Presse_Ezio_Oper_Frankfurt Nov2013

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EZIO Oper Frankfurt, November 2013
DER NEUE MERKER, 11_2013
www.der-neue-merker.eu_November_13
http://www.der-neue-merker.eu/frankfurt-ezio-von-chr-w-gluck-premiere
FRANKFURT: EZIO von Chr. W. Gluck. Premiere
Frankfurt: Ezio/C.W.Gluck Premiere am 10.11.2013
Max Emanuel Cencic, Sofia Fomina, Foto: Barbara Aumüller
Mit ‘Ezio’ von Christoph Willibald Gluck hat an der Frankfurter Oper eine Ausgrabung
Premiere, bei der es sich um eine frühe Oper des späteren Reformers und Schöpfers einiger
Repertoire-gängiger Werke handelt. Es geht hier um ein auf ein Libretto des großen
Barockdichters Pietro Metastasio verfasstes Dramma in musica, das 1750 in Prag seine
Uraufführung erlebte. Natürlich war der Ezio (Aethius)-Stoff eine große Barocknummer, und
auch Händel schrieb eine Oper auf dieses Sujet. Ezio kehrt nach siegreicher Schlacht gegen
die Hunnen Attilas nach Rom zurück, und Kaiser Valentinian eröffnet ihm, daß er sich mit
seiner Geliebten Fulvia vermählen will und bietet ihm seine Schwester Onoria als Gattin an.
Gleichzeitig plant der Vertraute des Kaisers, Massimo, einen Anschlag auf denselben, da er
seine Frau vergewaltigt hatte. Das Attentat auf den Kaiser schlägt aber fehl. Ezio, der zu
seiner Liebe steht und Onoria ausgeschlagen hat, gerät in Verdacht und wird verhaftet. Auf
Bitten Fulvias und Onorias läßt Valentiniano den Feldherrn wieder frei, ordnet aber seine
heimliche Ermordung durch Varo an. Da inzwischen der beauftragte Kaisermörder seinen
Mordanschlag gestanden hat, lenkt Onoria den Verdacht auf Massimo, worauf dieser aufsteht,
um den Kaiser selber zu erstechen. Da taucht der lebende, von Varo nicht getötete Ezio auf
und verhindert die Ermordung des Kaisers, der daraufhin ihn und sogar Massimo begnadigt.
Er verzichtet auf Fulvia und bleibt in diesem Lieto fine, wie auch seine Schwester Onoria, die
Ezio ebenfalls liebte, allein.
Die Oper zeichnet sich durch viele spannende Secco-Rezitative aus, die die Handlung immer
kurz vorantreiben. Dazwischen befinden sich meist längere Arien, alle mit Wiederholung des
ersten Teils, die oft sehr empfindsam dahinplätschern. Einige Juwelen befinden sich aber auch
darunter, besonders wenn sie so erfrischend gespielt werden wie vom stark reduzierten
Frankfurter Museumsorchester, das mit kaum Vibrato aber umso größerer Verve unter dem
Dirigent Christian Curnyn agiert, der schon einige Preise mit diversen Barockensembles
eigeheimst hat.
Beim Regieteam mit Vincent Boussard (Inszenierung), Kaspar Glarner (Bühnenbild),
Christian Lacroix (Kostüme), Joachim Klein/Licht und Bibi Abel/Video haben sich die
Ideen anscheinend gegenseitig etwas neutralisiert, so dass die großen Akzente in der
szenischen Umsetzung fehlten. In einem zur Bühne etwas versetzten rechteckigen Raum, der
aber meist nach rechts offen war, spielten sich die vielen Szenen ohne Innen-Interieur außer
einer kleinen weißen Bank ab. Zu Beginn soll eine Videoprojektion mit vielen Stuka-Fliegern
wohl die Hunnenschlacht nach heute holen, danach nur reduzierte Projektionen und
Schattenspiele, und zweimal fährt ein ominöses Eisenteil von oben herab, das auch seine
Schatten wirft. Durch verschiedene, manchmal abrupte Beleuchtungswechsel soll der Raum
Suggestion bekommen. Eine solche wird aber durch die hochpompösen Barockroben der
Damen erreicht, die sich in dem minimalistischen Raum spektakulär abheben.
