SOZIALPSYCHOLOGIE Von: Josua Handerer Kontakt: [email protected] 1 1. Was ist Sozialpsychologie? 1.1. Grundlegendes: Definition nach Allport: Die Sozialpsychologie beschäftigt sich mit der Frage, „wie Denken, Fühlen und Verhalten von Individuen durch die tatsächliche, vorgestellte oder implizite Anwesenheit anderer beeinflusst werden.“ Hauptthema der Sozialpsychologie ist demnach sozialer Einfluss: Direkte Überzeugungsversuche (Werbung, Persuasion,…) Subtile Einflussnahme (soziale Erwartungen und Konventionen, kultureller Kontext,…) Die Komponenten, die betrachtet werden, sind: Kognition, Emotion und Verhalten Im Gegensatz zur Differentiellen Psychologie geht es der SP weniger um stabile Persönlichkeitsunterschiede als vielmehr um die (sozialen) Situationen, in denen ein bestimmtes Verhalten auftritt. Verhalten = Person Situation Die SP sucht nach Gesetzmäßigkeiten, die für alle Menschen gelten - nicht nach Persönlichkeitsunterschieden. Die Soziologie beschäftigt sich mit sozialen Gruppen, die Sozialpsychologie mit den Individuen innerhalb solcher Gruppen. Die Sozialpsychologie betrachtet die psychologischen Mechanismen im Einzelnen; die Soziologie untersucht die politischen, kulturellen,… Mechanismen in der Gesellschaft. FAZIT: Die Sozialpsychologie kann zwischen Soziologie (Situation) und Persönlichkeitspsychologie (Person) angesiedelt werden. Von der Gestaltpsychologie (u.a. Wertheimer) hat die Sozialpsychologie folgendes übernommen: Die holistische Sichtweise (das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile; komplexe psychologische Phänomene sind demnach nicht immer in ihre einzelnen Elemente zu zerlegen) Kritik am Strukturalismus (u.a. Wundt), der eine elementaristische Sichtweise hatte Betonung des subjektiven Erlebens (die (soziale) Wirklichkeit ist nur z.T. objektiv gegeben, zu einem Großteil wird sie vom Individuum konstruiert; es kommt also weniger auf die Situation an sich an, sondern darauf, wie der Einzelne sie interpretiert). Vom Behaviorismus übernommen hat die Sozialpsychologie v.a. die Methode: das experimentelle Vorgehen! 2 1.2. Der fundamentale Attributionsfehler Der fundamentale Attributionsfehler bezeichnet die Tendenz, das Verhalten anderer zu sehr auf deren Persönlichkeit zurückzuführen und dabei soziale und situationale Einflussfaktoren zu vernachlässigen. EXPERIMENT (Ross und Samuels, 1993): „Wall Street Game” Hängt es von der Persönlichkeit oder von der Situation ab, wie Menschen sich in einer Spielsituation verhalten? UV 1: Persönlichkeit der Vpn (kompetitiv vs. kooperativ) UV 2: Soziale Situation (kompetitiv vs. kooperativ) Das von den Probanden zu spielende Spiel wurde ihnen entweder als „Wall Street Game“ oder „Community Game“ vorgestellt. AV: Verhalten der Vpn während des Spiels (kompetitiv vs. kooperativ) Die Persönlichkeit der Vpn hatte keinen Einfluss auf das Spielverhalten; entscheidend war allein der Name des Spiels. Insbesondere extremes Verhalten (Mord usw.) wird gerne auf Persönlichkeitsmerkmale zurückgeführt, da nach einfachen Erklärungen gesucht wird (Oversimplification). 1.3. Zwei grundlegende Ansätze in der Sozialpsychologie Wie der Mensch die Welt um sich herum konstruiert bzw. wahrnimmt, hängt von seiner Motivation ab. Die beiden grundlegenden Motive sind dabei (1) das Selbstwertgefühl aufrecht zu erhalten und (2) das Bedürfnis nach Korrektheit. Je nachdem, welches dieser beiden Motive man unterstellt, kommt man in der Sozialpsychologie zu unterschiedlichen Ansätzen. 1.3.1. Der „Selbstwert-Ansatz“: Der Mensch als rationalisierendes Wesen Grundmotiv des Menschen ist es, ein hohes Selbstwertgefühl zu bekommen bzw. beizubehalten. Daher das Bedürfnis, das eigene Verhalten zu rechtfertigen, anstatt persönliche Fehler und Schwächen zuzugeben. Phänomene: z.B. empfinden Menschen kognitive Dissonanz, wenn das eigene Verhalten ihren Idealen widerspricht. => Ihr Selbstwertgefühl ist bedroht. Probleme: Verzerrung der Realität Irrationale Urteile und vermeidlich paradoxes Verhalten Unfähigkeit, aus Fehlern zu lernen 1.3.2. Der „Social–Cognition–Ansatz“: Der Mensch als informationsverarbeitendes System Grundmotiv des Menschen ist es, die Wirklichkeit möglicht genau und korrekt wahrzunehmen; es geht um eine realistische Einschätzung der Welt und der eigenen Person. Daher werden gezielt kognitive Ressourcen eingesetzt, um die zur Verfügung stehenden Informationen zu ordnen und zu interpretieren. Phänomene: Es gibt verschiedene Vorgehensweisen bei der Informationsverarbeitung (z.B. im Fall der Urteilsbildung): Entweder es wird genau nachgedacht und abgewogen oder es werden Heuristiken verwendet. Probleme: Die Genauigkeit von Urteilen geht immer zu Lasten der Schnelligkeit – und umgekehrt! 3 Die Genauigkeit unserer Wahrnehmung kann beeinträchtigt werden durch: Gute Stimmung Zeitdruck Ablenkung (begrenzte kognitive Kapazität) Informationsmangel bzw. –überflutung Den eigenen Erwartungen „Self-fulfilling Prophecy“ 1.4. Die „Self-fulfilling prophecy“ Unsere Schemata bzw. Erwartungen beeinflussen unser Verhalten gegenüber anderen; gleichzeitig löst unser Verhalten beim Gegenüber eine entsprechende Reaktion aus; diese Reaktion wiederum scheint unsere Ausgangserwartung zu bestätigen. EXPERIMENT (Rosenthal & Jacobson, 1969): Die Erwartungen eines Lehrers beeinflussen dessen Verhalten und damit die Leistung der Schüler! UV: Erwartung der Lehrer bezüglich der intellektuellen Leistungsfähigkeit der Schüler experimentell manipuliert durch vermeidlich hohe Testergebnisse willkürlich ausgewählter Schüler AV: Ergebnis der Schüler in einem IQ-Test (vor Beginn - und nach Ende des Schuljahres) Die Schüler, die von den Lehren zu Unrecht für intelligenter gehalten worden waren, hatten in dem IQ-Test am Ende des Schuljahres tatsächlich einen höheren IQ als vorher. Mögliche Erklärung: Die Erwartungshaltung der Lehrer scheint deren Verhalten gegenüber den angeblichen „Überfliegern“ beeinflusst zu haben; diese „Sonderbehandlung“ wiederum hat sich positiv auf die Leistung der betroffenen Schüler ausgewirkt (Motivation, Lernverhalten usw.). 4 2. Methoden der Sozialpsychologie: 2.1. Allgemeines Wie jeder empirischen Wissenschaft geht es auch der Sozialpsychologie darum, allgemeine Gesetzmäßigkeiten zu formulieren und an der Realität zu überprüfen. Um solche Gesetzmäßigkeiten aufzudecken bzw. zu überprüfen, gibt es prinzipiell drei Vorgehensweisen: 1. Beschreibende Beobachtung 2. Korrelationsstudien 3. Experimente Am Anfang jeder wissenschaftlichen Forschung steht eine Theorie bzw. Hypothese, die ihrerseits entweder aus persönlichen Erfahrungen und Beobachtungen oder aus vorhergehenden Studien abgleitet wird. Was folgt, ist die methodisch fundierte Überprüfung dieser Theorie bzw. Hypothese. Insgesamt lässt sich Wissenschaft als kontinuierlicher Prozess beschreiben 2.2. Die beschreibende Beobachtung Vorgehensweise: Verhaltensbeobachtung in natürlichem Umfeld (z.B. das Fernsehverhalten von Kindern bzw. deren Spielverhalten auf dem Spielplatz) Unterschieden werden muss u.a. zwischen teilnehmender und nicht teilnehmender Beobachtung. Ziele: umfassende Beschreibung von Verhalten; Generierung neuer Hypothesen Probleme: Seltenes oder privates Verhalten ist (v.a. in natürlichem Umfeld) nur schwer beobachtbar. Außerdem ist die Allgemeingültigkeit solcher Beobachtungen äußerst fraglich, da mögliche Störvariablen nicht eliminiert werden können. Archivanalyse: Auswertung bereits vorhandenen Materials (z.B. Zeitungsartikel, Statistiken,…); problematisch, da die Qualität des Materials nicht sichergestellt werden kann (es ist evtl. veraltet, unvollständig oder inkorrekt) 2.3. Korrelationsstudien Vorgehensweise: systematische Messung von mindestens 2 Variablen (Feld oder Labor); Berechnung von Korrelationen (zw. -1 und +1) Keine der beiden Variablen (z.B. Fernsehkonsum) wird aktiv manipuliert! Störvariablen werden nicht ausgeschaltet! Ziele: Beschreibung von Zusammenhängen (z.B. zwischen der Aggressivität von Kindern und deren Fernsehkonsum); Vorhersage einer Variablen X aus einer Variablen Y Probleme: Korrelationsstudien erlauben keine Aussagen über Kausalität (geringe interne Validität)! Umgekehrter Kausalzusammenhang * Vielleicht ist Aggression gar nicht die Folge von erhöhtem Fernsehkonsum, sondern dessen Ursache! Drittvariable (Konfundierung mehrerer Variablen) * Vielleicht kommen Kinder, die viel fernsehen, aus sozial niedrigeren Schichten – und ihre Aggression ist keine Folge des Fernsehkonsums, sondern ihrer Herkunft! 5 Selbstselektion * Vielleicht kommen Kinder, die viel fernsehen, generell aus schlechteren Elternhäusern, sind von vorneherein gewaltbereiter und weniger intelligent. Nur lineare Zusammenhänge können erfasst werden. Kausalanalyse: Konfundierende Variablen werden herauspartialisiert; auf diese Weise kann man z.B. die „milieubereinigte“ Korrelation zwischen Fernsehkonsum und Aggression berechnen. 2.5. Das Experiment Vorgehensweise: Experimentelle, heißt aktive und zielgerichtete Manipulation der Situation (daher überwiegend im Labor); Ausschaltung möglicher Störvariablen Randomisierung: Zufallszuteilung der Pbn auf die verschiedenen Bedingungen Herstellung der Situation: aktive Manipulation mindestens einer UV Kontrolle bzw. Eliminierung möglicher Störvariablen Ziel: Beschreibung bzw. Aufdeckung von Kausalzusammenhängen; möglichst kleiner p-Wert (die Wahrscheinlichkeit, dass die Unterschiede in der AV nur durch Zufall zustande gekommen sind) Probleme: externe Validität (Übertragbarkeit auf natürliche Situationen?!) 2.6. Wichtige Begriffe Interne Validität: Sind die Veränderungen der AV eindeutig auf die Variation der UV zurückzuführen? Externe Validität: Generalisierbarkeit über verschiedene Situationen und Personen. Mundane Realism: Ähnlichkeit zu alltäglichen Situationen Psychological Realism: Ähnlichkeit zu den psychologischen Prozessen, die in realen Situationen auftreten (kann durch „Coverstories“ erhöht werden) Die externe Validität lässt sich am besten durch Replikationen prüfen Replikation: Wiederholung eines Versuches mit anderen Versuchspersonen, verändertem Versuchsaufbau usw. Meta-Analyse: Statistische Zusammenfassung mehrerer Studien, die sich mit derselben Forschungsfrage beschäftigen. 6 3. Social Cognition 3.0. Allgemeines „Social Cognition“ ist ein Ansatz in der Sozialpsychologie, der unter dem Paradigma der Informationsverarbeitung steht. Wie verarbeiten und interpretieren wir Informationen, um Urteile und Entscheidungen zu treffen? Grundsätzlich lassen sich zwei Arten der Informationsverarbeitung unterscheiden: 1. Automatisches Denken: unbewusst, unkontrolliert und ohne mentalen Aufwand Verwendung von Schemata und Urteilsheuristiken 2. Kontrolliertes Denken: bewusst, kontrolliert, mentale Arbeit erfordernd Rationales, schlussfolgerndes Denken 3.1. Automatisches Denken (der „Autopilot“) 3.1.1. Schemata Schemata sind mentale Strukturen, mit deren Hilfe wir unser Wissen organisieren; kurz: Schemata sind übergeordnete Wissensstrukturen z.B.: Wissen über einzelne Personen, Gruppen, soziale Rollen, sich selbst,… Schemata haben Einfluss auf: die Informationsaufnahme, die Enkodierung bzw. Kategorisierung und den Abruf von Informationen („reconstructive memory“) Welche Schemata angewandt werden, hängt von ihrer momentanen Verfügbarkeit ab. Zu unterscheiden ist: Chronische Verfügbarkeit: Aufgrund gemachter Erfahrungen permanent verfügbare Schemata Priming: Prozess, bei dem die Verfügbarkeit bestimmter Schemata und Konzepte durch unmittelbar vorausgehende Erfahrungen vorübergehend erhöht wird; kurzfristige Aktivierung bestimmter Schemata (subliminal oder wahrnehmbar) Schemata dienen dazu, die Welt um uns herum zu strukturieren. Die permanent auf uns einströmenden Informationen müssen reduziert und geordnet werden, da wir ansonsten überfordert wären. Problematisch wird’s nur dann, wenn die von uns verwendeten Schemata falsch sind! Vorteile: sparen Zeit und kognitive Kapazität, sind v.a. bei mehrdeutigen Informationen hilfreich, sinnvolles Ausfüllen von Erinnerungslücken Nachteile: Verzerrungen, Schubladendenken, Stereotype, Vorurteile, Selffulfilling prophecy… „Priming“: kurzfristige (subliminale oder wahrnehmbare) Aktivierung bestimmter Schemata EXPERIMENT (Higgins et al., 1977): „Donald“ und Priming Die Einschätzung einer Person („Donald“) in einer mehrdeutigen Geschichte hängt davon ab, ob die betroffenen Versuchspersonen vorher mit positiven oder negativen Wörtern geprimt wurden (Bedingung: anders als beim „HofEffekt“ (positive Valenz strahlt aus) müssen die Wörter auch inhaltlich zur Geschichte passen!). Wenn ein bestimmtes Schema aktiviert wird, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass dasselbe Schema kurz darauf (möglicherweise in einem völlig anderen, unpassenden Kontext) erneut aktiviert wird. Die Verfügbarkeit von Information hängt v.a. von deren vorheriger Verwendung und nicht so sehr von der aktuellen Situation bzw. Person ab! 7 „Reconstructive Memory“: Gedächtnislücken werden durch schemakonsistente Details aufgefüllt. D.h.: Nicht alles, woran wir uns erinnern, ist tatsächlich so passiert. Vieles ist erst im Nachhinein von uns ergänzt worden – und zwar entsprechend der von uns verwendeten Schemata. EXPERIMENT (Linda Carli, 1999): Barbara und Jack auf der Skihütte Probanden lesen eine Geschichte mit unterschiedlichem Ausgang und werden 2 Wochen später gefragt, woran sie sich erinnern. Je nach Ausgang der Geschichte werden unterschiedliche Schemata aktiviert – und entsprechende, schemakonsistente Details „erinnert“, die in der Geschichte gar nicht vorgekommen sind! UV: Ausgang der Geschichte: Heiratsantrag vs. Vergewaltigung In der Geschichte geht es darum, dass ein Paar (Barbara und Jack) ein Wochenende auf einer Skihütte verbringen. AV: Erinnerungstest 2 Wochen später: Erinnerung schemakonsistenter, aber falscher Ereignisse Z.B.: „Jack schenkte Barbara Rosen“ „Preseverence effect“: Selbst wenn bestimmte Schemata als unzutreffend entlarvt wurden, wirken sie weiter; da durch die Aktivierung eines Schemas schemakonsistente Erinnerungen aufgerufen werden, die ihrerseits aktiv bleiben. EXPERIMENT (Ross et al., 1975): „False Feedback“ Auch wenn man im Nachhinein gesagt bekommt, dass das Feedback, das man bezüglich der eigenen Leistung bekommen hat, falsch war, hat man nach positivem Feedback ein höheres Selbstwertgefühl als nach negativem Feedback. Ursache: Bei positivem Feedback werden Erinnerungen an vergangene Leistungen, bei negativem Feedback werden Erinnerungen an vergangene Misserfolge