Sozialpsychologie PDF

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SOZIALPSYCHOLOGIE
Von: Josua Handerer
Kontakt: [email protected]
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1. Was ist Sozialpsychologie?
1.1.
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Grundlegendes:
Definition nach Allport: Die Sozialpsychologie beschäftigt sich mit der Frage, „wie
Denken, Fühlen und Verhalten von Individuen durch die tatsächliche, vorgestellte
oder implizite Anwesenheit anderer beeinflusst werden.“
 Hauptthema der Sozialpsychologie ist demnach sozialer Einfluss:
 Direkte Überzeugungsversuche (Werbung, Persuasion,…)
 Subtile Einflussnahme (soziale Erwartungen und Konventionen, kultureller
Kontext,…)
 Die Komponenten, die betrachtet werden, sind: Kognition, Emotion und Verhalten
Im Gegensatz zur Differentiellen Psychologie geht es der SP weniger um stabile
Persönlichkeitsunterschiede als vielmehr um die (sozialen) Situationen, in denen ein
bestimmtes Verhalten auftritt.
 Verhalten = Person
Situation
 Die SP sucht nach Gesetzmäßigkeiten, die für alle Menschen gelten - nicht nach
Persönlichkeitsunterschieden.
Die Soziologie beschäftigt sich mit sozialen Gruppen, die Sozialpsychologie mit den
Individuen innerhalb solcher Gruppen.
 Die Sozialpsychologie betrachtet die psychologischen Mechanismen im Einzelnen;
die Soziologie untersucht die politischen, kulturellen,… Mechanismen in der
Gesellschaft.
FAZIT: Die Sozialpsychologie kann zwischen Soziologie (Situation) und
Persönlichkeitspsychologie (Person) angesiedelt werden.
Von der Gestaltpsychologie (u.a. Wertheimer) hat die Sozialpsychologie folgendes
übernommen:
 Die holistische Sichtweise (das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile;
komplexe psychologische Phänomene sind demnach nicht immer in ihre einzelnen
Elemente zu zerlegen)
 Kritik am Strukturalismus (u.a. Wundt), der eine elementaristische
Sichtweise hatte
 Betonung des subjektiven Erlebens (die (soziale) Wirklichkeit ist nur z.T. objektiv
gegeben, zu einem Großteil wird sie vom Individuum konstruiert; es kommt also
weniger auf die Situation an sich an, sondern darauf, wie der Einzelne sie
interpretiert).
Vom Behaviorismus übernommen hat die Sozialpsychologie v.a. die Methode: das
experimentelle Vorgehen!
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1.2. Der fundamentale Attributionsfehler
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Der fundamentale Attributionsfehler bezeichnet die Tendenz, das Verhalten anderer zu
sehr auf deren Persönlichkeit zurückzuführen und dabei soziale und situationale
Einflussfaktoren zu vernachlässigen.
EXPERIMENT (Ross und Samuels, 1993): „Wall Street Game”
Hängt es von der Persönlichkeit oder von der Situation ab, wie Menschen sich
in einer Spielsituation verhalten?
 UV 1: Persönlichkeit der Vpn (kompetitiv vs. kooperativ)
 UV 2: Soziale Situation (kompetitiv vs. kooperativ)
 Das von den Probanden zu spielende Spiel wurde ihnen entweder als
„Wall Street Game“ oder „Community Game“ vorgestellt.
 AV: Verhalten der Vpn während des Spiels (kompetitiv vs. kooperativ)
Die Persönlichkeit der Vpn hatte keinen Einfluss auf das Spielverhalten;
entscheidend war allein der Name des Spiels.
Insbesondere
extremes
Verhalten
(Mord
usw.)
wird
gerne
auf
Persönlichkeitsmerkmale zurückgeführt, da nach einfachen Erklärungen gesucht wird
(Oversimplification).
1.3. Zwei grundlegende Ansätze in der Sozialpsychologie
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Wie der Mensch die Welt um sich herum konstruiert bzw. wahrnimmt, hängt von
seiner Motivation ab. Die beiden grundlegenden Motive sind dabei (1) das
Selbstwertgefühl aufrecht zu erhalten und (2) das Bedürfnis nach Korrektheit. Je
nachdem, welches dieser beiden Motive man unterstellt, kommt man in der
Sozialpsychologie zu unterschiedlichen Ansätzen.
1.3.1. Der „Selbstwert-Ansatz“: Der Mensch als rationalisierendes Wesen
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Grundmotiv des Menschen ist es, ein hohes Selbstwertgefühl zu bekommen bzw.
beizubehalten.
 Daher das Bedürfnis, das eigene Verhalten zu rechtfertigen, anstatt persönliche
Fehler und Schwächen zuzugeben.
Phänomene: z.B. empfinden Menschen kognitive Dissonanz, wenn das eigene
Verhalten ihren Idealen widerspricht. => Ihr Selbstwertgefühl ist bedroht.
Probleme:
 Verzerrung der Realität
 Irrationale Urteile und vermeidlich paradoxes Verhalten
 Unfähigkeit, aus Fehlern zu lernen
1.3.2. Der „Social–Cognition–Ansatz“: Der Mensch als informationsverarbeitendes
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System
Grundmotiv des Menschen ist es, die Wirklichkeit möglicht genau und korrekt
wahrzunehmen; es geht um eine realistische Einschätzung der Welt und der eigenen
Person.
 Daher werden gezielt kognitive Ressourcen eingesetzt, um die zur Verfügung
stehenden Informationen zu ordnen und zu interpretieren.
Phänomene: Es gibt verschiedene Vorgehensweisen bei der Informationsverarbeitung
(z.B. im Fall der Urteilsbildung): Entweder es wird genau nachgedacht und
abgewogen oder es werden Heuristiken verwendet.
Probleme:
 Die Genauigkeit von Urteilen geht immer zu Lasten der Schnelligkeit – und
umgekehrt!
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Die Genauigkeit unserer Wahrnehmung kann beeinträchtigt werden durch:
 Gute Stimmung
 Zeitdruck
 Ablenkung (begrenzte kognitive Kapazität)
 Informationsmangel bzw. –überflutung
 Den eigenen Erwartungen
 „Self-fulfilling Prophecy“
1.4. Die „Self-fulfilling prophecy“
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Unsere Schemata bzw. Erwartungen beeinflussen unser Verhalten gegenüber anderen;
gleichzeitig löst unser Verhalten beim Gegenüber eine entsprechende Reaktion aus;
diese Reaktion wiederum scheint unsere Ausgangserwartung zu bestätigen.
EXPERIMENT (Rosenthal & Jacobson, 1969): Die Erwartungen eines Lehrers
beeinflussen dessen Verhalten und damit die Leistung der Schüler!
 UV: Erwartung der Lehrer bezüglich der intellektuellen Leistungsfähigkeit
der Schüler
 experimentell manipuliert durch vermeidlich hohe Testergebnisse
willkürlich ausgewählter Schüler
 AV: Ergebnis der Schüler in einem IQ-Test (vor Beginn - und nach Ende
des Schuljahres)
Die Schüler, die von den Lehren zu Unrecht für intelligenter gehalten
worden waren, hatten in dem IQ-Test am Ende des Schuljahres tatsächlich
einen höheren IQ als vorher.
 Mögliche Erklärung: Die Erwartungshaltung der Lehrer scheint deren
Verhalten gegenüber den angeblichen „Überfliegern“ beeinflusst zu
haben; diese „Sonderbehandlung“ wiederum hat sich positiv auf die
Leistung der betroffenen Schüler ausgewirkt (Motivation,
Lernverhalten usw.).
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2. Methoden der Sozialpsychologie:
2.1. Allgemeines
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
Wie jeder empirischen Wissenschaft geht es auch der Sozialpsychologie darum,
allgemeine Gesetzmäßigkeiten zu formulieren und an der Realität zu überprüfen.
Um solche Gesetzmäßigkeiten aufzudecken bzw. zu überprüfen, gibt es prinzipiell
drei Vorgehensweisen:
1. Beschreibende Beobachtung
2. Korrelationsstudien
3. Experimente
Am Anfang jeder wissenschaftlichen Forschung steht eine Theorie bzw. Hypothese,
die ihrerseits entweder aus persönlichen Erfahrungen und Beobachtungen oder aus
vorhergehenden Studien abgleitet wird. Was folgt, ist die methodisch fundierte
Überprüfung dieser Theorie bzw. Hypothese.
 Insgesamt lässt sich Wissenschaft als kontinuierlicher Prozess beschreiben
2.2. Die beschreibende Beobachtung
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Vorgehensweise: Verhaltensbeobachtung in natürlichem Umfeld (z.B. das
Fernsehverhalten von Kindern bzw. deren Spielverhalten auf dem Spielplatz)
 Unterschieden werden muss u.a. zwischen teilnehmender und nicht
teilnehmender Beobachtung.
Ziele: umfassende Beschreibung von Verhalten; Generierung neuer Hypothesen
Probleme:
 Seltenes oder privates Verhalten ist (v.a. in natürlichem Umfeld) nur schwer
beobachtbar.
 Außerdem ist die Allgemeingültigkeit solcher Beobachtungen äußerst fraglich,
da mögliche Störvariablen nicht eliminiert werden können.
Archivanalyse: Auswertung bereits vorhandenen Materials (z.B. Zeitungsartikel,
Statistiken,…); problematisch, da die Qualität des Materials nicht sichergestellt
werden kann (es ist evtl. veraltet, unvollständig oder inkorrekt)
2.3. Korrelationsstudien
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Vorgehensweise: systematische Messung von mindestens 2 Variablen (Feld oder
Labor); Berechnung von Korrelationen (zw. -1 und +1)
 Keine der beiden Variablen (z.B. Fernsehkonsum) wird aktiv manipuliert!
 Störvariablen werden nicht ausgeschaltet!
Ziele: Beschreibung von Zusammenhängen (z.B. zwischen der Aggressivität von
Kindern und deren Fernsehkonsum); Vorhersage einer Variablen X aus einer
Variablen Y
Probleme:
 Korrelationsstudien erlauben keine Aussagen über Kausalität (geringe interne
Validität)!
 Umgekehrter Kausalzusammenhang
* Vielleicht ist Aggression gar nicht die Folge von erhöhtem Fernsehkonsum, sondern
dessen Ursache!
 Drittvariable (Konfundierung mehrerer Variablen)
* Vielleicht kommen Kinder, die viel fernsehen, aus sozial niedrigeren Schichten – und ihre
Aggression ist keine Folge des Fernsehkonsums, sondern ihrer Herkunft!
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 Selbstselektion
* Vielleicht kommen Kinder, die viel fernsehen, generell aus schlechteren Elternhäusern,
sind von vorneherein gewaltbereiter und weniger intelligent.
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 Nur lineare Zusammenhänge können erfasst werden.
Kausalanalyse: Konfundierende Variablen werden herauspartialisiert; auf diese
Weise kann man z.B. die „milieubereinigte“ Korrelation zwischen Fernsehkonsum
und Aggression berechnen.
2.5. Das Experiment
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Vorgehensweise: Experimentelle, heißt aktive und zielgerichtete Manipulation der
Situation (daher überwiegend im Labor); Ausschaltung möglicher Störvariablen
 Randomisierung: Zufallszuteilung der Pbn auf die verschiedenen Bedingungen
 Herstellung der Situation: aktive Manipulation mindestens einer UV
 Kontrolle bzw. Eliminierung möglicher Störvariablen
Ziel: Beschreibung bzw. Aufdeckung von Kausalzusammenhängen; möglichst kleiner
p-Wert (die Wahrscheinlichkeit, dass die Unterschiede in der AV nur durch Zufall
zustande gekommen sind)
Probleme: externe Validität (Übertragbarkeit auf natürliche Situationen?!)
2.6. Wichtige Begriffe
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Interne Validität: Sind die Veränderungen der AV eindeutig auf die Variation der
UV zurückzuführen?
Externe Validität: Generalisierbarkeit über verschiedene Situationen und Personen.
 Mundane Realism: Ähnlichkeit zu alltäglichen Situationen
 Psychological Realism: Ähnlichkeit zu den psychologischen Prozessen, die in
realen Situationen auftreten (kann durch „Coverstories“ erhöht werden)
 Die externe Validität lässt sich am besten durch Replikationen prüfen
Replikation: Wiederholung eines Versuches mit anderen Versuchspersonen,
verändertem Versuchsaufbau usw.
Meta-Analyse: Statistische Zusammenfassung mehrerer Studien, die sich mit
derselben Forschungsfrage beschäftigen.
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3. Social Cognition
3.0. Allgemeines
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„Social Cognition“ ist ein Ansatz in der Sozialpsychologie, der unter dem Paradigma
der Informationsverarbeitung steht.
 Wie verarbeiten und interpretieren wir Informationen, um Urteile und
Entscheidungen zu treffen?
Grundsätzlich lassen sich zwei Arten der Informationsverarbeitung unterscheiden:
1. Automatisches Denken: unbewusst, unkontrolliert und ohne mentalen
Aufwand
 Verwendung von Schemata und Urteilsheuristiken
2. Kontrolliertes Denken: bewusst, kontrolliert, mentale Arbeit erfordernd
 Rationales, schlussfolgerndes Denken
3.1. Automatisches Denken (der „Autopilot“)
3.1.1. Schemata
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Schemata sind mentale Strukturen, mit deren Hilfe wir unser Wissen organisieren;
kurz: Schemata sind übergeordnete Wissensstrukturen
 z.B.: Wissen über einzelne Personen, Gruppen, soziale Rollen, sich selbst,…
Schemata haben Einfluss auf: die Informationsaufnahme, die Enkodierung bzw.
Kategorisierung und den Abruf von Informationen („reconstructive memory“)
Welche Schemata angewandt werden, hängt von ihrer momentanen Verfügbarkeit ab.
Zu unterscheiden ist:
 Chronische Verfügbarkeit: Aufgrund gemachter Erfahrungen permanent
verfügbare Schemata
 Priming: Prozess, bei dem die Verfügbarkeit bestimmter Schemata und
Konzepte durch unmittelbar vorausgehende Erfahrungen vorübergehend erhöht
wird; kurzfristige Aktivierung bestimmter Schemata (subliminal oder
wahrnehmbar)
Schemata dienen dazu, die Welt um uns herum zu strukturieren. Die permanent auf
uns einströmenden Informationen müssen reduziert und geordnet werden, da wir
ansonsten überfordert wären. Problematisch wird’s nur dann, wenn die von uns
verwendeten Schemata falsch sind!
 Vorteile: sparen Zeit und kognitive Kapazität, sind v.a. bei mehrdeutigen
Informationen hilfreich, sinnvolles Ausfüllen von Erinnerungslücken
 Nachteile: Verzerrungen, Schubladendenken, Stereotype, Vorurteile, Selffulfilling prophecy…
„Priming“: kurzfristige (subliminale oder wahrnehmbare) Aktivierung bestimmter
Schemata
EXPERIMENT (Higgins et al., 1977): „Donald“ und Priming
Die Einschätzung einer Person („Donald“) in einer mehrdeutigen Geschichte
hängt davon ab, ob die betroffenen Versuchspersonen vorher mit positiven
oder negativen Wörtern geprimt wurden (Bedingung: anders als beim „HofEffekt“ (positive Valenz strahlt aus) müssen die Wörter auch inhaltlich zur
Geschichte passen!).
 Wenn ein bestimmtes Schema aktiviert wird, steigt die Wahrscheinlichkeit,
dass dasselbe Schema kurz darauf (möglicherweise in einem völlig
anderen, unpassenden Kontext) erneut aktiviert wird. Die Verfügbarkeit
von Information hängt v.a. von deren vorheriger Verwendung und nicht so
sehr von der aktuellen Situation bzw. Person ab!
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„Reconstructive Memory“: Gedächtnislücken werden durch schemakonsistente
Details aufgefüllt. D.h.: Nicht alles, woran wir uns erinnern, ist tatsächlich so passiert.
Vieles ist erst im Nachhinein von uns ergänzt worden – und zwar entsprechend der
von uns verwendeten Schemata.
EXPERIMENT (Linda Carli, 1999): Barbara und Jack auf der Skihütte
Probanden lesen eine Geschichte mit unterschiedlichem Ausgang und werden
2 Wochen später gefragt, woran sie sich erinnern. Je nach Ausgang der
Geschichte werden unterschiedliche Schemata aktiviert – und entsprechende,
schemakonsistente Details „erinnert“, die in der Geschichte gar nicht
vorgekommen sind!
 UV: Ausgang der Geschichte: Heiratsantrag vs. Vergewaltigung
 In der Geschichte geht es darum, dass ein Paar (Barbara und Jack)
ein Wochenende auf einer Skihütte verbringen.
 AV: Erinnerungstest 2 Wochen später: Erinnerung schemakonsistenter,
aber falscher Ereignisse
 Z.B.: „Jack schenkte Barbara Rosen“
„Preseverence effect“: Selbst wenn bestimmte Schemata als unzutreffend entlarvt
wurden, wirken sie weiter; da durch die Aktivierung eines Schemas schemakonsistente
Erinnerungen aufgerufen werden, die ihrerseits aktiv bleiben.
EXPERIMENT (Ross et al., 1975): „False Feedback“
Auch wenn man im Nachhinein gesagt bekommt, dass das Feedback, das man
bezüglich der eigenen Leistung bekommen hat, falsch war, hat man nach
positivem Feedback ein höheres Selbstwertgefühl als nach negativem
Feedback.
 Ursache: Bei positivem Feedback werden Erinnerungen an vergangene
Leistungen, bei negativem Feedback werden Erinnerungen an
vergangene Misserfolge wachgerufen. Das Feedback wird zwar im
Nachhinein als irrelevant verworfen, nicht aber die durch das Feedback
aktivierten Erinnerungen!
„Self-fulfilling prophecy“: siehe oben (Erwartungshaltung = Schema)
3.1.2. Urteilsheuristiken
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Dem normativen Modell der Ökonomie zufolge müssten rationale Kosten-NutzenAbwägungen unsere Urteile bestimmen.
 Nutzen = Erwartung Wert
 Glücksspiele wie Lotto zeigen jedoch, dass der Wert oft eine größere Rolle
spielt als die Erwartung (letztere ist die Wahrscheinlichkeit, das Ziel zu
erreichen und ist meistens nur schwer zu berechnen); Erwartungs-malWert-Theorien können unser Verhalten also nur bedingt erklären!
KAHNEMAN und TVERSKY zeigen, dass unter suboptimalen Bedingungen sog.
„Urteilsheuristiken“ verwendet werden.
Urteilsheuristiken sind „Faustregeln“, die es ermöglichen, unter suboptimalen
Bedingungen schnelle und effiziente Urteile zu fällen (kurz: vereinfachte
Schlussfolgerungen)!
 Sie kommen zur Anwendung, wenn es an Zeit, Motivation oder kognitiver
Kapazität mangelt und auf kein Vorwissen (Schemata) zurückgegriffen werden
kann.
Kahneman und Tversky unterscheiden zwischen der Verfügbarkeitsheuristik, der
Repräsentativitätsheuristik und der Verankerungsheuristik (+ Gefühlsheuristik).
Kritik an den Urteilsheuristiken: keine kohärente Theorie + spezifische Kritik an
einzelnen Experimenten (insbes. zur Repräsentativitätsheuristik)
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A, Die Verfügbarkeitsheuristik
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Die Leichtigkeit des Abrufs von Informationen beeinflusst die Urteilsbildung!
 Die
Verfügbarkeitsheuristik
wird
v.a.
bei
Häufigkeitsund
Wahrscheinlichkeitseinschätzungen und bei sozialer Urteilsbildung
herangezogen.
Häufigkeits- und Wahrscheinlichkeitseinschätzungen:
EXPERIMENT: Der Buchstabe „k“
Die Vpn sollen einschätzen, ob es im Englischen mehr Wörter mit „k“ als
ersten oder mit „k“ als dritten Buchstaben gibt.
 Da Wörter mit „k“ als ersten Buchstaben leichter abgerufen werden
können, entscheiden sich die meisten Vpn für ersteres, obwohl es in
Wirklichkeit genau umgekehrt ist!
 Leichtigkeit des Abrufs entspricht nicht immer der Häufigkeit der
Darbietung (siehe auch unten) => die Folge sind Fehlurteile!
Soziale Urteilsbildung (z.B. Ursachenzuschreibung):
EXPERIMENT (Strack & Schwarz, 1991): Selbsteinschätzung
Die Vpn sollen sich entweder an 6 oder 12 selbstsichere Verhaltensweisen
erinnern und danach ihre generelle Selbstsicherheit einschätzen.
 Die Vpn, die sich nur an 6 Episoden erinnern sollten, schätzen sich als
selbstsicherer ein, da es einfacher ist, sich an 6 Episoden zu erinnern als
an 12!
EXPERIMENT: Risikoeinschätzung
Berufe wie Feuerwehrmann usw. werden zu Unrecht als besonders riskant
eingestuft (die meisten Unfälle passieren im Haushalt!)
 Verfügbarkeit und Urteilsbildung werden hier durch die Medien
beeinflusst!
B, Die Repräsentativitätsheuristik
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Die Ähnlichkeit des zu beurteilenden Gegenstandes bzw. Sachverhaltes zu einem
typischen Fall beeinflusst die Urteilsbildung
 Die Basisrate, das heißt die Grundwahrscheinlichkeit, wird dabei vernachlässigt!
=> die Folge sind Fehlurteile!
Repräsentativität der Stichprobe für die Grundgesamtheit
 Die Lottozahlen 1,2,3,4,5,6 werden zu Unrecht als unwahrscheinlicher eingestuft
als 12,2,20,43,5,1; da letztere Abfolge repräsentativer zu sein scheint (Kahneman
und Tversky).
Repräsentativität der Handlung für den Handelnden
 Fundamentaler Attributionsfehler (s.o.)
C, Die Verankerungsheuristik
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Der Ausgangswert einer kognitiven Operation beeinflusst das Ergebnis;
 Man geht von einem Ankerwert aus:
 Von diesem Ankerwert aus wird im Nachhinein unzureichend adjustiziert.
 Der Ausgangwert erhöht die Verfügbarkeit konsistenter Informationen.
EXPERIMENT (Kahneman und Tversky): Das Ergebnis von
Multiplikationsaufgaben, die mit hohen Zahlen beginnen, werden generell
höher eingeschätzt (8 7 6 5 4 3 2 1 vs. 1 2 3 4 5 6 7 8)
EXPERIMENT (Mussweiler und Englich): In einem konstruierten
Vergewaltigungsfall passten Richter ihr Urteil unbewusst an die Forderung
der Staatsanwaltschaft an.
Die Verankerungsheuristik ist im Grunde eine Übertragung des Primacy-Effekts!
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D, Gefühlsheuristik
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„Feeling as Information“ (siehe Allgemeine Psychologie II)
EXPERIMENT (Schwarz und Clore): Das Wetter-Experiment
 In Telefoninterviews werden VPn nach ihrer allgemeinen
Lebenszufriedenheit gefragt. Dabei wird ihre Aufmerksamkeit vorher
entweder auf das Wetter gelenkt oder nicht.
 Nur wenn die VPn vorher nicht auf das Wetter aufmerksam gemacht
wurden, lassen sie sich von ihm in ihrem Urteil beeinflussen. Bei
schlechtem Wetter wird dann eine niedrigere -, bei schönem Wetter eine
höhere Lebenszufriedenheit berichtet.
3.2. „Theory of automatic believing“ (Gilbert, 1991)