Die Hofwache Valentinianos wird durch die Statisterie verkörpert, die in unisex schwarzen
heutigen Gewändern, versetzt schreitend, Ezio einmal nach rechts, einmal nach links
hinausgeleitet. Der Varo wird fast etwas ironisch (auch vor dem Decker) von Simon Bode mit
schlankem Tenor gezeichnet. Den Massimo gibt Beau Gibson mit wunderbar biegsamem
feinem Tenor, dem man auch gern noch bei seinen längsten Arien zuhört.
Seine Mordintention wird beim eher sanften Charakter nicht evident, da seine Frau auch gar
nicht namentlich erwähnt wird. Die Onoria wird vom Frankfurter Neuzugang Sofia Fomina
mit süßem, gut prononciertem Soparan gesungen. Leider ist sie aber nur mit kurzen Phrasen
vertreten. Den Ezio singt Sonia Prina mit männlich timbriertem sonorem Alt und einige
gespickte Koloraturen in den Arien mit ihrem sehr flexiblem Organ. Obwohl von kleiner
Statur, bringt sie ihre Ziele mit konstanter Robustheit durch, wobei ihr stilisierter Brustpanzer
nochmal die Herkunft ihrer voluminösen Töne betont.
Den Valentiniano gibt Max Emanuel Cencic mit zuerst etwas blassem, dann sich stark
belebendem hohem Countertenor. Der kleine, verschlagen aber auch schwächlich wirkende
Kaiser, fast verhüllt in einem prächtig wallenden roten Mantel beglaubigt das mit manchnmal
fast ironisch wirkenden, die phänomenale Bandbreite seines Counters betonenden
Gesangsphrasen.
Paula Murrihy ist die Fulvia und überzeugt hier wieder einmal mit samt-brokatenem
Mezzo, der sich in die Gehörgänge geradezu einwindet.
Bei ihrer stückbedingten eher passiven Grundhaltung wirkt ihr Gesang umso einnehmender,
was die Figur zusätzlich interessant macht.
Friedeon Rosén
DIE-DEUTSCHE-BUEHNE.DE, 11_2013
www.die-deutsche-buehne.de_November_13
http://www.die-deutschebuehne.de/Kritiken/Musiktheater/Christoph+Willibald+Gluck+Ezio/Trag%C3%B6die+purer+Emotione
n
Tragödie purer Emotionen
Von Wolf-Dieter Peter
Christoph Willibald Gluck: Ezio
Premiere: 10.11.2013
Theater: Oper Frankfurt
Homepage: http://www.oper-frankfurt.de
Regie: Vincent Boussard
Musikalische Leitung: Christian Curnyn
Als „Kostbarkeit des Randrepertoires“ erlebte Intendant Bernd Loebe eine
konzertante Aufführung von Christoph Willibald Glucks „Ezio“ in Wien. Werk wie zwei
Protagonisten beeindruckten ihn so, dass er mit eben diesen beiden Solisten die
Frankfurter Erstaufführung auch szenisch wagen wollte.
Das 1750 für Prag komponierte und dann für Wien überarbeitete Werk zeigt nämlich
Gluck an einer spannenden Wegemarke seines Schaffens: noch der barocken
Nummern-Oper mit einigen virtuosen Arien verhaftet, doch schon hörbar intensiv
bestrebt, die Dramatik der Handlung über alle Gesangsartistik dominieren zu lassen
– also hat er den Rezitativen breiteren Raum eingeräumt und dabei aus Metastasios
glänzendem Libretto die politischen Winkelzüge, die verbalen Intrigen und
berechnenden Emotionen herausgearbeitet. Folglich müssen die sechs
Hauptpersonen fast schon wie Figuren im modernen Musiktheater ihre Positionen
agierend und reagierend gestalten, schon vom „secco“ zum „accompagnato“ steigern
und „dürfen“ dann erst als Höhepunkt der Szene ohne große orchestrale Einleitung in
ariosen Gesang ausbrechen. Das gelang nach einer noch etwas steifen
„Anwärmphase“ zunehmend überzeugend. Dirigent Christian Curnyn animierte das
kleine Barockorchester heftig, das Presto der Rache-Arien machtfixierter Mannsbilder
fegte dahin und in herzanrührendem Kontrast klagte dann die Barockoboe über die
Verführbarkeit des Menschen wie des Volkes. Denn neben aller Dramatik hat Gluck