wachgerufen. Das Feedback wird zwar im Nachhinein als irrelevant verworfen, nicht aber die durch das Feedback aktivierten Erinnerungen! „Self-fulfilling prophecy“: siehe oben (Erwartungshaltung = Schema) 3.1.2. Urteilsheuristiken Dem normativen Modell der Ökonomie zufolge müssten rationale Kosten-NutzenAbwägungen unsere Urteile bestimmen. Nutzen = Erwartung Wert Glücksspiele wie Lotto zeigen jedoch, dass der Wert oft eine größere Rolle spielt als die Erwartung (letztere ist die Wahrscheinlichkeit, das Ziel zu erreichen und ist meistens nur schwer zu berechnen); Erwartungs-malWert-Theorien können unser Verhalten also nur bedingt erklären! KAHNEMAN und TVERSKY zeigen, dass unter suboptimalen Bedingungen sog. „Urteilsheuristiken“ verwendet werden. Urteilsheuristiken sind „Faustregeln“, die es ermöglichen, unter suboptimalen Bedingungen schnelle und effiziente Urteile zu fällen (kurz: vereinfachte Schlussfolgerungen)! Sie kommen zur Anwendung, wenn es an Zeit, Motivation oder kognitiver Kapazität mangelt und auf kein Vorwissen (Schemata) zurückgegriffen werden kann. Kahneman und Tversky unterscheiden zwischen der Verfügbarkeitsheuristik, der Repräsentativitätsheuristik und der Verankerungsheuristik (+ Gefühlsheuristik). Kritik an den Urteilsheuristiken: keine kohärente Theorie + spezifische Kritik an einzelnen Experimenten (insbes. zur Repräsentativitätsheuristik) 8 A, Die Verfügbarkeitsheuristik Die Leichtigkeit des Abrufs von Informationen beeinflusst die Urteilsbildung! Die Verfügbarkeitsheuristik wird v.a. bei Häufigkeitsund Wahrscheinlichkeitseinschätzungen und bei sozialer Urteilsbildung herangezogen. Häufigkeits- und Wahrscheinlichkeitseinschätzungen: EXPERIMENT: Der Buchstabe „k“ Die Vpn sollen einschätzen, ob es im Englischen mehr Wörter mit „k“ als ersten oder mit „k“ als dritten Buchstaben gibt. Da Wörter mit „k“ als ersten Buchstaben leichter abgerufen werden können, entscheiden sich die meisten Vpn für ersteres, obwohl es in Wirklichkeit genau umgekehrt ist! Leichtigkeit des Abrufs entspricht nicht immer der Häufigkeit der Darbietung (siehe auch unten) => die Folge sind Fehlurteile! Soziale Urteilsbildung (z.B. Ursachenzuschreibung): EXPERIMENT (Strack & Schwarz, 1991): Selbsteinschätzung Die Vpn sollen sich entweder an 6 oder 12 selbstsichere Verhaltensweisen erinnern und danach ihre generelle Selbstsicherheit einschätzen. Die Vpn, die sich nur an 6 Episoden erinnern sollten, schätzen sich als selbstsicherer ein, da es einfacher ist, sich an 6 Episoden zu erinnern als an 12! EXPERIMENT: Risikoeinschätzung Berufe wie Feuerwehrmann usw. werden zu Unrecht als besonders riskant eingestuft (die meisten Unfälle passieren im Haushalt!) Verfügbarkeit und Urteilsbildung werden hier durch die Medien beeinflusst! B, Die Repräsentativitätsheuristik Die Ähnlichkeit des zu beurteilenden Gegenstandes bzw. Sachverhaltes zu einem typischen Fall beeinflusst die Urteilsbildung Die Basisrate, das heißt die Grundwahrscheinlichkeit, wird dabei vernachlässigt! => die Folge sind Fehlurteile! Repräsentativität der Stichprobe für die Grundgesamtheit Die Lottozahlen 1,2,3,4,5,6 werden zu Unrecht als unwahrscheinlicher eingestuft als 12,2,20,43,5,1; da letztere Abfolge repräsentativer zu sein scheint (Kahneman und Tversky). Repräsentativität der Handlung für den Handelnden Fundamentaler Attributionsfehler (s.o.) C, Die Verankerungsheuristik Der Ausgangswert einer kognitiven Operation beeinflusst das Ergebnis; Man geht von einem Ankerwert aus: Von diesem Ankerwert aus wird im Nachhinein unzureichend adjustiziert. Der Ausgangwert erhöht die Verfügbarkeit konsistenter Informationen. EXPERIMENT (Kahneman und Tversky): Das Ergebnis von Multiplikationsaufgaben, die mit hohen Zahlen beginnen, werden generell höher eingeschätzt (8 7 6 5 4 3 2 1 vs. 1 2 3 4 5 6 7 8) EXPERIMENT (Mussweiler und Englich): In einem konstruierten Vergewaltigungsfall passten Richter ihr Urteil unbewusst an die Forderung der Staatsanwaltschaft an. Die Verankerungsheuristik ist im Grunde eine Übertragung des Primacy-Effekts! 9 D, Gefühlsheuristik „Feeling as Information“ (siehe Allgemeine Psychologie II) EXPERIMENT (Schwarz und Clore): Das Wetter-Experiment In Telefoninterviews werden VPn nach ihrer allgemeinen Lebenszufriedenheit gefragt. Dabei wird ihre Aufmerksamkeit vorher entweder auf das Wetter gelenkt oder nicht. Nur wenn die VPn vorher nicht auf das Wetter aufmerksam gemacht wurden, lassen sie sich von ihm in ihrem Urteil beeinflussen. Bei schlechtem Wetter wird dann eine niedrigere -, bei schönem Wetter eine höhere Lebenszufriedenheit berichtet. 3.2. „Theory of automatic believing“ (Gilbert, 1991) Gilbert geht von zwei Prozessen der Informationsverarbeitung aus. Er unterscheidet zwischen „automatic processing“ und „controlled processing“. 1. Automatische Verarbeitung: Zunächst werden die eingehenden Informationen „geglaubt“ – und zwar automatisch; ohne, dass wir etwas dagegen tun können. 2. Kontrollierte Verarbeitung: Erst in einem zweiten Schritt werden die Informationen hinsichtlich ihres Wahrheitsgehaltes überprüft und evtl. im Nachhinein abgelehnt. Der zweite Schritt erfordert Zeit und Aufwand und kann daher nicht immer gleichermaßen durchgeführt werden (z.B. bei Müdigkeit, Ablenkung,…) 3.3. Begriffe „Counterfactual thinking“: „Wenn ich bloß 3 Minuten früher gegangen wäre, dann…“ Je knapper man ein Ziel verfehlt hat oder einem Unglück entronnen ist, desto ausgeprägter die Tendenz zu „Counterfactual thinking“, das seinerseits Einfluss auf die emotionale Reaktion hat („knapp daneben ist erst richtig vorbei!“). „Overconfidence barrier“: Die Tendenz des Menschen, zu sehr von den eigenen Urteilen überzeugt zu sein. 10 4. Soziale Wahrnehmung, Eindrucksbildung und Attribution 4.0. Allgemeines Soziale Wahrnehmung: Wie bilden wir uns einen Eindruck von anderen und wie ziehen wir Rückschlüsse aus ihrem und unserem Verhalten? Bei der Einschätzung anderer spielen folgende Faktoren und Prozesse eine Rolle: 1. Nonverbales Verhalten: Wie verhält sich der bzw. die andere? 2. Implizite Persönlichkeitstheorien: Was für ein Typ ist der bzw. die andere? 3. Attributionsprozesse: Warum verhält sich der bzw. die andere so? Warum verhalte ich mich so? 4.1. Nonverbales Verhalten Nonverbale Kommunikation findet u.a. über den Gesichtsausdruck, Gesten, Berührungen, die Körperhaltung und den Tonfall statt. Der Gesichtsausdruck: ist der wichtigste Kanal nonverbaler Kommunikation: EKMAN & FRIESEN unterscheiden zwischen 6 Basisemotionen, die in allen Kulturen gleich ausgedrückt und dementsprechend von allen Menschen verstanden werden: Ärger, Angst, Ekel, Freude, Überraschung und Trauer Hansen und Hansen konnten in einem Experiment zeigen, dass der Ausdruck von Ärger am schnellsten erkannt wird (da überlebenswichtig). Der Ausdruck der Basisemotionen scheint also evolutionär bedingt zu sein! Nichtsdestotrotz ist die Dekodierung der Basisemotionen nicht immer einfach: „Affect Blends“: Mischungen verschiedener Emotionen, die sich auch im Gesichtsausdruck niederschlagen (Die Gesichtsausdrücke für Ärger und Ekel treten z.B. häufig „gepaart“ auf). Unterdrückung emotionaler Reaktionen „Display Rules“ (Regeln der Darbietung): gesellschaftliche Normen, die bestimmen, in welcher Weise Emotionen in der Öffentlichkeit ausgedrückt werden (dürfen). Gesten: Embleme (wie z.B. Kopfnicken, der erhobene Zeigefinger,…) sind im Gegensatz zur Mimik stärker kulturabhängig (es gibt z.T. erhebliche Unterschiede)! „Social Role Theory“ (EAGLY): In den meisten Gesellschaften nehmen Männer und Frauen verschiedene soziale Rollen ein; Geschlechtsspezifische Rollenerwartungen und -fähigkeiten führen zu unterschiedlichem Verhalten der beiden Geschlechter! Frauen sind besser im En- und Dekodieren nonverbalen Verhaltens, fallen aber eher auf Lügen, sprich vorgetäuschte Gesichtsausdrücke, herein, da sie versuchen, höflich zu sein. => Dieser Effekt findet sich v.a. in Kulturen, in denen Frauen unterdrückt werden! 11 4.2. Implizite Persönlichkeitstheorien Implizite Persönlichkeitstheorien sind Schemata, die verschiedene Persönlichkeitseigenschaften miteinander verknüpfen. Von einer Eigenschaft wird auf andere Eigenschaften geschlossen („Wer hübsch ist, ist auch nett!“). EXPERIMENT (Hoffmann et al., 1986): In verschiedenen Kulturen gibt es verschiedene implizite Persönlichkeitstheorien; im Westen z.B.: KünstlerSchema; im Osten (China): Shi gú - Schema UV1: Sprache der Geschichte (chinesisch vs. englisch) UV2: Herkunft der Versuchsperson (China vs. Amerika) AV: Anzahl schemakonsistenter Eigenschaften, die von den Vpn generiert werden, obwohl sie in der Geschichte selbst nicht vorkommen Ergebnis: In Abhängigkeit von der Sprache werden der Figur in der Geschichte v.a. die Eigenschaften zugeschrieben, die typisch für das in der jeweiligen Kultur verwendete Schema sind! Sprache beeinflusst unsere Schemata und damit unsere Art, zu denken! 4.3. Attributionsprozesse Attributionstheorien beschäftigen sich damit, wie wir auf die Ursachen von Ereignissen schließen. Wie erklären wir unser eigenes Verhalten und das Verhalten anderer?! Der Mensch als „rationales Wesen“ (dem es um die Erkenntnis von Wahrheit geht) oder sogar als „intuitiver Wissenschaftler“ (der nach Ursachen sucht) Die Ursachen eines bestimmten Verhaltens können entweder innerhalb oder außerhalb der Persönlichkeit liegen. FRITZ HEIDER (1958) unterscheidet deshalb zwischen internaler- und externaler Attribution. Dabei hat der Mensch eine automatische Tendenz zur internalen Attribution („correspondence bias“ bzw. fundamentaler Attributionsfehler), da stabile und überdauernde Ursachen generell bevorzugt werden und externale Faktoren oft nur schwer zu überblicken sind. Die Art, wie wir attribuieren, hat Einfluss auf unsere Einstellung zu der betroffenen Person, genauso wie unsere Einstellung zur Person Einfluss auf unsere Art zu attribuieren hat. Positive Beziehung: positives Verhalten wird internal attribuiert, negatives Verhalten external Bei einer negativen Beziehung ist es umgekehrt! 4.3.1. Das Kovariationsmodell (Kelley) KELLEY unterscheidet anders als Heider zwischen drei Attributionstypen: 1. Internale Attribution (Person A) Das Verhalten liegt im Charakter der handelnden Person begründet 2. Externale Attribution (Stimulus bzw. Person B) Das Verhalten der Person A liegt im Charakter der Person B begründet 3. Situationale Attribution (Situation) Das Verhalten liegt in der Situation begründet Auf welche dieser drei Arten attribuiert wird, hängt von folgenden Informationen ab: 1. Konsensinformation: Reagieren andere in dieser Situation in gleicher Weise? 2. Distinktheitsinformation: Reagiert die Person auf diesen Stimulus bei anderen Gelegenheiten in gleicher Weise? 3. Konzistenz: Reagiert die Person auf andere Stimuli in gleicher Weise? 12 Niedriger Konsens + niedrige Distinktheit + hohe Konsistenz = internale Attribution = Wenn Person B normalerweise nicht geschlagen wird, nur von A (niedriger Konsens) Wenn es zudem öfter vorkommt, dass Person A andere schlägt (niedrige Distinktheit) Und Person A dementsprechend auch Person B häufig schlägt (hohe Konsistenz) …ist Person A offenbar ein aggressiver Mensch (internale Attribution) Hoher Konsens + hohe Distinktheit + hohe Konsistenz = externale Attribution = Wenn Person B auch von anderen oft geschlagen wird (hoher Konsens) Wenn es normalerweise selten ist, dass Person A jemanden schlägt (hohe Distinktheit) Person A Person B aber häufiger schlägt (hohe Konsistenz) …scheint Person B Aggressionen auszulösen (externale Attribution) Bei niedriger Konsistenz = situationale Attribution Wenn es selten ist, dass Person A Person B schlägt (niedrige Konsistenz) = …muss es sich um eine Ausnahme handeln, die durch die Situation bedingt ist Kritik an Kelleys Kovariationsmodell: Es gibt Unterschiede bei der Gewichtung der verschiedenen Informationen (siehe z.B.: Einfluss der sozialen Rolle; Akteur/Beobachter-Unterschied) Oft fehlen Informationen, so dass nicht alle drei Dimensionen in den Attributionsprozess eingehen können. Menschen handeln nicht immer so rational, wie das Kovariationsmodell glauben macht (siehe z.B.: fundamentaler Attributionsfehler, Heuristiken,…). 4.3.2. „Correspondent Inference Theory“ (Jones und Davis) Aus dem Verhalten anderer werden Rückschlüsse gezogen. Dieser Attributionsvorgang erfolgt in zwei Schritten: In einem ersten Schritt wird auf die Intention geschlossen (Konnte/Wollte/Wusste die betreffende Person, was sie tat?!). In einem zweiten Schritt werden der Person Dispositionen zugesprochen. Bei der Zuschreibung von bzw. bei der Attribution auf bestimmte Dispositionen spielen folgende Determinanten eine Rolle: Anzahl der distinktiven Merkmale einer Handlung („noncommon effects“) Je weniger distinktive Merkmale, desto eindeutiger die dispositionale Attribution. * Wenn jemand ein Auto kauft, dass sich nur in einem Merkmal von den anderen unterscheidet (z.B. hinsichtlich seiner Umweltverträglichkeit), lässt das Rückschlüsse auf den Charakter des Käufers zu. Die wahrgenommene soziale Erwünschtheit einer Handlung Dispositionale Attributionen sind v.a. bei normabweichendem Verhalten (niedrige soziale Erwünschtheit) möglich (s.u.: Fidel Castro-Experiment), sofern die Entscheidungsfreiheit des Handelnden gegeben ist. * Wenn jemand bei grün über die Straße geht, sagt das nichts über die Person aus; wenn jemand dagegen bei rot über die Straße geht, könnte man daraus z.B. auf Verantwortungslosigkeit schließen. 4.3.3. Das 2-Stufen-Modell der Attribution (Gilbert) Attributionsprozesse laufen in 2 Schritten ab: 1. Zunächst wird automatisch internal attribuiert 2. Nur bei kognitiver Kapazität und Motivation wird in einem 2. Schritt auch die Situation berücksichtigt. Daraus ergibt sich folgende Erklärung für den fundamentalen Attributionsfehler: Verankerungsheuristik: Die internale Attribution dient als Anker; bei der Berücksichtigung der Situation wird von diesem Ankerwert aus nicht genügend adjustiziert! 