BevOlkerungsvakuuna zurfickgelassen576, und erklarten sich in der Potsdamer Deklaration mit BevOlkerungsverschiebungen unter humanen Bedingungen aus „Polen" usw. einverstanden, duldeten darn aber ohne ernsthaften Widerspruch die Massenausweisungen aus alien polnisch verwalteten Gebieten577. Aber selbst eine Auslegung des Potsdamer Abkommens dahingehend, daB mit „Polen" auch cliejenigen deutschen Gebiete gemeint sind, die Polen als „wiedergewonnene Gebiete" bean sprucht (dazu auch Danzig), liefert keine Bestatigung der polnischen Rechtsansicht. Denn insoweit, als der Wortlaut des Potsdamer Abkommens die Aufschiebung der territorialen Regelung festlegt, entspricht er, wie oben dargelegt, eindeutig dem Willen der VertragsschlieBenden 578. 575 Byrnes S. 79ff. 574 Vgl. oben S. 120ff. 578 Vgl. Rede Trumans am 9. 8., Bevins am 20. 8.; Churchill duBerte am 16. 8. die stark-sten Bedenken gegentiber Art und Umfang der Austreibungen (vgl. oben S. 126). 577 Vgl. hierzu auch die nach der Potsdamer Konferenz getroffenen allgemeinen Vereinbarungen. zur Aufnahme der ausgetriebenen Deutschen (Protokoll des alliierten Sekretariats beim Kontrolirat vom 17. 11. 1945 betr. Plan zur Vberfiihrung der deutschen Bevolkerung aus Osterreich, der Tschechoslowakei and Polen in die 4 Besatzungszonen Deutschlands [EA 1947, S. 823]; Plan des alliierten Kontrolirats far die Umsiedlung der deutschen BevOlkerung aus Polen vom 20. 11. 1945 (Deutsches Biiro fiir Friedensfragen, Heft 6, S. 147f.); Abkommen fiber die Aussiedlung der deutschen Bevôlkerung aus Polen zwischen der britischen Rheinarmee und den polnisehen BehOrden vom 14. 2. 1946 — Bezug : Protokoll des alliierten Kontrolirats vom 17. 11. 1945 — (EA 1947, S. 824). Auch in diesen Abkommen ist ilbrigens immer von „Polen" die Rede. Praktiseh warden auch die Deutschen aus den polnisch verwalteten Gebieten aufgenomm.en. 578 Eine umfassende Aufzahlung von Beispielen zum Beweise der Tatsache, daB die Alliierten in Potsdam keine endgilltigen territorialen Verfilgungen treffen wollten, gibt Kraus, Die Oder-NeiBe-Linie S. 36, Arun. 84; vgl. auch daselbst S. 36ff. 9* 132 Alliierte Besetzung Danzigs 3. Polnische Verwaltung Trotzdem sieht Polen in der Tatsache, daB die Freie Stadt Danzig dem polnischen Staat zur Verwaltung iiberlassen wurde, die definitive Verwirklichung der alliierten Versprechungen. Polen halt die Potsdamer Beschliisse fiir eine Legitimation seines einseitigen Zugriffes 579. Es ist, da Danzig durch das Potsdamer Abkommen ausdriicklich zwecks „Verwaltung" unter polnische Herrschaft gestellt wurde, nunmehr darzulegen, was mit diesem Ausdruck gemeint war und welche Ziele die Alliierten mit der Unterstellung Danzigs unter polnische Verwaltung verfolgten. a) Besetzung durch die Alliierten. Danzig wurde ebenso wie Deutschland im Zuge der alliierten Operationen kriegerisch besetzt und, wie ausgefiihrt, durch die Alliierten nicht annektiert bzw. an Polen adjudiziert. Die eigenmachtigen tatsdchlichen MaBnahmen durch den sowjetischen Alliierten andern nichts an der von allen Alliierten oftmals — auch noch nach der Annexion Danzigs durch Polen — eindeutig erklarten rechtlichen Verpfiichtung zur Gemeinsanikeit des Vorgehens 580. Keiner der Alliierten hatte hiernach das Recht, den Koalitionskrieg durch einen Separatfrieden zu beenden. Territoriale Verfiigungen durften nur gemeinsam auf einer Friedenskonferenz getroffen werden. Die Besetzung Danzigs war folglich nach dem auch noch in Potsdam iibereinstimmenden Willen der Koalitionsmachte eine alliierte Besetzung, wobei die Alliierten Danzig nicht mit Annexionsabsicht besetzten, sondem mit dem Willen, dort Fremdherrschaft ausz-u.iiben. An dieser Stelle sei vergleichsweise an die Regelung der Dan ziger Frage durch die Alliierten nach dem ersten Weltkrieg erinnert. Damals wurde das Gebiet der Freien Stadt Danzig auf Grund des Versailler Vertrags vom Deutschen Reich abgetreten. An die Stelle der deutschen Herrschaft trat bis zur Errichtung des Freistaates ein Kondominium der Entente-Hauptmachte. In jenem Falle iibten die Machte also vorubergehend gemeinsam die Flerrschaft fiber ein Gebiet aus, das ihnen seitens des urspriinglichen 579 Vgl. PPD Nr. 166 vom 11. 4. 1947. 58° Vgl. die Washingtoner Erklarung vom 1. 1. 1942, in der sich 26 Regierungen, darunter samtliche Alliierte und Palen., verpflichteten, keinen separaten Waffenstillstand und Frieden zu schlief3en. Weitere 21 Staaten traten dieser Deklaration spater bei (v. Mangol dt, Dokumente S. 47f.); die Erklarungen der alliierten Staatsoberha,upter na,ch den Kriegskonferenzen von Moskau, Teheran und Jalta. Auch aus diesen Verlautbarungen ergibt sich der Wille zu kombiniertem Handeln in und nach dem Kriege und gemeinsamem Friedensschluf3 (v. Mango' dt a. a. O. S. 17, 21, 29, 39); auch nach Beendigung der Kampfhandlungen brachten die Alliierten diesen Willen zum. Ausdruck. Sie bildeten 4 Besatzungszonen, zu denen auch Danzig gehOrte und untersteliten sie einer zentralen Kontrollkornmission; vgl. die Erklarung vom 5. 6. 1945 (A131. KR. Erg. Bl. Nr. 1) und die Potsdamer Erklarung, in der nochmals von den drei graBen Alliierten der Wile zur gemeinsamen. Friedensregelung der territorialen Fragen und zur gemeinsamen Zonenverwnitung zum Ausdruck gebracht wurde, wobei Polen besondere Verwaltungsbefugnisse eingerau-mt wurden. Alliierte Besetzung Danzigs 133 rechtmaBigen Gebietsherrschers durch einen vOlkerrechtlichen Vertrag abgetreten worden war. Im Jahre 1945 dagegen fehlte es an einer entsprechen.den vertraglichen Vereinbarung. Es war kein Danziger Staatsorgan vorhanden, mit dem man hatte verhandeln kiiimen. Da die Alliierten. aber Danzig auch nicht annektiert oder adjudiziert haben, ist ihre gemeinsame Herrschaft fiber ein ihnen nicht gehOrendes, also fremdes Gebiet wohl als Koimperium zu bezeichnen 581. Die territoriale Souveranitat ist jedenfalls nicht auf die Alliierten iibergegangen. Die Befugnis zur Ausiibung der gemeinsamen Herrschaft — die Verwaltung des Danziger Gebietes wurde nach dem in Potsdam erklarten Willen der drei Alliierten an Polen iibertragen. b) Zweck der alliierten Besetzung. Folgt man den offiziellen Verlautbarungen582, so sollten die vom ,Dritten Reich" bis dahin beherrschten Gebiete zur Gewahrleistung einer Lebensform, die mit der demokratischen Rechtsordnung der VOlkergemeinschaft im Einklang stand, einer grundlegenden Neuordnung unterzogen werden. Zu diesem Zweck wurde das unterworfene Gebiet in Besatzungszonen aufgegliedert, die von den einzelnen GroBMachten verwaltet wurden. Diese bedienten sich der Hilfe der Beviilkertmg des jeweiligen Gebietes, die nach und nach die Verwaltungsaufgaben wieder selbst iibernehraen sollte. Hiernach kOnnte man die verwaltende Tatigkeit der Alliierten in den besetzten Gebieten als Verwaltung treuhanderischer Natur bezeichnen 583. Die internen Verhandlungen und Abmachungen der Alliierten ergeben aber ein von den nach auBen verkiindeten Zielen mid Absichten sehr verschiedenes Bild584. Die Schwachung Deutschlands durch Zerstiickelung und Reparationen war zunachst wesentliches Motiv fur die alliierte Besetzung. Beziiglich der Danzig-Regelung war die Tatsache bestim mend, daB eine Einigung fiber die gesamte panische Frage nicht zu erzielen war 585. GroBbritannien and die Vereinigten Staaten wiinschten die Bildung einer demokratischen polnischen. Regierung und erklarten sich nur unter dieser Voraussetzung mit Gebietsabtretungen 586 einverstanden. Die Sowjettinion dagegen wiinschte ein sowjetisch ausgerichtetes Polen an seiner Seite zu sehen, das die Curzon-Linie im Osten anerkannte. Die Machtverhaltnisse zwangen die Westalliierten zum Nachgeben. Sie wichen zwar der sowjetischen Forderung auf sofortige endgiiltige Abtretung Danzigs usw. an Polen aus, willigten schlieBlich aber in die Beibehaltung der polnischen Verwaltung ein. Zweck dieser Verwaltung war within nur ein Provisorium, namlich die zeitbedingte 581- Vgl. Menzel, Deutschland S. 75ff.;- v. Dassel S. 22, Anm. 38. 582 Art. II der Jalta-Deklaration and Art. TTT des Potsdamer Abkommens (abgedruckt: ABl. KR. Erg. Bl. Nr. 1, S. 4, 13; Kraus -Heinz e Nr. 1, 8). 583 Vgl. Menzel, Deutschland S. 78ff. 585 Vgl. oben S. 124ff. 584 Vgl. Wagner S. 116ff., 148f. 588 Entgegen der Atlantik-Charta, die sic ausdriicklich als far Deutschland nicht bindend bezeichneten (vgl. Churchill am 22. 2. mid 24. 5. vor dem Unterhaus [War Speeches S. 18f.]; Eden am 12. 6. vor dem. Unterhaus [Deutsches Biiro ftir Friedensfragen, Heft 6, S. 48]). 134 Die Grenzen der alliierten Besetzung rberbriickung eines voriibergehenden, ungeklarten Zustandes, dessen Ursache Uneinigkeit enter den Alliierten war, und nicht etwa eine territoriale Verfiigung durch die Alliierten. c) Berechtigung der alliierten 111aPnahm,en und die rechtlich,en Saranicen. Es ist oft versucht worden, die interventionistischen Eingriffe der Alliierten in Deutschland sowie die Besatzungs,situation rechtlich zu deuten, zugleich aber auch die durch das VOlkerrecht gesetzte notwendige Begrenzung soldier Eingriffe festzustellen 587. Zumindest die Westallierten haben im groBen und ganzen schlieBlich auch den vom VOlkerrecht fiir die Okkupation vorgeschriebenen. Rahmen wieder angestrebt und zumindest den Weg beschritten, die Staatsgewalt allmahlich wieder herzustellen, sowie nach und nach die Souveranitat zuriickzugeben. In Danzig fehlen aber alle Voraussetzungen, die den verschiedenen rechtlichen Konstruktionen der Besatzungsformen fiir Deutschland zugrunde liegen. Ein Waffenstillstand oder eine Kapitulation ist von einer Danziger Regierung nicht unterzeichnet worden. Auch sonstige vertragliche Abreden sind nicht durch zustandige Danziger Staatsorgane getroffen worden. Eine Wiederherstellung der staatlichen Funktionen der Freien Stadt Danzig als soldier ist bisher nicht in die Wege geleitet worden. Eine Besetzung, die fiber die kriegerische Besetzung hinausgeht, kiinnte aber nur auf die Zustimmung des okkupierten Staates gegriindet werden. Denn es ist keinesfalls zulassig, die durch Vertrag oder Gewohnheitsrecht ausgebildeten VOlkerrechtsregeln im Einzelfall gegeniiber einem besetzten Staat ohne dessen Zustimmung fiir nicht anwendbar zu erklaren 588. Da eine Vereinbarung fehlt, bleiben die Alliierten also an die allgemeinen VOlkerrechtsnormen der kriegerischen Besetzung gebunden. Die Tatsache der Ubernahme oder Ausiibnng der Staatsgewalt durch die Alliierten schafft daher im Palle Danzigs kein „potenziertes Besatzungsrecht". Unter diesem Gesichtspunkt miissen demgemal3 alle MaBnahmen der Alliierten hinsichtlich Danzigs (beispielsweise die Anordnungen, die im Zusammenhang mit der Beviilkerungsaustreibung getroffen worden sind) nach allgemeinem VOlkerrecht beurteilt werden. Es kann ferner gefolgert werden, 587 a) Interventionsbesetzung : Steiniger, NJ 47, 205; Arndt, Die Wandlung, Jahrgang 2 S. 106 (1947); derselbe, SJZ 47, 217; Zinn, SJZ 47, 4; Geiler S. 4. — b) Treuhandbesetzung : Menzel, Deutschland S. 76; ders., EA 1947, S. 1013; Sauser -Hall S. 36f.; Sauer, Gruncllehre des Wilkerrechts, 2. A-ufl. S. 117f.; Peters, NJ 47, 4; v. Man goldt, Grundsatzliches S. 10; LG Hamburg, 18. 3. 1947, MDR 47, 38; Kaufmann, Deutschlands Rechtslage S. 18ff., bes. 20; Grewe S. 58. — c) Mandatsbesetzung : Abendroth, NJ 47, 77; Wright, AJIL Bd. 53, S. 50 (1947); v. Kempski, Merkur, Jahrgang 1 5.193 (1947). — d) „occupatio bellica" im Sinne der Hanger Landkriegsordnung: L a u.n , Der gegenwartige Rechtszustand S. 15; Ipsen, Deutsche Gerichtsbarkeit S. 107f.; EntschlieBungen. der VOlkerrechtslehrer in Hamburg 1947, abgedruckt in: JIR 1948, S. 6. 588 Schlochauer, DRZ 47, 119; StOdter S. 130; Scheuner, Der fehlende Friede S. 201. Delegation der Verwaltung Danzigs auf Polen 135 daB die Alliierten — falls sie den Willen dazu gehabt and geauBert hatten rechtlich nicht in der Lage gewesen waren, Danzig der Republik Polen zuzusprechen589. Da die Alliierten gemaB den von ihnen selbst geschaffenen Rechtsakten. nicht Tnhaber der Souveranitat Danzigs geworden waren, stellt die Delegation der Verwaltung an Polen nicht einmal eine Verwaltungszession dar. Selbst eine solche Zession wiirde nur die A-usiibung der Staatsgewalt, nicht aber die Staatsgewalt selbst tbertragen 59°. In der Delegation der Verwaltung auf Polen ist folglich lediglich die Abtretung eines Teiles der sich durch die Okkupation in der sowjetischen Besatzungszone ergebenden Aufgaben zu sehen. Polen ist also beziiglich der von ihm iibernommenen Verwaltungspflichten nichts anderes, als Unterbevollmachtigter der alliierten Hauptmachte auf einem begrenzten. Sektor. Zweek dieser Regelung ist nach dem von saintlichen. Alliierten erklarten Willen die Uberbrilekung des Zeitraums bis zum Friedensvertrag. Eine rechtliche Bindung beziiglich des kiinftigen_ Schicksals wurde mit dieser Entscheidung nicht eingegangen; ebensowenig wurde die territoriale Souveranitat auf Polen iibertragen. III. Sonstige Rechtfertigungsgrunde Polen kann sich aueh weder auf die Ausiibung des Selbstbestimmungsrechts stiitzen591, noch auf das in der modernen VOlkerrechtsordnung nicht meter geltende Recht der kriegerischen Eroberung. Der Gesiehtspunkt der Wiederherstellung des Zustandes von 1939 scheidet schon deshalb aus, weil die MaBnahmen Polens erkennen lassen, daB es daran nicht interessiert ist. Es hat, obwohl es dazu — wenn man von der AuflOsung des Vtilkerbundes einmal absieht, dessen Aufgaben ja durch Willensakt Polens zimachst provisorisch an entsprechende Organe der UNO hatten ubertragen werden kOnnen tatsachlich in der Lage gewesen ware, den durch den Versailler Vertrag geschaffenen Status Danzigs von 1920 nicht wieder hergestellt, sondern seinerseits die Eingliederung erklart. Aber selbst, wenn Polen die Freie Stadt Danzig in gleieher Weise wie das Deutsche Reich als Angreifer betrachtete, hatte es nicht das Recht, nun umgekehrt Gebietserwerbungen auf Kosten des urspriinglichen Angreifers zu machen. Wenn. nach dem geltenden VOlkerrecht bewuBt eine Abkehr von dem bisherigen Grundsatz der Annexionsfreiheit erfolgt ist, milssen diese Sehranken sich auch gegen den siegreichen angegriffenen Staat auswirken. Verweigert der Besiege die Abtretung, so gibt es kein rechtliches Mittel, durch welches der Sieger legitimer Besitzer des von ihm beanspruchten Gebietes werden kann 592. 559 Vgl. Kraus, Die Oder-NeiBe-Linie S. 40. 591 Oben S. 89f. 599 Vgl. Verdrol3, VOlkerreeht, 3. Aufi. S. 214f. 592 Vgl. Menzel, EA 1949 S. 1893f.; Sehatzel, Der Friede S. 33ff.; Seheuner,-Ver fehlende Friede S. 198; ders., Die Annexion S. 90; Wehberg, Eroberung S. 103f. 136 Das VOlkerrecht un-d das polnisch-e Vorgehen in Danzig IV. Teilergebnis (Die veilicerrechtliche Beurteilung des polnischen Vorgehens in Danzig) Aus den Bestimmungen der Potsdamer Beschliisse wie auch aus den Verhandlungen der Alliierten laBt sich nicht entnehmen, daB die Alliierten mit der tbernahme der Verwaltung bzw. der tberlassimg der Verwaltungsbefugnisse an Palen einen Souveranitatswechsel vorzunehmen wiinschten. Sie haben die Alliglichkeit eines solchen Wechsels der territorialen Souveranitat damit zwar nicht generell ausgeschlossen, wohl aber zunachst durch Errichtung der Verwaltungsbesetzung bis zu der von ihnen vorgesehenen Friedenskonferenz verhindert. Somit bleibt die Eingliederung auch nach Potsdam eine einseitige 1VIaBnahme Polens — mit Unterstiitzung der Sowjetunion —; und die Rechtswirkungen Bind die gleichen, wie sie als Folge des Dekrets vom 30. 3. 1945 dargestellt worden sind. Die Annexionserklarung ist unwirksam. Eine rechtsgiiltige Einverleibung ist daher nicht erfolgt. Per Besatzungszustand besteht weiter, es sei dean, daB durch Zeitablauf und Tatsachenwirkung eine Veranderung des alters Rechtszustandes geschaffen worden sein kOnnte, was im nachsten Abschnitt zu priifen ist. Zweiter Abschnitt Das Problem des Fortbestandes des Danziger Staates Es ist bisher festgestellt worden, daB sowold die Eingliederung Danzigs in das Deutsche Reich als auch seine Einverleibung durch die Republik Polen unter Verletzung des geltenden VOlkerrechts erfolgten, und daB diese Eingliederungsakte well wahrend einer occupatio bellica erlassen. — vOlkerrechtlich unwirksam sind. Es muB aber noch untersucht werden, welche Rechtswirkungen die von diesen. beiden Landern rechtswidrig geschaffenen Tatsachen zeitigen, und ob und inwieweit der Bestand des Danziger Staates durch die Einverleibungen dennoch in Frage gestellt worden ist. 1. Kapitel Das Problem der Nichtigkeit villkerreehtswidriger Gebietsveranderungen A. Rechtliehe Bede-dung der Nichtigkeit volkerrechtswidriger Gebietsveranderungen Bei giiltiger Eingliederung erlischt die Staatsgewalt des annektierten Staates. 1st eine Eingliederung aber unwirksam, so milBte daraus logisch VOlkerrechtswidrige Gebietsveranderungen bis 1932 137 folgen, daB der annektierte Staat in seinem Bestand nicht angetastet wird, demnach fortbesteht. Dem klassischen VOlkerrecht war diese Konsequenz fremd. Es herrschte der Grundsatz der Effektivitat; und nur solche Handlungen, denen ein wesentliches Formerfordernis fehlte, blieben ohne rechtEche Wirkung 503 . Das Bestreben seit dem ersten Weltkrieg, Kriege und gewaltsame Gebietsveranderungen zu unterbinden, hat aber zu der Forderung gefiihrt, solche territorialen Veranderungen fur unwirksam zu erklaren und nicht anzuerkennen. Die konsequente Durchfiihrung diesel Prinzips wiirde bedeuten, daB jeder als VerstoB gegen das Verbot gewaltsamer Gebietsveranderungen vorgenommene volkerrechtswidrige Akt alien Staaten gegenilber als rechtlieh ungeschehen. gilt. Alle Rechtsakte, die als Folge einer derart bewerteten Annexion erlassen sind, warden gleichf ails ohne Rechtswirkungen bleiben. Der annektierte Staat wiirde infolgedessen, auch wenn er von fremder Macht besetzt und verwaltet wird, seine territoriale Souveranitat behalten, d. h. VOlkerrechtssubjekt bleiben, sein Staatsyolk trotz Verleihung der fremden. StaatsangehOrigkeit die Staatsangehtirigkeit des eroberten Staates behalten. In einer rechtsverbindlichen Feststellung der Nichtigkeit ware zugleich die allgemeine Verpflichturig begriindet, alle im Bereiche der MOglichkeit liegenden Anstrengungen zu unternehmen, um den rechtmaBigen Zustand auch faktisch wiederherzustellen 594. B. Bestrebungen im modernen Trdkerrecht zur vertraglichen Durchsetzung der Nichtigkeit viilkerrechtswidriger Gebietsverinderungen I. Rechtsentwicktung bis zur Stimson-Ericlarung NaturgemaB hat sich die VOlkergemeinschaft nur sehr zOgernd dem Prinzip der Nichtigkeit von Gewaltakten genahert und damit von dem. Recht auf Eroberung entfernt ; denn bei konsequenter Bejahung der Nichtigkeit waren die Staaten u_nbequemen Beschrankungen ihrer Souveranitat ausgesetzt. Die VOlkerb-undssatzung enthielt gewisse Einschrankungen des bis dahin imbeschrankten. Rechts zum Kriege 595. Ein absolutes Kriegsverbot enthielt sie Mcht und noch viel weniger die Untersagung von Waffen.gewalt auBerhalb des Krieges5". Zahlreiche Versuche wurden unternommen, um die in der Satzung enthaltenen. Pri-nzipien auszuweiten. Als Beispiel mag das Genfer Protokoll vom 2. 10. 1924 dienen 597, durch das die VertragsschlieBenden sich verpflichten sollten, in keinem Palle auf den Krieg zuriickzugreifen. Es trat zwar nicht in Kraft, zeigt aber die Tendenz der modernen VOlkerrechtspolitik. 593 Vgl. Anzilotti in seinem abweiehenden. Votum im Ostgronlandstreit, StIG Serie A/B Nr. 53, S. 76, 95; Guggenheim, Bd. II S. 511. 594 Vgl. Wehberg, Eroberung S. 105ff. 596 Oben S. 103. 595 Art. 12-15. 