Zahnmedizin Seltene odontogene Tumoren Pindborg Tumor (verkalkender epithelialer odontogener Tumor) im Oberkiefer Martin Kunkel, Torsten Reichert Abbildung 1: Klinischer Aspekt des Tumors im linken Oberkiefer. Es stellt sich eine deutliche Auftreibung des Alveolarfortsatzes ab der Region 26 nach distal dar. Die Schleimhaut erscheint im zentral ulzerierenden Anteil durchbrochen, weist aber in der Umgebung keine Verhornungsstörungen auf. Ein 34-jähriger Patient stellte sich aufgrund einer seit mehreren Monaten progredienten, schmerzlosen, knochenharten Schwellung vestibulär im linken Oberkiefer vor. Klinisch lag ein knapp 2,5 Zentimeter durchmessender Tumor distal und vestibulär des Zahnes 26 vor. Der Tumor wies einen zentralen inhomogenen, teilweise oberflächlich ulcerösen Anteil auf. Die umgebende Schleimhautoberfläche zeigte aber keine Verhornungsstörungen im Sinne von Vorläuferläsionen epithelialer Oberflächentumoren (Abb. 1). Die Tumorgrenzen waren weit nach cranial als Auftreibung des Alveolarkamms palpabel. Nativradiologisch (Abb. 2) zeigte sich eine inhomogene, partiell von Verkalkungsstrukturen durchsetze Raumforderung in unmittelbarem Kontakt zur Distalfläche des Zahnes 26. Die computertomographische Darstellung (Abb. 3 A,B) zeigt einen überwiegend scharf begrenzten Tumor, der den Alveolarkamm vollständig durchsetzt und sich nach vestibulär beziehungsweise zur Kieferhöhle hin deutlich über die Grenzen des Alveolarkamms ausdehnt. Eine periphere Kortikalislamelle wird eben erkennzm 95, Nr. 3, 1. 2. 2005, (270) bar. Auch in der CT-Darstellung wird die Inhomogenität des Tumors mit partiell mineralisierten Anteilen deutlich. Auffällig ist, dass die Kieferhöhlenschleimhaut in der unmittelbaren Tumorumgebung keinerlei Anzeichen einer Irritation aufweist. Nebenbefundlich zeigte sich auf der Gegenseite eine dentogene Sinusitis maxillaris ausgehend von einem tief zerstörten, apikal beherdeten Zahn 15. Histologisch hatte sich aus der Biopsie des zuweisenden Kollegen ein verkalkender epithelialer odontogener Tumor ergeben, so dass hier das seltene Bild eines so genannten Pindborg Tumors vorlag. Fotos: Kunkel 62 In dieser Rubrik stellen Kliniker Fälle vor, die diagnostische Schwierigkeiten aufgeworfen haben. Die Falldarstellungen sollen den differentialdiagnostischen Blick schulen. Der Tumor wurde mit einem geringen Sicherheitsabstand einschließlich des parodontal geschädigten Zahnes 26 entfernt. Im Anschnitt des Resektats (Abb. 4) wird noch einmal die deutliche Inhomogenität dieses Tumors deutlich. Die lokale plastische Deckung erfolgte zweischichtig unter Transposition des Bichat-Fettpfropfes. Es wurde außerdem eine Sanierung der odontogenen Sinusitis maxillaris der Gegenseite im Sinne einer Ursachenbeseitigung und Revision der Kieferhöhle angeschlossen. Diskussion Der verkalkende epitheliale odontogene Tumor ist mit unter einem Prozent der odontogenen Neoplasien eine sehr seltene Entität, und es sind nur wenige 100 dieser Tumoren in die Literatur eingegangen. Rund zwei Drittel der Läsionen betreffen den Unterkiefer. Insgesamt ist der Alveolarfortsatz der Molarenregion der bevorzugte Abbildung 2: Im OPG des Patienten stellt sich eine Raumforderung im posterioren Alveolarfortsatz des linken Oberkiefers dar. Der Tumor erscheint inhomogen und wabenförmig durchsetzt von Mineralisationszonen. 