Vom Rettungsdienst in die Intensivpflege

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Fotos: Trenkwalder Medical Care
Intensivpflege
Neue Qualifizierung
Vom Rettungsdienst in
die Intensivpflege
Alexander Heimerl
Bei zunehmendem Fachkräftemangel werden immer häufiger
Rettungsassistenten auf Intensivstationen oder in der Anästhesie
eingesetzt. Eine neue Fachweiterbildung zum „Pflegeassistenten
für Funktionsbereiche“ schult
die Assistenzkräfte nun speziell
für das neue Aufgabengebiet.
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as drängendste Problem im Pflegebereich ist
der akute Mangel an examinierten Pflegekräften, der sich zukünftig noch weiter verschärfen wird. Die Ursachen hierfür sind vielfältig, ebenso
wie die Diskussionen um den Fachkräftemangel.
Weniger vielfältig hingegen sind die Lösungsvorschläge – vor allem sind sie meist nicht praxisnah
und schon gar nicht mittelfristig sowie unabhängig
von politischen Institutionen oder Verbänden
umsetzbar. Deutlich ausgedrückt: Es wird viel diskutiert und lamentiert, ohne kreativ und praxisorientiert nach Maßnahmen zu suchen, die den Leistungserbringern wirklich helfen, den Personalmangel zu
bekämpfen oder zumindest zu lindern.
Intensivpflege
Rechtliche und
praktische Anforderungen
Pflegerin bei der Versorgung
des Intensivpatienten
Pflegeassistent und Rettungsassistent
bei der Übergabe am Patientenbett
Nutzung des Potenzials der
Rettungsassistenten
Das neue Ausbildungskonzept bietet allen betroffenen Leistungserbringern erstmals einen konkreten,
praktikablen und nachhaltigen Lösungsansatz im
Kampf gegen die Personalmisere. Hierbei sollen Rettungsassistenten zu „Pflegeassistenten für Funktionsbereiche“ fortgebildet werden. Der Grundgedanke:
Rettungsassistenten verfügen über eine exzellente
Ausbildung, die viele Aspekte der Pflegeausbildung
umfasst oder zumindest anschneidet. Zudem werden
Rettungsassistenten im Gegensatz zur Pflegeausbildung ganz intensiv in den Bereichen Patientenbeobachtung, Monitoring, Pharmakologie, Beatmung
sowie Notfallmanagement geschult. Ihr Arbeitsalltag
weist auch viele Parallelen zu den Tätigkeiten in den
Funktionsbereichen wie Intensivstation, Anästhesie
und Notaufnahme auf, nur dass er sich direkt am
Einsatzort abspielt, außerhalb der Klinik.
Ein Rettungsassistent mit entsprechender Berufserfahrung verfügt somit über viel theoretisches und vor
allem auch praktisches Know-how in den genannten
Bereichen. Entscheidende Schlussfolgerung: Die
Fachweiterbildung erfahrener Rettungsassistenten
zu Assistenten, die die Pflegefachkräfte in bestimmten Bereichen wirksam unterstützen und somit entlasten können, ist mit überschaubarem Aufwand
möglich und somit sehr effizient.
Bislang werden Rettungsassistenten in Kliniken nur
selten und dann meist als Hilfskräfte eingesetzt, da
für bestimmte Tätigkeiten der Einsatz examinierter
Pflegekräfte rechtlich vorgeschrieben ist. Zudem
dürfen bis dato Rettungsassistenten in der Klinik
keine Verantwortung für Patienten übernehmen. Im
Hinblick auf die praktischen Anforderungen haben
selbst erfahrene Rettungsassistenten bei diversen pflegerischen Aspekten Wissenslücken, da diese nicht
Inhalt ihrer Ausbildung sind. Auch unterscheiden sich
beispielsweise die eingesetzten Medikamente oder
auch Beatmungsformen der Präklinik von der Klinik.
