1. Definition und Formen von Zentren * Zentren in Krankenhäusern

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1. Definition und Formen von Zentren
Zentren in Krankenhäusern sprießen in Deutschland zur Zeit wie Pilze aus dem Boden.
Neue (Fach-)abteilungen, Kliniken oder Institute werden praktisch gar nicht mehr
eröffnet. Die Beliebtheit des „neuen“ Konstrukts ist wohl vor allem den positiven
Assoziationen mit dem Begriff geschuldet: Mit Zentrum verbindet man zum einen in
Anlehnung an das Einkaufszentrum schlicht „Größe“ und damit die Bequemlichkeit,
alles, was man benötigt, an einem Ort zu erhalten. Zum anderem - dem etymologischen
Ursprung entsprechend – wird mit Zentrum die Vorstellung einer zentralen Institution
assoziiert, die quasi den Mittelpunkt des Handelns darstellt. Auch deshalb wird vieles
zum Zentrum deklariert, ohne dass damit so recht klar wäre, was dies bedeutet. Der
Begriff muss zunächst präzisiert werden:
Wir verstehen Zentren in Krankenhäusern als besondere Form der
Unternehmenssteuerung. Zentren verkörpern dezentrale Einheiten (von der
Unternehmensleitung aus gesehen) und gleichzeitig übergeordnete Strukturen (von den
einzelnen Kliniken aus betrachtet). Mit ihnen verfolgt man eine effektive und
effizientere Leistungserstellung, in dem man gleichzeitig auf Dezentralisierung und
Bildung gewisser Superstrukturen (ggf. nur virtueller Art als Netzwerk) setzt. Zentren
können sich als sog. interne Zentren auf einen Standort bzw. ein Haus beziehen, aber
auch für mehrere Krankenhäuser, meist eines Trägers, entwickelt werden.
Als wichtigen Indikator für die Unterteilung verschiedener Zentrentypen dient uns der
Grad der Ausrichtung an der Wertschöpfungskette (ggf. unter mehr oder weniger starker
Berücksichtigung anderer Leistungserbringer) mit dem Ziel einer ganzheitlich optimalen
Patientenbehandlung. Zentrenbildung ist daher stark verbunden mit der Schaffung
ganzheitlicher Versorgungsstrukturen, durch die die funktional fragmentierte Versorgung
wieder zu einem sinnvollen Ganzen mit eindeutiger Verantwortung für das erzielte
Ergebnis und damit den geschaffenen Wert der Leistung für den Patienten
zusammengeführt werden soll. Die Wertorientierung drückt sich in einer möglichst
günstigen Relation von Kosten pro gewonnener Nutzeneinheit aus, ganz gleich welche
Kriterien den Patienten-Nutzen konkret definieren. Die folgende Abbildung zeigt
verschiedene Zentrentypen.
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Titel des Beitrags:
Formen, Management und Führungsorganisation von Krankenhauszentren
Univ.-Prof. Dr. Günther E. Braun, Leiter des Instituts für Betriebswirtschaftslehre des öffentlichen
Bereichs und Gesundheitswesens, Fakultät für Wirtschafts- und Organisationswissenschaften, Universität
der Bundeswehr München
Andreas Greulich, MSc, Krankenhaus-Betriebswirt (VKD), Departementsmanager
Schweizer Herz- und Gefäßzentrum, Universitätsspital Bern (Inselspital)
Dr. Jan Güssow, Projektmanagement Integrierte Versorgung, Geschäftsführung Strategie und Planung,
Städtisches Klinikum München GmbH
Karsten Honsel, Diplom-Kaufmann, Geschäftsführer mit dem Geschäftsbereich Finanzen und
Infrastruktur der Klinikum Region Hannover GmbH
Dr. med. Hermann Stockhorst, MBA, Referent der Geschäftsführung, Klinikum Region Hannover GmbH
KompetenzZentren
Komplexe Zentren,
z.B. Tumorzentren
Notfallzentren
Organzentren
Departemente
Dienstleistungszentrum
Service /
Supportzentrum
(z.B. Radiologie)
(z.B. DRG-Zentrum)
Auf unterster Ebene stehen hinsichtlich der Orientierung an der Wertschöpfung sog.
Dienstleistungs- bzw. Service- und Supportzentren. Bei diesen Zentrentypen geht es
vornehmlich um die synergetische Zusammenfassung von verschiedenen, den
Patientenbehandlungsprozess unterstützenden Tätigkeiten auf medizinischer und
administrativer Ebene. Unterstützende, medizinische Dienstleistungen finden sich z.B.
häufig im Bereich der Diagnostik, z.B. als übergreifende Zentren für Radiologie,
Sonographie und Nuklearmedizin. Daneben gibt es rein administrative Servicezentren,
wie z.B. DRG-Zentren. Im Städtischen Klinikum München wurden in einem
Medizinischen Dienstleistungszentrum „Medizet“ die Apotheke, die Klinische Chemie,
die Mikrobiologie und Pathologie sowie die Sterilgutversorgung, Transfusionsmedizin
und Hygiene für fünf Krankenhausstandorte zusammengefasst. Ebenfalls im Medizet
untergebracht ist das Institut für Klinische Forschung, welches die Vereinheitlichung und
Optimierung der internen administrativen Prozesse zur Prüfung und Abrechnung von
Forschungsvorhaben und Studien zur Aufgabe hat. Diese Zentren führen keine eigenen
Patienten. Ihre vornehmliche Zielsetzung besteht in der Bündelung von Kompetenzen
und der Kosteneinsparungen durch Skalen- und Verbundeffekte.
Die meisten Zentren, welche zur Zeit diskutiert werden, befinden sich auf der zweiten
Ebene, sei es als Notfallzentren, Organzentren (z.B. Darmzentren, Mammazentren,
etc.) oder Departemente, die ebenfalls verschiedene Fachbereiche organisatorisch und
teilweise auch räumlich sinnhaft zusammenführen. Hier steht die Reorganisation interner
Strukturen entlang des Patientenbehandlungsprozesses im Vordergrund. Organzentren
sind dabei häufig eher virtueller Natur. Die Fachbereiche (z.B. Chirurgie,
Gastroenterologie und Hämato-/Onkologie) sind nach wie vor organisatorisch getrennt,
jedem Fachbereich steht ein Chefarzt vor. Für die Behandlung bestimmter Krankheiten
existiert aber eine organisierte interdisziplinäre Zusammenarbeit anhand von
leitlinienbasierten Patientenpfaden und institutionalisiert durch verschiedene Instrumente,
wie z.B. Qualitätszirkel und Tumorboards. Departemente hingegen sind zumeist
organisatorisch stärker zusammengeführte Fachdisziplinen, die einen einheitlichen
administrativen Überbau erhalten. Departemente sind daher enger integriert als
Organzentren.
