6 Zusammenfassung 123 6 Zusammenfassung Desoxyribonuklease1 ist die „am gründlichsten untersuchte Nuklease der DNASE1-Genfamilie“ (Kishi et al. 2001), einer Familie von Enzymen, die DNA endonukleolytisch schneiden und so Oligonukleotide mit 5’-Phosphat- und 3’OH-Enden erzeugen. Die Mitglieder der DNASE1-Genfamilie stimmen in Aminosäuresequenz und enzymatischen Eigenschaften weitestgehend überein (Shiokawa and Tanuma 2001). Durch den Nachweis von DNASE1 in Organen des Verdauungskanals (u.a. Funakoshi et al. 1977) wird die Funktion dieser Nuklease vor allem im Abbau von Nahrungs-DNA gesehen. Der Nachweis dieser Nuklease in Geweben, die nicht mit dem Verdauungstrakt in Verbindung stehen (z.B. Stephan et al. 1996), trug zu der Vermutung bei, dass DNASE1 auch an apoptotischen Prozessen beteiligt sein könnte. Um die DNASE1-Expression näher zu untersuchen und zu überprüfen, ob und welche Rolle DNASE1 beim programmierten Zelltod spielen könnte, wurden Antikörper gegen DNASE1 erzeugt. Die Bildung dieser Antikörper wurde durch Immunisierung eines Labortieres mit einem großen Teil oder sogar der ganzen Aminosäuresequenz von DNASE1 induziert. Die weitreichende Übereinstimmung mit den Aminosäuresequenzen der später entdeckten anderen DNASE1-Familienmitglieder führt dazu, dass die Spezifität dieser Antikörper für DNASE1 hinterfragt werden muss. Die mit diesen Antikörpern erhaltenen Ergebnisse zur DNASE1-Genexpression und Beteiligung an Apoptose müssen kritisch betrachtet werden, da es im Rahmen dieser Untersuchungen zu Kreuzreaktivität der Antikörper mit anderen Nukleasen dieser Genfamilie gekommen sein könnte. Mit dem Ziel, einen tatsächlich Dnase1-spezifischen Antikörper zu erzeugen, wurde in unserer Arbeitsgruppe ein Kaninchen mit einem Fusionsprotein aus Glutathion-S-Transferase und einem 11 Aminosäuren umfassenden Sequenzabschnitt von (MOUSE)Dnase1 immunisiert. Aus dem Serum des Kaninchens wurden im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Dnase1spezifischen Immunglobuline (=D1-Fragment-Antikörper) aufgereinigt und an Mausgewebe auf Spezifität und Sensitivität untersucht. Um zu belegen, dass es sich bei der detektierten Nuklease tatsächlich um Dnase1 und kein Dnase1ähnliches Enzym handelt, wurden die Versuche parallel an WT- und Dnase1KO-Gewebe (Napirei 2000) durchgeführt. 6 Zusammenfassung 124 Die Spezifität des D1-Fragment-Antikörpers wurde mit immunhistochemischen und Westernblotversuchen überprüft und mit der eines Antikörpers verglichen, der gegen die gesamte Aminosäuresequenz von rekombinanter denaturierter (HUMAN)DNASE1 gerichtet ist (=EURO-Antikörper). Im Vergleich zum EUROAntikörper zeigte der D1-Fragment-Antikörper die größere Spezifität. Die immunhistochemischen und Westernblotversuche mit dem D1-FragmentAntikörper zeigen übereinstimmend Dnase1-Expression in den Gll. parotideae und lacrimalis. Im Westernblot wurde zusätzlich Dnase1 im Urin nachgewiesen. Die immunhistochemischen Färbungen lassen eine granuläre Speicherung von Dnase1 in beiden Organen vermuten. Während in der Gl. parotis sehr viele Zellen Dnase1-positiv sind, wird in der Gl. lacrimalis nur in einzelnen Zellen Dnase1 detektiert. Da eine Dnase1-Expression in der Tränendrüse bisher nicht beschrieben wurde, lassen sich keine Angaben über die mögliche Bedeutung solcher einzelner Dnase1-positiver Zellen finden. Die Aufgabe von Dnase1 in der Tränenflüssigkeit