Anionentransport 1. Einleitung Alle Zellen, sowie die Kompartimente innerhalb der Zellen (z.B. Mitochondrien, ER, Golgi), sind von biologischen Membranen umgeben. Diese Membranen bestehen aus einer Lipid-Doppelschicht, die aus Phospholipiden, Glykolipiden und Cholesterin gebildet wird. Hierbei stellen die Phospholipide (Glycerin- oder Sphingosin-Derivate) die wohl größte Gruppe an Lipiden dar. Alle Lipide sind amphipathische Moleküle, d.h. sie weisen hydrophobe und hydrophile Anteile auf. Deren Anordnung ist für die Ausbildung der Lipid-Doppelschicht (lipid bilayer) in wässriger Umgebung verantwortlich. Hierbei lagern sich die Lipide in einem energetisch b e g ü n s t i g t e n „self-assembly“Glykolipide Protein in äußerer Schicht MembranProzess zu einer Doppelschicht außenseite zusammen, bei der die hydrophilen Anteile außen (in Nachbarschaft der Wa s s e r m o l e k ü l e ) z u l i e g e n kommen, während die hydrophoben, aliphatischen Ketten der Fettsäuren nach innen gerichtet hydrophil Protein sind. hydrophob in innerer D i e f l u i d e n b z w. k r i s t a l l i n e n Schicht -Helixhydrophil Eigenschaften von Membranen Cholesterin Protein globuläres PhosphoProtein ergeben sich durch die lipid p r o z e n t u a l e n A n t e i l e a n Fig.1: Modell einer biologischen Membran (www.physik3.gwdg.de/ ~uka/lipide.html) ungesättigten Fettsäuren (Fluidität) und Cholesterin (Rigidität) aber auch durch die Länge der aliphatischen Ketten und die vorherrschende Temperatur. Derartige Lipid-Doppelschichten sind für Ionen nahezu impermeabel, während hydrophobe Moleküle (z.B. O2, N2) eine verhältnismäßig hohe Diffusion durch die Membran aufweisen. Auch kleine polare Moleküle (z.B. H2O, Harnstoff) gelangen, wenn auch langsamer, durch die Membran. Außerdem müssen Zellmembranen noch den Durchtritt von hochpolaren Substanzen (z.B. Ionen, Zucker, Aminosäuren, Nucleotide) gewährleisten. Für deren Transport sind spezielle, hochspezifische Membranproteine verantwortlich, welche die für den Transport über eine Membran benötigte Energie herabsetzen. Dabei sind verschiedene Klassen und Mechanismen von Transport-Proteinen bekannt, die im folgenden detaillierter vorgestellt werden sollen. 2. Membrantransportprozesse Beim Transport durch die Membran unterscheidet man zwischen passivem und aktivem Transport. Der passive Transport erfolgt in Richtung des Konzentrationsgradienten des Substrats, d.h. von hoher zu niedriger Konzentration. Trägt das Solut dabei eine Ladung, so wird dessen Transport neben der Konzentrationsdifferenz auch durch den Unterschied des elektrischen Potentials über die Membran (Membranpotential) beeinflusst. Der Konzentrationsgradient und der elektrische Gradient können zum elektrochemischen Gradienten zusammengefasst werden. 1 Im Gegensatz dazu können beim aktiven Transport Solute gegen den elektrochemischen Gradienten „gepumpt“ werden. 2.1. Passiver Transport: Erleichterte Diffusion, Carrier-vermittelte Diffusion, Kanäle Im Fall des passiven Transports unterscheidet man zwischen Carrier und Kanälen: I. Die Diffusion mittels Carrier (Permeasen) zeichnet sich durch eine leicht erhöhte Diffusionsgeschwindigkeit aus. Carrier binden die zu transportierende Substanz spezifisch und geleiten sie mittels Konformationsänderungen durch die Membran. Carrier-vermittelte Diffusion lässt sich anhand der folgenden Kriterien leicht bestimmen: Zum einen muß das System abzusättigen sein, d.h. oberhalb einer bestimmten Konzentrationsdifferenz ändert sich die Diffusion trotz Konzentrationserhöhungen nicht mehr, da alle Carrier-Proteine maximal ausgelastet sind. Zum anderen sollten sich Inhibitoren für einen Carrier finden lassen, die selektiv den Transport eines Substrates unterbinden. Relativ häufig sind derartige Carrier gekoppelte Transporter, d.h. der Transport eines Substrates ist mit dem Transport eines anderen gekoppelt. Dies geschieht entweder als Transport beider Substrate in die gleiche Richtung (Symport) oder in entgegengesetzter Richtung (Antiport). Ein typisches Beispiel für einen solchen Antiporter ist der