Komplexe Zentren, wie z.B. Tumor-Zentren, gehen noch einen Schritt weiter. Hier
werden Aktivitäten nicht nur entlang der Patientenbehandlung für eine (Tumor-)
Erkrankung eines Organs organisiert, sondern für alle (Tumor-)Erkrankungen, was
letztlich eine koordinierte Zusammenarbeit praktisch sehr vieler Fachbereiche zur Folge
hat. Dabei sind solche übergreifenden Zentrentypen nicht auf Tumorerkrankungen
reduziert. Es gibt ebenfalls z.B. „Ernährungszentren“, die alle Aspekte des metabolischen
Syndroms umschließen oder Mutter-Kind-Zentren, die alle Aspekte der pränatalen
Vorsorge, Geburt und postnatalen Nachbetreuung, z.B. in sog. Perinatalzentren,
beinhalten. Hier handelt es sich um eine komplexe Versorgung, die viele verschiedene
Fachdisziplinen auf den potentiellen Versorgungsplan ruft.
Auf höchster Stufe sehen wir spezielle Kompetenz-Zentren angesiedelt, die aber
begrifflich häufig ebenfalls als Tumorzentren etc. gefasst werden. Sie stellen in gewisser
Weise noch eine Idealvorstellung dar und sind in Deutschland in der Form bisher nicht
vollständig umgesetzt, auch wenn es viele Bestrebungen in diese Richtung gibt. Als
konstitutive Merkmale eines Kompetenz-Zentrums scheinen uns die folgenden Aspekte
wesentlich:
 Eine stringente Ausrichtung aller (Behandlungs-)Prozesse am Kundennutzen,
daher die gemessene Wertschöpfung für den Patienten als zentrales Merkmal.
 Eine vollständige, sektorenübergreifende Betreuung von Krankheitsbildern von
der Prävention über die Diagnosefindung und Therapie bis zur Rehabilitation und
Nachsorge (vertikale Integration).
 Eine organisierte, interdisziplinäre Zusammenarbeit vormals getrennter
Professionalitäten und medizinischer Fachbereiche (horizontale und laterale
Integration).
 Eine ausführliche, den gesamten Krankheitsverlauf umfassende Dokumentation
zur kontinuierlichen Verbesserung der Versorgung.
Alle diese Aspekte können in den anderen Zentrentypen bereits mehr oder weniger
enthalten sein; erst die Verbindung dieser Merkmale machen Zentren jedoch zu
Kompetenz-Zentren. Kompetenz-Zentren gehen zumeist aus Organzentren bzw.
Departementen hervor. Der Umfang eines Kompetenz-Zentrums kann durchaus variieren.
Es ist nicht notwendig, dass ein Zentrum ein riesiger Monolith sein muss, der alle
Krankheitsbilder umfasst. Schiere Größe allein ist explizit kein primäres Merkmal eines
Kompetenz-Zentrums. Zum Status eines vom Dachverband „Arbeitsgemeinschaft der
Deutschen Tumorzentren e.V.“ anerkannten Tumorzentrums gehört es, ein klinisches
Krebsregister zu führen. Eine ausführliche Dokumentation ist nicht nur zur
kontinuierlichen Verbesserung notwendig, sondern auch um die Wertschöpfung messund kommunizierbar zu machen. In diesem Zusammenhang ist auch auf den Begriff des
Comprehensive Cancer Centers (CCC) nach US-amerikanischem Vorbild hinzuweisen,
der insbesondere auf ein Zentrum mit klinischer (Grundlagen-)Forschung abhebt. Ein
Kompetenz-Zentrum kann daher durchaus auch als CCC geführt werden,
Grundlagenforschung stellt aber kein konstitutives Merkmal von Kompetenz-Zentren dar.
Forschung wird in Deutschland vorwiegend an Universitätsklinika betrieben, dennoch
können auch andere Krankenhäuser Kompetenz-Zentren errichten, wenn dafür Sorge
getragen wird, dass medizinische Erkenntnisse schnell Eingang in die
Versorgungsprozesse finden, um Ergebnisse für den Patienten zu verbessern.
Kompetenz-Zentren heben sich von den Organzentren und Departementen insbesondere
dadurch ab, dass zusätzlich zur inner-organisatorischen Integration auch eine vertikale
Integration verschiedener Sektoren des Gesundheitswesens erfolgt, sodass die
Versorgung des gesamten Krankheitsverlaufs im Sinne eines Disease Managements
gewährleistet ist. Solche Strukturen bieten für den Patienten einen großen Nutzen und
damit eine gute Grundlage für ein wertorientiertes Krankheitsmanagement.
2. Beispiele von Zentren
Das Städtische Klinikum München fasst seit dem Jahr 2006 medizinische Kompetenz
und fachliche Schwerpunktbereiche zu „Medizinischen Zentren“ zusammen. Dabei
werden verschiedene Fachabteilungen unter einem Dach vereinigt, um eine schnelle,
kompetente, moderne und reibungslose Medizin garantieren zu können. Aufgrund der
mannigfaltigen Überschneidungen vieler Krankheitsbilder wurden unterschiedliche
Ausprägungen von Zentren institutionalisiert. So existieren organsystembezogene
Zentren (z.B. Herzzentrum), entitätsbezogene Zentren (z.B. Tumorzentrum) und
patientengruppenbezogene Zentren (z.B. Mutter-Kind-Zentrum). Dabei arbeiten
verschiedene Zentren auch standortübergreifend, um den Wissenstransfer und die
Interdiziplinarität nicht an örtlichen Grenzen enden zu lassen. (z.B. Unfallchirurgisches
Zentrum Süd). Das Städtische Klinikum München hat 2007 in den einzelnen Standorten
eine Reihe von Zentren offiziell etabliert, so z.B. am Klinikum Bogenhausen ein
Herzzentrum, ein Lungenzentrum und ein Abdominalzentrum. Am Klinikum Harlaching
wurde ein Zentrum Süd für Unfallchirurgie, Orthopädie und Wiederherstellungschirurgie
etabliert, im Klinikum Neuperlach ein Zentrum für Abdominalerkrankungen. Das
Klinikum Neuperlach ist darüber hinaus auch am Zentrum Süd beteiligt. Am Klinikum
Schwabing wurde ein Zentrum für Unfallchirurgie, Traumatologie und
Wiederherstellungschirurgie sowie ein Herz-, Gefäß- und Stoffwechselzentrum eröffnet.
Weitere Zentren befinden sich in Planung und sollen in nächster Zeit eröffnet werden.
In der Klinikum Region Hannover GmbH stellt sich eine besondere Situation dar, weil
das Unternehmen erst im Jahre 2005 gegründet wurde. Auf einer Fläche von der Größe
des Saarlandes werden in der Region 13 Krankenhäuser unter einem Dach vereint. Mit
den Vorbereitungen zur Unternehmensgründung stellte sich zwangsläufig die Frage auch
nach übergeordneten Strukturen im Sinne von Zentren. Denn medizinische
Fachspezialisierungen und Kompetenzen waren auf der Ebene der Krankenhäuser verteilt
und zum Teil mehrfach vorhanden.