nicht nur Fiorituren und Koloraturen perfekt genutzt: der neurotisch machteitle, mal
unter Verfolgungswahn leidende, mal intrigant berechnende Kaiser Valentiniano von
Countertenor Max Emanuel Cencic führte dies atemberaubend vor und so entstand
eine vokale Mischung aus Nero und Caligula. Viel mehr noch berühren aber die
Arien, in denen Gluck vom Scheitern, von Verzweiflung und vom barocken
„menschlichen Elende“ singen lässt, wenn Ezio seine und die ihn liebende Fulvia ihre
ruinierte Liebe beklagen – das gelang zum einen Sonia Prina in der Kastratenrolle
des Ezio mal heftig, mal eindringlich. Alle überragte aber Mezzosopran Paula
Murrihys Fulvia: vom Kaiser begehrt, vom gedemütigten Vater zur Kaiser-Mörderin
instrumentalisiert, von Ezio in Frage gestellt, von der eifersüchtigen KaiserSchwester beneidet, ist sie die humane Identifikationsfigur, deren zarte „aura
amorosa“ ins Herz trifft – die heimliche Heldin, von einem männerdominierten
Politiksystem ausgebeutet und seelisch gebrochen. Zu Recht ein „Brava!“-Sturm
inmitten aller hochklassigen Kollegen.
Für diese Macht- und Liebesintrigen um den historischen Attila-Bezwinger AetiusEzio hat das Bühnenteam teils faszinierende Lösungen gefunden. In Christian
Lacroixs fulminant übersteigerten Traum-Roben zwischen Haute Couture und
Barock-Kostüm bekamen die Figuren eine Grandezza, die ihnen exemplarischen
Charakter und dramatische Fallhöhe verlieh. Kaspar Glarners puristische Bühne mit
zwei, drei gegeneinander verschiebbaren, kahlen Wänden beschwor die Kühle und
Verlorenheit von Menschen im Spiel der Macht und in ihren gelungenen Partien
erreichte auch Vincent Boussards Regie die strenge Größe der klassischen
„Tragédie lyrique“, erinnerte sogar momentweise an die pure Größe der KlassikerInszenierungen des Traum-Duos Chéreau-Peduzzi. Glarners zusätzliches
Bühnenraffinement, einen matt spiegelnden Boden, nutzte Bibi Abels dezent dunkles
Live-Video zur ergänzenden, multiperspektivischen Projektion der Bühnenaktion auf
die Rückwand, was die Personen einmal mehr zu gesichtslosen Schachfiguren im
Gerangel degradierte. Daneben erschienen nur genannte, auf- oder abtretende
Figuren in Joachim Kleins überlegt ausgeklügelter Lichtregie als überlebensgroßer
Schattenriss auf den Wänden – einmal mehr die Dominanz von Machtfiguren
visualisierend. Wenn Boussard seine Personen zu einem fast dreistündigen
Feuerwerk an klassisch überhöhter Expressionen hätte formen können, etwa mit
Hilfe eines der Bühnenaktion nur dienenden Bewegungschoreographen – der
wiederholt erzielte gleichsam zeitlose Gleichnischarakter hätte noch stärker gewirkt.
So blieb als inszenierter Schlusseindruck die Wandlung in ein surreales Museum, in
dem eine Gruppe heutiger Besucher die sechs Hauptfiguren nur noch wie Statuen
der Ausstellung sah – doch zuvor war Gluck und Phasen der Inszenierung mehr
entlarvender Bezug zum Hier und Heute aller Politik gelungen.
NMZ_DE, 11_2013
www.nmz.de_November_13
http://www.nmz.de/online/tragoedie-purer-emotionen-frankfurts-oper-zeigt-mit-ezio-gluck-aufdem-weg-zur-opernreform
Tragödie purer Emotionen – Frankfurts Oper zeigt mit
„Ezio“ Gluck auf dem Weg zur Opernreform
(nmz) Als „Kostbarkeit des Randrepertoires“ erlebte Intendant Bernd Loebe eine konzertante
Aufführung von Christoph Willibald Glucks „Ezio“ in Wien. Werk wie zwei Protagonisten
beeindruckten ihn so, dass er mit eben diesen beiden Solisten die Frankfurter Erstaufführung
auch szenisch wagen wollte.
