VDI-Gesellschaft Materials Engineering - Wir über uns – Nanotechnologie für die Medizintechnik VDI-Fachausschuss Nanotechnik für die Medizintechnik Was möchten wir erreichen? Wir sehen in der Nutzung nanotechnologischer Verfahren vorwiegend Vorteile, die es gilt auch in der Medizintechnik zu nutzen. Wir möchten die Chancen und Risiken der Nanotechnologie mit allen Interessierten und Betroffenen gerne diskutieren und auf diese Weise zu einem rationalen Umgang mit der Nanotechnologie beitragen. Wir sehen uns als Ansprechpartner sowohl der interessierten Industrie als auch von Privatpersonen, indem wir den Stand der Entwicklung in diesem Gebiet ständig beobachten und auf Anfrage auch dokumentieren und sachlich kommunizieren. Das Potential der Nanotechnologie ist nach unserer Meinung noch bei Weitem nicht vollständig erschlossen. Dies zu ändern möchten wir einen Beitrag leisten. Wie in anderen Fachbereichen und Anwendungsgebieten wird auch in der nahen und ferneren Zukunft mit fortschreitenden Verbesserungen und zusätzlichen Einsatzmöglichkeiten zu rechnen sein, die jeweils mit Bedürfnissen und sichtbarem Nutzen abzugleichen sind. Was ist eigentlich Nanotechnologie? Der Begriff der Nanotechnologie wird selbst unter Fachleuten nicht einheitlich verwendet. Im weitesten Sinne bezeichnet Nanotechnologie alle Techniken bei denen die Objekte in Dimensionen von einigen Nanometern von Bedeutung sind. Das können Partikel sein oder Fasern deren Durchmesser wenige Nanometer betragen kann, aber auch der Einsatz von dünnen Schichten mit Schichtdicken von einigen Nanometern und damit alle Oberflächen sind somit Gegenstand der Nanotechnologie. Ein engerer Begriff der Nanotechnologie definiert diese nicht einfach durch die geometrischen Dimensionen, sondern betrachtet die Objekte, die in diesen Dimensionen besondere, der Größe geschuldete Eigenschaften aufweisen, die sich nicht einfach aus den makroskopischen Eigenschaften ableiten lassen. Was verstehen wir unter Medizintechnik? Im Unterschied zu anderen Industriebranchen wie der Automobilindustrie oder dem Maschinenbau lässt sich die Medizintechnik nur schwer über das hergestellte Produkt definieren. Vielmehr steht die Anwendung der erzeugten Produkte in der medizinischen Vorsorge, Diagnose oder Therapie im Vordergrund. Sie ist die Schnittstelle unterschiedlicher Industriebranchen (Elektrotechnik, Maschinenbau, Informationstechnik, Möbelindustrie, Textilindustrie etc.) mit der Medizin. Dementsprechend zeichnet sie sich durch einen intensiven Wettbewerb, einen hohen Innovationsgrad und ausgeprägte Interdisziplinarität aus. Nicht zu unterschätzen ist die jeweilige Anwendung durch das Fachpersonal (Arzt, Krankenpfleger, Hilfspersonal u.a.), das aufgrund der jeweiligen Erfahrungen und fallspezifischen Unterstützung maßgeblich zum erzielten Erfolg des Einsatzes von Medizintechnik beiträgt. Aus diesem Grund wird auch im Rahmen von Qualitätssicherungsprogrammen auf umfassende Aus- und kontinuierliche Weiterbildung Wert gelegt bzw. entsprechende Richtlinien oder Gesetze erlassen. Während die Medizintechnik also schwer zu definieren ist, sind Arzneimittel und Medizinprodukte als Teilgebiete der Medizintechnik jeweils gesetzlich definiert. Beispielsweise sind Medizinprodukte zur Anwendung am Menschen mittels ihrer Funktionen zum Zwecke der Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten bestimmt. Die bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper soll aber in Abgrenzung zu Arzneimitteln weder pharmakologisch oder immunologisch noch über den Metabolismus vermittelt erreicht werden. Medizinprodukte und Arzneimittel dienen dem Zweck der Verhütung und Heilung von Krankheiten. Welchen Beitrag kann die Nanotechnologie für die Medizintechnik leisten? Entsprechend