Es ist hervorzuheben, dass im Klinikum eine unternehmensweite Definition für
Zentrumsstrukturen
vorhanden
ist.
Danach
sind
Zentren
überwiegend
krankenhausübergreifende Strukturen, können sich aber auch krankenhausintern
abbilden. Einzelne Standorte krankenhausübergreifender Zentren müssen nicht alle
Angebote vorhalten. Wichtig ist zunächst die Definition der Ziele und Aufgaben eines
Zentrums. Danach kommt die Festlegung der organisatorischen und fachlichen
Verantwortung im Rahmen einer Geschäftsordnung. Bedeutungsvoll ist die
Prozedurendarstellung zur Klärung allgemeiner und medizinsicher Abläufe z.B. über
Standardfestlegungen, SOP’s oder Klinische Pfade. Definierte Qualitätskontrollen
spielen eine Rolle. Des Weiteren sind eine Leistungssteuerung und kaufmännische
Überlegungen mit Fallzuordnung und –abrechnung notwendig. Das Personalwesen muss
darüber hinaus auf die Zentrumsstruktur ausgerichtet sein, um eine adäquate Steuerung
der Personalressourcen und der Weiterbildung zu ermöglichen.
Im Klinikum Region Hannover konnten in einem schrittweisen Verfahren
Zentrumsstrukturen aufgebaut werden. Neben Zentren im Bereich der
sekundärmedizinischen Leistungen wurden überwiegend krankenhausübergreifende
fachlich-medizinische
Zentren
konzipiert,
die
teilweise
mit
externen
Kooperationspartnern und auch sektorübergreifend tätig werden sollen.
Die Steuerungsebene für Leistungen, Erlöse und Kosten sind im Klinikum Region
Hannover die einzelnen Krankenhäuser. Die gesamtbezogene Unternehmenssteuerung
basiert auf der Budgetierung der einzelnen Einrichtungen. Diese Struktur wird behutsam
überlagert von ersten zentrumsähnlichen oder zentrumsbezogenen Berichtsstrukturen und
Verantwortlichkeiten. Hierzu sind in den nächsten Jahren Steuerungserfahrungen zu
sammeln und zu bewerten. Eine eigenen Steuerung auf Zentrumsebene ist aber nicht
vorgesehen.
Am Beispiel des Herzzentrums kann sehr gut deutlich gemacht werden, welche
Potenziale sich hinter einer Zentrumsbildung verbergen. Hier ist ein Weg vom
Organzentrum bis zum Kompetenz-Zentrum erkennbar. Das Herzzentrum hat sich aus
den kardiologischen Abteilungen in der Klinikum Region Hannover GmbH und damit
aus den drei Krankenhäusern Robert-Koch-Krankenhaus Gehrden, Krankenhaus
Neustadt und Krankenhaus Siloah in Hannover, unterstützt durch weiter internistische
Fachabteilungen, konstituiert.
Die Kardiologie bietet sich zur Zentrumsbildung an, da in den Abteilungen
Herzkatheterlabore betrieben werden, die hoch standardisierte Leistungen erbringen.
Diese orientieren sich an Leitlinien und Standards der Fachgesellschaften und sind
untereinander gut vergleichbar. Gleichzeitig sind die Leistungen in der Notfallversorgung
der Bevölkerung essentiell.
Folgende Maßnahmen wurden schrittweise umgesetzt:
 Zur Vermeidung einer Fremdvergabe von Leistungen an Krankenhäuser außerhalb
der Klinikum Region Hannover GmbH wurde eine Zusammenarbeit mit allen
internistischen Abteilungen der Krankenhäuser der Klinikum Region Hannover





GmbH vereinbart. Ziel dieser Vereinbarung war die Erbringung sämtlicher
Herzkatheteruntersuchungen in den kardiologischen Abteilungen des Klinikums.
Die Standardisierung und der gemeinsame Einkauf von Materialen für die
Herzkatheteruntersuchungen wurde durch die Abteilungsleitungen erarbeitet und
ein Einsparpotential im Sachkostenbereich realisiert.
Neben zwei bestehenden 24-Stunden-Bereitschaften in den Herzkatheterlaboren
konnte diese auch im dritten Haus eingeführt werden, teilweise durch
Unterstützung der vorhandenen Labore.
Leistungsplanungen ließen eine Zentralisierung von speziellen und aufwändigen
kardiologischen Untersuchungen wie z.B. elektrophysiologischen Untersuchungen
zu. Die Implantation von AICD-Defibrillatoren konnte mit den Kostenträgern
verhandelt werden.
Durch die Arbeiten des Herzzentrums konnten kurzfristig 9 Chest-Pain-Units in
allen Akutkrankenhäusern des Unternehmens geschaffen werden. Patienten mit
Brustschmerz werden dort nach unternehmensweiten Standards leitliniengerecht
behandelt.
Zuletzt konnten aus dem Herzzentrum heraus Verträge zur Integrierten
Versorgung kardiologischer Patienten geschlossen werden.
Ein Beispiel für den Departementsansatz liefert das Universitätsspital Bern
(Inselspital). Hier werden die einzelnen Kliniken und Institute seit 1999 unter einer
Departementsstruktur geführt. Mit der Grundidee, alle medizinischen und chirurgischen
Einheiten auf Basis ihres Organbezuges in eine gemeinsame Struktur zu bringen,
existieren dort 9 Departemente, die alle den gleichen organisatorischen Aufbau haben.
Dabei stehen 2 Ziele im Vordergrund. Einerseits die stärkere Form der Dezentralisierung
bei gleichzeitiger Sicherstellung der administrativen Verantwortungsteilung zwischen
zentral und dezentral. Andererseits geht es um die Schaffung einer offeneren Struktur für
interdisziplinäre Prozessoptimierung.
Der organisatorische Aufbau geht von einem Verbund mehrerer Kliniken, bei
Aufrechterhaltung ihrer Kompetenzen und Verantwortungen aus. Klinikgeschäfte werden
auch innerhalb der Klinikleitung entschieden. Geschäfte, die mehr als eine Klinik
betreffen, werden auf Departementsebene entschieden. Dafür gibt es ein sog.
Departementsdirektorium, bestehend aus den Chefärzten/-innen, den LeiterInnen des
Pflegedienstes, dem Departementsmanager und Vertretern verschiedener Berufsgruppen.
Vorsitz dieses Direktoriums hat einer der Chefärzte/-innen, mit einer StellvertreterIn, die
aus dem Kreis der PflegedienstleiterInnen gewählt wird. Vorsitzender, stellvertretender
Vorsitzender und Departementsmanager bilden zusammen die Departementsleitung,
welche die Geschäfte für die Direktoriumssitzungen aufbereitet und im Rahmen
festzulegender Kompetenzen über gewisse Geschäfte entscheidet. Gleichzeitig ist der
Departementsvorsitzende auch Mitglied der erweiterten Spitalleitung, welche über die
strategischen Themen diskutiert und beschließt.