11.11.2013 - Von Wolf-Dieter Peter
Das 1750 für Prag komponierte und dann für Wien überarbeitete Werk zeigt nämlich Gluck
an einer spannenden Wegemarke seines Schaffens: noch der barocken Nummern-Oper mit
einigen virtuosen Arien verhaftet, doch schon hörbar intensiv bestrebt, die Dramatik der
Handlung über alle Gesangsartistik dominieren zu lassen – also hat er den Rezitativen
breiteren Raum eingeräumt und dabei aus Metastasios glänzendem Libretto die politischen
Winkelzüge, die verbalen Intrigen und berechnenden Emotionen herausgearbeitet.
Folglich müssen die sechs Hauptpersonen fast schon wie Figuren im modernen Musiktheater
ihre Positionen agierend und reagierend gestalten, schon vom „secco“ zum „accompagnato“
steigern und „dürfen“ dann erst als Höhepunkt der Szene ohne große orchestrale Einleitung in
ariosen Gesang ausbrechen.
Das gelang nach einer noch etwas steifen „Anwärmphase“ zunehmend überzeugend. Dirigent
Christian Curnyn animierte das kleine Barockorchester heftig, das Presto der Rache-Arien
machtfixierter Mannsbilder fegte dahin und in herzanrührendem Kontrast klagte dann die
Barockoboe über die Verführbarkeit des Menschen wie des Volkes. Denn neben aller
Dramatik hat Gluck nicht nur Fiorituren und Koloraturen perfekt genutzt: der neurotisch
machteitle, mal unter Verfolgungswahn leidende, mal intrigant berechnende Kaiser
Valentiniano von Countertenor Max Emanuel Cencic führte dies atemberaubend vor und so
entstand eine vokale Mischung aus Nero und Caligula.
Viel mehr noch berühren aber die Arien, in denen Gluck vom Scheitern, von Verzweiflung
und vom barocken „menschlichen Elende“ singen lässt, wenn Ezio seine und die ihn liebende
Fulvia ihre ruinierte Liebe beklagen – das gelang zum einen Sonia Prina in der Kastratenrolle
des Ezio mal heftig, mal eindringlich. Alle überragte aber Mezzosopran Paula Murrihys
Fulvia: vom Kaiser begehrt, vom gedemütigten Vater zur Kaiser-Mörderin instrumentalisiert,
von Ezio in Frage gestellt, von der eifersüchtigen Kaiser-Schwester beneidet, ist sie die
humane Identifikationsfigur, deren zarte „aura amorosa“ ins Herz trifft – die heimliche
Heldin, von einem männerdominierten Politiksystem ausgebeutet und seelisch gebrochen. Zu
Recht ein „Brava!“-Sturm inmitten aller hochklassigen Kollegen.
Für diese Macht- und Liebesintrigen um den historischen Attila-Bezwinger Aetius-Ezio hat
das Bühnenteam teils faszinierende Lösungen gefunden. In Christian Lacroixs fulminant
übersteigerten Traum-Roben zwischen Haute Couture und Barock-Kostüm bekamen die
Figuren eine Grandezza, die ihnen exemplarischen Charakter und dramatische Fallhöhe
verlieh. Kaspar Glarners puristische Bühne mit zwei, drei gegeneinander verschiebbaren,
kahlen Wänden beschwor die Kühle und Verlorenheit von Menschen im Spiel der Macht und
in ihren gelungenen Partien erreichte auch Vincent Boussards Regie die strenge Größe der
klassischen „Tragédie lyrique“, erinnerte sogar momentweise an die pure Größe der
Klassiker-Inszenierungen des Traum-Duos Chéreau-Peduzzi.
Glarners zusätzliches Bühnenraffinement, einen matt spiegelnden Boden nutzte Bibi Abels
dezent dunkles Live-Video zur ergänzenden, multiperspektivischen Projektion der
Bühnenaktion auf die Rückwand, was die Personen einmal mehr zu gesichtslosen
Schachfiguren im Gerangel degradierte. Daneben erschienen nur genannte, auf- oder
abtretende Figuren in Joachim Kleins überlegt ausgeklügelter Lichtregie als überlebensgroßer
Schattenriss auf den Wänden – einmal mehr die Dominanz von Machtfiguren visualisierend.
