Presse-Mitteilung

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Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten: in Zentren weniger Sekundärkorrekturen
erforderlich (Leipzig)
Werden Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten in spezialisierten Zentren
behandelt, sinkt nach den Primäroperationen die Zahl der erforderlichen
Sekundärkorrekturen, etwa zur Verbesserung des Sprechvermögens. Nötig
sind allenfalls individuelle kleinere Korrekturen. An den Spalt-Zentren arbeiten
MKG-Chirurgen mit anderen Fachärzten und Spezialisten in interdisziplinären
Teams zusammen. Diese komplexe Versorgung hat die
Behandlungsergebnisse in den letzten Jahren deutlich verbessert, betonen
Experten auf dem 52. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kieferund Gesichtschirurgie in Leipzig.
In Deutschland werden jährlich etwa 1800 Kinder mit einer Lippen-Kiefer-GaumenSpalte geboren. Betroffen ist eines von 500 Neugeborenen. Damit gehören die
Gesichtsspalten zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen. Erbliche
Veranlagungen spielen eine gewisse Rolle. Doch wesentlicher dürften individuelle
Störungen während der Phase der Gesichtsbildung gegen Ende des zweiten oder zu
Beginn des dritten Schwangerschaftsmonats sein.
Es gibt unterschiedliche Formen der Spaltbildung. Die isolierten Lippenspalten,
Lippen-Kiefer-Spalten oder Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten sind am häufigsten (eins
von 500 Kindern) und betreffen zumeist Jungen. Seltener sind Spalten ausschließlich
im harten und weichen Gaumen (eins von 1500 Kindern), die überwiegend bei
Mädchen auftreten.
Die Behandlung dieser Fehlbildungen ist äußerst komplex. Denn es geht dabei nicht
nur um die Wiederherstellung des Gesichts unter ästhetischen Aspekten. Die
Fehlbildung verursacht auch Funktionsstörungen: Beeinträchtigt sind beispielsweise
Atmung und Nahrungsaufnahme sowie Mimik und die Fähigkeit zur Lautbildung.
Auch das weitere Wachstum des Gesichts müssen die Ärzte bei den Eingriffen
berücksichtigen. „Ebenso kann das Hörvermögen um bis zu 30 Prozent schlechter
sein“, weiß Professor Alexander Hemprich, Präsident des 52. Kongresses der
Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Untersuchungen
belegen darüber hinaus, so der Direktor der Klinik für MKG-Chirurgie/Plastische
Operationen der Universität Leipzig weiter, „dass 56 Prozent dieser Kinder eine
Wahrnehmungsstörung haben, die durch eine Frühförderung jedoch gut zu
behandeln ist.“
Inzwischen sind sich die Experten international einig, dass die betroffenen kleinen
Patienten in spezialisierten Spaltzentren behandelt werden sollten. „An diesen
Zentren arbeiten MKG-Chirurgen, HNO-Ärzte, Kieferorthopäden mit Logopäden und
Phoniatern zusammen“, erklärt Hemprich. Das Experten-Team untersucht und
kontrolliert die Patienten jährlich bis zum 20. Lebensjahr, also bis zum Ende der
Wachstumsphase. Denn auch nach der Primärbehandlung müssen beispielsweise
Nasenatmung, das Wachstum des Gesichts und das Sprechvermögen regelmäßig
kontrolliert werden.
Dass sich diese umfassende und kontinuierliche Betreuung durch ein
interdisziplinäres Spezialisten-Team für die Patienten lohnt, belegen inzwischen
Untersuchungen: „Noch vor 15 - 20 Jahren brauchte ein Drittel der Kinder nach der
Primärversorgung nochmals eine sprechverbessernde Operation“, weiß Hemprich.
Inzwischen sei diese Rate in den Zentren durch bessere OP-Techniken auf deutlich
unter zehn Prozent gesunken. Darüber hinaus sind bei den in Zentren versorgten
Patienten auch insgesamt weniger Sekundärkorrekturen erforderlich, wie
Untersuchungen belegen. Nötig sind allenfalls individuell zu planende kleinere
Eingriffe, die im Wesentlichen die Nase betreffen.
Die ersten spaltverschließenden Operationen erfolgen bereits im Alter von drei bis
sechs Monaten. Zunächst wird in diesem Alter die Lippenspalte verschlossen und der
Naseneingang gebildet. Die Gaumenspalten werden bei späteren Eingriffen
geschlossen. „Der weiche Gaumen muss bis zum ersten Lebensjahr rekonstruiert
sein“, betont Hemprich. Bis zur Einschulung sind die wesentlichen Eingriffe
abgeschlossen, um Ästhetik und Funktion wiederherzustellen. Häufig ist auch eine
stufenweise phoniatrische und logopädische Behandlung notwendig. Durch diese
frühzeitige Normalisierung der Funktion ist es möglich, das weitere Wachstum der
komplexen Gesichtsstrukturen in normale Bahnen zu lenken.
Erfolge verbuchen die MKG-Chirurgen auch bei der Verpflanzung von
Knochengewebe, entnommen etwa aus dem Beckenkamm, in den Kieferspalt: In
mehr als 90 Prozent der Fälle wächst das Transplantat sicher ein. Ähnlich sind auch
die Erfolgsraten bei Zahnimplantaten im transplantierten Knochen: 89 Prozent der
Titan-Implantate bleiben erhalten.
Auch inzwischen erwachsenen Spaltpatienten, die vor dreißig oder mehr Jahren
operiert wurden als die OP-Techniken noch in den Kinderschuhen steckten, können
die Spezialisten heute durch weitere Korrekturoperationen helfen. So haben
beispielsweise viele der Betroffenen deutliche Profilveränderungen: Mittelgesicht und
Oberkiefer weichen zurück, der Unterkiefer steht vor. Diese Entwicklungsstörung des
Mittelgesichts kann durch eine so genannte Kallusdistraktion, eine Art „Stretching für
Knochen“ erfolgreich korrigiert werden. Die Methode basiert auf der Beobachtung,
dass frische Knochenmasse (Kallus), die sich bei jedem Knochenbruch bildet,
apparativ gedehnt werden kann. Dazu verankern die MKG-Chirurgen ein Titan-Gerät
in den zuvor durchtrennten Knochenteilen und ziehen den Spalt täglich um etwa
einen Millimeter auseinander. „Mit diesem Verfahren“, erläutert Hemprich, „kann das
Mittelgesicht um mehr als drei Zentimeter nach vorne verlagert werden.“
Rückfragen an:
Univ.-Prof. Dr. Dr. Alexander Hemprich
- Kongresspräsident Direktor der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und plastische Gesichtschirurgie
Universitätsklinikum Leipzig, AÖR
Nürnberger Straße 57, 04103 Leipzig
Tel.: 0341-97 21 100, Fax: 0341-97 21 109
E-mail: [email protected]
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