Eine im letzten Jahr durchgeführte Evaluation dieses Departementsansatzes zeigt, dass
das erste (administrative) Ziel mit einer breiten Akzeptanz als erreicht gilt, während das
Ziel der Prozessoptimierung nur in einzelnen Departementen realisiert werden konnte.
3. Betriebswirtschaftliche Vorteile einer Zentrenbildung im Krankenhaus
Grundsätzlich verbinden Zentren die Vorteile dezentraler Leistungserbringung mit
solchen einer Bildung größerer Einheiten. Dezentrale Einheiten können „markt- und
fachnahe“ agieren und neueste Entwicklungen auf allen Ebenen aufspüren. Das ist der
Vorteil gegenüber einer bloßen top-down-Steuerung. Insofern sind Aufgaben, die
ursprünglich zentral „ganz oben“ wahrgenommen werden, auf die neu gebildeten Zentren
zu übertragen. Welche Aufgaben dies sein werden, kann nicht von vornherein festgelegt
werden, sondern ist im Prozess der Bildung und Veränderung von Zentren zu klären.
Insofern zeigt sich, dass die Zentrenbildung eine Diskussion über das optimale Verhältnis
zwischen zentraler und dezentraler Aufgabenwahrnehmung auslöst. Den
Führungspersönlichkeiten der neu gebildeten Zentren werden auf jeden Fall mehr
Aufgaben im quantitativen und qualitativen Sinne zuwachsen. Ärzten in der Leitung der
Zentren wird ein hohes Maß an Integration von Medizin und Ökonomie abverlangt und
Pflegekräften in der Leitung werden sich zum Spezialisten für Fragen der
sachorientierten Prozessorganisation erweisen. Betriebswirte in der Leitung werden alle
einschlägigen betriebswirtschaftlichen Tools beherrschen müssen. Das neue
Selbstverständnis der Ärzte, Pflegekräfte und Betriebswirte in der Zentrumsleitung wird
nach unten weiterzugeben sein, um den Erfolg den Zentren sicherzustellen.
Auch können neue Aufgaben in den patientennahen Zentren hinzukommen, die bislang
keine Rolle gespielt haben. Damit ist eine partielle Reorganisation von Strukturen entlang
von Behandlungsprozessen gemeint, die gesamte Krankheitsbilder und –episoden
umfassen und die unter eine klare Verantwortung gestellt werden. Auch dazu müssen
Krankenhäuser ihre internen Wertschöpfungsstrukturen umbauen. Fachabteilungen
sollten im Sinne einer Matrixstruktur um Behandlungsprozessstrukturen ergänzt werden,
für die Case Manager die Prozessverantwortung übernehmen. Genauso wichtig wie eine
Veränderung der internen Krankenhausstrukturen ist auch eine weitreichende Vorwärtsund Rückwärtsintegration von vor- und nachgelagerten Prozessen. Key Account Manager
haben z.B. auf der Basis von statischen und dynamischen ABC-Analysen einen
systematischen Kontakt mit herausgehobenen Einweisern zu pflegen.
Dabei kann es sein, dass durch die Aufgabenverlagerung zu den Zentren (z.B. in den
Bereichen Personal, Controlling, Informatik) und die Wahrnehmung neuer Aufgaben mit
einer Ressourcenausweitung vor allem im Personalbereich zu rechnen ist. Auch steigt der
Koordinationsaufwand, da die Zentren einen neuen Koordinationsbedarf nach oben (zur
Sicherstellung gesamthafter Ziele) und unten (zur Abstimmung in die Kliniken hinein)
auslösen. Gemeinsame Richtlinien müssen weitergeleitet und implementiert werden,
Projekte müssen mit unterschiedlichen Interessensvertretern bestückt und Prozesse
optimiert werden. Auch das hat zur Folge, dass es entsprechend viele Sitzungen und
Meetings geben muss, um den Bedarf an Kommunikation zu stillen. Insofern löst die
Zentrenbildung unter Berücksichtigung dieser Aspekte zunächst Kosten aus.
Langfristig könnte sich aber die Dezentralisierung als hilfreich im
betriebswirtschaftlichen Sinne erweisen. Nämlich dann, wenn die Chance genutzt wird,
die Leitenden und die Mitarbeiter im Hinblick auf veränderte bzw. neue Aufgaben,
Kompetenzen und Verantwortung entsprechend zu schulen und in die strategischen und
operativen Entscheide im Zentrum einzubeziehen. Hier könnte das Zauberwort
Leistungsvereinbarung (auf unterschiedlichen hierarchischen Ebenen) heißen. Verbunden
mit der (Teil-)Autonomie eines Zentrums stellen Leistungsvereinbarungen über
Leistungen, Leistungsmengen, Ressourcen und Entwicklungsmöglichkeiten einen
Basisvertrag für das künftige Geschehen dar. Hier werden Leitplanken gesetzt, um den
Handlungsspielraum für die nun stärker unternehmerisch denkende Leitungsebene
realistisch umzusetzen. Dabei sind Fragen nach einem gerechten System mit Bonus- und
Malus-Komponenten zu beantworten. Diese Fragen müssen in einem Zentrumsansatz
früher oder später beantwortet werden, wenn tatsächlich das Ziel besteht,
betriebswirtschaftliche Vorteile aus diesem Organisationsansatz zu generieren.
Auf der anderen Seite werden sich betriebswirtschaftliche Vorteile ergeben, weil Zentren
größere Einheiten darstellen als die Kliniken und Institute der klassischen
Krankenhausorganisation. Diese Vorteile bzw. Synergien sind in der Diskussion um
krankenhausübergreifende Kooperationen und Konzentration über Jahre hinweg in
Theorie und Praxis schon hinreichend erörtert und für standortübergreifende Zentren
unmittelbar einsichtig. Und auch bei der internen Zentrenbildung zeigen sich in ähnlicher
Weise Vorteile. Aufgrund der Zentrengröße kann man vielfältige Effekte der
Kostensenkung pro Leistungseinheit wahrnehmen.
Unweigerlich stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage, inwieweit der
Zentrumsgedanke schließlich mit einem betriebswirtschaftlichen Profit-Center-Ansatz
verbunden werden kann. In der Form des Profit-Centers sind Teilbereiche des
Krankenhauses mit gesondertem Erfolgsausweis vorhanden. Hierzu zählt natürlich auch
eine vollständige und nicht angreifbare Datenbasis für die innerbetriebliche
Leistungsverrechnung (IBL). Sicherlich ist die IBL in Zeiten der DRGs grundsätzlich ein
wichtiges Instrumentarium, doch mit der Verlagerung der Ergebnisverantwortung an die
medizinischen Zentren wird diese Datenbasis rasch zur Bedingung für eine erfolgreiche
betriebswirtschaftliche Steuerung durch die Zentrumsleitung.