597 Vgl. Wehberg, Eroberung S. 40. 138 Vegkerrechtswidrige Gebietsvereinderungen 1932-1939 Durch den Kellogg-Pakt wurde zwar einige Jahre spater zum ersten Mal generell das Verbot des Angriffskrieges ausgesprochen 598, aber keine Sanktion gegen diejenigen, die den Pakt verletzten. Per Vertrag hatte auBerdem eine empfindliche Lucke, well die Verpflichtimg, auf den Krieg als Mittel nationaler Politik zu verzichten, nicht auch Gewaltanwendung auBerhalb des Krieges einbegriff599 . Trotzdem ist der Kellogg-Pakt ein Markstein fiir die Wandlung des dem Wunsche der VOlker nach Frieden und Sicherheit nicht mehr gerecht werdenden klassischen VOlkerrechts. Er gab den AnstoB zu vielfachen Bemiihimgen, Gewaltakte zu unterbinden. II. Rechtsentwiciclung seit der Stimson-Erklärung bis ZUTTI, 2. Weltkrieg Nachdem der Staatssekretar der Vereinigten Staaten, Stimson, in seiner Note vom 7. 1. 1932 an Japan und China") die amerikanische Haltung der Verurteilun.g und Nichtanerkennung von Gewaltakten begriindet hatte, erklarte der Viilkerbundsrat in einem auch von Deutschland unterzeichneten Appell vom 16. 2. 1932 6°1 an Japan, daB die Mitglieder des VOlkerbundes keine entgegen Art. 10 der VOlkerbundssatzung begangene Verletzung der territorialen Unversehrtheit und politischen Unabhangigkeit eines der Mitglieder als gultig und wirksam anerkennen warden. Die Viilkerbundsversammlung erklarte kurz darauf am 11. 3. 1932 in Form einer EntschlieBung602, daB die Mitglieder des VOlkerbundes verpflichtet seien, keinen Zustand und keinen Vertrag anzuerken-nen, der mit Mitteln herbeigefiihrt wurde, die der Välkerbundssatzung und dem Kellogg-Pakt zuwiderliefen 603. Durch these, im FlOhepunkt des Wirkens der VOlkerbundsorganisation. abgegebenen Erklarungen wurde aber nur ein kleiner Schritt vorwarts getan auf dem Wege, gewaltsame Gebietsverandernngen zu verhindern. Per MAIerfolg der Bestrebungen innerhalb des VOlkerbundes, die Satzung den fortschrittlichen viilkerrechtlichen Postulaten anzupassen und nach AbschluB des Kellogg-Paktes eine Angleichung der Satzung an die vertraglichen Bestimmungen herbeizufiihren, veranschaulicht die Schwierigkeiten, die zu iiberwinden waren. So wurde beispielsweise von der Regierung von Peru am 2. 9. 1936 an den VOlkerbund ein Vorschlag zur Erganzung des Art. 10 der Satzung gemacht. Es sollte auch die Nichtanerkennung von gewaltsamen Gebietserwerbungen vorgesehen werden 694 . Per Vorschlag (einer von mehrfach 599 Vgl. oben S. 94f. 598 Vgl. oben S. 94. 600 Wortlaut: BYIL Bd. XIV, S. 65 (1933). 601 SdN JO 1932, S. 384. 602 SdN JO 1932, Suppl. Spec. Nr. 101, S. 87. 893 Vgl. auch den Beschla des VOlkerbundsrates vom. 18. 3. 1933 (SdN JO 1933, S. 609) im Konflikt zwischen Kolumbien und Peru (Leticia-Konflikt). 604 SdN JO 1936, Suppl. Spec. Nr. 154, S. 271; vgl. Wehberg, Eroberung S. 90ff. und die dort aufgeffihrten Beispiele. Entwicklung auf dem amerikanischen Kontinent m. Mal Sankerdem Mittel in fiir erheit n.stoB cr der .atte, ieten .odes der der nds- Entinen iihrt a 603. abstan 1E13ortduB Bezu an gets- JO ng 139 wiederholten. Versuchen dieser Art) zeigt auBerdem, daB man bisher wohl Verpftichtungen erkannte, doch keineswegs gewillt war, die notwendige Konsequenz aus diesen zu ziehen, rechtswidrige Akte als ungtiltig zu behandeln. In einer Zeit, die gekennzeichnet war durch die Eroberungen der Achsenmachte, waren die VOlker weniger denn je geneigt, zugunsten der Verhiitung einseitiger Gewaltregelungen etwas von ihrer Souveranitat preiszugeben. III. Rechtsentwicklung seit dem 2. Welticriege 1. Einflul3 des panamerikanisehen Rechtsdenkens Erst der 2. Weltkrieg gab, gefordert durch den amerikanischen EinfluB, den AnstoB zu erneuten Bemiihungen, mit den klassischen Lehren des VOlkerrechts zu brechen und den neuen Gedanken zum Durchbruch zu verhelfen. Diese Entwicklung wurde durch die engere Fiihlungnahme mit dem amerikanischen Kontinent gefOrdert, wo die Rechtsentwicklung weiter vorangesehritten war. Durch verschiedene lateinamerikanische Vertrage seit 1856 6°5 wurden nicht nur alle gewaltsaraen Gebietsveranderungen untersagt, sondern die Unwirksamkeit solcher llandlungen wurde ausdriicklich festgelegt. Zugleich wurden die beteiligten Staaten verpflichtet, Verletzungen des Verbots nicht anzuerkermen. Erwahnenswert ist besonders die Erklarung der achten panamerikanischen Konferenz in Lima vom 22. 12. 19386°6, da sie ihrem Wortlaut nach „wiederholt", daB die Nichtigkeit der Gebietsverletzn gen ein grundlegendes Prirwip des „amerikanischen Offentlichen Rechts" sei. Auch die Washi-ngtoner Dek-laration, die Erklarung von 19 amerikanischen_ Republiken am 3. 8. 1932 im Chaco - Ko-nflikt eta und der Saavedra Lamas-Pakt vom 10. 10. 1933° 8 zeigen das stan.dige Festhalten der Staatengemeinschaft der westlichen Hemisphare an den soeben d.argestellten Prinzipien, die sich allmahlich zu einera Rechtsgrundsatz mit allerdings auf den amerikanischen Kontinent beschrankter Geltung entwickelt batten. 6°8 Vertrag vom 15. 9. 1856 zwischen Chile, Peru und Ecuador, Art. 13; vgl. Alvarez, Le Droit International Amóricain, S. 55-56 (1910); zur weiteren Entwicklung statt anderer Wehberg, Eroberung S. 90f. 6°6 Langer S. 79; durch eine Resolution der sechsten panamerikanischen Konferenz in Habana vom 18. 2. 1928 wurde jeder Angriffskrieg verboten (Webb erg a. a. 0. S. 52); vgl. die Convention on the Rights and Duties of the States der siebenten panamerikanischen Konferenz in Montevideo vom 26. 12. 1933 (Wehberg a.a.O. S. 101). 6°7 AJIL Bd. 28, Suppi. S. 168 (1934). 6°8 Atill., Bd. 28, Suppl. S. 79 (1934); Artikel 1 des in Rio de Janeiro geschlossenen Paktes lautet; «Les Hautes Parties Contractantes dóelarent solennellement qu'elles condamnent les guerres d'agressions dans leurs relations rautuelles ou contre d'autres Etats et que le reglement des conflits ou differends de quelque nature qu'ils soient qui pourraient s'elever entre elles ne devra pas se rOaliser d'une autre maniere que par les moyens pacifiques que consaere le droit international.» 140 Die Politik der „Nichtanerkenn-ung" 2. Atlantik-Charta und U.NO-Charta Die von Churchill und Roosevelt am 14. 8. 1941 auf dem Atlantik gemeinsam abgegebene Erklarung609 und die Erklarung von 47 Staaten, sich den Grundsatzen der Atlantik-Charta anzuschlieBen, lieB einige Hoffnung fiir gewisse Fortschritte bei der geplanten Neuordnung der Welt aufkommen. In der Erkenntnis, daB die wirksame Durchsetzung von Verboten nur mOglich ist, wenn es eine von alien Staaten anerkannte VollzugsbehOrde mit den erforderlichen Machtmitteln gibt, wurde die Organisation der Vereinten Nationen geschaffen 610 . Die Satzung der UNO enthalt weitergehende Verpflichtungen als Art. 10 der VOlkerbundssatzung, doch wurde wiederum davon abgesehen, die absolute Ungiiltigkeit and die Pflicht zur Nichtanerkennung ausdriicklich festzustellen m. Auch die UNO hat die auf sie gesetzte Hoffnung der Annexionsgegner jedenfalls in dieser Beziehung nicht voll erffillen kOnnen. Wenn sich der Grundsatz der Unwirksamkeit von gewaltsamen. Gebietsveranderungen auch im panamerikanischen Bereich allmahlich durchgesetzt hat, so ist es immer noch zumindest fraglich, ob er sich bereits zu einer Norm des allgemeinen VOlkerrechts entwickelt hat. Wie berechtigt dieser Zweifel ist, wird durch die Staatenpraxis bestatigt. C. Neuere Staatenpraxis Es wurde bereits bemerkt, daB das Prinzip der Unwirksamkeit gewaltsam herbeigefiihrter Gebietsveranderungen durch den Mandschurei-Konflikt gefestigt wurde. Die Stimson-Note vom 7. 1. 1932 612 Riste das Zeitalter der Politik der „Nichtan.erkennung" bei den Valkerbundsstaaten aus. Aber es wurden keine wirksamen MaBnahmen gegen das japanische Verhalten getroffen, und die VOlkergemeinschaft war nicht in der Lage, aus der von ihr erklarten Nichtigkeit praktische Konsequenzen zu ziehen, d. h. das Recht wiederherzustellen. 609 "The President of the United States and the Prime Minister, Mr. Churchill, representing His Majesty's Government in the United Kingdom . . . have agreed upon the following joint declaration: . . . 1. Their countries seek no aggrandisement, territorial or other. 2. They desire to see no territorial changes that do not accord with the freely expressed wishes of the peoples concerned. 3. They respect the right of all peoples to choose the form of government under which they will live; and they wish to see sovereign rights and self-government restored to those who have been forcibly deprived of them . " (abgedruckt bei v. Man g ol dt , Kriegsdokumente S. 8ff.). 610 Vgl. hierzu auch die „Vier-Nationen-Erklarung" am Sch1ul3 der Aul3enministerkonferenz in Moskau am 30. 10. 1943 (v. Mangol dt, Dokumente S. 21) sowie Kap. 2, Ziff. 1 des in Dumbarton-Oaks angenommenen Entwurfes zur Satzung der Vereinten Nationen (YUN 1946/47, S. 4). Sowohl die Moskauer ErkTarting als auch der Entwurf enthalten Wendungen, die sich gegen die Gewaltpolitik richten. 611 Oben S. 119, Anm. M5; Wehberg, Eroberung S. 76ff. 612 Vgl. oben S. 138. Die Politik der „Nichtarberkennung" 141 Der Versuch der VOlkerbundsstaaten im Abessinien-Konflikt, den neuen Weg der Nichtanerkennung zu beschreiten, zeigt noch deutlicher, daB die Zeit dafiir noch nicht reif war. Die Annexion. Abessiniens durch Italien. im Jahre 1935 wurde nach und nach von zahlreichen Staten anerkan-nt 613. Die VOlkergemeinschaft war nicht in der Lage, Italien durch friedliche Mittel zur Freigabe des eroberten Gebietes zu zwingen, und vorerst nicht gewillt, dem Gewalttatigen mit Gewalt zu begegnen. Erst im zweiten Weltkrieg besamien sich die gegen. Italien kampfenden Staaten wieder auf die verletzten Rechte Abessiniens und erkannten es erneut als Staat an. Ein ahnliches Verhalten war nach der Eingliederung Osterreichs durch das Deutsche Reich im Jahre 1938 zu beobachten. Nachdem der AbschluB zunachst allgemeine internationale Anerkennung gefunden hatte — auch die USA, die starksten. Verfechter der Stimson-Doktrin, hatters den „AnschluB" zumindest de facto anerkannt 614 wurde sie im zweiten Weltkrieg durch die Alliierten widerrufen615. Der deutsche Eingriff in BOhmen and Mahren im Friihjahr 1939 wurde von den meisten Staaten nicht anerkannt. Konsequent wurde die Nichtanerkennung aber auch pier erst in den letzten Kriegsjahren durchgefii hrt 616. Die Einverleibung der baltischen Lander durch die UdSSR im August 1940 wurde dagegen von den USA bis heute and von GroBbritannien zumindest bis 1947 als nicht geschehen behandelt 617, von Frartkreich aber seit 1940 zumindest de facto anerkannt 618. Gerade theses Beispiel zeigt augenfallig die Schwierigkeiten, die sich aus der konsequenten Nichtbeachtung vOlkerrechtswidriger Akte ergeben, solange nicht die VOlkergemeinschaft als festgefiigte Organisation eine durchsetzbare richterliche Entscheichmg zu fallen vermag, sondern die Durchsetzung des VOlkerrechts von dem Willen rind Handeln der einzelnen Staaten abha,ngt. Als weiteres Beispiel sei die Einverleibung finnischen Gebietes durch die UdSSR im Jahre 1940 genannt, die mit dem russisch-firuaischen. Fried.en vom 12. 3. 1940 ihren fOrmlichen AbschluB fand. Auch in diesem Falle kam Bas Prinzip der Nichtanerkennung nicht zum Durchbruch m. Bei den Eroberwagen, die zu Beginn des zweiten Weltkriegs gemacht wurden, ist auffallig, daB sie, soweit das Deutsche Reich Angreifer war, 614 Garner S. 423. 613 v. Nostiz-Wallwitz S. 38ff. 616 Vgl. die Erklarung der „GroBen Drei" in Moskau vom 30. 10. 1943, abgedruckt: AJIL vol. 38/1944, Suppl. S. 7. 616 Vgl. Scheuner, Die Annexion S. 87. 617 Me der, S. 63, vertritt den Standpunkt, daB die britische Regierung die Annexion der baltisehen Staaten seit Anfang 1947 de facto anerkenne; so auch MeiBner, Die So-wjetimion. S. 297ff. 618 MeiBner a.a.O. S. 300. 619 Art. 1 und 2 des Friedensvertr-ages mit Finnland vom. 15. 9. 1947, UNTS Bd. 48, S. 203, aueh bei Menzel, Die Friedensvertrage von 1947 mit Italien, Ungam, Bulgarien, Rurnanien and Finnland S. 195, 196 (1948). 142 „Niehtigkeit" irry Vigkerrecht? von England und Frankreich mit Krieg beantwortet warden, wahrend die sowjetische Einverleibung finnischen, polnischen 620, tschechischen und rumanischen Gebietes Billig-wag fand. D. Stellungnahme I. Grundsatz 1. „Nichtigkeit" im VOlk,errecht Aus den genannten Beispielen und auch aus der VOlkerrechtsentwicklung, die die jiingste Zeit genommen hat, laBt sich erkennen, daB sich der Grundsatz der „Nichtigkeit" gewaltsamer Gebietsveranderungen noch nicht als allgemein giiltiger Satz des positives VOlkerrechts durchgesetzt hat 621. Er 1st wohl als rechtspolitisches Prinzip der internationalen Ordnung allgemein gelaufig, seine Befolgung ist jedoch bisher weitgehend von den jeweiligen politischen Interessen der einzelnen Staaten abhangig. Nichtig im Sinne des im innerstaatliehen Recht bekannten RechtsMstituts der absoluten Nichtigkeit des deutschen oder der inexistence des franzOsischen Rechts ist nur ein Akt, der von vornherein ohne Reehtswirkungen bleibt, weil durch das gesetzgebende Organ ein entspreehender Befehl ergangen ist, der bindend ist, weil eine oberste VollzugsbehOrde ihn durchzusetzen vermag. Die im Einklang mit der Staatsverfassimg gesehaffene Rechtsordniing wird durch die Organisation des Staates geschiitzt. Solange im VOlkerrecht eine Organisation mit ahnlichen Maehtbefugnissen fehit, wird es, zumindest abgesehen von den Fallen, in welchen ein absolut zwingendes Formerfordernis nicht eingehalten worden ist, keine absolute Nichtigkeit im Sinne des innerstaatlichen Rechts geben. Man kann sich fiber die Ohnmacht der VOlkerrechtsordnung nicht dadurch hinwegsetzen, daB man unbegrenzt theoretische Fiktionen schaift, die nur unertragliche Diskrepanzen von Recht und Wirklichkeit zur Folge habeas liOnnen. 2. „Adjudicatio" als maglicher Ausgleich im Palle der Bejahung der Nichtigkeit Wehberg622 erkennt den Konflikt seiner der Zeit vorauseilenden Ansicht von der „absoluten Nichtigkeit" mit der Wirklichkeit und sucht mit dem Institut der „adjudicatio" zu helfen, dem Recht der Staatengemeinschaft, eine neue Verteilung der territorialen Kompetenzen durch Zuweisung vorzunehmen. Doch greift er damit sein eigenes Prinzip an, daB ein Recht mit Gewalt nicht zum Erliischen zu bringen ist. Wenn die Abtretung ohne das Einverstandnis des betroffenen Staates durch „adjuclicatio" legalisiert 620 Vgl. u. a.: Potsdamer Abkommen, Absehn. IX. 621 So H.-J. Jellinek S. 133; Guggenheim S. 404f.; a.A.: Wehberg, Eroberung S. 101ff. 622 A.a.O. S. 109ff. Annexion weihrend einer „occwpatio bellica" 143 ktinnte eine solche adjudicatio, solange noch keine internationale VollzugsbehOrde existiert, auch Annexion mit nachfolgender Zession sein. Wehberg zeigt pier wohl einen Weg fiir die Zukunft. Doch wird es vorlaufig in der Praxis keine Falle geben, in denen eine adjudizierende Staatengemeinschaft keine Parteistellung innehat, sondern als objektives tibergeord.netes Organ eine richterliche Funktion ausiibt. Wehberg selbst 623 auBert &her die „starksten Bedenken", zu denen ein solcher Akt der adjudicatio heute AnlaB geben kOnnte 624. Wie aus den voraufgegangenen ErOrterungen ersichtlich ist, fehlt es aber an einer gemeinsamen Verfiigung iiber Danzig, so daB die Frage, ob die „adjudicatio" im Shine der Lehre Wehbergs bereits mit dem geltenden VOlkerrecht in Einklang zu bringen ist, wenigstens im Zusammenhang mit der Untersuchung der Rechtslage Danzigs belanglos ist. II. Ausnahme (Annexion im Stadium der occupatio bellica) Eine bereits erwahnte 625, im VOlkerrecht anerkannte Ausnahme von dem Grundsatz, daB ein dem VOlkerrecht widersprechender Staatsakt nicht ipso jure nichtig ist, bildet die im Stadium der occupatio bellica durchgefiihrte Annexion. Diese ist unwirksam. Gegenilber der Tatsache der vollzogenen Einverleibung erscheint eine solche Amaahme dann jedenfalls als Fiktion, wean der okkupierte Staat keinerlei Gewalt mehr auszuiiben in der Lage ist. Eine Fiktion ist in diesem Falle aber gerechtfertigt, well sie lediglich zur tberbriiekung eines vorubergehenden anomalen Zustandes client. Nach Beendigung der Besetzung tritt der urspriingliche rechtmaBige Zustand wieder in Kraft, und damit gewinnt die bis dahin bloB fiktiv aufrechterhaltene Viilkerrechtssubjektivitat des Okkupierten wieder Wirklichkeit. Bleibt allerdings der gewaltsam veranderte Zustand en.dgiiltig erhalten, so verliert auch die der vollendeten Tatsache entgegengerichtete Fiktion nach dem Grundsatz der Effektivitat ihre Berechtigung, und der Reehtszustand gleicht sich den neu geschaffenen Tatsachen an. Bei der Einverleibung Danzigs im Jahre 1939 war diese Fiktion wirksam, well Danzig tatsachlich dem Deutschen Reich wieder entrissen wurde. Die Annexion hat daher den rechtlichen Status Danzigs nicht beriihrt. Ungleich schwieriger ist zu entscheiden, welchen EinfluB die derzeitige polnische Besetzling auf die Rechtslage Danzigs ausiibt. Dauernd unwirksam bleibt die polnische Annexion nach dem bisher Gesagten nur Bann, wenn der rechtswidrige Zustand mit der occupatio bellica wieder riickgangig gemacht wird. Bisher ist die Wiederherstellung nicht erfolgt, und es fragt sich somit, ob und gegebenenfalls wie Lange die Auffassung vom Fortbestand des Danziger Staates noch aufrechterhalten werden kann. 423 Eroberung S. 111. 624 Vgl. Kraus, Die Oder-NeiLie-Linie S. 40f., der jede Zustandigkeit zur Adjudikation im Viiikerrecht verneint. Oben S. 105f. 144 Ubergang der „occupatio bellica" in eine Annexion 2. Kapitel Das Problem der Umwandlung der „occupatio bellica" in eine vollendete Annexion Seit der poinischen Inkorporation Danzigs sind 13 Jahre vergangen. Polen konnte an der fortschreitenden Polonisierung des Danziger Raumes nicht gehindert werden. Ein Ende dieser Entwicklung ist noch nicht abzusehen. Wird bei dieser Lage das von Polen gesehaffene „fait accompli" einen rechtlich endgiiltigen Zustand entstehen lassen, d. h. wird die „occupatio bellica" sich in eine „vollendete Annexion" umwandeln? Die Folge ware der Untergang des Danziger Staates. Wie gezeigt wurde, trachtet das VOlkerrecht, die „strenge Akzessorietat" von Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit zu umgehen, aber nicht etwa, weil es Verstae gegen das positive Recht billigt, sondern aus der Einsicht, daB sich das Recht haufig nicht mit Gewalt durchsetzen laBt, und daB der Versuch einer gewaltsamen Durchsetzung des Rechts oft die Gefahrdung des Friedens bedeuten wiirde. Aus rechtswidrig geschaffenen. Tatsachen sucht die allgemeine Rechtsordnung deshalb durch Anerkennung der neu geschaffenen Situation allmahlich neues Recht zu entwickeln, um so in. stall.diger Fortentwicklung des Rechts miens volens aus einem Zustand der Unordnung zu geordneten. Verhaltnissen zuriickzugelangen. Es darf aber nicht verkannt werden, daB im Grunde jeder Rechtsbruch die Wiederherstellung des rechtmaBigen Zustandes verlangt 626 und daB lediglich der Zwang der politischen Verhaltnisse, die auBerhalb des Bereiches konkreter rechtlicher EinwirkungsmOglichkeiten liegen, zur Resignation der Rechtsordnung vor der politischen Macht zu fiihren vermag. A. Voraussetzungen iiir die Umwandlung in eine vollendete Annexion Voraussetzung fiir den rbergang des Stadiums der occupatio bellica in eine vollendete Annexion ist die -ungestärte, ununterbrochene and unbestrittene Herrschaftsausiibung durch den neuen Souveran 627. Der unterworfene Staat muB die Z-uriickgewirmung seines Gebietes also tatsachlich aufgegeben haben. Ungestärt und unbestritten ist die Souveranitatsausiibung ini. Falle der vollstancligen Unterwerfung auch darn nicht, wenn Biindnispartner der okkupierten Staates noch fiir die Wiederherstellung karapfen.628 . Im klassischen VOlkerrecht fanden kriegerische Auseinandersetzungen and die mit ihnen verbundenen Territorialfragen in der Regel ihren AbschluB durch einen Friedensvertrag 629 . Fiir die moderne Entwick626 Vgl. Kraus, Die Oder-NeiBe-Linie S. 11. 