VERWENDEN Wissenschaftsjahr Energie www.zukunft-der-energie.de FESTIVAL ZU ENTROPIE In PERFORMAnCE UnD WISSEnSCHAFT IM WISSEnSCHAFTSjAHR EnERGIE W enn Sich sich diese Beilage angeschaut haben, werden Sie etwa 50 Kalorien verbraucht haben. Die bekommen Sie aber locker wieder rein. Zum Beispiel, indem Sie 8 Gramm Erdnüsse essen, 356 Gramm Sellerie oder 127 Gramm Pfirsich. 15 Gramm Speck tun es auch. Das Ganze kostet Sie zwischen 0,02 und 70 Cent. Danach sind Sie außerdem um ein paar Informationen reicher. Sie haben erfahren, dass das erste Solarkraftwerk schon 1912 in Kairo gebaut wurde, dass die Menschen im Tschad mit 11 Watt ziemlich wenig Energie verbrauchen. Und wir in Deutschland mit 6.000 Watt ziemlich viel. Sie sind vielleicht neugierig geworden auf die Ausstellung Energie=Arbeit, in der sie ihren eigenen Lebensstil auf Energie-Effizienz überprüfen können. Und Sie haben erfahren, was es mit der Entropie auf sich hat. Warum Sie keine Angst vor der Apokalypse des Kapitals haben müssen und auf welche Weise das Festival Entropia das Verschwinden feiert. Die Ausstellung Energie=Arbeit und das Festival Entropia, das Performance und Konferenzen mit namenhaften Wissenschaftlern verbindet, sind zwei Höhepunkte des Wissenschaftsjahrs Energie. Aber Lesen Sie selbst. Und danach: Machen Sie eine kleine Pause. Gehen Sie in die Ausstellung. Sehen Sie Tänzern beim sich Verschwenden zu. Und: Verwenden Sie Ihre Energie. VIEL SPASS! Die Gruppe Schwalbe spielt eine CO2-neutrale Aufführung unter der Regie von Lotte van den Berg. © S. van Hesteren bis 13. Februar 2011 EinE AusstEllung übEr dAs, wAs drinstEckt, wo Es hErkommt und wo Es hingEht. im max-liebermann-haus der stiftung brandenburger tor 200 kcal Selleriestangen: 2,82 EUR 200 kcal Tomaten: 1,87 EUR 200 kcal Sauerkraut: 1,51 EUR 200 kcal Pfannkuchen: 1,26 EUR 200 kcal Kotelett: 1,26 EUR 200 kcal Brokkoli: 0,81 EUR 200 kcal Pfirsiche: 0,66 EUR 200 kcal Fleischsalat: 0,48 EUR 200 kcal Müsli: 0,44 EUR 200 kcal Äpfel: 0,44 EUR 200 kcal Dosen-Ravioli: 0,43 EUR 200 kcal Speck: 0,19 EUR 200 kcal Kartoffelchips: 0,13 EUR 200 kcal Erdnüsse: 0,08 EUR 200 kcal Toastbrot: 0,05 EUR Wie viel sind 200 Kalorien wert? Ausschnitt einer Kalorientabelle aus der Ausstellung © V. Kreidler I ENERGIE = ARbEIT EN stiftunG BrandenBurGer tor FE max lieBermann haus im bIs 13. FEbRuAR 2011 11. Vom Sojafeld ins Fitness-Studio dER TRAum vON uNENdlIcHER ENERGIE EIN PERPETuum mObIlE Aus sAcHsEN Was haben eine sojapflanze, ein Burger und ein fitness-studio miteinander zu tun? ist die 2.000-Watt-Gesellschaft machbar? und woher kommen die Kalorientabellen in den frauenzeitschriften? diese und andere fragen rund um die energie erklärt die ausstellung energie=arbeit. © V. Kreidler Würde es funktionieren, bräuchte die Bundesregierung kein neues energiekonzept. das Perpetuum mobile illustriert die suche nach unendlich verfügbarer energie. die idee einer maschine, die, einmal in Betrieb gesetzt, dauerhaft läuft und zusätzlich arbeit verrichtet, reicht bis in das 11. Jahrhundert zurück. die entdeckung der thermodynamik im 19. Jahrhundert zeigt, dass eine solche apparatur nicht funktionieren kann. dennoch beschäftigt die idee eines Perpetuum mobiles bis heute noch einige Konstrukteure. vERGANGENE zuKuNFT vOm NIl EIN sOlARKRAFTWERK vON 1912 © deutsches museum münchen ingenieure und tüftler sind schon seit über 100 Jahren auf der suche nach nutzungsmöglichkeiten erneuerbarer energien. dies spiegelt sich in einer reihe von erstaunlichen Prototypen wider, die ihrer Zeit weit voraus waren. Bereits 1912 wurde das weltweit erste industriell angelegte solarkraftwerk im süden Kairos in Betrieb genommen. das seitlich an die solaranlage angeschlossene Kraftwerk pumpte mit einer leistung von rund 40.000 Watt 2000 liter Wasser pro minute aus dem nil zur Bewässerung der Baumwollfelder. dIE 50 WATT-GEsEllscHAFT EIN HOlzFAHRRAd Aus RuANdA ein Blick in die ausstellung: Vorn leuchten sonneneruptionen in