Um die beschriebenen betriebswirtschaftlichen Vorteile umzusetzen, ist ein umfassender
Managementansatz in der Führungsorganisation von Zentren gefordert, der auch
soziologische Aspekte und vor allem Gedanken aus der Organisationsentwicklung
aufgreift. Dabei beziehen wir uns in besonderer Weise auf die Rolle des Arztes.
4. Herausforderungen für das Management in der Führungsorganisation von
Zentren
In unserer Gesellschaft wird dem Krankenhausarzt der Status eines Experten
zugeschrieben, der sein Fach zum Wohle des Patienten betreiben soll. Daraus entsteht ein
unausgesprochener gesellschaftlicher Auftrag an den Experten, sich so zu verhalten. Der
Mediziner unterstellt sich diesem gesellschaftlichen Auftrag. Dabei definiert er aber
zunehmend die Erfüllung seines Auftrages selbst und spezialisiert sich in einem
bestimmten Themengebiet.
Krankenhaus-Organisationen bieten diesen Experten eine mehr oder weniger geeignete
Wirkungsstätte. Wirtschaftliche Verantwortung wahrzunehmen gehört nicht zum
traditionellen Verständnis des Mediziners und damit nicht zum gesellschaftlichen Auftrag
an ihn. Krankenhäuser benötigen aber heute aus wirtschaftlicher Sicht eine professionelle
Leitung, um den Erhalt des Hauses sicherzustellen. Faktisch ist es ohnehin so, dass
immer mehr Menschen ohne medizinischen Hintergrund in die Leitungsfunktionen des
Krankenhauses vordringen. Dies sorgt dafür, dass Medizin und Ökonomie immer stärker
in Verbindung treten (müssen). Klassisch sozialisierte Mediziner tun sich damit schwer.
Ökonomie kann dann verstanden werden als ein Angriff auf die Autonomie des Experten
und gleichzeitig ein Infragestellen der ärztlich determinierten Hierarchien. Deshalb wird
ein neues Rollenverständnis des Mediziners, insbesondere des leitenden Arztes,
notwendig. Denn eine Steuerung der Wirtschaftlichkeit im Krankenhaus ist ohne den
aktiven Einbezug der Leistungserbringer nicht möglich. Diesem Wunsch stehen
allerdings immer noch Vorbehalte und Misstrauen der Mediziner gegenüber Ökonomie,
Betriebs- und Managementlehre im Allgemeinen und der Krankenhausadministration im
Besonderen im Weg.
Krankenhauszentren können nur dann erfolgreich sein, wenn es gelingt, den leitenden
Arzt – und in Folge auch andere hierarchische Ebenen – in die ökonomische
Verantwortung zu nehmen.
Wenn wir uns im Vergleich die alt eingesessenen Organisationsstrukturen in
Krankenhäusern unter der Bedingung des Selbstkostendeckungsprinzips anschauen, so
war die Organisation durch eine stark zentrale und administrative Ausrichtung auf
wenige Entscheidungsträger gekennzeichnet. Ressourcenfragen konnten durchaus einmal
rasch zwischen Chefarzt und Verwaltungsdirektor geklärt werden, während in einem
dezentralen (ergebnisgebundenen) Ansatz unter Beachtung ungünstiger wirtschaftlicher
Rahmenbedingungen die Entscheidung über Ressourcen von komplexen Faktoren
abhängt, die durch Unsicherheit gekennzeichnet sind. Der Einsatz von
betriebswirtschaftlichen Tools ist dabei unerlässlich.
Für die dezentrale Führung in Zentren spielt auch der bereits erwähnte erhöhte
Koordinationsaufwand ein wichtige Rolle, der durch die veränderte Struktur an
Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung bedingt ist. Diese neue Struktur ist
wesentlich komplizierter als die traditionelle zentrale Führung, die wenige
Entscheidungsträger kannte und insofern zu einer gewissen Sicherheit bei der Frage
führte, wie man sich als Mitarbeiter in einer solchen Organisation bewegen darf.
Bei dezentralen Strukturen ist, auch unter den ungünstigen wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen für Krankenhäuser, ein neues Zusammenspiel zwischen Ökonomie
und Medizin gefordert, um wirklich „markt- und fachnah“ agieren zu können. Weitere
Fragen sind: Wo genau sind die Schnittstellen? Wer steuert den interdisziplinären
Prozess? Welche Koordinationsinstrumente benötigt man in einem (häufig virtuellen)
Zentrum, das durch matrixartige Strukturen gekennzeichnet sein kann, die
Doppelunterstellungen mit sich bringen. Bereits im klar umrissenen Rahmen der eigenen
Klinik ist man vor
Eingriffen des Managements nicht mehr sicher!
Qualitätsmanagement, CIRS, DRG-Planung und vieles mehr greift auf die internen
Ressourcen zu und respektiert die früher so festen Grenzen im Aufgaben-, Kompetenzund Verantwortungsbestand nicht mehr wirklich. Umso höher sind die Anforderungen an
die Koordination in einem Zentrum.
Bei den Koordinationsinstrumenten unterscheiden wir strukturelle und nichtstrukturelle Koordinationsformen. Strukturelle Formen beziehen sich auf hierarchische
Weisungen (wie durch den Zentrumsvorstand), Selbstabstimmung in Gremien (z.B. in
Qualitätszirkeln) sowie Koordination durch allgemeine Programme (wie Leitlinien),
aber auch konkrete Pläne (z.B. die Festlegung von Budgets für das nächste Jahr).
Daneben steht eine nicht-strukturelle Koordination, die sich auf persönliche
Beeinflussung, Koordination durch Vertrauen und eine Koordination durch Ideen bzw.
Zentrumsvisionen erstrecken kann.
Sowohl strukturelle als auch nicht-strukturelle Koordination ist für die dezentrale
Führung unerlässlich. Gerade ärztliche Führungskräfte müssen befähigt werden, die
ganze Palette der Koordinationsformen wahrzunehmen. Hierarchische Weisungen allein
sind nicht ausreichend. Nur dann gelingt es in einer dynamischen Organisation
verschiedene Leistungserbringer, verschiedenes Know-how, verschiedene Dienstleister
zusammenzubringen, um letztlich das Produkt in einer hochstehenden Qualität
bereitstellen zu können.
Dazu ist das Zentrum als eine lernende Organisation zu begreifen. Ansonsten bleibt das
verunsichernde Gefühl, gerade bei der Ärzteschaft, dass sich die Organisation nicht mehr
im Gleichgewicht befindet. Doch wir erfahren durch die Diskussion um den Begriff der
“Lernenden Organisation“, dass nur durch die Veränderung ein notwendiger Lernprozess
initiiert werden kann, der die Organisation zu einer Weiterentwicklung führt.