627 VerdroB, VOlkerrecht, 3. Aufl. S. 212; vgl. Kraus, Die Oder-NeiBeLithe S. 11f. 628 Vgl. oben S. 109. 629 Vgl. Scheuner, Der fehlende Friede S. 191; ET.-J. Jellinek S. 249. ribergang der „oecupatio bellica" in eine Annexion 145 lung ist aber das Ausbleiben solcher fOrmlichen Friedensschliisse symptomatisch630 . Bei alien derzeit ungelosten territorialen Verhaltnissen entsteht also die Frage, ob auch ohne Friedensvertrag eine rechtliche Normalisierung eintreten kann. Gleich, wie diese Frage zu entscheiden ist, Mindestforderung muB die Wiederaufnahme friedlicher Beziehungen sein 631. Da der Kriegszustand eine rechtliche Beziehung zwischen den beteiligten Staaten darstellt, kann er, wenigstens auf vOlizerrechtlicher Ebene, nicht durch einen einseitigen Akt beendet werden 632 . Nur wenn sich bei den Beteiligten auch in Ermangelung eines fOrmlichen Friedensvertrages die Ansicht durchgesetzt hat, daB wieder Frieden herrsche und diese Annahrne durch den Austausch friedlicher Beziehungen unter Duldung der veranderten Situation zum Ausdruck gebracht wird,laBt sich die Ansicht vertreten, daB der eroberte Staat durch Konsolidierung seines urspriinglich rechtswidrigen Zustands erloschen ist. B. Fortsetzung der oceupatio bellica als „Zwischenzustand" Im Palle Danzigs ist aber eine Befriedung nicht eingetreten. Im Gegenteil sind alle Versuche, die endgiiltige Regelung herbeizufiihren angefangen mit den Potsdamer Beschliissen, die noch von einer umfassenden Friedenskonferenz ausgingen —, ohne Erfolg geblieben. Die endgiiltige Normalisierung des Zusammenlebens der beteilig,ten Volker ist bisher gescheitert. Daran andern auch die verschiedenen Verlautbarungen von GroBmachten aus jiingster Zeit nichts, den Kriegszustand mit Deutschland zu beenden633. Bisher sind noch keine Anstalten getroffen worden, den „Friedenszustand" in die Tat unwusetzen. Der Versuch der einseitigen Losung im Osten ist ein wesentlicher Grund fur das Fortbestehen der unbefriedeten Situation in jenem Raum. Solange der „Zwischenzustand" zwischen -Krieg und Frieden nicht in einen endgiiltigen und echten Friedenszustand iibergeleitet worden ist, kann von einer „vollendeten Annexion" nicht gesprochen werden, besonders, weil hierf — wie oben ausgefiihrt 634 — die „nnbestrittene lierrschaftsausiibung" des Annektierenden weitere Voraussetzung ist. In diesem Zusammenhang ist es deshalb nochmals notwendig, das Problem der Nichtanerkennung im Viiikerrecht zu behandeln. 65° Vgl. Scheuner a.a.O. S. 190. 631 Vgl. Scheuner a. a. 0. S. 196; Kaufmann, Deutschlands Rechtslage S. 15. 632 StOdter S. 116. 633 GroBbritannien und Frankreich im Juli 1951, die USA Ende Oktober 1951 (im. Laufe der darauf folgenden Zeit mehr als 40 Staaten der westlichen. Welt), die UdSSR Ende Januar 1955. 634 Oben S. 144. 10 - 7467 BOttcher, Danzig 146 Nichtanerkennung und Bestand des Danziger Staates 3. Kapitel Das Problem der Niehtanerkennung vOlkerrechtswidriger Gebietsveranderungen Wie die Anerken.nung Rechtsverletzungen heilen kann, so vermag die Nichtanerkennung dem VOtherrecht zur Durchsetzung zu verhelfen. Unter Nichtanerkennung ist nicht ein passives Verhaken zu verstehen, sondern eine — gegebenenfalls auch konkludente WillensauBerung der betroffenen Staaten. Das Prinzip der Nichtigkeit gewaltsamer Gebietsverdnderungen hat sich im VOlkerrecht nicht durchsetzen k8nnen. Vermiigen die Drittstaaten nicht trotzdem durch Nichtanerkennung des rechtswidrig herbeigefiihrten. Zustands ein fremdes, durch die VOlkerrechtsordnung im Prinzip geschiitztes Reeht wenigstens teilweise aufrechtzuerhalten? Bevor aber auf die rechtlichen Auswirkungen eines solchen Verhaltens n.dher eingegangen wird, soli untersucht werden, ob die Nichtanerkennung der ersten oder der zweiten Einverleibung durch die VOlkergemeinschaft zum Ausdruck gebracht worden ist. A. Nichtanerkennung der inkorporationen Danzigs I. Nichtanerkennung der Annexion durch das Deutsche Reich int Jahre 1939 635 Grofibritartnien hat gleich each der Tnkorporation Danzigs erklart, daB es sie nicht anerkenne. Die in GroBbritannien befindlichen Danziger warden weiterhin als AngehOrige des Danziger Staates behandelt. Auch Frank,reich hat die Nichtanerkennung durch konkludente Handlung zum Ausdruck gebracht, indem es aus den gleichen Griinden wie GroBbritannien den Krieg gegen das Deutsche Reich erklart und die deutschen. Eroberungen nicht anerkannt hat. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben gleichf ails durch amtliche Verlautbarungen und durch ihre Verwaltungs- und Gerichtspraxis die Nichtanerkennung bekundet. Auch Polen hat mehrfach zum Ausdruck gebracht, daB es die deutschen Mal3nahmen nicht anerkenne. Akte der Nichtanerkennung sind auBerdem von kleineren Staaten bekanntgeworden, so den Niederktnden, Schweden und der Schweiz. Ausgeschlossen von der Nichtanerkennung hat sich die Sowjetunion, die im Jahre 1939 einen Biindnisvertrag mit dem Deutschen Reich schlo13 636. Zur Legalisierung des neuen, rechtswidrig gesehaffenen Zustandes war — 635 Vgl. allgemein S. 51 ff.; dort sind die Nichtanerkennungsakte im einzelnen genannt worden. 636 Vgl. Geheimes Zusatzprotokoll zum.Nichtangriffsvertrag zwischen. Deutschland und der Sowjetunion vom 23. 8. 1939; abgedruckt im. EA 1947, S. 1043. Niehtanerkennung und Bestand des Danziger Staates 147 abgesehen von der Tatsache, daB der liriegszustand ein Hindernis bildete diese einzelne Anerkennung aber nicht ausreichend. Die Anerkennung hatte von einer Staatengruppe erfolgen miissen, die zumindest das Schwergewicht der VOlkergemeinschatt dargestellt hatte 637. Der Anerkennung durch die Sowjetnnion let aber auch schon deshalb keine rechtliche Bedeutung beizumessen, weil sie selbst als Aggressor, also als Partei auftrat 638, da die Anerkennung im Rahmen der zwischen ihr und dem Deutschen Reich verabredeten „Neuordnung" des osteuropaischen Raumes erfolgte 638. Tm Zuge dieser Aufteilung wurde Danzig dem Deutschen Reich zugeteilt. Ahnlich ware eine Anerkennung von den iibrigen Biindnispartnern des Deutschen Reiches zu beurteilen, falls angenommen wird, daB sie konkludent zugestimmt haben. Im vorliegenden Falle fehlte also nicht nur die fiir die Schaffung des neuen Zustandes notwendige Anerkennung, sondern die Anerkennung wurde sogar ausdriicklich von zahlreichen wichtigen Mitgliedern der VOlkergemeinschaft versagt. II. Nichtanericennung der Annexion durch Polen im Jahre 1945 Die Westmachte haben seit 1945 wiederholt den polnischen Einglied.erungsmaBnahmen die Anerkennung versagt 64° und die Fortexistenz des Danziger Staates festgestellt 641 . Tm Ausland lebende Danziger StaatsangehOrige wurden welter als solche behandelt, ihr Vermtigen ist nicht wie das iibrige deutsche Vermogen als feindliches Vermligen beschlagnahmt worden642. B. Rechtliche Auswirkungen der Nicittanerkennung auf den Bestand des Danziger Staates I. „Nichtanerkennungstheorie" Im Schrifttum wird zuweilen die Ansicht vertreten, die Tatsache, daB ein Staat vollstandig erobert und annektiert worden ist, kOnne infolge der Nichtanerkennung durch die Viilkergemeinschaft rechtlich ignoriert werden 643. Dem Umstand, daB der annektierende Staat die Gebietsherrschaft tatsachlich ausiibt, messen sie keine Bedeutung bei, sondern stellen allein auf den Willen der nichtanerkennenden Staaten ab. Sie folgern daraus, daB die Souveranitat des eroberten Staates nicht angetastet werde, der Staat infolgedessen erhalten bleibe. 638 Vgl. StOdter S. 140. 637 Vgl. oben S. 105. 638 Vgl. Anm. 636. 64° Nicht dagegen die Sowjetunion, obgleich diese durch das Potsdamer Abkommen gebunden ist, welches, wie oben dargelegt, nicht die darnels bereits erfolgte polnische Einverleibung Danzigs legalisieren. sollte. 642 Oben S. 51ff. 641 Oben S. 52ff. 643 Aufzdhlung bei H.-J. Jellinek S. 133ff. 10* 148 Nichtanerkennung und Bestand des Danziger Staates Nach dieser Auffassung ware also die Wirkung der Nichtanerkennung mit der „absoluten Nichtigkeit" des innerstaatlichen Rechts gleichzusetzen. Das -ward.e der wirklichen Rechtslage widersprechen, da sich — ausgenommen den Sonderfall wahrend der occupatio bellica — die Lehre von der Nichtigkeit vOlkerrechtlicher Gewaltakte, wie oben dargelegt, noch nicht durchgesetzt hat. Absolut nichtig kOnnte ein Gebietserwerbsakt infolge Fehlens einer geeigneten abernationalen Organisation tatsachlich auch nur in dem Fall sein, daB alle Staaten der Erde ohne Ausnahme die Nichtanerkennung aussprechen wiirden. Die Wirkung der Nichtanerkennung wird folglich, sofern man ihr eine der Nichtigkeit ahnliche Wirkung zuspricht, auf alle Falle immer nur relativ sein kOnnen. Ihre Schwache liegt vor allem in der Gefahr des MiBbrauchs, des Abgleitens in den politischen Bereich. In zahlreichen Fallen warden die Staaten nicht als verantwortliche Organe der VOlkergemeinschaft handeln, sondern die Entscheidung einer Anerkennung oder Nichtanerkennung lediglich von eigennatzigen politisehen Interessen abhangig machen. Die Viilkerrechtsentwicklung hat aber noch nicht das Stadium erreicht, in dem der Wille der Staatengemeinschaft allein fiber die Souveranitat ihrer einzelnen Glieder bestimmen kOnnte. Die Vorherrschaft des Effektivitatsprinzips laBt sich jedenfalls gegenwartig nicht ableugnen. Die Tatsache der Nichtanerkennung allein vermag daher den Untergang des annektierten Staates nicht zu verhind ern 644 . Allerdings werden dutch die Nichtanerkennung rechtlich bedeutsame Reflexe hervorgerufen. S chat z e1 845 bemerkt sehr richtig, die Nichtanerkennungstheorie sei die starkste Waffe gegen die Annexion, denn selbst der „eigenmachtigste Staat" masse jeden Augenblick auf eine Ruckforderung gefaBt sein. Wenn somit auch der Nichtanerkennungstheorie in erster Linie politisch-moralische Bedeutung zukommt, so kOnnte sie in dem labilen rbergangsstadium zwischen occupatio bellica und vollendeter Annexion dennoch bedeutsam sein. II. Bedeutung der Nichtanerkennung im Stadium der occupatio bellica Im Falle der Annexion Danzigs im Jahre 1939 tritt die Bedeutung der Nichtanerkennung in ihrer ganzen Tragweite in Erscheinung. Die Volker begnugten sich nicht mit der bloBen Erklarung der Nichtanerkennung deutseher Rechtsverletzungen, sondern sie untemahmen auch beziiglich der Freien Stadt Danzig militarische Anstrengungen zur Wiederherstellung 644 Vgl. Guggenheim Bd. I, S. 190ff.; Langer S. 285ff.; OppenheimL auterpacht Bd. I, S. 138, 524f.; H.-J. Jellinek S. 108ff., 241; Mattern S. 71; Menzel, EA (1949) S. 1893; Scheuner, Die Annexion S. 87ff.; vgl. dazu bei H.-J. Jellinek S. 128ff. aufgefarte umfangreiche Literatur. 645 Die Annexion 1950, S. 26ff. Nichtanerkennung warend der „accupatio bellica" 149 des rechtmaBigen Zustandes. DaB theses Ziel bisher nicht verwirklicht worden ist und daB ein Tell der zunachst gemeinsam kampfenden Volker spater jedenfalls diesem urspriinglichen. Teilziel untreu wurde, zeigt allerdings zugleich die Schwache theses Instituts. Immerhin hat aber die Nichtanerkennung der vom Deutschen Reich im Jahre 1939 in Danzig geschaffenen Situation die TJmwandlung dieses rechtswidrigen Zustandes in eine vollendete Annexion erfolgreich zu verhindern vermocht. Anders verhalt es sich im Falle der polnischen Inkorporation. her steht am Ende der Entwicklung noch ein „non liquet". Denn der Besatzungszustand hat bisher noch keinen formellen AbseilluB gefunden, und die territorialen Streitfragen sired ungeliist geblieben. Wie bereits dargestellt wurde, hangt die Beendigung des „Zwischenzustandes" u. a. davon ab, ob Polen die unbestrittene Herrschaftsausiibung durchsetzt. Solange die Westradchte der polnischen Annexion aber so geschlossen wie bisher die Anerkennung versagen, kann von einer „unbestrittenen. Herrschaftsausiibung" im vOlkerrechtlichen Sinne keine Rede sein. Der Nichtanerkennung kommt infolgedessen auch in diesem Falle eine bedeutsame Wirkung zu, nãmlich, den ProzeB der Umwandlung in eine vollendete Annexion zu verzögern and damit die Fortexistenz des Danziger Staates zu. ermoglichen. Die Erhaltung des rechtmaBigen Zustandes hangt aber nach den genannten Voraussetzungen auch noch davon ab, ob der Betroffene sich den vollzogenen Tatsachen widersetzt oder ob er sich ihnen etwa fiigt oder gar seine Zustimmung zu erkennen gibt. Auf these Frage sei daher in folgenden noch eingegangen. 4. Kapitel Das Problem der Staatskriterien im ,,Zwischenzustand" Die Ansicht, daB Danzig nicht als ein Teil Polens anzusehen sei, wird im Schrifttum vielfach bestatigt 646 . Nicht immer wird daraus jedoch gefolgert, daB der Danziger Staat fortbesteht. H.-J. Je Hine k 647 verneint die Existenz Danzigs als Staat, da zwei Elemente des Staates nicht mehr vorhanden seien. Einmal, so argumentiert er, bestehe keine Danziger Regierung, die selbstandige Herrschermacht fiber Danziger Territorium ausiibe; weiterhin fehle es an der Danziger Bevillkerung, da these „in alle Winde zerstreut" worden sei. Auch Schatzel 648 , Crusen649 und Mak a r ov 65° auBern sich in diesem Sinne. Sie halten einen etwaigen Fortbestand des Danziger Staates ftir eine Fiktion. Sie bestreiten aber zugleich eine rechtswirksame polnische Inkorporation Danzigs. Hiernach gehOrt Danzig 647 A.a.O. 5.213. 646 Oben S. 64ff. 648 Der heutige Stand, S. 295ff. 650 Zwangseinbiirgerungen, S. 405. 649 DRZ 49, 499. 150 .Exilregierung und Staatsgewalt weder zu Deutschland oder Polen, noch ist es von den Alliierten annektiert worden — das ist die logische Folgerung aus der Annahme einer „occupatio bellica" und ein Staat ist es auch nicht mehr. Die Frage aber, welches nunmehr der rechtliche Status, wer der rechtmaBige Souveran sei, bleibt bei dieser Beurteilung unbeantwortet. Vielleicht 15.,Bt sie sich im derzeitigen Stadium auch gar nicht definitiv beantworten. Die Beurteilung der rechtlichen Lage als „Fiktion des Fortbestandes" deutet darauf hin. Sie stimmt mit der oben 651 dargelegten Auffassung iiberein, daB die Unwirksamkeit einer wahrend der occupatio bellica vollzogenen Annexion zur reinen. Fiktion absinken kann. A. Die Staatsgewalt I. Die Exilregierung enter dem Gesichtspunkt der Erhaltung der Staatsgewalt Zu dem entgegengesetzten Ergebnis kommt Jellinek bemerkenswerterweise bei der Auseinandersetzung mit der Eroberung Polens durch das Deutsche Reich im. Jahre 1939 652. Das Weiterbestehen Polens schlieSt er nicht allein aus der Tatsache des Kriegszustandes and des Kampfes der Bundesgenossen mit dem Ziel der Befreiung, sondern insbesondere daraus, daB Polen trotz der vollstandigen Besetzung seines Gebietes eine anerkannte Exilregierung besessen habe 652. Jellinek macht also das Fortbestehen eines kriegerisch total besetzten Staates von dem Vorhandensein einer Exilregierung abhangig 654. Das Kriterium der Staatsgewalt wird hiernach durch die Regierung eines Staates verkOrpert. Gerade bei dem Beispiel Polens muB aber diese Ansicht schon zu Bedenken AnlaB geben, da es zeitweise keine Exilregierung, zeitweise aber deren zu viele hatte 655. Eine ahnliche Situation ergab sich in Jugoslawien nach dem deutschen Einmarsch 656. Die am 15. 3. 1939 besetzte Tschechoslowakei bildete erst nach Ausbruch des zweiten Weltkrieges eine Exilregierung. Osterreich, das nach Beendigung des zweiten Weltkrieges der alliierten Auffassung von der Kontinuitat des. Osterreichischen Staates Ausdruck verlieh 657, hat nie eine Exilregierung gehabt. Es zeigt sich also an mehreren Beispielen aus der jiingsten Zeit, daB the Identitat des wiederhergestellten Staatswesens mit dem vor dem 651 Seite 143. 652 H.-J. Jellinek a.a.O. S. 119ff. 653 H.-J. Jellinek a.a.O. S. 121. 654 So bzgl. Danzigs auch Mattern S. 56, der den Danziger Organisationen die Rechtswirkung einer Exilregierung zuspricht. 655 Mattern S. 20ff. 656 Mattern S. 16f. 657 Proklarnation der Provisorischen Regierung Renner vom 1. 5. 1945 (StGB1. Nr. 1, abgedruckt bei Adamovich, Bundesverfassungsgesetze S. 15ff.); Erklarung des Nationalrates vom 12. 4. 1946 (zit.: StOdter S. 50); vg1. Heinl S. 45; diese Ansicht ist stark bestritten, vgl. dazu Schroeder, Staatsangehorigkeit S. 83ff. Staatsvolk und Staatsgewalt 151 Eingriff existierenden Staat trotz langerer Unterbrechung der faktischen Ausiibun.g der Staatsgewalt nicht abzustreiten ist. Das Bestehen einer Exilregierung scheint demgemaB nicht unabdingbare Voraussetzung fiir den Fortbestand eines vollkommen okkupierten und von der Besatzungsmacht annektierten Staates zu sein 668. Die Totalitat zeitgenossischer Konflikte fiihrt in fast alien Fallen zur radikalen Unterwerfung und. Ausschaltung der Staatsorgane. Die Staatsgewalt ist aber nach allgemeiner Ansicht immer noch das wesentlichste Begriffsmerkmal des Staatsgebildes 659 . Wenn aber nach modernem Viiikerrecht eine Unterwerfung vor Beendigung der oecupatio bellica nicht den Untergang des VOlkerrechtssubjektes herbeifiihren kann, so laBt sich daraus folgern, daB die Staatsgewalt auch bei Feb_len eines die Staatsgewalt ausabenden Organes bestehen bleiben. kann. II. Das Staatsvolk als Trager der Staatsgewalt Diese moderne Entwicklung zwingt zu einer überpriifung der iiberlieferten klassischen Auffassung vom Staat -und seinen drei Elementen Staatsgebiet, Staatsvolk und. Staatsgewalt. Das ist hinsichtlich der Staatsgewalt weitgehend geschehen 660. Die AblOsung der absolutistischen Staatsidee durch die Ideen der franzOsischen Revolution fiihrte zur liberalen und demokratischen Auffassung der Neuzeit, daB alle Staatsgewalt vom Volke ausgehe. Aus dem Zeitalter des Individualismus entwickelten sich schlieBlich die Gedanken des demokratischen Staates, wie sie in den raodernen Verfassungen ihren Niederschlag gefunden haben. Dieser Wandel der Staatsidee hat zu einer Verkatipfung der Grundelemente Staatsvolk und Staatsgewalt gefiihrt. Diese Wechselbeziehung bedeutet nicht etwa Identitat von Regierenden und Regierten661. Die auch fiir die demokratische Staatsform notwendige sachlogische Trennung zwischen. Herrschenden und Beherrschten wird nicht geleugnet, sondern nur in eine sinnvolle Wechselbeziehung gebracht. Die obersten Reprasentativorgane des Volkes (die Staatsgewalt im engeren werden getragen von der Gesamtheit der Herrschenden, von dem den Staat bildenden Vo1k 662. Die Menschen als geschlossene viilkische Einheit verkOrpern die Staatsgewalt. Bei der Untersuchung, ob ein Staat noch existent ist, geniigt deshalb zur Feststellung seines Unterganges noch nicht die refine Tatsache, daB die die Staatsgewalt ausiibenden Organe ausgelOscht 658 Vgl. Menzel, Deutschland S. 65, Anm. 65; StOdter S. 50. 658 Jellinek, Allgemeine Staatslehre 1921, S. 427ff.; v. Dassel S. 6; Kelsen, Allgemeine Staatslehre S. 95ff.; Helfritz, Allgemeines Staatsrecht S. 113ff.; Kiiehenhoff S. 33ff.; StOdter S. 44. 66° Vgl. hierzu bzgl. der zahlreichen Theorien fiber die Souveranitiit im. Völkerreeht: Jellinek, Allgemeine Staatslehre 1921, S. 435ff., 474ff; Helfritz a.a.O. S. 127ff.; Kelsen a.a.O. S. 102ff.; Laun, Allgemeine Staatslehre S. 75ff. 661 So Schmitt Verfassungslehre (1928) S. 234. 662 Vgl. StOdter S. 45ff., insbes. S. 46; FiiBlein S. 41. 