Volker Steenblock – Philosophische Bildung. Einführung in die Philosophiedidaktik und Handbuch: Praktische Philosophie, Lit Verlag, Münster, 2002, 240 Seiten, ISBN 3-8258-4805-1, 17,90 € Eine Rezension von Geraldin Neuß und Thomas Priebe Im alltäglichen Leben nimmt Philosophie eine gegenwärtige, uns oft unbewusste, Rolle ein. Laut Volker Steenblock gilt es die vielen verschiedenen Orte des Philosophierens zu entdecken, die jeweils ihre eigenen Methoden erfordern. Er stellt die These auf, dass es die Philosophie ermögliche auf die beschleunigten Veränderungen der heutigen Zeit ethisch richtig zu reagieren. Das vorliegende Buch ist ein Plädoyer für die philosophische Bildung, wobei sich der Autor spezifisch mit den Fragen, wie und wozu Philosophie gelehrt und gelernt werden soll, auseinandersetzt. Strukturell gesehen wird zu Beginn eines Kapitels stets die Perspektive des Autors auf ein spezifisches Thema betrachtet, hierbei zitiert er verschiedene Fachkräfte und weist auf weiterführende und vertiefende Literatur hin. Zwischen einzelnen Themenabschnitten befinden sich Kurzinterviews, die mit den zuvor erwähnten Fachkräften geführt wurden. Innerhalb der sechs Kapitel beschäftigt er sich mit der Geschichte der Philosophiedidaktik, woran sich eine Darstellung des Zwecks der philosophischen Bildung anschließt. Anschließend gibt er einen Überblick über die Orte und Arten des Philosophierens und stellt verschiedene Methoden für den Unterricht vor. Abschließend zeigt er Medienmöglichkeiten auf, die für die philosophische Bildung genutzt werden können und nennt konkrete Unterrichtsentwürfe. Seine Zielgruppen sind Studenten, Referendare, Lehrkräfte in Schule und Erwachsenenbildung sowie jegliche Interessenten der Philosophie. Da dies eine Rezension aus fachdidaktischem Blickwinkel ist, lohnt ein kurzer Blick auf die Ausführungen des Autors bezüglich der oben erwähnten didaktischen Fragen: Auf normativer Ebene stellt sich in der Didaktik die Frage danach, wozu gelehrt und gelernt werden soll. Steenblock nimmt sich dieser Problematik an. Unterricht und seine Inhalte sollen seiner Auffassung nach einen Lebensweltbezug zu den Schülern haben. Nur durch diesen Bezug kann den Lernenden der Sinn der Unterrichtsgegenstände zugänglich gemacht werden. Für den Autor hängt dies mit dem „Sitz der Philosophie im Leben“ zusammen. Um die Position und somit die Legitimation des Lerngegenstands der Philosophie ausfindig machen zu können, stellt sich Steenblock die Frage danach, wozu Philosophie in der heutigen Kultur 1 benötigt wird. Einerseits stellt der Autor einen zunehmend naturwissenschaftlichen Einfluss auf unsere Gesellschaft fest. Gleichzeitig sieht er einen Rückgang des Hinterfragens der neuen technischen Möglichkeiten als gegeben. Dieser kulturellen Amnesie, in welcher die neuen Traditionen nicht weiter kritisiert werden, kann die philosophische Bildung entgegenwirken. So setzt sich beispielsweise der Bereich der praktischen Philosophie damit auseinander, wie gehandelt werden soll. Die Bewertung vom Einsatz der Massentierhaltung wäre somit ein Beispiel, in welchem sich die Philosophie manifestiert. Mit Hilfe der Philosophie wird demnach die Auseinandersetzung des Lernenden mit einem existenten Teil seiner Lebenswelt auf kritischer Ebene ermöglicht. Philosophie kann also zu einer Orientierung in der eigenen Lebenswelt verhelfen. Sie fördert das eigene Positionieren in ebendieser. Durch die Beschäftigung mit Philosophie kann man ebenfalls der Hermeneutik mächtig werden, die sich in ihrer Kernaussage auf das Verstehen der Welt erstreckt. Durch das Verstehen kann wiederrum die oben genannte kulturelle Amnesie überwunden werden. Der Lernende sieht sich besser dazu befähigt, die eigene Kultur und die mit ihr verbundenen Bräuche zu beurteilen. Der Auseinandersetzung mit Philosophie kommt somit auch ein Selbstzweck zugute. Gemäß Steenblock bildet sich derjenige, der philosophiert. Bildung versteht er in diesem Kontext als einen Ausformungsprozess der eigenen Persönlichkeit. Denn Philosophie ermöglicht das Fällen kritischer