722_742_BIOsp_0708.qxd 07.11.2008 9:59 Uhr Seite 727 727 Infektionsimmunologie Der weißen Pest auf der Spur CHRISTOPH HÖLSCHER INFEKTIONSIMMUNOLOGIE, FORSCHUNGSZENTRUM BORSTEL Um die granulomatöse Gewebereaktion der Tuberkulose und ihre pathologischen Konsequenzen besser verstehen zu können, kann mithilfe von Polymerkügelchen die komplexe Zytokin-Antwort einer Mycobacterium tuberculosis (Mtb)-Infektion in der Lunge verlässlich quantifiziert werden. The complex cytokine response after infection with Mycobacterium tuberculosis could reliably be quantified using small polymer beads. ó Tuberkulose (TB) ist eine der häufigsten infektionsbedingten Todesursachen weltweit. Im Rahmen der granulomatösen Reaktion einer TB scheinen immunologische Schutzmechanismen auch mit dem entzündlichen Gewebeschaden eng verknüpft zu sein. Ein Ziel ist daher, die Mechanismen zu finden, welche ausschließlich für den entzündlichen Gewebeschaden verantwortlich sind. Messung von Zytokinen während der granulomatösen Reaktion einer MtbInfektion Während die Bedeutung von CD4+-T-Helfer1(TH1)-Zellen für eine schützende Immunantwort gegen die Infektion mit Mtb bekannt ist[1], ist die Rolle der vor kurzem beschriebenen so genannten TH17-Zellen noch weitgehend unklar. Diese TH17-Zellpopulation ist durch die Produktion des Zytokins Interleukin(IL)-17 charakterisiert und stellt eine eigene, von TH1-Zellen unabhängige T-Helfer-Zellpopulation dar[2]. Zurzeit geht man davon aus, dass diese TH17-Zellen benötigt werden, um die schützende TH1Immunantwort aufrechtzuerhalten[3]. Auf der anderen Seite wird vermutet, dass eine Reihe von chronischen Entzündungs- und Autoimmunerkrankungen durch IL-23- und IL-17produzierende TH17-Zellen verursacht werden[2]. Aus diesem Grund erscheint es ebenfalls möglich, dass TH17-Zellen an den granulomatösen Gewebeschäden einer Mtb-Infektion beteiligt sind und dass eine überschie- ¯ Abb. 1: Die Induktion von IL17-produzierenden T-Zellen in Mycobaterium tubercolosis (Mtb)infizierten Mäusen. C57Bl/6-Mäuse wurden per Aerosol mit 100 KBE Mtb infiziert und die Lungen zu verschiedenen Zeitpunkten isoliert. Die Frequenz von ESAT61– 20-spezifischen IL-17-produzierenden CD4+-T-Zellen wurde mittels Enzyme Linked Immuno Spot Technique (ELISPOT) gemessen. Weitere Erläuterungen siehe Text. BIOspektrum | 07.08 | 14. Jahrgang ßende TH17-Immunreaktion aufgrund einer unkontrollierten Zytokinausschüttung verstärkt zu einer pathologischen Entzündungsreaktion führen kann[4]. Infiziert man Mäuse mit Mtb per Aerosol, kann man die Infiltration von TH17-Zellen in die Lungen anhand eines so genannten IL-17-ELISPOTs messen (Abb. 1). Hierzu werden CD4+-T-Zellen aus den Lungen infizierter Tiere aufgereinigt und mit Zellen inkubiert, welche MtbAntigene präsentieren. Die Frequenz von TH17-Zellen wird nun durch die Quantifizierung von IL-17-produzierenden CD4+-T-Zellen bestimmt. Die Analyse zeigt, dass die Anzahl an TH17-Zellen in der Lunge schon früh nach der Infektion mit Mtb ihr Maximum erreicht und anschließend nur leicht abfällt (Abb. 1). Auf funktioneller Ebene wird angenommen, dass ein Cocktail aus Zytokinen die Entwicklung von TH17-Zellen antreibt. Während