13 4.3.4. Der Fundamentale Attributionsfehler („Correspondence Bias“) „Correspondence Bias“: Die Tendenz zu internaler Attribution; sprich: das Verhalten einer Person auf deren Persönlichkeit zurückzuführen! => Fundamentaler Attributionsfehler: Vernachlässigung situativer Faktoren EXPERIMENT (Jones & Harris, 1967): Der Fidel-Castro-Essay Die Vpn bekommen Essays über Fidel Castro zu lesen und müssen ausgehend davon die Einstellung des Verfassers einschätzen (Person). Dabei wird einem Teil der Vpn gesagt, die Autoren hätten die von ihnen vertretene Position frei gewählt (Pro- vs. Anti- Castro), einem anderen Teil wird gesagt, die Richtung die Essays sei den Verfassern vorgegeben gewesen (Situation). Auch wenn den Vpn gesagt wurde, die in dem Essay vertretene Position sei dem Verfasser vorgegeben gewesen, schlossen sie aus der Richtung des Essays auf die Einstellung des Autors! Fundamentaler Attributionsfehler: Externale Faktoren werden vernachlässigt! Essays gegen Castro (sozial erwünscht) wurden von den Vpn generell als weniger aussagekräftig gewertet (s.o.). Der fundamentale Attributionsfehler kann durch perzeptuelle Salienz erklärt werden: Die Informationen, die im Fokus unserer Aufmerksamkeit stehen, erscheinen uns automatisch am wichtigsten. EXPERIMENT (Taylor & Fiske, 1975): Die Sitzgruppe Zwei Verbündete des Versuchsleiser führten ein genau vorgegebenes Gespräch. Um die beiden herum saßen 6 Vpn, von denen nur zwei die Gesichter beider Gesprächsteilnehmer sehen konnten. Die übrigen 4 Vpn saßen jeweils zu zweit hinter einem der beiden Gesprächspartner und sahen dementsprechend nur das Gesicht dessen, der ihnen gegenüber saß. Die Vpn stuften immer den Gesprächsteilnehmer als wichtiger ein, dessen Gesicht sie während der Diskussion beobachten konnten. Lediglich die beiden Vpn, die seitlich der Gesprächsteilnehmer saßen, schätzten die Rolle der beiden in etwa gleich ein. Der Akteur/Beobachter-Unterschied: Das Verhalten anderer wird eher internal, das eigene Verhalten eher external attribuiert. Perzeptuelle Salienz: Wenn es um andere geht, ist die Person salienter, wenn es um uns selbst geht, die Situation. Verfügbarkeit von Information: Bei anderen wissen wir oft wenig über die Situation (ungewisse Vorgeschichte…), bei uns selbst kennen wir dagegen Vorgeschichte und Situation! EXPERMENT (Ross et al., 1977): Einfluss der sozialen Rolle Die Vpn werden zufällig einer Rolle zugeordnet (Fragesteller und Befragter); ersterer denkt sich Wissensfragen aus, letzterer versucht sie zu beantworten. Am Ende beurteilen beide, Frager und Befragter, die eigene Allgemeinbildung und die des jeweils anderen. Bei den Beobachtern und den Befragten tritt der fundamentale Attributionsfehler auf: sie schätzen den, der die Fragen gestellt hat, als gebildeter ein, obwohl dieser sich die Fragen selbst ausgedacht hat (Situation). Der Frager selbst schätzt sich realistischer ein (er hat mehr Distinktheitsinformationen, da er sich auch in anderen Situationen kennt) 14 Selbstwertdienliche Attribution: Erfolg wird internal, Misserfolg external attribuiert! Defensive Attribution: Attributionen, durch die unangenehme Gefühle vermieden werden (wie z.B. der Gedanke an die eigene Sterblichkeit und Unzulänglichkeit) Unrealistischer Optimismus: Wir tendieren dazu, zu glauben, uns selbst widerführen gute Dinge eher als anderen, während schlechte Dinge eher anderen passieren als uns selbst. Deswegen haben wir z.B. keine allzu große Angst bei Extremsport: „Uns passiert schon nichts!“ Glaube an eine gerechte Welt: „Blaming the victims“ Z.B. wird Vergewaltigungsopfern oft eine Teilschuld nachgesagt; auf diese Weise wird der Glaube an eine gerechte Welt aufrechterhalten! Spotlight Effekt: Wir überschätzen die Attributionen, die andere über unser Verhalten anstellen; kurz: die anderen achten viel weniger auf uns, als wir glauben. 4.3.5. Kulturelle Unterschiede Westen: individualistische Kultur Osten: kollektivistische Kultur Der fundamentale Attributionsfehler: findet sich in beiden Kulturkreisen, ist jedoch im Westen stärker ausgeprägt als im Osten; vermutlich sind Menschen aus dem östlichen Kulturkreis sensitiver für situationale Informationen. Akteur/Beobachter-Unterschied: In allen Kulturen wird das eigene Verhalten eher external erklärt. Selbstwertdienliche Attributionen: finden sich nur im westlichen Kulturraum. Im Osten ist es umgekehrt: Erfolg wird eher auf die Situation-, Misserfolg auf die eigene Persönlichkeit attribuiert (zurückgeführt). Defensives Attribuieren: Je größer die Schere zwischen arm und reich, desto ausgeprägter die Tendenz zu defensiver Attribution! Der Spotlight-Effekt: ist in kollektivistischen Kulturen logischerweise weniger ausgeprägt als in individualistischen! 4.4. Zusammenfassung: Warum unsere Eindrücke u. Urteile oft falsch oder verzerrt sind, ohne dass wir es merken Kognitive Mechanismen: 1. Heuristiken (Verfügbarkeit, Repräsentativität, Verankerung, Gefühl) 2. Primacy-Recency-Effekt 3. Schemata und implizite Persönlichkeitstheorien 4. Erhöhte chronische oder geprimte Verfügbarkeit von Schemata 5. Attributionsfehler (fundamentaler Attributionsfehler; Akteur/BeobachterUnterschied) Motivationale Mechanismen: 1. Selbstwertdienliche Attribution 2. defensive Attribution (unrealistischer Optimismus; Glaube an eine gerechte Welt) Warum diese Mechanismen von uns meist unbemerkt bleiben: 1. Fehlende Information (z.B. über die Situation) 2. Self-fulfilling prophecy 3. Perseveranzeffekt (keine Korrektur bei schemainkonsistenter Information) 4. Bestätigung durch andere Beobachter, die denselben Verzerrungen unterliegen 5. Overconfidence Barrier 15 5. „Self Knowledge“ 5.1. Das „Selbst“ Es ist ein Grundmotiv des Menschen, sich selbst zu erkennen, d.h. sich realistisch einzuschätzen. Zu unterscheiden sind Selbstkonzept und Selbst-Aufmerksamkeit. Ersteres verhält sich zu letzterem wie ein Buch zum Leser. Das Selbstkonzept ist der Inhalt unseres Selbst, d.h. unser Wissen darüber, wer wir sind. Die Selbst-Aufmerksamkeit bezeichnet die Fähigkeit, über sich selbst nachzudenken; sie ist damit unbedingte Voraussetzung für ein Selbstkonzept. Wie bekommen wir Informationen über uns selbst? durch Introspektion (Selbstaufmerksamkeitstheorie) durch Beobachtung unseres Verhaltens (Selbstwahrnehmungstheorie) durch Selbstschemata durch soziale Interaktion Funktionen des Selbst: Organisation des selbstbezogenen Wissens (Self-Reference Effect) Emotionsauslösung (Higgins’ Selbstdiskrepanztheorie) Verhaltenskontrolle (Self-regulatory resource model) Der Self-Reference Effect: Menschen tendieren dazu, sich Informationen besser zu merken, wenn sie in Beziehung zu ihnen selbst stehen. Die Selbstdiskrepanztheorie (HIGGINS): Higgins unterscheidet zwischen drei Selbstschemata: dem „ought-self“, dem „actual self“ und dem „ideal self”; Diskrepanzen zwischen dem tatsächlichen Selbst und einem der beiden anderen Schemata führen laut Higgins zu negativen Emotionen. „Actual self“ „Ought self“: Emotionen wie Angst, Besorgnis, Scham,… „Actual self“ „Ideal self“: Emotionen wie Niedergeschlagenheit, Trauer,… Das Self-regulatory resource model: So ähnlich wie ein Muskel verbraucht Selbstkontrolle Energie. Daher ist man in der zweiten von zwei aufeinander folgenden Aufgaben, die Selbstkontrolle erfordern, meistens schlechter als in der ersten. Allerdings ist Selbstkontrolle – auch hier greift die Muskelmetapher – trainierbar! 5.2. Kultur- und geschlechtsbedingte Unterschiede Kulturabhängigkeit des Selbstkonzepts: Im westlichen Kulturkreis: unabhängiges Selbstkonzept (die eigenen Gedanken, Gefühle und Handlungen bestimmen das Selbstbild) Im östlichen Kulturkreis: interdependentes Selbstkonzept (die Beziehungen zu anderen Menschen und sozialen Gruppen bestimmen das Selbstbild) Geschlechtsunterschiede: Bei Männern: kollektive Interdependenz (definieren ihr Selbstbild eher über ihre Mitgliedschaft in größeren Gruppen, z.B. über ihre Nationalität) Bei Frauen: relationale Interdependenz (definieren ihr Selbstbild eher über enge, ausgesuchte Beziehungen, z.B. zu ihrer Familie) 16 5.3. Introspektion Introspektion = Erforschen der eigenen Gedanken, Gefühle und Motive Selbstaufmerksamkeitstheorie (Carver & Scheier): Eine Erhöhung der Selbstaufmerksamkeit (z.B. durch einen Spiegel) führt dazu, dass man das eigene Verhalten mit seinen inneren Werten und Standards vergleicht. Stößt man dabei auf Diskrepanzen, gibt es 2 Möglichkeiten: Entweder man verändert sein Verhalten oder man verringert die Selbstaufmerksamkeit (durch Alkohol, Ablenkung usw.). Unser Innenleben ist uns meist nur bedingt zugänglich. Insofern kommt es bei der Introspektion häufig zu Verzerrungen: „Telling more than we can know“: Wir erklären unsere Gefühle und Gedanken häufig mit vorgegebenen Theorien. Solche kausalen Theorien sind meistens kulturell bedingt (z.B. Volksweisheiten); sie klingen zwar plausibel, sind aber keineswegs immer zutreffend. EXPERIMENT (Nisbett & Wilson, 1977): Das Kettensägen-Experiment Vpn schauen einen Dokumentarfilm. Ein Teil von ihnen wird dabei vorübergehend durch den Lärm einer Kettensäge gestört. Im Nachhinein sollen alle Vpn den Film bewerten; die Experimentalgruppe wird zudem gefragt, wie sehr der Lärm ihr Urteil beeinflusst habe. Die Vpn, die gestört wurden, bewerten den Film keineswegs schlechter als die Vpn in der Kontrollgruppe; trotzdem geben sie an, dass sie den Film ohne Störung besser bewertet hätten. => Sie vertrauen zu Unrecht der kausalen Theorie, dass Lärm störend sei. „Reasons-Generated Attitude Change“: Da uns die wahren Gründe für unsere Einstellungen nicht immer einfallen, v.a. wenn sie komplex sind, können sie durch plausible und leicht zu verbalisierende Gründe verdrängt werden. Auf diese Weise kann es bei der Analyse der eigenen Beweggründe zu einer vorübergehenden Einstellungsänderung kommen. – Schließlich sind die verfügbarsten Gründe nicht immer die richtigen (insofern sind auch Listen mit Pros und Cons nicht immer sinnvoll, da uns die entscheidenden Pros bzw. Cons evtl. gar nicht einfallen)! * Zu erklären, warum man jemanden liebt, ist schwierig; das Nervige am anderen ist oft leichter zu benennen als das Faszinierende. Wenn man drüber nachdenkt, kann man kurzfristig versucht sein, an der eigenen Liebe zu zweifeln (schließlich scheint es ja keine Gründe zu geben!) 5.4. Beobachtung des eigenen Verhaltens Selbstwahrnehmungstheorie (Bem, 1967): Wenn keine externalen Ursachen für unser Verhalten vorliegen (z.B. Zwang) und unsere Einstellungen und Gefühle ambivalent bzw. noch unklar sind, erschließen wir diese aus unserem eigenen Verhalten. Vgl. Attributionstheorien: So wie wir aus dem Verhalten anderer auf deren Einstellung schließen, schließen wir aus unserem eigenen Verhalten auf unsere Einstellung – sofern keine externen, situationalen Ursachen vorliegen! Bem’s Selbstwahrnehmungstheorie (1967) ist nicht zuletzt eine Alternativerklärung zur kognitiven Dissonanz Festingers (1957): Sie kommt mit weniger Annahmen aus und vermag trotzdem dieselben Phänomene zu erklären (s.u.)! 17 Overjustification Effect: Vorbemerkung: Es gibt eine intrinsische Motivation, die auf persönlichem Interesse beruht, und eine extrinsische Motivation, die auf Belohnung bzw. Bestrafung beruht. Der Overjustification Effect besagt, dass externale Gründe (z.B. Belohnung) die intrinsische Motivation verdrängen können. EXPERIMENT (Greene et al., 1976): Das „Mathespiel“ Nach einer Belohnungsphase spielen die Kinder ein Mathespiel weniger häufig als vor der Belohnungsphase! Das ursprüngliche Interesse an dem Mathespiel (intrinsische Motivation) geht verloren, wenn das Spielen vorübergehend belohnt wird. Vermeidung des Overjustification Effects: Leistungskontingente Belohnung statt aufgabenkontingenter Belohnung (Nicht das Mathespiel an sich, sondern lediglich gute Leistungen darin sollten belohnt werden) => Aber Vorsicht: Bewertungsangst muss vermieden werden, da sie Motivation raubt! Betonung der intrinsischen Motivation Zwei-Faktoren-Theorie der Emotionen (Schachter u. Singer): Der unspezifische Erregungszustand gibt lediglich an, dass ein emotionaler Zustand vorliegt – und wie stark dieser ist. Um welche Emotion es sich konkret handelt, wird aus der jeweiligen Situation geschlossen, in der die Erregung auftritt. Das Arousal (die Erregung) bestimmt also die Intensität-, die Situation die Qualität der Emotion! Schema: Unspezifisches Arousal => Bedürfnis dieses Arousal zu erklären => Attribution des Arousals auf eine emotionale Ursache (abhängig von der jeweiligen Situation) => Emotion EXPERIMENT (Schachter u. Singer, 1962): UV – Manipulationen: 1) Erregung: Injektion von Adrenalin vs. Placebo Coverstory: Angeblich soll der Einfluss eines „Vitamins“ auf die Sehleistung überprüft werden. 2) Erklärungsbedürfnis: Vpn werden über die Nebenwirkung des „Vitamins“ entweder richtig informiert, falsch informiert oder gar nicht informiert. 3) Kognitive Attribution: angenehmes vs. unangenehmes Umfeld (eine angebliche andere Vp („Verbündeter“ des Vl) verhält sich entweder euphorisch oder verärgert). AV: Emotionales Empfinden der Vp (Selbsteinschätzung und Verhalten) Hypothesen: Die nicht bzw. falsch informierten Vpn sollten die durch das Adrenalin ausgelöste Erregung je nach Situation anders deuten. Entsprechend dem Verhalten der anderen „Vp“ sollten sie entweder ärgerlich oder euphorisch werden. In der Placebogruppe und bei den informierten VPn sollte dieser Effekt nicht auftreten. Ergebnisse: Die Ergebnisse scheinen das Modell von Schachter und Singer zu bestätigen. 18 Da Arousal und Situation oft mehrdeutig sind, kann es zu Fehlinterpretationen kommen (Fehlattribution des Aurousals). EXPERIMENT: Ist die Frau hübsch oder die Brücke gefährlich?! Männer finden eine Frau attraktiver, wenn sie auf einer Hängebrücke von ihr interviewt werden, als wenn sie in einer entspannten Situation von ihr interviewt werden. Kognitive Appraisaltheorien: Emotionen resultieren aus unserer Interpretation bzw. unserer Bewertung von Ereignissen – die physiologische Erregung (Arousal) ist zweitrangig! 