In diesem Umfeld also soll nun Führung wahrgenommen werden. Alle erwähnten
Koordinationsinstrumente haben ihre Berechtigung. Diese reichen von Tools wie einer
Balanced Scorecard bis zu Management-Informationssystemen, um die Komplexität der
Organisation und ihrer Umwelt durch einen Vergleich von Kennzahlen “in den Griff“ zu
bekommen. Hierbei wird dann häufig von Balance oder Ausgewogenheit gesprochen, um
auch nicht-finanzielle Ergebnisse zu erfassen und zu würdigen. Neben einem
Businessplan für die Beurteilung von Chancen und Risiken unter Berücksichtigung von
Stärken und Schwächen steht eine klare Zielvorgabe im Rahmen eines
Mitarbeitergespräches oder die Diskussion von Missständen im Rahmen einer
Morgenbesprechung oder eines Workshops zur Organisationsentwicklung.
Wenn wir nochmals den Blick zurück werfen, so ist es uns wichtig zu betonen, dass die
Einbindung des verantwortlichen Mediziners in die dezentrale Führung von Zentren
unerlässlich ist. Hier gibt es sehr unterschiedliche Ansätze. So kann es sinnvoll sein, den
Mediziner zum alleine verantwortlichen Manager zu machen oder ihm einen
Betriebswirtschaftler zur Seite zu stellen. Und auch dabei können unterschiedliche
Führungskonzepte greifen, die von einer Gleichberechtigung bis zur Unterstützung in
Managementfragen reichen Welche Lösung gewählt wird, hängt von der jeweiligen
Einrichtung und ihren (gelebten) Strukturen und Kulturen ab.
Die konkrete Gestaltung der Führungsorganisation wird auch davon bestimmt, welche
besondere Form von Zentren vorliegt. In einer Departementstruktur oder unter dem
Einfluss klarer rechtlicher Rahmenbedingungen (sei es in Rechtsverordnungen oder in
Verträgen mit Sozialleistungsträgern) wie z.B. in einem kooperativen Brustzentrum, wird
es verbindlichere Regelungen geben als bei Zentren, die stärker als virtuelle Netzwerke
innerhalb eines Großkrankenhauses oder gar zwischen mehreren Krankenhäusern
angelegt sind.
Zentren in der Form krankenhausübergreifender Netzwerke werden in der Klinikum
Region Hannover GmbH in der Regel durch leitende Ärzte der medizinischen
Einrichtungen repräsentiert. Die Außendarstellung übernimmt in der Regel ein aus der
Gruppe heraus benannter Vertreter. Ein formalisiertes Verfahren zur Bestellung eines
Sprechers der Gruppe ist nicht implementiert. Andere Berufsgruppen z B.
MitarbeiterInnen der Funktionsbereiche nehmen durch deren Leitungskräfte an den
koordinierenden Zentrumssitzungen teil, soweit Fragestellungen zu erörtern sind, die
diese Berufsgruppen betreffen. Die Geschäftsstelle wird in der Regel durch einen
Stabsstellenmitarbeiter aus dem Geschäftsführungsbereich Medizin geführt. Eine
Abbildung in der Aufbauorganisation ist nicht vorhanden. Die Leitung verfügt weder
über formale Weisungsfunktionen noch ist sie Dienstvorgesetzter der Mitarbeiter. Diese
sind den Zentren personalwirtschaftlich auch gar nicht zugeordnet.
In krankenhausinternen, in der Regel organbezogenen Zentren werden in der Klinikum
Region Hannover GmbH traditionelle Fachabteilungen organisatorisch zusammengefasst.
Ziel dieser Ausgestaltung der Aufbauorganisation ist es, die Prozessoptimierung zu
stärken und die Aufgabenorganisation an die Behandlungsprozesse zu adaptieren. So
wird ein Krankenhausneubau der Klinikum Region Hannover GmbH, der
Modellcharakter für die zukünftige Organisationsstruktur aller Häuser des Unternehmens
hat, in insgesamt vier Zentren organisiert werden.
Abschließend soll nochmals der Gedanke aufgegriffen werden, dass es bislang nicht den
Zentrumsansatz gibt, sondern mehrere Formen möglich sind. Im Weiteren wird deshalb
der anspruchvollste Ansatz eines Kompetenz-Zentrums ausführlicher vorgestellt.
5. Kompetenz-Zentren als zukunftsweisender Ansatz von Krankenhauszentren
Oben haben wir ein medizinisches Kompetenz-Zentrum dadurch ausgezeichnet, dass alle
Versorgungsprozesses darauf ausgerichtet sind, den Nutzen für den Patienten bei der
Behandlung eines Krankheitsbilds zu optimieren. Obwohl diese Definition auf den ersten
Blick banal klingen mag, so hat sie doch verschiedene Implikationen, die in der heutigen
Versorgungslandschaft nicht erfüllt sind:
 Krankheitsbilder, welche im Zentrum behandelt werden, müssen klar und
umfassend definiert sein.
 Der Fokus der Behandlung liegt primär auf der Maximierung des PatientenNutzens, der über entsprechende Ergebnisparameter messbar gemacht werden
muss. Zentraler Erfolgsparameter ist die Nutzen-Kosten-Relation.
 Die Organisationsstrukturen und Koordinationsinstrumente müssen zielführend
und auf einander abgestimmt ausgerichtet sein, um die anvisierten Ergebnisse zu
erreichen. Hierzu ist eine budgetäre Gesamtverantwortung notwendig.
Alle diese Punkte kommen bei der momentanen Versorgung von Patienten höchstens
isoliert, nicht aber in Form einer sinnvollen Gesamtkonzeption zum Tragen. Weder
wird die Behandlung um Krankheitsbilder herum organisiert, noch gibt es eine
institutionalisierte
Nutzenmessung
und
dementsprechend
sind
auch
Organisationsstrukturen und Koordinationsinstrumente häufig nicht zielführend, um
einen maximalen Patienten-Nutzen zu erzielen. Im Folgenden wird gezeigt, wie der
Zentrumsgedanke einen interessanten Einstieg für eine entsprechende Reorganisation
bilden kann.
a.) Die Definition des Geschäftsfelds: Versorgungsprodukte für Krankheitsbilder
festlegen
Ein Zentrum, in dem einzig und allein Patienten mit ähnlichen Krankheitsbildern
räumlich zusammengelegt werden, wird zu keiner nennenswerten Verbesserung des
Patienten-Nutzens führen. Es ist deshalb essentiell, sich im Vorfeld einer
Zentrumsbildung darüber Gedanken zu machen, nach welchen Kriterien Zentren
gebildet werden sollen. Für die Etablierung eines Kompetenz-Zentrums im oben
beschriebenen Sinne müssen die zu versorgenden und komplexen Krankheitsbilder
im Zentrum der Betrachtung stehen. In erster Linie geht es um eine
Defragmentierung der Versorgung. Die bestmögliche Versorgung des Patienten über
den gesamten Krankheitsverlauf ist das zentrale Ziel der Versorgung, nicht ähnliche
Krankheitsbilder räumlich zusammenzuführen. Jede einzelne Aktivität innerhalb
dieses Prozesses muss dazu beitragen, den Gesamtnutzen des Patienten zu
maximieren. Z.B. können teure Medikamente zu Beginn einer Behandlung den
Gesamtnutzen mittelfristig erhöhen, da hierdurch teure und unangenehme
Folgeerkrankungen verhindert werden können. Andersherum mag es auch
Aktivitäten geben, die zwar aus der Sicht der einzelnen Abteilung bzw. aus der Sicht
des momentanen Zustands Nutzen stiften, aber im Sinne des Gesamt-Nutzen
kontraproduktiv sind.