Gilbert geht von zwei Prozessen der Informationsverarbeitung aus. Er unterscheidet
zwischen „automatic processing“ und „controlled processing“.
1. Automatische Verarbeitung: Zunächst werden die eingehenden
Informationen „geglaubt“ – und zwar automatisch; ohne, dass wir etwas
dagegen tun können.
2. Kontrollierte Verarbeitung: Erst in einem zweiten Schritt werden die
Informationen hinsichtlich ihres Wahrheitsgehaltes überprüft und evtl. im
Nachhinein abgelehnt.
 Der zweite Schritt erfordert Zeit und Aufwand und kann daher nicht immer
gleichermaßen durchgeführt werden (z.B. bei Müdigkeit, Ablenkung,…)
3.3. Begriffe
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„Counterfactual thinking“: „Wenn ich bloß 3 Minuten früher gegangen wäre,
dann…“
 Je knapper man ein Ziel verfehlt hat oder einem Unglück entronnen ist, desto
ausgeprägter die Tendenz zu „Counterfactual thinking“, das seinerseits Einfluss
auf die emotionale Reaktion hat („knapp daneben ist erst richtig vorbei!“).
„Overconfidence barrier“: Die Tendenz des Menschen, zu sehr von den eigenen
Urteilen überzeugt zu sein.
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4. Soziale Wahrnehmung, Eindrucksbildung und Attribution
4.0. Allgemeines
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Soziale Wahrnehmung: Wie bilden wir uns einen Eindruck von anderen und wie
ziehen wir Rückschlüsse aus ihrem und unserem Verhalten?
Bei der Einschätzung anderer spielen folgende Faktoren und Prozesse eine Rolle:
1. Nonverbales Verhalten: Wie verhält sich der bzw. die andere?
2. Implizite Persönlichkeitstheorien: Was für ein Typ ist der bzw. die andere?
3. Attributionsprozesse: Warum verhält sich der bzw. die andere so? Warum
verhalte ich mich so?
4.1. Nonverbales Verhalten
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Nonverbale Kommunikation findet u.a. über den Gesichtsausdruck, Gesten,
Berührungen, die Körperhaltung und den Tonfall statt.
Der Gesichtsausdruck: ist der wichtigste Kanal nonverbaler Kommunikation:
 EKMAN & FRIESEN unterscheiden zwischen 6 Basisemotionen, die in allen
Kulturen gleich ausgedrückt und dementsprechend von allen Menschen
verstanden werden: Ärger, Angst, Ekel, Freude, Überraschung und Trauer
 Hansen und Hansen konnten in einem Experiment zeigen, dass der Ausdruck
von Ärger am schnellsten erkannt wird (da überlebenswichtig).
 Der Ausdruck der Basisemotionen scheint also evolutionär bedingt zu sein!
 Nichtsdestotrotz ist die Dekodierung der Basisemotionen nicht immer einfach:
 „Affect Blends“: Mischungen verschiedener Emotionen, die sich auch im
Gesichtsausdruck niederschlagen (Die Gesichtsausdrücke für Ärger und
Ekel treten z.B. häufig „gepaart“ auf).
 Unterdrückung emotionaler Reaktionen
 „Display Rules“ (Regeln der Darbietung): gesellschaftliche Normen, die
bestimmen, in welcher Weise Emotionen in der Öffentlichkeit ausgedrückt
werden (dürfen).
Gesten: Embleme (wie z.B. Kopfnicken, der erhobene Zeigefinger,…) sind im
Gegensatz zur Mimik stärker kulturabhängig (es gibt z.T. erhebliche Unterschiede)!
„Social Role Theory“ (EAGLY): In den meisten Gesellschaften nehmen Männer
und Frauen verschiedene soziale Rollen ein; Geschlechtsspezifische
Rollenerwartungen und -fähigkeiten führen zu unterschiedlichem Verhalten der beiden
Geschlechter!
 Frauen sind besser im En- und Dekodieren nonverbalen Verhaltens, fallen aber
eher auf Lügen, sprich vorgetäuschte Gesichtsausdrücke, herein, da sie
versuchen, höflich zu sein. => Dieser Effekt findet sich v.a. in Kulturen, in
denen Frauen unterdrückt werden!
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4.2. Implizite Persönlichkeitstheorien
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Implizite
Persönlichkeitstheorien
sind
Schemata,
die
verschiedene
Persönlichkeitseigenschaften miteinander verknüpfen. Von einer Eigenschaft wird auf
andere Eigenschaften geschlossen („Wer hübsch ist, ist auch nett!“).
EXPERIMENT (Hoffmann et al., 1986): In verschiedenen Kulturen gibt es
verschiedene implizite Persönlichkeitstheorien; im Westen z.B.: KünstlerSchema; im Osten (China): Shi gú - Schema
 UV1: Sprache der Geschichte (chinesisch vs. englisch)
 UV2: Herkunft der Versuchsperson (China vs. Amerika)
 AV: Anzahl schemakonsistenter Eigenschaften, die von den Vpn
generiert werden, obwohl sie in der Geschichte selbst nicht vorkommen
 Ergebnis: In Abhängigkeit von der Sprache werden der Figur in der
Geschichte v.a. die Eigenschaften zugeschrieben, die typisch für das in
der jeweiligen Kultur verwendete Schema sind!
 Sprache beeinflusst unsere Schemata und damit unsere Art, zu
denken!
4.3. Attributionsprozesse



Attributionstheorien beschäftigen sich damit, wie wir auf die Ursachen von
Ereignissen schließen. Wie erklären wir unser eigenes Verhalten und das Verhalten
anderer?!
 Der Mensch als „rationales Wesen“ (dem es um die Erkenntnis von Wahrheit
geht) oder sogar als „intuitiver Wissenschaftler“ (der nach Ursachen sucht)
Die Ursachen eines bestimmten Verhaltens können entweder innerhalb oder außerhalb
der Persönlichkeit liegen. FRITZ HEIDER (1958) unterscheidet deshalb zwischen
internaler- und externaler Attribution.
 Dabei hat der Mensch eine automatische Tendenz zur internalen Attribution
(„correspondence bias“ bzw. fundamentaler Attributionsfehler), da stabile und
überdauernde Ursachen generell bevorzugt werden und externale Faktoren oft
nur schwer zu überblicken sind.
Die Art, wie wir attribuieren, hat Einfluss auf unsere Einstellung zu der betroffenen
Person, genauso wie unsere Einstellung zur Person Einfluss auf unsere Art zu
attribuieren hat.
 Positive Beziehung: positives Verhalten wird internal attribuiert, negatives
Verhalten external  Bei einer negativen Beziehung ist es umgekehrt!
4.3.1. Das Kovariationsmodell (Kelley)


KELLEY unterscheidet anders als Heider zwischen drei Attributionstypen:
1. Internale Attribution (Person A)
 Das Verhalten liegt im Charakter der handelnden Person begründet
2. Externale Attribution (Stimulus bzw. Person B)
 Das Verhalten der Person A liegt im Charakter der Person B begründet
3. Situationale Attribution (Situation)
 Das Verhalten liegt in der Situation begründet
Auf welche dieser drei Arten attribuiert wird, hängt von folgenden Informationen ab:
1. Konsensinformation:
Reagieren andere in dieser Situation in gleicher
Weise?
2. Distinktheitsinformation: Reagiert die Person auf diesen Stimulus bei
anderen Gelegenheiten in gleicher Weise?
3. Konzistenz:
Reagiert die Person auf andere Stimuli in gleicher
Weise?
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


Niedriger Konsens + niedrige Distinktheit + hohe Konsistenz = internale Attribution



=
Wenn Person B normalerweise nicht geschlagen wird, nur von A (niedriger Konsens)
Wenn es zudem öfter vorkommt, dass Person A andere schlägt (niedrige Distinktheit)
Und Person A dementsprechend auch Person B häufig schlägt
(hohe Konsistenz)
…ist Person A offenbar ein aggressiver Mensch
(internale Attribution)
Hoher Konsens + hohe Distinktheit + hohe Konsistenz = externale Attribution



=
Wenn Person B auch von anderen oft geschlagen wird
(hoher Konsens)
Wenn es normalerweise selten ist, dass Person A jemanden schlägt (hohe Distinktheit)
Person A Person B aber häufiger schlägt
(hohe Konsistenz)
…scheint Person B Aggressionen auszulösen
(externale Attribution)
Bei niedriger Konsistenz = situationale Attribution
 Wenn es selten ist, dass Person A Person B schlägt
(niedrige Konsistenz)
= …muss es sich um eine Ausnahme handeln, die durch die Situation bedingt ist
Kritik an Kelleys Kovariationsmodell:
 Es gibt Unterschiede bei der Gewichtung der verschiedenen Informationen
(siehe z.B.: Einfluss der sozialen Rolle; Akteur/Beobachter-Unterschied)
 Oft fehlen Informationen, so dass nicht alle drei Dimensionen in den
Attributionsprozess eingehen können.
 Menschen handeln nicht immer so rational, wie das Kovariationsmodell
glauben macht (siehe z.B.: fundamentaler Attributionsfehler, Heuristiken,…).
4.3.2. „Correspondent Inference Theory“ (Jones und Davis)


Aus dem Verhalten anderer werden Rückschlüsse gezogen. Dieser
Attributionsvorgang erfolgt in zwei Schritten:
 In einem ersten Schritt wird auf die Intention geschlossen
(Konnte/Wollte/Wusste die betreffende Person, was sie tat?!).
 In einem zweiten Schritt werden der Person Dispositionen zugesprochen.
Bei der Zuschreibung von bzw. bei der Attribution auf bestimmte Dispositionen
spielen folgende Determinanten eine Rolle:
 Anzahl der distinktiven Merkmale einer Handlung („noncommon effects“)
 Je weniger distinktive Merkmale, desto eindeutiger die dispositionale
Attribution.
* Wenn jemand ein Auto kauft, dass sich nur in einem Merkmal von den
anderen unterscheidet (z.B. hinsichtlich seiner Umweltverträglichkeit), lässt
das Rückschlüsse auf den Charakter des Käufers zu.
 Die wahrgenommene soziale Erwünschtheit einer Handlung
 Dispositionale Attributionen sind v.a. bei normabweichendem Verhalten
(niedrige soziale Erwünschtheit) möglich (s.u.: Fidel Castro-Experiment),
sofern die Entscheidungsfreiheit des Handelnden gegeben ist.
* Wenn jemand bei grün über die Straße geht, sagt das nichts über die Person
aus; wenn jemand dagegen bei rot über die Straße geht, könnte man daraus
z.B. auf Verantwortungslosigkeit schließen.
4.3.3. Das 2-Stufen-Modell der Attribution (Gilbert)


Attributionsprozesse laufen in 2 Schritten ab:
1. Zunächst wird automatisch internal attribuiert
2. Nur bei kognitiver Kapazität und Motivation wird in einem 2. Schritt auch die
Situation berücksichtigt.
Daraus ergibt sich folgende Erklärung für den fundamentalen Attributionsfehler:
 Verankerungsheuristik: Die internale Attribution dient als Anker; bei der
Berücksichtigung der Situation wird von diesem Ankerwert aus nicht genügend
adjustiziert!
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4.3.4. Der Fundamentale Attributionsfehler („Correspondence Bias“)
 „Correspondence Bias“: Die Tendenz zu internaler Attribution; sprich: das


