Namibia im Wahlkampf

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Namibia im Vor-Wahlkampf
Dr. Wolfgang Maier
Am 15. / 16. November (so ganz richtig die Allgemeine Zeitung vom 08.10.) oder am 29.
/ 30. November 2004 (wie die regierungseigene New Era am 07.10. fälschlich meint)
wird in Namibia zum 4. Mal seit der Unabhängigkeit gewählt. Wenige Wochen vor dieser
Wahl, bei der die Abgeordneten und der Staatspräsident des Landes gewählt werden,
weiss offenbar nicht einmal die Presse, wann denn nun genau die Wahl stattfinden wird.
Die Herausgeberin der renommierten Tageszeitung THE NAMIBIAN stellt in ihrem
Leitartikel am 08.10. fest, dass wenige Wochen vor der Wahl auch keine der Parteien
irgendwie aufgeregt erscheine, das einzige Indiz für die bevorstehenden Wahlen sei das
Gerangel um Listenplätze innerhalb der Parteien.
Das Ergebnis dieser Wahl also gleich vorweg: Die seit Jahren mit einer komfortablen
2/3-Mehrheit regierende South West African Peoples Party (SWAPO) wird mindestens
eins ihrer Wahlziele auch diesmal erreichen, sie wird in jedem Fall weiterregieren
können. Selbst der Erreichung des zweiten Wahlziels, nämlich der 2/3- Mehrheit, kann
sie mit grosser Gelassenheit entgegensehen.
Auf die Einzelheiten des Wahlausgangs wird man freilich noch bis nach der Wahl warten
müssen, aber schon im Wahlkampf wurde deutlich, dass ein anderer Wahlausgang
undenkbar ist.
Namibia und seine Parteien
Die South West Africa Peoples Party (SWAPO) regiert das Land seit der
Unabhängigkeit, ab 1994 gar mit einer 2/3-Mehrheit. Diese Partei hat den Wandel vom
bewaffneten Befreiungskampf hin zu einer Partei, die seit 14 Jahren die
Regierungsverantwortung in einem demokratischen politischen System innehat,
offensichtlich geschafft.
Die SWAPO hat sich inzwischen zu einer sozial-demokratischen Partei gemausert, die
sich zur gesellschaftlichen Mitte hin orientiert und einen insgesamt gemässigten und
eher ideologiefreien Kurs verfolgt. Dies gilt trotz gelegentlicher kämpferischer Töne, die
in erster Linie aus den Reihen der Gewerkschaften und der Jugendorganisationen,
bisweilen auch aus dem Mund des Staatspräsidenten kommen.
Der Staatspräsident, Sam Nujoma, waltet seit der Unabhängigkeit seines Amtes. Er ist
im Land weithin anerkannt, und weitere Anerkennung hat ihm sein Entschluss
eingebracht, nicht mehr für eine 4. Amtsperiode zu kandidieren. Dies hätte die
Verfassung auch nicht zugelassen, doch verfügte die SWAPO bisher über eine 2/3Mehrheit im Parlament, und mit dieser hätte die Verfassung geändert werden können.
Zwar gibt es nach wie vor Indizien dafür, dass sich in der Binnenstruktur der Partei noch
viele Elemente einer Kaderpartei verbergen, und die Rhetorik einzelner Politiker erinnert
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immer wieder an die Zeit des Kalten Krieges und des Befreiungskampfes. Andererseits
hat sich die von ihr geführte Regierung im Grossen und Ganzen doch an die weithin
anerkannte Verfassung gehalten, sie hat pragmatisch und eher ideologiefrei regiert.
Auch wenn es einige Kritikpunkte gibt, so werden doch die meisten Kritiker darin
übereinstimmen, dass Namibia noch immer als ein positives Beispiel für den
Transformationsprozess gelten kann.
Ohne Zweifel wäre die demokratische Bilanz der vergangenen 14 Jahre aber noch
besser, wenn es eine ernstzunehmende Opposition in Namibia gegeben hätte. Diesen
Mangel wird man aber schwerlich der SWAPO in die Schuhe schieben können.
Die Demokratische Turnhalle Allianz (DTA) gründete sich im November 1977 als
Gegenreaktion auf die Forderung der südafrikanischen National Party, einzelne
Elemente der Apartheidsgesetzgebung in einer geplanten Verfassung für Namibia
beizubehalten. An den vom südafrikanischen Generaladministrator proklamierten ersten
Wahlen einer neuen Konstitution (1980) nahm die DTA aber teil, und ab 1985 schloss
sie sich einer von Südafrika geförderten bzw. geduldeten Übergangsregierung
(„Transitional Government“) an.