Der Nutzen ist dabei immer aus der Perspektive des Patienten zu definieren. Die
betrachteten Krankheitsbilder sollten deshalb auch alle Krankheitsausprägungen und
evtl. Komplikationen mit beinhalten. Sie bestimmen die im Zentrum vorzuhaltenden
Behandlungsoptionen. Bei Kompetenz-Zentren handelt es sich somit um Integrierte
Versorgungseinrichtungen, in denen Krankheitsbilder über den gesamten
Krankheitsverlauf – der betriebswirtschaftlich gesehen die vollständige
Wertschöpfungskette bildet – komplett versorgt werden können. Auch der Vergleich
(und damit Wettbewerb zwischen verschiedenen Zentren) ist nur auf Grundlage
messbarer Indikatoren zum Gesamtnutzen möglich, die zu Grunde liegende
individuelle Behandlungsstrategie mag dabei durchaus zwischen den Zentren
abweichen.
In einer noch weiteren Fassung sollten Kompetenz-Zentren gerade im Bereich
chronischer Erkrankungen nicht nur das akute Disease Management, sondern auch
für die Prävention von vorab definierten Populationen (z.B. AOK-Patienten in
München) Verantwortung übernehmen. Schon anhand der Inzidenz von z.B.
Kolorektalkarzinomen von AOK-Patienten in München verglichen mit einer anderen
Stadt oder Nicht-AOK Patienten lässt sich dann eine Aussage über die Effektivität
des Versorgungs-Zentrums fällen. Durch die heutige Organisation der Versorgung
sind Ergebnisse praktisch unmöglich auf die Güte der Behandlung
einer
verantwortlichen Institution zurückzuführen, weil Ergebnisse im Gesundheitswesen
eben nicht partiell behandelnden Institutionen, Fachbereichen, Kliniken oder
Akteuren eindeutig zuzuschreiben sind. Die Voraussetzung für eine sinnvolle
Zentrumsbildung ist somit eine Geschäftsfelddefinition sowie die Bestimmung von
"Behandlungsprodukten" für dieses Geschäftsfeld. Das deutsche Gesundheitswesen
ist nach wie vor sehr funktional gegliedert, in Fachärzte und Fachbereiche: z.B.
Innere Medizin, Urologie, Chirurgie, etc. Diese Geschäftsfelddefinitionist für eine
nachweislich werthaltige Versorgung nicht sinnvoll. Sie ist entweder arztzentriert,
institutionenzentriert oder prozedurenzentriert, nicht aber patientenzentriert. Ein
relevantes Geschäftsfeld kann z.B. die Versorgung der kongestiven Herzerkrankung
oder der Herzinsuffizienz sein, nicht aber die
Herzchirurgie, Kardiologie,
Angiographie und Anästhesie.
Dabei ist es nicht notwendig, dass in einem Zentrum alle Krankheitsbilder z.B. der
Orthopädie behandelt werden. Bei einem Kompetenz-Zentrum-Ansatz ist die
Maxime, bestimmte Krankheiten als Schwerpunktzentrum zu behandeln, für andere
Krankheiten jedoch nicht als Schwerpunkt zu dienen, sondern nur eine
Grundversorgung sicherzustellen oder auch bestimmte Versorgungen gar nicht
vorzuhalten. Sich auf seine Kernkompetenzen zu beschränken, ist nicht nur ein Credo
für die Industrie, sondern gilt ebenso im Gesundheitswesen. Es ist dann eine
strategische Entscheidung, mit welchen Krankheitsbilder man sich als Zentrum
profilieren will. Diese Entscheidung wird sicherlich von einem Universitätsklinikum
anders getroffen als von einem kommunalen Krankenhaus und von einem
Krankenhaus der Maximalversorgung anders als von einem Krankenhaus der Grundund Regelversorgung.
Auch in den USA zeigt sich diese Entwicklung. So sind z.B. das Memorial SloanKettering Cancer Center in New York und das M.D. Andreson Cancer Center in
Houston unter den am Besten „gerateten“ Institutionen im Bereich der Versorgung
von Patienten mit spezifischen Krebserkrankungen. Fairview-University Children´s
Hospital in Minnesota ist wiederum bekannt für die Behandlung der zystischen
Fibrose [vgl. Porter, S. 160]. Zusammenfassend lässt sich daher festhalten,
Zentrenbildung hat primär weniger etwas mit Quantität zu tun, sondern mit einer
Spezialisierung auf die Gesamtversorgung komplexer und länger andauernder
Krankheitsverläufe. Erzielt man bei der Behandlung dieser Patienten bessere
messbare Ergebnisse als die relevanten Mitwettbewerber und werden diese
Ergebnisse aktiv von unabhängigen Organisationen kommuniziert und verglichen, so
wird sich eine Zunahme von Behandlungsfällen ganz von selber einstellen. Diesen
Kreislauf zeigt die folgende Abbildung [in Anlehnung an Porter, S 161].
Zunahme an
Patienten durch
überörtlich hohen
Bekanntheitsgrad
Spezialisierung auf
Krankheitsbilder, höheres
Know-How
Disease
Management
über den
gesamten
Behandlungsprozess
Bessere Resultate
Schnellere Innovationen
Höheres Volumen für
die Verrechnung von
Gemeinkosten, wie IT,
Dokumentation, QM,
Prozessmanagement,
etc.
Kreislauf eines
Circulus Virtuosus
Kompetenz-Zentrums
Weitere Möglichkeiten
der
Subspezialisierung
Höhere
Effektivität und
höhere Effizienz
Bessere Daten über
den gesamten
Behandlungsprozess
Motivierteres Team,
Auf Behandlungsprozesse
zugeschnittene Infrastruktur
b.) Die erzielte Nutzen-Kosten-Relation muss der zentrale Erfolgsparameter eines
Kompetenz-Zentrums sein
Wenn man für jedes Kompetenz-Zentrum eine Strategie entwickelt hat, die sich auf
die Geschäftsfelder richtet, für die man sich als Kompetenz-Zentrum überregional
eine Reputation verschaffen möchte, dann muss im Folgenden festgelegt werden, was
der Patientennutzen konkret ist, wie er gemessen und kontinuierlich verbessert
werden kann. Einer der wichtigsten Aufgaben für Zentren ist daher zum einen die
Qualitätsmessung und zum anderen Rückschlüsse zu finden, über deren
Einflussfaktoren. Als wichtigste Parameter werden die relevanten Informationen über
Ergebnisse zu der Behandlung bestimmter Krankheitsbilder und als Resultat des
gesamten Krankheitsverlaufs benötigt. Diese Ergebnisse stellen (risikoadjustierte)
Patienten-Outcomes dar, welche dann in Relation zu den verursachten Kosten gesetzt
werden. Auf diese Weise lassen sich Nutzen-Kosten-Relationen erstellen, die auch
der Entscheidungsfindung dienen, ob finanzielle Ressourcen durch einen alternativen
Einsatz u.U. einen noch höheren Nutzen für den Patienten hätten stiften können.