einem nasa-film, im haus dahinter können sie ihren energieverbrauch prüfen. aKW-laufzeiten, energiekonzept, Klimawandel: energiefragen werden heute heiß diskutiert – und bleiben meist sehr abstrakt. die ausstellung energie=arbeit zeigt mit konkreten Beispielen, was energie mit jedem von uns zu tun hat. Wie viel energie braucht ein mensch zum leben? Wie viel energie verbraucht sein lebensstil am tag? Welcher energieverbrauch wäre tatsächlich nachhaltig? entlang dieser leitfragen schlägt die ausstellung einen Bogen vom einzelnen menschen zu den globalen folgen seiner existenz. Zahlreiche exponate, vom leistenkrokodil bis zur erdölprobe, sowie interaktive elemente, wie ein eigener energiepass, machen energie erlebbar. HüFTGOld & HAmbuRGER energie ist ein ungreifbares Phänomen. man kann sie weder sehen, noch hören, noch anfassen. sie wird erst sichtbar, hörbar und spürbar, wenn sie gewandelt wird. folgt man ihren Wandlungsprozessen, stößt man auf weltumspannende Zusammenhänge. Wie etwa diesen: mit der energie des sonnenlichts baut eine sojapflanze in Brasilien Kohlenhydrate und eiweiße auf. deren energie wandert per Kraftfutter in ein rind in deutschland, von dort gelangt sie in einen hamburger und schließlich in den magen eines Büroangestellten. dessen Körper legt die überschüssige nahrungsenergie in fettzellen an, woraufhin der angestellte im fitnessstudio Gewichte stemmt, um das ungeliebte hüftgold wieder loszuwerden. das faszinierende an energie ist, dass sie bei all diesen Wandlungen nicht weniger dIE dREI THEmENRäumE dER AussTElluNG 100 Watt leistet der menschliche Körper. das kleinste säugetier der Welt (eine etruskerspitzmaus), ein Gehirn und eine Kalorientabelle machen energie am menschlichen maßstab begreifbar. 6.000 Watt nutzt ein mensch in deutschland rund um die uhr. die ausstellung zeigt, wie sich dieser energiebedarf entwickelt hat. Beispiele: ein staubsauger, mit dem man Pferde striegeln kann, die größte Glühbirne Berlins und ein paar der letzten, in deutschland geförderten, tropfen erdöl. 2.000 Watt stehen jedem menschen auf der Welt durchschnittlich zur Verfügung. doch die unterschiede zwischen den ländern sind gewaltig. ein holzfahrrad aus ruanda steht neben spuren der Ölpest im Golf von mexiko. © V. Kreidler wird, zumindest in der summe. denn weder sojapflanze, rind, mensch, noch fitnessgerät können alle energie, die sie aufnehmen, auch umsetzen. der ungenutzte rest verteilt sich als Wärme im Weltall. lEbEN Im übERFluss Wir sind den Überfluss an energie gewohnt. und müssen uns fragen, ob sich der Bedarf wieder zurückschrauben lässt oder ob wir in einer spirale des wachsenden energiebedarfs gefangen sind. der einzelne kann seinen energiebedarf je nach lebensstil zwar beeinflussen, ein großer teil des Pro-Kopf-Verbrauchs ist jedoch im aufbau der Gesellschaft verankert. sei es im Primat des ewigen Wachstums, in ineffizienten Kraftwerken, im Verkehrsnetz oder in kulturellen Verknüpfungen von Konsum und dem Gefühl von unabhängigkeit. allein deshalb fällt es schwer, weniger energie zu verbrauchen. und es ist klar, dass es nicht reicht, wenn jeder Bürger seine Glühbirnen durch energiesparlampen ersetzt. die ausstellung energie=arbeit bezieht Position in der aktuellen inländischen energiedebatte und zeigt am Beispiel von energiepionieren, solarhäusern und stromnetz-modellen, was für eine energiewende in deutschland zu tun wäre. energie, das wird hier deutlich, ermöglicht nicht nur arbeit – sie macht auch viel arbeit. „Ich renne nicht mit dem Stromzähler rum“ marcus Peter, Kurator von Energie=Arbeit, über die angst der menschen vor der Öko-diktatur, ein ruandisches fahrrad und sinn und unsinn von energiesparlampen – interview: Kirsten reinhardt © Project rwanda in ruanda besitzt nur einer von 500 menschen ein auto. Kaffeebauern transportieren ihre ernte auf holzfahrrädern zum markt. so können sie zwar ihre last transportieren, doch sie brauchen auf den schlechten straßen bis zu 12 