Die programmatischen Grundzüge der sich aus 10 Parteien zusammensetzenden DTA
waren auf Rechtsstaatlichkeit, auf die Beachtung der Menschenrechte sowie auf die
Einführung einer Sozialen Marktwirtschaft hin ausgerichtet.
An den Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung im Jahr 1989 nahm die DTA
teil und gewann 21 der 72 Sitze. Von da ab ging’s mit der DTA bergab:
Verteilung der Sitze im Parlament
Wahljahr
1989
1994
1999
SWAPO
41
53
55
DTA
21
15
7
CoD
7
Sonstige
10
4
3
Für das schwache Erscheinungsbild der DTA werden folgende Ursachen verantwortlich
gemacht:
-
Heterogene Zusammensetzung aus unterschiedlichen, früher eigenständigen
Parteien
Unzureichende finanzielle Basis
Fehlen herausragender Persönlichkeiten
Ethnisch-demographische Struktur des Landes und traditionelles Wahlverhalten
Alternativlose realistische Wirtschaftspolitik der SWAPO
Historische Belastung (Kooperation mit dem früheren Apartheidsregime)
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Als ob das alles nicht schon reichen würde, legte Mitte 2003 die Republikanische
Partei (RP) ihre Mitgliedschaft in der DTA nieder und beantragte bei der
Wahlkommission die Eintrag als eigenständige Partei. Die RP war ein
Gründungsmitglied der DTA und hatte ihre Unterstützung vorwiegend unter den
wohlhabenderen -weissen- Schichten der Bevölkerung. Dem Initiator des Austritts, dem
Sohn des ehemaligen DTA-Vorsitzenden Dirk Mudge (Henk Mudge), folgte aber
offenbar nur ein Teil der RP-Anhänger. Die verbleibenden schlossen sich innerhalb der
DTA postwendend zu einer „Allianz für Demokratischen Wandel“ (ADC) zusammen.
Die eigentliche Herausforderung für die DTA war die Absplitterung der RP aber noch
nicht. Diese kam im September 2003 mit der Ankündigung des Paramount Chiefs der
Herero (Kuaima Riruako), dass er die NUDO (National Unity Democratic
Organization) aus der DTA führen und sie wieder als eigenständige Partei registrieren
lassen würde. Als Bestätigung für die Ernsthaftigkeit seines Vorhabens legte er
gleichzeitig sein Mandat als Abgeordneter nieder.
Über die Hintergründe, die zu Riruakos Entscheidung führten, gibt es unterschiedliche
Ansichten. Er selbst behauptete, dass es einen Versuch der DTA gegeben habe, die
NUDO zu vereinnahmen. Diese sei aber eine eigene Partei mit durchaus nicht in allen
Punkten kongruenten Meinungen zur DTA. Er habe die NUDO daher wieder als eigene
Partei beim Wahldirektorat registrieren lassen müssen, was am 5. Dezember 2003 dann
auch tatsächlich geschehen ist. Andere Quellen behaupten, dass es einen Versuch der
SWAPO gegeben habe, Riruako zu diesem Schritt zu bewegen, möglicherweise in
Verbindung mit dem Versprechen, seine neue Partei in einer zukünftigen Koalition zu
berücksichtigen.
Die Führung der DTA hat diese Entwicklungen entweder unterschätzt oder verschlafen,
oder beides.
Der Congress of Democrats (CoD) ist eine Partei, die aus einer Abspaltung von der
SWAPO entstand. Diese Partei bestand ursprünglich aus SWAPO Parteimitgliedern, die
aus Verärgerung über die eigenwillige Interpretation der Verfassung im Zusammenhang
mit der Ermöglichung einer 3. Amtsperiode für den Staatspräsidenten Nujoma die Partei
verlassen hatten und den Congress gründeten.
Die Gründung des Congress of Democrats und dessen Teilnahme an der Wahl von
1999 ging fast ausschliesslich zu Lasten der DTA. Vor allem jüngere, urbane und besser
ausgebildete Namibier empfanden den CoD als eine gute Alternative zu den beiden
anderen Parteien.
Allerdings konnte der CoD den in ihn gesetzten grossen Hoffnungen nicht annähernd
gerecht werden konnte und kaum Boden bei den mehrheitlich SWAPO wählenden
Bürgern im Norden des Landes, den Ovambos, gutmachen. Dazu mag auch die
aggressive Ablehnung des CoD durch die SWAPO beigetragen haben, die sich nicht
scheut, die führenden Persönlichkeiten als Verräter zu bezeichnen und auch vor
persönlichen Verunglimpfungen nicht zurückschreckt.