Verhalten einer Person auf deren Persönlichkeit zurückzuführen! => Fundamentaler
Attributionsfehler: Vernachlässigung situativer Faktoren
EXPERIMENT (Jones & Harris, 1967): Der Fidel-Castro-Essay
Die Vpn bekommen Essays über Fidel Castro zu lesen und müssen ausgehend
davon die Einstellung des Verfassers einschätzen (Person). Dabei wird einem
Teil der Vpn gesagt, die Autoren hätten die von ihnen vertretene Position frei
gewählt (Pro- vs. Anti- Castro), einem anderen Teil wird gesagt, die Richtung
die Essays sei den Verfassern vorgegeben gewesen (Situation).
 Auch wenn den Vpn gesagt wurde, die in dem Essay vertretene Position sei
dem Verfasser vorgegeben gewesen, schlossen sie aus der Richtung des
Essays auf die Einstellung des Autors!
 Fundamentaler Attributionsfehler: Externale Faktoren werden
vernachlässigt!
 Essays gegen Castro (sozial erwünscht) wurden von den Vpn generell als
weniger aussagekräftig gewertet (s.o.).
Der fundamentale Attributionsfehler kann durch perzeptuelle Salienz erklärt
werden: Die Informationen, die im Fokus unserer Aufmerksamkeit stehen, erscheinen
uns automatisch am wichtigsten.
EXPERIMENT (Taylor & Fiske, 1975): Die Sitzgruppe
Zwei Verbündete des Versuchsleiser führten ein genau vorgegebenes
Gespräch. Um die beiden herum saßen 6 Vpn, von denen nur zwei die
Gesichter beider Gesprächsteilnehmer sehen konnten. Die übrigen 4 Vpn
saßen jeweils zu zweit hinter einem der beiden Gesprächspartner und sahen
dementsprechend nur das Gesicht dessen, der ihnen gegenüber saß.
 Die Vpn stuften immer den Gesprächsteilnehmer als wichtiger ein, dessen
Gesicht sie während der Diskussion beobachten konnten. Lediglich die
beiden Vpn, die seitlich der Gesprächsteilnehmer saßen, schätzten die
Rolle der beiden in etwa gleich ein.
Der Akteur/Beobachter-Unterschied: Das Verhalten anderer wird eher internal,
das eigene Verhalten eher external attribuiert.
 Perzeptuelle Salienz: Wenn es um andere geht, ist die Person salienter, wenn
es um uns selbst geht, die Situation.
 Verfügbarkeit von Information: Bei anderen wissen wir oft wenig über die
Situation (ungewisse Vorgeschichte…), bei uns selbst kennen wir dagegen
Vorgeschichte und Situation!
EXPERMENT (Ross et al., 1977): Einfluss der sozialen Rolle
Die Vpn werden zufällig einer Rolle zugeordnet (Fragesteller und
Befragter); ersterer denkt sich Wissensfragen aus, letzterer versucht sie
zu beantworten. Am Ende beurteilen beide, Frager und Befragter, die
eigene Allgemeinbildung und die des jeweils anderen.
 Bei den Beobachtern und den Befragten tritt der fundamentale
Attributionsfehler auf: sie schätzen den, der die Fragen gestellt hat,
als gebildeter ein, obwohl dieser sich die Fragen selbst ausgedacht hat
(Situation).
 Der Frager selbst schätzt sich realistischer ein (er hat mehr
Distinktheitsinformationen, da er sich auch in anderen Situationen
kennt)
14

Selbstwertdienliche Attribution: Erfolg wird internal, Misserfolg external
attribuiert!


Defensive Attribution: Attributionen, durch die unangenehme Gefühle vermieden
werden (wie z.B. der Gedanke an die eigene Sterblichkeit und Unzulänglichkeit)
 Unrealistischer Optimismus: Wir tendieren dazu, zu glauben, uns selbst
widerführen gute Dinge eher als anderen, während schlechte Dinge eher
anderen passieren als uns selbst.
 Deswegen haben wir z.B. keine allzu große Angst bei Extremsport: „Uns
passiert schon nichts!“
 Glaube an eine gerechte Welt: „Blaming the victims“
 Z.B. wird Vergewaltigungsopfern oft eine Teilschuld nachgesagt; auf
diese Weise wird der Glaube an eine gerechte Welt aufrechterhalten!
Spotlight Effekt: Wir überschätzen die Attributionen, die andere über unser
Verhalten anstellen; kurz: die anderen achten viel weniger auf uns, als wir glauben.
4.3.5. Kulturelle Unterschiede






Westen: individualistische Kultur  Osten: kollektivistische Kultur
Der fundamentale Attributionsfehler: findet sich in beiden Kulturkreisen, ist jedoch
im Westen stärker ausgeprägt als im Osten; vermutlich sind Menschen aus dem
östlichen Kulturkreis sensitiver für situationale Informationen.
Akteur/Beobachter-Unterschied: In allen Kulturen wird das eigene Verhalten eher
external erklärt.
Selbstwertdienliche Attributionen: finden sich nur im westlichen Kulturraum. Im
Osten ist es umgekehrt: Erfolg wird eher auf die Situation-, Misserfolg auf die eigene
Persönlichkeit attribuiert (zurückgeführt).
Defensives Attribuieren: Je größer die Schere zwischen arm und reich, desto
ausgeprägter die Tendenz zu defensiver Attribution!
Der Spotlight-Effekt: ist in kollektivistischen Kulturen logischerweise weniger
ausgeprägt als in individualistischen!
4.4. Zusammenfassung: Warum unsere Eindrücke u. Urteile oft falsch oder
verzerrt sind, ohne dass wir es merken



Kognitive Mechanismen:
1. Heuristiken (Verfügbarkeit, Repräsentativität, Verankerung, Gefühl)
2. Primacy-Recency-Effekt
3. Schemata und implizite Persönlichkeitstheorien
4. Erhöhte chronische oder geprimte Verfügbarkeit von Schemata
5. Attributionsfehler (fundamentaler Attributionsfehler; Akteur/BeobachterUnterschied)
Motivationale Mechanismen:
1. Selbstwertdienliche Attribution
2. defensive Attribution (unrealistischer Optimismus; Glaube an eine gerechte
Welt)
Warum diese Mechanismen von uns meist unbemerkt bleiben:
1. Fehlende Information (z.B. über die Situation)
2. Self-fulfilling prophecy
3. Perseveranzeffekt (keine Korrektur bei schemainkonsistenter Information)
4. Bestätigung durch andere Beobachter, die denselben Verzerrungen unterliegen
5. Overconfidence Barrier
15
5. „Self Knowledge“
5.1. Das „Selbst“







Es ist ein Grundmotiv des Menschen, sich selbst zu erkennen, d.h. sich realistisch
einzuschätzen.
Zu unterscheiden sind Selbstkonzept und Selbst-Aufmerksamkeit. Ersteres verhält
sich zu letzterem wie ein Buch zum Leser.
 Das Selbstkonzept ist der Inhalt unseres Selbst, d.h. unser Wissen darüber, wer
wir sind.
 Die Selbst-Aufmerksamkeit bezeichnet die Fähigkeit, über sich selbst
nachzudenken; sie ist damit unbedingte Voraussetzung für ein Selbstkonzept.
Wie bekommen wir Informationen über uns selbst?
 durch Introspektion (Selbstaufmerksamkeitstheorie)
 durch Beobachtung unseres Verhaltens (Selbstwahrnehmungstheorie)
 durch Selbstschemata
 durch soziale Interaktion
Funktionen des Selbst:
 Organisation des selbstbezogenen Wissens (Self-Reference Effect)
 Emotionsauslösung (Higgins’ Selbstdiskrepanztheorie)
 Verhaltenskontrolle (Self-regulatory resource model)
Der Self-Reference Effect: Menschen tendieren dazu, sich Informationen besser zu
merken, wenn sie in Beziehung zu ihnen selbst stehen.
Die Selbstdiskrepanztheorie (HIGGINS): Higgins unterscheidet zwischen drei
Selbstschemata: dem „ought-self“, dem „actual self“ und dem „ideal self”;
Diskrepanzen zwischen dem tatsächlichen Selbst und einem der beiden anderen
Schemata führen laut Higgins zu negativen Emotionen.
 „Actual self“  „Ought self“: Emotionen wie Angst, Besorgnis, Scham,…
 „Actual self“  „Ideal self“: Emotionen wie Niedergeschlagenheit, Trauer,…
Das Self-regulatory resource model: So ähnlich wie ein Muskel verbraucht
Selbstkontrolle Energie. Daher ist man in der zweiten von zwei aufeinander folgenden
Aufgaben, die Selbstkontrolle erfordern, meistens schlechter als in der ersten.
Allerdings ist Selbstkontrolle – auch hier greift die Muskelmetapher – trainierbar!
5.2. Kultur- und geschlechtsbedingte Unterschiede


Kulturabhängigkeit des Selbstkonzepts:
 Im westlichen Kulturkreis: unabhängiges Selbstkonzept (die eigenen Gedanken,
Gefühle und Handlungen bestimmen das Selbstbild)
 Im östlichen Kulturkreis: interdependentes Selbstkonzept (die Beziehungen zu
anderen Menschen und sozialen Gruppen bestimmen das Selbstbild)
Geschlechtsunterschiede:
 Bei Männern: kollektive Interdependenz (definieren ihr Selbstbild eher über ihre
Mitgliedschaft in größeren Gruppen, z.B. über ihre Nationalität)
 Bei Frauen: relationale Interdependenz (definieren ihr Selbstbild eher über
enge, ausgesuchte Beziehungen, z.B. zu ihrer Familie)
16
5.3. Introspektion



Introspektion = Erforschen der eigenen Gedanken, Gefühle und Motive
Selbstaufmerksamkeitstheorie (Carver & Scheier):
 Eine Erhöhung der Selbstaufmerksamkeit (z.B. durch einen Spiegel) führt dazu,
dass man das eigene Verhalten mit seinen inneren Werten und Standards
vergleicht. Stößt man dabei auf Diskrepanzen, gibt es 2 Möglichkeiten:
Entweder man verändert sein Verhalten oder man verringert die
Selbstaufmerksamkeit (durch Alkohol, Ablenkung usw.).
Unser Innenleben ist uns meist nur bedingt zugänglich. Insofern kommt es bei der
Introspektion häufig zu Verzerrungen:
 „Telling more than we can know“: Wir erklären unsere Gefühle und Gedanken
häufig mit vorgegebenen Theorien. Solche kausalen Theorien sind meistens
kulturell bedingt (z.B. Volksweisheiten); sie klingen zwar plausibel, sind aber
keineswegs immer zutreffend.
EXPERIMENT (Nisbett & Wilson, 1977): Das Kettensägen-Experiment
Vpn schauen einen Dokumentarfilm. Ein Teil von ihnen wird dabei
vorübergehend durch den Lärm einer Kettensäge gestört. Im Nachhinein
sollen alle Vpn den Film bewerten; die Experimentalgruppe wird zudem
gefragt, wie sehr der Lärm ihr Urteil beeinflusst habe.
 Die Vpn, die gestört wurden, bewerten den Film keineswegs schlechter
als die Vpn in der Kontrollgruppe; trotzdem geben sie an, dass sie den
Film ohne Störung besser bewertet hätten. => Sie vertrauen zu Unrecht
der kausalen Theorie, dass Lärm störend sei.
 „Reasons-Generated Attitude Change“: Da uns die wahren Gründe für unsere
Einstellungen nicht immer einfallen, v.a. wenn sie komplex sind, können sie
durch plausible und leicht zu verbalisierende Gründe verdrängt werden. Auf
diese Weise kann es bei der Analyse der eigenen Beweggründe zu einer
vorübergehenden Einstellungsänderung kommen. – Schließlich sind die
verfügbarsten Gründe nicht immer die richtigen (insofern sind auch Listen mit
Pros und Cons nicht immer sinnvoll, da uns die entscheidenden Pros bzw. Cons
evtl. gar nicht einfallen)!
* Zu erklären, warum man jemanden liebt, ist schwierig; das Nervige am anderen ist
oft leichter zu benennen als das Faszinierende. Wenn man drüber nachdenkt, kann
man kurzfristig versucht sein, an der eigenen Liebe zu zweifeln (schließlich scheint
es ja keine Gründe zu geben!)
5.4. Beobachtung des eigenen Verhaltens

Selbstwahrnehmungstheorie (Bem, 1967):
 Wenn keine externalen Ursachen für unser Verhalten vorliegen (z.B. Zwang)
und unsere Einstellungen und Gefühle ambivalent bzw. noch unklar sind,
erschließen wir diese aus unserem eigenen Verhalten.
 Vgl. Attributionstheorien: So wie wir aus dem Verhalten anderer auf deren
Einstellung schließen, schließen wir aus unserem eigenen Verhalten auf
unsere Einstellung – sofern keine externen, situationalen Ursachen
vorliegen!
 Bem’s Selbstwahrnehmungstheorie (1967) ist nicht zuletzt eine
Alternativerklärung zur kognitiven Dissonanz Festingers (1957): Sie
kommt mit weniger Annahmen aus und vermag trotzdem dieselben
Phänomene zu erklären (s.u.)!
17
 Overjustification Effect:
 Vorbemerkung: Es gibt eine intrinsische Motivation, die auf persönlichem
Interesse beruht, und eine extrinsische Motivation, die auf Belohnung bzw.
Bestrafung beruht.
 Der Overjustification Effect besagt, dass externale Gründe (z.B. Belohnung) die
intrinsische Motivation verdrängen können.
EXPERIMENT (Greene et al., 1976): Das „Mathespiel“
Nach einer Belohnungsphase spielen die Kinder ein Mathespiel weniger
häufig als vor der Belohnungsphase!
 Das ursprüngliche Interesse an dem Mathespiel (intrinsische
Motivation) geht verloren, wenn das Spielen vorübergehend belohnt
wird.
 Vermeidung des Overjustification Effects:
 Leistungskontingente
Belohnung
statt
aufgabenkontingenter
Belohnung (Nicht das Mathespiel an sich, sondern lediglich gute
Leistungen darin sollten belohnt werden) => Aber Vorsicht:
Bewertungsangst muss vermieden werden, da sie Motivation raubt!
 Betonung der intrinsischen Motivation

Zwei-Faktoren-Theorie der Emotionen (Schachter u. Singer):
 Der unspezifische Erregungszustand gibt lediglich an, dass ein emotionaler
Zustand vorliegt – und wie stark dieser ist. Um welche Emotion es sich konkret
handelt, wird aus der jeweiligen Situation geschlossen, in der die Erregung
auftritt.
 Das Arousal (die Erregung) bestimmt also die Intensität-, die Situation die
Qualität der Emotion!
 Schema: Unspezifisches Arousal => Bedürfnis dieses Arousal zu erklären => Attribution
des Arousals auf eine emotionale Ursache (abhängig von der jeweiligen Situation) =>
Emotion
EXPERIMENT (Schachter u. Singer, 1962):
UV – Manipulationen:
1) Erregung: Injektion von Adrenalin vs. Placebo
 Coverstory: Angeblich soll der Einfluss eines „Vitamins“ auf die
Sehleistung überprüft werden.
2) Erklärungsbedürfnis: Vpn werden über die Nebenwirkung des
„Vitamins“ entweder richtig informiert, falsch informiert oder gar
nicht informiert.
3) Kognitive Attribution: angenehmes vs. unangenehmes Umfeld (eine
angebliche andere Vp („Verbündeter“ des Vl) verhält sich entweder
euphorisch oder verärgert).
AV: Emotionales Empfinden der Vp (Selbsteinschätzung und Verhalten)
Hypothesen:
 Die nicht bzw. falsch informierten Vpn sollten die durch das
Adrenalin ausgelöste Erregung je nach Situation anders deuten.
Entsprechend dem Verhalten der anderen „Vp“ sollten sie entweder
ärgerlich oder euphorisch werden. In der Placebogruppe und bei den
informierten VPn sollte dieser Effekt nicht auftreten.
Ergebnisse: Die Ergebnisse scheinen das Modell von Schachter und Singer
zu bestätigen.
18

 Da Arousal und Situation oft mehrdeutig sind, kann es zu Fehlinterpretationen
kommen (Fehlattribution des Aurousals).
EXPERIMENT: Ist die Frau hübsch oder die Brücke gefährlich?!
Männer finden eine Frau attraktiver, wenn sie auf einer Hängebrücke von ihr
interviewt werden, als wenn sie in einer entspannten Situation von ihr
interviewt werden.
Kognitive Appraisaltheorien: Emotionen resultieren aus unserer Interpretation bzw.
unserer Bewertung von Ereignissen – die physiologische Erregung (Arousal) ist
zweitrangig!
5.5. Soziale Interaktion


Soziale Interaktion ist ein entscheidender Faktor für die Entwicklung des
Selbstkonzeptes.
 Affen, die isoliert aufwachsen, erkennen sich (Farbklecks) erst viel später im
Spiegel - manchmal gar nicht!
Theorie der sozialen Vergleiche (Leon Festinger):
 Durch den Vergleich mit anderen erhalten wir Informationen über unsere
eigenen Fähigkeiten und Einstellungen (v.a. wenn objektiven Kriterien zur
Verfügung stehen).
 Mit wem wir uns vergleichen (die Art der sozialen Interaktion), hängt von
unserer Motivation ab:
 Wollen wir ein genaues Bild der eigenen Leistung – vergleichen wir
uns mit ähnlichen Personen
 Geht es uns um die Verbesserung der eigenen Leistung – orientieren
wir uns an Besseren (upward social comparison)
 Wollen wir unser Selbstwertgefühl erhöhen – vergleichen wir uns mit
Schlechteren (downward social comparison)
 Geht es uns darum, vor anderen eine gute Figur zu machen (Impression
Management) – schleimen wir uns ein oder üben uns in „SelfHandicapping“
19
6. Kognitive Dissonanz und das Bedürfnis, sich zu rechtfertigen
6.1. Die Theorie der kognitiven Dissonanz (Leon Festinger, 1957)