stunden für den hin- und rückweg. durch neu entwickelte lastenräder verkürzt sich die Zeit auf bis zu Zwei. für die frischere Ware erzielen sie einen um bis zu 20 us-cent höheren Preis pro Pfund. mobilität bedeutet hier ganz konkret wirtschaftlichen aufschwung. ii In der Ausstellung Energie=Arbeit zeigen sie eine Tonne Weizen, ein Holzfahrrad aus Ruanda, Perpetuum mobiles und 3000 Feldmäuse. Wo haben sie die Exponate aufgetrieben? das holzfahrrad haben wir in der Botschaft von ruanda in Berlin entdeckt, das hat uns natürlich enorme transportwege erspart. den Weizen hat uns ein brandenburgischer Bauer vor die ausstellung gekippt, der kann danach sogar weiterverwendet werden. Vielleicht wird nicht gerade Vollkornbrot draus gemacht, aber für Viehfutter dürfte es reichen. die tierpräparate hat uns das naturkundemuseum in Berlin überlassen und bei den Perpetuum mobiles hatten wir wirklich Glück. die sind eigentlich aus den sammlungen verschwunden, weil man gesagt hat „das sind Quatschmaschinen, die funktionieren nicht“. und dann haben wir eins in der technischen sammlung in dresden gefunden. an dem hat ein sächsischer handwerker von den1930er bis 1980er Jahren gebaut – toll. sie zeigen auch, wie viel Energie verschiedene Gesellschaften verbrauchen. vom Tschad mit 11 Watt bis zu den usA mit 12.000 Watt. und sie machen deutlich, dass in einer gerechten Welt jeder mensch 2.000 Watt zur verfügung hätte. Wie nehmen sie den menschen die Angst vor einer Öko-diktatur? Wir schreiben niemandem vor, wie er leben soll. Wir skizzieren nur, wie man intelligenter mit energie umgehen kann. Wenn sich ein einzelner von uns auf 2.000 Watt beschränkt, ist das eine unglaubliche einschränkung, fast eine selbstgeißelung. Wenn aber angebote gemacht werden, wie elektro-car-sharing oder ein tolles öffentliches nahverkehrssystem, dann kommt man schneller auf 2.000 Watt. Wenn man durch die infrastruktur unterstützt wird, muss man sich nicht als einzelkämpfer oder Ökospinner fühlen. und das tolle ist: es ist machbar. in der schweiz gibt es konkrete Pläne bis 2050 die 2.000 Watt-Gesellschaft umzusetzen. sie habe sich eineinhalb Jahre mit dem verwenden, verschwenden und verschwinden von Energie beschäftigt. Wie blicken sie jetzt in die zukunft? es macht mir schon angst zu sehen, wie unser rohstoffbedarf wächst und wie nachlässig wir mit energie umgehen. Wie träge die Beharrungskräfte des marktes und eingeschliffenen Gewohnheiten des menschen sind. aber ich bin auch optimistisch: in unserer Gesellschaft kann man schon eine Bereitschaft erkennen, an bestimmten stellen über lebensstile nachzudenken. Hat sich Ihr verhalten durch die Arbeit an der Ausstellung auch verändert? ich gucke anders hin und frage mich, wo ich was mit welchem einsatz erreichen kann. energiesparbirnen halte ich inzwischen für absurd, wenn man gleichzeitig in einem schlecht gedämmten haus wohnt. man muss sich die großen Punkte raussuchen, um wirklich etwas zu ändern. aber es ist nicht so, dass ich mit einem virtuellen stromzähler durch die Welt renne und mir alles verkneife. marcus Peter (42) gründete mit alexander moers und markus sailer die ausstellungsagentur prototypen. sie haben die ausstellung energie=arbeit und das festival entropia kuratiert. mit Vorliebe widmen sie sich in ihren arbeiten der schnittstelle von Gesellschaft, technik und naturwissenschaften. ENTROPIA FEsTIvAl zu ENTROPIE In PerFormance unD WISSenSchaFt Im raDIalSyStem · V · 11. – 14. NOvEmbER 2010 o Ein Fest für die Vergänglichkeit Bei dem Festival entropia treffen Wissenschaftler auf Performance-Künstler. Sie haben ein gemeinsames thema: die Flüchtigkeit der energie. und die lernte bereits Brüder Grimms „hans im Glück“ schätzen. sOAPéRA – EIN AbENd Im schAum (mathilde monnier | Dominique Figarella, Frankreich) Die unter dem Schlagwort „entropie“ zusammengefasste entdeckung, dass jede Verwertung von energie zugleich deren entwertung bedeutet und die Welt trotz aller Stabilität ihrem