152 Das Danziger Staatsvoik sind. Es kommt vielmehr entscheidend darauf an, ob der Wesenskern. des Staatsgebildes, das Staatsvolk. als Trager der Staatsgewalt und der Souveranitat, erloschen ist. Eine sinnfallige Bestatigimg dieser Rechtsansicht zeigt die staatsrechtliche Beurtellung staatlicher Krisen. Der Rechtsbruch der Staatsumwalzung und die Illegalitat der Burch Revolution oder Staatsstreich geschaffenen Organe hi-ndern nicht die K.ontinuitat des Staates — auch dann nicht, wenn die Machtverschiebung endgiiltig ist 663. Umgekehrt entsteht kein neuer Staat, wenn die bisherigen Organe nach MiBlingen des Umbruches erneut die 1VIacht ausiiben. Auch Kier laBt sich die Fortexistenz des Staates nur daraus erklaren, daB die Staatsgewalt im Volke verankert ist and mit diesem fortbesteht. Diese rechtlichen Erwagungen liegen auch dem Begriff der occupatio zugrunde. Die zeitweilige Zuriickdrangung der ausiibenden Gewalt durch kriegerische Besetzung des Staatsgebietes zieht nicht den Untergang des Staates each sich, wenn noch ein geschlossenes Staatsvolk als Trager der Staatsgewalt vorhanden ist 664 . Ebenso ist die Umwandlung der occupatio bellica in eine vollendete Annexion erschwert, wenn noch ein Staatsvolk existiert und dieses sich den neuen. Tatsachen widersetzt. Andererseits kOnnte die Annahme vom Fortbestande des Staates auch als Fiktion — nicht meter aufrechterhalten werden, wean das Staatsvolk nicht in irgendeiner Form noch als existent zu bezeichnen ist, dean dann ware das Wiederaufleben. des Staates nach Beseitigung des fait accompli ausgeschlossen. B. Das Danziger Staatsvolk Wahrend liblicherweise lediglich em Wechsel in der ausiibenden. Gewalt eintritt, das Staatsvolk also an Ort mid Stelle verbleibt," 5 stehen wir im Falle Danzigs vor der Tatsache der Tre-nnung von Gebiet and Volk. Darauf macht H.-J. Jellinek m jedenfalls insoweit zu Recht aufmerksam. Ein Tell der BevOikerung fliichtete vor den eindringenden Truppen. Per Besetzung folgte dann die Ausweisung nahezu des gesamten Staatsvolkes 667. Auf dem Gebiet des Danziger Staates wurde dafiir polnische Bevolkerung angesiedelt. Unter diesen. Umstanden erscheint es fraglich, ob die Daniiger noch ein Staatsvolk im juristischen Slime sind. I. Begrig des Staatsvolkes Die Danziger BevOlkerung wurde nicht geschlossen untergebracht, sondern sie verteilte sich auf verschiedene deutsche Aufnahmelander. Ob sie, 663 Vgl. L aun, Allgemeine Staatslehre S. 58; vgl. auch die Ausfiihrungen auf S. 80f. 664 Obergericht Ziirich 1. 12. 1945, DRZ 47, 31; Menzel, Deutschland. S. 65; ferner die bei Nien.z el a. a. 0. S. 67 bzgl. des Deutschen Reiches aufgefiihrte Literatur. 667 Vgl. oben S. 39ff. 66'6 Vgl. oben S. 105f. 668 S. 213; vgl. S. 207. Die Danziger im Exil als Staatsvolk 153 um mit Jellinek668 bzw. Crusen669 zu sprechen, auch im Sinne eines Zerfalls and des Unterganges des Staatsvolkes „in alle Winde zerstreut" warden ist, mag fraglich erscheinen. Der Zusammenhalt einer Einheit von Menschen zur Pfiege ihres sie verbindenden gemeinsamen Volkstums oder auch zwecks Herstellung und. Erhaltung von ExistenzmOglichkeiten ist allerdings noch kein Anhaltspunkt dafiir, daB jene Menschengruppe ein „Staatsvolk" bildet. Auch das BewuBtsein der vOlkischen Zusammengehiirigkeit reicht hierfiir nicht aus. Cybichowski 679 hat die polnische Ansicht von der Kontinuitat des polnischen Staates nach der dritten Teilung vertreten. Er hat also die Identitat des Staates von 1795 mit dem wahrend des 1. Weltkrieges wiedererstan.denen Polen behauptet. Seine Ansicht beruht aber auf einer Verkennung des Begriffes „Staatsvolk". Er beruft sich auf die Erhaltung der polnischen „Nation". „Nation" als välkisches Phanomen im soziologischen Sinn.e ist aber etwas anderes als der staatsrechtliche Begriff des „Staatsvolkes" 671 . Staatsvolk ist gleichbedeutend mit Gesamtheit der StaatsangehOrigen 672. Im vorliegenden Falle ist diese Erklarung jedoch nicht ausreichend, da die Frage, ob noch eine Danziger StaatsangehOrigkeit existiert, selbst von dem Fortbestand oder Untergang des Staatsvolkes abhangt. Die Definition muB daher dahingehend prazisiert werden, daB die Gesamtheit der Staatsangehorigen eine staatsbewuBte Einheit ist. AuBer dem objektiven Merkmal wird ein subjektives verlangt 673 . Neben der Existenz einer geschlossenen Einheit, die durch eine gemeinsame Staatsangehdrigkeit gekennzeichnet ist, muB der Wille und das BewuBtsein, als Staatsvolk zu gelten, vorhanden. sein. Die entscheidende Frage im vorliegenden Falle lautet also : Bildet die aus der Heimat ausgewiesene Danziger BevOlkerung noch eine staatsbewuBte Einheit, d. h. wird deutlich erkennbar zum Ausdruck gebracht, daB die Danziger noch als Staatsvolk gelten? II. Die Danziger im Exil enter dem Gesichtspunkt des Staatsvolk es Oben ist dargestellt worden, daB die Danziger sofort nach der Austreibung ihren organisatorischen ZusammenschluB in die Wege leiteten 674. Es ging daraus nicht nur der „Bond der Danziger e.V." hervor, sondern vor allem auch ein politisches Gremium, der „Rat der Danziger", und dessen ExekutivOrgan, die „Vertretung der Freien Stad.t Danzig". Dieses Organ, zunachst ,696 DRZ 49, 500. 668 A.a.0. S. 213. 670 ZfVR 34, 318ff. 671 Vgl. Laun, Allgemeine Staatslehre S. 40. 672 Vgl. v. Liszt, VOlkerrecht S. 105; Laun a.a.O. S. 30. 673 Vgl. Jellinek, Algemeine Staatslehre 1921, S. 406ff.; Kiichenhoff, S. 25f.; Helfritz, Allgemeine Staatslehre S. 100f.; vgl. filr Danzig: Mattern S. 57; Mrose S. 46. 674 Vgl. S. 41ff. 154 Die Danziger im Exit als Staatsvolk provisorisch aus den ehemaligen, nicht der NSDAP zugehOrigen Danziger Parlamentsmitgliedern zusammengesetzt, entwickelte sich nach den allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen im Bundesgebiet und in Westberlin im Sommer 1951 zu einer ordnungsgemaB gewahlten Reprasentation der in diesen Gebieten ansassigen Danziger BevOlkerung. Die Vertretung begniigte sich nicht mit theoretischen ErOrterungen, sondern griff durch Verhandlungen mit dem Ausland, mit der deutschen Bundesregierung und ihren verschiedensten. Dienststellen so wie mit Dienststellen westdeutscher Gliedstaaten (Lander) in die praktische Politik ein. In zahlreichen Tagungen und Massenversammlungen, in Reden, Vortragen, Aufsatzen, Gutachten, in Memoranden und Protesten wurden auch dem Ausland gegeniiber — die Ziele und Forderungen der Danziger, das Recht auf die Heimat in Verbindung mit einem Fortbestand des Danziger Staates und die Sicherstellung der Lebensgrundlage der im Exil lebenden Danziger fiir die Dauer des Zwischenzustandes, standig bekundet. Die von den Danzigern im Exil errichteten Organe sind schwerlich als Exilregierung zu bezeichnen, da sie weder die Funktion einer Regierung ausiiben oder ausiiben wollen, noel' als solche anerkannt sind. Die Danziger im Exil bekunden aber durch ihren ZusammenschluB und durch Mang einer ordentlich gewahlten Reprasentation in einer rechtlich erheblichen Form, daB sie nicht gewillt sind, ihre Eigenstaatlichkeit aufzugeben. Dennoch erscheint es zweifelhaft, ob die Voraussetzungen fiir das Vorhandensein einer „staatsbewuBten Einheit" erfiillt sind. Die Danziger Organisation reprasentiert nur etwa 235 000 Danziger 675. Selbst wean man von der urspriinglichen Einwohnerzahl von 400 000 die etwa 95 000 Danziger abrechnet, fiber deren Schicksal noch keine Klarheit besteht, die aber vermutlich zum groBten Teil durch Krieg und. Ausweisung bzw. Flucht umgekommen sind, bleibt noch eine Zahl von ca. 65 000 Danzigern darunter die in der Sowjetzone lebenden Danziger Burger —, die auBerhalb des Wirkungsbereiehes der Vertretung der Freien Stadt Danzig leben. Die Vertretung reprasentiert deshalb auBerstenfalls nur knapp % der erfaBten vertriebenen Danziger BevOlkerung 676 . Weiter ist zu berucksichtigen, daB die in den westdeutschen Rauro. gefliichteten Danziger in das wirtschaftliche und politische. Leben der Bundesrepublik eingegliedert worden sind, und daB sich folglich hier, nicht max in der Heimat, ihr Lebenszentrum befindet. AuBerdem bilden sie bevOlkerungsmaBig keine geschlossene Einheit, sondern sind einzeln oder in Gruppen auf die Aufnahmelander verteilt worden. Es fehlt auch an einer Beziehung vom Staatsvolk zu seinem Staatsgebiet. 675 Vgl. hierzu oben S. 40f. 676 Nur etwa i/3 der Wahlberechtigten haben ihre Stimmen abgegeben, was hauptsachlich allerdings auf die sehwierigen und primitiven Verhaltnisse zuriick- zufiihren sein wird, unter denen die Wahlen durchgefiihrt w-urden. (wie vor allem die Zerstreuung der Ansiedlungsgruppen und die finanziellen Hindernisse). Trennung von Staatsgebiet und Staatsvolk 155 Unter Beriicksichtigung aller dieser rberlegungen ist festzustellen, daB die Danziger in ihrer derzeitigen Situation trotz ihres politischen Zusammenschlusses nicht als Staatsvolk eines Danziger Staates angesehen werden kOnnen. C. Reehtliehe Bedeutung der Trennung von Staatsvolk und Staatsgebiet wahrend der occupatio bellica Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, ob die Danziger nicht infolge ihres politischen. Zusammenschlusses wahrend der occupatio bellica trotz ihrer Zersplitterung doch noch Trager einer zeitweise in fremder Hand befindlichen Staatsgewalt sein kOnnten. Es ist ein in unserer Zeit abnormer Fall, daB die gesamte BevOlkertmg eines wenn zwar kleinen, so doch anerkannten Staates in die Verbannung geschickt wird. Eine Staatenpraxis zu dieser exzessiven Form einer Annexion wahrend der kriegerischen Besetzung hat sich infolgedessen noch nicht herausbilden kOnnen. Der Fall Danzigs wird somit erst der AnlaB fiir eine diesbeziigliche Fortbildung des Rechts sein.. Da gewohnheitsrechtliche Normen fiir diesen Sonderfall nicht bestehen, muB das Ergebnis aus den vorhandenen generellen Vorschriften fiber die occupatio bellica abgeleitet werden. I. °Native UnmOglichkeit des Zusammenschlusses als „Staatsvolk" infolge der occupatio bellica Es sei an dieser Stelle wiederholt, daB Potsdam keine Legalisierung der AusweisungsmaBnahmen beziiglich der Danziger darstellte 877 . Der vielleicht stillschweigenden, spater allerdings dementierten Billigung der Vertreibungen seitens der West-Alliierten ist lediglich politische Bedeutung beizumessen. Die polnischen Verfiigungen zur Ausweisung sind daher volkerrechtswidrig und miissen im gleichen Slime gewertet werden, wie alle sonstigen im Stadium der „occupatio bellica" erlassenen Akte. Wenn as der Sinn des Rechtsinstituts der „occupatio bellica" ist, Ausschreitungen des gewaltsam vorgehenden Siegers zu verhiiten und die der-, zeitige Schaffung endgiiltiger Rechtszustande zu verhindern, so gilt das insbesondere fur Austreibungen der BevOlkerung. Es kann nicht richtig sein, auf der einen Seite im Stadium der „occupatio bellica" vom Okkupanten vorgenommene Akte fiir absolut unwirksam zu erklaren, auf der anderen Seite aber eben diese Akte als alleinigen Beweis fiir die Tatsaehe des Unterganges des Staates anzufiihren. Das muB insbesondere deshalb gelten, weil die Ausweisung zum Zweeke der Durchsetzung der Annexion vorgenommen wurde, gerade diese Durchsetzung aber durch die Rechtsschranken der occupatio bellica, unmoglich gemacht werden S011 678 . Insbesondere ange677 ygl. S. 130f., 134f. 678 Alinlieh Mattern S. 57, der allerdings das Vorhandensein einer Exilregierung verlangt. 156 Kontinuiteit des Danziger Staates sichts der Existenz der die Danziger reprasentierenden Organisation kann Polen sich daher zum Beweis des Unterganges des Danziger Staates nach dem auch im VOlkerrecht geltenden Verbot des venire contra factum proprium nicht auf die von ihrn selbst durch die vOlkerrechtswidrige Ausweisung bzw. Vertreibung der Danziger WohnbevOlkerung geschaffene Lage berufen, die den Danzigern objektiv die Ausiibung der Staatsgewalt und den ZusammenschluB als „Staatsvolk" unmoglich gemacht hat. II.Ergebnis Die Danziger leben heute nicht mehr in ihrer Heimat, sondern zum graten Tell in Westdeutschland. Auch eine Danziger Exilregierung besteht nicht. Die Danziger BevOlkerung existiert aber noch, und sie widersetzt sich mit den ihr zur Verfiigung stehenden friedlichen Mitteln der Durchsetzung der polnischen Annexion. Sie verkorpert die latent fortbestehende Staatsgewalt und vermag wahrend des Okkupationszustandes ihren Staat am Leben zu erhalten. Solange die kriegerische Besetzung nicht durch die Schaffung eines Zustandes der „Befriedung" in eine vollendete Annexion iibergeleitet worden ist, solange also die polnische Herrschaftsausiibung in den seit 1945 von Polen annektierten Gebieten nicht unbestritten ist, kann alien polnischen MaBnahmen nur ein vorlaufiger Charakter zukommen. Die zeitweilige Vertreibung der Bevelkerung kann daher nicht den Untergang des Danziger Staates zur Folge haben. Ob sich die Annexion durchsetzen wird, hangt weitgehend von dem Verhalten der Välkergemeinschaft ab. Die Untersuchung der Wirkung der Nichtanerkennung im VOlkerrecht hatte zwar gezeigt, daB die Staaten rechtlich nicht in der Lage rind, als Gemeinschaft einem annektierenden Staat durch Nichtanerkennung der Annexion ihren. Willen aufzuzwingen. Durch Nichtanerkennung wird eine gewaltsame Gebietserweiterung nicht ungeschehen gemacht. Zugleich ist aber nachgewiesen worden, daB der Nichtanerkennung dennoch eine beachtliche rechtliche Reflexwirkung zukommt, die sich im Zustande der Okkupation auswirkt. Wenn die VOlkergemeinschaft auch nicht imstande ist, Annexionen ruckgangig zu machen, so steht es immerhin in ihrem Ermessen, durch fortgesetzte Nichtanerkennung den „Zwischenzustand" aufrechtzuerhalten. Sie kann also die Umwandlung der Okkupation in eine Ersitzung verzOgern. Es ist ihr dadurch ein Mittel an die Hand gegeben, die Entwicklung zur Vollendung der Annexion aufzuhalten°79 . Die wesentliche rechtliche Bedeutung der Nichtanerkennung ist also darin zu sehen, daB die VOlkergemeinschaft einen okkupierten Staat wahrend des Zwischenzustandes vor dem Untergang bewahren kann. Diese Rechtswirkung kann aber nur darn eintreten, wenn die Grundelemente des okkupierten Staates wenigstens in rudimentarer Gestalt erhalten bleiben. Fiir die Danziger Frage kommt es demnach ent679 Vgl. StOciter S. 51. Filction der Kontinuitilt? 157 scheidend darauf an, ob die Danziger BevOlkerung auch weiterhin vermittels ihrer Organisation zum Ausdruck bringt, daB sie sich den durch Polen widerrechtlich geschaffenen Tatsachen nicht zu fiigen gesomien ist, oder ob sie den Willen, ihren Staat wiederherzustellen, eines Tages aufgeben wird. Freilich kommt der Kontinuitat des Danziger Staates wahrend des Zwischenzustandes mehr and mehr fiktive Bedeutung zu 680. Ihr wirkt die Effektivitat in standig wachsendem MaBe entgegen. Je langer der Schwebezustand andauert, desto starker wird die Wirkung des Effektivitatsgrundsatzes und damit die Disproportionalitat von bewahrender Kontinuitat und gestaltender Effektivitat. SchlieBlich wird sich die Notwendigkeit ergeben, sich von der endgiiltig zur Fiktion gewordenen. These des Fortbestan.des des alten Rechtszustandes zu lOsen and die tatsachliche Lage rechtlich anzuerkeimen. Das Kontinuitatsproblem entgleitet in diesem Stadium einer rechtswissen schaftlichen. Beurteilung and wird letzten Endes allein durchpolitische Entscheidungen einer allerdings rechtlichen — LOsung zugefiihrt 681. Eine endgiiltige Entscheidung d.arfiber, ob die Freie Stadt Danzig als Stant und VOlkerrechtssubjekt bestehen bleiben wird, kann demnach erst gefallt werden, wenn der Zwischenzustand iiberwunden ist, d.h. wenn sich im Danziger Raum eine . endgiiltige Regelung durchgesetzt haben wird. Bleiben die Verhaltnisse in Danzig unverandert, so werden wahrscheinlich die Akte der Nichtanerkennung immer seltener, die Proteste der Danziger werden vielleicht allmahlich versiegen und die Tatsachen werden mit der Zeit einen neuen Rechtszustand formen. Falls dagegen eines Tages die Freie Stadt Danzig wieder aufleben sollte, so hatte sich damit das Kontinuitatsprinzip and mit ihm das Recht and die Gerechtigkeit durchgesetzt, und der Danziger Staat ware durch die Jahre der UngewiBheit und Ungeklartheit erhalten geblieben. Solite der derzeitige Schwebezustand durch eine Friedensvertragsregelung abgeltist werden, so miiBten die Beteiligten jedenialls heute immer noch von der Tatsache ausgehen, daB der rechtliche Status Danzigs seit 1939 keine Anderung erfahren hat, die Freie Stadt Danzig also heute immer noch de jure ein Staat im Sinne des Viilkerrechts ist. Dritter Abschnitt Das Problem der Staatsangehiirigkeit In Ankniipfung an die bisher gewomienen. Ergebnisse sei nunmehr die Frage der heutigen Staatsangehbrigkeit der Danziger erOrtert. Es soli zunachst auf das Problem der Rechtsgiiltigkeit der Verleihung der deutschen 680 Vgl. oben S. 143. 681. Vgl. Menzel, Jahrbuch der Ranke-Gesellschaft 1955/56, S. 61, 83. 158 Die Verleihung der deutschen Staatsangehdrigiceit StaatsangehOrigkeit am 1. 9. 1939 eingegangen werden, um im An,schluB daran die Frage zu beantworten, ob eine Danziger StaatsangehOrigkeit fortbesteht. A. Erwerb der deutschen StaatsangehOrigkeit I. Rech,tsakt der Verleihung der deutschen Staatsan,gehOrigkeit Die Verleihung der deutschen StaatsangehOrigkeit an die Danziger durch deutsche Behärden erfolgte im Zusammenhang mit der „Wiedervereinigung". § 2 des Gesetzes fiber die Wiedervereinigung der Freien Stadt Danzig mit dem Deutschen Reich vom 1. 9. 1939 682 lautet : „Die StaatsangehOrigen der bisherigen Freien Stadt Danzig sind deutsche StaatsangehOrige nach MaBgabe natherer Vorschriften." Die folgenden Vorschriften sind von den deutschen BehOrden far den Erwerb der deutschen StaatsangehOrigkeit erlassen worden 683 : 1. RunderlaI3 des Reichsministers des Innern fiber den Erwerb der dentschen Staatsangehorigkeit in den in das Deutsche Reich eingegliederten Ostgebieten vom 25. 11. 1939 684 . 2. Verordnung fiber die deutsche Volksliste und die deutsche Staatsangehdrigkeit in den eingegliederten Ostgebieten vom 4. 3. 1941 685 in der Fassung der Verordnung vom 31. 1. 1942 686 . 3. RunderlaB des Reichsministers des Innern, betreffend. Erwerb der deutschen StaatsangehOrigkeit durch ehemalige polnische und Danziger Staatsangehorige vom 13. 3. 1941 687 . Aus dem Wiedervereinigungsgesetz in Verbindung mit den zuletzt genannten Vorschriften ergibt sich, daB der Erwerb der deutschen Staatsangehorigkeit nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers mit dem Hoheitswechsel am 1. 9. 1939 automatisch eintreten sollte 688 . 682 Abgedruckt unten S. 175. 683 Vgl. hierzu im einzelnen die Ausfiihrungen. auf S. 36ff. dieser Arbeit. 684 RMBliV 1939, S. 2385. 685 RGB1. 1941 I, S. 118. 686 RGB1. 1942 I, S. 51. 687 I e 5125/41 - 5000 Ost; nicht veroffentlicht; auszugsweise abgedruckt bei Mafifeller, 2. Aufl. S. 244; Ruby S. 674. 688 Vgl. L ichter, 2. AWL S. 279, Anm. 2. Filr einige Danziger Staatsangehorige nichtdeutschen Volkstums, denen nicht auf Grund der genannten Vor- schriften die deutsche StaatsangehOrigkeit verliehen worden war, ergab sich noch die MOglichkeit, die deutsche StaatsangehOrigkeit durch Einstellung in die deutsche Wehrmacht, die Waffen-SS, die deutsche Polizei, den Reichsarbeitsdienst und die Organisation Todt auf Grund. des „Fiihrererlasses" vom 19. 5. 1943 (RGB1. I, S. 315) in Verbindung mit den Runderlassen des Reichsministers des Innern vom 23. 5. 1944 (RMB1iV S. 551; abgedruckt bei Rasche, 2. Aufl. S. 91ff.), vom 12. 10. 1944 (RMBliV 1944, S. 1019; abgedruckt bei Rasche, 2. Aufl. S. 95f.); vom 19. 12. 