Sind Verhalten und Kognition inkonsistent bzw. dissonant, ist das Selbstkonzept
(nämlich ein vernünftiger, moralischer und kluger Mensch zu sein) und damit der
Selbstwert bedroht. Kognitive Dissonanz wird dementsprechend als unangenehm
empfunden!
 Verhalten (ich rauche)  Kognition (rauchen ist ungesund)
Möglichkeiten, kognitive Dissonanz zu reduzieren:
1. Änderung des Verhaltens
2. Subtraktion dissonanter Kognitionen („Rauchen ist gar nicht so schädlich“)
3. Addition konsonanter Kognitionen („Rauchen steigert meine Kreativität“)
4. Einstellungsänderung („Gesundheit ist nicht alles im Leben“)
Laut Festingers Theorie ist der Mensch ein rationalisierendes Wesen, dem es v.a.
um hedonistische Ziele geht: die Bewahrung des Selbstwerts und die Vermeidung
von Schmerz (in Form kognitiver Dissonanz).
 Rationales Verhalten: Gründliches Abwägen der Argumente => Urteil
 Rationalisierendes Verhalten: Intuitiv gefälltes Urteil => Argumente werden
erst im Nachhinein generiert!
EXPERIMENT (Jones & Kohler, 1959): Welche Argumente bleiben?!
Vpn sollen einen Text über Rassentrennung lesen; danach werden sie
gefragt, an welche der im Text enthaltenen Argumente sie sich erinnern.
Variiert wird lediglich die Einstellung der Vpn (Neutrale Vpn vs.
Befürworter und Gegner der Rassentrennung).
 Lediglich die neutral eingestellten Vpn gehen rational vor: Sie merken
sich die plausibelsten Argumente am besten, unabhängig davon, ob
diese für oder gegen Rassentrennung sprechen.
 Für die übrigen Vpn gilt: Von den Argumenten, die die eigene
Position stützen, bleiben die besten -, von den Argumenten, die der
eigenen Position widersprechen, bleiben die schlechtesten in
Erinnerung.
Die guten Argumente für die Gegenposition und die schlechten
Argumente für die eigene Position führen zu kognitiver Dissonanz –
und werden deshalb „verdrängt“!
Kognitive Dissonanz tritt nur dann auf, wenn das Verhalten subjektiv frei gewählt
wurde und keine externalen Zwänge oder Belohnungen vorliegen (Letztere werden
von der Theorie als konsonante Kognitionen aufgefasst, die als solche das jew.
Verhalten hinreichend rechtfertigen)!
EXPERIMENT (Festinger u. Carlsmith, 1959): Das „Dissonanzexperiment“
Ablauf: Nachdem die Vpn an einem extrem langweiligen Experiment
teilgenommen haben, werden sie gebeten, den folgenden Vpn zu erzählen,
das Experiment sei spannend gewesen (Lüge => kognitive Dissonanz).
UV: Den einen wird dafür 1$ (unzureichende Rechtfertigung), den anderen
werden 20$ (externale Rechtfertigung) angeboten (UV = Höhe der
Belohnung).
Im Nachhinein werden die Vpn noch einmal gefragt, wie ihnen das
Experiment gefallen hat (AV = Einstellung).
 Dem Behaviorismus zufolge müsste eine höhere Belohnung eher zu
einer Einstellungsänderung führen.
20
 Nach der Dissonanztheorie ist die hohe Belohnung eine zusätzliche
konsonante Kognition; es bedarf insofern keiner Einstellungsänderung
mehr, um die kognitive Dissonanz zu reduzieren. Anders bei der
Gruppe mit niedriger Belohnung!
Tatsächlich behaupten die Vpn, die für ihre Lüge nur eine geringe
externale Rechtfertigung haben (1$), hinterher, dass das Experiment
gar nicht so langweilig gewesen sei (=Einstellungsänderung);
während die anderen ihrer ursprünglichen Meinung treu bleiben.
6.1.1. Folgen kognitiver Dissonanz
 Postdezisionale Dissonanzreduktion: Hat man einmal eine Entscheidung
getroffen, wertet man die Option, für die man sich entschieden hat, nachträglich auf,
die Alternativen wertet man dagegen ab. Je wichtiger und irreversibler die
Entscheidung, desto stärker der Effekt.
EXPERIMENT (Brehm, 1956): Das verschenkte Haushaltsgerät
Frauen bekommen diverse Haushaltsgeräte (Toaster usw.) zur Bewertung
vorgelegt; im Anschluss daran bekommen sie eines von 2 gleich bewerteten
Geräten geschenkt.
 20 Minuten, nachdem sich die Frauen sich für eines der beiden Geräte
entschieden haben, bewerten sie dieses Produkt signifikant besser als
das andere.
 „Lowballing“: Nachdem sich der Käufer für ein Produkt entschieden - und am
Besten den Check schon unterschrieben hat, setzt der Käufer den Preis hoch, indem
er behauptet der Ausgangspreis sei ein Irrtum gewesen.
 Aufgrund der postdezisionalen Dissonanzreduktion ist es unwahrscheinlich, dass
der Käufer einen Rückzug macht; er hat seine Entscheidung bereits zu sehr
aufgewertet.
 Die Änderung moralischer Werte: Hat man sich unmoralisch verhalten, tendiert
man dazu, die Werte dem Verhalten anzugleichen, um auf diese Weise die kognitive
Dissonanz zu reduzieren.
EXPERIMENT (Mills, 1958): Mogeln in der Grundschule
Nachdem Grundschulkinder in einem Wettbewerb gemogelt haben, bewerten
sie Mogeln als weniger schlimm; die Kinder, die nicht gemogelt haben, sind
dagegen nach dem Wettbewerb noch stärker dagegen als vorher.
 Justification of Effort: Je schwieriger es war, ein bestimmtes Ziel zu erreichen,
desto attraktiver wird es im Nachhinein bewertet.
EXPERIMENT (Aronson & Mills, 1959):
Studenten, für die es schwierig war, in eine Diskussionsgruppe
aufgenommen zu werden, halten diese anschließend für besser.
 Counterattitudinal Advocacy und Internal Justification: Trifft man Aussagen,
die der eigenen Einstellung widersprechen (Counterattitudinal Advocacy), tendiert
man danach dazu, seine Einstellung / sein Verhalten den gemachten Aussagen
anzugleichen (Internal Justification).
 Anwendung: Einstellung gegenüber Minderheiten / zur Benutzung von
Kondomen / usw. können auf diese Weise geändert werden.
 Insufficient Punishment (Vgl.: Overjustification Effect): Werte etc. werden nur
dann internalisiert, wenn sie nicht nur aus externalen Gründen (Angst vor Bestrafung)
befolgt werden. Insofern ist eine geringe Bestrafung oft effektiver als eine schwere
Bestrafung. Bei geringer Bestrafung kann das eigene Verhalten nicht external erklärt
werden; stattdessen bedarf es einer Einstellungsänderung. Man überzeugt sich
21



aufgrund kognitiver Dissonanz selbst von der Richtigkeit des eigenen Handelns (SelfPersuasion). Die dadurch bewirkte Verhaltensänderung ist dauerhaft und nachhaltig.
EXPERIMENT (Aronson & Carlsmith, 1963): Das verbotene Spielzeug
Kindern wird verboten, mit ihrem Lieblingsspielzeug zu spielen. Den einen
wird dabei eine milde, den anderen eine schwere Bestrafung angedroht (UV).
Es zeigt sich, dass die Kinder, denen lediglich eine milde Strafe angedroht
wurde, das Spielzeug danach weniger attraktiv finden als vorher; die Kinder,
denen mit schwerer Bestrafung gedroht wurde, zeigen dagegen keine
nachhaltige Einstellungsänderung. Das verbotene Spielzeug wird für einige
von ihnen sogar noch attraktiver.
 Dieser Effekt besteht auch noch mehrere Wochen nach dem
Experiment.
Ben Franklin Effekt: Wenn man jemandem einen Gefallen tut, mag man diese
Person anschließend mehr.
Umgekehrt wertet man denjenigen, dem man schadet, im Nachhinein ab (vgl. Drittes
Reich: „Untermenschen“).
Stichwort: „Rationalisierungsfalle“!
6.4. Verwandte Theorien



Die Selbstdiskrepanztheorie (Higgins): s.o.
Die Self-Evaluation Maintenance Theory (Tesser): Unser Selbstkonzept kann
durch Vergleichspersonen, die besser sind als wir, bedroht werden (Johanna gewinnt
Literaturwettbewerb). Wie groß die Bedrohung ist, hängt davon ab, (1) wie relevant
die bedrohte Eigenschaft für unser Selbstkonzept ist und (2) wie nahe uns die
Vergleichsperson steht.
 Ist uns die betreffende Vergleichsperson fremd, bedroht sie uns kaum.
 Steht uns die Vergleichsperson dagegen nahe,…
 …sonnen wir uns entweder in ihrem Glanz („basking in reflected glory“)
– wenn die Person in einem Bereich besser ist, der für unser Selbstkonzept
nicht relevant ist.
 …oder empfinden Dissonanz, wenn die betreffende Person in einem uns
wichtigen Bereich besser ist.
In diesem Fall gibt es 3 Möglichkeiten, die Dissonanz zu reduzieren:
1) Sich von dem Freund/der Freundin distanzieren
2) Die persönliche Relevanz / das Selbstkonzept als ganzes ändern
3) Besser werden bzw. die Leistung des anderen heruntersetzen
EXPERIMENT (Tesser, 1980): Bei Aufgaben, die für das Selbstkonzept relevant
sind (da sie angeblich Intelligenz widerspiegeln), helfen die Vpn Fremden eher
als Freunden.
Ist unser Selbstkonzept bezüglich einer bestimmten Eigenschaft bedroht (z.B.
bezüglich unseres schriftstellerischen Könnens), gibt es 2 Möglichkeiten:
 Self-Affirmation: Man kann sich auf einen anderen Aspekt des Selbstkonzepts
konzentrieren und in diesem Bereich nach Bestätigung suchen („kann zwar nicht
schreiben, aber dafür gut auswendig lernen“).
 Self-Completion: Man kann aber auch in dem bedrohten Bereich nach
zusätzlicher Bestätigung suchen.
22

In uns gibt es zwei Motive, die einander u.U. widersprechen: das Bedürfnis nach
Selbstbestätigung und das Bedürfnis nach Selbstaufwertung!
 Selbst-Bestätigung: Einerseits haben wir das Bedürfnis, unser Selbstkonzept zu
bestätigen, unabhängig davon ob es positiv oder negativ ist.
 z.B. aus Angst davor, bei anderen ungerechtfertigte Erwartungen zu
wecken, die dann nicht erfüllt werden können.
 Selbst-Aufwertung: Gleichzeitig haben wir das Bedürfnis nach einem positiven
Selbstkonzept und einem hohen Selbstwertgefühl.
6.3. Bem (1967) versus Festinger (1957)


Mit Bem’s Selbstwahrnehmungstheorie (s.o.) können die oben genannten Befunde
genauso gut erklärt werden wie mit Festinger’s Dissonanztheorie. Der Vorteil an
Bem’s Theorie ist jedoch, dass sie mit weniger Annahmen auskommt; sie ist
„sparsamer“.
Der Selbstwahrnehmungstheorie liegt ein völlig anderes Menschenbild zugrunde als
der Dissonanztheorie. Insofern stellt sie einen Paradigmenwechsel in der Psychologie
dar.
 Festinger: Der Mensch als rationalisierendes Wesen
 Bem:
Der Mensch als rationales Wesen
23
7. Einstellungen und Einstellungsänderungen
7.1. Einstellungen





Einstellungen sind Bewertungen von Personen, Objekten oder Ideen.
Als solche setzen sich Einstellungen aus drei Komponenten zusammen:
1) Kognitive Komponente: Das Wissen um den Gegenstand der Einstellung
 …insofern Einstellungen auf dem rationalen Abwägen von Vor- und
Nachteilen basieren
2) Affektive Komponente: Das mit dem Einstellungsgegenstand verbundene Gefühl
 …insofern Einstellungen auf dem individuellen Wertesystem beruhen oder
durch Konditionierung erworben werden.
3) Verhaltenskomponente:
 …insofern Einstellungen aus dem eigenen Verhalten erschlossen werden
(Bem’s Selbstwahrnehmungstheorie)
Je nachdem, welche der drei Komponenten im Vordergrund steht, kann man
zwischen kognitiv-, affektiv- und verhaltensmäßig begründeten Einstellungen
unterscheiden.
Es gibt explizite- und implizite Einstellungen. Erstere sind bewusst, letztere
unbewusst. Explizite- und implizite Einstellungen können einander sogar
widersprechen!
 Erstere können direkt durch Fragebögen erfasst werden, letztere indirekt durch
affektives Priming (gemessen werden die Reaktionszeiten) oder den impliziten
Assoziationstest (IAT).
 Direkte Verfahren: Problem der sozialen Erwünschtheit
 Affektives Priming: Sind die Valenzen von Prime (z.B.
Afroamerikaner) und zu bewertendem Begriff (z.B. Urlaub)
inkompatibel, dauert es länger, dem zu bewertenden Begriff die
entsprechende Valenz zuzuordnen. Es wird also von der Reaktionszeit
auf die Einstellung zum Prime geschlossen.
IAT: valenzkompatible bzw. –inkompatible Tastenbelegung
Sowohl beim IAT, als auch bei affektiven Priming macht man sich
den Stroop-Effekt zu nutzen: Inkompatibilität verlangsamt das
Urteil!
Die Funktionen von Einstellungen:
 Einstellungen als Heuristiken, insofern es sich um praktische
Zusammenfassungen von Überzeigungen handelt!
 Einstellungen dienen der Verhaltensvorhersage.
Je nach Paradigma kommt die Psychologie zu unterschiedlichen Ansichten darüber,
wie es zu Einstellungsänderungen kommt bzw. welche Art persuasiver
Kommunikation am effektivsten ist.
 Behavioristische Lerntheorien:
„Yale Attitude Change Approach“
 Motivationale Theorien:
„Theorie der kognitiven Dissonanz“
 Informationsverarbeitungstheorien: „Elaboration Likelihood Model“
24
7.2. Einstellungsänderungen
7.2.1. Lerntheorien: Der „Yale Attitude Change Approach“ (Hovland)






Ein behavioristischer Ansatz: Einstellungsänderung durch „message learning“
Insgesamt handelt es sich beim „Yale Program“ allerdings weniger um eine Theorie
als um eine Systematisierung von Einflussfaktoren.
Welche Faktoren führen dazu, dass es zu einer Einstellungsänderung kommt?
1. Merkmale des Kommunikators
 Glaubwürdigkeit, Expertenstatus, Attraktivität, Ähnlichkeit zum Empfänger,
persuasive Absicht erkennbar?!
2. Merkmale der Botschaft
 Verstehbarkeit, Anzahl und Qualität der Argumente, ein- vs. zweiseitige
Argumentation (je nachdem), Primacy- vs. Recency Effect,…
3. Merkmale des Empfängers
 Alter, Aufmerksamkeit, Intelligenz, Selbstbewusstsein (je niedriger, desto
leichter beeinflussbar)
Sleeper-Effekt: Der Einfluss des Kommunikators bzw. der Quelle nimmt mit der
Zeit ab, es sei denn der Empfänger wird an die Quelle der Information erinnert.
 Erklärung: Das episodische Gedächtnis, in dem die Quelle abgespeichert wird,
ist schlechter als das semantische Gedächtnis, in dem die Botschaft
abgespeichert wird.
Inokulationseffekt: In Analogie zur Impfung stärken schwache Gegenargumente
die eigene Einstellung.
Kritik: Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Einflussfaktoren bleiben
unberücksichtigt!
7.2.2. Konsistenztheorien (=motivationale Theorien)
A) Balancetheorie (Heider)

Die kognitive Repräsentation sozialer Beziehungen kann in Form von Triaden
aufgefasst werden, wobei die 3 Eckpunkte (Person A, Person B, Objekt) positiv oder
negativ miteinander verknüpft sein können.