energetischen ende zustrebt, hat bis heute nichts von ihrer apokalyptischen Faszinationskraft verloren. Der entropiesatz weist darauf hin, dass bei allen energetischen umwandlungsprozessen qualitative Veränderungen stattfinden, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. Krrrcks: In „ytong“ zertanzt maren Strack einen Stein. © J. Zielinski eigentlich muss man nur das märchen von hans im Glück begreifen, um die Sache mit der entropie zu verstehen. erinnern wir uns an die Geschichte der Brüder Grimm: hans, der zu Beginn der Geschichte einen Goldklumpen als lohn für sieben Jahre arbeit erhält, tauscht ihn gegen ein Pferd. Das tauscht er wiederum in eine Kuh, ein Schwein, eine Gans – bis ihm am ende nur ein Feldstein bleibt. tauschen, gehen, denken, lieben – allen Prozessen gemeinsam ist die Verschwendung von energie. Denn jede Verwertung von energie bedeutet gleichzeitig ihre entwertung – entropie. APOkAlyPsE dEs kAPITAls Diese von dem Physiker rudolf clausius formulierte erkenntnis hat von Beginn an kollektive Fantasmen wie den „Wärmetod“ der erde, das Versinken des Kosmos im „chaos“ oder die „apokalypse des Kapitals“ heraufbeschworen. anstatt solchen populären Schreckensszenarien zu folgen, scheint es geboten, die herausforderungen der entropie anzunehmen und für ein zeitgenössisches nachdenken über energie fruchtbar zu machen. ein „entropisches Denken“ fragt nicht nur nach den Grenzen, sondern auch nach den chancen von energetischen, ökologischen und gesellschaftlichen transformationsprozessen. Das Festival entropia folgt diesem anliegen mit einer theoretischen und einer künstlerischen Perspektive. Die Frage, welche Konsequenzen sich für unser soziales und politisches handeln ergeben, wenn der umgang mit energie stets irreversible effekte generiert, wird im rahmen einer interdisziplinären Konferenz verhandelt. Wissenschaftler aus den Bereichen ernährung, Infrastruktur und Konsumforschung diskutieren über den umgang mit energie. einigkeit herrscht vor allem über eins: Die Konsequenz aus der entropie heißt nachhaltigkeit. Was geschieht aber, wenn die merkmale der entropie – Prozessualität, chaos und Verschwendung – nicht als Bedrohung, sondern als Bestandteile von Produktivität verstanden werden? So zumindest kann man das Selbstverständnis und die arbeitsweise zahlreicher Künstler verstehen. ENTROPIA – dIE kONFERENz „Biosprit statt Biokartoffel“ - „Denn sie tun nicht, was sie wissen“ „Stadt nach dem Öl“. Das sind nur drei der sechs Panels, in denen natur- und Kulturwissenschaftler am Samstag, den 13. november über die nutzung von energetischen ressourcen diskutieren. es geht um herausforderungen, die unsere ernährung, die Infrastruktur der Gesellschaft und unseren lebensstil betreffen. Prof. Dr. michael Braungart vom hamburger umweltinstitut denkt über 100 Prozent recycling nach, der Zukunftsforscher Prof. Dr. Stephan rammler „to make this performance happen, my body will loose energy, you already lost money, the theatre will loose electricity, and we all gonna loose time. (somebody will even loose his own blood.) the waste of all this important human resources, automatically makes this performance tonight a non ecological activity to which we all have an equal responsibility. if this information doesn‘t make us feel good, at least it will make us feel less lonely. thank you for coming and enjoy the waste.“ (Ivo Dimchev, „Som Faves“) ob es sich dabei um die arbeit an einem ‚energetischen tänzerkörper’, um die auflösung werkhafter Strukturen oder die Inszenierung von chaotischen Zufällen handelt – stets eröffnet das entropische ein Spiel mit den Grenzen von effizienz und Kontrolle. Während des Festivals präsentieren internationale Vertreter verschiedener Kunstgattungen ihre Sicht auf die Verheißung der entropie in Form von tanzaufführungen, Performances, Videos und Workshops. In der Gesprächsrunde „Szenarien der energie“ werden die verschiedenen ansätze mit theater- und Kunstwissenschaftlern diskutiert. am ende ist hans mit seinem Stein übrigens doch noch im Glück. als er den Stein in einen Brunnen fallen lässt und er gar nichts mehr besitzt, ist er frei: „So glücklich wie ich, rief er aus‚ gibt es keinen menschen unter der Sonne‘. mit leichtem herzen und frei von aller last ging er nun fort, bis er daheim bei seiner mutter angekommen war.