5.5. Soziale Interaktion Soziale Interaktion ist ein entscheidender Faktor für die Entwicklung des Selbstkonzeptes. Affen, die isoliert aufwachsen, erkennen sich (Farbklecks) erst viel später im Spiegel - manchmal gar nicht! Theorie der sozialen Vergleiche (Leon Festinger): Durch den Vergleich mit anderen erhalten wir Informationen über unsere eigenen Fähigkeiten und Einstellungen (v.a. wenn objektiven Kriterien zur Verfügung stehen). Mit wem wir uns vergleichen (die Art der sozialen Interaktion), hängt von unserer Motivation ab: Wollen wir ein genaues Bild der eigenen Leistung – vergleichen wir uns mit ähnlichen Personen Geht es uns um die Verbesserung der eigenen Leistung – orientieren wir uns an Besseren (upward social comparison) Wollen wir unser Selbstwertgefühl erhöhen – vergleichen wir uns mit Schlechteren (downward social comparison) Geht es uns darum, vor anderen eine gute Figur zu machen (Impression Management) – schleimen wir uns ein oder üben uns in „SelfHandicapping“ 19 6. Kognitive Dissonanz und das Bedürfnis, sich zu rechtfertigen 6.1. Die Theorie der kognitiven Dissonanz (Leon Festinger, 1957) Sind Verhalten und Kognition inkonsistent bzw. dissonant, ist das Selbstkonzept (nämlich ein vernünftiger, moralischer und kluger Mensch zu sein) und damit der Selbstwert bedroht. Kognitive Dissonanz wird dementsprechend als unangenehm empfunden! Verhalten (ich rauche) Kognition (rauchen ist ungesund) Möglichkeiten, kognitive Dissonanz zu reduzieren: 1. Änderung des Verhaltens 2. Subtraktion dissonanter Kognitionen („Rauchen ist gar nicht so schädlich“) 3. Addition konsonanter Kognitionen („Rauchen steigert meine Kreativität“) 4. Einstellungsänderung („Gesundheit ist nicht alles im Leben“) Laut Festingers Theorie ist der Mensch ein rationalisierendes Wesen, dem es v.a. um hedonistische Ziele geht: die Bewahrung des Selbstwerts und die Vermeidung von Schmerz (in Form kognitiver Dissonanz). Rationales Verhalten: Gründliches Abwägen der Argumente => Urteil Rationalisierendes Verhalten: Intuitiv gefälltes Urteil => Argumente werden erst im Nachhinein generiert! EXPERIMENT (Jones & Kohler, 1959): Welche Argumente bleiben?! Vpn sollen einen Text über Rassentrennung lesen; danach werden sie gefragt, an welche der im Text enthaltenen Argumente sie sich erinnern. Variiert wird lediglich die Einstellung der Vpn (Neutrale Vpn vs. Befürworter und Gegner der Rassentrennung). Lediglich die neutral eingestellten Vpn gehen rational vor: Sie merken sich die plausibelsten Argumente am besten, unabhängig davon, ob diese für oder gegen Rassentrennung sprechen. Für die übrigen Vpn gilt: Von den Argumenten, die die eigene Position stützen, bleiben die besten -, von den Argumenten, die der eigenen Position widersprechen, bleiben die schlechtesten in Erinnerung. Die guten Argumente für die Gegenposition und die schlechten Argumente für die eigene Position führen zu kognitiver Dissonanz – und werden deshalb „verdrängt“! Kognitive Dissonanz tritt nur dann auf, wenn das Verhalten subjektiv frei gewählt wurde und keine externalen Zwänge oder Belohnungen vorliegen (Letztere werden von der Theorie als konsonante Kognitionen aufgefasst, die als solche das jew. Verhalten hinreichend rechtfertigen)! EXPERIMENT (Festinger u. Carlsmith, 1959): Das „Dissonanzexperiment“ Ablauf: Nachdem die Vpn an einem extrem langweiligen Experiment teilgenommen haben, werden sie gebeten, den folgenden Vpn zu erzählen, das Experiment sei spannend gewesen (Lüge => kognitive Dissonanz). UV: Den einen wird dafür 1$ (unzureichende Rechtfertigung), den anderen werden 20$ (externale Rechtfertigung) angeboten (UV = Höhe der Belohnung). Im Nachhinein werden die Vpn noch einmal gefragt, wie ihnen das Experiment gefallen hat (AV = Einstellung). Dem Behaviorismus zufolge müsste eine höhere Belohnung eher zu einer Einstellungsänderung führen. 20 Nach der Dissonanztheorie ist die hohe Belohnung eine zusätzliche konsonante Kognition; es bedarf insofern keiner Einstellungsänderung mehr, um die kognitive Dissonanz zu reduzieren. Anders bei der Gruppe mit niedriger Belohnung! Tatsächlich behaupten die Vpn, die für ihre Lüge nur eine geringe externale Rechtfertigung haben (1$), hinterher, dass das Experiment gar nicht so langweilig gewesen sei (=Einstellungsänderung); während die anderen ihrer ursprünglichen Meinung treu bleiben. 6.1.1. Folgen kognitiver Dissonanz Postdezisionale Dissonanzreduktion: Hat man einmal eine Entscheidung getroffen, wertet man die Option, für die man sich entschieden hat, nachträglich auf, die Alternativen wertet man dagegen ab. Je wichtiger und irreversibler die Entscheidung, desto stärker der Effekt. EXPERIMENT (Brehm, 1956): Das verschenkte Haushaltsgerät Frauen bekommen diverse Haushaltsgeräte (Toaster usw.) zur Bewertung vorgelegt; im Anschluss daran bekommen sie eines von 2 gleich bewerteten Geräten geschenkt. 20 Minuten, nachdem sich die Frauen sich für eines der beiden Geräte entschieden haben, bewerten sie dieses Produkt signifikant besser als das andere. „Lowballing“: Nachdem sich der Käufer für ein Produkt entschieden - und am Besten den Check schon unterschrieben hat, setzt der Käufer den Preis hoch, indem er behauptet der Ausgangspreis sei ein Irrtum gewesen. Aufgrund der postdezisionalen Dissonanzreduktion ist es unwahrscheinlich, dass der Käufer einen Rückzug macht; er hat seine Entscheidung bereits zu sehr aufgewertet. Die Änderung moralischer Werte: Hat man sich unmoralisch verhalten, tendiert man dazu, die Werte dem Verhalten anzugleichen, um auf diese Weise die kognitive Dissonanz zu reduzieren. EXPERIMENT (Mills, 1958): Mogeln in der Grundschule Nachdem Grundschulkinder in einem Wettbewerb gemogelt haben, bewerten sie Mogeln als weniger schlimm; die Kinder, die nicht gemogelt haben, sind dagegen nach dem Wettbewerb noch stärker dagegen als vorher. Justification of Effort: Je schwieriger es war, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, desto attraktiver wird es im Nachhinein bewertet. EXPERIMENT (Aronson & Mills, 1959): Studenten, für die es schwierig war, in eine Diskussionsgruppe aufgenommen zu werden, halten diese anschließend für besser. Counterattitudinal Advocacy und Internal Justification: Trifft man Aussagen, die der eigenen Einstellung widersprechen (Counterattitudinal Advocacy), tendiert man danach dazu, seine Einstellung / sein Verhalten den gemachten Aussagen anzugleichen (Internal Justification). Anwendung: Einstellung gegenüber Minderheiten / zur Benutzung von Kondomen / usw. können auf diese Weise geändert werden. Insufficient Punishment (Vgl.: Overjustification Effect): Werte etc. werden nur dann internalisiert, wenn sie nicht nur aus externalen Gründen (Angst vor Bestrafung) befolgt werden. Insofern ist eine geringe Bestrafung oft effektiver als eine schwere Bestrafung. Bei geringer Bestrafung kann das eigene Verhalten nicht external erklärt werden; stattdessen bedarf es einer Einstellungsänderung. Man überzeugt sich 21 aufgrund kognitiver Dissonanz selbst von der Richtigkeit des eigenen Handelns (SelfPersuasion). Die dadurch bewirkte Verhaltensänderung ist dauerhaft und nachhaltig. EXPERIMENT (Aronson & Carlsmith, 1963): Das verbotene Spielzeug Kindern wird verboten, mit ihrem Lieblingsspielzeug zu spielen. Den einen wird dabei eine milde, den anderen eine schwere Bestrafung angedroht (UV). Es zeigt sich, dass die Kinder, denen lediglich eine milde Strafe angedroht wurde, das Spielzeug danach weniger attraktiv finden als vorher; die Kinder, denen mit schwerer Bestrafung gedroht wurde, zeigen dagegen keine nachhaltige Einstellungsänderung. Das verbotene Spielzeug wird für einige von ihnen sogar noch attraktiver. Dieser Effekt besteht auch noch mehrere Wochen nach dem Experiment. Ben Franklin Effekt: Wenn man jemandem einen Gefallen tut, mag man diese Person anschließend mehr. Umgekehrt wertet man denjenigen, dem man schadet, im Nachhinein ab (vgl. Drittes Reich: „Untermenschen“). Stichwort: „Rationalisierungsfalle“! 6.4. Verwandte Theorien Die Selbstdiskrepanztheorie (Higgins): s.o. Die Self-Evaluation Maintenance Theory (Tesser): Unser Selbstkonzept kann durch Vergleichspersonen, die besser sind als wir, bedroht werden (Johanna gewinnt Literaturwettbewerb). Wie groß die Bedrohung ist, hängt davon ab, (1) wie relevant die bedrohte Eigenschaft für unser Selbstkonzept ist und (2) wie nahe uns die Vergleichsperson steht. Ist uns die betreffende Vergleichsperson fremd, bedroht sie uns kaum. Steht uns die Vergleichsperson dagegen nahe,… …sonnen wir uns entweder in ihrem Glanz („basking in reflected glory“) – wenn die Person in einem Bereich besser ist, der für unser Selbstkonzept nicht relevant ist. …oder empfinden Dissonanz, wenn die betreffende Person in einem uns wichtigen Bereich besser ist. In diesem Fall gibt es 3 Möglichkeiten, die Dissonanz zu reduzieren: 1) Sich von dem Freund/der Freundin distanzieren 2) Die persönliche Relevanz / das Selbstkonzept als ganzes ändern 3) Besser werden bzw. die Leistung des anderen heruntersetzen EXPERIMENT (Tesser, 1980): Bei Aufgaben, die für das Selbstkonzept relevant sind (da sie angeblich Intelligenz widerspiegeln), helfen die Vpn Fremden eher als Freunden. Ist unser Selbstkonzept bezüglich einer bestimmten Eigenschaft bedroht (z.B. bezüglich unseres schriftstellerischen Könnens), gibt es 2 Möglichkeiten: Self-Affirmation: Man kann sich auf einen anderen Aspekt des Selbstkonzepts konzentrieren und in diesem Bereich nach Bestätigung suchen („kann zwar nicht schreiben, aber dafür gut auswendig lernen“). Self-Completion: Man kann aber auch in dem bedrohten Bereich nach zusätzlicher Bestätigung suchen. 22 In uns gibt es zwei Motive, die einander u.U. widersprechen: das Bedürfnis nach Selbstbestätigung und das Bedürfnis nach Selbstaufwertung! Selbst-Bestätigung: Einerseits haben wir das Bedürfnis, unser Selbstkonzept zu bestätigen, unabhängig davon ob es positiv oder negativ ist. z.B. aus Angst davor, bei anderen ungerechtfertigte Erwartungen zu wecken, die dann nicht erfüllt werden können. Selbst-Aufwertung: Gleichzeitig haben wir das Bedürfnis nach einem positiven Selbstkonzept und einem hohen Selbstwertgefühl. 6.3. Bem (1967) versus Festinger (1957) Mit Bem’s Selbstwahrnehmungstheorie (s.o.) können die oben genannten Befunde genauso gut erklärt werden wie mit Festinger’s Dissonanztheorie. Der Vorteil an Bem’s Theorie ist jedoch, dass sie mit weniger Annahmen auskommt; sie ist „sparsamer“. Der Selbstwahrnehmungstheorie liegt ein völlig anderes Menschenbild zugrunde als der Dissonanztheorie. Insofern stellt sie einen Paradigmenwechsel in der Psychologie dar. Festinger: Der Mensch als rationalisierendes Wesen Bem: Der Mensch als rationales Wesen 23 7. Einstellungen und Einstellungsänderungen 7.1. Einstellungen Einstellungen sind Bewertungen von Personen, Objekten oder Ideen. Als solche setzen sich Einstellungen aus drei Komponenten zusammen: 1) Kognitive Komponente: Das Wissen um den Gegenstand der Einstellung …insofern Einstellungen auf dem rationalen Abwägen von Vor- und Nachteilen basieren 2) Affektive Komponente: Das mit dem Einstellungsgegenstand verbundene Gefühl …insofern Einstellungen auf dem individuellen Wertesystem beruhen oder durch Konditionierung erworben werden. 3) Verhaltenskomponente: …insofern Einstellungen aus dem eigenen Verhalten erschlossen werden (Bem’s Selbstwahrnehmungstheorie) Je nachdem, welche der drei Komponenten im Vordergrund steht, kann man zwischen kognitiv-, affektiv- und verhaltensmäßig begründeten Einstellungen unterscheiden. Es gibt explizite- und implizite Einstellungen. Erstere sind bewusst, letztere unbewusst. Explizite- und implizite Einstellungen können einander sogar widersprechen! Erstere können direkt durch Fragebögen erfasst werden, letztere indirekt durch affektives Priming (gemessen werden die Reaktionszeiten) oder den impliziten Assoziationstest (IAT). Direkte Verfahren: Problem der sozialen Erwünschtheit Affektives Priming: Sind die Valenzen von Prime (z.B. Afroamerikaner) und zu bewertendem Begriff (z.B. Urlaub) inkompatibel, dauert es länger, dem zu bewertenden Begriff die entsprechende Valenz zuzuordnen. Es wird also von der Reaktionszeit auf die Einstellung zum Prime geschlossen. IAT: valenzkompatible bzw. –inkompatible Tastenbelegung Sowohl beim IAT, als auch bei affektiven Priming macht man sich den Stroop-Effekt zu nutzen: Inkompatibilität verlangsamt das Urteil! Die Funktionen von Einstellungen: Einstellungen als Heuristiken, insofern es sich um praktische Zusammenfassungen von Überzeigungen handelt! Einstellungen dienen der Verhaltensvorhersage. Je nach Paradigma kommt die Psychologie zu unterschiedlichen Ansichten darüber, wie es zu Einstellungsänderungen kommt bzw. welche Art persuasiver Kommunikation am effektivsten ist. Behavioristische Lerntheorien: „Yale Attitude Change Approach“ Motivationale Theorien: „Theorie der kognitiven Dissonanz“ Informationsverarbeitungstheorien: „Elaboration Likelihood Model“ 24 7.2. Einstellungsänderungen 7.2.1. Lerntheorien: Der „Yale Attitude Change Approach“ (Hovland) Ein behavioristischer Ansatz: Einstellungsänderung durch „message learning“ Insgesamt handelt es sich beim „Yale Program“ allerdings weniger um eine Theorie als um eine Systematisierung von Einflussfaktoren. Welche Faktoren führen dazu, dass es zu einer Einstellungsänderung kommt? 1. Merkmale des Kommunikators Glaubwürdigkeit, Expertenstatus, Attraktivität, Ähnlichkeit zum Empfänger, persuasive Absicht erkennbar?! 2. Merkmale der Botschaft Verstehbarkeit, Anzahl und Qualität der Argumente, ein- vs. zweiseitige Argumentation (je nachdem), Primacy- vs. Recency Effect,… 3. Merkmale des Empfängers Alter, Aufmerksamkeit, Intelligenz, Selbstbewusstsein (je niedriger, desto leichter beeinflussbar) Sleeper-Effekt: Der Einfluss des Kommunikators bzw. der Quelle nimmt mit der Zeit ab, es sei denn der Empfänger wird an die Quelle der Information erinnert. Erklärung: Das episodische Gedächtnis, in dem die Quelle abgespeichert wird, ist schlechter als das semantische Gedächtnis, in dem die Botschaft abgespeichert wird. Inokulationseffekt: In Analogie zur Impfung stärken schwache Gegenargumente die eigene Einstellung. Kritik: Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Einflussfaktoren bleiben unberücksichtigt! 7.2.2. Konsistenztheorien (=motivationale Theorien) A) Balancetheorie (Heider) Die kognitive Repräsentation sozialer Beziehungen kann in Form von Triaden aufgefasst werden, wobei die 3 Eckpunkte (Person A, Person B, Objekt) positiv oder negativ miteinander verknüpft sein können. Nichtbalancierte Triaden drängen dazu, ausbalanciert zu werden; balanciert ist eine Triade dann, wenn das Produkt der Valenzen positiv ist. B) Dissonanztheorie (Festinger) Siehe oben!! 7.2.3. Attributionstheorien: Selbstwahrnehmungstheorie (Bem) Die Einstellung wird aus dem Verhalten erschlossen (s.o.). Insofern müsste der Theorie nach erst eine Verhaltensänderung initiiert werden, bevor sich die Einstellung ändert! 25 7.2.4. Integrative Ansätze: A) Theorie des geplanten Verhaltens (Fishbein & Ajzen) B)Informationsintegrationstheorie (Anderson) Einzelinformationen werden zu einem Gesamturteil verrechnet („kognitive Algebra“). Ändern sich einzelne Elemente, aus denen sich eine Einstellung zusammensetzt, kann sich je nach deren Gewichtung die Einstellung als solche ändern! Ein schöner Prinz => „schön“ (positiv) + „Prinz“ (positiv) = +2 Kritik: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile! Wechselwirkungen bleiben unberücksichtigt: „Lässigkeit“ wird als positiv bewertet, „Chirurg“ auch, aber ein „lässiger Chirurg“?! 