die Induktion dieser T-Helfer-Zellen aus naiven T-Zellen vor allem durch eine Kombination von IL-6, IL-1beta (β), Transforming Growth Factor beta (TGF-β) und Tumor Necrosis Factor (TNF) vermittelt wird, ist IL-23 für die Aufrechterhaltung von TH17-Zellen von Bedeutung. Die Charakterisierung dieser Zytokine, welche die Entwicklung von TH17Zellen fördern oder regulieren, erscheint nun bedeutsam, um die granulomatöse Gewebereaktion und ihre pathologischen Konsequenzen besser untersuchen zu können. Da eine Genexpressionsanalyse im tierexperimentellen Modell der TB nicht unbedingt Rückschlüsse auf die tatsächliche Produktion dieser Mediatoren zulässt, ist die Quantifizierung der Proteinausschüttung in Lungenhomogenaten per Aerosol infizierter Tiere wesentlich aussagekräftiger. Leider haben Standard-Nachweisverfahren von Zytokinen in Organhomogenaten, wie die ELISA-Technik, den entscheidenden Nachteil, dass hohe unspezifische Hintergrundsignale bereits in nicht infizierten Tieren gemessen werden. Im Gegensatz dazu bietet die Quantifizierung der Zytokinproduktion in Lungenhomogenaten aus nicht infizierten und infizierten Versuchsmäusen mittels Cytometric Bead Array ® (CBA, BD Bioscience) wesentlich verlässlichere Resultate[5]. Entsprechend wurde in der vorliegenden Studie die Produktion von TH17- 722_742_BIOsp_0708.qxd 728 07.11.2008 9:59 Uhr Seite 728 MET H ODE N & AN WE N DU NGEN ¯ Abb. 2: Die Produktion von TH17treibenden Zytokinen in Mtb-infizierten Mäusen. C57Bl/6Mäuse wurden per Aerosol mit 100 KBE Mtb infiziert und die Lungen zu verschiedenen Zeitpunkten isoliert. Die Proteinkonzentrationen von IL-12/IL-23p40 (A), TGF-β (B), IL-6 (C) und TNF (D) wurden in Lungenhomogenaten mittels CBA quantifiziert. Bisosience) mit anti-IL-12/IL-23p40 bzw. antiTGF-β monoklonalen Antikörpern im Labor gekoppelt. Zur Messung von TGF-β mussten die Proben zunächst unter einen pH von 3,0 für 15 min angesäuert und anschließend wieder neutralisiert werden. Jeweils 50 μl der unbehandelten Lungenhomogenate, der angesäuerten Proben und serielle Verdünnungen der rekombinanten Standard-Zytokine wurden mit den Beads für eine Stunde inkubiert. Nach einem Waschschritt wurden die Kügelchen eine weitere Stunde lang mit den entsprechenden biotinylierten monoklonalen Sekundärantikörpern (BD Bioscience) versetzt. Im Anschluss wurde ein Phycoerythrin Detection Reagent Mix (BD Bisocience) zugegeben, die Platten für eine Stunde inkubiert und nach einem letzten Waschschritt im Plattendurchflusszytometer (FACS Array; BD Bioscience) im Infektionsbereich gemessen. Jede Bead-Population wurde im Durchflusszytometer aufgrund ihrer spezifischen Fluoreszenz identifiziert und jeweils 500 Beads pro Zytokin wurden aufgenommen. Die Auswertung erfolgte mittels FCAP Array Software (BD Bioscience). Produktion von TH17-treibenden Zytokinen in Mtb-infizierten Mäusen induzierenden Zytokinen in Lungenhomogenaten von Mäusen vor und nach einer Aerosol-Infektion mit Mtb mittels CBA verfolgt. CBA zur Quantifizierung von Zytokinen CBA ist eine Methode zur Bestimmung von löslichen Substanzen, bei der die Proben zum Nachweis an Polymerkügelchen immobilisiert werden. Für