“ entwirft unsere mobile Zukunft, der Journalist Dr. Wilfried Bommert beschäftigt sich mit der Frage, wie die wachsende Weltbevölkerung ernährt werden kann. und die Grande Dame der theaterwissenschaft, Prof. Dr. erika Fischer-lichte, untersucht den Zusammenhang von theater und energie. Das Performance-Kollektiv She She Pop und die Schauspielerin anne tismer stellen sich elementare Fragen, wie: „Gibt es eine spezifische energie des theaters? Wie wird die energie eines Darstellers spürbar? Ist diese Darstellung (Selbst-)Verschwendung? „Wir wollen verschwenden“ © m. coudrais Der abend beginnt an einem ort, der Probenraum und atelier gleichermaßen darstellt. Vier tänzer bewegen sich in und mit einem gewaltigen Schaumberg und die amorphe Skulptur vermischt sich mit der choreografie zu einem „painting-in-progress“. Der Verfall des fragilen materials findet seine entsprechung in der Dauer der Vorstellung. Beziehung zwischen tanz und malerei hat eine lange tradition, in „Soapéra“ kehrt sich dieser Prozess um. Die choreographische arbeit leitet sich aus dem Kunstwerk ab, gleichzeitig verändert und formt sie es. mathilde monnier gilt als eine der einflußreichsten choreographinnen Frankreichs. INvEsTmENT – GEWINNEN sIE Im lOTTO! (cIe. random Scream | Davis Freeman, uSa/Belgien) © random Scream mit dem erwerb einer eintrittskarte erhalten sie ein lotterielos. Sie könnten schon bald millionär sein, aber was tun Sie dann mit Ihrem Geld – Davis Freeman und sein team freuen sich, Ihnen einige Vorschläge unterbreiten zu dürfen. Investieren Sie in wohltätige Zwecke, tierschutz und Kultur. oder möchten Sie sich für ein wenig mehr Komfort entscheiden? ebenso abwegig wie politisch ist „Investment“ zugleich tanzstück, großes theater und Welthungerhilfeprogramm – oder vielleicht doch nur eine Werbeveranstaltung unserer risikogesellschaft. ThE ANATOmy lEssON – schöNhEIT dEs zERFAlls (marijs Boulogne, niederlande) Nicola schössler, kuratorin von Entropia, über die angst der menschen vor dem Wärmetod, tänzer als energie-experten und die Schönheit des Zerfalls. – Interview: Kirsten reinhardt das Festival heißt Entropia – was genau ist eigentlich Entropie? Im 19. Jahrhundert hat man erkannt, dass die nutzbare energie auf unserer Welt endlich ist. es wird immer ein teil von ihr verstreut, wenn man sie in arbeit umwandelt. eine entwertung findet statt und die entropie beschreibt diesen Vorgang. Der bevorstehende „Wärmetod“ hat damals große Ängste ausgelöst. aber der endpunkt des universums liegt in weiter Ferne, wir werden davon nichts mehr mitbekommen. Die entropie ist auch der Pferdefuß der nachhaltigkeit – wir können das ende nicht aufhalten. nur verlangsamen, indem wir zum Beispiel nicht andauernd mit dem Fön zum Fenster hinaus pusten. Auf dem Festival gibt es neben konferenzen zahlreiche Performances von Tänzern und künstlern. Wie haben Energie und kunst miteinander zu tun? es gibt die technische Seite der energie und die esoterische – dazwischen aber ist eine ganz alltägliche: unser Gebrauch. Darstellende Künstler, wie zum Beispiel tänzer, sind experten für den umgang mit energie. Sie wissen genau, wie man sich verschwendet und wie man die energie wieder zurück bekommt. es ging uns bei entropia um die Verbindung des vermeintlich dinghaften Wesens der energie, die man in Zahlen messen und ausdrücken kann, und ihrem Flüchtigen und Prozesshaften. Wir wollten das nicht Festhaltbare der energie zeigen. Der Körper steht ja auch in der ausstellung im mittelpunkt. Die Performance ist ein akt der entropie. es geht um die Schönheit der einmaligkeit, eine