7.2.5. Das “Elaboration Likelihood Model” (Petty & Cacioppo, 1985) Der „Yale Attitude Change Approach“ nennt zwar die wesentlichen Einflussfaktoren, macht aber keine Aussagen darüber, unter welchen Bedingungen diese am ehesten zu einer Einstellungsänderung führen. Anders das „Elaboration Likelihood Model“! Petty und Cacioppo zufolge gibt es 2 Möglichkeiten, andere zu überzeugen: über die zentrale Route und über die periphere Route. Die zentrale Route: Wenn man konzentriert und motiviert ist (=>genaue Informationsverarbeitung), lässt man sich am ehesten durch gute Argumente überzeugen. Die periphere Route: Ist man dagegen abgelenkt und unmotiviert (=>oberflächliche Informationsverarbeitung), lässt man sich v.a. von peripheren Dingen, wie den Eigenschaften des Kommunikators usw., beeinflussen. Die über die periphere Route erzielten Einstellungsänderungen sind lediglich temporär und wenig stabil, die über die zentrale Route bewirkten Einstellungsänderungen sind dagegen nachhaltig und andauernd. Welche Route der Verarbeitung eingeschlagen wird, hängt von motivationalen und kognitiven Faktoren, aber auch von der Stimmung, ab: Motivationale Faktoren: persönliche Relevanz; Accountability Kognitive Faktoren: kognitive Kapazität bzw. Aufmerksamkeit; Fähigkeit zur Informationsverarbeitung; Charakter („High need for cognition“ = Persönlichkeitsvariable) Gute Stimmung: periphere Route; schlechte Stimmung: zentrale Route EXPERIMENT (Petty & Cacioppo, 1981): Rede über Prüfungsordnung Studenten hören eine Rede, in der es um die Einführung einer neuen Prüfungsordnung geht. Danach werden sie nach ihrer Einstellung zu diesem Thema gefragt. UV 1: Persönliche Relevanz des Themas (hoch vs. niedrig) Einem Teil der Studenten wird gesagt, dass ihre Universität ernsthaft über die Einführung der Prüfungsordnung nachdenkt; für sie ist die Relevanz des Themas dementsprechend hoch, für die anderen nicht. UV 2: Expertise des Sprechers (Professor vs. Student) UV 3: Qualität der Argumente AV: Zustimmung zu Rede Bei hoher Relevanz ist die Qualität der Argumente ausschlaggebend (zentrale Route), bei geringer Relevanz die Expertise des Sprechers (periphere Route)! 26 7.2.6. Heuristic-Systematic Persuasion Model (Chaiken) Dieselbe Grundannahme wie beim Elaboration Likelihood Model: Es gibt 2 Arten der Informationsverarbeitung bei persuasiver Kommunikation. 1) Systematische Verarbeitung (=zentrale Route) 2) Heuristische Verarbeitung (=periphere Route) Das einzig neue ist, dass die Gefühlsheuristik („Feeling as information“) als eine Form der peripheren Verarbeitung explizit mit aufgenommen wird. Bei der Gefühlsheuristik besteht die Gefahr, die eigene Stimmung falsch zu attribuieren. Haben wir z.B. im Supermarkt ein gutes Gefühl wegen der Produkte oder wegen der schönen Hintergrundmusik?! Gute Stimmung signalisiert uns, dass die Sache läuft und nichts geändert werden muss. Schlechte Stimmung dagegen fungiert als Warnsignal: Vorsicht, aufgepasst! 7.2.7. Wann funktioniert Persuasion nicht? Inokulation (s.o.): Je intensiver man sich mit einem Thema beschäftigt hat, desto stabiler ist die Einstellung dazu. Schließlich kennt man dann bereits viele der Gegenargumente – und ist sozusagen gegen sie geimpft! Reaktanz: Wenn der Persuasionsversuch zu vehement ist oder die persuasive Absicht erkannt wird, fühlt sich das Gegenüber in seiner Freiheit eingeschränkt und reagiert mit Trotz. Angst erzeugende Kommunikation (z.B. bei Anti-Raucher-Kampagnien) ist nur dann effektiv, wenn nicht zu viel und nicht zu wenig Angst erzeugt wird. zu wenig Angst: keine Beachtung der Botschaft zu viel Angst: Verdrängung der Botschaft 7.3. Einstellung und Verhalten 7.3.1. Die Theorie des geplanten Verhaltens (Fishbein & Ajzen, 1980) Spontanes Verhalten: wird am besten durch die Verfügbarkeit von Einstellungen vorhergesagt (s.o.). Überlegtes bzw. geplantes Verhalten: wird dagegen am besten durch die Verhaltensabsicht vorhergesagt. Verhaltensabsicht ========> Verhalten Die Verhaltensabsicht wird ihrerseits von folgenden Faktoren bestimmt: 1) Einstellung zum (konkreten) Verhalten Je spezifischer die Einstellung / Je konkreter das Verhalten, um das es geht, desto genauer die Vorhersage. Was halte ich von Kondomen? 2) Subjektive Normen bzw. normative Überzeugung Wahrgenommener sozialer Druck; soziale Erwünschtheit der betreffenden Verhaltensweise Was hält mein soziales Umfeld von Kondomen? 3) Wahrgenommene Kompetenz Der Glaube, das betreffende Verhalten auch durchführen zu können. Halte ich es auch durch, die Kondome zu benutzen? 27 7.4. Persuasion in der Werbung Werbung sollte so gestaltet sein, dass sie kompatibel zur Art der Einstellung ist, die sie ansprechen oder verändern möchte. Nicht umsonst wir für Markenkleidung (affektive Einstellung) anders geworben als für Versicherungen (kognitive Einstellung). Der Einfluss subliminaler Botschaften konnte bisher nur unter kontrollierten Bedingungen nachgewiesen werden; ihre Wirksamkeit im Alltag ist dagegen äußerst fraglich. EXPERIMENT (Murphy & Zajonc, 1993): Subliminale Wahrnehmung Die subliminale Darbietung von Gesichtern beeinflusst die Beurteilung chinesischer Schriftzeichen. Je nach Prime (fröhliches vs. ärgerliches Gesicht) werden die Schriftzeichen entweder positiv oder weniger positiv bewertet. 28 8. Sozialer Einfluss 8.0. Allgemeines Sozialer Einfluss: Inwiefern ändert sich unser Verhalten durch die tatsächliche oder vorgestellte Anwesenheit anderer? Le Bon (1895) beschäftigt sich als erster mit der „Psychologie der Massen“; dabei sind große Gruppen für ihn die Quelle allen Übels - verantwortlich für Panik, Aufruhr und Hysterie (Stichwort: „Deinidividuierung“)! Norman Triplett (1898) spricht der Gruppe dagegen einen positiven Einfluss auf das Individuum zu: Leistungssteigerung, Interaktion, Kommunikation usw. Heute wird zwischen informationalem und normativem sozialem Einfluss unterschieden. 8.1. Informationaler sozialer Einfluss In mehrdeutigen Situationen benutzen wir andere als Informationsquelle (Realitätstest 2. Art); kurz: wenn wir selbst nicht genau wissen, was zu tun ist, orientieren wir uns am Verhalten der anderen. Motiv ist das Bedürfnis nach genauer Information Informationaler sozialer Einfluss tritt v.a. auf… …in mehrdeutigen Situationen (Realitätstest 1. Art schwierig) …in Krisen und Notfällen (Zeit knapp) …wenn „Experten“ anwesend sind …wenn es wichtig ist, richtig zu handeln Informationaler sozialer Einfluss führt nicht nur zu öffentlichem Einverständnis, sondern zu privater Akzeptanz und ist insofern nachhaltig und andauernd. EXPERIMENT (Muzafer Sherif, 1936): Autokinetischer Effekt Fixiert man im Dunkeln einen Lichtpunkt, macht dieser den Eindruck, sich zu bewegen (autokinetischer Effekt). Wie stark sich der Lichtpunkt bewegt, wird von jedem anders wahrgenommen (mehrdeutige Situation). Die Vpn sollen erst alleine und dann in Dreiergruppen die Stärke der Bewegung einschätzen. Dabei zeigt sich, dass sich die Einzelurteile in der Gruppe mit der Zeit annähern und dass das so generierte Gruppenurteil von den Einzelnen nicht nur öffentlich, sondern auch privat übernommen und akzeptiert wird. Je wichtiger es ist, richtig zu handeln, desto eher orientiert man sich dabei am Verhalten anderer. EXPERIMENT (Baron et al., 1996): Das Augenzeugen-Experiment I Vpn bekommen extrem kurz das Bild eines „Verdächtigen“ gezeigt, den sie dann aus 4 Bildern wieder erkennen sollen (mehrdeutige Situation). Im 7. Durchgang geben 3 Verbündete des Versuchsleiters eine falsche Antwort bevor die Vp ihr Urteil fällt. Variiert wird lediglich die Wichtigkeit der Aufgabe (einfache Voruntersuchung vs. wichtige Untersuchung für die Polizei + 20$ für den Besten) In der wichtigen Bedingung stimmen 51% dem falschen Urteil der anderen zu, in der unwichtigen Bedingung dagegen nur 35%! Veränderung der sozialen Wahrnehmung durch Konformität EXPERIMENT (Buehler & Griffin, 1994): „Police Story“ Vpn bekommen einen Zeitungsartikel zum Lesen, in dem es um eine Verfolgungsjagd geht, bei der ein schwarzer Jugendlicher von der Polizei 29 erschossen wird. Die Situation ist uneindeutig geschildert und die Vpn werden zu bestimmten Aspekten der Geschichte näher befragt. Danach wird ihnen gesagt, dass die Mehrheit die Polizisten für schuldiger hält als den Jugendlichen, woraufhin die Vpn die Situation noch einmal interpretieren sollen. Die Vpn, die sich der Meinung der Mehrheit anschlossen, veränderten dementsprechend ihre Interpretation der Situation. Auch eine Minderheit (sogar ein Einzelner) kann informationalen Einfluss auf die Mehrheit haben! Die Kehrseite des informationalen Einflusses: Verhaltens- bzw. Emotionsansteckung: insbes. Panik breitet sich z.B. äußerst schnell aus, ohne dabei unbedingt gerechtfertigt zu sein (Vgl. Orson Well’s „Krieg der Welten“) Psychogene Massenkrankheiten 8.2. Normativer sozialer Einfluss Auch in eindeutigen Situationen lassen wir uns u.U. vom Verhalten der anderen beeinflussen. Um von einer Gruppe gemocht und akzeptiert zu werden, übernehmen wir deren Normen, selbst wenn dieser unserer eigenen Einschätzung der Situation widersprechen. Motiv ist das Bedürfnis nach sozialer Integration. Normen sind implizite oder explizite Regeln einer Gruppe, deren Verstoß sanktioniert wird (Ausschluss, Entzug von Aufmerksamkeit usw.). Social Impact Theory (Latané): Die Stärke des normativen Einflusses hängt ab… …von der Wichtigkeit der Gruppe (die betreffende Gruppe ist mit wichtig) …von der Unmittelbarkeit der Gruppe (die Gruppe ist zeitlich u. räumlich nah) …von der Größe der Gruppe (max. Einfluss bei 4-5 Personen) Weitere Einflussfaktoren sind… die Kultur (in kollektivistischen Kulturen: höhere Konformität) das Geschlecht (Sind Frauen in öffentlichen Situationen beeinflussbarer?!) die Einstimmigkeit der Gruppe die Wichtigkeit der Aufgabe (Je wichtiger es ist richtig zu handeln, desto geringer der normative Einfluss) Normativer sozialer Einfluss führt lediglich zu öffentlichem Einverständnis, nicht jedoch zu privater Akzeptanz! EXPERIMENT (Ash et al., 1951): Das Linien-Experiment Vpn sollen Linien hinsichtlich ihrer Länge vergleichen; welche der Linien die Längste ist, ist eindeutig. Der Versuch wird in einer Gruppe von 8 Personen durchgeführt, wovon jedoch 7 Leute Verbündete des Versuchsleiters sind und in 12 von 18 Fällen eine offensichtlich falsche Antwort geben. In 33% der Fälle schließen sich die Vpn dem offensichtlich falschen Urteil der Mehrheit an. 76% der Vpn schließen sich mindestens ein Mal dem falschen Urteil der Mehrheit an. Bei anonymer Stimmabgabe, geht dieser Anteil beträchtlich zurück! EXPERIMENT (Baron et al., 1996): Das Augenzeugenexperiment II Selber Ablauf wie oben, mit dem einzigen Unterschied, dass die Vpn den „Verdächtigen“ dieses Mal länger zu sehen bekommen und die Aufgabe dadurch eindeutiger wird (=> normativer, statt informationaler Einfluss). In der wichtigen Bedingung lassen sich weniger Vpn vom Urteil der anderen beeinflussen als in der unwichtigen Bedingung. 30 Ideosynkratische Kredite: Je öfter man sich den Normen der Gruppe unterwirft, desto eher darf man auch mal von ihnen abweichen. Soziale Normen werden nicht zuletzt durch die Medien vermittelt. Medien üben insofern ganz erheblichen normativen und informationalen Einfluss aus. z.B. was das Schönheitsideal von Männern und Frauen betrifft! 8.3. Der Einfluss von Autoritäten Das berühmte Milgram-Experiment (1963): Ablauf: In einem angeblichen „Lernexperiment“ erhalten Vpn die Möglichkeit, andere „Vpn“ (Verbündete des Vl) für falsche Aufgabenlösungen mit Elektroschocks zu bestrafen. Der Vl befiehlt, das Schocklevel sukzessive zu erhöhen (dabei reicht die verbal verankerte Skala von 15 bis 450 Volt!). Die Vpn hören ihr Opfer auf die Schocks reagieren (Schreie usw.); der Vl insistiert jedoch, fortzufahren. Ergebnis: 80% der Vpn fahren mit dem Experiment fort, obwohl ihr Opfer verlangt, das Experiment abzubrechen. 62,5% der Vpn schrecken nicht davor zurück, den höchstmöglichen Schock (450 Volt) zu verabreichen. Variationen des Experiments: 1) Wenn zwei andere Vpn sich weigern, fortzufahren, geben nur noch 10% den maximalen Schock! 2) Auftraggeber kein Experte: Wenn der Vl den Raum verlässt und stattdessen eine andere Vp darauf drängt, fortzufahren, geben nur noch 20% den maximalen Schock. 3) Wenn die Vpn das Schocklevel frei wählen dürfen, geben nur 2,5% den maximalen Schock. Ein natürlicher Aggressionstrieb des Menschen ist demnach nicht die Ursache für die Ergebnisse der Milgram-Studie! Die Interpretation der Milgram-Studie: Die Autoritätshörigkeit ist am größten, wenn… …alle andern auch gehorchen (normativer sozialer Einfluss) …die Autoritätsperson einen Expertenstatus hat (informationaler sozialer Einfluss) …keine Zeit zum Nachdenken ist (mindless conformity) …man in kleinen Schritten immer mehr gehorcht (kognitive Dissonanztheorie: nach jeder Entscheidung kommt es zur Selbstrechtfertigung => Teufelskreislauf) 8.4. Strategien des sozialen Einflusses Zu unterscheiden ist zwischen injunktiven und deskriptiven Normen: Deskriptive Normen: Was die Mehrheit tut Injunktive Normen: Was die Mehrheit denkt Will man andere zu einem bestimmten Verhalten bewegen, ist es wirksamer, injunktive Normen anzusprechen. EXPERIMENT (Cialdini, 1993): Müll im Parkhaus In einem sauberen und vermüllten Parkhaus, begegnen Vpn entweder jemandem, der Müll aufhebt (Aktivierung der injunktiven Norm) – oder jemandem, der etwas auf den Boden wirft (Aktivierung der deskriptiven Norm). Die Kontrollgruppe begegnet niemandem. Nach dieser Begegnung finden die Vpn an ihrem Auto einen Handzettel. AV: Werfen sie ihn auf den Boden – oder entsorgen sie ihn ordnungsgemäß?! Die Kontrollgruppe wirft den Handzettel am ehesten auf den Boden. 31 Die Vpn, bei denen die injunktive Norm aktiviert wurde, entsorgen den Handzettel eher als ihn auf den Boden zu werfen! Will man andere beeinflussen, geht das entweder durch Belohnung und Bestrafung („Box-Strategie“) oder durch die Ausnutzung von Urteilsheuristiken („JudoStrategie“) Die Ausnutzung von Urteilsheuristiken („Judo-Strategie“) in der Werbung – nach Robert Cialdini: 1) Kontrast: Durch das Setzen bzw. den Entzug von Referenzpunkten kann das Urteil beeinflusst werden; eine Strategie, die z.B. bei Preisreduzierungen verwendet wird: Der Kontrast zwischen normalem – und heruntergesetztem Preis bewegt die Leute zum Kauf 2) Reziprozität: Das Prinzip der Gegenseitigkeit ist tief in uns verwurzelt. Wird uns von einem Verkäufer ein „Gefallen“ getan („Probierpackung“, kostenloser Kaffee), glauben wir, ihm eine Gegenleistung schuldig zu sein. 3) Commitment/Konsistenz: Konsistentes Verhalten ist wahrscheinlicher, siehe „Lowballing“ 4) Soziale Bestätigung: Sowohl normativer, als auch informationaler sozialer Einfluss kann von der Werbung ausgenutzt werden (der Experte, der für Zahnpasta wirbt usw.) 5) Sympathie: Wir lassen uns eher von Leuten beeinflussen, die sympathisch sind (Sympathie beruht auf Ähnlichkeit, Attraktivität, Vertrautheit usw.) Evaluative Konditionierung: Die Sponsoren der WM z.B. konditionieren durch die Verknüpfung des eigenen Logos mit der WM eine positive Assoziation! 