Das nukleäre, zellproliferationsassoziierte Antigen Ki

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5 Diskussion
5.1
Beurteilung des klinischen Verlaufs des Prostatakarzinoms
anhand verschiedener Prognosefaktoren
Die Klinik wie die Erwartung des betroffenen Patienten suchen nach einer
möglichst genauen Risikoabschätzung eines histologisch bestätigten
Prostatakarzinoms. Dieser Anspruch ist nicht leicht zu erfüllen. Das ergibt
sich aus der Heterogenität des Tumors und der daraus resultierenden
unterschiedlichen Aggressivität. Nicht zuletzt muss auch die definitive
Therapieentscheidung vom Proliferationspotential des Tumors abhängig
gemacht werden. Deshalb ist eine Differenzierung zwischen potentiell
progredienten Prostatakarzinomen und solchen, die vermutlich inapperent
bleiben werden, wünschenswert wie notwendig. Noch immer klafft auch eine
Lücke zwischen Mortalität und Inzidenz.
Die Proliferationsrate in Prostatakarzinomen ist insgesamt niedrig, liefert aber
bei der Bestimmung der Tumorprogression eine entscheidende Information
(136). Die Proliferation des Prostatakarzinoms, die durch die Erfassung von
Mitoserate, dem S-Phase-Anteil oder der immunhistochemischen
Untersuchung des Zellzyklus wie PCNA oder Ki-67 durchführbar ist, wurde
bereits in zahlreichen Studien zum klinischen Verlauf in Bezug gesetzt (137,
138, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 145). Visakorpi fand bei insgesamt 60 von
139 untersuchten DNA-zytometrischen Analysen eine Aneuploidie. Diese
stand in sehr engem Zusammenhang zum histologischen Grading (p<0.001)
und korrelierte schwach mit der Fernmetastasierung (p=0.059).
Ein direkter Bezug zum T-Stadium, zum Tumorstadium oder zum Alter des
Patienten liess sich nicht nachweisen.
Die immunhistochemische Untersuchung des PCNA mittels des PC 19Antikörpers zeigte keine Korrelation mit dem T-Stadium, den Metastasen, der
Grösse der Prostata oder dem Alter der Patienten.
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Mittels des 19A2-Antikörpers konnte jedoch eine Korrelation zum
histologischen Grading wie auch zur Grösse der Prostata und zum Alter des
Patienten gefunden werden.
Die prognostische Aussagekraft der DNA-Aneuploidie zeigte eine Korrelation
mit einer niedrigen Überlebensrate und dem progressionsfreien Intervall.
Der PCNA (PC10) liess keinen Rückschluss auf die Überlebenszeit zu.
Insgesamt zeigte die Untersuchung im Hinblick auf die Überlebensdauer nur
eine echte Korrelation bei M0-Prostatakarzinompatienten, wenn S+/G2/MZellen untersucht wurden.
Vesalainen fand in seiner Untersuchung einen Zusammenhang zwischen
dem mitotischen Index und dem Gleason Score und/oder dem
Metastasierungsgrad. Der mitotische Index war bei T1-2M0-Tumoren von
prognostischer Aussagekraft.
Es fanden auch weitere Faktoren wie genotypische Charakterisierungen oder
Onkogene Berücksichtigung (68, 69, 70, 146, 147).
Bookstein (70) beleuchtete hier die generelle Bedeutung der Mutation von
Tumorsuppressorgenen im Rahmen der Onkogenese. Beispielhaft seien hier
das 1979 ursprünglich beschriebene p53 und das Retinoblastomgen (Rb)
genannt, die bereits in vielen Studien untersucht wurden.
Die Inaktivierung von Tumorsuppressorgenen wird als fundamentaler Schritt
in der Entstehung von Malignomen angesehen. Dabei ist jedoch davon
auszugehen, dass neben den auf Chromosomenabschnitten plazierten
Genloci (2.4) weitere wichtige Ansatzstellen für genetische Defekte
bestehen. Insgesamt macht diese Tatsache eine prognostische Wertung
schwierig. Auch eine Therapieentscheidung lässt sich allein aus diesem
Parameter nicht ableiten.
Desweiteren fanden die Korrelationen des histologischen Gradings und des
klinischen Stagings breite Berücksichtigung in der Frage nach der
Überlebenswahrscheinlichkeit. Insbesondere die Arbeiten von Gleason
belegen die engen Beziehungen zwischen morphologischer Differenzierung
und Lebenserwartung (6). Die Untersuchung an 1032 Patienten hatte
ergeben, dass die Bestimmung des Stagings und des Gradings in
Kombination diejenigen Patienten mit einer hohen
63
Überlebenswahrscheinlichkeit identifizieren könnte und somit substantielle
aber auch eingeschränkte prognostische Aussagekraft beinhaltet.
5.2
Ki-67 als Proliferationsmarker und dessen prognostische Relevanz
Das proliferationsassoziierte Antigen Ki-67 findet bereits seit weit mehr als
einem Jahrzehnt Berücksichtigung in der Literatur (148, 149). Die Möglichkeit
der Untersuchung von entparaffinierten Schnitten eröffnete dabei breite
Möglichkeiten. Die Beurteilung der Proliferation von benignen und malignen
Zellverbänden wurde unter verschiedenen Gesichtspunkten untersucht (47,
150, 151, 152, 153). Gallee (11) fand bei BPH-Proben eine Proliferationsrate
von durchschnittlich 0,3% auf die epithelialen Zellen bezogen. Dabei zeigten
die Ki-67 positiven Zellen eine Gleichverteilung unter den Basal- und den
Luminalzellen innerhalb der hyperplastischen Areale. Demgegenüber fand
sich bei Prostatakarzinomproben (n=33) mit 0,4% bis 9,1% (Mittel: 2,9%)
eine deutlich höhere Rate proliferierender Zellen. Dabei waren solide
Tumoren mit den höchsten Raten an Ki-67-positiven Zellen (Mittel: 7,6%)
beteiligt. Alle Tumoren waren nicht vorbehandelt. Insgesamt fand sich bei der
Untersuchung kein sicherer Zusammenhang zwischen Proliferationsrate und
histologischem Grading.