Vorstellung kann in dieser Form ja nur einmal gezeigt werden. Wir feiern die unumkehrbarkeit. Welche veranstaltungen sollte ich auf keinen Fall verpassen? Bei Investment können Sie einen lottogewinn machen. Wenn Sie wirkliche nachhaltigkeit erleben wollen und immer ein Problem damit hatten, das im theater energie verschwendet wird, sollten sie sich op eigen Kracht ansehen. Das ist eine co2-neutrale aufführung. anatomy lesson ist eine ganz leise, besondere arbeit über die Schönheit des Zerfalls. und Soapéra kann ich Ihnen auch ans herz legen, da haben Sie auch wunderbar den Verfall vor augen. verfall, unumkehrbarkeit, Endlichkeit – das klingt nicht gerade positiv... natürlich ängstigt die meisten menschen das ablaufen des eigenen lebens. Ich habe mich gefragt: Was ist bei mir energie? Ich denke, es ist mein rest an lebenszeit. Zeit, die ja leider abläuft – das ist immer unschön. aber es fordert uns auch auf, zu genießen. Wir hatten ursprünglich über den Satz „enjoy the waste“ als untertitel für das Festival nachgedacht und der ist auf unser leben übertragbar. Denn im Grunde sind wir menschen maßlos, wir wollen verschwenden, wir wollen verbrauchen. Wie bekommen sie Ihre Energie wieder her? Durch nichtstun. und durch essen. am liebsten in meiner hollywoodschaukel im Garten. nicola Schössler (37) ist Schauspielerin und unterrichtet die alexandertechnik. außerdem hat sie das Performance-Festival entropia mitkuratiert. © a.lorenzo marijs Boulogne beschäftigt sich in „the anatomy lesson“ mit Zerfallsprozessen. Sie hat aus einfachen materialien – baumwollenen Fäden und Fasern – mit wissenschaftlicher Genauigkeit ein Baby gestickt und gehäkelt. Im Verlauf des Stückes führt sie eine endoskopie an ihm durch. Wir stehen mit am Seziertisch, beobachten die arbeit der Pathologin und werden Zeugen eines unwiderruflichen Prozesses zwischen Zartheit und Grausamkeit. III VErWEnDEn Und wie viel verbrauchen Sie? Der eigene Energiepass mit der unverwechselbaren Signatur Natürlich wissen Sie, dass täglich Steak essen, andauernd in die Karibik fliegen und im Winter Erdbeeren kaufen nicht gerade für eine optimale Energiebilanz sorgt. Aber wissen Sie wirklich, wie viel sie verbrauchen? Mit der Eintrittskarte in die Ausstellung Energie=Arbeit erhalten Sie einen Energiepass und können herausfinden, wie viel Energie ihr Lebensstil benötigt. In Deutschland verbraucht jeder im Schnitt das 60fache seiner Körperenergie. Von Mensch zu Mensch unterscheidet sich der Energieverbrauch allerdings beträchtlich. Wir haben vier Besucher gebeten, uns ihre Energiebilanz zu zeigen. Wie ist Ihre? Wissenschaftsjahr Energie www.zukunft-der-energie.de Entropia - FEStIVALKALENDER DONNERStAG, 11. November 2010 18.30h | SAAL (60 min, Eintritt frei) Festivaleröffnung ZUR FASZINATIONSGESCHICHTE DER ENTROPIE (Einführungsvortrag) Prof. Dr. Elizabeth Neswald Die Entdeckung der qualitativen Veränderungsprozesse von Energie und Wärme – und damit der Entropie – revolutionierte das Verständnis der Begriffe Arbeit und Leistung fundamental. Mit ihrer Studie „thermodynamik als kultureller Kampfplatz“ liefert Elizabeth Neswald einen Überblick über die verschiedenen Richtungen des Denkens, mit denen die thermodynamik – und insbesondere ihr Zweiter Hauptsatz: die Entropielehre – interagiert. 20.00h | HALLE SOAPÉRA (Frankreich) – Berlinpremiere Mathilde Monnier | Dominique Figarella (siehe S.3) (60 min., 18/14€) 21.00h | FOYER (5–20 min., Eintritt frei) YTONG (Deutschland) Maren Strack In ihrer Arbeit „Ytong“ zertanzt Maren Strack mit von ihr speziell gefertigten Schuhen einen Ytongstein. Mit Bewegungen zwischen tanzen, stampfen und springen verwandelt sie den Stein zu Staub. Das erinnert an das Märchen von den roten Schuhen, die ihre Besitzerin zwingen, sich bis zum tode zu verausgaben 21.30h | SAAL OP EIGEN KRACHT (Niederlande) – Deutschlandpremiere Schwalbe | Lotte van den Berg (siehe S. 3) (50–60 min. | 14/10€) 23.00h | STUDIO (20–30 min. | Eintritt