Wenn Boussard seine Personen zu einem fast dreistündigen Feuerwerk an klassisch
überhöhter Expressionen hätte formen können, etwa mit Hilfe eines der Bühnenaktion nur
dienenden Bewegungschoreographen - der wiederholt erzielte gleichsam zeitlose
Gleichnischarakter hätte noch stärker gewirkt. So blieb als inszenierter Schlusseindruck die
Wandlung in ein surreales Museum, in dem eine Gruppe heutiger Besucher die sechs
Hauptfiguren nur noch wie Statuen der Ausstellung sah – doch zuvor war Gluck und Phasen
der Inszenierung mehr entlarvender Bezug zum Hier und Heute aller Politik gelungen.
RHEIN-NECKAR-ZEITUNG, 11_2013
Rhein-Neckar-Zeitung_Heidelberg_Autorenversion_November_13
Gelungene Wiederentdeckung
Glucks „Ezio“ an der Oper Frankfurt
Von Bernd Zegowitz
Christoph Willibald Gluck? Bedeutendster Opernkomponist der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
Bekannt geworden durch seine Reformopern. Wichtigste Werke: Alkestis, Orpheus und Eurydike
und die beiden Iphigenies, die in Aulis und die bei den Taurern. In die Literatur eingegangen durch
die Erzählung „Ritter Gluck“ von E.T.A. Hoffmann. Ja, ja und einer der, Reform hin, Reform her, oft
staubtrocken und marmorhaft-kühl klingt.
Doch es gibt auch noch einen Gluck vor der Reform, der bisher kaum jemanden interessiert hat.
Einen, der das starre Modell des opera seria Metastasios getreu in Musik gesetzt hat, der sich einen
Teufel um Glaubwürdigkeit und Psychologie schert. Und großartige Musik geschrieben hat. Die Oper
Frankfurt hat sich einem dieser frühen Werke angenommen, dem 1750 uraufgeführten dreiaktigen
„Ezio“. Sie hat einen soliden Kunsthandwerker als Regisseur verpflichtet (Vincent Boussard), einen
exklusiven Modedesigner als Kostümbildner gewonnen (Christian Lacroix) und eine glänzende
Sängerbesetzung gecastet, angeführt vom fabelhaften Max Emanuel Cencic.
Und mit diesen, also den Sängern, steht und fällt jede Aufführung, gerade weil sie ein Wechselbad
der Gefühle durchleben müssen, denn: Der Patrizier Massimo will sich am römischen Kaiser
Valentiniano rächen, da dieser einst Massimos Frau vergewaltigt hat. Dessen Tochter Fulvia soll
den Kaiser heiraten, um diesen leichter ermorden zu können. Doch Fulvia liebt den siegreichen
Feldherren Ezio, der wiederum der Schwester des Kaisers versprochen ist. Zuletzt verzeiht der
Kaiser allen und verzicht zugunsten Ezios auf Fulvia, so geht das eben in der opera seria, das
happy end muss her, irgendwie.
Sonia Prina singt den nicht uneitlen, bisweilen arroganten Titelhelden, der aber auch tapfer, treu
und redlich ist, mit wunderbar variabler Stimme in den lyrischen und gestochen scharfen
Koloraturattacken in den dramatischen Passagen. Der Countertenor Cencic gibt den paranoiden
Kaiser mit einer Mischung aus Brutalität, Narzissmus und Verletzlichkeit, mit feinsten piani und
auftrumpfenden Ausbrüchen, mit kalter Hinterhältigkeit und falscher Zuneigung. Die beiden
Frauenfiguren sind dagegen die Vertreter echter Menschlichkeit, die zwar zeitweise am
menschenunwürdigen Geschacher zugrunde zu gehen scheinen, deren humanistische Ideale sich
am Ende jedoch durchsetzen. Paula Murrihy (Fulvia) und Sofia Fomina (Onoria) singen sie mit
starker Unbedingtheit und großer Klarheit.