Nichtbalancierte Triaden drängen dazu, ausbalanciert zu werden; balanciert ist eine
Triade dann, wenn das Produkt der Valenzen positiv ist.
B) Dissonanztheorie (Festinger)

Siehe oben!!
7.2.3. Attributionstheorien: Selbstwahrnehmungstheorie (Bem)

Die Einstellung wird aus dem Verhalten erschlossen (s.o.). Insofern müsste der
Theorie nach erst eine Verhaltensänderung initiiert werden, bevor sich die Einstellung
ändert!
25
7.2.4. Integrative Ansätze:
A) Theorie des geplanten Verhaltens (Fishbein & Ajzen)
B)Informationsintegrationstheorie (Anderson)


Einzelinformationen werden zu einem Gesamturteil verrechnet („kognitive Algebra“).
Ändern sich einzelne Elemente, aus denen sich eine Einstellung zusammensetzt, kann
sich je nach deren Gewichtung die Einstellung als solche ändern!
 Ein schöner Prinz => „schön“ (positiv) + „Prinz“ (positiv) = +2
Kritik:
 Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile!
 Wechselwirkungen bleiben unberücksichtigt: „Lässigkeit“ wird als positiv
bewertet, „Chirurg“ auch, aber ein „lässiger Chirurg“?!
7.2.5. Das “Elaboration Likelihood Model” (Petty & Cacioppo, 1985)



Der „Yale Attitude Change Approach“ nennt zwar die wesentlichen Einflussfaktoren,
macht aber keine Aussagen darüber, unter welchen Bedingungen diese am ehesten zu
einer Einstellungsänderung führen. Anders das „Elaboration Likelihood Model“!
Petty und Cacioppo zufolge gibt es 2 Möglichkeiten, andere zu überzeugen: über die
zentrale Route und über die periphere Route.
 Die zentrale Route: Wenn man konzentriert und motiviert ist (=>genaue
Informationsverarbeitung), lässt man sich am ehesten durch gute Argumente
überzeugen.
 Die periphere Route: Ist man dagegen abgelenkt und unmotiviert
(=>oberflächliche Informationsverarbeitung), lässt man sich v.a. von
peripheren Dingen, wie den Eigenschaften des Kommunikators usw.,
beeinflussen.
Die über die periphere Route erzielten Einstellungsänderungen sind lediglich
temporär und wenig stabil, die über die zentrale Route bewirkten
Einstellungsänderungen sind dagegen nachhaltig und andauernd.
Welche Route der Verarbeitung eingeschlagen wird, hängt von motivationalen und
kognitiven Faktoren, aber auch von der Stimmung, ab:
 Motivationale Faktoren: persönliche Relevanz; Accountability
 Kognitive Faktoren: kognitive Kapazität bzw. Aufmerksamkeit; Fähigkeit zur
Informationsverarbeitung; Charakter („High need for cognition“ =
Persönlichkeitsvariable)
 Gute Stimmung: periphere Route; schlechte Stimmung: zentrale Route
EXPERIMENT (Petty & Cacioppo, 1981): Rede über Prüfungsordnung
Studenten hören eine Rede, in der es um die Einführung einer neuen
Prüfungsordnung geht. Danach werden sie nach ihrer Einstellung zu diesem Thema
gefragt.
 UV 1: Persönliche Relevanz des Themas (hoch vs. niedrig)
 Einem Teil der Studenten wird gesagt, dass ihre Universität ernsthaft
über die Einführung der Prüfungsordnung nachdenkt; für sie ist die
Relevanz des Themas dementsprechend hoch, für die anderen nicht.
 UV 2: Expertise des Sprechers (Professor vs. Student)
 UV 3: Qualität der Argumente
 AV: Zustimmung zu Rede
Bei hoher Relevanz ist die Qualität der Argumente ausschlaggebend (zentrale
Route), bei geringer Relevanz die Expertise des Sprechers (periphere Route)!
26
7.2.6. Heuristic-Systematic Persuasion Model (Chaiken)



Dieselbe Grundannahme wie beim Elaboration Likelihood Model: Es gibt 2 Arten der
Informationsverarbeitung bei persuasiver Kommunikation.
1) Systematische Verarbeitung (=zentrale Route)
2) Heuristische Verarbeitung
(=periphere Route)
Das einzig neue ist, dass die Gefühlsheuristik („Feeling as information“) als eine
Form der peripheren Verarbeitung explizit mit aufgenommen wird.
 Bei der Gefühlsheuristik besteht die Gefahr, die eigene Stimmung falsch zu
attribuieren. Haben wir z.B. im Supermarkt ein gutes Gefühl wegen der
Produkte oder wegen der schönen Hintergrundmusik?!
Gute Stimmung signalisiert uns, dass die Sache läuft und nichts geändert werden
muss. Schlechte Stimmung dagegen fungiert als Warnsignal: Vorsicht, aufgepasst!
7.2.7. Wann funktioniert Persuasion nicht?



Inokulation (s.o.): Je intensiver man sich mit einem Thema beschäftigt hat, desto
stabiler ist die Einstellung dazu. Schließlich kennt man dann bereits viele der
Gegenargumente – und ist sozusagen gegen sie geimpft!
Reaktanz: Wenn der Persuasionsversuch zu vehement ist oder die persuasive Absicht
erkannt wird, fühlt sich das Gegenüber in seiner Freiheit eingeschränkt und reagiert
mit Trotz.
Angst erzeugende Kommunikation (z.B. bei Anti-Raucher-Kampagnien) ist nur dann
effektiv, wenn nicht zu viel und nicht zu wenig Angst erzeugt wird.
 zu wenig Angst: keine Beachtung der Botschaft
 zu viel Angst: Verdrängung der Botschaft
7.3. Einstellung und Verhalten
7.3.1. Die Theorie des geplanten Verhaltens (Fishbein & Ajzen, 1980)



Spontanes Verhalten: wird am besten durch die Verfügbarkeit von Einstellungen
vorhergesagt (s.o.).
Überlegtes bzw. geplantes Verhalten: wird dagegen am besten durch die
Verhaltensabsicht vorhergesagt.
 Verhaltensabsicht ========> Verhalten
Die Verhaltensabsicht wird ihrerseits von folgenden Faktoren bestimmt:
1) Einstellung zum (konkreten) Verhalten
Je spezifischer die Einstellung / Je konkreter das Verhalten, um das es geht,
desto genauer die Vorhersage.
 Was halte ich von Kondomen?
2) Subjektive Normen bzw. normative Überzeugung
Wahrgenommener sozialer Druck; soziale Erwünschtheit der betreffenden
Verhaltensweise
 Was hält mein soziales Umfeld von Kondomen?
3) Wahrgenommene Kompetenz
Der Glaube, das betreffende Verhalten auch durchführen zu können.
 Halte ich es auch durch, die Kondome zu benutzen?
27
7.4. Persuasion in der Werbung


Werbung sollte so gestaltet sein, dass sie kompatibel zur Art der Einstellung ist, die
sie ansprechen oder verändern möchte.
 Nicht umsonst wir für Markenkleidung (affektive Einstellung) anders
geworben als für Versicherungen (kognitive Einstellung).
Der Einfluss subliminaler Botschaften konnte bisher nur unter kontrollierten
Bedingungen nachgewiesen werden; ihre Wirksamkeit im Alltag ist dagegen äußerst
fraglich.
EXPERIMENT (Murphy & Zajonc, 1993): Subliminale Wahrnehmung
Die subliminale Darbietung von Gesichtern beeinflusst die Beurteilung
chinesischer Schriftzeichen. Je nach Prime (fröhliches vs. ärgerliches Gesicht)
werden die Schriftzeichen entweder positiv oder weniger positiv bewertet.
28
8. Sozialer Einfluss
8.0. Allgemeines




Sozialer Einfluss: Inwiefern ändert sich unser Verhalten durch die tatsächliche oder
vorgestellte Anwesenheit anderer?
Le Bon (1895) beschäftigt sich als erster mit der „Psychologie der Massen“; dabei
sind große Gruppen für ihn die Quelle allen Übels - verantwortlich für Panik, Aufruhr
und Hysterie (Stichwort: „Deinidividuierung“)!
Norman Triplett (1898) spricht der Gruppe dagegen einen positiven Einfluss auf das
Individuum zu: Leistungssteigerung, Interaktion, Kommunikation usw.
Heute wird zwischen informationalem und normativem sozialem Einfluss
unterschieden.
8.1. Informationaler sozialer Einfluss





In mehrdeutigen Situationen benutzen wir andere als Informationsquelle
(Realitätstest 2. Art); kurz: wenn wir selbst nicht genau wissen, was zu tun ist,
orientieren wir uns am Verhalten der anderen.
 Motiv ist das Bedürfnis nach genauer Information
Informationaler sozialer Einfluss tritt v.a. auf…
 …in mehrdeutigen Situationen (Realitätstest 1. Art schwierig)
 …in Krisen und Notfällen (Zeit knapp)
 …wenn „Experten“ anwesend sind
 …wenn es wichtig ist, richtig zu handeln
Informationaler sozialer Einfluss führt nicht nur zu öffentlichem Einverständnis,
sondern zu privater Akzeptanz und ist insofern nachhaltig und andauernd.
EXPERIMENT (Muzafer Sherif, 1936): Autokinetischer Effekt
Fixiert man im Dunkeln einen Lichtpunkt, macht dieser den Eindruck, sich zu
bewegen (autokinetischer Effekt). Wie stark sich der Lichtpunkt bewegt, wird
von jedem anders wahrgenommen (mehrdeutige Situation). Die Vpn sollen erst
alleine und dann in Dreiergruppen die Stärke der Bewegung einschätzen.
 Dabei zeigt sich, dass sich die Einzelurteile in der Gruppe mit der Zeit
annähern und dass das so generierte Gruppenurteil von den Einzelnen
nicht nur öffentlich, sondern auch privat übernommen und akzeptiert
wird.
Je wichtiger es ist, richtig zu handeln, desto eher orientiert man sich dabei am
Verhalten anderer.
EXPERIMENT (Baron et al., 1996): Das Augenzeugen-Experiment I
Vpn bekommen extrem kurz das Bild eines „Verdächtigen“ gezeigt, den sie
dann aus 4 Bildern wieder erkennen sollen (mehrdeutige Situation). Im 7.
Durchgang geben 3 Verbündete des Versuchsleiters eine falsche Antwort
bevor die Vp ihr Urteil fällt.
Variiert wird lediglich die Wichtigkeit der Aufgabe (einfache
Voruntersuchung vs. wichtige Untersuchung für die Polizei + 20$ für den
Besten)
 In der wichtigen Bedingung stimmen 51% dem falschen Urteil der
anderen zu, in der unwichtigen Bedingung dagegen nur 35%!
Veränderung der sozialen Wahrnehmung durch Konformität
EXPERIMENT (Buehler & Griffin, 1994): „Police Story“
Vpn bekommen einen Zeitungsartikel zum Lesen, in dem es um eine
Verfolgungsjagd geht, bei der ein schwarzer Jugendlicher von der Polizei
29


erschossen wird. Die Situation ist uneindeutig geschildert und die Vpn werden
zu bestimmten Aspekten der Geschichte näher befragt. Danach wird ihnen
gesagt, dass die Mehrheit die Polizisten für schuldiger hält als den
Jugendlichen, woraufhin die Vpn die Situation noch einmal interpretieren
sollen.
 Die Vpn, die sich der Meinung der Mehrheit anschlossen, veränderten
dementsprechend ihre Interpretation der Situation.
Auch eine Minderheit (sogar ein Einzelner) kann informationalen Einfluss auf die
Mehrheit haben!
Die Kehrseite des informationalen Einflusses:
 Verhaltens- bzw. Emotionsansteckung: insbes. Panik breitet sich z.B.
äußerst schnell aus, ohne dabei unbedingt gerechtfertigt zu sein (Vgl. Orson
Well’s „Krieg der Welten“)
 Psychogene Massenkrankheiten
8.2. Normativer sozialer Einfluss





Auch in eindeutigen Situationen lassen wir uns u.U. vom Verhalten der anderen
beeinflussen. Um von einer Gruppe gemocht und akzeptiert zu werden, übernehmen
wir deren Normen, selbst wenn dieser unserer eigenen Einschätzung der Situation
widersprechen.
 Motiv ist das Bedürfnis nach sozialer Integration.
Normen sind implizite oder explizite Regeln einer Gruppe, deren Verstoß sanktioniert
wird (Ausschluss, Entzug von Aufmerksamkeit usw.).
Social Impact Theory (Latané): Die Stärke des normativen Einflusses hängt ab…
 …von der Wichtigkeit der Gruppe
(die betreffende Gruppe ist mit wichtig)
 …von der Unmittelbarkeit der Gruppe (die Gruppe ist zeitlich u. räumlich nah)
 …von der Größe der Gruppe
(max. Einfluss bei 4-5 Personen)
Weitere Einflussfaktoren sind…
 die Kultur (in kollektivistischen Kulturen: höhere Konformität)
 das Geschlecht (Sind Frauen in öffentlichen Situationen beeinflussbarer?!)
 die Einstimmigkeit der Gruppe
 die Wichtigkeit der Aufgabe (Je wichtiger es ist richtig zu handeln, desto
geringer der normative Einfluss)
Normativer sozialer Einfluss führt lediglich zu öffentlichem Einverständnis, nicht
jedoch zu privater Akzeptanz!
EXPERIMENT (Ash et al., 1951): Das Linien-Experiment
Vpn sollen Linien hinsichtlich ihrer Länge vergleichen; welche der Linien die
Längste ist, ist eindeutig. Der Versuch wird in einer Gruppe von 8 Personen
durchgeführt, wovon jedoch 7 Leute Verbündete des Versuchsleiters sind und
in 12 von 18 Fällen eine offensichtlich falsche Antwort geben.
 In 33% der Fälle schließen sich die Vpn dem offensichtlich falschen
Urteil der Mehrheit an. 76% der Vpn schließen sich mindestens ein
Mal dem falschen Urteil der Mehrheit an.
 Bei anonymer Stimmabgabe, geht dieser Anteil beträchtlich zurück!
EXPERIMENT (Baron et al., 1996): Das Augenzeugenexperiment II
Selber Ablauf wie oben, mit dem einzigen Unterschied, dass die Vpn den
„Verdächtigen“ dieses Mal länger zu sehen bekommen und die Aufgabe
dadurch eindeutiger wird (=> normativer, statt informationaler Einfluss).
 In der wichtigen Bedingung lassen sich weniger Vpn vom Urteil der
anderen beeinflussen als in der unwichtigen Bedingung.
30


Ideosynkratische Kredite: Je öfter man sich den Normen der Gruppe unterwirft,
desto eher darf man auch mal von ihnen abweichen.
Soziale Normen werden nicht zuletzt durch die Medien vermittelt. Medien üben
insofern ganz erheblichen normativen und informationalen Einfluss aus.
 z.B. was das Schönheitsideal von Männern und Frauen betrifft!
8.3. Der Einfluss von Autoritäten


Das berühmte Milgram-Experiment (1963):
 Ablauf: In einem angeblichen „Lernexperiment“ erhalten Vpn die
Möglichkeit, andere „Vpn“ (Verbündete des Vl) für falsche Aufgabenlösungen
mit Elektroschocks zu bestrafen. Der Vl befiehlt, das Schocklevel sukzessive
zu erhöhen (dabei reicht die verbal verankerte Skala von 15 bis 450 Volt!). Die
Vpn hören ihr Opfer auf die Schocks reagieren (Schreie usw.); der Vl insistiert
jedoch, fortzufahren.
 Ergebnis: 80% der Vpn fahren mit dem Experiment fort, obwohl ihr Opfer
verlangt, das Experiment abzubrechen. 62,5% der Vpn schrecken nicht davor
zurück, den höchstmöglichen Schock (450 Volt) zu verabreichen.
Variationen des Experiments:
1) Wenn zwei andere Vpn sich weigern, fortzufahren, geben nur noch 10%
den maximalen Schock!
2) Auftraggeber kein Experte: Wenn der Vl den Raum verlässt und
stattdessen eine andere Vp darauf drängt, fortzufahren, geben nur noch
20% den maximalen Schock.
3) Wenn die Vpn das Schocklevel frei wählen dürfen, geben nur 2,5% den
maximalen Schock.
 Ein natürlicher Aggressionstrieb des Menschen ist demnach nicht die
Ursache für die Ergebnisse der Milgram-Studie!
Die Interpretation der Milgram-Studie: Die Autoritätshörigkeit ist am größten, wenn…
 …alle andern auch gehorchen (normativer sozialer Einfluss)
 …die Autoritätsperson einen Expertenstatus hat (informationaler sozialer
Einfluss)
 …keine Zeit zum Nachdenken ist (mindless conformity)
 …man in kleinen Schritten immer mehr gehorcht (kognitive Dissonanztheorie:
nach jeder Entscheidung kommt es zur Selbstrechtfertigung =>
Teufelskreislauf)
8.4. Strategien des sozialen Einflusses

Zu unterscheiden ist zwischen injunktiven und deskriptiven Normen:
 Deskriptive Normen: Was die Mehrheit tut
 Injunktive Normen: Was die Mehrheit denkt
Will man andere zu einem bestimmten Verhalten bewegen, ist es wirksamer,
injunktive Normen anzusprechen.
EXPERIMENT (Cialdini, 1993): Müll im Parkhaus
In einem sauberen und vermüllten Parkhaus, begegnen Vpn entweder
jemandem, der Müll aufhebt (Aktivierung der injunktiven Norm) – oder
jemandem, der etwas auf den Boden wirft (Aktivierung der deskriptiven
Norm). Die Kontrollgruppe begegnet niemandem. Nach dieser Begegnung
finden die Vpn an ihrem Auto einen Handzettel. AV: Werfen sie ihn auf den
Boden – oder entsorgen sie ihn ordnungsgemäß?!
 Die Kontrollgruppe wirft den Handzettel am ehesten auf den Boden.
31


 Die Vpn, bei denen die injunktive Norm aktiviert wurde, entsorgen den
Handzettel eher als ihn auf den Boden zu werfen!
Will man andere beeinflussen, geht das entweder durch Belohnung und Bestrafung
(„Box-Strategie“) oder durch die Ausnutzung von Urteilsheuristiken („JudoStrategie“)
Die Ausnutzung von Urteilsheuristiken („Judo-Strategie“) in der Werbung – nach
Robert Cialdini:
1) Kontrast: Durch das Setzen bzw. den Entzug von Referenzpunkten kann das
Urteil beeinflusst werden; eine Strategie, die z.B. bei
Preisreduzierungen verwendet wird: Der Kontrast zwischen
normalem – und heruntergesetztem Preis bewegt die Leute zum Kauf
2) Reziprozität: Das Prinzip der Gegenseitigkeit ist tief in uns verwurzelt. Wird uns
von einem Verkäufer ein „Gefallen“ getan („Probierpackung“,
kostenloser Kaffee), glauben wir, ihm eine Gegenleistung schuldig zu
sein.
3) Commitment/Konsistenz: Konsistentes Verhalten ist wahrscheinlicher, siehe
„Lowballing“
4) Soziale Bestätigung: Sowohl normativer, als auch informationaler sozialer
Einfluss kann von der Werbung ausgenutzt werden (der Experte, der
für Zahnpasta wirbt usw.)
5) Sympathie: Wir lassen uns eher von Leuten beeinflussen, die sympathisch sind
(Sympathie beruht auf Ähnlichkeit, Attraktivität, Vertrautheit usw.)
 Evaluative Konditionierung: Die Sponsoren der WM z.B.
konditionieren durch die Verknüpfung des eigenen Logos mit der
WM eine positive Assoziation!
6) Autorität: Autoritäten üben einen stärkeren Einfluss aus (s.o.)
7) Knappheit: hängt mit dem Prinzip der sozialen Bestätigung zusammen. Ist ein
Produkt knapp, heißt das, es ist beliebt => Ich brauch es also auch!
Auf einer Tupper-Party werden nahezu alle dieser Strategien angewendet!
32
9. Gruppenprozesse
9.0. Allgemeines