frei) ARRITMIA (Venezuela) – Uraufführung Victor Moralez | Miguel toro „Arritmia“ spielt mit projizierten Computerbildern, die live von einem Schlagzeuger, einem Performer und dem Publikum gestört, aus dem Rhythmus gebracht und möglicherweise zum Kollaps geführt werden. So entstehen Wechselwirkungen zwischen Bild / Bewegung / Sound / Rhythmus und Puls / Leben / tod / Zeit. FREItAG, 12. November 2010 Inga B., Kassel, 3.283 Watt. „Mein Ergebnis hat mich bestärkt, kein Auto zu fahren. Aber mein Konsumverhalten könnte ich etwas überdenken“ 20.00h | HALLE (95 min. | 18/14€) INVESTMENT (USA / Belgien) – Deutschlandpremiere CIE. Random Scream | Davis Freeman (Performance in englischer Sprache) (Siehe S. 3) 22.00h | SAAL THE ANATOMY LESSON (Niederlande) – Berlinpremiere Marijs Boulogne (Performance in englischer Sprache) (siehe S. 3) (60min. | 14/10€) SAMStAG, 13. November 2010 10.00–11.30h | SAAL (Konferenzeintritt: 8/5€) BIOSPRIT STATT BIOKARTOFFEL Dr. Wilfried Bommert | tim Beringer | Moderation: Alexander Moers Auf der Erde stehen genügend Anbauflächen zur Verfügung, um alle Menschen zu ernähren. Durch Düngereinsatz, die Industrialisierung der Landwirtschaft und den Anbau energiereicher Pflanzen hat sich die geerntete Energie pro Fläche vervielfacht. Dennoch hungern eine Milliarde Menschen. Fleischproduktion und Biosprit verstärken die Konkurrenz um die landwirtschaftlichen Flächen. Franka D., 63, Berlin, 3620 Watt. „Ehrlich gesagt habe ich mit einem geringen Wert gerechnet, da ich in einem sanierten Haus wohne, nur öffentliche Verkehrmittel benutze und nur regionale Lebensmittel kaufe. Wo Montserrat in der Karibik liegt, habe ich erst mal im Atlas nachgeschaut. 11.45–13.15h | SAAL (Konferenzeintritt: 8/5€) STADT NACH DEM ÖL Prof. Dr. Stephan Rammler | tim Rieniets | Moderation: Matthias Boettger Unsere Lebensweise ist auf die beständige Zufuhr von Energie angewiesen. Eine riesige Infrastruktur von Leitungen und Straßen sorgt für eine geregelte Zufuhr von Elektrizität, Benzin und Gas. Doch die Endlichkeit fossiler Ressourcen und das gleichzeitige Anwachsen der Städte weltweit fordern neue Konzepte für Mobilität und Stadtstruktur. 14.15–15.45h | SAAL (Konferenzeintritt: 8/5€) DENN SIE TUN NICHT, WAS SIE WISSEN Dr. Fritz Reusswig | Prof. Dr. Michael Braungart | Moderation: Marcus Peter Die Natur geht verschwenderisch mit ihren Ressourcen um. Daher könnte man die Bevölkerungsexplosion und den unnachhaltigen Umgang mit Energie auch als natürlich ansehen. Allerdings werden die Ressourcen in der Natur nicht zerstört, sondern in einen Kreislauf eingebracht. Der Mensch hat die Fähigkeit, diese Zusammenhänge zu verstehen und könnte dementsprechend vorausschauend reagieren. Warum tut er es nicht? Energie = Arbeit – www.stiftung.brandenburgertor.de 15.45h | SAAL (30–45min., Konferenzeintritt: 8/5€) VON DER ANDEREN SEITE ANGESPROCHEN (Deutschland) – Uraufführung Martin Clausen „Wir meinen, außer der Gewissheit als lebendiger Körper eine ‚zeitliche Verabredung‘ zur Molekülstruktur eingegangen zu sein, mit der unbelebten Materie nicht viel gemeinsam zu haben.“ Mit Hilfe seiner angewandten Anatomie wird Martin Clausen Einblicke in diese transstofflichen Zusammenhänge werfen. 17.00h–18.30h | SAAL (Konferenzeintritt: 8/5€) KÜNSTLERISCHE SZENARIEN DER ENERGIE Prof. Dr. Erika Fischer-Lichte | Prof. Dr. Christian Kassung | Prof. Rolf Elberfeld Die Rede von der Energie trifft im Kontext der Kunst schnell auf Definitionsprobleme. Die bei einem Gesang oder bei einer Aufführung beteiligten Energien können nur schwer differenziert und kaum gemessen werden. Wie lässt sich etwas versprachlichen und theoretisieren, das zwar bemerkt, aber nicht gewogen, gezählt oder fotografiert werden kann? 18.30h–20.00h | SAAL (Eintritt frei) GESPRÄCHSRUNDE »DIE ENERGIE DES THEATERS« Prof. Dr. Mieke Matzke (She She Pop) | Anne tismer u.a. Moderation: Dr. Barbara Gronau Gibt es eine spezifische Energie des theaters? Wie wird die Energie eines Darstellers spürbar? Resultiert dieser Eindruck aus Körpertraining? Gibt es im theater „energetische Übertragungen“? Ist jede Darstellung eine Arbeit am Verschwinden? Ist sie (Selbst-)Verschwendung? 