Bubendorf zeigte in einer Untersuchung an 137 Prostatakarzinompatienten,
dass Ki-67 einen unabhängigen prognostischen Marker darstellt. Diese
These konnte in einer Erhebung von Stattin (153) bestätigt werden. An 125
nicht vorbehandelten Tumoren wurde jeweils der Anteil Ki-67-positiver Zellen
bestimmt und zu der verfolgten Überlebenszeit (11-19 Jahre, Mittel: 71
Monate) in Bezug gesetzt. Dabei korrelierte der Ki-67-Index mit dem Grading
(p<0,0005) und mässig mit dem Staging (p<0,019) des Tumors. In dieser
Untersuchung zeigte sich auch die bedeutsame Tatsache, dass jene
Patienten mit einer Proliferationsrate von mehr als 3% eine um die Hälfte
verringerte Lebenserwartung hatten. Coetzee (152) konnte eine Korrelation
zwischen Gleason-Grad, T-Staging und Ki-67-Index herstellen.
64
5.3
Beurteilung der eigenen Ergebnisse
Überraschenderweise ergab die Analyse des Gesamtkollektivs dieser Arbeit
hinsichtlich der Überlebenszeit nach der Erstdiagnose eine durchschnittlich
längere Überlebenszeit für die entdifferenzierten Karzinome. Dies liegt
jedoch in der unterschiedlichen Gruppenverteilung begründet und ist nicht
zuletzt Folge der kleinen Gruppe G3-Tumoren (n=15). Dennoch ist die
Tatsache an sich interessant, dass bei den hier untersuchten,
fortgeschrittenen und hormonunabhängig wachsenden Tumoren das Grading
kaum Einfluss auf die Überlebensspanne hatte.
Der Einfluss der Metastasierung auf die Überlebensspanne war
erwartungsgemäss ablesbar. Die Kaplan-Meier Analyse verläuft
diesbezüglich eindeutig, obwohl eine statistische Relevanz in deutlicherer
Ausprägung zu erwarten gewesen wäre. Hinsichtlich der
Proliferationstendenz der ossär metastasierten Patienten ergab die
Gruppenzugehörigkeit (<3% Proliferation und > 3% Proliferation) keine
Signifikanz im Hinblick auf die Überlebenszeit innerhalb dieser Gruppe.
Ebensowenig konnte ein Zusammenhang zwischen der
Proliferationstendenz, dem Grading und der Überlebenszeit der ossär
metastasierten Patienten hergestellt werden, d.h. auch hier hatte die
Zelldifferenzierung dieser hormonunabhängig wachsenden Karzinome keine
Bedeutung.
Die Patienten ohne Knochenmetastasen, die länger als drei Jahre
überlebten, wiesen deutlich niedrigere Proliferationsraten auf, auch wenn
dieser Unterschied kein Signifikanzniveau erreicht.
Innerhalb der Gruppe der gut- und mittelgradig differenzierten Karzinome war
der Unterschied der Proliferationstendenz zwischen Gruppe I und Gruppe II
(<3% bzw. > 3% PI) mit einer durchschnittlichen Verlängerung der
Überlebensspanne von 19 Monaten vergesellschaftet. Somit ergab innerhalb
dieser Gruppe der Proliferationsindex eine zusätzliche, wichtige Information
hinsichtlich der Überlebenswahrscheinlichkeit. Dementsprechend verläuft
auch die Kaplan-Meier-Kurve deutlich zugunsten der niedrig proliferierenden
Zellen.
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Der PSA-Wert verhält sich im Vergleich zum Proliferationsindex heterogen.
Eine direkte Korrelation zwischen diesen Parametern konnte insgesamt nicht
gefunden werden.
5.4
Zusammenfassung
Das Prostatakarzinom hat sich unter den Organmalignomen zur häufigsten
Erkrankung des Mannes in Deutschland entwickelt. Es ist ein Tumor mit
einem hohen Mortalitätsrisiko.
Die heterogene Struktur der Prostatakarzinomzellen macht eine
prognostische Aussage bezüglich der Aggressivität des Tumors schwierig.
Zuverlässige prognostische Faktoren fehlen bislang.
Es wurden histologische Präparate von insgesamt 57 Patienten mit
fortgeschrittenen, androgenablativ behandelten Prostatakarzinomen
hinsichtlich ihrer Proliferationskinetik mittels des proliferationsassoziierten,
nukleären Antigens Ki-67 untersucht. Alle Patienten befanden sich im
Tumorprogress, d.h. es wurden ausschliesslich hormonrefraktäre
Prostatakarzinome untersucht.
Die Analyse der Untersuchungsergebnisse zeigte eine eindeutige Wertigkeit
dieses Parameters in Bezug zur Überlebenswahrscheinlichkeit der
Patienten. Insbesondere bei Patienten ohne ossäre Filialiserung, die in der
Zuordnung der Prognose und/oder der Überlebenswahrscheinlichkeit am
schwierigsten zu beurteilen sind, kann der Proliferationsindex als zusätzliche
Grösse herangezogen werden.
Aus diesem Grund konnte die vorliegende Arbeit zeigen, dass das nukleäre,
proliferationsassoziierte Antigen Ki-67 einen unabhängigen prognostischen
Marker beim hormonrefraktären Prostatakarzinom darstellt.
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