Eine Gruppe sind 2 oder mehr Personen, die miteinander interagieren,
voneinander abhängig sind und sich gegenseitig beeinflussen, da sie gemeinsame
Ziele oder Bedürfnisse haben.
 Die meisten Gruppen haben max. 6 Mitglieder.
Funktionen von Gruppen: Gruppen dienen…
 …der Information und Orientierung (informationaler sozialer Einfluss)
 …der Etablierung sozialer Normen (normativer sozialer Einflluss)
 …der Definition unseres Selbstkonzeptes (Identität durch Identifikation)
Soziale Normen: (1) Regeln die für alle Mitglieder einer Gesellschaft gelten /
(2) Regeln, die innerhalb einer spezifischen sozialen Gruppe gelten.
Soziale Rollen: Erwartungen bezüglich des Verhaltens bestimmter Personen.
EXPERIMENT (Zimbardo, 1973): Das Stanford-Prison Experiment
Studenten bekamen zufällig die Rolle eines Gefangenen oder eines Aufsehers
zugeteilt. Schon nach kurzer Zeit nahmen die Vpn ihre jeweiligen sozialen
Rollen voll und ganz an: Die Gefangenen zeigten sich unterwürfig und passiv,
die Aufseher zunehmend aggressiv!
 Die soziale Rolle bestimmte das Verhalten der Vpn demnach stärker
als ihre jeweilige Persönlichkeit!
Wichtige Gruppenprozesse sind:
 „Social Facilitation“ (Zajonc)
 Soziales Faulenzen
 Deindividuation
 Prozessverluste vs. Synergieeffekte
9.1. Social Facilitation (Zajonc)



Soziale Erleichterung: Wenn andere anwesend sind und die individuelle Leistung
beurteilt werden kann, schneidet man bei leichten Aufgaben besser-, bei schwierigen
Aufgaben dagegen schlechter ab!
EXPERIMENT (Zajonc): Das Kakerlaken-Experiment
Kakerlaken werden in ein Labyrinth gesetzt. Als AV wird die Zeit gestoppt,
die sie brauchen, um das Ziel zu erreichen.
 UV 1: Komplexität des Labyrinths (leicht vs. schwer)
 UV 2: Anwesenheit anderer- vs. keine Anwesenheit anderer Kakerlaken
Ergebnis: Bestätigung der sozialen Erleichterung
Die Anwesenheit anderer erzeugt Arousal; diese Erregung wiederum erleichtert
einfache und geübte Verhaltensweisen, erschwert jedoch schwierige und
unbekannte Verhaltensweisen!
Wachsamkeit
Die Gegenwart anderer
Bewertungsangst
=> Arousal
Allgemeine Ablenkung
Soziale Erleichterung bei einfachen Aufgaben, soziale Hemmung bei schwierigen
Aufgaben!
33
9.2. Soziales Faulenzen




Soziales Faulenzen: Wenn andere anwesend sind und dadurch die individuelle
Leistung nicht beurteilt werden kann, schneidet man bei leichten Aufgaben schlechter,
bei schwierigen Aufgaben dagegen besser ab!
EXPERIMENT (Jackson & Williams, 1985):
Jeweils 2 Vpn sollen gleichzeitig an verschiedenen PCs dieselbe Aufgabe am
PC lösen.
 UV 1: Schwierigkeit der Aufgabe (leicht vs. schwer)
 UV 2: Bewertung der individuellen Leistung (ja vs. nein)
 Den einen Vpn wird gesagt, dass die individuelle Leistung beurteilt
würde, den anderen wird gesagt, dass die beiden Ergebnisse am Ende
gemittelt würden.
 AV: Leistung der Vpn (Zeit bis zur Lösung)
 Ergebnis: Je nachdem, ob die individuelle Leistung beurteilt wird oder
nicht, zeigt sich entweder der Effekt des sozialen Faulenzens oder der
sozialen Erleichterung.
 Bewertung: leichte Aufgaben = besser; schwere Aufgaben = schlechter
 Keine Bewertung: leichte Aufgaben = schlechter; schwere Aufgaben =
besser
Keine Bewertung => keine Bewertungsangst => Entspannung (statt Erregung)
Empirische Beispiele: Tauziehen und Applaus (je mehr Leute, desto geringer die
Einzelleistung: Verantwortungsdiffusion)
Kulturelle und geschlechtsspezifische Unterschiede:
 In der westlichen Kultur ist die Tendenz zum sozialen Faulenzen ausgeprägter
als im Osten
 Männer zeigen eine stärkere Tendenz zum sozialen Faulenzen als Frauen
9.3. Deindividuation


Deindividuation: Wenn Menschen in der Masse untertauchen können, sinkt ihre
Hemmschwelle für impulsives, ausgelassenes und gewalttätiges Verhalten.
 Noch verstärkt werden kann dieser Effekt durch das Tragen von Masken
(Kukluxklan) oder Uniformen (Bundeswehr)
Mögliche Erklärungen:
 Die Anonymität der Masse befreit den Einzelnen vor der Verantwortung
 In Gruppen rücken deren eigenen Normen in den Vordergrund
9.4. Entscheidungen von Gruppen


Prozessverluste = Effekte innerhalb einer Gruppeninteraktion, die einer erfolgreichen
Problemlösung im Weg stehen.
Groupthink = Die Geschlossenheit und Solidarität der Gruppe behindert eine
rationale Problemlösung.
 Voraussetzungen von Groupthink:
 autoritärer Chef mit klaren Zielvorgaben
 eingeschworene Gruppe
 Isolation von anderen Sichtweisen
 Stress
 Erscheinungsformen von Groupthink:
 Illusion der Unfehlbarkeit
 Konformitätsdruck (Zensur von Widerständlern)
 Illusion der Einstimmigkeit
34



Wie Groupthink vermieden werden kann:
 unparteiischer, neutraler Gruppen- bzw. Diskussionsleiter
 Einholen anderer Meinungen (von Leuten, die nicht zur Gruppe gehören)
 Bildung von Subgruppen
 Anonyme Meinungsäußerung (z.B. schriftlich)
Gruppen fokusieren v.a. auf die Informationen, die alle Gruppenmitglieder gemeinsam
haben. Exklusives Wissen Einzelner bleibt dadurch oft unberücksichtigt!
EXPERIMENT (Stasser & Titus, 1985): Geteiltes vs. exklusives Wissen
Eine Gruppe von Vpn soll sich auf einen Kandidaten für eine Wahl einigen. In
der einen Bedingung haben alle Teilnehmer dieselbe Information; sie alle
wissen die 8 positiven und 4 negativen Eigenschaften von Kandidat A.
 In 83% der Fälle entscheidet sich die Gruppe für Kandidat A!
In der anderen Bedingung kennen zwar alle die 4 negativen Eigenschaften von
Kandidat A, allerdings kennt jeder nur 2 der 8 positiven Eigenschaften.
 Nur in 24% der Fälle entscheidet sich die Gruppe für Kandidat A!
Gruppen tendieren dazu, das exklusive Wissen Einzelner zu übergehen. Auf
diese Weise können wichtige Informationen verloren gehen.
 Lösung: Genügend Zeit nehmen, die ungeteilte Information zu
diskutieren; klare Aufgabenverteilung (festlegen, wer für welche
Information zuständig ist)
Group polarisation: Gruppen haben die Tendenz extremere Entscheidungen zu
treffen als ursprünglich von den einzelnen Mitgliedern intendiert.
 Voraussetzung: (relative) anfängliche Einigkeit der Gruppenmitglieder
 Erklärung:
1) Persuasive Arguments Interpretation: Andere Mitglieder der Gruppe
bringen Argumente in die Diskussion ein, die man selbst noch nicht
bedacht hatte und die dadurch die eigene Meinung noch verstärken.
2) Social Comparison Interpretation: Man möchte sich dadurch beliebt
machen, dass man den Standpunkt der Gruppe übernimmt und besonders
extrem vertritt.
 Culture-Value Theory: Dass Gruppen generell riskantere (oder vorsichtigere)
Entscheidungen treffen, lässt sich nicht sagen. In westlichen Kulturen wird
Risikobereitschaft wertgeschätzt, in östlichen Kulturen Vorsicht.
Dementsprechend ist die Richtung der group polarisation kulturabhängig.
9.5. Führung und Führungsstile


Great Person Theory: Bestimmte Persönlichkeitseigenschaften machen eine Person
unabhängig von der jeweiligen Situation zu einem guten Führer.
 Problem: Die Korrelation zw. Persönlichkeitsmerkmalen und der
Führungsqualität einer Person ist verschwindend gering.
Contingency Theory of Leadership: Es gibt verschiedene Führungsstile bzw.
-persönlichkeiten; welche am erfolgreichsten ist, hängt von der jeweiligen Situation
ab.
 Aufgabenorientierter Chef: bei hoher oder niedriger Kontrolle über die
Arbeitnehmer
 Beziehungsorientierter Chef: bei mittlerer Kontrolle über die Arbeitnehmer
Frauen führen eher beziehungsorientiert, weshalb ihnen mangelnde
Führungsqualitäten vorgeworfen werden; gleichzeitig werden Frauen, die
aufgabenorientiert führen, weniger gemocht (gemein, hm?!).
35
9.6. Konflikte und deren Lösung





Konflikte werden u.a. ausgelöst durch Konkurrenz (um knappe Ressourcen),
gegenläufige Interessen, Vorurteile und soziale Dilemmata.
Soziale Dilemmata sind Dilemmata, bei denen das, was dem Einzelnen am meisten
nutzt, der Gruppe als Ganzer schadet.
 Prisoner’s Dilemma: Bei Kooperation: sicherer, aber vergleichsweise geringer
Gewinn für beide; bei Konkurrenz: einseitiger, hoher Gewinn oder beidseitiger
Verlust
 Tit-for-Tat Strategy: Auf kooperatives Verhalten kooperativ-, auf
kompetitives Verhalten kompetitiv reagieren („Wie du mir, so ich dir“)
 Public Goods Dilemma: Alle geben ab, damit letztlich alle profitieren (siehe:
Steuern, Krankenversicherung, Rente usw.)
 Commons Dilemma: Eine Ressource muss von allen in Maßen ausgeschöpft
werden, damit sie nicht ausgeht (siehe: Erdöl,…)
Wirkt sich die Möglichkeit zur Kommunikation und zu Androhungen positiv auf die
Lösung von Dilemmata aus?
EXPERIMENT (Kraus & Deutsch, 1962): „The Trucking Game“
Zwei Vpn spielen gegeneinander. Jeder hat die Aufgabe, mit einer
Speditionsfirma möglichst viel Geld zu erwirtschaften, indem man möglichst
schnell möglichst viele Güter von A nach B transportiert. Das Dilemma besteht
darin, dass der kürzeste Weg pro Durchgang immer nur von einem Spieler
genutzt werden kann!
 UV 1: Bedrohung möglich / nicht möglich (keine vs. einseitige vs.
zweiseitige Blockade)
 UV 2: Kommunikation möglich / nicht möglich
 AV: durchschnittlicher Gewinn der beiden Vpn
Bedrohungen wirken sich immer zum Nachteil beider Seiten aus, egal ob einoder zweiseitig.
Die Möglichkeit zur Kommunikation wirkt sich lediglich nach einem
Kommunikationstraining positiv auf den beiderseitigen Gewinn aus.
Integrative Lösung von Konflikten: Beide Seiten nehmen jeweils bei den Punkten
Abstriche hin, die ihnen nicht so wichtig sind wie der anderen Seite.
Grundsätzlich sind Einzelpersonen besser geeignet, Konflikte zu lösen, als Gruppen,
da ihnen eher vertraut wird.
36
10. Interpersonal Attraction (Blablabla…)
10.1. Wie Sympathie entsteht:
 Propinquitiy Effect: Je öfter wir jemanden sehen / mit jemandem interagieren,
desto sympathischer ist uns diese Person.
 Erklärung: - Häufige Begegnungen schaffen Vertrautheit
- Personen mit ähnlichen Interessen sind oft an denselben Orten
- Mere Exposure Effect (Effekt der bloßen Darbietung): Je öfter
ein Reiz dargeboten wird, desto positiver wird er bewertet.
 EXPERIMENTE dazu:
Festinger et al., 1950: Freundschaften im Studentenwohnheim entstehen
v.a. in unmittelbarer Nachbarschaft
Moreland & Beach, 1992: Je häufiger eine „Studentin“ in den Vorlesungen
gesehen wurde, desto positiver wurde sie von ihren Kommilitonen
bewertet, obwohl die Studentin nie zu den anderen Kontakt aufnahm.
 Ähnlichkeit: Je ähnlicher uns jemand ist, desto sympathischer ist uns die betreffende
Person.
 Erklärung: - Ähnlichkeit schafft Vertrautheit
- Leute, die derselben Meinung sind wie wir, bestärken uns
 Reziprozität: „Magst du mich, mag ich dich…“
 Erklärung: - positive Verstärkung/ Self-Fulfilling Prophecy
 Attraktivität: „Nur oberflächliche Menschen urteilen nicht nach dem Aussehen. Das
Geheimnis der Welt ist das Sichtbare, nicht das Unsichtbare!“ (Oscar Wilde)
 Erklärung: - What is beautiful is good“- Stereotyp (siehe: implizite
Persönlichkeitstheorien
- Self-fulfilling prophecy
10.2. Social Exchange Theory und Investment Model


Social Exchange: Wie man über eine Beziehung denkt, hängt vom Kosten-NutzenVerhältnis, den eigenen Erwartungen und den Alternativen ab.
 Der Nutzen einer Beziehung wird von Anfang an bedacht; die Kosten erst mit
der Zeit.
Investment Model: Die Stabilität einer Beziehung lässt sich mittels folgender 3
Faktoren voraussagen:
1) Zufriedenheit mit der Beziehung
 Kosten-Nutzen Verhältnis
 Vergleichsniveau (Was erwartet man sich aufgrund vorausgegangener
Beziehungen?!)
2) Alternativen
3) Bereits erbrachte Investitionen
 Je mehr man bereits in eine Beziehung investiert hat, desto
unwahrscheinlicher ist es, sie einfach aufzugeben.
37
10.3. Equity Theory


Im Gegensatz zur Social Exchange Theory geht die Equity Theory davon aus, dass
eine Beziehung dann zufrieden stellend ist, wenn die Kosten und Nutzen in etwa für
beide Seiten gleich sind.
Bei längerfristigen Beziehungen unterscheidet die Theorie zwischen Exchange- und
Communal Relationships.
 Exchange Relationships: v.a. bei neuen und eher oberflächlichen
Beziehungen wird darauf geachtet, dass Kosten und Nutzen für beide Partner
gleich sind; für Leistungen werden Gegenleistungen erwartet.
 Communal Relationships: Bei längerfristigen und engeren Beziehungen steht
nicht die Ausgewogenheit der Leistungen, sondern die Zufriedenheit des
Partners im Vordergrund; dadurch kommt es auf lange Sicht ebenfalls zu
einem Ausgleich.
10.4. Liebe

Zu unterscheiden ist zwischen freundschaftlicher (platonischer) und leidenschaftlicher
Liebe.
 Triangular Theory of Love: Welche Art von Liebe vorliegt, hängt von der
Verteilung folgender 3 Komponenten ab: Intimität, Leidenschaft und Commitment
(=Bindung)!
 Die Liebe aus evolutionspsychologischer Sicht: Männer und Frauen haben
unterschiedliche Fortpflanzungsstrategien!
 Männern geht es darum, möglichst viele Nachkommen zu zeugen
(quantitative Strategie); sie wählen ihre Partnerinnen v.a. nach dem Aussehen
 Frauen geht es darum, einige wenige Nachkommen sicher aufzuziehen
(qualitative Strategie); sie sind generell wählerischer und achten v.a. auf die
Ressourcen ihrer Geschlechtspartner (Eigentum,…).
 Die Liebe aus lerntheoretischer Sicht: Die Bindung zu den Eltern als Prädiktor für
das spätere Beziehungsverhalten der Kinder.
 Bowlby unterscheidet zwischen 3 Bindungsstilen:
1) Sicherer Bindungsstil: liebevolle Eltern-Kind-Beziehung (Kinder erfahren
Vertrauen, Wertschätzung usw.)
 Glückliche, stabile Beziehung
2) Vermeidender Bindungsstil: Distanzierte Eltern-Kind-Beziehung (Kinder
lernen, ihr Bedürfnis nach Bindung zu unterdrücken.
 Probleme mit engen Beziehungen
3) Ängstlich-ambivalenter Bindungsstil: Ambivalente Eltern-KindBeziehung, zwischen übertriebener Fürsorge und Zurückweisung pendelnd
(Kinder entwickeln Angst davor, verlassen zu werden usw.)
 Angst vor nicht erwiderter Zuneigung
 Vermeidender Mann + ängstliche Frau = unglückliche, aber stabile Beziehung,
da die Unterschiede nicht auf den Charakter, sondern das Geschlecht attribuiert
werden. Jeder bestätigt das Geschlechterstereotyp des anderen.
 Kritik: keine empirischen Belege; Bindungsstile sind flexibel und keineswegs
immer gleich!
 Nach Rusbult gibt es in Beziehungskrisen 4 mögliche Verhaltensweisen: aktiv
konstruktiv; aktiv destruktiv; passiv konstruktiv, passiv destruktiv
38
11. Prosoziales Verhalten
11.1. Warum helfen wir? - Drei grundlegende Theorien