Urteile und das begründete Beziehen von bestimmten Positionen, wodurch also Bildung stattfindet. Wie erkennbar wird, gelingt Steenblock eine plausible Beantwortung der Frage danach, wozu Philosophie gelehrt und gelernt wird. Bezüglich der Methodik der Philosophie vertritt Volker Steenblock die Auffassung, dass einem gelungenen Philosophieunterricht eine große Methodenbandbreite in Theorie und Praxis zu Grunde liegt. Zu diesem Zweck führt er verschiedene Methodenmöglichkeiten an, die er für den Unterricht als sinnvoll erachtet. Dabei nennt er Gruppen- und Projektarbeit als nützliche Methoden, um selbstständiges Arbeiten zu üben. Diskussionsrunden und die Arbeit im Plenum versteht er als Möglichkeit der Meinungsbildung und des Perspektivwechsels. Er erwähnt auch das Arbeiten an Beispielen und die Form der Textarbeit, worin er den Ausgleich zwischen Theorie und Praxis versteht. Ideenspinnen und Gedankenexperimente empfindet er als besonders sinnvoll für das kreative Arbeiten und auch das Erstellen von Begriffsfeldern und die selbstständige Bibliotheksrecherche erachtet er als unbedingt notwendig für den Philosophieunterricht. Auch die Arbeit in Richtung außerschulischer Projekte, wie Expertenbefragungen und das Erfahren von Natur und Lebenswelt, worin er das Erforschen von Religion, Kultur und Politik versteht, empfindet Steenblock als gute Alternative zum 2 Frontalunterricht. Abschließend geht er auf das Verfassen eigener philosophischer Texte, die Möglichkeit des szenischen Darstellens sowie die Verwendung von Film- und Bildmaterial ein. Volker Steenblock geht jedoch nicht nur auf die Methodik für den Schulunterricht ein, sondern beschäftigt sich auch mit dem Philosophieren in der Erwachsenenbildung und im privaten Rahmen. Zu diesem Zweck gibt er dem Leser eine Anleitung, wie Philosophieren allgemein funktioniert und wie es trainiert werden kann. Der Vorgang des Philosophierens bedeutet für ihn denken und vollzieht sich in fünf Schritten. Zunächst beobachtet man verschiedene Phänomene, was die phänomenologische Methode darstellt. Im Anschluss folgt das Deuten dieser beobachteten Wirklichkeit, welche er als hermeneutische Methode bezeichnet. Danach werden die Deutungen begrifflich-logisch analysiert, was die analytische Methode darstellt. Anschließend werden diese verschiedenen Analysen durch Pro und Contra abgewogen. Dies bezeichnet er als dialektische Methode, bevor er abschließend die intuitive Methode beschreibt als die Ansicht, dass Philosophieren beziehungsweise Denken immer auf überraschende Einfälle und Einsichten angewiesen ist. Nachdem die elementaren Gedankengänge des Autors dargelegt wurden, lassen sich abschließend verschiedene Kriterien zur Gesamtbewertung des Werkes finden. Positiv wirkt zunächst die Länge der Kapitel. Diese sind in mehrere Unterkapitel unterteilt, welche jeweils wenige Seiten umfassen. Beim Leser entsteht dadurch der Eindruck, sein Lesen in vorgegebene Abschnitte einteilen zu können, wodurch die Menge der Seiten weniger endlos wirkt. Leider muss der Leser an dieser Stelle Abstriche bezüglich des Inhaltes machen. Themen und Aspekte des Autors werden daher nur sehr oberflächlich besprochen. Die Ausführungen wirken insgesamt unvollständig. Dies zeigt sich sowohl in theoriebezogenen Kapiteln als auch in Kapiteln mit dem Schwerpunkt der praktischen Anwendung. Die Konkretisierung der Theorie anhand von Beispielen findet nur sehr selten statt und eine weiterführende Auseinandersetzung mit der Theorie bleibt dem Leser verwehrt. Steenblock formuliert selbst Ziele, die dem Leser durch die Lektüre des Buches zugänglich gemacht werden sollen. Er erreicht dies nur streckenweise. Geglückt ist ihm die Darstellung eines Medien- und Methodenüberblicks für das Unterrichtsfach Philosophie. Hierzu listet er hilfreiche Bausteine auf und stellt diverse praktische Unterrichtsprojekte zur eigenen Unterrichtsanwendung vor. Auch das Ziel, dem Leser eine Literaturgrundlage anbieten zu können, wird erreicht. Genannt wird eine eher willkürlich wirkende Auswahl an Schulbüchern, fachdidaktischer