jedes zu messende Zytokin wird eine Population von so genannten Capture Beads mit einem distinkten Fluorochrom eingesetzt. Diese Kügelchen sind mit einem für das jeweilige Zytokin spezifischen Primärantikörper gekoppelt und binden das Molekül in der Probe. Dieser Capture Bead-Primärantikörper-Zytokin-Komplex bindet wiederum einen spezifischen Sekundärantikörper, der mit einem zweiten Fluorochrom gekoppelt ist. Während der erste Fluoreszenzfarbstoff erlaubt, die für jedes Zytokin spezifischen Kügelchen zu diskriminieren, kann über die Messung der Intensität der an den sekundären Antikörper gekoppelten Fluoreszenz die Menge an gebundenem Zytokin aus der Probe geschlossen werden. Die Messung erfolgt über die Durchflusszytometrie. Durch den Vergleich mit einer Verdünnungsreihe aus rekombinanten Zytokinen können über eine Standardkurve quantitative Ergebnisse erzielt werden. Die Konzentrationen der TH17-treibenden Zytokine IL-12/IL-23p40, TGF-β, IL6 und TNF wurden mittels CBA (BD Bioscience) in Lungenhomogenaten von uninfizierten und infizierten Mäusen im L3-Infektionsbereich des Forschungszentrums Borstel bestimmt. Vor und nach der AerosolInfektion mit Mtb wurden die Lungen der Tiere präpariert und in einen Proteinase-Inhibitor-Cocktail in PBS gegeben. Nach Homogenisierung wurden die Gewebereste abzentrifugiert und die Überstände für die CBAAnalyse im Infektionsbereich verwendet. Die Konzentrationen an IL-6 und TNF wurden mit einem fertigen CBA Mouse Flex Set (BD Bioscience) bestimmt. Weil Beads spezifisch für IL-12/IL-23p40 und TGF-β kommerziell als CBA Mouse Flex Sets nicht erhältlich sind, wurden so genannte Functional Beads® (BD Die Differenzierung und Proliferation von TH17-Zellen wird durch eine Kombination von Zytokinen vermittelt (IL-23, TGF-β, IL-6 und TNF). In Lungenhomogenaten nicht infizierter Mäuse wurden geringe Konzentrationen an IL-12/IL-23p40 gefunden und nach Aerosol-Infektion mit Mtb erreichte die IL12/IL-23p40-Produktion in den Lungen bereits ein Maximum am Tag 21 (Abb. 2A). Im Gegensatz dazu war TGF-β bereits in den Lungen nicht infizierter Mäuse nachweisbar und nach Aerosol-Infektion nahm die Konzentration dieses Zytokins stetig zu (Abb. 2B). IL-6 (Abb. 2C) und TNF (Abb. 2D) waren in den Lungen nicht infizierter Tiere schwer detektierbar; 21 Tage nach der Aerosol-Infektion mit Mtb erreichte die Konzentration beider Zytokine bereits ihr Maximum, nahm anschließend aber wieder ab. Unsere CBA-basierte Analyse der ZytokinProduktion in Lungen Mtb-infizierter Mäuse zeigt eine starke Korrelation von TH17-treibenden Zytokinen und der Expansion von Antigen-spezifischen TH17-Zellen. Die konzertierte Expression von IL-12/IL-23p40, TGFβ, IL-6 und TNF in Lungen infizierter Mäuse scheint also mit der Entwicklung und Aufrechterhaltung einer TH17-Zellpopulation einherzugehen. BIOspektrum | 07.08 | 14. Jahrgang 722_742_BIOsp_0708.qxd 07.11.2008 Da eine TH17-Immunantwort für die Pathogenese bei verschiedenen Infektions-, Autoimmun- und chronischen Entzündungskrankheiten verantwortlich zu sein scheint [2] , ist die Kenntnis regulatorischer Mechanismen vor allem auch in der TB essenziell. Eine quantitative Analyse von