Transport v o n ATP über die Mitochondrienmembran. Dieser läuft erst ab, wenn die zweite Bindungsstelle ein Molekül ADP gebunden hat. Fig.2: Gekoppelter Transport www.vscht.cz/.../ motor/index.obrazky.html II. Im Gegensatz zu Carriern interagieren Kanäle nur schwach mit dem zu transportierenden Solut. Sie bilden wässrige Poren, die sich durch die Lipid-Doppelschicht erstrecken und somit z.B. Ionen ermöglichen, die Membran zu passieren. Die Kanäle sind dabei ebenfalls hochspezifisch für ihre Substrate. Die Spezifität beruht hierbei meistens auf der Ladung der Ionen, sowie deren Hydrathülle. Verständlicherweise ist der Transport durch Kanalproteine erheblich schneller, als die Geschwindigkeit des Carrier-vermittelten Transports. 2.2. Aktiver Transport Der aktive Transport erfolgt ebenfalls mit Hilfe von Carriern, findet jedoch nur unter Verbrauch von Energie statt. Ein Beispiel für derartige Transporter ist z.B. die Na+/K+ATPase, bei der durch Hydrolyse von ATP Natriumionen aus der Zelle geschleust und gleichzeitig Kaliumionen ins Innere der Zelle gepumpt werden. 2.3. Gruppen-Transfer Eine weitere Möglichkeit des Transports stellt der Gruppentransfer dar. Hierbei werden die Substrate beim Transport gleichzeitig modifiziert (z.B. Acylierung, Phosphorylierung). 2 Derartige Transportprozesse sind hochkomplex und meistens ebenfalls mit einer Energiequelle gekoppelt. Ein sehr bekanntes Beispiel ist das Enzym Hexokinase, welches den Transport von Glucose in die Zelle ermöglicht. Während des Transports wird eine Phosphatgruppe von ATP auf Glucose übertragen - es entsteht ADP und Glucose-6-Phosphat (G6P). Dies hat mehrere Vorteile: Während die Zellmembran für Glucose (gering) permeabel ist, so ist die Diffusion von G6P so gut wie unmöglich, aufgrund der stark polaren Ladungsgruppe. Durch Verschiebung des Gleichgewichts an der Membran ist es der Zelle möglich, die Aufnahme von Glucose zu begünstigen. Zusätzlich stellt die Verwendung von ATP für die Phosphorylierung keinen hohen Energieverlust dar, da das G6P wieder in ATP umgewandelt werden kann. Oft sind derartige Modifikationen auch nur direkt für den jeweiligen Transportprozess von Bedeutung, um z.B. eine höhere Löslichkeit des Substrates zu erreichen, wie es z.B. im Falle des Transports von Aminosäuren durch Zellmembranen erfolgt. Hierbei werden die Aminosäuren mit Glutathion gekoppelt, welches direkt nach erfolgtem Transport wieder abgespalten wird. 3. Transportprozesse in Erythrozyten Das Blut ist für den Transport von O2 und CO2 innerhalb des Körpers zuständig. Die Abgabe und Aufnahme der beiden Gase wird dabei hauptsächlich durch den jeweiligen pH-Wert in den Geweben und der Lunge gesteuert (Bohr-Effekt). Dank des Bohr-Effektes versorgt das Blut die Gewebe nicht nur mit O 2 sondern transportiert auch das im Stoffwechsel entstandene CO2 (z.B. aus dem Citratcyclus) zur Lunge. Im Gewebe diffundiert das CO2 in die Erythrozyten. Dort wird es durch die Carboanhydrase zu H2CO3 umgesetzt. Das H2CO3 dissoziiert zu H+ und HCO3-. Die H+Ionen werden von Desoxy-Hämoglobin gebunden und das HCO3- von einem HCO3-/ClAntiporter ins Plasma transportiert. In der Lunge hingegen wird das Desoxy-Hämoglobin zu Oxy-Hämoglobin umgewandelt. Das Oxy-Hb stellt eine stärkere Säure dar, sodass es H +-Ionen abgibt. Die H+-Ionen reagieren daraufhin mit HCO3- zu H2CO3, welches in Wasser und CO2 zerfällt. Das CO2 kann abgeatmet werden, während der HCO3-/Cl- Antiporter HCO3- in die Erythrozyten nachliefert. Für beide Prozesse ist der HCO3-/Cl- Antiporter unerlässlich. Neben den erwähnten Soluten transportiert dieser Transporter aber auch andere anionische Substrate, z.B Sulfat, jedoch mit deutlich geringerer Geschwindigkeit. Fig.3: Nach „Biochemie light“ (Verlag Harri Deutsch, 2001) leicht verändert 3 4. Praktikumsversuch Im folgenden Versuch soll eine erleichterte Diffusion über die Erythrozytenmembran durch den HCO3-/Cl- Antiporter anhand von radioaktivem S35-Sulfat gemessen werden. Dabei werden die Erythrozyten derartig behandelt, dass die Membran durchlässig wird, sodass das Hämoglobin und