könnte in der Beseitigung von DNA auf der Kornea gesehen werden. Mehrere Veröffentlichungen belegen eine Dnase1-Expression in der Parotis (u.a. Takeshita et al. 2000). Die granuläre Speicherung von Dnase1 in dieser Speicheldrüse wurde auch bereits beschrieben (Mannherz et al. 1982). Ebenfalls gezeigt wurde schon, dass Dnase1 mit dem Harn ausgeschieden wird (Yasuda et al. 1990). In der außerdem untersuchten Gl. submandibularis, Niere und Leber ließ sich mit dem D1-Fragment-Antikörper Dnase1 nicht nachweisen, obwohl schon in allen diesen Organen eine Dnase1-Expression beobachtet wurde (u.a. Takeshita et al. 1997). Auch mit einem sehr sensitiven Entwicklungsverfahren für Westernblots (ECL-Entwicklung) konnte in diesen Geweben Dnase1 nicht nachgewiesen werden. Zur Überprüfung, ob diese Organe tatsächlich keine Dnase1-Aktivität aufweisen, wurde die denaturierende und native Zymogrammtechnik angewendet. Die Zymogramme zeigten sowohl in der Gl. submandibularis (unter denaturierenden und nativen Bedingungen) als auch in Niere und Leber (native Bedingungen) Dnase1-Aktivität. Die Tatsache, dass in Niere und Leber nur im sensitiven nativen Zymogrammversuch Dnase1-Aktivität nachgewiesen werden 6 Zusammenfassung 125 konnte, lässt auf geringe Expression in diesen Organen schließen. Die Gl. parotis zeigt die höchste Dnase1-Aktivität, die zweithöchste findet sich in der Tränen- und Submandibulardrüse. Die Ergebnisse dieser Versuche lassen Aussagen über die Sensitivität des D1Fragment-Antikörpers zu: Die Sensitivität dieses Antikörpers ist als relativ gering einzustufen, da er in den schwach Dnase1-exprimierenden Organen (Niere, Leber) die Nuklease nicht markiert. Er ist damit genauso sensitiv wie der EURO-Antikörper, der in diesen Organen ebenfalls keine Dnase1 detektiert. Beide Antikörper können darüber hinaus in der Gl. submandibularis keine Dnase1 nachweisen, obwohl die Zymogrammversuche in dieser Speicheldrüse vergleichbar hohe Dnase1Aktivität wie in der Gl. lacrimalis zeigen. Die Ursachen dafür, dass beide Antikörper in der Gl. submandibularis Dnase1 nicht erkennen, bleiben unklar. In der Literatur lassen sich ebenfalls keine Hinweise finden, die diese Beobachtung erklären könnten. Die Dnase1-Aktivität in der Gl. parotidea zeigt eine Abhängigkeit vom Zeitpunkt der letzten Nahrungszufuhr: Nahrungskarenz führt zum Anstieg, Nahrungsaufnahme zu einem Absinken der Dnase1-Aktivität in dieser Drüse. Diese Beobachtung stimmt mit Ergebnissen von Lu et al. (2003) an Parotis der Ratte überein. Westernblots an Parotisgewebe eines Kaninchens und Dotblotversuche mit humaner DNASE1 belegen, dass der Antikörper auch bei diesen Spezies die Nuklease erkennen kann. Die Anwendung des D1-Fragment-Antikörpers muss auf Grund der Übereinstimmungen der Aminosäuresequenzen von DNASE1 verschiedener Lebewesen (zur Übersicht s. Mogi et al. 2003) also nicht nur auf Gewebe der Maus beschränkt bleiben. Die Dotblotversuche lassen vermuten, dass der Antikörper möglicherweise auch unter nativen Bedingungen Dnase1 erkennen könnte. Es könnte aus diesem Grund interessant sein zu versuchen, native-Dnase1 mit entsprechenden Verfahren (Immunfärbungen von Kryoschnitten, Westernblots von Nativgelen) nachzuweisen. Solche Versuche könnten unter Umständen mit dem D1-Fragment-Antikörper eine Dnase1-Detektion in den bisher negativ getesteten Organen (Gl. submandibularis, Niere, Leber) zeigen.