Die Bestimmung und Messung der Ergebnisparameter gehört zu den komplexesten
Unterfangen überhaupt. Da sich in den gewählten Indikatoren niederschlägt, was als
Erfolg definiert wird, kommt der Festlegung von Erfolgsindikatoren höchste
strategische Relevanz zu. Ergebnisse sind immer multidimensional. Für ein
Benchmark müssen bestimmte Indikatoren von externen Institutionen vorgegeben
sein, andere könnten frei gewählt hinzukommen. Dabei können diese Indikatoren
einen Mix aus medizinischen Ergebnisindikatoren, subjektiven Erfolgsindikatoren
(empfundene Lebensqualität) und Prozessindikatoren (Zeitdauer von der
Erstdiagnose bis zur Genesung) sein.
Die Messung des Ergebnisses ist wichtig, aber die Frage nach den Kosten je
Ergebniseinheit setzt das Ergebnis erst in Relation zum Aufwand. Kosten werden zur
Kalkulation des Preises einer Leistung benötigt. Wenn Preise fix sind, ist die
Ergebnisinformation der einzig wichtige Benchmark-Parameter. Wenn Preise aber
zunehmend auch in Deutschland einzelvertraglich frei gestalt- und verhandelbar sind,
dann sollten Preisen auch Leistungsbündel für die Behandlung einer Krankheit bzw.
einer Krankheitsepisode zugeordnet werden. Der relevante Preis für die Behandlung
ist dann wiederum der entsprechende Gesamtpreis einer Behandlung, genauso wie
das relevante Ergebnis das Gesamtergebnis einer Behandlung über alle Sektoren und
Leistungsbereiche hinweg darstellt. Es ist nicht der Preis für einen Besuch beim
niedergelassenen Arzt oder einen stationären Aufenthalt relevant, auch nicht der Preis
für eine Intervention, eine Behandlung oder eine diagnostische Maßnahmen. Wichtig
ist einzig und allein der Gesamtpreis einer Behandlung bzw. kostenrechnerisch
gesehen die zu Grunde liegenden Gesamtkosten einer Behandlung.
Zur Zeit werden in Deutschland viele einzelne Informationen über Interventionen
gesammelt, wie z.B. OPS-Codes sowie Qualitätskriterien einzelner Interventionen
(Komplikationsraten, Dekubitusraten, etc.). Für die Frage nach einer erfolgreichen
Behandlung wäre es wichtig zu evaluieren, welches Ergebnis Leistungserbringer mit
den definierten, zugrunde gelegten und evtl. modifizierten Standards bei Patienten
mit bestimmten Attributen über den gesamten Krankheitsverlauf hinweg erzielt
haben. Diese Information wäre die einzig wirklich relevante Information für den
Patienten (und die Krankenkasse), sich ein Kompetenz-Zentrum für die Behandlung
auszusuchen. Einzelaspekte, wie Leitlinienkonformität, Patienten-Compliance,
Wiedereinweisungsrate, Aufenthaltsdauern sind wichtige und interessante
Indikatoren, die Ansatzpunkte für Verbesserungspotentiale darstellen können, am
Ende zählt aber nur das Gesamtresultat. Hierfür sind unabhängige Non-ProfitInstitutionen notwendig, die die Resultate aufbereiten und kommunizieren. In den
USA übernimmt eine solche Aufgabe z.B. „The Joint Commission on Accreditation
of Healthcare Organizations“ (JCAHO) oder das National Quality Forum (NQF).
c.) Reorganisation
der
Organisationsstrukturen
und
Koordinationsinstrumente durch Budgetverantwortung
Anpassung
der
Wir hatten bereits an anderer Stelle auf die Bedeutung von Matrixstrukturen in
Zentren hingewiesen und auf Case-Manager, die Prozessverantwortung übernehmen.
In gleicher Weise ist die vertikale Integration von vor- und nachgelagerten Prozessen
zu berücksichtigen. Momentan laufen vielfältige Bestrebungen von Krankenhäusern,
diese Leistungen selbst in Form von Medizinischen Versorgungszentren oder 116bAmbulanzen anzubieten. Dies mag für einige Krankheitsbilder eine gute Option sein.
Dennoch liegen die Kernkompetenzen eines Krankenhauses immer im stationären
Bereich. Die Integration des ambulanten Sektors kann auch kooperativ mit
ambulanten
Leistungserbringern
erfolgen.
Wichtig
ist,
dass
die
Leistungserbringergemeinschaft bzw. eine von dieser Gemeinschaft gegründete
Managementgesellschaft für den Gesamterfolg finanzielle und medizinische
Ergebnisverantwortung übernimmt. Hierzu muss von den Beteiligten die gesamte
Palette der bereits erwähnten betriebswirtschaftlichen Koordinationsinstrumente
akzeptiert werden können. Solche integrierten Versorgungssysteme (Integrated
Delivery Systems) sind in Deutschland nur in Form einer Integrierten Versorgung
nach § 140 a ff. SGB V umsetzbar.
Innerhalb der Integrierten Versorgung ist es auch möglich, den oben dargestellten
ganzheitlichen
Ansatz
zur
Ergebnisbeurteilung
zu
implementieren.
Datenschutzrechtlich ist es nur im Rahmen der Integrierten Versorgung möglich,
Verlaufsdaten eines Patienten aus allen Sektoren zu verbinden und patientenbezogen
auszuwerten. Die Kostendaten sind ebenfalls nur von den Krankenkassen erhältlich,
sodass auch hier einzelvertragliche Strukturen notwendig sind, um Nutzen-KostenRelationen darstellen zu können.
Auch Preise sind im deutschen Gesundheitswesen in der Regelversorgung fix
vorgegeben. Die Verhandlung von Preisen, bei denen ein Leistungserbringer oder
verschiedene Leistungserbringer zusammen die Budgetverantwortung für die
Behandlung eines Patienten mit einem bestimmten Krankheitsbild übernehmen, ist
im Rahmen der Integrierten Versorgung aber ebenfalls möglich. Die Integrierte
Versorgung bildet somit eine gute Grundlage für die Umsetzung des KompetenzZentrum-Konzepts in Deutschland.
Literatur:
Porter / Teisberg: Redefining Health Care: Creating Value-Based Competition on
Results, Boston 2006.
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