andere lösliche Proteine aus der Zelle gelangen können. Die so entstandenen Erythrozyten-Ghosts werden dann mit radioaktiven Sulfat inkubiert und anschließend in einem geeigneten Puffer wieder impermeabilisiert. Da der HCO3-/ClAntiporter weiterhin aktiv ist, kann man nun den Transport von S35-Sulfat aus den Erythrozyten in Abhängigkeit von der Zeit ermitteln. Material und Methoden Molgewicht 1. Physiologische Kochsalzlösung (NaCl 0.9%) Menge 58,44 45 g/5 l -> waschen und verdünnen der Blutkörperchen 2. Hämolysierlösung (mit verd. Essigsäure auf pH 4,5 eingestellt) 4mM Magnesiumsulfat 246,48 1,48 g/1,5 l 1.56M Kochsalz 58,44 45,58 g/0,5 l 0.24M TRIS 121,13 14,54 g/0,5 l 0.12M Natriumsulfat 142,04 8,52 g/0,5 l 150mM Kochsalz 58.44 21.92 g/2.5 l 20mM TRIS 121.13 6.06 g/2.5 l 10mM Natriumsulfat 142.04 3.55 g/2.5 l -> Hämolyse der Erythrozyten => ghosts 3. Reversal-Medium (mit HCl auf pH 7,5 eingestellt) -> Impermeabilisierung der Erythrozyten-Membran 4. Pufferlösung (mit HCl auf pH 7,2 eingestellt) -> waschen der ghosts 5. Erythrozytenkonzentrat 6. radioaktives Sulfat 7. verdünnte Essigsäure und TRIS 1M -> pH-Einstellung 4 Messung und Auswertung Vorbereitung: große Box mit Eis; Zentrifuge vorkühlen (4°C); Wasserbad anstellen (37°C); Kochsalzlösung bereitstellen alle nachfolgenden Schritte auf Eis Blutkonserve auf 6 Zentrifugengefäße aufteilen (Füllhöhe: ~2cm) Gefäße bis unter Markierung mit phys. Kochsalzlösung auffüllen; jeweils 2 Gefäße gegeneinander austarieren Zentrifugation: 6500rpm, 10min, 4°C Überstand mit Wasserstrahlpumpe absaugen, mit physiol. Kochsalzlösung auffüllen, Pellet vorsichtig (!) mit Spatel resuspendieren, zentrifugieren obige Waschschritte mit phys. Kochsalzlösung 2x wiederholen, jedoch nicht mit Spatel resuspendieren 3 (abgesaugte) Zentrifugenbecher als „Back-up“ auf Eis stellen die 3 anderen (größten) Pellets mittels Kochsalzlösung vereinigen (Endvolumen 12ml) und durch Schwenken (!) resuspendieren 12ml der Suspension mit Glaspipette auf einem Rührer vorsichtig in ein eisgekühltes 250ml Becherglas überführen +1ml radioaktive Sulfatlösung !!Ab jetzt nur noch mit Handschuhen arbeiten!! +120ml Hämolysierlösung (langsam zugeben) pH mit verd. Essigsäure auf 5,9-6 einstellen (vorsichtig!; 20µl Pipette) Inkubationszeit: 5min +12ml Reversallösung pH mit 1M Tris auf 7,2 einstellen 5min inkubieren; inzwischen Zentrifugationsgefäße reinigen Suspension auf 4 Zentrifugationsbecher verteilen, austarieren und 1h bei 37°C im Wasserbad inkubieren Zentrifugation: 6500rpm, 10min, 4°C 2x19ml Puffer pH7,2 in den Glasgefäßen des Wasserbades vorwärmen (37°C) rotes Gefäß: +Persantinlösung (5µM; Inhibitor) a) schwarz: ohne Inhibitor b) rot: mit Inhibitor jeweils 8 Caps schwarz bzw. rot mit den Inkubationszeiten beschriften jeweils 8 Szintillationsgefäße schwarz bzw. rot mit Inkubationszeiten beschriften Suspension stets auf Eis aufbewahren! Überstand vorsichtig (!) dekantieren in 400ml Glasgefäß Sediment (Ghosts) 3x mit Pufferlösung pH 7,2 waschen (10min, 6500rpm, 4°C); dabei Pellets auf einen Zentrifugenbecher „einengen“ nach 3. Dekantieren gegebenfalls etwas Pufferlösung zugeben und resuspendieren (Endvolumen ~2,5ml) jeweils 1ml Ghost-Suspension zur Pufferlösung im Wasserbad (37°C) pipettieren sofort jeweils 1ml in ein Cap abnehmen (Nullwert), in Eppendorf-Zentrifuge 1min bei max. Geschwindigkeit abzentrifugieren und 0,5ml des Überstands in ein Szintillationsgefäß überführen + 5ml Szintillationsflüssigkeit weitere Proben bei 3, 6, 10, 15, 20, 25 und 30min entnehmen und wie zuvor beschrieben behandeln 5 Reste aus Wasserbadgefäßen abpipettieren (radioaktiver Abfall!) und spülen Messung: im LSC (liquid szintillation counter; Beckman LS6500) www.knochenmarkspende-west.de/ spenderinformat... Weiterführende Literatur / Literaturverzeichnis: Biochemie light; Rehm, Hammar; Harri Deutsch Verlag; 2001; 2. korrigierte Auflage Biochemie; Stryer ; Spektrum Verlag; 2003; 5. Auflage Lehrbuch der Physiologie, Klinke, Silbernagel; Thieme Verlag; 2001 Molekularbiologie der Zelle; Alberts et.al.; Wiley-VCH; 2003; 4. Auflag 6