Neue Zürcher Zeitung Das Haus als manipulierte

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Hypobank Klagenfurt
Alpen - Adria - Platz 1
9020 Klagenfurt, Österreich
Das Haus als manipulierte Landschaft
Ein neues Bankgebäude von Morphosis in Klagenfurt
SAMMLUNG
Neue Zürcher Zeitung
ARCHITEKTIN
Der in Los Angeles arbeitende Architekt Thom Mayne vom Büro Morphosis
realisierte für eine Kärntner Regionalbank ein architektonisches Manifest. Mayne will
mit seinem Bau die heutige Gesellschaft in ihrer Komplexität und Instabilität
interpretieren. Mit dem ungewöhnlichen Bankgebäude gelang ihm darüber hinaus
ein ausdrucksstarker Werbeträger.
Morphosis
Thom Mayne
von Margit Ulama
STATIK
Das südlichste Bundesland Österreichs kann kaum mit wegweisender
Gegenwartsarchitektur brillieren. Seit kurzem sticht jedoch an einer Ausfallstrasse von
Klagenfurt ein architektonisches Manifest ins Auge, das «Hypo Alpe-Adria-Zentrum» des in
Los Angeles arbeitenden Architekten Thom Mayne. So ungewöhnlich der Neubau in
Kärnten ist, so bewusst wurde er gleichzeitig initiiert. Noch vor wenigen Jahren war die
Kärntner «Landes- und Hypothekenbank» eine kleine Regionalbank. Diese entschied sich
jüngst für eine Vorwärtsstrategie im Sinne von «Aufgeschlossenheit, Modernität und
Internationalität» und expandiert seither auch - zunehmend erfolgreich - nach Friaul,
Slowenien und Kroatien. Als ein Neubau der Hypo-Zentrale zur Diskussion stand, wählte
man bewusst ein auffälliges architektonisches Image. Trotz einer einschneidenden
Abänderung beeindruckt das zügig realisierte Gebäude, und man spürt auf Bauherrenseite
grosse Begeisterung für das Projekt.
BAUHERRIN
Hypo Alpe-Adria-Bank
Hypobank Kärnten
Klaus Gelbmann
Richard Kuglitsch
ÖRTLICHE BAUAUFSICHT
Alfred Lengger
FUNKTION
Banken und Börse
PLANUNGSBEGINN
1996
AUSFÜHRUNG
1997 - 2000
MITARBEIT PLANUNG
John A. Enright (PL), David Grant,
Martin Krammer, Fabian Kremkus,
Sylvia Kuhle, Brian Parish, David
Plotkin
Zwischen Architektur und Skulptur
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Der Terminus Gebäude kann diese Art Architektur natürlich kaum fassen. In der
gegenwärtigen Baukunst verschwimmen vielfach die Grenzen zwischen Architektur und
Skulptur, und gerade in diesem Fall ergeben schräg liegende, geknickte, teilweise auch
fragmentierte Teile ein dynamisches, gleichzeitig irritierendes skulpturales Gebilde, das
anfangs schwer zu entziffern ist. Doch trotz den Brüchen und der ungewöhnlichen Syntax
eines ebenso ungewöhnlichen Vokabulars entsteht im weitesten Sinn eine Harmonie der
Teile. Die Hypo-Zentrale setzt ein auffälliges architektonisches Zeichen Richtung
Innenstadt. Neben einem aufgestelzten schmalen und langen Bauteil an der Völkermarkter
Strasse und einer gläsernen Stirnseite knickt ein flächenhaftes Element in die Höhe.
Ergänzt wird diese Komposition durch eine effektvolle Beleuchtung des abgesenkten, mit
Basaltsteinen verkleideten Grundes. Dass man hier letztlich auch zu den versteckt
liegenden Eingängen der Bank und der Veranstaltungshalle gelangt, kann man nur
erahnen. Doch es führt eine Brücke über die Senke, die den Besucher leitet.
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Basaltgrund und Brücke schaffen eine neue, künstliche Landschaft und drücken auf diese
Weise eine zentrale Idee des gesamten Entwurfes aus. Was im übrigen zur Metapher wird,
äussert sich hier ganz unmittelbar. Mayne, der die Gruppe Morphosis 1971 gründete, lange
Jahre eine Partnerschaft mit Michael Rotondi bildete und seit Beginn der neunziger Jahre
alleine unter dem Label Morphosis arbeitet, entwickelte eine spezifische Entwurfsstrategie
für Projekte grösseren Massstabs. Er bedient sich der durchgehenden Gebäudeoberfläche,
um die eigentliche Landschaft zu modellieren beziehungsweise zu ersetzen. Dabei wird
nicht nur das solitäre Bauwerk, sondern auch der Gegensatz von Bauwerk und Landschaft
aufgelöst. Da das Grundstück an der Peripherie von Klagenfurt liegt, reflektierte der
Architekt bei seinem Wettbewerbsprojekt das Thema des Ackers. Er legte die
durchgehende Gebäudeoberfläche über einen breiten Streifen des Grundstücks entlang
der Hauptstrasse und schnitt - die Furchen eines Ackers paraphrasierend - schmale
Schlitze in diese Fläche. In der Ansicht artikulierte sich dies als langgestreckter Bauteil mit
weit gekrümmtem Dach, das einem Kreis mit dem Radius von einer Meile folgte. Die
solcherart zusammengefasste Architektur wurde durch Fragmente elliptischer Formen und
gekreuzte gerade Volumen ergänzt, die zum Grundvokabular des Architekten zählen.