1944 (RMBIiV 1945, S. 9; abgedruckt bei Rasche 2. Aufl. S. 96) zu erwerben. Auswirkungen 1939-1945 159 II. Wirkung der Verleihung der deutschen StaatsangehOrigkeit 1. Die rechtliche Lage 1939-1945 Die Verleihung der deutschen Staatsangehtirigkeit an die Danziger BevOlkerung auf Grund der genannten Bestimmungen erfolgte nicht freiwillig, in der Form von Einzeleinbiirgernngen 689 , sondern automatisch, als Kollektiveinbiirgerung. Eine derartige StaatsangehOrigkeitsregelung ist dem Volkerrecht nur im Zusammenhang mit einem Souveranitatswechsel bekannt 69°. Konektiveinbiirgerungen sind nur im Rahmen der vom Välkerrecht gesetzten Schranken erlaubt 691, aber im Deutschland von 1939 war auch ein diese Schranken iiberschreitender Akt wie bereits ausgefiihrt 692 — innerstaatlich wirksam, solange er nicht aufgehoben wurde. Die nach einer Annexion vorgenommenen Zwangseinbiirgerungen waren also im Bereich innerstaatlichen Rechts giiltig. Hier handelt es sich aber urn einen Akt, der auf fremdem Staatsgebiet vorgenommen wurde und die AngehOrigen eines nicht unter deutscher Hoheit stehenden Gebietes betraf. Grundsatzlich ist zwar jeder Staat it-mei-11AB der vom Välkerrecht gesetzten Grenzen allein berufen, nach seinem Ermessen zu bestimmen, wer seine StaatsangehOrigkeit erwerben SO1 1 693. Er kann aber nur im Bereich seiner Hoheitsgewalt, nur auf seinem 689 Von Einzeleinbiirgerungen ki5nnte vielleicht bei den wenigen Danzigern gesprochen werden, die nur die Voraussetzungen fiir die Aufnahme in die Abteilung 3 der deutschen Volksliste erfUllten (vgl. oben S. 38f.). Sie muBten, inn die deutsche StaatsangehOrigkeit zu erwerben, einen schriftlichen Antrag auf Eintragung in die Volksliste stellen (Geilke, OV 54, 545) a. A., m. E. mitt Becht: Becker, OV 55, 47, der es fi_ir zweifelhaft halt, ob in dem Aufnahmeverfahren zur deutschen Volksliste ein Einbiirgertmgsverfahren im Sinne der §§ 8-16 RuStAG erblickt werden kann; so auch Menzel (Bonner Komnaentar Art. 116, S. 16), der die im Volkslistenverfahren durchgefiihrten Einbiirgerungen als „Sammeleinbargerungen" bezeichnet. Ausdriicklich durch gerung konnte denjenigen Danzigern die deutsche Staatsangehbrigkeit verliehen werden, die in Abteilung 4 der Volksliste eingetragen wurden oder nichtdeutseher Volkszugehiirigkeit waren. 69° Lichter, 2. Aufl. S. 210; Hoffmann, Kommentar S. 13; H.-J. Jellinek S. 183f. 691 Solche, die Befugnisse der einzelnen Staaten auf dem Gebiete der Staatsangehorigkeitsverleihung einschrankenden vOlkerrechtlichen Grundsatze ergeben sich vor allem durch die Abgrenzung des Hoheitsbereiches jedes Staates. Allgemein anerkannte Ankniipfungsmomente sind z. B.: Abstammung und Geburt, dauernder Wohnsitz im Inland, Verheiratung mit einem Inlander, Antritt eines Offentlichen A_mtes (vgl. M akar ov , Allgemeine Lehren S. 99ff.; VerdroB , VOlkerrecht, 3. Aufl. S. 235ff.). In neuerer Zeit wird auch die Meinung vertreten, jede Kollektiveinbiirgerirng, die dem Einzelwillen keine Entscheidungsfreiheit belaBt, sei vOlkerrechtsviddrig, es sei dean, es handelt sich um giiltige Gebietsabtretungen (vgl. Sauer, Grundlehre des VOlkerreehts, 3. Aufl. S. 99f.; VerdroB a.a.O. S. 237f.). 692 Vgl. oben S. 85f.; vgl. auch VerdroB a.a.O. S. 237; Scb.atzel, StaatsangehOrigkeit S. 560. 693 Vgl. Lichter, OV 55, 428; VerdroB a.a.O. S. 235ff.; Makarov a. a.0. S. 60, 161; BGHZ 3, 181 (1951); BVerfG 1, 322 (1952). 160 Andere Samrneleinbiirgerungen, eigenen Staatsgebiet wirksam solche Bestimmungen treffen 694 . Deutschland traf seine Mal3nahmen zur Sammeleinbilrgerung aber nicht als Inhaber der Territorialsouveranitat ilber Danzig, sondern als Okkupant wahrend einer militarischen Besetzrmg 695 . Danzig war nicht Bestandteil des Deutschen Reiches geworden. Der Okkupant darf nur Anordnungen treffen, die fiir die militarische Besetzung erforderlich sired, und diese auch nur fiir die Dauer des Okkupation.szustandes 696 . Dazu gehOrt nicht die Verleihung der Staatsangehorigkeit an die Bewohner des okkupierten Gebietes. Die einseitigen. deutschen Akte konnten gegenuber den Bewohnern des okkupierten Danziger Gebietes wahrend der militarischen Besetzung nicht wirksam werden; und sie blieben auch ohne Wirkung, da ihnen durch den Kriegsausgang die Grundlage wieder entzogen wurde 697 . Als weitere Beispiele fiir kollektive StaatsangehOrigkeitsverleihungen durch Deutschland wahrend der occupatio bellica an die BevOlkerung okkupierter Gebiete seien erwahnt: die Verleihung der deutschen StaatsangehOrigkeit durch die Verordnung fiber die StaatsangehOrigkeit der Bewohner. von Eupen, Malmedy und Moresnet vom 23. 9. 1941 698 ; durch die Verordnung fiber die Staatsan.gehOrigkeit im Elsa, in Lothringen und in Luxemburg vom 23. 8. 1942 699 ; durch die Verordnung -Ober den Erwerb der StaatsangehOrigkeit in den „befreiten Gebieten" der Untersteiermark, Karntens und Krains vom 14. 10. 1941 700 ; durch die Verordnung iiber die Verleihung der deutschen StaatsangehOrigkeit an die in die deutsche YolksEste der Ukraine eingetragenen Personen vom 19. 5. 1943 701 . Die zwangsweise Vbertragung der deutschen StaatsangehOrigkeit an franzOsische und luxemburgische Staatsangeharige wurde durch Gesetz Nr. 12 der Alliierten Hohen Kommission vom 17. 11. 1949 702 und durch das gleichlautende Gesetz Nr. 6 der Alliierten Kommandantur Berlin vom 4. 3. 1950 703 fiir „von Anfang an nichtig und rechtsunwirksam" erklart. Belgien hat die Verleihung der deutschen Staatsangehiirigkeit nicht anerkannt 704 . Die deutsche Bundes694 Vgl. VerdroB a.a.0. S. 240; Makarov a.a.O. S. 101; Lichter, 2.Aufl. S. 210; sowie oben S. 114. 695 Der Unterschied zwischen StaatsangehOrigkeitsregelung auf eigenem Ge- biet nach einer Annexion mid der Verleihung der StaatsangehOrigkeit auf fremdem Staatsgebiet wahrend einer Okkupation ist in der Nachkriegsliteratur vielfach nicht klar genug hervorgehoben worden; vgl. auch Geilke, OV 54, 549, der diese TJnterscheidung hervorhebt; ebenso H.-J. Jellinek S. 213, 241. 696 VerdroB a.a.0. S. 382. 697 Vgl. oben S. 105ff; vgl. auch H.-J. Jellinek S. 241; VerdroB a.a.O. S. 240; Lichter a.a.0. S. 210; Hoffmann, Kommentar S. 14; Ruby S. 388; Verzijl, NJurBl. 54, 785ff. (787). 698 RGB1. 1941 I, S. 584, in der Fassung der Berichtigung vom 22. 10. 1941 (RGB1. 1941 I, S. 652). 699 RGB1. 1942 I, S. 533. 700 RGB1. 1941 I, S. 648. 791 RGB1. 1943 I, S. 321. 7°2 ABl. ARK S. 36. 703 VOB1. fiir GroB-Berlin 1950, S. 85. 7°4 Hoffmann, Kommentar S. 17; Lichter, 2. Aufl. S. 907. Verpflichtungen Deutschlands? 161 regierung hat durch eine Verbalnote des Auswartigen Amtes" 5 Belgien gegenuber am 21. 4. 1954 erklart, daB die obengenannten Vorschriften far die von amen erfal3ten Personen nicht den Erwerb der deutschen Staatsangehbrigkeit zur Folge gehabt haben. Diese Erklarungen wirken nicht konstitutiv, sondern bestatigen nur die Unwirksamkeit der von Deutschland wahrend der occupatio bellica erlassenen MaBnahmen. Wenn auch abnliche Erklarungen beziiglich der okkupierten jugoslawischen und nkrainischen Gebiete and Danzigs nicht abgegeben worden sind, so kami daraus nicht der SchluB gezogen werden, daB die in diesen Gebieten getroffenen Staatsangehiirigkeitsregelungen giiltig gewesen sind706. Die offenbar aus politischen Riicksichten gegeniiber Frankreich and Belgien vorgenommenen Feststellungen sind hinsichtlich der Danziger entbehrlich. Einmal steht nicht fest, ob die Danziger von ihrem Heimatstaat in Anspruch genommen werden, und zum andern wohnt die iiberwiegende Mehrzahl der Danziger Bevtilkerung heute in Deutschland, also in dem Staat, der die Kollektivverleihung vorgenommen hat, and wird Kier den deutschen Staatsangehiirigen gleichgestellt. 2. Die rechtliche Lage seit 1945 Der Umstand, daB Danziger ihren Wohnsitz auf dem Territorium des Staates genommen haben, der das Gesetz vom 1. 9. 1939 erlassen hat, gibt indessen zu der Uberlegung AnlaB, ob nicht Deutschland mit seiner EinbiirgerungsmaBnahme auch eine Verpflichtung eingegangen ist, von der es sich heute den Betroffenen gegeniiber nicht einseitig Ibsen darf. Die Beurteilung dieser Frage hat zunachst nach deutschem Recht zu erfolgen707 , und zwar fur die in Westdeutschland lebenden Danziger nach dem Recht der Bundesrepublik, die als Reprasentant des Deutschen Reiches in dem ihrer Hoheit unterstehenden Gebietsteile Deutschlands" 8 auch die Aufgabe der Regelung der deutschen Staatsangehiirigkeit wahrnimmt m. Fiir die in der Bundesrepublik und in Westberlin lebenden Danziger hat das Erste Gesetz zur Regelung von Fragen der StaatsangehOrigkeit (StARegG) vom 22. 2. 1955 7" eine Klarung der bis dahin unterschiedlich beurteilten Frage ihrer Staatsangehiirigkeit gebracht. Die durch dieses Gesetz geschaffene Zasur macht es erforderlich, die Staatsangehtirigkeitsverhaltnisse vor wie nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes (26. 2. 1955) einer Beurteilung zu unterziehen. Zunachst sei auf die Rechtslage vor dem 26. 2. 1955 eingegangen. 705 Verbalnote des Auswartigen Amtes vom 25. 1. 1954 (BAnz. Nr. 84 vom 4. 5. 1954). 706 Vgl. MaBfeller, 2. Aufl. S. 253, 255; H.-J. Jellinek S. 213. 7°7 Oben S. 159. 708 Zur Praxis der Erriehtung der Bundesrepublik siehe oben S. 71f. 7°9 Menzel, Bonner Kommentar Art. 116, S. 191., 22. 71° BGB1. 1955 I, S. 65; vgl. Anm. 730. 11 7467 BOttchers Danzig 162 Der BeschluB des Bundesverfassungsgerichts von 1952 a) StaatsangehOrigkeitsverhiatnisse bis zum Inkral ttreten des Gesetzes zur Regelung von Fragen, der Staatsangehorigkeit (1. StARegG) vom 22. 2. 1955. aa) BeschluB des Bundesverfassungsgerichts vom 28. 5. 1952. Bis zum ErlaB des 1. StARegG ist eine gesetzliche Regelung von StaatsangehOrigkeitsverhaltnissen nach 1945 nicht getroffen worden. Der Bundesminister des Innern 711 sowie die LanderbehOrden haben aber einen BeschluB des Bundesverfassungsgerichts vom 28. 5. 1952 (Fall Czastka) 712 als Rechtsgrundlage fiir die LOsung aller ungeklarten StaatsangehOrigkeitsfragen angesehen und auf Grund theses Beschlusses die Danziger grundsatzlich als deutsche StaatsangehOrige behandelt. Im folgenden sei daher zunachst untersucht, ob die im BeschluB des Bundesverfassungsgerichts enthaltenen Grundsatze allgemein verbindlich waren, und ob sie eine Entscheidung iiber die StaatsangehOrigkeit der nanziger enthielten. aaa) Rechtsgrundsätze. Das Bundesverfassungsgericht hob eine Entscheidung des Oberlandesgerichts in 1V1iinchen auf, welche die Auslieferung eines aus der Tschechoslowakei ausgewiesenen ehemaligen tschechoslowakischen. Staatsangehorigen deutschen Volkstums fiir zuldssig erklart hatte. Der BeschluB des Bundesverfassungsgerichts wurde damit begriindet, daB der Beschwerdefiihrer im Jahre 1939 wirksam die deutsche StaatsangehOrigkeit erworben habe und folglich gemdB Art. 16 GG nicht ausgeliefert werden kOnn e. In der Begriindung des Beschlusses wird ausgefiihrt : Durch die Besatzungsmachte seien gewisse Rechtswirkungen mit den Grenzen des deutschen Staatsgebietes nach dem Stand vom 31. 12. 1937 verkniipft worden. Aus der Unwirksamkeit der Annexion durch das Deutsche Reich seit dem 1. 1. 1938 kOnne aber auf Grund der gesamten Unastande nicht die Folgerung gezogen werden, daB alle mit den Annexionen zusammenhangenden Zwangsverleihungen deutscher Staatsangehorigkeit als nichtig zu betrachten seien. Fiir diese Rechtsansicht spreche auch, daB die Regelung der deutschen StaatsangehOrigkeit durch das Deutsche Reich auBerhalb Deutschlands nach Beendigung der Feindseligkeiten jedenfalls umnittelbar anerkannt worden sei. Es wird auf das tschechoslowakische Dekret vom 2. 8. 1945 hingewiesen, durch das den AngehOrigen deutschen Volkstums die tschechoslowakische StaatsangehOrigkeit ex tune mit der Begriindung entzogen wurde, daB sie die deutsche StaatsangehOrigkeit erworben hatten. Den Ausfiihrungen des Bundesverfassungsgerichts ist also folgende Rechtsauffassung zu entnehmen: Die von den Alliierten nicht anerkannten Annexionen Deutschlands seit dem 31. 12. 1937 sind grundsatzlich als ungultig anzusehen. Eine Heilung der Nichtigkeit einzelner mit den Annexionen verbundener Rechtsakte durch Anerkennung des betroffenen Staates ist aber moglich. Falls daher ein Staat den Erwerb der deutschen. 711 Oben S. 73. 712 BVerfG 1, 322 (1952). Auswirkungen auf die Rechtslage der Danziger? 163 Staatsangehdrigkeit durch einen Tell seiner Staatsbiirger anerkennt, was er durch Ausbiirgerung dieser Personen zum Ausdruck bringt, sie also nicht „in Anspruch nimmt" wie das BVerf G sich ausdriickt kann in einem solchen Falle das vOlkerrechtswidrige deutsche Gesetz insoweit doch wirksam rein. Als weitere Voraussetzung nennt das Bundesverfassungsgericht den seit dem Zusammenbruch im Jahre 1945 standig bekundeten Willen der zwangsweise Eingebiirgerten, als deutsche StaatsangehOrige behandelt zu werden. bbb) Wiirdigung. Per BeschluB des Bundesverfassungsgerichts bietet keine rechtliche Grundlage fiir die Beurteilung der StaatsangehOrigkeit der Danziger. Schon bei der Frage der Bindung der Verfassungsorgane, Gerichte und BelaOrden an diese Entscheidung im Sinne von § 31 BVerfGG erheben sich Bedenken. Es wird des Ofteren die Ansicht vertreten, nicht nur dem Tenor einer Bundesverfassungsgerichtsentscheidung, sondern auch den in der Begriindung niedergelegten leitenden Rechtsgedanken wohne die bindende Wirkung inne 713 ; aber das ist bestritten 714 und wird auch von den Anhangern der Bindungstheorie jetzt dahingehend eingeschrankt, daB sie sich nicht auf Entscheidungen von Rechtsfragen bezieht, die auBerhalb des Verfassungsrechts liegen, aber in dem Verfassungsstreit inzidenter mitzuentscheiden waren 715. Aber selbst wenn man die bindende Wirkung des Bundesverfassungsgerichtsbeschlusses auch beziiglich des Staatsangehorigkeitsrechts grundsatzlich bejahen wollte, lieBe sich die Entscheidung des BVerf G nicht zur Klãrung der StaatsangehOrigkeitsfragen fiir Danziger heranziehen. Penn der dem BeschluB des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegende Sachverhalt entspricht nicht der im Falle Danzigs gegebenen Lage: Im Falle der Tschechoslowakei ist der alte Staat nach Riickgangigmachung der Annexion wieder entstanden. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts hat dieser Staat einen Teil seiner eigenen StaatsangehOrigen ausgebiirgert und damit den deutschen Verleihungsakt anerkennt. In Danzig dagegen wurde das gauze Staatsvolk ausgewiesen bzw. — soweit gefliichtet — an der Riickkehr gehindert, und zwar nicht durch den eigenen. Staat, sondern durch Polen, das also fremde StaatsangehOrige aus einem fremden annektierten Staatsgebiet verbaruate. her kann daher von einer 713 Vgl. Geiger, § 31 Arim. 3ff. (S. 112ff.); Lechner, § 31 Arun. II (S.179ff.); vgl. auch Scheuner, DVB1. 52, 617. 714 Vgl. BGH, Bescblu3 vom 20. 5. 1954 BGHZ 13, 265, VGH Stuttgart OV 54, 381; Scheuner, OV54, 641; Hoffmann, Kommentar S. 15; Hoffmann, DVB1. 55, 413, vgl. die eingehende Abhandlung von Kadenbach, Zur bindenden Wirkung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Arch. off. IL Bd. 80, S. 385 (1956). Vgl. Geiger, NJW 54, 1060; in Einschrdnkung seiner im. Kommentar zum BVerfGG (vgl. Anm. 32) vertretenen Ansicht; BVerwG Urt. vom 30. 10. 1954 — Karlsruhe — (OV 55, 153). 11* 164 Auswirkungen ant die Rechtstage der Danziger? Anerkennung der deutschen KollektiveMbiirgerungen durch den betroffenen Staat keine Rede sein. Nur in tatseichlicher Hinsicht ist der Danziger Staat nicht mehr vorhanden und kann daher zur Zeit seine Staatsbiirger nicht „in Anspruch nehmen". Es sei aber noch auf einen anderen, bedeutsameren Unterschied zwischen der Rechtslage der Tschechoslowakei und derjenigen. Danzigs hingewiesen, namlich den Unterschied zwischen Annexion und Okkupation. Bei der Tschechoslowakei handelt es sich um eine nicht anerkannte Annexion, die trotz Rechtswidrigkeit nach dem oben. 716 Dargestellten zumindest innerstaatlich Rechtswirkungen zeitigte. Es bedurfte daher nicht erst der Anerkennung durch die Tschechoslowakei, damit die deutsche Kollektivverleihung Giiltigkeit erlangte 717. Mit Recht halt das Bundesverfassungsgericht die StaatsangehOrigkeits-Regelung im Falle der aus der Tschechoslowakei nach Deutschland ausgewiesenen deutschen Volkszugehiirigen auch each heute geltendem Recht insoweit fiir giiltig, als die allgemeinen Regeln des VOlkerrechts nicht verletzt sind. (Art. 25, 123 GG). Das trifft fiir Personen zu, die zu Deutschland durch Abstammung, Geburt, Wohnsitz in einer naeren tatsachlichen Beziehung stehenr". In Danzig hingegen wurde die Annexion wahrend einer militarischen Besetzung erklart und war daher unwirksam. Die Kollektivverleihung der deutschen StaatsangehOrigkeit war ebenfalls unwirksam. In dem vom Bundesverfa-ssungsgericht entschiedenen Fall kam es darauf an, die Frage zu beantworten, ob die rechtswidrige, im Jahre 1939 aber innerstaatlich giiltige Staatsangehi5rigkeitsverleihung nach heute geltendem Recht giiltig sein kann. In nnserem Fall fragt sich dagegen, ob ein darnals ungiiltiger Akt heute als Rechtsgrundlage fiir den wirksamen Erwerb der deutschen StaatsangehOrigkeit angesehen werden kann. Tiber das Schicksal des de jure noch existierenden Staates ist bisher keine Entscheidung getroffen worden. Die Frage aber, ob die Danziger StaatsangehOrigen von ihrem Staat in Anspruch genommen werden, kann erst nach einer solchen Entscheidung — also nach Beendigung des „Zwischenzustandes" entschieden werden, d. h. erst darn, wenn endgiiltig festzustellen ist, ob der Danziger Staat fortexistiert oder untergeht. Es laSt sick aus den leitenden Rechtsgedanken der Entscheidung des BVerfG folglich nicht die Giiltigkeit der deutschen Kollektivverleihung an die Danziger Staatsangehorigen ableiten. bb) Rechtsgrundsatz des Verbots des „venire contra factum proprium". 716 S. 86. 717 So auch Scheuner, Staatsangeh5rigkeit S. 5ff.; H.-J. Jellinek S. 168ff., der folgerichtig die Meinung vertritt, dal) die heutige Tschechoslowakei ein neu entstandener Staat sei. 718 Vgl. 1VTakarov, Allgemeine Lehren S. 99ff.; Verdrof3, VOlkerrecht, 3. Aufl. S. 236ff.; BVerfG 1, 329. Verbot des „venire contra factum proprium" 165 aaa) Grundsatz. Einer der beiden im BeschluB des Bundesverfassungsgerichts enthaltenen Grundsatze m, namlich die „Bekundung des Willens", deutscher StaatsangehOriger zu sein, ist trotzdem fiir die Beurteilung der StaatsangehOrigkeit der Danziger schon jetzt rechtlich bedeutsam. Wenn ein in Deutschland lebender Danziger deutscher Volkszugehiirigkeit den Willen zum Ausdruck gebracht hat, an seiner deutschen StaatsangehOrigkeit festzuhalten, die ihm am 1. 9. 1939 „verliehen" wurde, wird man ihm die Anerkennung der deutschen StaatsangehOrigkeit nicht versagen diirfen. Es wiirde dem Grundsatz des Verbotes des „venire contra factum proprium" widersprechen, wollte Deutschland sich auf die Rechtswidrigkeit der von ihm selbst vorgenommenen Kollektiveinb-iirgerung berufen und die Anerkennung seiner Staatsangehorigkeit denjenigen versagen, die sie each der Eingliederung tatsachlich besitzen wollten 720. Dieser Rechtsgrundsatz, der einen Widerspruch mit dem eigenen Handeln als RechtsmiBbrauch verurteilt, gehOrt nicht nur der deutschen innerstaatlichen Rechtsordnung an721, sondern ist auch als Grundsatz des Viilkerrechts anerkannt 722. 719 Die „Nichtinanspruchnahme" durch den Heimatstaat und die „Bekundung des Willens", deutscher Staatsangehiiriger zu sein. 720 Diese Auffassung, nach der der deutsche Stoat durch die Kollektivverleihung eine Verpflichtung iibernommen hat und auf der anderen Seite die betroffenen. Danziger sich auf diese Verpflichtung berufen diirfen, ist neuerdings von mehreren. Autoren vertreten worden. So heiBt es bei Menzel (Bonner Kommentar Art. 116, S. 22), der auf den Rechtsgrundsatz des „Verbots des venire contra factum proprium" im Zusammenhang mit den Zwangseinbiirgerungen verschiedentlich hingewiesen hat (vgl. Menzel, Deutschland S. 66; Gutachten S. 46ff.): Die Bundesrepublik Deutschland, die sich als mit dem Deutschen Reich identiseh oder teilidentisch betrachte, kOrine sich nicht auf die vOlkerrechtliehe Unwirksarakeit des Eingliederungsaktes vom 1. 