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Bemerkenswert ist jedoch, dass der CoD auf aussenpolitischem Gebiet einen „Erfolg“
einheimsen konnte: Seit 1999 ist der CoD Mitglied der Sozialistischen Internationale.
Dafür kann die Partei immerhin mit Unterstützung aus dem befreundeten Lager rechnen.
Neben den hier genannten gibt es einige weitere Parteien, die jedoch weder im
Wahlkampf noch bei den Wahlen eine Rolle spielen werden. Sie werden an dieser Stelle
nicht berücksichtigt:
WRP:
SWANU:
UDF:
MAG:
Worker’s Revolutionary Party
South West Africa National Union
United DEmocratic Front
Monitor Action Group
In Namibia gibt es eine staatliche Parteienfinanzierung. Die Parteien erhalten je nach
Zahl der Wähler einen festen Betrag (erstmalig 1997 jeweils N$ 16,50 je Wählerstimme).
Es gibt auch ein Regelwerk, wie und wofür diese Einnahmen zu verwenden und wie die
Parteifinanzen zu prüfen sind. Allerdings hat seit 1997 noch keine Partei ihre
Finanzierungsdetails offengelegt. Parteien dürfen Spenden, auch ausländische,
entgegennehmen, allerdings muss „dies in angemessener Frist“ veröffentlicht werden.
So ist bekannt, dass die SWAPO etwa US 30.000 von der KP Chinas erhalten hat, und
die Westminster Foundation unterstützt den CoD, die DTA und die RP haben eine (sehr
viel geringere) Unterstützung aus Südafrika für kommunale Wahlkämpfe erhalten.
Namibia: Eine Demokratie ohne Oppostion ?
Wie weiter oben bereits beschrieben, ist die SWAPO in die gesellschaftliche Mitte
gerückt, sie besetzt die wesentlichen Politikbereiche mit pragmatischen Inhalten.
Aufgrund ihrer überwältigenden parlamentarischen Mehrheit und aufgrund des leichten
Zugangs zu Informationen aus den Ministerien kann sie unschwer die politische Debatte
bestimmen, ausserdem verfügt sie über den Zugriff auf einige Medien (z.B. auf das
staatliche Fernseh- und Rundfunkprogramm sowie über eine eigene Zeitung). Da sie
aufgrund der Wahlergebnisse auch am meisten von der staatlichen Parteienfinanzierung
profitiert, steht sie in wirtschaftlicher Hinsicht von allen Parteien am besten da.
Die DTA hatte in der Übergangsphase zur Unabhängigkeit eine wichtige und
konstruktive Rolle gespielt. Sie war in den ersten Jahren nach Erlangung der
Unabhängigkeit eine zunächst noch respektable Oppositionspartei, die jedoch
zunehmend an Bedeutung verlor. Sie war marktwirtschaftlich ausgerichtet, ihre
politische Orientierung lag im konservativ – liberalen Umfeld.
Die DTA konnte zunächst noch über ein aus früheren Zeiten stammendes, in einen
Zeitungskonzern investiertes Vermögen verfügen, das in den Jahren nach der
Unabhängigkeit jedoch auf unerklärliche Weise zerrann.
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Entscheidend für ihren Niedergang war aber das Unvermögen der Parteiführer, die
einzelnen Allianzparteien programmatisch zu konzentrieren und sie auf eine klare
Oppositionsrolle einzuschwören.
Ob die NUDO der Herero Paramount Chiefs Riruako, bislang einer der
Stimmenmagneten in der DTA, eine wirkliche Oppositionsrolle spielen kann und will, ist
fraglich. Die in der NUDO führenden Köpfe sind wenig inspirativ, was die Partei
möglicherweise vorläufig aber zusammenhält ist die vage Aussicht auf
Reparationszahlungen als Wiedergutmachung für das vor 100 Jahren den Herero
zugefügte Unrecht.
Damit bliebe der sich der Sozialistischen Internationale zugehörig fühlende Congress of
Democrats (CoD) als Oppositionspartei übrig. Auch wenn sie vermutlich noch zulegen
kann, ist doch unwahrscheinlich, dass sie an der 2/3-Mehrheit der SWAPO etwas
ändern kann. Sie wird von Vielen immer noch als SWAPO-Absplitterung angesehen, die
den Beweis des besseren Programms bisher schuldig geblieben ist.
Immerhin ist möglich, dass der CoD einige Stimmen von früheren DTA-Wählern und von
unzufriedenen SWAPO-Wählern erhalten könnte, mit grosser Wahrscheinlichkeit wird
sie zur zweitstärksten Oppositionspartei mit einem Wählerpotential von geschätzten
rund 15 – 20 % der Stimmen.