Vincent Boussard hat sich von Kaspar Glarner eine schlichte, durch verschiebbare Wände
bewegliche Bühne bauen lassen, die nur spärlich mit Requisiten ausgestattet ist. Eine Ausnahme
bilden die vielen kleinen, mittleren und großen Imperatorenstandbilder, die das schwankende
Selbstbild des Kaisers spiegeln. Die kunstvoll stilisierten Kostüme, die sparsam eingesetzten
Lichtveränderungen (Joachim Klein), die dezenten Videoeinspielungen (Bibi Abel) und die
reduzierte Personenführung erklären nicht viel, vermitteln Stimmungen, deuten an und lassen vor
allem die Musik zu Wort kommen. Der Dirigent Christian Curnyn und das Orchester nutzen den
Freiraum, zeigen Gluck als virtuosen Komponisten, der wild und affektgeladen schreibt, mit
chromatischen Wendungen und Tempiwechsel irritiert und eine hochkomplexe Seelenlage
musikalisch adäquat umsetzt. Einen ungewohnten Gluck lernt man in Frankfurt kennen. Die
Bekanntschaft lohnt sich.
Oper Frankfurt; Kartentelefon: 069/21249494; nächste Vorstellungen:
14./17./22./24./29.11./7.12.2013 http://www.oper-frankfurt.de
FRANKFURTER RUNDSCHAU, 01_11_2013
BERLINER ZEITUNG, 05_11_2013
FRANKFURTER ALLGEMEINE, 06_11_2013
BILD, 07_11_2013
CONCERTCLASSIC,
Dienstag, 12. November 201307_11_2013
Kultur
Verwicklungen mit Tiefgang
Frankfurter Erstaufführung von Glucks »Ezio« begeistert
Das Publikum war gebannt:
Drei Stunden Abtauchen in eine
andere Welt, das gelingt der neuen Produktion der Oper Frankfurt mit Christoph Willibald
Glucks Oper »Ezio«. Als Komponist von »Orfeo ed Eurydice« ist
Gluck (1714 - 1787) auf den Bühnen präsent, doch in seinem zehn
Jahre früher entstandenen Dreiakter »Ezio« betrat Frankfurt in
der Erstaufführung am Sonntag
relativ unbekanntes Land. Umso
höher zu bewerten ist die Inszenierung des Franzosen Vincent
Boussard, der aus dem Stoff vor
dem Hintergrund des römischen
Sieges über die Hunnen im 5. Jh.
n. Chr. eine rundum bühnentaugliche Präsentation machte.
Die Teamarbeit erschien homogen: Das im ersten Teil abstraktästhetische Bühnenbild von Kaspar Glarner erhält poesievolle,
durch Beleuchtung, Schattenspiele und Projektion hintergründige Qualität, quasi als Vorbereitung zur dramatischen Klimax im zweiten Teil. Hier – im
Inneren des Palastes – geht es
zwischen Augustus-Statuen aller
Größen konkreter zur Sache:
Harte Konfrontationen, Ver- und
Entwickungen wechseln sich ab,
bis sich letztendlich das Vexierspiel um Liebe, Macht, Intrigen
und Verrat im Sieg des Guten
auflöst. Die gelungenen Kostüme
von Modeschöpfer Christian Lacroix, das ausgeklügelte Licht
von Joachim Klein und die Videoarbeit von Bibi Abel unterstreichen die Handlung.
Patrizier Massimo will sich an
Kaiser Valentiniano rächen, der
einst Massimos Frau vergewaltigt hat. Tochter Fulvia soll den
Kaiser heiraten, um den Sühnemord zu begehen. Doch Fulvia
liebt den Hunnenbesiger Ezio,
der aber Onoria, die Schwester
des Kaisers, heiraten soll. Als
Massimos Mordanschlag auf Valentiniano misslingt, lenkt der
Patrizier den Verdacht auf den
Feldherrn Ezio. Nun will der
Dramatik vor der Augustus-Statue: Valentiniano (Max Emanuel Cencic, l.) schleudert die edle LacroixGarderobe, während Massimo (Beau Gibson) Fulvia (Paula Murrihy) fest im Griff hat. (Foto: Aumüller)
Kaiser den vermeintlichen Widersacher aus dem Weg räumen
lassen. Die Nachricht von Ezios
gewaltsamem Tod wird verkündet. Massimo hetzt das Volk gegen den Kaiser auf, der schließlich durch den in Wahrheit noch
lebenden Ezio gerettet wird. Der
Kaiser verzeiht allen und verzichtet zugunsten seines Feldherrn Ezio auf Fulvia.