9. 1939 berufen and sei insofern an die einmal verliehene StaatsangehOrigkeit gebunden, falls der davon betroffene Personenkreis daran festzuhalten. wiinsche ; im gleichen Shine haben sich geauBert: MaBfeller, 2. Aufl. S. 314 (Vorbem. 3 zu §§ 1ff. 1. StARegG); Lichter, 2. Ault S.217; Ruby S. 388 bemerkt: «La nullitó qui entache les decisions du Reich, pout empOcher d'imposer la nationalite allemande aux habitants de Dantzig. Mais leg` obligations contractees par 1'Allemagne doivent permettre aux anciens ressortissants de Dantzig qui reclament la nationalite allemande, d'obtenir qu'il soit fait droit a leer demande, (d'autant plusque dans l'etat actuel de la legislation la Loi du 1. 9. 39 est toujours valide . . . est done toujours possible a un individu de se prevaloir de ses dispositions)»; vgl. auch die Ausfiihrungen von Geilke, OV 54, 549f. 721 Vgl. hierzu Riezler, Venire contra factum proprium; Lehfeldt S. 27. 722 Vgl. Rechtsgutachten des Standigen Internationalen Gerichtshofes Nr. 15 vom 3. 3. 1928 betr. die Zustandigkeit der Danziger Gerichte far Klagen. von Beamten usw. gegen die polnische Eisenbahnverwaltung, im. Auszug abgedruckt bei Cr us en - L ewinsk y S. 211 f. In den Griinden des Gutachtens ist u. a. folgender Rechtssatz enthalten: ,Polen ... darf sich in keinem Falle einer Einwendung bedienen, die . . . eine 'Berufung auf die Nichterfallung einer ihm nach internationalem Recht obliegenden Verpflichtung enthalten wiirde." Vgl. Schmid S. 154, der das Prinzip der Unzulassigkeit des venire contra faetum propriurn, im Urteil des StIG vom 26. 7. 1927 (betr. das Chorzower Werk) verwirklicht sieht ; vgl. ferner Lehfeldt S. 32f.; Menzel, Deutschland S. 66; Laun, Der gegenwartige Rechtszustand S. 18. 166 Mafigeblichkeit einer Wiliensbelcundung Angesichts der Beriicksichtigung des Willens, in Verbindung mit der Tatsache, daB auf Grund der deutschen Volkszugehtirigkeit der Danziger, so-wie auf Grund ihres Wohnsitzes in Deutschland eine Ankniipfung an die Rechtsordnung Deutschlands vorhanden ist 723, bestehen auch vtilkerrechtlich keine Bedenken, die urspriinglich kollektiv vorgenommene Verleihung der deutschen StaatsangehOrigkeit bei denen anzuerkennen, die sie individuell nunmelhr gutheiBen 724. bbb) Die Bekundung des Willens. Die praktische Frage aber, wer den Willen, deutscher Staatsangehoriger zu sein, zum Ausdruck gebracht habe, kann im Augenblick grundsdtzlich genau sowenig beantwortet werden, wie die andere Frage, ob ein Danziger Staat „in Anspruch nimmt". Da der Danziger Staat de jure noch existent ist, kann die Verlagerung seiner Bevtilkerung nach Deutschland, das ihr Asyl gewahrt, nur eine provisorische sein. Dieses Provisorium kann aber erst in einen rechtlichen Normalzustand iiberfiihrt werden, wean durch einen Friedensvertrag eine Ltisung gefunden oder in anderer Weise ein Stadium der Befriedung erreicht ist. Wahrend theses Zwischenzustandes laBt sich eine Willensentscheidung hinsichtlich der StaatsangehOrigkeit, abgesehen von einzelnen Ausnahmen, schwerlich feststellen. Die Tatsache allein, daB die Danziger nach Deutschland fliichteten, daB sie dort leben and arbeiten, sich als Deutsche fiihlen, ja selbst die Tatsache, daB sie sich zum Teil akklimatisiert haben, daB sie in den deutschen Staats- und Gemeindedienst eintreten, deutsche Fachpriifungen ablegen, deutsche Titel annehmen, kann nicht in jedem Falle als eindeutiger Beweis ihres Willens gewertet werden, deutsche StaatsangehOrige zu sein. Die Danziger sind gezwungen worden, auger Landes zu gehen. Sie werden zur Zeit gezwungen, auger Landes zu bleiben und dort ihren Berufen nachzugehen. Sie warten auf die in Aussicht gestellte LOsung Allein aus der Tatsache, daB die Danziger heute in Deutschland leben and hier als Provisorium ihr Lebenszentrum haben bilden miissen, darf folglich nicht schon geschlossen werden, daB sie damit den Willen bekundet haben, deutsche Staatsangehorige zu sein725. Die Bekundung des Willens, deutscher Staatsangehiiriger zu sein, muB klarer zum Ausdruck gebracht worden sein, beispielsweise durch Erklarungen gegeniiber deutschen Behiirden. Ob auch konldudentes Verhalten 723 Vgl. Makarov, JZ 52, 403. 724 Vgl. BeschluB des BVerfG vom 28. 5. 1952 a. a. 0.; Urteil des US District Court, Southern District of New York vom 9. 7. 1947 (s. o. S. 55); Entscheidung der brit. Mil.Reg. vom 6. 5. 1948 (s. o. S. 60). 725 A.A.: S chdtz el StAZ 1955 S. 74: „Denn wer 10 Jahre seinen Wohnsitz in Deutschland gehabt und hier seine politischen Rechte ausgeilbt hat, hat wohl eigentlich seinen Willen, Deutseher zu sein, ausreichend dokurnentiert"; ahnlich auch S chãtz el , StaatsangehOrigkeit S. 561. Er iibersieht dabei m. E. aber das Faktum der „unfreiwilligen Umsiedlung" und des noch nicht beendeten „Zwischenzustandes". Staatsangehorigkeitsregelungsgesetz von 1955 167 geniigen kann 726, wird sich nur von Fall zu Fall entscheiden. lassen. Es konnten in einzelnen Fallen erhebliche Zweifel auftreten, ob eine Berufung auf die deutsche Staatsangehiirigkeit vorlag oder nicht. Eine Klarung dieser Zweifelsfragen ist durch das 1. StARegG herbeigefiihrt worden. b) Staatsangeheirigkeitsverheiltnisse seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung von Fragen der StaatsangehOrigkeit vom 22. 2. 1955 Durch das Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsangehorigkeit vom 22. 2. 1955 727 werden die vom Bundesverfassungsgericht an Hand des Falles Czastka entwiekelten Rechtsgedanken in Gesetzesform gekleidet and ihre Anwendung zugleich auf die StaatsangehOrigkeit der Danziger ausgedehnt. Der Gesetzgeber hat dariiber hinaus dem Gedanken Reehnung getragen, daB er durch die StaatsangehOrigkeits-Regelung im Jahre 1939 den Betroffenen gegenilber eine Verpflichtung iibernommen hatte 728. Der Kreis derer, die als deutsche StaatsangehOrige angesehen werden, wird aber durch die vom Gesetzgeber gewahlte Form der negatives Option 729 gegeniiber dem bisherigen Rechtszustand sehr erweitert. Der Wille, deutscher Staatsangehtiriger zu sein, braucht nicht zum Ausdruck gebracht zu werden, sondern er wird gesetzlich vermutet, wenn nicht vom Ausschlagungsreeht Gebrauch gemaeht wird oder worden ist. Der Erwerb der deutschen StaatsangehOrigkeit ist also nicht mehr wie bisher davon abhangig, daB der Betreffende sich auf die Wirksamkeit der Verleihung bereft. Durch das Gesetz vom 22. 2. 1955 wird die Giiltigkeit der Verleihtmg der deutschen StaatsangehOrigkeit im Jahre 1939 festgestellt. Um das Stigma der vOlkerrechtswidrigen. Zwangsverleihung zu beseitigen, ist das Ausschlagungsrecht vorgesehen. Aus einer Kollektiveinbiirgerung, deren nunmehr etwa erfolgende gesetzliche Billigung nach Art. 25 GG nichtig sein wiirde, wird infolgedessen durch Beriicksichtigung des Einzelwillens eine rechtlich zulassige Individualeinbiirgerung. Die gesetzliche Regelung stellt aber nicht die Bestatigung des seiner Zeit erfolgten Verleihungsaktes Das wird bejaht von Menzel , Bonner Kommentar Art. 116, S. 22; dagegen meint Ruby S. 390, in konsequenter Verfolgung seiner Auffassung von der Nichtigkeit der Kollektivverleihung: man masse den Danzigern das Recht zubilligen, ihre Einbiirgerung zu verlangen. 727 BGB1. I S. 65. 728 In der amtlichen. BegrUndung zum Entwurf des Gesetzes (abgedruckt bei M aB feller, 2. And. S. 368ff.) wird ausgefiihrt, es erscheine nicht angangig, den kollektiv eingebargerten Danzigern, die deutsche StaatsangehOrige zu sein wiinschen, die Anerkennung dieses Status vorzuenthalten. So such im schriftlichen Bericht des 8. Ausschusses fur Angelegenheiten der inneren Verwaltung vom 24. 9. 1954 (BT-Drucks. 849). Hoffmann, Kommentar S. 26, bemerkt richtig, daB der fiir die Ausschlagung gepragte Begriff „negative Option" nicht ganz zutreffend sei, Weil mit der Ausschlagung nur eine Erklarung aber die deutsche StaatsangehOrigkeit, nicht dagegen fiber die friihere StaatsangehOrigkeit des Erklarenden in seinem Herkunftsland abgegeben werde. 726 168 Grundsatz der negativen Option dar, dean die Verleihung war bis auf die genannten Ausnahmen nichtig. Sie schafft vielmehr einen neuen Status mit ex-tune-Wirkung fiir diejenigen, die vom Ausschlagungsrecht nicht Gebrauch machen. Es kann also der Fall eintreten, daB ein. Danziger, der auf Grund des deutschen Reichs- und StaatsangehOrigkeitsgesetzes beispielsweise im Jahre 1950 die deutsche StaatsangehOrigkeit erworben hat, nun nachtraglich mit Wirkung vom 1. 9. 1939 deutscher Staatsangehtiriger ist. Falls ein Danziger nach 1939 auf Grund des Reichs- und StaatsangehOrigkeitsgesetzes, also nicht im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung, die deutsche StaatsangehOrigkeit erworben hat, so behalt er sie trotz Ausschlagung, allerdings mit Wirkung erst vom Zeitpunkt der Einzeleinbargerung, nicht vom 1. 9. 1939. Da die Form der negativen Option gewahlt ist, die Berufung auf die deutsche StaatsangehOrigkeit also vermutet wird, muBte die 1116glichkeit der Widerlegung der Vermutung —durch Ausschlagung geschaffen werden. Wer ausschlagt oder ausgeschlagen hat, gibt kund, daB er sich nicht auf die Verleihung der deutschen Staatsangehärigkeit am 1. 9. 1939 zu berufen wiinscht. Solche Personen besitzen die deutsche StaatsangehOrigkeit folglich nicht. Die Ausschlagung muB gemaB § 1 StARegG durch ausdriickliche Erklarung erfolgen. Das Gesetz hat offengelassen, in welcher Form eine Erklarung vor Inkrafttreten des 1. StARegG abgegeben sein muB, um als Ausschlagung gewertet zu werden. Das 1. StARegG gilt nur im Gebiet der Bundesrepublik und in WestBerlin 730 . Fiir die in der sowjetisehen Besatzungszone wohnenden Danziger existiert keine gesetzliche StaatsangehOrigkeitsregelung. Fiir sie ist die Rechtslage folglich die gleiche, wie sie oben fiir den Zeitraum vor Inkrafttreten des 1. StARegG geschildert worden ist: Diejenigen in jener Zone wohnenden Danziger sind deutsche Staatsangehärige, die sick auf diese StaatsangehOrigkeit berufen haben oder berufen. B. Fortbestehen. einer Danziger Staatsangehiirigkeit Da der Danziger Staat de jure noch besteht, gibt es auch nook eine Danziger StaatsangehOrigkeit. Sie steht denjenigen zu, die sie each Danziger Recht besitzen. Der Erwerb und Verlust der Danziger Staatsangehorigkeit ist in dem Danziger StaatsangehOrigkeitsgesetz geregelt 731. 1m Palle des Erwerbs der deutschen. StaatsangehOrigkeit ist zu fragen, ob die Danziger StaatsangehOrigkeit daneben bestehen bleibt. GeraaB § 16 des Danziger StaatsangehOrigkeitsgesetzes geht die Danziger Staatsange73° Gem&B § 29 1. StARegG gilt dieses Gesetz nach MaBgabe des § 13 des Dritten tberleitungsgesetzes vom 4. 1. 1952 (BGB1. I S. 1) auch im Land Berlin. 731' Danziger Gesetz fiber den Erwerb oder Verlust der Danziger StaatsangehOrigkeit vom 30. 5. 1922 (GB1. 1922, S. 129); einzelne Veranderungen durch die Verordnung vom 11. 11. 1938 (GB1. 1938, S. 623), abgedruckt bei MaBfeller, 2. Aufl. S. 140ff. Fortbestehen, einer Danziger Staatsangehiirigkeit 169 horigkeit mit dem Erwerbe einer auslandischen StaatsangehOrigkeit verloren, wenn der Erwerb auf Antrag erfolgt. Der Sinn dieser Vorschrift ist darin zu semen, daB kein Staatsbiirger gezwungen sein soil, seine StaatsangehOrigkeit aufzugeben, wenn er ohne eigenen Willensakt eine andere StaatsangehOrigkeit erwirbt. Falls jemand die Staatsan.gehOrigkeit eines auslandischen Staates ausdriicklich erwerben will, besteht dagegen kein Rechtsschutzinteresse, ihm die alto Staatsangelatirigkeit zu erhalten. Der zum Ausdruck gebrachte Wille aber, der entseheiden soil, ob der betreffende Danziger als deutscher Staatsangehiiriger zu gelten hat, ist seiner Bedeutung each dem Antrag gemaB § 16 gleichzusetzen. Man wird daher fiir die Zeit vor Inkrafttreten des 1. StARegG den § 16 analog anwenden miissen, mit dem Ergebnis, daB ein Danziger, der sich auf seine deutsche StaatsangehOrigkeit berufen hat, nach Danziger Recht die Danziger Staatsangehtirigkeit verloren hat. Die entsprechende Anwendung des § 16 ist aber nicht in den Fallen vertretbar, in denen ein Danziger, ohne daB er den Willen zum endgiiltigen Statuswechsel zum Ausdruck gebracht hat, wahrend des noch bestehenden. Zwischenzustandes in das deutsche Beamtenverhaltnis eingetreten ist und dadurch die deutsche StaatsangehOrigkeit ex nuns erworben hat 732. In diesen Fallen haben die betroffenen Danziger neben der neu erworbenen deutschen StaatsangehOrigkeit ihre Danziger StaatsangehOrigkeit behalten.. Es fragt sich nun, ob die Danziger StaatsangehOrigkeit neben der nach dem 1. StARegG verliehenen deutschen Staatsan.gehOrigkeit bestehen. bleibt. In diesem Falle kann eine entsprechende Anwendung des § 16 des Danziger Staatsangehiirigkeitsgesetzes nicht in Betracht kommen. Wenn auch durch die Ausschlagung die Freiheit der individuellen Entscyeidung belassen wird, so kann doch durch Stillschweigen (Nichtausiibung des Ausschlagungsrechts) der Antrag, also eine ausdriickliche Willenskundgebung, nicht ersetzt werden. Demnach bleibt den nicht Ausschlagenden neben der deutschen Staatsangehorigkeit die Danziger StaatsangehOrigkeit 733. Es ist infolgedessen nicht notwendig, zur Erhaltung der Danziger StaatsangehOrig732 Der Erwerb der deutschen StaatsangehOrigkeit durch Anstellung als Beamter gemaB §§ 14, 15 RuStAG war bis zum Inkrafttreten des Bundesbeamtengesetzes am 1. 9. 1953 trotz zahlreicher Einschrankungen durch die Gesetzgebung seit 1937 in verschiedenen Fallen noch moglich (vgl. Neuffer, StAZ 1954, S. 105; Lichter, 2. Aufl. S. 101ff.; MaBfeller, 2. Aufi. S. 46ff.). 733 So auch MaBfeller a. a. O. S. 314: „Die Danziger sind zur Zeit also Doppelstaater"; in dem schriftlichen Bericht des 8. Ausschusses fur Angelegenheiten der inneren Verwaltung aber den Entwurf des 1. StARegG vom 24. 9. 1954 — BT-Drucks. 849, S. 1, heiBt es: „Nada § 16 des Danziger StAG geht die Danziger Staatsan.geh5rigkeit nur verloren, wenn ein Danziger die Verleihung anderen StaatsangehOrigkeit beantragt und auf semen Wunsch hin erhalt. Die Sammeleinbargerimg vom 1. September 1939 erfallt diese Voraussetzungen nicht; auch die Unterlassung der Ausiibung eines Ausschlagun.gsrechtes steht der Stellung eines Einbiirgerungsantrages als einem positiven Tun nicht gleich." 170 Zusammen,fcmung: Rech,tslage im, „Zwischenzu8tand" keit vom Rechte der Ausschlagung Gebrauch zu machen. Dieses Ergebnis entspricht der ratio legis, eine voridufige Lesimg zu erreichen und der kiinftigen StaatsangehOrigkeitsregelung durch vOlkerrechtliche Vertrdge nicht vorzugreifen734. C. Zusammenfassung I. Rechtslage wtihrend des „Zwischenzustandes" Bis zum Erlal3 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehorigkeit vom 22. 2. 1955 waren diejenigen in Deutschland lebenden Danziger deutscher VolkszugehOrigkeit, die ihren Willen bekundet hatten, deutsche StaatsangehOrige zu sein, als solche anzusehen, wenn sie sick. darauf beriefen. Die Bekundung eines derartigen Willens laBt sich im „Zwischenzustand" nur schwer feststellen. Der giiltige Er werb der deutschen StaatsangehOrigkeit vollzog sick deshalb zundchst nur bei wenigen Personen. Diese haben die Danziger StaatsangehOrigkeit analog § 16 des Danziger StaatsangehOrigkeitsgesetzes verloren. Die iibrigen Danziger haben durch die Regelung des Art. 116 GG die gleiche Rechtsstellung wie deutsche StaatsangehOrige erworben. Auf Grund des Gesetzes vom 22. 2. 1955 rind alle in der Bundesrepublik and in Westberlin wohnenden Danziger, die nicht vom Ausschlagungsreeht Gebrauch machen oder gemacht haben, mit Wirkung vom. 1.9. 1939 deutsche StaatsangehOrige. Wer ausschlagt, behdlt seine Rechtsstellung nach Art.116 GG. Neben der deutschen. StaatsangehOrigkeit bleibt die Danziger StaatsangehOrigkeit fiir diejenigen bestehen, die sie nicht vor ErJAB des Gesetzes verloren haben. Far die in der sowjetischen Besatzungszone lebenden Danziger existiert keine gesetzliche Regelung. Die dort wohnenden Danziger deutscher Volks734 Vgl. § 25 des 1. StARegG, nach dem. das Recht der Vertriebenen auf ihre Heimat und die sich daraus ergebenden Regelungen ihrer Staatsangeh5rigkeit durch die auf Grund des Gesetzes abgegebenen Erk-15,rungen nicht beriihrt werden. Nicht geklart scheint mir hier die Frage, ob auch die Nichtausiibung des Ausschlagungsrechtes als Erklarung im Sinne des Gesetzes zu werten ist. Hinsichtlich der Danziger ware eine solche Klausel aus den dargelegten Griinden nicht erforderlich; vgl. auch den schriftlichen I3ericht des 8. Ausschusses fiir Angelegenheiten der inneren Verwaltung vom 24. 9. 1954 (BT-Drucks. 849, S. 1 f.) und die amtliche Begriindung zum Gesetzentwurf (abgedruckt bei MaB feller a. a. 0. S. 368ff.), aus denen die Absicht, lediglich eine provisorische Regelung zu treffen, klar ersichtlich wird. In der amtlichen Begriindung heiBt es: „Fiir die Bevolkerung Danzigs kann die Vorfrage, ob sie von ihrem Heimatstaat in Anspruch genommen wird, zur Zeit nicht beantwortet werden . Eine vOlkerrechtlich handlungsfahige Danziger Regierung, die die Danziger in Anspruch nehmen kOnnte, ist gegenwartig nicht vorhanden. Solange aber eine Inanspruchnahme nicht vorliegt, erscheint es nicht angangig, den kollektiv eingeburgerten Danzigern, die deutsche Staatsangehórige zu sein wiinschen, die Anerkennung dieses Status vorzuenthalten." Vgl. auch 1VIaB feller a. a. O. S. 365; Lohse S. 6. Zusammenfassung : Rechtslage nach dem „Zwischenzustand" 171 zugehOrigkeit sired deutsche StaatsangehOrige, wenn sie sich darauf berufen oder berufen haben. rber die StaatsangehOrigkeit der im Ausland lebenden Danziger entscheidet nicht das deutsche Recht. Sie werden im allgemeinen als Danziger StaatsangehOrige angesehen und als solche behandelt. II. Rechtslage nach Beendigung des „Zwischenzustandes" Eine endgiiltige Entscheidung fiber das Fortbestehen einer Danziger StaatsangehOrigkeit kann erst nach Beendigung des derzeitigen Schwebezustandes erfolgen. Wird der Freistaat wieder errichtet, so haben die Danziger die Wahl zwischen der deutschen und der Danziger StaatsangehOrigkeit. Sie kOnnen sich also auch dann noch fiir Deutschland entscheiden, wenn wieder ein Staat vorhanden ist, der sie „in Anspruch nimmt". Entscheidet sich dann ein Danziger endgiiltig fiir Deutschland, so verliert er mit dem Erwerb der deutschen Staatsangehärigkeit analog § 16 des Danziger StaatsangehOrigkeitsgesetzes die Danziger StaatsangehOrigkeit. Entscheidet er sich fir Danzig, so hatte das — falls das Gesetz vom 22. 2. 1955 nicht erlassen worden ware — die Wirkung, daB er die deutsche StaatsangehOrigkeit nicht erworben hatte ; dean die Verleihung von 1939 war als Kollektiveinbiirgerung rechtsungiiltig and kon nte nur unter den dargestellten Voraussetzungen durch Heilung der Rechtswidrigkeit wirksam sein. Durch das neue Gesetz wiirde der fur Danzig optierende Personenkreis auch die deutsche StaatsangehOrigkeit behalten. Der deutsche Gesetzgeber miiBte also in einem solchen Falle eine geeignete Regelung treffen. Falls der Danziger Staat aber entweder d-urch die endgiiltige Durchsetzung seiner Einverleibung in die Republik Polen oder aber durch Angliederung an Deutschland untergehen sollte, so wiirden diejenigen Danziger, die von dem Ausschlagungsrecht des Gesetzes vom 22. 2. 1955 Gebrauch gemacht haben, sowie die im Ausland. lebenden. Danziger mit Danziger StantsangehOrigkeit staatenlos sein, wobei es der vertraglichen oder gesetzlichen Regelung vorbehalten bliebe, ihnen ein Optionsrecht zu gewahren. DOKUMENTENANHANG 1. Verordnung betreffend das Staatsoberhaupt der Freien Stout Danzig vom 23. 8. 1939 Auf Grund des Abschnittes I and des § 2 des Gesetzes zur Behebung der Not von Volk and Staat vom 23. 6. 1933 (GB1. S. 273) and des Gesetzes zur Verlangerung dieses Gesetzes vom 5. 5. 1937 (GB1. S. 358a) wird folgendes mit Gesetzeskraft verordnet: Art. I Der Gauleiter von Danzig ist das Staatsoberhaupt der Freien Stadt Danzig. Art. II Die Verordnung tritt am 23. August 1939 in Kraft. Quelle: GB1. 1939, S. 413. 2. Polnische Note vom 24. 8. 1939 an den Senat der Freien Stadt Danzig Telegramm von Sir R. Kennard (Britischer Botsch,after in Warschau) an Vicomte Halifax, Warschau 24. 8. 1939. Following is translation of Polish note to the Danzig Senate : "Herr Staatsrat Boettcher to-day informed Councillor of the Polish Commissariat-General of the resolution of the Senate of the Free City conferring on Gauleiter Forster the functions and positions of the head of the State (`Staatsoberhaupt') of the Free City, this being confirmed in to -day's Dan zig press. I address myself to the Senate of the Free City as the body which, in accordance with the legally binding Constitution of the Free City, exercises supreme authority in that territory, in order to make on behalf of my Government the following declaration : My Government sees no legal foundation for the adoption by the Senate of the Free City of a resolution instituting a new State function for which there is no provision whatever in the Constitution of the Free City, and to which, as would appear, the authorities hitherto functioning in the Free City would be subordinated. The Polish Government reserve the right to adopt a further attitude in this respect. In this connexion the Polish Government consider it necessary to remind the authorities of the Free City that they have already more than once warned the Senate of the Free City in the most decisive fashion against a policy of fait accompli, the consequence of which might be most serious and the responsibility for which would fall exclusively upon the authorities of the Free Cityof Danzig." Quelle : English Blue Book S. 106. Dokumentenanhang 173 3. Staatsgrundgesetz vom 1.9.1939 An die Bevolkerung von Danzig ! Volksgenossinnen und Volksgenossen! Als Staatsoberhaupt der Freien Stadt Danzig und als Gauleiter der NSDAP, Gau Danzig, gebe ich hiermit folgendes bekannt : Die unerhOrte Vergewaltigung, deren Opfer Tbr nunmehr seit 20 Jahren durch Vorenthaltung Ewer freien. Entscb.eidung fiber die ZugehOrigkeit zum Deutschen Reich, unserer groBen vakischen Heimat, gewesen seid, hat das Ende erreicht. Ich babe im engsten Einvemehmen mit Euch, in Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen -und in Erfiillung Eures lebensrechtlichen. unabdingbaren Anspruches folgendes Staatsgrundgesetz der Freien Stadt Danzig erlassen: Staatsgrundgesetz der Freien Stadt Danzig, die Wiedervereinigung Danzigs mit dem Deutschen Reich betreffend, vom 1. Sept. 1939. Zur Behebung der dringenden Not von Volk und Staat der Freien Stadt Danzig erlasse icb. folgendes Staatsgrundgesetz : Art. I Die Verfassung der Freien Stadt Danzig ist mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Art. II Alle gesetzgebende und vollziebende Gewalt wird ausschlieBlich vom Staatsoberhaupt ausgetibt. Art. III Die Freie Stadt Danzig bildet mit sofortiger Wirkung mit ihrem Gebiet und ihrem Volk einen Bestandteil des Deutschen Reiches. Art. IV Bis zur endgilltigen Bestimmung fiber die Einfiihrung des deutschen Reichsrechts durch den Fiihrer bleiben die gesamten gesetz,lichen Bestimmungen auBer der Verfassung, wie sie im. Augenblick des Erlasses dieses Staatsgrundgesetzes gelten, in Kraft. Danzig, den 1. September 1939 Albert Forster Gauleiter Quelle: GB1. 1939, S. 435. 174 Dokumentenanhang 4. Telegramm des Danziger Staatsoberhauptes an den Fiihrer des Deutschen Reiches am 1. 9. 1939 und Antworttelegramm Hitlers vom gleichen Tage 1. Forster an Hitler: Mein Fiihrer! Ich habe soeben folgendes Staatsgrundgesetz, die Wiedervereinigung Danzigs mit dem Deutschen Reich betreffend, unterzeichnet und damit in 1Z-raft gesetzt: ••• Ich bitte Sie, mein Fiihrer, im Namen. Danzigs und seiner Beviilkerung diesem „Staatsgrundgesetz" Ihre Zustimmung zu geben und durch Reichsgesetz die Wiedereingliederung in das Deutsche Reich zu vollziehen. In Ergebenheit gelobt Dmen, mein Fiihrer, Danzig unvergangliche Dankbarkeit und ewige Treue . 2. Hitler an Forster: Ich nehme die Proklamation der Freien Stadt Danzig fiber die Riickkehr zum Deutschen Reich entgegen. Ich danke Ihnen, Gauleiter Forster, alien Danziger Mannern und Frauen, fiir die unentwegte Treue, die Sie durch so lange Jahre gehalten haben. GroBdeutschland begriiI3t Sie aus iibervollem Herzen. Das Gesetz caber die Wiedervereinigung wird sofort vollzogen. Ich ernenne Sie zum Chef der Zivilverwaltung fur das Gebiet Danzig. Quelle: Schwarz, Chronik des Krieges, Der Krieg, seine Vorgeschichte und seine Entwicklung bis zum 1. 2. 1940, S. 36 (3. Aufl. Berlin 1940). 5. Aufruf des Oberbefehlsh,abers des Heeres v. Brauchitsd, vom 1. 9. 1939 Deutsche Volksgenossen! Die Stunde der Heimkehr ins GroBdeutsche Vaterland ist gekommen. Deutsche Truppen haben. Euer Land in Schutz und die Oberhoheit des Reiches ilbernoramen. Der Fiihrer und Oberste Befehlshaber hat mir vollziehende Gewalt im Gebiet des ehemaligen. Freistaates Danzig ubertragen. Ich habe mit dieser Ausiib-ung den Oberbefehlshaber der ostpreuBischen Truppen beauftragt und unterstelle ihm den Gauleiter Forster als Chef der Zivilverwaltung Der Oberbefehlshaber des Heeres gez. v. Brauchitsch Quelle: Schwarz a.a.O. S. 38. Dokumentenanhang 175 6. Gesetz fiber die Wiedervereinigung der Freien Stadt Danzig mit dem Deutschen Reich vom 1. September 1939 Der Reichstag hat einstimmig das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkiindet wird: §1 Das vom Staatsoberhaupt der Freien Stadt Danzig erlassene Staatsgrundgesetz fiber die Wiedervereinigung Danzigs mit dem Deutschen Reich wird hiermit Reichsgesetz. Es hat folgenden Wortlaut : [Es folgt der Wortlaut des als Dok. Nr. 3 auf S.173 abgedruckten Gesetzes.] §2 Die Staatsangehorigen der bisherigen Freien Stadt Danzig sind deutsche StaatsangehOrige nach MaBgabe naherer Vorschriften. §3 Im Gebiet der Freien Stadt Danzig bleibt das bisher geltende Becht mit Ausnahme der Verfassung der Freien Stadt Danzig bis auf weiteres in Kraft. §4 In der bisherigen Freien Stadt Danzig tritt am ersten Januar 1940 das gesamte Reichsrecht und preuBische Landesrecht in Kraft. Der zustandige Reichsminister kann im Einvernehmen mit dem Reichsminister des Innern bestimmen, daB Reichsrecht oder preuBisches Landesrecht in der bisherigen Freien Stadt Danzig nicht oder zu einem spateren Zeitpunkt oder mit besonderen MaBgaben in Kraft tritt. Eine solche Bestimmung bedarf der Bekanntmachung im Reichsgesetzblatt. Bis zum. 31. Dezember 1939 kann der Reichsminister des Innern im Einvernehmen mit den zustandigen Reichsministern Reichsrecht and preuBisches Landesrecht durch Verordnung einfiihren. §5 Zentralstelle far die Wiedervereinigung Danzigs mit dem Deutschen Reich ist der Reichsminister des Innern. Der Reichsminister des Innern wird ermachtigt, die zur Durchfahrung and dieses Gesetzes erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften ErgEinzung zu erlassen. §6 Dieses Gesetz tritt am 1. September 1939 in Kraft. Quelle: RGB1. 1939 I, S. 1547. Dokumen,tenanhang 176 7. Polnisches Dekret vom 30. Meirz 1945 caber die Bildung der Wojewodsch,aft Danzig Art. 1. Es wird die Wojewodschaft Danzig gebildet. Art. 2. In den Bestand der Wojewodschaft Danzig geht das ganze Gebiet der ehemaligen Freien Stadt Danzig caber sowie die Kreise: Gdingen Stadt, Karthaus, Seekreis, Stargard, Berend und Dirschau, welche gleichzeitig aus der Wojewodschaft Pommerellen ausgeschlossen werden. Art. 3. Im Gebiet der ehemaligen Freien Stadt Danzig verlieren mit dem Tnkrafttreten des vorliegenden. Dekrets alle Vorschriften der bisher gfiltigen. Gesetzgebung, als mit der Verfassung des Polnischen Demokratischen Staates unvereinbar, ihre Kraft. Gleichzeitig wird auf diesel Gebiet die im fibrigen Teil der Wojewodschaft Danzig gatige Gesetzgebung ausgedehn.t. Art. 4. Die Durchfiihrung des vorliegenden Dekretes wird fibertragen: Dem Presses des Ministerrates, dem Minister der Offentlich.en. Verwaltung, dem Minister fiir Justiz und anderen interessierten Ministers, jeweils in ihrem Tâtigkeitsbereich. Art. 5. Das vorliegende Dekret tritt mit dem Tag seiner Verkiindigung in Kraft. Queue: Vom Verfasser besorgte deutsche Cbersetzung nach dem polnischen Originaltext, Dz. U.1945 Nr. 11, Pos. 57 (s. Taf. I und II zwischen S. 128 und 129). 8. Zwei Schreiber caber die Bildung des „Rates der Danziger" 1. Der evangelische Bischof von Danzig Danzig-St. Marion, am 10. Mai 47 z. Zt. Ltibeck, Moislinger Allee 96 Fernsprecher 2 84 60 Zu der ersten ordentlichen Sitzung des „Rates der Danziger", die am Sonntag, dem. 15. Juni 1947 um 9 1Thr in Hamburg stattfin.den soil, lade ich hiermit ergebenst ein. Tagesordnung: 1. Bericht caber die allgemeine Lage und fiber den Stand unserer Arbeiten (Gblzow) 2. Wahlen des Vorsitzenden, des Stellvertreters and des Exekutiv-Ausschusses Dokumentenanhang 177 3. Vorschlage fir die Berufung von weiteren Mitgliedern des Rates 4. Planning der weiteren Arbeiten. (Giilz ow und Dr. Dr. Langguth) 5. The Frage der StaatsangehOrigkeit. (Dr. Sternfeld) 6. Versehiedenes Ich bitte die Mitglieder, sich umgehend bei Herrn Ernst Brarner in Hamburggenhorn, Allgemeines Krankenhaus bei Dr. Lua (Tel.: Hamburg 578001) anzumelden und sich gegebenenfalls von ihm wegen rbernachtungsraOglichkeiten beraten zu lassen. Es ist vorgesehen, daB sich die Verhandlungen fiber den Vor- und Nachmittag erstrecken. Audi bei Verhinderung an der Teilnahme bitte ich um Nachrieht. Der Tagungsraum wird noch bekanntgegeben. gez. Giilzow OKR 2. Der evangelische Bisehof von Danzig z. Zt. Liibeck, den 10. 5. 1947 Moislinger Allee 96 Betr. Bildung eines „Rates der Danziger" In Wahrnehrnung der mir ubertragenen Vollmachten verordne ich hiermit die Bildung eines „Rates der Danziger", dem die Erwagung und Beratung aller die Freie Stadt Danzig und ihxe Staatsangeh.Origen betreffenden Angelegenheiten obliegen. soil. Bis zur Wiederherstellung der Freien Stadt und dem Dienstantritt einer ordentlichen. Regierung wird es Aufgabe des Rates der Danziger sein, alle geeigneten und notwendigen Schritte fiir das Wohl unser Staatsbilrgerschaft und unseres, wenigstens dem Rechte nach, noch bestehenden Staatswesens zu unternehmen. Dem. Rat der Danziger gehOren an: 1. auf Grund ihres fröheren Amtes samtliche noch lebenden friiheren Senatsprasidenten and Senatoren ohne Riicksicht auf ihre Parteizugehörigkeit mit Ausnahme derjenigen, die nationalsozialistische Senatsmitglieder gewesen sind; 2. die noch lebenden und erreichbaren Fiihrer der Fraktionen der Oppositionsparteien inn Danziger Volkstag; 3. namhafte Manner aus dem Kreis der Danziger Staatsbiirger, die auf Vorschlag berufen werden. Der Rat der Danziger tritt je nach Bedarf unter dem Vorsitz eines von ihm gewahlten Prasidenten zusamm.en. Zur Wahrnehmung der laufenden. Geschafte bestellt der Rat der Danziger einen ExekutivausschuB (Aktions-AusschuB) mit dem Sitz in Hamburg, er ist dem Rat fiir seine Arbeit verantwortlich. gez. Gerhard M. Gillz ow Quelle: Nicht veröffentlicht, zur Verfügung gestellt von der Vertretung der Freien Stadt Danzig, Liibeck. 12 7467 BOttcher, Danzig 178 Dokumentenanhang 9. Abkommen zwischen der Vertretung der Freien Stadt Danzig und den Lanclsmannschaften WestpreuPens vom 20. 6. 1949 Die Vertretung der Freien Stadt Danzig und die Landsmannschaft WestpreuBen geben hiermit folgende gemeinsame Erklarung ab: Es besteht trbereinstimmung dariiber, daB die Freie Stadt Danzig und ihre Angehorigen auf Grund ihrer valkerrechtlichen und staatsrechtlichen Lage auf3erhalb der Landsnaannsehaften WestpreuBens eine Sonderstellung einnehmen und ihre eigene Vertretung besitzen. Es besteht Einigkeit dariiber, daB die AngehOrigen der Freien Stadt Danzig und die in der Landsmannschaft Westpreul3en vereinigten Personen in den allgemeinen Fragen des Fliichtlingsschicksals gruncLsiitzlich dieselben Ziele verfolgen. Im Hinblick auf die enge nachbarliche Verbundenheit besteht der besondere Wunsch, miteinander auf diesem Gebiet zusammenzuarbeiten. F. d. Vertretung der Freien Stadt Danzig gez. Sternfeld, Langguth F. d. Landsmannschaft WestpreuBen gez. Walter Kilian, Claus Neubert, Kurt v. Maercker Hamburg, den 20. 6. 1949 Quelie : Wie Nr. 8. 10. Auszug aus der Bede von Lord Halifax vor dem House of Lords und von M. Neville Chamberlain vor dem House of Commons am 2. 9. 1939 . . . While appreciating the efforts of the Italian Government, His Majesty's Government, for their part, would find it impossible to take part in a conference while Poland is being subjected to invasion, her towns are under bombardment and Danzig is being made the subject of a unilateral settlement by force .. . There is one other matter to which allusion should be made in order that the present situation may be perfectly clear. Yesterday Herr Forster who, on 23rd August, had, in contravention of the Danzig Constitution, become the head of the State, decreed the incorporation of Danzig in the Reich and the dissolution of the Constitution. Herr Hitler was asked to give effect to this decree by German law. At a meeting of the Reichstag yesterday morning a law was passed for the reunion of Danzig with the Reich. The international status of Danzig as a Free City is established by a treaty of which His Majesty's Govern- Dokumentenanhang 179 went are a signatory, and the Free City was placed under the protection of the League of Nations. The rights given to Poland in Danzig by treaty are defined and confirmed by agreement concluded between Danzig and Poland. The action taken by the Danzig authorities and the Reichstag yesterday is the final step in the unilateral repudiation of these international instruments, which could only be modified by negotiation. His Majesty's Government do not, therefore, recognise either the validity of the grounds on which the action of the Danzig authorities was based, the validity of this action itself, or of the effect given to it by the German Government. Quelle : English Blue Book S. 172. 11. Schreiben eines UNRRA District Directors an den, UNRRA Director Preetz vom 3. 8. 1945 Subject: Danzig Citizens To: 8 agr. 3rd. August 1945 216 — 218 — 220 — 501 506 521 530 619 Mil. Gov. Det. 625 819 — Unrra Director Preetz 1. A ruling has been obtained from the Foreign Office on the question of our Policy towards people who claim to be citizens of the Free City of Danzig. 2. Although H. M. Government did not recognize the incorporation of Danzig in Germany those who were citizens of the Free City of Danzig before the German annexation are still legally entitled to be regarded as such. 3. However in practice the inhabitants of Danzig should be treated as German citizens for the time being, since Danzig is not yet recognised as Polish and as a Free City State has ceased to exist. DDMC Brig. H. Q. 8 Corps District Unrra District Director Mil. Gov. B. A. 0. R. Quelle: Wie Nr. 8. 12* 180 Dokumentenanhang 12. Antworten auf Eragen im Unterhaus bzgl. Danzigs [31. 10. 1945] Mr.. Pickthorn asked the Secretary of State for Foreign Affairs what is now the international status of Danzig; whether it is still a state under Articles 100-108 of the Treaty of Versailles; or when and by what juridical process it ceased to be a State. Mr. Bevin: The juridical position of the free city of Danzig is, in the view of His Majesty's Government, unchanged, and will remain so until it is redetermined by the Peace Settlement. The position of Danzig de facto is as the House is aware, that it was placed under the administration of the Polish State by agreement between His Majesty's Government, the United States Government and the Soviet Government at the Potdam Conference. Mr. Pickthorn: In that case, can the right hon. gentleman tell us what is the nationality of the inhabitants of Danzig; and whether, for purpose of deportation and so on, they are treated as Germans, or what ? Mr. Bevin: I would like notice of that question. [18. 11. 1946] Mr. Orbach asked the Secretary of State for Foreign Affairs whether it is the practice of his Department to treat natives of Danzig as German nationals. Mr. Mayhew: No, Sir. Mr. Orbach: Will the hon. Gentleman please convey his answer to the Minister of Labour, who does regard a citizen of Danzig as a German national ? [12. 12. 1946] Mr. Orbach asked the Minister of Labour why it is the practice of his Depart- ment to regard natives of Danzig as of German nationality. Mr. Isaacs: In general it is not the practice of my Department to regard natives of Danzig as German nationals, but if my hon. Friend has in mind the question of issuing permits for the employment of persons who are stated to have been born in Danzig or to have been of Danzig nationality my Department has followed the practice of the Home Office and applied to citizens of Danzig who are enemy aliens the policy laid down for German nationals. I understand the matter is at present under review. Mr. Orbach: While thanking my right hon. Friend for the last part of this reply, might I ask hiwether he is aware of a reply that I received to a question I directed to Secretary of State for Foreign Affairs which was to the effect that the natives of Danzig are not treated as German nationals? Dokumentenanhang 181 Mr. Isaacs: It is probably due to the little confusion that has emerged that it has been decided that the Secretary of State for the Home Department, the Secretary of State of Foreign Affairs and the Minister of Labour shall review this matter. Mr. Sydney Silvermann: Can my right hon. Friend explain why the citizens of Danzig are classed by his Department as enemies? When were the citizens of Danzig enemy nationals? Quelle : Parliamentary Debates, H. C., Sess. 1945-1946, Bd. 3, Sp. 406; Sess. 1946-1947, Bd. 1, Sp. 494 und Bd. 2, Sp. 1335. 13. Urteil des Raad voor het Rechtsherstel vorn 28. 8. 1956 in Sachen Wetzel wider Beheersinstituut l (Berufung gegen die Entscheidung des Beheersinstituuts vom 17. 12. 1952, daB der Berufungsklager nach deutschem Recht, namlich dem Gesetz fiber die Wiedervereinigung der Freien Stadt Danzig mit dem Deutschen. Reich vom 1. 9. 1939 und dem. Gesetz fiber die deutsche Staatsangehbrigkeit in den einc regliederten Ostgebieten vom 4. 3. 1941, mit Wirkung vom 31. 1. 1942 rechtswirksam die deutsche Staatsangehorigkeit erworben habe, so daB rein in den Niederlanden befindliches VermOgen als FeindvermOgen zu behandeln sei. D. tbers.). „In der Erwagung, daB das NBI (= Nederlandse Beheersinstituut, d. tbers.) in der Gerichtssitzung vom 19. 7. 1956 nicht Mager seine These aufrechterhalten hat, daB die ehemaligen Danziger auf Grund der Tatsache, daB sie ungefahr am 1. 9. 1939 die deutsche StaatsangehOrigkeit erworben haben, feindliche Untertanen im Sinne von Art. 2 der Verordnung -Ober FeindverxnZigen 2 sind ; In der Erwagung, daB der Raad (d.h. der Raad voor het Rechtsherstel, d. rbers.) sich diesem Standpunkt des NBI anschlieSt, weil nun dem Raad von Amts wegen bekannt ist, daB die Minister fill. Justiz und Finanzen Gesuche, die diese Personen auf Grund von Art. 12 des Gesetzes vom 20. 7. 1951, StBl. 1951 Nr. 311 (Bestimxnungsgesetz) 3 bei ihnen einreichen, zu ihren Gunsten entscheiden und der Raad entgegengesetzte Entscheidungen, die nicht 1113. Interesse der Betroffenen sein sollten, zu verhindern wiinscht ; daB das NBI Burch Pladoyer vom 19. 7. 1956 jedoch als neuen Grund den Angeklagten als feindlichen Untertan zu behandeln, den Art. 116 Abs. 1 des Bonner Grundgesetzes angefiihrt hat, der lautet : „Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche StaatsangehOrigkeit besitzt oder als Fliichtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehorigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkommling in dem. Gebiete des Deutschen Reiches nach dem. Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahm.e gefunden hat". daB das NBI hierzu dargelegt hat, daB der Berufungsklager in Anbetracht der Tatsache, daB er 1899 in Danzig geboren wurde und gegenwArtig in Westdeutschland (KoriRtanz) wohnhaft ist„Deutscher im Sinne dieses Gesetzes` ist; 182 Dokurnentenanhang In der Erwagung, daB der Raad dieser). Standpunkt des NBI nicht teilt; Zuerst in der Ercregung, daB Lichter in seinem Buch ,Die Sta,atsangehOrigkeit' von 1955 zur Analyse der Rechtsstellmig der ,volksdeutschen` wOrtlich sagt: ,Die Fhichtlinge haben durch die gesetzlichen MaBnahmen die innere deutsche StaatsangehOrigkeit erhalten, obgleich sie die a'ufiere nicht erworben haben, da sie ja staatenlos rind`; daB hieraus erhellt, daB these Bestimnaung nur der Regelung interner deutscher Verhaltnisse dient und die unter Art. 116 Abs. 1 des Bonner Grundgesetzes fallenden Personen zwecks Anwendung hollendischer Gesetze, in diesem Falle der Feindvermiigensverordnung, nicht als ,Untertanen von Deutschland` betrachtet werden kOnnen, insbesondere als angenomm.en werden muB, daB der Gesetzgeber bei dem ErlaB der am 25. 10. 1944 in Kraft getretenen Feindvermogensverordnung mit Art. 2 Ziffer 2 diejenigen Personen als feindliche Untertanen bezeichnen wollte, die gemaB den damals bekarmten. Gesetzen als solche zu bezeichnen waren ; In der Erwegung, daB . . . keine anderen Tatsachen vorgetragen werden, auf Grund derer der Berufungsklager als feindlicher Untertan im Sinne von Art. 2 des FeindvermOgensgesetzes bezeichnet werden. kOnnte, .. . ••• Stellt fest, daB der Berufungsklager niemals feindlicher Untertan im Sinne von Art. 2 des FeindvermOgensgesetzes gewesen ist." Anmerkun,gen der Redaktion: 1 Quelle: Nicht verafentlicht; Aktz. R. 24. 420; auszugsweise aus dem Hollandischen abersetzt im Institut fiir Internationales Recht an der Universitet Kiel. 2 Vona 20. 10. 1944, Staatsblad Nr. E 133, in deutscher T.Thersetzung abgedruckt bei BOhmer-Duden-Janssen, Deutsches Vermogen im Ausland, Bd. 1 S. 282 (1951). 3 Gesetz vom 20. 7. 1951 zur Festlegung von Richtlinien mit Bezug auf die Bestimmung von feindlichem VermOgen, in deutscher rbersetzung abgedruckt ebenda Bd. 3, S. 406 (1955). 14. Schreiben der Schweizerischen Verrechnungsstelle, Abteilung tar die Liquidation deutscher Vermeigenswerte vom 9. 2. 1953 an Dr. Sternfeld Zurich, Talstr. 62, 9. II. 1953 Glaubigerkontrolle 376/Nad Sperre deutscher VermOgenswerte in der Schweiz gem. BundesratsbeschluB vom 16. 2. 1945 u. ff. Glaubiger Nr. 20 870 Muller Paul, Dr., Tierzuchtdirektor, Schiitzenwall 65 Kiel. Wir sired im Besitze Ihres Schreibens vom 28. Jan. 1953 und gestatten Thnen hierauf wie folgt zu antworten: Tins, Dokumentenanhang 183 Gem. BundesratsbeschluB vom 16. 2. 1945 und ff, sind samtliche VermOgenswerte in der Schweiz, die deutschen Staatsangehörigen mit Domizil in Deutschland zustehen, gesperrt, and es darf dariiber nur mit unserer ausdriicklichen Genehmigung verfiigt werden. Ferner unterliegen these VermOgenswerte den Bestimmungen des zwischen der Schweiz und 18 alliierten Nationen abgeschlossenen Abkommens von Washington vom 25. Mai 1946. Dieses Abkommen sieht die Liquidation dieser Vermogenswerte vor, sofem die betroffenen deutschen. Eigentiimer zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen. dem 16. 2. 1945 und dem 1. 1. 1948 in Deutschland gewohnt haben. Als Deutschland im Sinne des erwahnten Bundesratsbeschlusses gelten u. a. das Gebiet des Deutschen Reiches, wie es am 31. 12. 1937 bestanden hat, sowie das Gebiet der Freien Stadt Danzig. Wie Sie aus diesen Darlegungen entnehrnen kiirmen, unterliegen die in der Schweiz liegenden VermOgenswerte der Danziger grundsatzlich den Bestimraungen des Bundesratsbeschlusses vom 16. 5. 1945 u. ff. sowie denjenigen des Abkommens von Washington vom 25. 5. 1946. Zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland wurde nun aber am 26. 8. 1952 eine Ersatzregelung fiir den oben genannten Staatsvertrag getroffen. Das neue AblOsungsabkommen sieht u. a. vor, daB diejenigen natiirlichen Personen. deutscher StaatsangehOrigkeit, die als Volksdeutsche, insbesondere Sudetendeutsche, Danziger oder Deutschbalten, auf Grund eines generellen Erlasses der deutschen BelaOrden deutsche Staatsangehorige geworden sind, nicht als Deutsche in Deutschland im Sinne dieses Abkommens zu gelten haben. Nach Tnkrafttreten dieses Abkommens wird es somit mäglich sein, die Guthaben der Danziger auf Antrag hin ganzlich von der Sperre zu befreien, sofern uns die far die Freistellung erforderlichen Unterlagen, die von uns nach ErlaB der Durchfiihrtmgsbestiramungen noch naher zu bezeichnen sind, eingereicht werden. Quelle: Wie Nr. 8. 15. Schreiben des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland, London, vom 14. 9. 1951 Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland London 6, Rutland Gate, Knightsbridge London SW 7 Tel. : KNI 1271 14. September 1951 Tgb.-Nr. 2755/51 JJ13/Be Betr. : Staatsangeharigkeitsverhaltnisse der Danziger in Deutschland Auf Ihre Anfrage nach der StaatsongehOrigkeit von Danzigern wird mitgeteilt, daB das Auswartige Amt, dem Ihre Frage vorgelegt worden 1st, die Auffassung des Generalkonsulates bestatigt hat. Demnach sired die Personen, die am 1. 9. 184 Dokumentenanhang StRatsangehOrige der Freien Stadt Danzig waren, es bis auf den heutigen Tag geblieben, es sei derm, daB in der Person des Einzelnen ein Tatbestand eingetreten ist, der nach dem Staatsangehorigkeitsrecht der Freien Stadt Danzig den Verlust der Danziger StaatsangehOrigkeit zur Folge hat. Dieser Auffassung liegt die Erwagung zugrunde, daB es sich bei dem Gesetz fiber die Wiedervereinigung der Freien Stadt Danzig mit dem. Deutschen Reich vom 1. 9. 1939 (RGB1. I S. 1547) und den dazu ergangenen Durchfiihrungsbestimmungen um eine kollektive Verleihung der deutschen StaatsangehOrigkeit wahrend eines Krieges handelt, und daB einer solchen MaBnalinae nach allgemeinen VOlkerrechtsgrunds.atzen die Rechtswirksamkeit abgesprochen werden diirfte. Eine andere Rechtsgrundlage fiir den kollektiven Erwerb der deutschen Staatsangehorigkeit durch Danziger StaatsangehOrige hat nicht bestanden und ist such nach 1945 nicht geschaffen worden ; vielmehr bestand lediglich die MOglichkeit der Verleihung der deutschen Staatsangehärigkeit irn Einzelfall nach MaBgabe des Reichs- u. StaatsangehOrigkeitsgesetzes vom 22. 7. 1913 (RGBI. S. 583). Danach sind also die StaatsangehOrigen der Freien Stadt Danzig nicht deutsche StaatsangehOrige geworden, so daB sie weiterhin als Danziger StaatsangehOrige gelten miissen. Nach Art. 116 Absatz 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland sind sie in der Bundesrepublik in ihren Rechten deutschen StaatsangehOrigen gleichgestellt, wenn sie deutscher VolkszugehOrigkeit sind und in dem Gebiet des deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden haben. Die PaBeintragung „Einem deutschen Staatsangehbrigen gleichgestellt" besagt, daB der Inhaber des Papiers die deutsche StaatsangehOrigkeit nicht besitzt, sondem daB ihm nur zur Zeit dieselben Rechte zuerkannt werden, die ein deutscher Staatsangehiiriger besitzt, abgesehen von der Staatsangehorigkeit selbst. 1939 Messrs. Lewis & Lewis 10, 11 & 12, Ely Place Holborn, E. C. 1 Quelle: Wie Nr. 8. Im Auftrag gez. Unterschrift Konsul Dokumentenanhang 185 16. Schreiben des Auswtirtigen Amtes an die Forschungsstelle tar Viilkerrecht and ausltindisches Offentliches Recht der Universittit Hamburg vom 28. 7. 1953 Auswartiges Amt Bonn, den 28. Juli 1953 522 08/86 — V — 53065/53 Betr.: Rechtsvvirksarakeit von Kollektiveinbiirgerungen von ehemaligen StaatsangehOrigen der Freien Stadt Danzig Bezug : Thr Schreiben vom 17. Juli 1953, Nr. 2.292/53 Prof. M./B. Die in dem Sehreiben des ehemaligen Generalkonsulates der Bundesrepublik Deutschland in London vom 14. 9. 1951 vertretene Auffassung, daB dem durch das Wiedervereinigungsgesetz v. 1. 9. 1939 (RGB1. I S. 1547 nebst Durchfithrungsbestirnm.ungen) bewirkten Kollektiverwerb der deutsehen StaatsangehOrigkeit die Rechtswirksamkeit abzusprechen sei, ist als itherholt anzusehen. Die in Ihrem Schreiben erwahnte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Mai 1952 — 1 BvR 213/51 — hat auch beziiglich der Danziger eine An.derung der bis dahin vertretenen Rechtsauffassung fiber die Beurteiltmg von Kollektiveinbiirgerungen herbeigefuhrt. In Vbereinstinam.ung mit dem Bundesminister des Innern werden auf Grund derlEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts die mit Annexion durch das Deutsche Reich each dem 31. Dezember 1937 verbundenen Zwangseinbiirgerun.gen nur insoweit ads unwirksam betrachtet, als die betreffenden Personen von den Staaten, deren Gebiet seinerzeit annektiert wurde, als ihre Staatsangehorigen in Anspruch genornmen werden. Ist dieses nicht der Fall, so besteht nach deutschem Recht kein AnlaB, die betreffenden Personen als Nichtdeutsche zu betrachten, wenn der zwangsweise Eingebiirgerte seit dem Zusammenbrueh im Jahre 1945 standig den Willen bekundet hat, als deutscher StaatsangehOriger behan.delt zu werden. Diese Willenskundgebung ist wesentlich. Durch die Beriicksichtigung des Willens des Betroffenen ist zugleich auch eine vOlkerrechtlich unangreifbare Basis fiir die Anerkennung der deutschen Staatsangehorigkeit aller zwangseingebUrgerten Personen deutscher YolkszugehOrigkeit geschaffen. Es kOnnen somit diejenigen Personen als deutsche StaatsangehOrige angesehen werden, denen durch eine vor dem 2. Weltkrieg oder wahrend seines Verlaufs vorgenommene Kollektiveinbilrgerung die deutsche StaatsangehOrigkeit verliehen worden ist, wenn sie nicht von den Staaten, deren Gebiet annektiert wurde, als ihre Staatsangehorigen in Anspruch genomraen werden. Hierunter fallen auch die ehemaligen Danziger, die auf Grund des Gesetzes fiber die Wiedervereinigung der Freien Siadt Danzig mit dem Deutschen Reich 186 Dokurn,entenanhang vom 1. 9. 1939 (RGB1. I S. 1547) in Verbindung mit dem ErlaB Ober Gliederung and Verwaltung der Ostgebiete vom 8. 10. 1939 (R GB1. I S. 2042) und der Verordnung Ober die deutsche Volksliste und die deutsche StaatsangehOrigkeit in den eingegliederten Ostgebieten vom 4. 3. 1941 (RGB1. I S. 118) eingebiirgert wurden. Quelle : Nicht verOffentlicht, zur Verfiigung gestellt von der Forschungs,stelle fiir VOlkerrecht und auslandisches Offentliches Recht der Universitat Hamburg. 17. Runderlal3 des Auswartigen Amtes 524-00 V. 50.400/53 vom 2. 3. 1953 (Ertauterungen zum Gesetz aber das Pa/3wesen vom 4. 3. 1952, BGB1. S. 290) D) Danzig Die Verleihung der deutschen Staatsangehorigkeit an Danziger StaatsangehOrige nach MaBgabe der Verordnung ilber die deutsche Volksliste und die deutsche StaatsangehOrigkeit in den eingegliederten Ostgebieten vom 4. 3. 1941 (RGB1. I S. 118) in der Fassung der 2. Verordnung vom 31. Januar 1942 (RGB1. I S. 5) ist im Zuge einer oecupatio bellica erfolgt. Auch die polnische Besetzung Danzigs stellt sich als eine occupatio bellica dar. Deshalb ist 8,116. die Nichtanerkennung der Danziger StaatsangehOrigkeit durch Polen vOlkerrechtswidrig. Eh). valkerrechtlich anerkanntes staatliches Gebilde Danzig, welches seine StaatsangehOrigen in Anspruch nehmen kOmate, besteht nicht. Abgesehen davon, daB nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes die zwangsweise ein.gebargerten Danziger nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945 standig den Willen bekundet haben miissen, als deutsche StaatsangehOrige betrachtet zu werden, erscheint es fraglich, ob die Danziger StaatsangehOrigen die deutsche StaatsangehOrigkeit erworben haben. Die Danziger StaatsangehOrigen werden aber im Sinne des Artikels 116 GG als Fliichtlinge oder Vertriebene angesehen werden kOnnen, wens sie deutscher VolkszugehOrigkeit sind and in dem Gebiet des Deutschland nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden haben. In einem fiir diese Personen ausgestellten deutschen ReisepaB ist in der Spalte „StaatsangehOrigkeit" einzutragen: „Deutscher" (§ 8 APVV). Quelle: Ruby S. 840, 844. Dokumentenanhang 187 18. Schreiben der Militdrregierung von Nordrhein-Westfalen an das Danzig-Sekretariat vom 21. 4. 1949 Regional Governmental Office Diisseldorf 714 HQ, CCG (BE) NRW/R GO /177 HQ Land North Rhine/Westphalia 21. 4. 49 Danzig Secretariat Subjekt: Former Citizens of Danzig 1. With reference to your letter dated 30th III. 49 addressed to Central Secretariat, Zonal Executive Offices, HQ, CCG Liibbecke. 2. This Headquarters has been instructed to make the following reply by that office and in answer to your communication. 3. It is that former citizens of Danzig are in Law German citizens so long as they reside in Germany. Regional Governmental officer (C. T. R. Gordon) Div. 2027 Int. 1521 CTRG/ES Copy to Legal, this Region. Central Secretariat, Zonal Executive Offices, CCG Liibbecke, 60 HQ CCG (BE) BAOR (ZEDO) 09250/Sec. G. (of 19. 4. 49). Quelle: Wie Nr. 8. 19. Entscheidung der Britischen Militarregierung von Nordrhein-Westfalen vom 6. 5. 1948 Regional Governmental Office Land North Rhine/Westphalia Diisseldorf, 713 HQ CCG (BE) B. A. 0. R. 4/NRW/RGO/177. • 2. The following ruling has now been supplied by Headquarters Legal Division : "The Law for the Incorporation of the former Free State of Damig of 1 September 1939 has not been abrogated in any way, with the result that former subjects of that state in general acquired and retain German nationality until they relinquish it. Exceptions were made to the application of that law by later one of 31. Januar 1942 in respect of persons wholly or partly of Jewish 188 Dolcumentenanhang descent and gipsies. The fact, that the incorporation of Danzig is or may not be recognised outside Germany does not seem to affect the status of such subjects under German law." Quelle: Auszug, zitiert bei Giilzow S. 5. 20. Erlal3 des Oberprasidenten der Nordrheinprovinz vom 10. 4. 1946 1. Alle Personen, die die deutsche StaatsangehOrigkeit durch ein deutsches Gesetz erlangt haben und sie somit besitzen, werden solange als Deutsche angesehen, wie diesel Gesetz nicht fiir sie ungilltig erklart ist, es sei denn, daB die Regierungen anderer Lander sie im einzelnen and im besonderen als ihre Staatsangehiirigen annehmen. Sie haben keinen Anspruch auf besondere Behandlung, auger wenn sie aus rassischen, religiosen oder aus Griinden ihrer proalliierten Tatigkeit Opfer der Naziverfolgung gewesen. sind. 2. Ehemalige AngehOrige irgendeiner der Vereinten. Nationen, die ihre friihere StaatsangehOrigkeit wiedererlangen. mOchten, mOgen sich mit dem nachsten. Beamten der betr. Regierung oder mit einer Person, die dessen Geschafte vertretungsweise wahrnimmt, in der britischen Zone in Verbindung setzen oder mit dessen Stellvertreter in Berlin. Wenn solche Stellvertreter nicht vorhanden sired, miissen diese Gesuche dieser Antragsteller solange liegen bleiben, bis die betr. Regierung offiziell in der britischen. Zone oder in Berlin vertreten ist. Quelle : Mitteilungs- u. VOB1. des Ob.Prds. d. Nordrheinprovinz Nr. 28 v. 10. 4. 1946, abgedruckt bei Rasche S. 51. 21. Schreiben des Ministers des Innern des Landes Hessen vom 18.2. 1949 Hessisclaes Staats-Ministerium — Der Minister des Innern - --- I. lb 12 — 21— Wiesbaden, den 18. Februar 1949 Dr. Ho/Br. An die Herren Regierungsprasidenten in Darmstadt, Kassel and Wiesbaden Betr.: Staatsangehorigkeit der Danziger Die Frage der gegenwartigen. Staatsangehiirigkeit der AngehOrigen des ehernaligen Freistaates Danzig ist vor kurzer Zeit erneut innerhalb des LanderratsAusschusses fiir staats- und verwaltungsrechtliche Angelegenheiten erOrtert worden. Der AusschuB ist nach mehrmaliger Prilftm.g der Rechtslage zu der Dokumentenanhang 189 Auffassung gekommen, daB, weil viilkerrechtlich die Freie Stadt Danzig als Staat nicht untergegangen ist, auch die Danziger StaatsangehOrigkeit derjenigen Personen fortbesteht, die sie bis zum. 1. September 1939 besessen oder nach diesem Zeitpunkt nach dem bis zum 1. September 1939 geltenden Danziger Staatsan.gehOrigkeits-Reclat erworben haben.. Da es sich bei der Besetzung Danzigs um eine militarische Okkupation wahrend des Krieges gehandelt hat, die einen vOlkerrechtlichen TJntergang der Gebietshoheit nicht zur Folge hatte, haben die Danziger StaatsangehOrigen, soweit eine Einbiirgerung durch Einzelverwaltungsakt nicht erfolgt ist, die deutsche StaatsangehOrigkeit nicht erworben. Entsprecbend dieser Stellungnahme erkliire ich mieh damit einverstanden, daB in den Kennkarten von Personen, die am 1. September 1939 die Danziger StaatsangehOrigkeit besessen oder sie seitdem (z. B. durch EheschlieBung) erworben haben, auf ihren Antrag die StaatsangehOrigkeit „Danzig" eingetragen werden kann. Eine Anderung von Amtswegen hat jedoch keinesfalls zu erfolgen. Ich Weise ausdriicklich darauf hin, daB alle ehernaligen Danziger als Flachtlinge nach wie vor unter § 4 des Fluchtlingsgesetzes vom 19. 2. 1947 (GVB1. S. 15) fallen, wonach sie de-utschen Staatsangehorigen in alien Rechten and Pffichten gleich,gestellt sind. Die Rechtsstellung wird durch die Kennkarten-Eintragung nicht beriihrt. I. V. gez. Cossmann beglaubigt : IJnterschrift Quelle: Wie Nr. 8. SCHRIFTTUM Abend.roth, Die Haftung des Reiches, Preuf3ens, der Mark Brandenburg and der G-ebietskOrperschaften des &fentlichen Rechts fur Verbindlichkeiten, die vor der Kapitulation vom 8. 5. 1945 entstanden sind. NJ 47, 73. -, Die gegen-wartige vOlkerrechtliche Bedeutung des Potsdamer Abkonamens vom 2. 8. 1945. EA 1952, S. 4943. Anschiitz , Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. 8. 1919 (2 Bde, 13. Aufl. 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Die Abkiirzungen folgen, sofern sie theht irn Abldirzungsverzeichnis a-ufgefOrt sind, dem Werk von Kirchner, Abktrzlinzsverzeichnis der Rechtssprache (1957). 1.4 eaa ria 40 "el I. re. IN) IN. rig • • • N N • .0 0 • -Se • >.• .0 -0 '17 N a N N V a 0 0 N 0 a. a a V N a. 0 a. a -a ac a 0. N 0 O V 1. 3 0 N V V 0 N •ti G.) 0 N U N N U a N — o a O O N 0 N U a a a 0 • e •s a V W U >3 • 0 N N N Qp N a a V N 0 ac a tZ 0 a. • 0 N O O 0 •0 V N a.. 0C N N A •0 -a N a r,d a U. N a -0 be -o V '2 • cia N a U 0 0 N •N a O PN N O 2 •O 0• a. A • . •n. V • N N cla • 0 a 0 0. aft 1% a 0 -o -3 a . 2 V I 414 N N N a 0. 0 0 a 1: uS tr) -ar ON N U V 1.. U a E N -o -a ••er V E co, Jo ON ON N N U cts V E E O O C1 O M 4 N a N ars a • N N 1.1.) tea N .43 Zdra H O •• • •••• 4.1 0 •0 0 ti 0 Cd • •••••• 0 a C C) N v.) 01"r; Ca -c Ca ▪b0 • N be Q . E.1 N 0 0i 0 N C) N •0 0 o. Ca ea C) • O N ." Cl, et) er C ••-•n N 0 U 0 .0cae.3 6) 0 . ‘'7 c 0 Ca -0 a.) 0 ba • • acii ea -0 •t, eCe 0 v Cl, 0