Zeitschriften und fachwissenschaftlicher Literatur. Leider zitiert der Autor in Form des Harvard-Sytems, wodurch die Zitate sich innerhalb des Textes 3 befinden. Die Zitierweise an sich kann sicherlich nicht kritisiert werden, allerdings häufen sich die Zitate in diesem Werk so sehr, dass das Zitieren über die Fußnoten deutlich sinnvoller erscheint. Dem Leser wird ein flüssiges und übersichtliches Lesen leider verwehrt. Ein weiteres Ziel Steenblocks ist das Aufzeigen der Entwicklung der Philosophie an verschiedenen Bildungsorten. Diesbezüglich stellt er einzelne Orte des Philosophierens vor, sodass ein kleiner Überblick geschaffen wird. Dieser Aspekt hätte jedoch ausführlicher beschrieben sein können, eventuell durch praktische Beispiele und schrittweise Anleitungen. Das Ziel, die Notwendigkeit philosophischer Bildung deutlich zu machen, wird insgesamt erreicht. Volker Steenblock geht auf diesen Aspekt immer wieder im Laufe der Kapitel, entweder direkt oder aber auch indirekt, ein, sodass beim Leser ein großes Bewusstsein für die Thematik geschaffen wird. Besonders deutlich wird es in der Abhandlung über den Sinn von Philosophie in unserer heutigen Gesellschaft. Die Ziele insgesamt betrachtet kann man sagen, dass Volker Steenblock sich bemüht diese zu erreichen. Durch die zuvor erwähnte inhaltliche Oberflächlichkeit können diese jedoch nur als bedingt erfüllt angesehen werden. Ein positiver Aspekt des Werkes ist die Idee der in die Kapitel integrierten Interviews. Meist am Ende der Kapitel befinden sich Kurzinterviews mit mal bekannten und mal weniger bekannten Fachkräften. Dadurch entsteht beim Leser der Eindruck, dass die Struktur der Kapitel aufgelockert wird und eine Darstellung der praktischen Funktionalität der zuvor beschriebenen Theorie nachgewiesen wird. Es kommt durch diese Interviews jedoch verstärkt zu inhaltlichen Wiederholungen, da die interviewten Personen zuvor schon ausgiebig zitiert wurden. Sprachlich gesehen hat das Werk von Volker Steenblock leider auch einige Mängel. Neben unzähligen Rechtschreibfehlern und inhaltlichen Dopplungen, die in einer korrigierten Auflage normalerweise nicht zu finden sein sollten, beschreibt Steenblock einfachste Vorgänge oder Theorien sehr umständlich. Er verwendet Begrifflichkeiten, die nicht erklärt werden, wodurch er seiner Zielgruppe insgesamt nicht gerecht wird. Außerdem erstrecken sich seine Sätze über mehrere Zeilen. Ein flüssiges Lesen wird dem Leser verwehrt. Steenblock wirft in seinem Werk inhaltlich immer wieder interessante philosophische und kritische Fragen auf, die beim Leser Interesse wecken und zum Weiterlesen motivieren. Seine Absicht scheint es jedoch gewesen zu sein, den Leser zum selbstständigen Philosophieren 4 beziehungsweise Recherchieren über diese Aspekte zu motivieren, da eine Beantwortung der Fragen im Verlauf des Werkes leider nicht vorgenommen wird. Ebenso enttäuschend ist es, dass dem Leser Steensblocks Perspektive nicht ausreichend präsentiert wird. Es hat den Anschein, dass er sich hinter Zitaten, also den Meinungen anderer Fachkräfte, versteckt. Besonders Ekkehard Martens, mit dem Volker Steenblock auch schon Texte veröffentlich hat, wird immer wieder erwähnt. Die individuelle Positionierung Steenblocks wird nicht deutlich, was das Werk mehr zu einem Sammelsurium von Aussagen anderer Fachkräfte werden lässt. Zusätzlich sind seine Ausführungen meist sehr deskriptiv, was die Verschleierung Steensblocks Perspektive ebenfalls unterstützt. Als abschließendes Fazit lässt sich zusammenfassen, dass das Werk von Volker Steenblock sicherlich einzelne lesenswerte Aspekte beinhaltet, eine Kaufempfehlung jedoch aufgrund des Überwiegens der Negativaspekte nicht ausgesprochen werden kann. Insgesamt hat es mehr den Charakter, aus deren Zweck dieses Werk entstanden ist, nämlich den eines ReaderCharakters. Sucht man zitierbare Literatur zum Beispiel für eine wissenschaftliche Arbeit findet man innerhalb des Buches einige Angaben, die nützlich sein könnten, wodurch man das Buch eventuell zur Ausleihe empfehlen könnte. 5