6) Autorität: Autoritäten üben einen stärkeren Einfluss aus (s.o.) 7) Knappheit: hängt mit dem Prinzip der sozialen Bestätigung zusammen. Ist ein Produkt knapp, heißt das, es ist beliebt => Ich brauch es also auch! Auf einer Tupper-Party werden nahezu alle dieser Strategien angewendet! 32 9. Gruppenprozesse 9.0. Allgemeines Eine Gruppe sind 2 oder mehr Personen, die miteinander interagieren, voneinander abhängig sind und sich gegenseitig beeinflussen, da sie gemeinsame Ziele oder Bedürfnisse haben. Die meisten Gruppen haben max. 6 Mitglieder. Funktionen von Gruppen: Gruppen dienen… …der Information und Orientierung (informationaler sozialer Einfluss) …der Etablierung sozialer Normen (normativer sozialer Einflluss) …der Definition unseres Selbstkonzeptes (Identität durch Identifikation) Soziale Normen: (1) Regeln die für alle Mitglieder einer Gesellschaft gelten / (2) Regeln, die innerhalb einer spezifischen sozialen Gruppe gelten. Soziale Rollen: Erwartungen bezüglich des Verhaltens bestimmter Personen. EXPERIMENT (Zimbardo, 1973): Das Stanford-Prison Experiment Studenten bekamen zufällig die Rolle eines Gefangenen oder eines Aufsehers zugeteilt. Schon nach kurzer Zeit nahmen die Vpn ihre jeweiligen sozialen Rollen voll und ganz an: Die Gefangenen zeigten sich unterwürfig und passiv, die Aufseher zunehmend aggressiv! Die soziale Rolle bestimmte das Verhalten der Vpn demnach stärker als ihre jeweilige Persönlichkeit! Wichtige Gruppenprozesse sind: „Social Facilitation“ (Zajonc) Soziales Faulenzen Deindividuation Prozessverluste vs. Synergieeffekte 9.1. Social Facilitation (Zajonc) Soziale Erleichterung: Wenn andere anwesend sind und die individuelle Leistung beurteilt werden kann, schneidet man bei leichten Aufgaben besser-, bei schwierigen Aufgaben dagegen schlechter ab! EXPERIMENT (Zajonc): Das Kakerlaken-Experiment Kakerlaken werden in ein Labyrinth gesetzt. Als AV wird die Zeit gestoppt, die sie brauchen, um das Ziel zu erreichen. UV 1: Komplexität des Labyrinths (leicht vs. schwer) UV 2: Anwesenheit anderer- vs. keine Anwesenheit anderer Kakerlaken Ergebnis: Bestätigung der sozialen Erleichterung Die Anwesenheit anderer erzeugt Arousal; diese Erregung wiederum erleichtert einfache und geübte Verhaltensweisen, erschwert jedoch schwierige und unbekannte Verhaltensweisen! Wachsamkeit Die Gegenwart anderer Bewertungsangst => Arousal Allgemeine Ablenkung Soziale Erleichterung bei einfachen Aufgaben, soziale Hemmung bei schwierigen Aufgaben! 33 9.2. Soziales Faulenzen Soziales Faulenzen: Wenn andere anwesend sind und dadurch die individuelle Leistung nicht beurteilt werden kann, schneidet man bei leichten Aufgaben schlechter, bei schwierigen Aufgaben dagegen besser ab! EXPERIMENT (Jackson & Williams, 1985): Jeweils 2 Vpn sollen gleichzeitig an verschiedenen PCs dieselbe Aufgabe am PC lösen. UV 1: Schwierigkeit der Aufgabe (leicht vs. schwer) UV 2: Bewertung der individuellen Leistung (ja vs. nein) Den einen Vpn wird gesagt, dass die individuelle Leistung beurteilt würde, den anderen wird gesagt, dass die beiden Ergebnisse am Ende gemittelt würden. AV: Leistung der Vpn (Zeit bis zur Lösung) Ergebnis: Je nachdem, ob die individuelle Leistung beurteilt wird oder nicht, zeigt sich entweder der Effekt des sozialen Faulenzens oder der sozialen Erleichterung. Bewertung: leichte Aufgaben = besser; schwere Aufgaben = schlechter Keine Bewertung: leichte Aufgaben = schlechter; schwere Aufgaben = besser Keine Bewertung => keine Bewertungsangst => Entspannung (statt Erregung) Empirische Beispiele: Tauziehen und Applaus (je mehr Leute, desto geringer die Einzelleistung: Verantwortungsdiffusion) Kulturelle und geschlechtsspezifische Unterschiede: In der westlichen Kultur ist die Tendenz zum sozialen Faulenzen ausgeprägter als im Osten Männer zeigen eine stärkere Tendenz zum sozialen Faulenzen als Frauen 9.3. Deindividuation Deindividuation: Wenn Menschen in der Masse untertauchen können, sinkt ihre Hemmschwelle für impulsives, ausgelassenes und gewalttätiges Verhalten. Noch verstärkt werden kann dieser Effekt durch das Tragen von Masken (Kukluxklan) oder Uniformen (Bundeswehr) Mögliche Erklärungen: Die Anonymität der Masse befreit den Einzelnen vor der Verantwortung In Gruppen rücken deren eigenen Normen in den Vordergrund 9.4. Entscheidungen von Gruppen Prozessverluste = Effekte innerhalb einer Gruppeninteraktion, die einer erfolgreichen Problemlösung im Weg stehen. Groupthink = Die Geschlossenheit und Solidarität der Gruppe behindert eine rationale Problemlösung. Voraussetzungen von Groupthink: autoritärer Chef mit klaren Zielvorgaben eingeschworene Gruppe Isolation von anderen Sichtweisen Stress Erscheinungsformen von Groupthink: Illusion der Unfehlbarkeit Konformitätsdruck (Zensur von Widerständlern) Illusion der Einstimmigkeit 34 Wie Groupthink vermieden werden kann: unparteiischer, neutraler Gruppen- bzw. Diskussionsleiter Einholen anderer Meinungen (von Leuten, die nicht zur Gruppe gehören) Bildung von Subgruppen Anonyme Meinungsäußerung (z.B. schriftlich) Gruppen fokusieren v.a. auf die Informationen, die alle Gruppenmitglieder gemeinsam haben. Exklusives Wissen Einzelner bleibt dadurch oft unberücksichtigt! EXPERIMENT (Stasser & Titus, 1985): Geteiltes vs. exklusives Wissen Eine Gruppe von Vpn soll sich auf einen Kandidaten für eine Wahl einigen. In der einen Bedingung haben alle Teilnehmer dieselbe Information; sie alle wissen die 8 positiven und 4 negativen Eigenschaften von Kandidat A. In 83% der Fälle entscheidet sich die Gruppe für Kandidat A! In der anderen Bedingung kennen zwar alle die 4 negativen Eigenschaften von Kandidat A, allerdings kennt jeder nur 2 der 8 positiven Eigenschaften. Nur in 24% der Fälle entscheidet sich die Gruppe für Kandidat A! Gruppen tendieren dazu, das exklusive Wissen Einzelner zu übergehen. Auf diese Weise können wichtige Informationen verloren gehen. Lösung: Genügend Zeit nehmen, die ungeteilte Information zu diskutieren; klare Aufgabenverteilung (festlegen, wer für welche Information zuständig ist) Group polarisation: Gruppen haben die Tendenz extremere Entscheidungen zu treffen als ursprünglich von den einzelnen Mitgliedern intendiert. Voraussetzung: (relative) anfängliche Einigkeit der Gruppenmitglieder Erklärung: 1) Persuasive Arguments Interpretation: Andere Mitglieder der Gruppe bringen Argumente in die Diskussion ein, die man selbst noch nicht bedacht hatte und die dadurch die eigene Meinung noch verstärken. 2) Social Comparison Interpretation: Man möchte sich dadurch beliebt machen, dass man den Standpunkt der Gruppe übernimmt und besonders extrem vertritt. Culture-Value Theory: Dass Gruppen generell riskantere (oder vorsichtigere) Entscheidungen treffen, lässt sich nicht sagen. In westlichen Kulturen wird Risikobereitschaft wertgeschätzt, in östlichen Kulturen Vorsicht. Dementsprechend ist die Richtung der group polarisation kulturabhängig. 9.5. Führung und Führungsstile Great Person Theory: Bestimmte Persönlichkeitseigenschaften machen eine Person unabhängig von der jeweiligen Situation zu einem guten Führer. Problem: Die Korrelation zw. Persönlichkeitsmerkmalen und der Führungsqualität einer Person ist verschwindend gering. Contingency Theory of Leadership: Es gibt verschiedene Führungsstile bzw. -persönlichkeiten; welche am erfolgreichsten ist, hängt von der jeweiligen Situation ab. Aufgabenorientierter Chef: bei hoher oder niedriger Kontrolle über die Arbeitnehmer Beziehungsorientierter Chef: bei mittlerer Kontrolle über die Arbeitnehmer Frauen führen eher beziehungsorientiert, weshalb ihnen mangelnde Führungsqualitäten vorgeworfen werden; gleichzeitig werden Frauen, die aufgabenorientiert führen, weniger gemocht (gemein, hm?!). 35 9.6. Konflikte und deren Lösung Konflikte werden u.a. ausgelöst durch Konkurrenz (um knappe Ressourcen), gegenläufige Interessen, Vorurteile und soziale Dilemmata. Soziale Dilemmata sind Dilemmata, bei denen das, was dem Einzelnen am meisten nutzt, der Gruppe als Ganzer schadet. Prisoner’s Dilemma: Bei Kooperation: sicherer, aber vergleichsweise geringer Gewinn für beide; bei Konkurrenz: einseitiger, hoher Gewinn oder beidseitiger Verlust Tit-for-Tat Strategy: Auf kooperatives Verhalten kooperativ-, auf kompetitives Verhalten kompetitiv reagieren („Wie du mir, so ich dir“) Public Goods Dilemma: Alle geben ab, damit letztlich alle profitieren (siehe: Steuern, Krankenversicherung, Rente usw.) Commons Dilemma: Eine Ressource muss von allen in Maßen ausgeschöpft werden, damit sie nicht ausgeht (siehe: Erdöl,…) Wirkt sich die Möglichkeit zur Kommunikation und zu Androhungen positiv auf die Lösung von Dilemmata aus? EXPERIMENT (Kraus & Deutsch, 1962): „The Trucking Game“ Zwei Vpn spielen gegeneinander. Jeder hat die Aufgabe, mit einer Speditionsfirma möglichst viel Geld zu erwirtschaften, indem man möglichst schnell möglichst viele Güter von A nach B transportiert. Das Dilemma besteht darin, dass der kürzeste Weg pro Durchgang immer nur von einem Spieler genutzt werden kann! UV 1: Bedrohung möglich / nicht möglich (keine vs. einseitige vs. zweiseitige Blockade) UV 2: Kommunikation möglich / nicht möglich AV: durchschnittlicher Gewinn der beiden Vpn Bedrohungen wirken sich immer zum Nachteil beider Seiten aus, egal ob einoder zweiseitig. Die Möglichkeit zur Kommunikation wirkt sich lediglich nach einem Kommunikationstraining positiv auf den beiderseitigen Gewinn aus. Integrative Lösung von Konflikten: Beide Seiten nehmen jeweils bei den Punkten Abstriche hin, die ihnen nicht so wichtig sind wie der anderen Seite. Grundsätzlich sind Einzelpersonen besser geeignet, Konflikte zu lösen, als Gruppen, da ihnen eher vertraut wird. 36 10. Interpersonal Attraction (Blablabla…) 10.1. Wie Sympathie entsteht: Propinquitiy Effect: Je öfter wir jemanden sehen / mit jemandem interagieren, desto sympathischer ist uns diese Person. Erklärung: - Häufige Begegnungen schaffen Vertrautheit - Personen mit ähnlichen Interessen sind oft an denselben Orten - Mere Exposure Effect (Effekt der bloßen Darbietung): Je öfter ein Reiz dargeboten wird, desto positiver wird er bewertet. EXPERIMENTE dazu: Festinger et al., 1950: Freundschaften im Studentenwohnheim entstehen v.a. in unmittelbarer Nachbarschaft Moreland & Beach, 1992: Je häufiger eine „Studentin“ in den Vorlesungen gesehen wurde, desto positiver wurde sie von ihren Kommilitonen bewertet, obwohl die Studentin nie zu den anderen Kontakt aufnahm. Ähnlichkeit: Je ähnlicher uns jemand ist, desto sympathischer ist uns die betreffende Person. Erklärung: - Ähnlichkeit schafft Vertrautheit - Leute, die derselben Meinung sind wie wir, bestärken uns Reziprozität: „Magst du mich, mag ich dich…“ Erklärung: - positive Verstärkung/ Self-Fulfilling Prophecy Attraktivität: „Nur oberflächliche Menschen urteilen nicht nach dem Aussehen. Das Geheimnis der Welt ist das Sichtbare, nicht das Unsichtbare!“ (Oscar Wilde) Erklärung: - What is beautiful is good“- Stereotyp (siehe: implizite Persönlichkeitstheorien - Self-fulfilling prophecy 10.2. Social Exchange Theory und Investment Model Social Exchange: Wie man über eine Beziehung denkt, hängt vom Kosten-NutzenVerhältnis, den eigenen Erwartungen und den Alternativen ab. Der Nutzen einer Beziehung wird von Anfang an bedacht; die Kosten erst mit der Zeit. Investment Model: Die Stabilität einer Beziehung lässt sich mittels folgender 3 Faktoren voraussagen: 1) Zufriedenheit mit der Beziehung Kosten-Nutzen Verhältnis Vergleichsniveau (Was erwartet man sich aufgrund vorausgegangener Beziehungen?!) 2) Alternativen 3) Bereits erbrachte Investitionen Je mehr man bereits in eine Beziehung investiert hat, desto unwahrscheinlicher ist es, sie einfach aufzugeben. 37 10.3. Equity Theory Im Gegensatz zur Social Exchange Theory geht die Equity Theory davon aus, dass eine Beziehung dann zufrieden stellend ist, wenn die Kosten und Nutzen in etwa für beide Seiten gleich sind. Bei längerfristigen Beziehungen unterscheidet die Theorie zwischen Exchange- und Communal Relationships. Exchange Relationships: v.a. bei neuen und eher oberflächlichen Beziehungen wird darauf geachtet, dass Kosten und Nutzen für beide Partner gleich sind; für Leistungen werden Gegenleistungen erwartet. Communal Relationships: Bei längerfristigen und engeren Beziehungen steht nicht die Ausgewogenheit der Leistungen, sondern die Zufriedenheit des Partners im Vordergrund; dadurch kommt es auf lange Sicht ebenfalls zu einem Ausgleich. 10.4. Liebe Zu unterscheiden ist zwischen freundschaftlicher (platonischer) und leidenschaftlicher Liebe. Triangular Theory of Love: Welche Art von Liebe vorliegt, hängt von der Verteilung folgender 3 Komponenten ab: Intimität, Leidenschaft und Commitment (=Bindung)! Die Liebe aus evolutionspsychologischer Sicht: Männer und Frauen haben unterschiedliche Fortpflanzungsstrategien! Männern geht es darum, möglichst viele Nachkommen zu zeugen (quantitative Strategie); sie wählen ihre Partnerinnen v.a. nach dem Aussehen Frauen geht es darum, einige wenige Nachkommen sicher aufzuziehen (qualitative Strategie); sie sind generell wählerischer und achten v.a. auf die Ressourcen ihrer Geschlechtspartner (Eigentum,…). Die Liebe aus lerntheoretischer Sicht: Die Bindung zu den Eltern als Prädiktor für das spätere Beziehungsverhalten der Kinder. Bowlby unterscheidet zwischen 3 Bindungsstilen: 1) Sicherer Bindungsstil: liebevolle Eltern-Kind-Beziehung (Kinder erfahren Vertrauen, Wertschätzung usw.) Glückliche, stabile Beziehung 2) Vermeidender Bindungsstil: Distanzierte Eltern-Kind-Beziehung (Kinder lernen, ihr Bedürfnis nach Bindung zu unterdrücken. Probleme mit engen Beziehungen 3) Ängstlich-ambivalenter Bindungsstil: Ambivalente Eltern-KindBeziehung, zwischen übertriebener Fürsorge und Zurückweisung pendelnd (Kinder entwickeln Angst davor, verlassen zu werden usw.) Angst vor nicht erwiderter Zuneigung Vermeidender Mann + ängstliche Frau = unglückliche, aber stabile Beziehung, da die Unterschiede nicht auf den Charakter, sondern das Geschlecht attribuiert werden. Jeder bestätigt das Geschlechterstereotyp des anderen. Kritik: keine empirischen Belege; Bindungsstile sind flexibel und keineswegs immer gleich! Nach Rusbult gibt es in Beziehungskrisen 4 mögliche Verhaltensweisen: aktiv konstruktiv; aktiv destruktiv; passiv konstruktiv, passiv destruktiv 38 11. Prosoziales Verhalten 11.1. Warum helfen wir? - Drei grundlegende Theorien Prosoziales Verhalten kann unterschiedlich erklärt werden. Die 3 wichtigsten Ansätze sind der evolutionspsychologische Ansatz, der „Social Exchange“- Ansatz und die „Altruismus-Empathie“- Hypothese von Batson. (1) Aus evolutionspsychologischer Sicht dient prosoziales Verhalten der Fitnesssteigerung. Echten Altruismus, der per definitionem um seiner selbst Willen motiviert ist, gibt es demnach nicht. Stattdessen gründet sich jede Form prosozialen Verhaltens letztlich auf Eigeninteresse. „Kin selection“: Es wird vorwiegend Verwandten geholfen, da dadurch zumindest indirekt die Weitergabe der eigenen Gene gefördert wird. Reziproker Altruismus: Hilfe unter nicht-verwandten Individuen beruht immer auf dem Prinzip der Wechselseitigkeit. Generell bringen soziale Normen (wie die Reziprozitätsnorm) einen Überlebensvorteil mit sich, da sie kooperatives Verhalten fördern. (2) Auch dem Social-Exchange-Ansatz zufolge gibt es keinen echten Altruismus. Prosoziales Verhalten beruht stattdessen auf einer Kosten-Nutzen-Analyse. Geholfen wird nur dann, wenn der Helfende dadurch mehr Vorteile als Nachteile hat. (3) Lediglich die Empathie-Altruismus-Theorie (Batson, 1991) behauptet echten Altruismus, sofern Empathie vorhanden ist. Empathie: Nachempfinden eines emotionalen Zustands einer anderen Person durch Perspektivübernahme! EXPERIMENT (Toi & Batson, 1982): « Die arme Carol » Studenten bekommen einen „Radiobericht“ über Carol zu hören, eine Kommilitonin, die aufgrund eines schweren Unfalls lange gefehlt hat und daher Nachhilfe benötigt. Danach werden sie gefragt, ob sie ihr helfen. UV 1: Empathie für Carol (hoch vs. niedrig) Die Vpn sollen sich beim Hören des Berichts entweder um Objektivität bemühen oder sich in Carol’s Lage hineinversetzen. UV 2: Die Kosten, Carol zu helfen (hoch vs. niedrig) Den Vpn wird entweder gesagt, Carol ginge in Zukunft in ihren Kurs (hohe Kosten, nicht zu helfen) oder es wird ihnen gesagt, Carol lerne zuhause (niedrige Kosten) Ergebnis: Entsprechend der Empathie-Altruismus-Hypothese helfen die Vpn mit hoher Empathie unabhängig von den Kosten! 11.2. Faktoren, von denen unsere Hilfsbereitschaft abhängt Persönlichkeit: Natürlich gibt es hilfsbereite und weniger hilfsbereite Menschen; nichtsdestotrotz ist prosoziales Verhalten stark situationsabhängig. Umgebung: Laut der „Urban Overload“-Hypothese sind Menschen in städtischer Umgebung weniger hilfsbereit als in ländlicher, da sie sich nach außen hin abschotten, um der Reizüberflutung Herr zu werden. Kultur: In allen Kulturen hilft man eher Mitgliedern der In-Group als solchen, die zur Out-Group gehören. In östlichen Kulturen ist dieser Zusammenhang jedoch stärker ausgeprägt als im Westen! Geschlecht: Frauen helfen eher auf unspektakuläre Art (fürsorgliche und andauernde Hilfe), während Männer eher zu spontanen „Heldentaten“ tendieren. 39 Stimmung: Gutgelaunte Vpn helfen generell mehr als neutral gestimmte; schlechtgelaunte helfen nur dann mehr als neutral gestimmte, wenn sie nicht glauben, dass ihre Stimmung fixiert ist. Gute Stimmung: erhöht Hilfsbereitschaft Stimmungskongruente Urteile und Gedanken führen dazu, dass die Mitmenschen positiver wahrgenommen werden. „Mood maintenance hypothesis“: Durch prosoziales Verhalten kann die gute Stimmung aufrecht erhalten werden Gute Stimmung erhöht die Selbstaufmerksamkeit (Aktivierung der eigenen Ideale und Werte) Neutrale Stimmung: Wahrscheinlichkeit für Hilfe gering Schlechte Stimmung: erhöht die Hilfsbereitschaft …wenn dadurch die eigene Stimmung verbessert werden kann („Negative state relief“ –Theorie) 11.3. Das 5-Stufen-Modell von Latané und Darley Helfen als sequentieller Entscheidungsprozess, bei dem 5 Barrieren überwunden werden müssen, bevor die Handlung initiiert werden kann. 1) Es muss registriert werden, dass ein Notfall vorliegt Eine Frage der Aufmerksamkeitslenkung bzw. –kapazität siehe z.B. Urban Overload Hypothese 2) Es muss entschieden werden, dass Hilfe nötig ist Eine Frage der Interpretation Soziale Vergleichsprozesse: Nur wenn die anderen reagieren, reagiert man selbst (Informationaler sozialer Einfluss und pluralistic Ignorance). EXPERIMENT (Latané & Darley, 1968): „Vorsicht, Rauch!“ Beim Bearbeiten eines Fragebogens kam Rauch aus der Lüftung. Waren die VPn allein im Versuchsraum, suchten 75% nach Hilfe; wenn ein Verbündeter weiterarbeitete, nur 10%! 3) Die Verantwortlichkeit für die Hilfeleistung muss übernommen werden (Verantwortungsübernahme) Bystander Effekt: Verantwortungsdiffusion EXPERIMENT (Latané & Darley, 1968): Über Kopfhörer und Mikrophon wird eine anonyme Gruppendiskussion geführt. Dabei täuscht einer der Teilnehmer einen epileptischen Anfall vor (Tonbandaufnahme!). Ergebnis: Je größer die Gruppe (2, 3 oder 6 Personen), desto seltener versuchen die Leute zu helfen. 4) Die angemessene Reaktion muss bekannt sein (Kompetenz) VPn, die einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert haben, helfen bei medizinischen Notfällen eher. 5) Die Entscheidung muss umgesetzt werden (Umsetzung) Je höher die Kosten, desto unwahrscheinlicher EXPERIMENT (Darley, 1973): Der heilige Samariter Theologiestudenten sollten ein Referat zum guten Samariter halten – auf dem Weg zum Hörsaal halfen diejenigen, die unter Zeitdruck (UV) standen, einem auf dem Boden liegenden seltener als die ohne Zeitdruck. 40 11.3. Wie prosoziales Verhalten gefördert werden kann Bewusstmachung der Barrieren Einzelne Bystander explizit zu Hilfeleistung auffordern Altruistisches Verhalten belohnen (dabei aber den overjustification effect vermeiden!) Als gutes Vorbild vorangehen 41 12. Aggression 12.1. Allgemeines Aggression ist intentionales Verhalten mit dem Ziel, Schmerz bzw. Schaden zuzufügen. Feindselige Aggression: …weil man wütend ist und Schmerz zufügen will Instrumentelle Aggression: …weil man damit ein anderes Ziel erreichen will Ist Aggression angeboren (instinktiv) oder erlernt? Anders formuliert: Ist der Mensch ein von Natur aus gutes – oder von Natur aus aggressives Wesen?! Hobbes: Die aggressiven Impulse des Menschen sind angeboren und müssen durch die Gesellschaft kontrolliert werden. Freud: Aggression ist dem Menschen in Form des Todestriebes (Thanatos) von Natur aus mitgegeben. Hydraulik-Theorie: Die aggressiven Energien müssen sich in irgendeiner Form entladen; eine Möglichkeit dazu bietet die Sublimierung. Rousseau: Der Mensch ist von Natur aus gut – die aggressiven Impulse werden durch die Gesellschaft hervorgerufen. Mittlerweile ist man sich einig, dass es eine angeborene Tendenz zu aggressivem Verhalten gibt, die sich im Lauf der Evolution herausgebildet hat. Aggression hat offenbar einen adaptiven Wert! Gleichzeitig gibt es aber Mechanismen, die aggressiven Impulse je nach Situation zu hemmen. Aggression ist also instinktiv und situationsabhängig: EXPERMENT (Eibl-Eibesfeldt, 1963): Isolierte Ratten Isoliert aufgewachsene Ratten zeigten gegenüber Artgenossen ein hohes Maß an Aggression (sie zeigten die artspezifischen Droh- und Angriffsmuster). Aggression scheint also ein angeborener Instinkt zu sein; schließlich können die isoliert aufgewachsenen Ratten das Verhalten nicht gelernt haben. EXPERIMENT (Yang Kuo, 1961): Die Ratte und die Katze Eine Katze und eine Ratte, die gemeinsam aufgewachsen sind, verstehen sich gut. Die Katze greift auch andere Ratten nicht an. Aggressive Instinkte können also offenbar durch frühe Erfahrungen gehemmt werden. Auch beim Menschen ist Aggression offenbar ein angeborenes Verhaltensmuster, die spezifische Ausprägung ist allerdings stark abhängig vom sozialen Umfeld! Das zeigt sich u.a. daran, dass die Aggressivität zwischen verschiedenen Kulturen („Culture of Honor“)-, aber auch innerhalb einer Kultur z.T. extrem variiert. Die Iroquesen z.B. sind erst Aggressiv geworden, als die Europäer nach Amerika kamen! 12.2. Biologische Faktoren Neuronale und chemische Faktoren: Gesteuert wird aggressives Verhalten vermutlich von der Amygdala aus; Serotonin ist ein Hormon, das aggressives Verhalten hemmt; Testosteron ein Hormon, das aggressives Verhalten begünstigt. Stimulation der Amygdala Niedriger Serotoninspiegel Aggressives Verhalten Hoher Testosteronspiegel 42 Alkohol: soziale Enthemmung, geringere Kontrolle über impulsive Reaktionen; Wahrnehmung wird auf offensichtliche Situationsmerkmale verengt, was dazu führt, dass mehrdeutige Situationen oft falsch interpretiert werden! Schmerz, Hitze,… => körperliches Unwohlsein; Erregung => Aggressives Verhalten! Geschlecht: Männer neigen eher zu physischer-, Frauen eher zu psychischer Aggression; Männer interpretieren Situationen eher als Provokation und reagieren deshalb insgesamt häufiger aggressiv als Frauen. 12.3. Situationale Faktoren Direkte Provokation führt zu Aggression (Prinzip der Reziprozität) Relative Deprivation führt zu Aggression. Warum „relativ“? – Ein Mangel führt erst dann zu Aggression, wenn er als solcher wahrgenommen wird und die Hoffnung auf Besserung besteht. Dementsprechend brechen Revolutionen nicht unbedingt aus, wenn es den Leuten am Schlechtesten geht, sondern im Gegenteil, wenn sie das Gefühl haben, es gehe aufwärts. Frustrations-Aggressions-Hypothese: Frustration führt zu Aggression. Frustration tritt auf, wenn ein Ziel nicht erreicht werden kann bzw. eine zielgerichtete Handlung unterbrochen werden muss. Je näher das Ziel und je größer die Erwartung bezüglich des Ziels, desto größer die Frustration! EXPERIMENT (Harris, 1974): Die Warteschlange Je weiter vorne man sich in einer Schlange vordrängelt, desto aggressiver reagieren die Wartenden! EXPERIMENT (Kulik & Brown, 1979): Telefonische Spendensammlung Studenten fragen telefonisch nach Spenden; dabei erhalten sie unterschiedliche Angaben, wie viel Geld sie zu erwarten haben. Keiner der Personen, die angerufen werden, erklärt sich zu einer Spende bereit. Die Studenten, die eine höhere Spende erwartet haben, reagieren darauf aggressiver! Frustration führt nicht immer zu Aggression; auch andere Reaktionen wie Weinen oder Apathie sind denkbar. Faktoren, die aggressives Verhalten wahrscheinlicher machen: BERKOWITZ: Frustration ruft emotionale Erregung (Ärger) hervor. Diese führt nur bzw. v.a. in Kombination mit entsprechenden Hinweisreizen zu Aggression. Hinweisreize, die aggressives Verhalten hervorrufen bzw. wahrscheinlicher machen, sind alle Reize, die mit Ärger bzw. Aggression assoziiert werden (Waffen etc.). EXPERIMENT (Berkowitz, 1967) Ärgerliche Vpn bekamen die Möglichkeit, einer anderen Vpn Elektroschocks zu induzieren. Dabei war die eine Hälfte der Vpn in einem Raum mit aggressivem Stimulus (Waffe), die andere Hälfte in einem Raum mit neutralem Stimulus (Badmintonschläger). Die Vpn, in deren Umgebung der aggressive Hinweisreiz platziert war, induzierten stärkere Schocks! BANDURA: Aggressives Verhalten wird an sozialen Modellen gelernt, ist also stark erziehungsabhängig. EXPERIMENT (Bandura, 1961/63): „Die arme Plastikpuppe“ Kinder imitieren den aggressiven Umgang Erwachsener mit einer Plastikpuppe; Kinder in der Kontrollgruppe schlagen die Puppe nicht! Wenn sich das Objekt der Aggression nicht wehren kann… 43 Faktoren, die Ärger und damit Aggression reduzieren können: Ob auf Frustration Aggression folgt, hängt u.a. davon ab, auf welche Ursache die Frustration zurückgeführt (attribuiert) wird, ob dem Frustrationsauslöser z.B. eine Absicht unterstellt wird oder nicht. Wenn die Frustration legitim, verständlich oder unbeabsichtigt ist, reagiert man weniger aggressiv. 12.4. Aggression und die Medien Der Zusammenhang zwischen Mediengewalt und aggressivem/gewalttätigen Verhalten ist nicht nur korrelativ, sondern kausal! EXPERIMENT (Liebert et al.): Kinder, die ein Spielfilm gezeigt bekommen, in dem Gewalt vorkommt, sind beim Spielen danach aggressiver als Kinder, die eine gewaltfreie Sportsendung gezeigt bekommen haben. Wozu genau führt Gewalt in den Medien? 1) Erhöhte Akzeptanz von Gewalt; Hemmmechanismen gegen aggressive Reaktionen werden geschwächt. 2) Abstumpfung/Desensibilisierung/Habituation (physiologisch) weniger Empathie/Sympathie mit Gewaltopfern 3) Soziales Lernen (=Imitation), da Gewalttäter in den Medien oft als Helden dargestellt werden. 4) Priming der Emotion Ärger / Priming der aggressiven Reaktion Die eigenen Gefühle werden eher als Ärger interpretiert; aggressive Verhaltensschemata sind verfügbarer 5) Die Welt insgesamt wird als unsicherer und gewalttätiger wahrgenommen, als sie vielleicht tatsächlich ist – und dementsprechend das Verhalten anderer eher als Angriff interpretiert. 12.5. Gewalt gegen Frauen Bei 50% der Vergewaltigungen in den USA handelt es sich um „date rape“. Ursache: Männer haben häufig das „Skript“/ die kulturell geprägte Vorstellung, dass es zum Verhalten von Frauen gehöre, sich zu zieren – während es die Aufgabe von Männern sei, hartnäckig zu bleiben. „Skripten“ sind kulturell bedingte Verhaltensweisen bzw. die Vorstellung, die wir davon haben. Gewaltfreie Pornographie hat keinen Einfluss auf das Verhalten gegenüber Frauen. Pornographie, die Gewalt gegen Frauen enthält, führt dagegen zu einer deutlich gesteigerten Gewalt gegenüber Frauen. 12.6. Strategien zur Gewaltprävention Katharsis („Dampf ablassen“): Die Theorie der Katharsis hat sich als falsch erwiesen. Seine Aggressionen auszuleben, hat sogar einen gegenteiligen Effekt: Die Wahrscheinlichkeit aggressiven Verhaltens erhöht sich! Kognitive Dissonanz => Dehumanisierung Selbstwahrnehmungstheorie => Steigerung der eigenen Aggression Dementsprechend ist es besser, den eigenen Ärger nicht-aggressiv auszudrücken (um die eigenen Gefühle und Ursachen besser zu verstehen und Spannung abzubauen) Bestrafung: Bestrafung ist lediglich effektiv, wenn sie unmittelbar und sicher erfolgt und darüber hinaus nicht zu hart ist. Harte Bestrafung = aggressives Vorbild Dissonanztheorie => insufficient punishment 44 13. Stereotype und Vorurteile 13.1. Begriffsdefinitionen VORURTEIL (affektive Komponente): Ein Vorurteil ist eine negative Einstellung gegenüber einer Person auf Grundlage ihrer Zugehörigkeit zu einer Fremdgruppe („outgroup“). STEREOTYP (kognitive Komponente): Stereotype sind Schemata bzw. Wissensstrukturen über soziale Gruppen; sie erleichtern die Informationsverarbeitung. Anders formuliert: Ein Stereotyp ist die erwartete Korrelation zwischen bestimmten Eigenschaften einer Person und ihrer Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Anders als Vorurteile müssen Stereotype nicht negativ sein (der „athletische Neger“). DISKRIMINIERUNG (Verhaltenskomponente): Ungerechtfertigtes, negatives Verhalten gegenüber anderen Gruppen aufgrund von Vorurteilen. 13.2. Die Folgen von Vorurteilen Das Selbstbewusstsein von vorurteilsbehafteten Gruppenmitgliedern wird verringert. EXPERIMENT (Clark & Clark, 1947): schwarze vs. weiße Puppen Afro-amerikanische Mädchen ziehen es vor, mit weißen Puppen zu spielen. Sterotype Threat: Die Angst, ein negatives Stereotyp über die eigene Gruppe durch persönliches Versagen bei einer schwierigen Aufgabe zu bestätigen …führt tatsächlich zu schlechteren Leistungen („Self-fulfilling prophecy“) Z.B. schneiden Frauen, bei denen das Frauenstereotyp aktiviert wurde, in Mathetests schlechter ab. Stereotype haben Einfluss auf die Attributionsstile! Beruflicher Erfolg von Frauen z.B. wird von beiden Geschlechtern (!) eher external attribuiert; der Erfolg von Männern dagegen internal. Mädchen attribuieren ihren Erfolg eher external, ihren Misserfolg eher internal; bei Jungen ist es umgekehrt (Nichols, 1975). 13.2. Die Entstehung von Vorurteilen bzw. Stereotypen 13.2.1. Die Theorie des sozialen Konflikts (Realistic Conflict Theory) Aufgrund mangelnder Ressourcen (Arbeitsplätze, Frauen,… ;) entstehen Konkurrenz und Gegnerschaft zwischen verschiedenen Gruppen. Die Folge sind Vorurteile und Diskriminierung. Im Vordergrund steht also die reale, soziale Situation (Ressourcenknappheit); kognitive Prozesse spielen eine untergeordnete Rolle. Tatsächlich entstehen Vorteile v.a. in Zeiten wirtschaftlicher Rezession (siehe: Drittes Reich). In Südamerika besteht z.B. ein Zusammenhang zwischen der Qualität der Baumwohlernte und der Anzahl an Lynchmorden. Lösungsvorschlag dieser Theorie: Persönlicher Kontakt vermindert Vorurteile (siehe: „Kontakthypothese“) 45 13.2.2. Theorie der sozialen Kategorisierung (Social cognition) Vorurteile sind ein Nebenprodukt unserer Informationsverarbeitung; sie resultieren aus notwendigen Kategorisierungsprozessen. Genau wie wir Gegenstände, Tiere usw. in Kategorien einordnen, kategorisieren wir Menschen – und zwar u.a. danach, welcher Gruppe sie angehören. Dabei unterscheiden wir zwischen Gruppen, zu denen wir selbst gehören („in-groups“) und Gruppen, zu denen wir nicht gehören („outgroups“). Daraus ergeben sich folgende Effekte: 1) „In-Group Bias“: Aufwertung der Eigengruppe / Abwertung der Fremdgruppe (selbstwertdienlich motiviert) 2) „Out-Group Homogenity Effect“: Überschätzung der Homogenität der Fremdgruppe „Unit Formation“: Empfundene Gemeinsamkeit (kann zur Aufwertung der eigenen Person führen: z.B. Sieg der Nationalmannschaft); das Maß an empfundener Gemeinsamkeit hängt vom jew. Kontext ab (selektive Identifikation)! 13.2.3. Weitere Erklärungsansätze Evolutionäre Psychologie: Angst bzw. Vorsicht vor andersartigen Individuen hat einen adaptiven Wert. Daher die angeborene Tendenz, Individuen, die uns ähnlich sind, zu bevorzugen und solche, die uns unähnlich sind, eher abzulehnen. Soziale Lerntheorie: Erziehung und gesellschaftliches Umfeld führen zur Internalisierung von Vorurteilen. Dementsprechend sind Vorurteile prinzipiell veränderbar! Attributionstheorien: Der fundamentale Attributionsfehler tritt auch bei der Bewertung von Gruppen auf. In diesem Sinne können Stereotype als der „ultimate Attributionsfehler“ bezeichnet werden. Wir tendieren dazu, das Verhalten von Gruppen dispositional zu attribuieren. Verhalten sich Mitglieder einer Outgroup nicht stereotypgemäß tendieren wir dazu, situational zu attribuieren. 13.3. Warum Stereotype so Löschungsresistent sind Die affektive Komponente von Vorurteilen ist durch logische Argumente nicht veränderbar. Vorurteile wirken bei der Informationsverarbeitung wie Schemata: Vorurteilskonsistente Informationen werden mit größerer Aufmerksamkeit betrachtet und besser enkodiert. EXPERIMENT (Bodenhausen, 1988): Vpn beurteilen einen Angeklagten eher als schuldig, wenn er einen ethnischen Namen trägt; allerdings nur, wenn sie diese Information vor der Schilderung des Falls erhalten. Wird ihnen der Name des Angeklagten erst nach Schilderung des Falls mitgeteilt, hat er keinen Einfluss auf die Urteilsbildung! Stereotype beeinflussen die Art der Informationsverarbeitung (schemageleitete Enkodierung) Stereotype beeinflussen unseren Attributionsstil (s.o.): Vorurteilsinkonsistente Information wird eher situational attribuiert und somit „wegerklärt“. „Illusory Correlation“ (Hamilton & Gilford, 1976): Treten auffällige Merkmale („Jude“ + „materialistischer Beruf“) gemeinsam auf, tendieren wir dazu, einen Zusammenhang zu sehen und ihn im Gedächtnis zu speichern. Solche „falschen“ Korrelationen werden oft auch durch die Medien erzeugt. Z.B. sieht man in den Nachrichten mehr Muslime mit Maschinengewehr als ohne! Ergo: Muslim = Terrorist 46 Stereotype können automatisch wirken und sind daher nur begrenzt kontrollierbar. Patricia Devine unterscheidet zwischen automatischer, unbewusster und kontrollierter, bewusster Informationsverarbeitung (2-Stufen-Modell der Vorurteilsverarbeitung). Laut Devine wird vorurteilsbezogenes Wissen bei jedem Menschen automatisch aktiviert. Die bloße Kenntnis eines Stereotyps reicht aus, um unser automatisches Denken zu beeinflussen. Unterschiede gibt es lediglich bei der kontrollierten Informationsverarbeitung. Glaubt man nicht an ein bestimmtes Vorteil, muss man sein Wissen über dieses Vorurteil bewusst unterdrücken. EXPERIMENT (Payne, 2001): Waffe oder Werkzeug?! Vpn bekommen eine Serie von Bildern gezeigt, auf denen entweder eine Waffe oder ein Werkzeug zu sehen ist – dabei sollen sie so schnell wie möglich entscheiden, was von beiden es ist. Unmittelbar vor jedem Bild werden die Vpn entweder mit einem schwarzen Gesicht – oder einem weißen Gesicht geprimt. Wird vorher ein schwarzes Gesicht eingeblendet, erkennen die Vpn die Waffen schneller. Außerdem verwechselten die Vpn ein Werkzeug häufiger mit einer Waffe, wenn sie vorher mit dem Gesicht eines Schwarzen geprimt wurden. Diese Effekte treten auch bei den Vpn auf, die nach eigenen Angaben keine Vorurteile gegenüber Schwarzen haben! EXPERIMENT (Fazio et al.,1995): Affektives Priming Vpn bekamen Wörter mit eindeutig positiver oder eindeutig negativer Valenz dargeboten und sollten diese so schnell wie möglich einer der beiden Kategorien (positiv/negativ) zuordnen. Unmittelbar vor jedem Wort wurden sie entweder mit einem weißen oder schwarzen Gesicht geprimt. Erhoben wurden die Reaktionszeit bei der Wortkategorisierung und das Verhalten einer schwarzen Versuchsleiterin gegenüber. Sowohl bei den automatischen Reaktionen als auch bei dem überlegten Verhalten gab es erhebliche interindividuelle Unterschiede, drei Typen lassen sich unterscheiden: 1) Vpn, bei denen sich die Vorurteile weder im automatischen, noch im bewussten Verhalten bzw. Denken widerspiegeln. 2) Vpn, bei denen sich die Vorurteile im automatischen, nicht aber im bewussten Verhalten niederschlagen. 3) Vpn, bei denen sich die Vorurteile im automatischen und bewussten Verhalten bzw. Denken niederschlagen. Die Ergebnisse zeigen also, dass Devines Theorie zumindest modifiziert werden muss: Nicht bei allen Vpn werden bekannte Vorurteile automatisch aktiviert. EXPERIMENT (Bargh, 1995): Der Macht-Sex-Link Männer, die einem Fragebogen zu sexuell aggressivem Verhalten hohe Werte hatten, stuften eine Frau attraktiver ein, wenn vorher das Machtkonzept aktiviert wurde (durch Priming); bei ihnen besteht offenbar ein unbewusster Zusammenhang zwischen Macht und Sex! 47 „Self-fulfilling prophecy“: Unsere Schemata bzw. Erwartungen beeinflussen unser Verhalten gegenüber anderen; gleichzeitig löst unser Verhalten beim Gegenüber eine entsprechende Reaktion aus; diese Reaktion wiederum scheint unsere Ausgangserwartung zu bestätigen. EXPERIMENT (Word, Zanna, Cooper, 1974): Das Bewerbungsgespräch 1) Vpn, die ein Einstellungsinterview führen, verhalten sich schwarzen Bewerbern gegenüber anders als weißen; sie sitzen weiter weg und beenden das Gespräch früher usw. => mit der Folge, dass die schwarzen Bewerber von unabhängigen Ratern als weniger kompetent, nervöser usw. beurteilt werden. 2) Im zweiten Experiment wird nicht die Hautfarbe der Bewerber, sondern das Verhalten der Interviewer manipuliert. Weiße Bewerber werden entweder wie „Schwarze“ oder „Weiße“ behandelt (siehe Exp. 1). Die Bewerber, die wie Schwarze behandelt wurden, verhielten sich genau wie die schwarzen Bewerber in Exp.1. Auch sie wurden von unabhängigen Ratern als weniger kompetent und nervöser eingestuft. Ergo: Nicht die Hautfarbe, sondern das Verhalten des Interviewers bestimmt den Eindruck, den ein Bewerber macht. Normative Konformität: Verbreitete Stereotype werden häufig übernommen, um den Erwartungen der Gruppe gerecht zu werden (Konformitätsdruck). Institutionalisierter Rassismus (z.B. Iran) Institutionalisierter Sexismus (z.B. Iran) 13.4. Die Kontakthypothese Der Kontakt zwischen Gruppen kann zum Abbau von Vorurteilen führen, allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen: Gemeinsame Ziele Interdependenz: Die Gruppenmitglieder müssen aufeinander angewiesen sein Gleicher Status der Gruppenmitglieder Freundliche, ungezwungene Atmosphäre (ohne Konkurrenzdenken) Kontakt mit mehreren Mitgliedern der anderen Gruppe Normen wie Akzeptanz und Toleranz müssen im Zentrum stehen „The Jigsaw Classroom“ (Aronson): ethnisch gemischte Arbeitsgruppen mit gemeinsamer Aufgabenstellung, aber klar vorgegebener Arbeitsteilung, so dass alle Gruppenmitglieder aufeinander angewiesen sind => Höheres Selbstwertgefühl und bessere Leistungen der Einzelnen; Abbau von Vorurteilen 48 14. Social Psychology in Action 14.1. Stress und Stressreduktion Stress: Negative Gefühle und Gedanken, die immer dann auftreten, wenn man sich den Anforderungen seiner Umwelt nicht gewachsen fühlt. Stress schwächt das Immunsystem, erhöht die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarkts usw. Stressfaktoren: Wahrgenommene Kontrolle, Self-Efficacy, Gelernte Hilflosigkeit 1) Wahrgenommene Kontrolle: Der Glaube, dass wir ganz allgemein Einfluss auf unsere Umwelt haben Studien in Altenheimen zeigen, sich dass eine hohe wahrgenommene Kontrolle positiv auf das Verhalten, das subjektive Wohlbefinden und die Gesundheit auswirkt. Allerdings nur wenn das Gefühl der Kontrolle nicht abrupt genommen wird. 2) Self-Efficacy (Bandura): Selbstwirksamkeit: Der Glaube, bestimmte Ziele erreichen zu können. Wirkt wie eine Selffulfilling prophec: je höher die Self-Efficacy, desto mehr schafft man auch. 3) Gelernte Hilflosigkeit (Seligman): Pessimistische Grundhaltung aufgrund der Tendenz, schlechte Ereignisse internal, stabil und global zu attribuieren (tritt nach Misserfolgserlebnissen in unkontrollierbaren Situationen auf). Coping-Strategien: Es gibt verschiedene Strategien, mit Stress umzugehen; welche Strategien gewählt werden, ist u.a. geschlechts- und persönlichkeitsabhängig. Persönlichkeitsunterschiede: Typ A: durchsetzungsfähig, machtorientiert, aggressiv, ungeduldig, … (Typ erfolgreicher Manager) => erfolgreich, aber ungesund Typ B: geduldig, kooperativ, entspannt, … => weniger erfolgreich, dafür aber gesünder Geschlechtsunterschiede: Männer: Fight-or-Flight Response (das Problem entweder angehen oder meiden) Frauen: Tend-and-Befriend Response (passen auf sich und den Nachwuchs auf, bilden soziale Netzwerke zur Unterstützung) Buffering Hypothesis: Sowohl Männer als auch Frauen sind in Stresssituationen auf soziale Unterstützung angewiesen. Prävention: Motivation zu Vorsorgeuntersuchungen: => die möglichen Verluste betonen Motivation zu gesundem Verhalten: => die möglichen Gewinne betonen Hypocrisy – Technik (kognitive Dissonanz erzeugen) 49 14.2. Rechtspsychologie Probleme mit Augenzeugen: 1) Beobachtung: Beobachtungszeit oft zu kurz (schließlich laufen Verbrechen meistens schnell und überraschend ab) Sichtbedingungen oft schlecht (Verbrechen passieren oft nachts…) Aufmerksamkeitsfokus (ist auf die Waffe und nicht auf das Gesicht des Verbrechers gerichtet) Erwartungen (Schemata) beeinflussen unsere Wahrnehmung Vertrautheit (Own-Race Bias: Gesichter unserer eigenen Rasse merken wir uns besser) 2) Speicherung: Rekonstruktive Erinnerung (Oft bauen wir unbewusst Infos in unsere Erinnerung ein, die wir erst zu einem späteren Zeitpunkt erfahren haben) Source Monitoring (Wir wissen oft nicht genau, woher wir welche Infos bzw. Erinnerungen haben) Kennen wir das Gesicht aus der Zeitung oder von jenem besagten Abend? 3) Abrufung: „Best-guess“- Problem: Beim Identifizieren eines Täters wird oft der gewählt, der dem Täter am ähnlichsten sieht, auch wenn sich die Ähnlichkeit in Grenzen hält. Visuelle Infos zu verbalisieren ist nicht immer unproblematisch Bewertung von Augenzeugenaussagen: Die Korrelation zwischen der Sicherheit der Augenzeugen und der Richtigkeit ihrer Aussagen ist gering! Muss ein Augenzeuge erst lange über den Tathergang nachdenken, ist seine Aussage verdächtig. Kann erkannt werden, wenn Augenzeugen lügen? Experten bewerten Aussagen in 75% der Fälle richtig. Unausgebildete Personen lediglich in 50% der Fälle (=Zufallswahrscheinlichkeit) Ein Polygraph (Lügendetektor) liegt in 85% der Fälle richtig. Probleme mit Geschworenen und Richtern: Geschworene und Richter werden oft durch Vorinformationen in ihrem Urteil beeinflusst (emotionale Medienberichte usw.) Anwälten ist zu empfehlen, ihre Zeugen chronologisch auftreten zu lassen (story order) und nicht nach deren Güte (witness order); ersteres wirkt auf Richter und Geschworene überzeugender! Gruppenprozesse: Konformitätsdruck (je mehr Richter/Geschworene, desto besser – da es dann wahrscheinlicher wird, dass auch die Minderheitenmeinung von einigen vertreten wird) Deterrence Theory (Abschreckungstheorie): Strafe muss hart, schnell und mit großer Sicherheit erfolgen, um abschreckend zu wirken. Hauptproblem: Eine schnelle und sichere Strafe ist meistens nicht realisierbar! Insuficient punishment (s.o.) Procedural Justice: Faire und gleiche Behandlung vor dem Gesetz ist entscheidend, damit Leute sich diesem Gesetz fügen! 50