Auch die Hoffnungen auf eine strategische Wahlallianz zwischen einer funktionsfähigen
DTA und dem CoD sind Mitte des Jahres endgültig zerstoben. Zwar hatte es bei beiden
Parteien Befürworter gegeben, doch muss dem CoD nach dem Verfall der DTA eine
Koalition mit dieser Partei, der immer noch der „Interims-„ Stallgeruch der ApartheidsÄra anhängt, immer weniger lukrativ erschienen sein.
Das politische Spektrum dürfte sich etwa wie folgt darstellen (eigene Schätzung) :
80
70
60
50
40
30
20
10
„Linker Rand“
M
AG
P
R
O
UD
N
TA
D
DF
U
SW
AP
O
O
D
C
SW
AN
U
W
R
P
0
„Rechter Rand“
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Mit Ausnahme der ultralinken WRP, eventuell der weit links stehenden SWANU und der
ultrarechten MAG hätten alle anderen Parteien im Prinzip miteinander koalieren können.
Sie bilden mit der SWAPO eine breite politische Mitte.
Die Chance, dass eine Allianz aus CoD und der alten DTA (RP,DTA, NUDO) zu einer
wirklichen Opposition heranwachsen und die 2/3-Mehrheit hätte brechen können, ist
damit zerstoben. Bleibt die Hoffnung auf eine Besinnung nach der Wahl ?
Der „Vor-Wahlkampf“
Anfang Oktober haben 9 Parteien ihre Teilnahme an der Wahl bestätigt (SWAPO, CoD,
DTA, RP, NUDO, SWANU, MAG, UDF, NMDC). Die ultralinke WRP (Workers’s
Revolutionary Party wird an den Wahlen nicht teilnehmen.
Sechs dieser Parteien haben einen eigenen Präsidentschaftskandidaten angemeldet:
Pohamba (SWAPO)
Ulenga (CoD)
Kaura (DTA)
Riruako (NUDO)
Garoeb (UDF)
Mudge (RP)
Pretorius (MAG)
Eine argumentative, politische Auseinandersetzung zwischen den Parteien hatte bis zur
Registrierung nicht stattgefunden, zu sehr waren die Parteien mit sich selbst befasst.
Am eindrucksvollsten waren die innerparteilichen Auseinandersetzungen in der
SWAPO. Nachdem der aussichtsreichste Kandidat für das Amt des Staatspräsidenten,
der Aussenminister Hamutenya, Mitte des Jahres urplötzlich seines Amtes enthoben
wurde, sank seine Chance auf eine erfolgreiche Kandidatur für das höchste Amt im
Staate.
Im Verlauf eines sich daran anschliessenden innerparteilichen Mobbing-Prozesses, der
–wie behauptet wird, vom Staatspräsidenten angezettelt wurde, um seinen Kandidaten
Pohamba durchzuboxen – identifizierte die Partei eine „Hamutenya-Bande“, die von nun
an mit allen Mitteln bekämpft wurde.
Echte oder vermeintliche Unterstützer Hamutenyas, dem nun selbst ein Parlamentssitz
nicht mehr sicher ist, rutschten auf der Parlamentskandidatenliste nach unten, zum Teil
fast unbekannte Kandidaten fanden sich plötzlich auf der Liste der 10 vom Präsidenten
vorgeschlagenen Parlamentskandidaten, denen der Einzug in’s Parlament sicher ist.
Die Machtfrage innerhalb der SWAPO ist damit entschieden, der Staatspräsident
Nujoma wird auch nach dem Ausscheiden aus dem höchsten Amt in seiner Funktion als
Parteivorsitzender (bis 2007) faktisch weiterhin die Kontrolle über die Partei behalten.
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Damit bleibt Nujoma ohne Zweifel weiterhin an den Hebeln der Macht, auch wenn er
nicht als Staatspräsident in den neuen festungsähnlichen Präsidentenpalast einziehen
wird.
Damit stellt sich aber auch die Frage, inwiefern der Riss, der durch die Partei jetzt
hindurchgeht, zu einer Stärkung der CoD führt. Immerhin steht der CoD der SWAPO
programmatisch am nächsten. Die anderen Parteien werden weniger davon profitieren.
In den kommenden Wochen wird sich zeigen, ob sich vielleicht doch noch so etwas wie
ein Wahlkampf entwickeln wird. An Informationsangeboten zu den Parteiprogrammen
der Parteien fehlt es jedenfalls nicht (siehe z.B. hierzu: Analyses and Views No. 2 : Spot
the Difference - Political Pary Platforms compared. KAS – kann von der Homepage des
Büros Windhoek heruntergeladen werden).
Fortsetzung folgt.
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