Faktoren, die eine pathogene TH17-Differenzierung antreiben und aufrechterhalten, ist von großer Bedeutung, um solche Mechanismen beurteilen zu können. Antiinflammatorische Zytokine stellen z. B. potente Inhibitoren der Produktion von TH17-treibenden Zytokinen IL-12/IL-23p40, TGF-β, IL-6 und TNF durch Dendritische Zellen und Makrophagen dar [4] . Eine genaue Analyse dieser komplexen regulatorischen Mechanismen kann zu unserem Verständnis beitragen, wie eine TH17-Immunantwort gebremst werden kann, und eröffnet Perspektiven zur Entwicklung neuer Therapeutika, in deren Fadenkreuz die TH17-vermittelte Pathogenese von infektionsinduzierten, autoimmunen und chronisch entzündlichen Erkrankungen steht. Um die TH17-treibende Zytokin-Produktion in Lungen aus Mtb-infizierten Mäusen zuverlässig bestimmten zu können, hat sich die hier vorgestellte Methode des CBA-basierten Nachweises als optimal erwiesen. Gegenüber anderen Verfahren zur Quantifizierung von Proteinen bietet sie vor allem zwei Vorteile: (1) Hintergrundsignale sind in den hier untersuchten Organhomogenaten ausgesprochen gering. (2) Es sind nur 50 μl einer Probe notwendig, um gleichzeitig mehrere Analyte zu messen. Über die Kopplung von Antikörpern an Functional Beads besteht die Möglichkeit, eigene CBA-Systeme aufzubauen und die Palette an Nachweismöglichkeiten beliebig zu erweitern. BIOspektrum | 07.08 | 14. Jahrgang 9:59 Uhr Seite 729 Zusammenfassend stellt die CBA-Nachweismethode mit Functional Beads eine hervorragende Methode dar, um zuverlässig Zytokine in geringen Volumina von Organhomogenaten, beispielsweise während der experimentellen TB, zu quantifizieren. ó Literatur [1] Kaufmann, S. H. (2006): Tuberculosis: back on the immunologists’ agenda. Immunity 24: 351–357. [2] Hölscher, C. (2005): Targeting IL-23 in autoimmunity. Curr. Opin. Investig. Drugs 6: 489–495. [3] Khader, S. A., Bell, G. K., Pearl, J. E., Fountain, J. J., Rangel-Moreno, J., Cilley, G. E., Shen, F., Eaton, S. M., Gaffen, S. L., Swain, S. L., Locksley, R. M. Haynes, L., Randall, T. D., Cooper A. M. (2007): IL-23 and IL-17 in the establishment of protective pulmonary CD4+ T cell responses after vaccination and during Mycobacterium tuberculosis challenge. Nat. Immunol. 8: 369–377. [4] Hölscher, C., Hölscher, A., Rückerl, D., Yoshimoto, T., Yoshida, H., Mak, T., Saris, C., Ehlers, S. (2005): The IL-27 receptor chain WSX-1 differentially regulates antibacterial immunity and survival during experimental tuberculosis. J. Immunol. 174: 3534–3544. [5] Hölscher, C., Reiling, N., Schaible, U. E., Hölscher, A., Bathmann, C., Korbel, D., Lenz, I., Sonntag, T., Kröger, S., Akira, S., Mossmann, H., Kirschning, C. J., Wagner, H., Freudenberg, M., Ehlers, S. (2008): Containment of aerogenic Mycobacterium tuberculosis infection in mice does not require MyD88 adaptor function for TLR2, -4 and 9. Eur. J. Immunol. 38: 680–694. Korrespondenzadressen: Prof. Dr. Christoph Hölscher Forschungszentrum Borstel Parkallee 22 D-23845 Borstel Tel.: 04537-188-586 Fax: 04537-188-775 [email protected] Becton Dickinson GmbH BD Biosciences Tullastraße 8–12 D-69126 Heidelberg Tel.: 06221-305-203 Fax: 06221-305-216 www.bd.com