63 Abbildung 3: Axiale (A) und coronare (B) CTBildgebung. Hier kommt die vollständige Durchsetzung des Alveolarkammes mit Ausdehnung nach vestibulär und zur Kieferhöhle zur Darstellung. Es zeigen sich unregelmäßige Verkalkungszonen. Ein sehr schmaler Saum der Außenkortikalis des Knochens ist erhalten. zählen zu den extremen Raritäten [Veness et al., 2001]. Häufiger wird, wie auch bei zahlreichen anderen odontogenen Tumoren, ein topographischer Zusammenhang zu retinierten Zähnen gesehen. Im vorliegenden Fall war aber nicht mehr eruierbar, ob in der Region zuvor einmal ein retinierter Zahn entfernt worden war. Histologisch erscheint der Tumor sehr heterogen. Pathognomonisch sind innerhalb eines fibrösen Stromas eingebettete, band- oder nestförmige Epithelinseln, in denen amorphe, eosinophile, amyloidartige Ablagerungen erkennbar werden. Das charakteristische Gewebebild des Pindborg-Tumors zeigt ringförmige Verkalkungen dieser extrazellulären Ablagerungen in unterschiedlicher Dichte (Abb. 5). Das klinische Verhalten des Pindborg-Tumors ähnelt grundsätzlich dem des Amelo- Abbildung 5: Histologischer Aspekt des Tumors (HE-Färbung: Originalvergrößerung 400x). Innerhalb einer bandförmigen Ansammlung eosinophiler, epithelialer Zellen ( ) finden sich extrazelluläre, mineralisierte Ablagerungen ( ➞ ). Als typisches Merkmal findet sich ein ringförmiges Muster der Verkalkungsherde. Entstehungsort. Als Ursprungsgewebe wird das stratum intermedium des Schmelzorgans vermutet [Neville et al., 2002]. Extraossäre Manifestationen wurden als überaus seltene Variante beschrieben [Li et al., 2004], und auch maligne Verlaufsvarianten Fazit für die Praxis ■ Der Pindborg Tumor ist ein lokal invasiv wachsender, seltener odontogener Tumor mit einem charakteristischen Gewebebild (Verkalkungsherde innerhalb epithelialer Zellnester). ■ Klinisch stellt sich der Tumor als schmerzlose Auftreibung des Alveolarkamms dar, wobei ein Durchbruch durch die Schleimhaut zu einem ulcerösen Erscheinungsbild führen kann. ■ Radiologisch erscheint der Tumor zumeist als gut begrenzte Osteolyse, wobei sich häufig Verkalkungszonen als inhomogene Binnenstruktur darstellen. ■ Therapeutisch ist eine schonende lokale Resektion knapp im Gesunden anzustreben. Neu: Ab sofort können Sie auch für den „Aktuellen klinischen Fall” Fortbildungspunkte sammeln. Mehr bei www.zm-online.de unter Fortbildung. Abbildung 4: Im Anschnitt des Resektates stellt sich ein sehr inhomogener Tumor dar. Wie bereits in der CT-Darstellung zu vermuten, ist die umgebende Knochenlamelle (➞) erhalten. blastoms, die lokale Invasionstendenz ist aber insgesamt weniger aggressiv. Eine Entfernung kann daher recht schonend mit einem geringen Sicherheitsabstand im gesunden Knochen erfolgen. Auch eine alleinige Kürettage ist möglich, führt aber dann zu einer etwas erhöhten Rezidivrate, die ansonsten um 15 Prozent liegt. Für die zahnärztliche Praxis soll der vorliegende Fall an die variantenreiche Gruppe der odontogenen Tumoren erinnern, die differentialdiagnostisch gerade bei inhomogenen Osteolysen bedacht werden muss. Das histologische Präparat wurde freundlicherweise von Dr. T. Hansen, Institut für Pathologie der Johannes Gutenberg-Universität (Direktor: Prof. Dr. Kirckpatrick), zur Verfügung gestellt. Privatdozent Dr. Dr. Martin Kunkel Poliklinik für Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie der Universität Mainz Augustusplatz 2 55131 Mainz Prof. Dr. Dr. Torsten Reichert Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Klinikum der Universität Regensburg Franz-Josef-Strauss-Allee 11 93053 Regensburg Die Literaturliste können Sie in der Redaktion anfordern. Den Kupon finden Sie auf den Nachrichtenseiten am Ende des Heftes. zm 95, Nr. 3, 1. 2. 2005, (271)