Prosoziales Verhalten kann unterschiedlich erklärt werden. Die 3 wichtigsten Ansätze
sind der evolutionspsychologische Ansatz, der „Social Exchange“- Ansatz und die
„Altruismus-Empathie“- Hypothese von Batson.
(1) Aus evolutionspsychologischer Sicht dient prosoziales Verhalten der
Fitnesssteigerung. Echten Altruismus, der per definitionem um seiner selbst Willen
motiviert ist, gibt es demnach nicht. Stattdessen gründet sich jede Form prosozialen
Verhaltens letztlich auf Eigeninteresse.
 „Kin selection“: Es wird vorwiegend Verwandten geholfen, da dadurch
zumindest indirekt die Weitergabe der eigenen Gene gefördert wird.
 Reziproker Altruismus: Hilfe unter nicht-verwandten Individuen beruht
immer auf dem Prinzip der Wechselseitigkeit.
 Generell bringen soziale Normen (wie die Reziprozitätsnorm) einen
Überlebensvorteil mit sich, da sie kooperatives Verhalten fördern.
(2) Auch dem Social-Exchange-Ansatz zufolge gibt es keinen echten Altruismus.
Prosoziales Verhalten beruht stattdessen auf einer Kosten-Nutzen-Analyse. Geholfen
wird nur dann, wenn der Helfende dadurch mehr Vorteile als Nachteile hat.
(3) Lediglich die Empathie-Altruismus-Theorie (Batson, 1991) behauptet echten
Altruismus, sofern Empathie vorhanden ist.
 Empathie: Nachempfinden eines emotionalen Zustands einer anderen Person
durch Perspektivübernahme!
EXPERIMENT (Toi & Batson, 1982): « Die arme Carol »
Studenten bekommen einen „Radiobericht“ über Carol zu hören, eine
Kommilitonin, die aufgrund eines schweren Unfalls lange gefehlt hat und
daher Nachhilfe benötigt. Danach werden sie gefragt, ob sie ihr helfen.
UV 1: Empathie für Carol (hoch vs. niedrig)
 Die Vpn sollen sich beim Hören des Berichts entweder um
Objektivität bemühen oder sich in Carol’s Lage hineinversetzen.
UV 2: Die Kosten, Carol zu helfen (hoch vs. niedrig)
 Den Vpn wird entweder gesagt, Carol ginge in Zukunft in ihren
Kurs (hohe Kosten, nicht zu helfen) oder es wird ihnen gesagt,
Carol lerne zuhause (niedrige Kosten)
Ergebnis: Entsprechend der Empathie-Altruismus-Hypothese helfen die
Vpn mit hoher Empathie unabhängig von den Kosten!
11.2. Faktoren, von denen unsere Hilfsbereitschaft abhängt




Persönlichkeit: Natürlich gibt es hilfsbereite und weniger hilfsbereite Menschen;
nichtsdestotrotz ist prosoziales Verhalten stark situationsabhängig.
Umgebung: Laut der „Urban Overload“-Hypothese sind Menschen in städtischer
Umgebung weniger hilfsbereit als in ländlicher, da sie sich nach außen hin abschotten,
um der Reizüberflutung Herr zu werden.
Kultur: In allen Kulturen hilft man eher Mitgliedern der In-Group als solchen, die zur
Out-Group gehören.
 In östlichen Kulturen ist dieser Zusammenhang jedoch stärker ausgeprägt als
im Westen!
Geschlecht: Frauen helfen eher auf unspektakuläre Art (fürsorgliche und andauernde
Hilfe), während Männer eher zu spontanen „Heldentaten“ tendieren.
39

Stimmung: Gutgelaunte Vpn helfen generell mehr als neutral gestimmte;
schlechtgelaunte helfen nur dann mehr als neutral gestimmte, wenn sie nicht glauben,
dass ihre Stimmung fixiert ist.
 Gute Stimmung: erhöht Hilfsbereitschaft
 Stimmungskongruente Urteile und Gedanken führen dazu, dass die
Mitmenschen positiver wahrgenommen werden.
 „Mood maintenance hypothesis“: Durch prosoziales Verhalten
kann die gute Stimmung aufrecht erhalten werden
 Gute Stimmung erhöht die Selbstaufmerksamkeit (Aktivierung der
eigenen Ideale und Werte)
 Neutrale Stimmung: Wahrscheinlichkeit für Hilfe gering
 Schlechte Stimmung: erhöht die Hilfsbereitschaft
 …wenn dadurch die eigene Stimmung verbessert werden kann
(„Negative state relief“ –Theorie)
11.3. Das 5-Stufen-Modell von Latané und Darley

Helfen als sequentieller Entscheidungsprozess, bei dem 5 Barrieren überwunden
werden müssen, bevor die Handlung initiiert werden kann.
1) Es muss registriert werden, dass ein Notfall vorliegt
 Eine Frage der Aufmerksamkeitslenkung bzw. –kapazität
 siehe z.B. Urban Overload Hypothese
2) Es muss entschieden werden, dass Hilfe nötig ist
 Eine Frage der Interpretation
 Soziale Vergleichsprozesse: Nur wenn die anderen reagieren, reagiert
man selbst (Informationaler sozialer Einfluss und pluralistic
Ignorance).
EXPERIMENT (Latané & Darley, 1968): „Vorsicht, Rauch!“
Beim Bearbeiten eines Fragebogens kam Rauch aus der Lüftung.
Waren die VPn allein im Versuchsraum, suchten 75% nach Hilfe;
wenn ein Verbündeter weiterarbeitete, nur 10%!
3) Die Verantwortlichkeit für die Hilfeleistung muss übernommen werden
(Verantwortungsübernahme)
 Bystander Effekt: Verantwortungsdiffusion
EXPERIMENT (Latané & Darley, 1968):
Über Kopfhörer und Mikrophon wird eine anonyme
Gruppendiskussion geführt. Dabei täuscht einer der Teilnehmer
einen epileptischen Anfall vor (Tonbandaufnahme!). Ergebnis: Je
größer die Gruppe (2, 3 oder 6 Personen), desto seltener versuchen
die Leute zu helfen.
4) Die angemessene Reaktion muss bekannt sein (Kompetenz)
 VPn, die einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert haben, helfen bei medizinischen
Notfällen eher.
5) Die Entscheidung muss umgesetzt werden (Umsetzung)
 Je höher die Kosten, desto unwahrscheinlicher
EXPERIMENT (Darley, 1973): Der heilige Samariter
Theologiestudenten sollten ein Referat zum guten Samariter halten
– auf dem Weg zum Hörsaal halfen diejenigen, die unter Zeitdruck
(UV) standen, einem auf dem Boden liegenden seltener als die ohne
Zeitdruck.
40
11.3. Wie prosoziales Verhalten gefördert werden kann




Bewusstmachung der Barrieren
Einzelne Bystander explizit zu Hilfeleistung auffordern
Altruistisches Verhalten belohnen (dabei aber den overjustification effect vermeiden!)
Als gutes Vorbild vorangehen
41
12. Aggression
12.1. Allgemeines




Aggression ist intentionales Verhalten mit dem Ziel, Schmerz bzw. Schaden
zuzufügen.
 Feindselige Aggression: …weil man wütend ist und Schmerz zufügen will
 Instrumentelle Aggression: …weil man damit ein anderes Ziel erreichen will
Ist Aggression angeboren (instinktiv) oder erlernt? Anders formuliert: Ist der Mensch
ein von Natur aus gutes – oder von Natur aus aggressives Wesen?!
 Hobbes: Die aggressiven Impulse des Menschen sind angeboren und müssen
durch die Gesellschaft kontrolliert werden.
 Freud: Aggression ist dem Menschen in Form des Todestriebes
(Thanatos) von Natur aus mitgegeben. Hydraulik-Theorie: Die
aggressiven Energien müssen sich in irgendeiner Form entladen; eine
Möglichkeit dazu bietet die Sublimierung.
 Rousseau: Der Mensch ist von Natur aus gut – die aggressiven Impulse
werden durch die Gesellschaft hervorgerufen.
Mittlerweile ist man sich einig, dass es eine angeborene Tendenz zu aggressivem
Verhalten gibt, die sich im Lauf der Evolution herausgebildet hat. Aggression hat
offenbar einen adaptiven Wert! Gleichzeitig gibt es aber Mechanismen, die
aggressiven Impulse je nach Situation zu hemmen.
 Aggression ist also instinktiv und situationsabhängig:
EXPERMENT (Eibl-Eibesfeldt, 1963):
Isolierte Ratten
Isoliert aufgewachsene Ratten zeigten gegenüber Artgenossen ein hohes
Maß an Aggression (sie zeigten die artspezifischen
Droh- und
Angriffsmuster).
 Aggression scheint also ein angeborener Instinkt zu sein; schließlich
können die isoliert aufgewachsenen Ratten das Verhalten nicht
gelernt haben.
EXPERIMENT (Yang Kuo, 1961):
Die Ratte und die Katze
Eine Katze und eine Ratte, die gemeinsam aufgewachsen sind, verstehen
sich gut. Die Katze greift auch andere Ratten nicht an.
 Aggressive Instinkte können also offenbar durch frühe Erfahrungen
gehemmt werden.
Auch beim Menschen ist Aggression offenbar ein angeborenes Verhaltensmuster, die
spezifische Ausprägung ist allerdings stark abhängig vom sozialen Umfeld!
 Das zeigt sich u.a. daran, dass die Aggressivität zwischen verschiedenen
Kulturen („Culture of Honor“)-, aber auch innerhalb einer Kultur z.T. extrem
variiert.
 Die Iroquesen z.B. sind erst Aggressiv geworden, als die Europäer
nach Amerika kamen!
12.2. Biologische Faktoren

Neuronale und chemische Faktoren: Gesteuert wird aggressives Verhalten vermutlich
von der Amygdala aus; Serotonin ist ein Hormon, das aggressives Verhalten hemmt;
Testosteron ein Hormon, das aggressives Verhalten begünstigt.
 Stimulation der Amygdala
 Niedriger Serotoninspiegel
Aggressives Verhalten
 Hoher Testosteronspiegel
42



Alkohol: soziale Enthemmung, geringere Kontrolle über impulsive Reaktionen;
Wahrnehmung wird auf offensichtliche Situationsmerkmale verengt, was dazu führt,
dass mehrdeutige Situationen oft falsch interpretiert werden!
Schmerz, Hitze,… => körperliches Unwohlsein; Erregung => Aggressives Verhalten!
Geschlecht: Männer neigen eher zu physischer-, Frauen eher zu psychischer
Aggression; Männer interpretieren Situationen eher als Provokation und reagieren
deshalb insgesamt häufiger aggressiv als Frauen.
12.3. Situationale Faktoren





Direkte Provokation führt zu Aggression (Prinzip der Reziprozität)
Relative Deprivation führt zu Aggression.
 Warum „relativ“? – Ein Mangel führt erst dann zu Aggression, wenn er als
solcher wahrgenommen wird und die Hoffnung auf Besserung besteht.
 Dementsprechend brechen Revolutionen nicht unbedingt aus, wenn es den
Leuten am Schlechtesten geht, sondern im Gegenteil, wenn sie das Gefühl
haben, es gehe aufwärts.
Frustrations-Aggressions-Hypothese: Frustration führt zu Aggression.
 Frustration tritt auf, wenn ein Ziel nicht erreicht werden kann bzw. eine
zielgerichtete Handlung unterbrochen werden muss. Je näher das Ziel und je
größer die Erwartung bezüglich des Ziels, desto größer die Frustration!
EXPERIMENT (Harris, 1974): Die Warteschlange
Je weiter vorne man sich in einer Schlange vordrängelt, desto aggressiver
reagieren die Wartenden!
EXPERIMENT (Kulik & Brown, 1979): Telefonische Spendensammlung
Studenten fragen telefonisch nach Spenden; dabei erhalten sie
unterschiedliche Angaben, wie viel Geld sie zu erwarten haben. Keiner der
Personen, die angerufen werden, erklärt sich zu einer Spende bereit. Die
Studenten, die eine höhere Spende erwartet haben, reagieren darauf
aggressiver!
Frustration führt nicht immer zu Aggression; auch andere Reaktionen wie Weinen
oder Apathie sind denkbar.
Faktoren, die aggressives Verhalten wahrscheinlicher machen:
 BERKOWITZ: Frustration ruft emotionale Erregung (Ärger) hervor. Diese führt
nur bzw. v.a. in Kombination mit entsprechenden Hinweisreizen zu
Aggression. Hinweisreize, die aggressives Verhalten hervorrufen bzw.
wahrscheinlicher machen, sind alle Reize, die mit Ärger bzw. Aggression
assoziiert werden (Waffen etc.).
EXPERIMENT (Berkowitz, 1967)
Ärgerliche Vpn bekamen die Möglichkeit, einer anderen Vpn
Elektroschocks zu induzieren. Dabei war die eine Hälfte der Vpn in einem
Raum mit aggressivem Stimulus (Waffe), die andere Hälfte in einem Raum
mit neutralem Stimulus (Badmintonschläger).
 Die Vpn, in deren Umgebung der aggressive Hinweisreiz platziert
war, induzierten stärkere Schocks!
 BANDURA: Aggressives Verhalten wird an sozialen Modellen gelernt, ist also
stark erziehungsabhängig.
EXPERIMENT (Bandura, 1961/63): „Die arme Plastikpuppe“
Kinder imitieren den aggressiven Umgang Erwachsener mit einer
Plastikpuppe; Kinder in der Kontrollgruppe schlagen die Puppe nicht!
 Wenn sich das Objekt der Aggression nicht wehren kann…
43

Faktoren, die Ärger und damit Aggression reduzieren können:
 Ob auf Frustration Aggression folgt, hängt u.a. davon ab, auf welche Ursache
die Frustration zurückgeführt (attribuiert) wird, ob dem Frustrationsauslöser
z.B. eine Absicht unterstellt wird oder nicht.
 Wenn die Frustration legitim, verständlich oder unbeabsichtigt ist,
reagiert man weniger aggressiv.
12.4. Aggression und die Medien


Der Zusammenhang zwischen Mediengewalt und aggressivem/gewalttätigen
Verhalten ist nicht nur korrelativ, sondern kausal!
EXPERIMENT (Liebert et al.): Kinder, die ein Spielfilm gezeigt bekommen, in
dem Gewalt vorkommt, sind beim Spielen danach aggressiver als Kinder, die
eine gewaltfreie Sportsendung gezeigt bekommen haben.
Wozu genau führt Gewalt in den Medien?
1) Erhöhte Akzeptanz von Gewalt; Hemmmechanismen gegen aggressive
Reaktionen werden geschwächt.
2) Abstumpfung/Desensibilisierung/Habituation (physiologisch)
 weniger Empathie/Sympathie mit Gewaltopfern
3) Soziales Lernen (=Imitation), da Gewalttäter in den Medien oft als Helden
dargestellt werden.
4) Priming der Emotion Ärger / Priming der aggressiven Reaktion
 Die eigenen Gefühle werden eher als Ärger interpretiert; aggressive
Verhaltensschemata sind verfügbarer
5) Die Welt insgesamt wird als unsicherer und gewalttätiger wahrgenommen, als
sie vielleicht tatsächlich ist – und dementsprechend das Verhalten anderer eher
als Angriff interpretiert.
12.5. Gewalt gegen Frauen


Bei 50% der Vergewaltigungen in den USA handelt es sich um „date rape“.
 Ursache: Männer haben häufig das „Skript“/ die kulturell geprägte
Vorstellung, dass es zum Verhalten von Frauen gehöre, sich zu zieren –
während es die Aufgabe von Männern sei, hartnäckig zu bleiben.
 „Skripten“ sind kulturell bedingte Verhaltensweisen bzw. die
Vorstellung, die wir davon haben.
Gewaltfreie Pornographie hat keinen Einfluss auf das Verhalten gegenüber Frauen.
Pornographie, die Gewalt gegen Frauen enthält, führt dagegen zu einer deutlich
gesteigerten Gewalt gegenüber Frauen.
12.6. Strategien zur Gewaltprävention



Katharsis („Dampf ablassen“): Die Theorie der Katharsis hat sich als falsch
erwiesen. Seine Aggressionen auszuleben, hat sogar einen gegenteiligen Effekt: Die
Wahrscheinlichkeit aggressiven Verhaltens erhöht sich!
 Kognitive Dissonanz => Dehumanisierung
 Selbstwahrnehmungstheorie => Steigerung der eigenen Aggression
Dementsprechend ist es besser, den eigenen Ärger nicht-aggressiv auszudrücken (um
die eigenen Gefühle und Ursachen besser zu verstehen und Spannung abzubauen)
Bestrafung: Bestrafung ist lediglich effektiv, wenn sie unmittelbar und sicher erfolgt
und darüber hinaus nicht zu hart ist.
 Harte Bestrafung = aggressives Vorbild
 Dissonanztheorie => insufficient punishment
44
13. Stereotype und Vorurteile
13.1. Begriffsdefinitionen



VORURTEIL (affektive Komponente): Ein Vorurteil ist eine negative Einstellung
gegenüber einer Person auf Grundlage ihrer Zugehörigkeit zu einer Fremdgruppe
(„outgroup“).
STEREOTYP (kognitive Komponente): Stereotype sind Schemata bzw.
Wissensstrukturen
über
soziale
Gruppen;
sie
erleichtern
die
Informationsverarbeitung. Anders formuliert: Ein Stereotyp ist die erwartete
Korrelation zwischen bestimmten Eigenschaften einer Person und ihrer Zugehörigkeit
zu einer Gruppe.
 Anders als Vorurteile müssen Stereotype nicht negativ sein (der „athletische
Neger“).
DISKRIMINIERUNG
(Verhaltenskomponente):
Ungerechtfertigtes,
negatives
Verhalten gegenüber anderen Gruppen aufgrund von Vorurteilen.
13.2. Die Folgen von Vorurteilen



Das Selbstbewusstsein von vorurteilsbehafteten Gruppenmitgliedern wird verringert.
EXPERIMENT (Clark & Clark, 1947): schwarze vs. weiße Puppen
Afro-amerikanische Mädchen ziehen es vor, mit weißen Puppen zu spielen.
Sterotype Threat: Die Angst, ein negatives Stereotyp über die eigene Gruppe durch
persönliches Versagen bei einer schwierigen Aufgabe zu bestätigen
 …führt tatsächlich zu schlechteren Leistungen („Self-fulfilling prophecy“)
 Z.B. schneiden Frauen, bei denen das Frauenstereotyp aktiviert wurde, in
Mathetests schlechter ab.
Stereotype haben Einfluss auf die Attributionsstile!
 Beruflicher Erfolg von Frauen z.B. wird von beiden Geschlechtern (!) eher
external attribuiert; der Erfolg von Männern dagegen internal.
 Mädchen attribuieren ihren Erfolg eher external, ihren Misserfolg eher internal; bei
Jungen ist es umgekehrt (Nichols, 1975).
13.2. Die Entstehung von Vorurteilen bzw. Stereotypen
13.2.1. Die Theorie des sozialen Konflikts (Realistic Conflict Theory)


Aufgrund mangelnder Ressourcen (Arbeitsplätze, Frauen,… ;) entstehen
Konkurrenz und Gegnerschaft zwischen verschiedenen Gruppen. Die Folge sind
Vorurteile und Diskriminierung.
 Im Vordergrund steht also die reale, soziale Situation (Ressourcenknappheit);
kognitive Prozesse spielen eine untergeordnete Rolle.
 Tatsächlich entstehen Vorteile v.a. in Zeiten wirtschaftlicher Rezession
(siehe: Drittes Reich).
In Südamerika besteht z.B. ein Zusammenhang zwischen der Qualität
der Baumwohlernte und der Anzahl an Lynchmorden.
Lösungsvorschlag dieser Theorie: Persönlicher Kontakt vermindert Vorurteile (siehe:
„Kontakthypothese“)
45
13.2.2. Theorie der sozialen Kategorisierung (Social cognition)



Vorurteile sind ein Nebenprodukt unserer Informationsverarbeitung; sie
resultieren aus notwendigen Kategorisierungsprozessen.
Genau wie wir Gegenstände, Tiere usw. in Kategorien einordnen, kategorisieren wir
Menschen – und zwar u.a. danach, welcher Gruppe sie angehören. Dabei
unterscheiden wir zwischen Gruppen, zu denen wir selbst gehören („in-groups“) und
Gruppen, zu denen wir nicht gehören („outgroups“).
 Daraus ergeben sich folgende Effekte:
1) „In-Group Bias“: Aufwertung der Eigengruppe / Abwertung der
Fremdgruppe (selbstwertdienlich motiviert)
2) „Out-Group Homogenity Effect“: Überschätzung der Homogenität der
Fremdgruppe
„Unit Formation“: Empfundene Gemeinsamkeit (kann zur Aufwertung der eigenen
Person führen: z.B. Sieg der Nationalmannschaft); das Maß an empfundener
Gemeinsamkeit hängt vom jew. Kontext ab (selektive Identifikation)!
13.2.3. Weitere Erklärungsansätze



Evolutionäre Psychologie: Angst bzw. Vorsicht vor andersartigen Individuen hat
einen adaptiven Wert. Daher die angeborene Tendenz, Individuen, die uns ähnlich
sind, zu bevorzugen und solche, die uns unähnlich sind, eher abzulehnen.
Soziale Lerntheorie: Erziehung und gesellschaftliches Umfeld führen zur
Internalisierung von Vorurteilen.
 Dementsprechend sind Vorurteile prinzipiell veränderbar!
Attributionstheorien: Der fundamentale Attributionsfehler tritt auch bei der
Bewertung von Gruppen auf. In diesem Sinne können Stereotype als der „ultimate
Attributionsfehler“ bezeichnet werden.
 Wir tendieren dazu, das Verhalten von Gruppen dispositional zu attribuieren.
 Verhalten sich Mitglieder einer Outgroup nicht stereotypgemäß tendieren wir
dazu, situational zu attribuieren.
13.3. Warum Stereotype so Löschungsresistent sind




Die affektive Komponente von Vorurteilen ist durch logische Argumente nicht
veränderbar.
Vorurteile
wirken
bei
der
Informationsverarbeitung
wie
Schemata:
Vorurteilskonsistente Informationen werden mit größerer Aufmerksamkeit betrachtet
und besser enkodiert.
EXPERIMENT (Bodenhausen, 1988):
Vpn beurteilen einen Angeklagten eher als schuldig, wenn er einen ethnischen
Namen trägt; allerdings nur, wenn sie diese Information vor der Schilderung des
Falls erhalten. Wird ihnen der Name des Angeklagten erst nach Schilderung des
Falls mitgeteilt, hat er keinen Einfluss auf die Urteilsbildung!
 Stereotype beeinflussen die Art der Informationsverarbeitung
(schemageleitete Enkodierung)
Stereotype beeinflussen unseren Attributionsstil (s.o.): Vorurteilsinkonsistente
Information wird eher situational attribuiert und somit „wegerklärt“.
„Illusory Correlation“ (Hamilton & Gilford, 1976): Treten auffällige Merkmale
(„Jude“ + „materialistischer Beruf“) gemeinsam auf, tendieren wir dazu, einen
Zusammenhang zu sehen und ihn im Gedächtnis zu speichern.
 Solche „falschen“ Korrelationen werden oft auch durch die Medien erzeugt. Z.B.
sieht man in den Nachrichten mehr Muslime mit Maschinengewehr als ohne!
Ergo: Muslim = Terrorist
46

Stereotype können automatisch wirken und sind daher nur begrenzt kontrollierbar.
 Patricia Devine unterscheidet zwischen automatischer, unbewusster und
kontrollierter, bewusster Informationsverarbeitung (2-Stufen-Modell der
Vorurteilsverarbeitung).
 Laut Devine wird vorurteilsbezogenes Wissen bei jedem Menschen
automatisch aktiviert. Die bloße Kenntnis eines Stereotyps reicht aus, um
unser automatisches Denken zu beeinflussen.
 Unterschiede
gibt
es
lediglich
bei
der
kontrollierten
Informationsverarbeitung. Glaubt man nicht an ein bestimmtes Vorteil, muss
man sein Wissen über dieses Vorurteil bewusst unterdrücken.
EXPERIMENT (Payne, 2001): Waffe oder Werkzeug?!
Vpn bekommen eine Serie von Bildern gezeigt, auf denen entweder eine
Waffe oder ein Werkzeug zu sehen ist – dabei sollen sie so schnell wie
möglich entscheiden, was von beiden es ist. Unmittelbar vor jedem Bild
werden die Vpn entweder mit einem schwarzen Gesicht – oder einem
weißen Gesicht geprimt.
 Wird vorher ein schwarzes Gesicht eingeblendet, erkennen die Vpn die
Waffen schneller.
 Außerdem verwechselten die Vpn ein Werkzeug häufiger mit einer
Waffe, wenn sie vorher mit dem Gesicht eines Schwarzen geprimt
wurden.
 Diese Effekte treten auch bei den Vpn auf, die nach eigenen Angaben
keine Vorurteile gegenüber Schwarzen haben!
EXPERIMENT (Fazio et al.,1995): Affektives Priming
Vpn bekamen Wörter mit eindeutig positiver oder eindeutig negativer
Valenz dargeboten und sollten diese so schnell wie möglich einer der
beiden Kategorien (positiv/negativ) zuordnen. Unmittelbar vor jedem Wort
wurden sie entweder mit einem weißen oder schwarzen Gesicht geprimt.
Erhoben wurden die Reaktionszeit bei der Wortkategorisierung und das
Verhalten einer schwarzen Versuchsleiterin gegenüber.
 Sowohl bei den automatischen Reaktionen als auch bei dem überlegten
Verhalten gab es erhebliche interindividuelle Unterschiede, drei
Typen lassen sich unterscheiden:
1) Vpn, bei denen sich die Vorurteile weder im automatischen, noch
im bewussten Verhalten bzw. Denken widerspiegeln.
2) Vpn, bei denen sich die Vorurteile im automatischen, nicht aber
im bewussten Verhalten niederschlagen.
3) Vpn, bei denen sich die Vorurteile im automatischen und
bewussten Verhalten bzw. Denken niederschlagen.
 Die Ergebnisse zeigen also, dass Devines Theorie zumindest
modifiziert werden muss: Nicht bei allen Vpn werden bekannte
Vorurteile automatisch aktiviert.
EXPERIMENT (Bargh, 1995): Der Macht-Sex-Link
Männer, die einem Fragebogen zu sexuell aggressivem Verhalten hohe
Werte hatten, stuften eine Frau attraktiver ein, wenn vorher das
Machtkonzept aktiviert wurde (durch Priming); bei ihnen besteht offenbar
ein unbewusster Zusammenhang zwischen Macht und Sex!
47


„Self-fulfilling prophecy“: Unsere Schemata bzw. Erwartungen beeinflussen unser
Verhalten gegenüber anderen; gleichzeitig löst unser Verhalten beim Gegenüber eine
entsprechende Reaktion aus; diese Reaktion
wiederum scheint unsere
Ausgangserwartung zu bestätigen.
EXPERIMENT (Word, Zanna, Cooper, 1974): Das Bewerbungsgespräch
1) Vpn, die ein Einstellungsinterview führen, verhalten sich schwarzen
Bewerbern gegenüber anders als weißen; sie sitzen weiter weg und
beenden das Gespräch früher usw. => mit der Folge, dass die schwarzen
Bewerber von unabhängigen Ratern als weniger kompetent, nervöser usw.
beurteilt werden.
2) Im zweiten Experiment wird nicht die Hautfarbe der Bewerber, sondern
das Verhalten der Interviewer manipuliert. Weiße Bewerber werden
entweder wie „Schwarze“ oder „Weiße“ behandelt (siehe Exp. 1).
 Die Bewerber, die wie Schwarze behandelt wurden, verhielten sich
genau wie die schwarzen Bewerber in Exp.1. Auch sie wurden von
unabhängigen Ratern als weniger kompetent und nervöser eingestuft.
 Ergo: Nicht die Hautfarbe, sondern das Verhalten des
Interviewers bestimmt den Eindruck, den ein Bewerber macht.
Normative Konformität: Verbreitete Stereotype werden häufig übernommen, um
den Erwartungen der Gruppe gerecht zu werden (Konformitätsdruck).
 Institutionalisierter Rassismus (z.B. Iran)
 Institutionalisierter Sexismus (z.B. Iran)
13.4. Die Kontakthypothese


Der Kontakt zwischen Gruppen kann zum Abbau von Vorurteilen führen, allerdings
nur unter bestimmten Voraussetzungen:
 Gemeinsame Ziele
 Interdependenz: Die Gruppenmitglieder müssen aufeinander angewiesen sein
 Gleicher Status der Gruppenmitglieder
 Freundliche, ungezwungene Atmosphäre (ohne Konkurrenzdenken)
 Kontakt mit mehreren Mitgliedern der anderen Gruppe
 Normen wie Akzeptanz und Toleranz müssen im Zentrum stehen
„The Jigsaw Classroom“ (Aronson): ethnisch gemischte Arbeitsgruppen mit
gemeinsamer Aufgabenstellung, aber klar vorgegebener Arbeitsteilung, so dass alle
Gruppenmitglieder aufeinander angewiesen sind => Höheres Selbstwertgefühl und
bessere Leistungen der Einzelnen; Abbau von Vorurteilen
48
14. Social Psychology in Action
14.1. Stress und Stressreduktion




Stress: Negative Gefühle und Gedanken, die immer dann auftreten, wenn man sich
den Anforderungen seiner Umwelt nicht gewachsen fühlt.
 Stress schwächt das Immunsystem, erhöht die Wahrscheinlichkeit eines
Herzinfarkts usw.
Stressfaktoren: Wahrgenommene Kontrolle, Self-Efficacy, Gelernte Hilflosigkeit
1) Wahrgenommene Kontrolle:
 Der Glaube, dass wir ganz allgemein Einfluss auf unsere Umwelt haben
 Studien in Altenheimen zeigen, sich dass eine hohe wahrgenommene
Kontrolle positiv auf das Verhalten, das subjektive Wohlbefinden und
die Gesundheit auswirkt. Allerdings nur wenn das Gefühl der Kontrolle
nicht abrupt genommen wird.
2) Self-Efficacy (Bandura):
 Selbstwirksamkeit: Der Glaube, bestimmte Ziele erreichen zu können.
 Wirkt wie eine Selffulfilling prophec: je höher die Self-Efficacy, desto
mehr schafft man auch.
3) Gelernte Hilflosigkeit (Seligman):
 Pessimistische Grundhaltung aufgrund der Tendenz, schlechte Ereignisse
internal, stabil und global zu attribuieren (tritt nach Misserfolgserlebnissen in
unkontrollierbaren Situationen auf).
Coping-Strategien: Es gibt verschiedene Strategien, mit Stress umzugehen; welche
Strategien gewählt werden, ist u.a. geschlechts- und persönlichkeitsabhängig.
 Persönlichkeitsunterschiede:
 Typ A: durchsetzungsfähig, machtorientiert, aggressiv, ungeduldig, …
(Typ erfolgreicher Manager) => erfolgreich, aber ungesund
 Typ B: geduldig, kooperativ, entspannt, … => weniger erfolgreich,
dafür aber gesünder
 Geschlechtsunterschiede:
 Männer: Fight-or-Flight Response (das Problem entweder angehen
oder meiden)
 Frauen: Tend-and-Befriend Response (passen auf sich und den
Nachwuchs auf, bilden soziale Netzwerke zur Unterstützung)
 Buffering Hypothesis: Sowohl Männer als auch Frauen sind in
Stresssituationen auf soziale Unterstützung angewiesen.
Prävention:
 Motivation zu Vorsorgeuntersuchungen: => die möglichen Verluste betonen
 Motivation zu gesundem Verhalten: => die möglichen Gewinne betonen
 Hypocrisy – Technik (kognitive Dissonanz erzeugen)
49
14.2. Rechtspsychologie





Probleme mit Augenzeugen:
1) Beobachtung:
 Beobachtungszeit oft zu kurz (schließlich laufen Verbrechen meistens
schnell und überraschend ab)
 Sichtbedingungen oft schlecht (Verbrechen passieren oft nachts…)
 Aufmerksamkeitsfokus (ist auf die Waffe und nicht auf das Gesicht des
Verbrechers gerichtet)
 Erwartungen (Schemata) beeinflussen unsere Wahrnehmung
 Vertrautheit (Own-Race Bias: Gesichter unserer eigenen Rasse merken wir
uns besser)
2) Speicherung:
 Rekonstruktive Erinnerung (Oft bauen wir unbewusst Infos in unsere
Erinnerung ein, die wir erst zu einem späteren Zeitpunkt erfahren haben)
 Source Monitoring (Wir wissen oft nicht genau, woher wir welche Infos
bzw. Erinnerungen haben)
 Kennen wir das Gesicht aus der Zeitung oder von jenem besagten
Abend?
3) Abrufung:
 „Best-guess“- Problem: Beim Identifizieren eines Täters wird oft der
gewählt, der dem Täter am ähnlichsten sieht, auch wenn sich die Ähnlichkeit
in Grenzen hält.
 Visuelle Infos zu verbalisieren ist nicht immer unproblematisch
Bewertung von Augenzeugenaussagen:
 Die Korrelation zwischen der Sicherheit der Augenzeugen und der
Richtigkeit ihrer Aussagen ist gering!
 Muss ein Augenzeuge erst lange über den Tathergang nachdenken, ist seine
Aussage verdächtig.
 Kann erkannt werden, wenn Augenzeugen lügen?
 Experten bewerten Aussagen in 75% der Fälle richtig.
 Unausgebildete Personen lediglich in 50% der Fälle
(=Zufallswahrscheinlichkeit)
 Ein Polygraph (Lügendetektor) liegt in 85% der Fälle richtig.
Probleme mit Geschworenen und Richtern:
 Geschworene und Richter werden oft durch Vorinformationen in ihrem
Urteil beeinflusst (emotionale Medienberichte usw.)
 Anwälten ist zu empfehlen, ihre Zeugen chronologisch auftreten zu lassen
(story order) und nicht nach deren Güte (witness order); ersteres wirkt auf
Richter und Geschworene überzeugender!
 Gruppenprozesse: Konformitätsdruck (je mehr Richter/Geschworene, desto
besser – da es dann wahrscheinlicher wird, dass auch die
Minderheitenmeinung von einigen vertreten wird)
Deterrence Theory (Abschreckungstheorie): Strafe muss hart, schnell und mit großer
Sicherheit erfolgen, um abschreckend zu wirken.
 Hauptproblem: Eine schnelle und sichere Strafe ist meistens nicht
realisierbar!
 Insuficient punishment (s.o.)
Procedural Justice: Faire und gleiche Behandlung vor dem Gesetz ist entscheidend,
damit Leute sich diesem Gesetz fügen!
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