All diese rechtlichen und praktischen Anforderungen
gilt es in der Fachweiterbildung und Definition der
Aufgabenbereiche zu beachten, damit sowohl die
ausgebildeten „Pflegeassistenten für Funktionsbereiche“ als auch die Leistungserbringer gegenüber dem
Gesetzgeber sicher agieren – und vor allem zum
Wohle des Patienten. Enorme Bedeutung hat hier
eine korrekte Stellenbeschreibung mit klarer Aufgaben- und Kompetenzverteilung: Die fortgebildeten
Rettungsassistenten sind weder examinierten Pflegekräften mit dreijähriger Ausbildung und Staatsexamen noch Krankenpflegehelfern mit einjähriger
Ausbildung gleichzustellen.
Ausbildungskonzept mit individueller
Anpassung an den Einsatzort
In enger Zusammenarbeit mit Kliniken und dem
staatlich anerkannten Bildungsträger medakademie
hat Trenkwalder Medical Care eine Fachweiterbildung entwickelt, die Rettungsassistenten zu „Pflegeassistenten für Funktionsbereiche“ fortbildet und
sehr praxisorientiert auf den Einsatz in der Klinik
vorbereitet. Das vorhandene Know-how wird ergänzt, neue Inhalte gezielt vermittelt. Dabei wird das
Grundgerüst des Konzeptes bei jeder Fachweiterbil-
Fachweiterbildung von Rettungsassistenten –
der Hintergrund
Gemeinsam mit Kliniken und dem staatlich anerkannten Bildungsträger medakademie hat Trenkwalder Medical Care ein
neues Ausbildungskonzept entwickelt, das Rettungsassistenten zu „Pflegeassistenten für Funktionsbereiche“, zum Beispiel
für die Anästhesie, fortbildet. Ein innovativer Ansatz, der angesichts des Fachkräftemangels im Pflegebereich eine attraktive Option für alle Leistungserbringer darstellt. Nach einem
erfolgreichen Pilotprojekt 2010 am Deutschen Herzzentrum
München (DHM), in dessen Rahmen „Intensivpflegeassistenten“ in zwei herzchirurgischen Intensivstationen fortgebildet
und eingesetzt wurden, startete am 2. Mai 2011 die erste
reguläre Fachweiterbildung.
www.trenkwalder-medicalcare.de
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Intensivpflege
dung individuell an die betreffende Klinik und insbesondere an die Stationen angepasst, auf der die Teilnehmer arbeiten werden. Ziel ist es, den Rettungsassistenten das nötige Fachwissen zu vermitteln und
ihnen die Sicherheit für den späteren Einsatz zu
geben, um sie nicht als „Intensivpflegekräfte-light“,
sondern als tatsächlich vollwertiges Team-Mitglied
auf der Station zu qualifizieren.
Dabei hat bereits die Auswahl der Teilnehmer entscheidende Bedeutung – nicht alle Bewerber sind
geeignet. Kriterien sind beispielsweise eine besondere Affinität zum klinischen Arbeitsumfeld oder eine
größere Anzahl Praktika im gewünschten Einsatzgebiet. Mit einer mündlichen und schriftlichen Prüfung sowie einem ausführlichen Bewerbungsgespräch stellt Trenkwalder Medical Care bereits im
Vorfeld die Eignung der Bewerber sehr eingehend und
fundiert fest, sodass die Abbrecher-Quote auf ein
Minimum reduziert wird und letztlich nur wirklich
geeignete Rettungsassistenten in der Klinik zum Einsatz kommen.
Ein Rettungsassistent mit Berufserfahrung
verfügt über viel theoretisches und
vor allem auch praktisches Know-how in
den erforderlichen Bereichen
Als Partner für die Durchführung der Weiterbildung
wurde die medakademie gewonnen. Der staatlich
anerkannte Bildungsträger mit Standorten in München, Berlin, Köln, Stuttgart und Daschow ist spezialisiert auf medizinische Aus-, Fort- und Weiterbildungen und gewährleistet durch erfahrene Lehrkräfte
sowie moderne Einrichtungen eine erfolgreiche Wissensvermittlung. Die Praktikumsplätze für die Anfang Mai begonnene Qualifizierung stellen verschiedene Kliniken im Großraum München, unter anderem das Deutsche Herzzentrum München (DHM).
Die insgesamt 640 Lehrstunden verteilen sich auf
480 Theorie- und 160 Praxisstunden und umfassen
Themengebiete wie Grundlagen der Intensivmedizin, Pharmakologie der Anästhesie und Intensivmedizin, Präoperatives Management, Anästhesieverfahren, Beatmung und Grundpflege. Letztere wird so
umfangreich behandelt, dass in Kombination mit der
Vorbildung der Rettungsassistenten die Qualifikation zum „Pflegehelfer“ in der Fachweiterbildung mitenthalten ist. Die „Pflegeassistenten für Funktionsbereiche“ sind somit noch variabler einsetzbar, zum
Beispiel auch auf einer Pflegestation. Denkbare weitere Einsatzgebiete sind: Anästhesie/Aufwachraum,
Notaufnahme/Ambulanz, Intensivmedizin, Innerklinischer Patiententransport/Intensivtransport und
Außerklinische Intensivpflege.
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Das Pilotprojekt: Fachweiterbildung
zu Intensivpflegeassistenten
Anfang 2010 startete Trenkwalder Medical Care
zusammen mit dem Deutschen Herzzentrum München (DHM) ein Pilotprojekt, in dem speziell ausgewählte Rettungsassistenten als „Intensivpflegeassistenten“ in einer herzchirurgischen Intensivstation eingesetzt wurden. Zwei Faktoren erwiesen sich
als entscheidend für den Erfolg der Maßnahme in der
Praxis:
die klare Definition der Aufgaben der Intensivpflegeassistenten bereits im Vorfeld sowie
die frühzeitige Einbindung aller Berufsgruppen,
auf deren Arbeitsalltag der Einsatz der Intensivpflegeassistenten direkt oder indirekt Einfluss haben
würde.
Missverständnisse über Sinn und Zweck der neuen
Qualifizierung und die Rolle der neuen Kollegen
konnten so vermieden oder schnell ausgeräumt werden, sodass deren Integration schließlich weitestgehend problemlos verlief. Heute sind die Intensivpflegeassistenten ein von den Kollegen und der Pflegeleitung anerkannter, geschätzter und nicht mehr wegzudenkender Bestandteil der Intensivstation. Aufgrund
der sehr positiven Erfahrungen aus dem Pilotprojekt
startete Trenkwalder Medical Care am 2. Mai 2011
die erste reguläre Fachweiterbildung.
Neue Fachweiterbildung
lindert Personalmangel tatsächlich
Das erfolgreiche Pilotprojekt am Deutschen Herzzentrum München hat gezeigt, dass die Fachweiterbildung von Rettungsassistenten zu „Pflegeassistenten für Funktionsbereiche“ bei gewissenhafter und
professioneller Vorbereitung und Durchführung eine
von allen Beteiligten und Betroffenen anerkannte
und begrüßte Maßnahme sein kann. Nicht das ersatzlose Wegfallen von Pflegefachkräftestellen war das
Ziel, sondern die gezielte Ergänzung im breiten Spektrum der Tätigkeitsprofile von Fachpflegekräften.
Aufgrund der Entlastung steht den examinierten
Pflegekräften mehr Arbeitszeit für die primäre und
unmittelbare Patientenbetreuung zur Verfügung. Im
Ergebnis können mehr Patienten betreut und somit
der Mangel an Pflegefachkräften weitgehend ausgeglichen werden. Gleichzeitig kann dadurch die Qualität der Patientenbetreuung aufrechterhalten oder
noch gesteigert werden.
Anschrift des Verfassers:
Alexander Heimerl, Rettungsdienstfachmann
im Kompetenzteam von Trenkwalder Medical Care
Klausenburger Straße 4
81677 München
E-Mail: [email protected]
Intensivpflege
Interview mit Burkhard Köppen
„Unsere Erfahrungen sind durchweg positiv“
Interview mit Herrn Burkhard Köppen, Pflegedirektor des Deutschen Herzzentrums
München (DHM), über das Pilotprojekt mit Trenkwalder Medical Care. Im DHM wurden
ab Anfang 2010 speziell ausgewählte Rettungsassistenten als „Intensivpflegeassistenten“
in einer kardiologischen Intensivstation fortgebildet und eingesetzt.
Herr Köppen, welche Argumente sprechen aus Ihrer
Sicht für die neue Fachweiterbildung?
Der akute und sich sicher weiter verschärfende Personalmangel im Pflegebereich erfordert an vielen
Stellen des Klinikbetriebs ein Umdenken und die
Suche nach Alternativen. Mit dem innovativen Ansatz, Rettungsassistenten für die gezielte Unterstützung der Pflegefachkräfte zu qualifizieren, beschreitet die Fachweiterbildung völlig neue Wege. Dabei
ist die „Entdeckung“ von Rettungsassistenten als
potenzielle Pflegekräfte nicht neu. Sie verfügen über
eine ausgezeichnete, staatlich anerkannte Ausbildung, und im Arbeitsalltag gibt es viele Analogien zu
Notaufnahme und Intensivstation. Aber die gezielte
Fachweiterbildung von Rettungsassistenten für einzelne Funktionsbereiche ist eine echte Innovation.
Sie löst endlich die Probleme, die beim bisherigen
Einsatz von Rettungsassistenten im Pflegebereich
auftraten, zum Beispiel Wissenslücken und unklare
Kompetenzen. Diese konzeptionelle Leistung von
Trenkwalder Medical Care ist ausdrücklich hervorzuheben.
Welche Erfahrungen haben Sie bei der Umsetzung
gemacht?
Unsere Erfahrungen sind durchweg positiv. Aber
unsere Botschaft war von vornherein eindeutig: Intensivpflegeassistenten werden keine Pflegefachkräfte ersetzen oder ihre Anzahl reduzieren, sondern
diese qualifiziert unterstützen und entlasten. Kurz:
Ergänzung, nicht Ersatz. Wenn die Rollenverteilung
klar definiert ist, entstehen Ängste erst gar nicht. Bei
allem Optimismus waren wir anfangs natürlich sehr
gespannt, aber wir sind positiv überrascht worden,
und die Intensivpflegeassistenten haben sich sehr
bewährt.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den
neuen Kollegen in der Praxis?
Für die reibungslose Zusammenarbeit auf Station ist
eine frühe und umfassende Einbindung aller Beteiligten die entscheidende Basis. Da das Tätigkeitsspektrum einer Intensivpflegekraft extrem breit ist,
muss im Rahmen des gemeinsamen Entwicklungs-
Burkhard Köppen
„Nur wirklich erfahrene
Rettungsassistenten
kommen infrage“
Burkhard Köppen, Pflegedirektor
des Deutschen Herzzentrums München (DHM)
prozesses zunächst eine rote Linie entwickelt werden, die die Kompetenzen und Zuständigkeiten der
einzelnen Pflegekräfte und insbesondere der Intensivpflegeassistenten klar definiert. So sind zum Beispiel am DHM die examinierten Pflegekräfte immer
bestimmten Patienten zugeordnet, während die
Intensivpflegeassistenten patientenübergreifend die
Unterstützung leisten. Wenn nun ein Intensivpflegeassistent beispielsweise die oft personal- und zeitintensiven Krankentransporte begleitet, so bleibt der
Pflegefachkraft erheblich mehr Zeit für ihre eigentliche Aufgabe: die Patientenbetreuung. Gleichzeitig
kann der Intensivpflegeassistent aber nur dann zur
wertvollen Unterstützung werden, wenn er von den
Pflegefachkräften gut betreut und eingebunden wird.
Die Zusammenarbeit lebt also enorm vom gegenseitigen Geben und Nehmen im Team.
Was ist bei der Auswahl der Rettungsassistenten zu
beachten?
Auf Basis unserer bisherigen Erfahrungen kommen
für die Fachweiterbildung in der Regel nur wirklich
erfahrene Rettungsassistenten mittleren Alters infrage. Diese verfügen nicht nur über theoretisches
und praktisches Pflegewissen, sondern sie kennen
auch die sehr komplexen Organisationsstrukturen
einer Intensivstation und bringen gleichzeitig eine
gewisse Reife und Verantwortungsbewusstsein mit.
Für diese Personengruppe hat die Fachweiterbildung
auch per se eine höhere Attraktivität als für jüngere
Rettungsassistenten.
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