den oben aufgeführten Definitionen kann die Nanotechnologie sowohl im Bereich der Medizinprodukte wie auch bei den Arzneimitteln einen Beitrag zur Medizintechnik beisteuern. Im ersten Fall geht es im Wesentlichen um den Kontakt von Materialien mit dem menschlichen Körper. Dieser Kontakt soll so gestaltet werden, dass er dem Körper und dem Heilungsvorgang zuträglich ist, was im Allgemeinen mit biokompatibel umschrieben wird. Hierzu sind die Materialoberflächen hinsichtlich chemischer Zusammensetzung und Topographie bis in den Nanometerbereich zu adaptieren. Die entsprechenden Medizinprodukte können für therapeutische Anwendungen wie beispielsweise Implantate, Katheter, Dialyseeinheiten aber auch Kontaktlinsen und Verbandmaterialien verwendet werden. Im Bereich der Diagnostik werden ebenso Geräte, die im Kontakt mit biologischen Flüssigkeiten zur Erkennung oder Überwachung von Krankheiten eingesetzt werden hinsichtlich ihrer Oberflächen ausgerüstet, um zuverlässige Messwerte beispielsweise auf Mikrotiterplatten wie auch von Sensoren zu erreichen. Neben den bioinerten Oberflächen stellen auch bioaktive Oberflächen einen Beitrag der Nanotechnologie zur Medizintechnik dar. Hierzu gehören Oberflächen, die mit Biomolekülen ausgerüstet sind, die eine spezifische Reaktion mit Körperflüssigkeiten eingehen, oder aus denen auch biologische aktive Stoffe freigesetzt werden. Hier stellt sich dann die Frage, ob hier das Medizinproduktegesetz oder das Arzneimittelgesetz für eine geplante Anwendung zu berücksichtigen ist. Eindeutig auf der Seite der Arzneimittel liegen dann Anwendungen bei denen nanotechnologische Verfahren genutzt werden, um beispielsweise Medikamente zu verkapseln und die Einheiten soweit zu miniaturisieren, dass die verschiedenen Schranken des menschlichen Körpers zum Zwecke des Medikamententransports überwunden werden und damit die Medikamente an einen festgelegten Bestimmungsort gebracht werden können. Zusammenfassend ist festzustellen, dass nanotechnologische Ansätze bei den meisten medizintechnischen Fragestellungen zu einer Lösung beitragen können, die möglicherweise bisher nicht oder nicht in dieser Qualität möglich waren. Insofern muss die Verfügbarkeit dieser Technologie bzw. Anwendungsmöglichkeit als gewinnbringende Innovation eingestuft werden. Einige erste Beispiele nanotechnologischer Beiträge für die Medizintechnik? • magnetothermische Behandlungen von Tumoren • beschichtete Stents mit Wirkstofffreisetzung • beschichtete Kontaktlinsen • Ausrüstung von Oberflächen zur minimierten Proteinadsorption • Ausrüstung von Oberflächen zur optimierten Kultivierung von Säugerzellen für Testsysteme und künstliche Organe Chancen und Risiken der Nutzung der Nanotechnologie für die Medizintechnik? Die Nanotechnologie bietet die Chance alle bisher im Kontakt mit biologischen Systemen eingesetzten Materialoberflächen spezifisch zu optimieren. In diesem Falle wird am Ende festzustellen sein, ob sich der zu treibende Aufwand lohnt, oder die erreichte Verbesserung eher marginal ist und sich am Medizinmarkt nicht behaupten kann. Damit stellt die Entscheidung für oder gegen das mit nanotechnologischem Einsatz erzeugte Produkt eine typische marktwirtschaftliche Entscheidung dar, ohne dass besondere Aspekte der Nanotechnologie separat berücksichtigt werden müssen. Werden nanotechnologische Produkte auf Partikelbasis genutzt, um die verschiedenen Schranken des menschlichen Körpers zum Beispiel zwecks Medikamententransport überwinden zu können, so sind neben den Chancen auch spezifische Risiken zu bewerten. Hier ist abzuwägen, ob die Chancen der Überwindung der jeweiligen Schranke in der Summe dem Patienten dienen und damit die Risiken in Kauf genommen werden. Düsseldorf, den 26.08.2010 VDI-GME