20.00h | HALLE (95 min. | 18/14€) INVESTMENT (USA / Belgien) – Deutschlandpremiere CIE. Random Scream | Davis Freeman (Performance in englischer Sprache) (siehe S.3) 22.00h | SAAL OP EIGEN KRACHT (Niederlande) – Deutschlandpremiere Schwalbe | Lotte van den Berg (siehe S.3) (50–60 min. | 18/14€) 23.30h | STUDIO ARRITMIA (Venezuela) – Uraufführung Victor Moralez | Miguel toro (siehe Donnerstag) (20–30 min.) SONNtAG, 14. November 2010 17.00h | SAAL (50–60min. | 10/8€) DIE SCHÖNEN SEITEN DER UNUMKEHRBARKEIT (Deutschland) – Uraufführung theaterworkshop mit Berliner Jugendlichen in Zusammenarbeit mit dem theater an der Parkaue | Lajos talamonti Entropie bedeutet auch die Regentschaft des Zufalls und ist damit ein Maß für die Unordnung innerhalb eines Systems. In diesem Sinne ist jeder Schreibtisch ein Schauplatz von Wandlungsprozessen. Im theaterlabor macht sich der Regisseur Lajos talamonti gemeinsam mit Berliner Jugendlichen auf die Suche nach der Entropie des Alltags. 20.00h | SAAL THE ANATOMY LESSON (Niederlande) – Berlinpremiere Marijs Boulogne (Performance in englischer Sprache) (siehe S.3) (60min. | 14/10€) tÄGLICH (30–50min. | 5€) VERLIEREN LERNEN (Deutschland) – Uraufführung (Site specific Performance) Albrecht | Schiebe | Schössler Anscheinend muss man nur das Märchen von Hans im Glück begreifen, um die Sache mit der Entropie zu verstehen. Wir folgen den Spuren von Hans und versuchen zu verstehen, was an der tatsache, dass die Menge der zur Verfügung stehenden Energie mit jeder Umwandlung abnimmt, erfreulich sein könnte. (Bitte anmelden unter [email protected] und während des Festivals im Foyer) STUDIO (45 min. | Eintritt frei) VON MENSCHEN GEMACHT (Deutschland / Schweden) – Deutschlandpremiere Eva Meyer-Keller | Hanna Sybille Müller In ihrer Recherche mit Kindern betreiben Eva Meyer-Keller und Hanna Sybille Müller intuitive Katastrophenforschung, indem sie Erdbeben, Vulkanausbrüche, Lawinen, Großbrände und Explosionen, sowie klimatisch bedingte Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Dürreperioden und heftige Wirbelstürme in Modellen nachbauen. Entropia – www.entropia-festival.de Bis 13. Februar 2011 Mathias R., 22, Berlin, 3.714 Watt. „Ich habe kein Auto und mache auch keinen Urlaub. Ich hätte nicht gedacht, dass ein Auto so viel Unterschied macht.“ Stiftung Brandenburger Tor Max Liebermann Haus, Pariser Platz 7, 10117 Berlin Öffnungszeiten: Mo, Mi – Fr 10:00 – 18:00 Uhr Sa /So 11:00 – 18:00 Uhr Dienstags geschlossen 24. /25. /31.12 sowie 1.1.2011 geschlossen Eintritt: 5 ,-/2,- E; Sozialticket: 1,- e Führungen: Gruppenführungen : 40,- E zuzüglich 2,- Eintritt [email protected] tel.: 030-2263 3016 Führungen für Schulklassen: 40,- E [email protected] tel.: 030-2474 9888 Sebastian M. 33, Berlin, 5.502 Watt. „Meine Reise nach Ghana macht sich natürlich bemerkbar. Ich finde es auch erstaunlich, dass die Ernährung im Durchschnitt so viel ausmacht. Fotos: © A. Moers IV Kontakt: [email protected] [email protected] www.zukunft-der-energie.de Karten: Festivalpass: 50/38 E Kartentelefon: 030 288 788 588 oder über www.radialsystem.de Verkehrsverbindungen: Bus 100, 200 und S1, S2 Brandenburger tor IMPRESSUM Hrsg. KUNST-SToFF e.V. – Richardplatz 19, 12055 Berlin Festivalleitung Entropia: Judica Albrecht, Katja Kettner, Alexander Moers, Nicola Schössler, Marcus Peter (v.i.S.d.P.), und Hrsg. Stiftung Brandenburger Tor , Max Liebermann Haus - Pariser Platz 7, 10117 Berlin GEFÖRDERT VOM RADIALSYSTEM · V· Holzmarktstraße 33, 10243 Berlin www.radialsystem.de Haltestelle Ostbahnhof Projektkoordinatorin: Janet Alvarado Redaktion: Roberta Richards mit prototypen Ausstellungen Layout: Kaiser/Matthies, Kommunikations- und Ausstellungsdesign Entropia-Festival in Kooperation mit: Energie = Arbeit: