26 3 Funktionsstörungen des Gefäßendothels und Endprodukte fortgeschrittener Glykierung Glukose + Proteine, Lipide, Nukleinsäuren + H C O NH2 R1 H Schiff-Base AmadoriProdukt + NH NH2 C R1 H Advanced Glycation Endproducts (AGEs) R1 NH CH2 R1 CH2 (CHOH)4 (CHOH)4 C CH2OH CH2OH (CHOH)4 O CH2OH + NH2 C O C O CH2 R2 HOCH2 NH2 CH R1 Abb. 3.4 Maillard-Reaktion. Endprodukte fortgeschrittener Glykierung (Advanced Glycation Endproducts) entstehen bei der nicht enzymatischen Glykierung (= Verbindung mit einem Zuckermolekül) von Proteinen, Lipiden und Nukleinsäuren in einer Kettenreaktion über verschiedene Zwischenprodukte. Hohe Temperaturen und Wasserentzug begünstigen diese Reaktion. Abb. 3.5 Bestimmte Nahrungsmittel (s. Abb. 3.7) enthalten besonders viele AGEs. Die Zubereitung unter hohen Temperaturen, die zu starker Bräunung führt, erhöht den AGE-Gehalt zusätzlich. Etwa 10 % der mit der Nahrung aufgenommenen AGEs werden im Gastrointestinaltrakt rasch absorbiert und führen zu einer Erhöhung der Serum-AGE-Konzentrationen. Von diesen AGEs werden bei normaler Nierenfunktion 30 % innerhalb von 48 Stunden wieder ausgeschieden, d. h. 70 % verbleiben normalerweise im Körper (Abb. 3.6). Bei Diabetikern mit eingeschränkter Nierenfunktion konnte nachgewiesen werden, dass die AGE-Ausscheidung auf unter 5 % verringert ist (Koschinsky et al. 1997). Die extrazelluläre Proteolyse gehört zu den wichtigsten Mechanismen für den Abbau der AGE-modifizierten Gewebs- und Zellstrukturen, gemeinsam mit dem AGE-Rezeptor-vermittelten intrazellulären Abbau in Zellen wie z. B. Gewebsmakrophagen (Makita et al. 1991, Vlassara & Pa- lace 2003). Die Makrophagen lysieren die AGE zu niedrigmolekularen, löslichen Peptiden, bekannt als AGE zweiter Generation, die über die Niere ausgeschieden werden (Vlassara 1997). Die Ausscheidung der AGE ist abhängig von der Nierenfunktion und nimmt parallel zur Kreatinin-Clearance ab (Turk et al. 2004). Es liegt nahe, dass eine Beeinträchtigung der Nierenfunktion in einer AGE-Anreicherung resultiert (Bierhaus et al. 1998). Sinusoidale Zellen in der Leber (Kupffer-Zellen und Endothelzellen) scheinen ebenfalls eine bedeutende Rolle beim AGE-Abbau durch Endozytose der AGE-modifizierten Proteine zu spielen (Smedsrod et al. 1997). Die wichtigsten exogenen AGE-Quellen sind die Nahrung und das Rauchen. Die mit der Nahrung zugeführte Menge an AGEs hängt zum einen Rett, Bessere Chancen für Nerven und Gefäße (ISBN 9783131624413), © 2011 Georg Thieme Verlag KG 27 Endprodukte fortgeschrittener Glykierung – Advanced Glycation Endproducts (AGEs) Makrophagen exogene AGEs AGEs „zweiter Generation“ L D E-L AG endogene AGEs Niere L LD 30% in 48 h 10% Abb. 3.6 Der AGE-Zyklus. Etwa 10 % der mit der Nahrung aufgenommenen AGEs werden im Gastrointestinaltrakt rasch absorbiert und führen zu einer Erhöhung der Serum-AGE-Konzentrationen. Von diesen AGEs werden bei normaler Nierenfunktion 30% innerhalb von 48 Stunden wieder ausgeschieden, d. h. 70 % verbleiben im Körper. Bei Diabetikern mit eingeschränkter Nierenfunktion ist die AGE-Ausscheidung auf unter 5% verringert. vom AGE-Gehalt der einzelnen Nahrungsbestandteile ab (Abb. 3.7), zum anderen ist aber auch die Zubereitungsmethode von entscheidender Bedeutung. Am meisten AGEs enthalten Fette wie Butter und Margarine, Öle und Nüsse. Einen mittleren AGE-Gehalt weisen proteinreiche Lebensmittel wie Käse, Fleisch (Rindfleisch, Geflügel), Tofu, Fisch und Eier auf. Relativ wenig AGEs enthalten kohlenhydratreiche Nahrungsmittel wie Getreide, Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Brot, aber auch Obst und Gemüse (Goldberg et al. 2004, Uribarri et al. 2010). Auf den ersten Blick scheint dies ein Paradox zu sein. Es erklärt sich dadurch, dass eine eng verwandte Substanzklasse, die sogenannten „advanced lipoxidation endproducts“ (ALE), von AGE sowohl messtechnisch als auch von der Definition her schwer zu unterscheiden ist. Die Quellen der Carbonylgruppen, Grundbausteine der AGE-Entstehung, können dem Kohlenhydratabbau, aber auch dem Lipid- oder Proteinkatabolismus entstammen (Miyata et al. 2000). Wenn die Carbonylgruppen aus dem Lipidstoffwechsel stammen (so z. B. Malondialdehyd), so bezeichnet man die Produkte als ALE. Die Tren- Kohlenhydrate-Gruppe relativ wenige AGEs – Getreide, Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Brot – Milch, Obst, Gemüse Proteingruppe mittlerer AGE-Gehalt – Käse – Rindfleisch, Geflügel – Tofu, Fisch, Eier 12 × Fettgruppe am meisten AGEs – Butter, Margarine, Brotaufstrich – Öle, Nüsse 30 × Abb. 3.7 AGE-Gehalt von Nahrungsmitteln: Am meisten AGE enthalten Fette. Einen mittleren AGE-Gehalt weisen proteinreiche Lebensmittel wie Käse, Fleisch, Fisch und Eier auf. Relativ wenig AGE enthalten kohlenhydratreiche Nahrungsmittel wie Getreide, Kartoffeln, Brot, Obst und Gemüse. Rett, Bessere Chancen für Nerven und Gefäße (ISBN 9783131624413), © 2011 Georg Thieme Verlag KG