Mayne entwickelte eine neue städtebauliche Methodik für den suburbanen Kontext. Erst zu
einem viel zu späten Zeitpunkt erfolgte jedoch eine entscheidende Änderung der
Prämissen, indem man das grosse, trapezförmige Grundstück annähernd in der Mitte
teilte. Was jetzt realisiert wurde und wird, ist also das Fragment eines Konzeptes, das
selbst mit der Fragmentierung spielt. Der Rest dieser Grundstückshälfte wird in der zweiten
und dritten Bauphase etwas abgeändert gegenüber dem Wettbewerbsprojekt bebaut.
Städtebau im suburbanen Kontext
Durch die Teilung reduzierte sich in erster Linie die durchgehende, leicht gekrümmte
Gebäudeoberfläche, die nur mehr rudimentär zu spüren ist. Fragmentierte, geknickte und
sich durchdringende Teile, also die dekonstruktivistischen Elemente des Entwurfs, rückten
in den Vordergrund. Doch im Bereich der Veranstaltungshalle vermittelt sich noch immer
die Idee der aus dem Boden emporsteigenden Dachfläche. Diese greift auf der einen Seite
weit über die Halle und knickt nach unten, auf der anderen steigt sie in die Höhe und drückt
sich an das angrenzende, verglaste Volumen, bis nur noch ein Spalt frei bleibt. Darunter
geht man zum Eingang der Schalterhalle und weiter zu einem andeutungsweise
elliptischen Platz, einem eindrücklichen öffentlichen Raum mit angenehmen Proportionen.
Morphosis zählt zu den international renommiertesten Architekten der USA. Auch wenn
das Büro mit Verbindungen zum Dekonstruktivismus arbeitet, so sind die Bezugsfiguren
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doch widersprüchlich und reichen von James Stirling und Aldo Rossi bis zu Frank Gehry.
Frühe Bauten lassen eine Nähe zur Postmoderne spüren. Relikte davon finden sich in den
jüngeren Bauten, die unter anderem die Tektonik der Mauer thematisieren. Bei der
Hypo-Bank bilden Lochbleche grossflächig die äussere Wandverkleidung, und man
assoziiert bei ihrer Unterteilung ein Mauerwerk aus grossen Quadern. Doch die
ursprüngliche Schwere ist hier auf Grund des durchlässigen Materials aufgehoben. Im
Wandbereich steht dennoch die Wirkung einer geschichteten Mauer im Vordergrund, im
Dachbereich hingegen die Transparenz des Materials. Hier bilden sich auch filigran
strukturierte, offene Räume. Im gesamten Entwurf differenzieren transparente und
transluzente Materialien den Wandaufbau im Sinne einer horizontalen Schichtung.
Komplexität und Instabilität
Ein Fragment der tektonischen Hülle aus Lochblech taucht schliesslich bei der Brüstung
des Aussichtsbalkons auf, der die langgestreckte Fassade an der Völkermarkter Strasse in
luftiger Höhe schräg durchdringt. Einige Stufen laufen an dieser Stelle ins Leere. Obwohl
der Bau natürlich Funktionen erfüllt, verweigert er sich einer direkten, allzu geradlinigen
Funktionserfüllung, setzt auf einer ganz anderen Ebene an und gleitet auch ins unmittelbar
Spielerische. Mayne will mit seiner Architektur die gegenwärtige Gesellschaft in ihrer
Komplexität und Instabilität «authentisch» interpretieren. Mit der ungewöhnlichen äusseren
Konzeption des Baus gelang ihm dies zweifellos. Die Hypo-Bank ihrerseits erhielt einen
ausdrucksstarken Werbeträger.
Neue Zürcher Zeitung, 03.09.1999
WEITERE TEXTE
Hypobank Klagenfurt, Az W, 14.09.2003
Architektur als Metapher für Weltbefindlichkeit – bewegt, fragmentarisch und instabil, Karin
Tschavgova, newroom, 15.01.2000
Jenseits aller Etikettierungen, Margit Ulama, Spectrum, 18.12.1999
Energiegeladene Raumhülle, Leopold Dungl, Kurier, 13.09.1999
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