Gezeigt wird »Ezio« in der Fassung von 1750. Da herrscht noch
barocker Geist mit ausgedehnten
Da-capo-Arien, doch die Nummernabfolge erscheint aufgelockert und den Gefühlsregungen
der Agierenden wird in Text und
Musik viel Raum gegeben. Die
Stärke der Regie ist psychologisch einsichtige, gleichzeitig effektvolle Personenführung. Dass
sich der britische Dirigent Chris-
tian Curnyn (er debütierte vor
zwei Jahren im Bockenheimer
Depot mit »La Calisto« von Cavalli) in den musikalischen
Schattierungen des 18. Jahrhunderts traumhaft sicher bewegt,
erwies sich in sensibler Klanggebung durch das Opern- und Museumsorchester. Das Kammerensemble gefiel mit weichen barocken Bläsern und durchsichtigem Streicherklang. Es bot kein
zackiges Hochbarock, sondern
erinnerte eher an das spätere
Gluck-Klangbild, vergleichbar
dem »Che puro ciel« im 2. Akt
von »Orfeo«.
Mit zwei Stars ihres Fachs sind
Kaiser und Feldherr besetzt:
Countertenor
Max
Emanuel
Cencic, vielfach ausgezeichneter
Interpret von Kastratenrollen
des Barocks, bestach mit spezi-
fisch mezzogetöntem Timbre
und spielte den narzisstischen
Machtmenschen
Valentiniano
suggestiv. Den moralisch unbeugsamen Feldherrn Ezio gab
Sonia Prina mit unverwechselbarem »Helden-Alt«, den sie zusammen mit ihrem beweglichen
Spiel schon einmal in Frankfurt
als Vivaldis »Orlando furioso« ins
beste Licht gerückt hatte. Bemerkenswert die durchweg hohe
Qualität der Ensemblemitglieder: Paula Murrihy (Mezzosopran) als wahrhaft starke Frau
Fulvia, die junge Sofia Fomina
als Kaiserschwester Onoria mit
blitzblank geführtem Sopran,
Beau Gibson mit für den
Macchiavelli Massimo fast zu
schönem Tenor, und Simon Bode
(Tenor) als Sympathieträger Varo.
Olga Lappo-Danilewski
SWR-2 JOURNAL,
Nummer 263 - 07_11_2013
Seite 8
Beitrag SWR2 „Böhmer Max Emanuel Cencic an Oper Ffm“, 7. November 2013
chauspielhaus
Hamburg:
Anmod.:
lle Premieren verspätet
Er zähltdem
zu den
besten Countertenören
derzeit: Max Emanuel Cencic
pa). Nach
Baustellenunfall
am
mburger Schauspielhaus muss das Thea(Zentschitsch)
hat bereitsim
mitGroßen
Alte Musik-Experten wie William Christie,
seine gesamte
Spielplanung
s umstellen.
Die
Eröffnungspremiere
René Jacobs, Jean-Christophe Spinosi und Emmanuelle Haim
e Rasenden« von Intendantin Karin Beist nunzusammengearbeitet,
für den 18. Januar für
geplant.
»Im
CD-Einspielungen
Auszeichnungen bekommen
rtblock zu stehen und nicht loslegen zu
undistsich
aufleicht«,
den wichtigsten
Bühnen
nen, das
nicht
sagte Beier
am der Welt einen Namen gemacht.
ntag. Ende Oktober war der eiserne VorNun ist Max Emanuel
Cencic
an der Oper Frankfurt zu Gast: In der
g bei Bauarbeiten
nach oben
geschnellt
die Gegengewichte
den von
Bühselten gespielten hatten
Oper „Ezio“
Christoph Willibald Gluck singt er den
boden zerschlagen.
eshalbbösartigen
musste dieKaiser
für den
15. November
Valentiniano
III. Am kommenden Sonntag ist um 18.00
ante Eröffnungspremiere verschoben
Uhr für
Premiere
- Ursula Böhmer
hat Max Emanuel Cencic bereits
den. Wer
den Schaden
aufkommen
s, werden wohl Gerichte klären müssen.
getroffen.
r eiserne Vorhang kann repariert wer«, sagte Geschäftsführer Peter Raddatz.
Bauschaden
liege
bei
rund
000 Euro, der Vermögensschaden wegen
Abmod.:
Ausfalls
von Vorstellungen und der Antung von Ausweichquartieren betrage
Ursula
Böhmer
hat den
Countertenor
d 1,5 Millionen
Euro.
Diese
Summe Max Emanuel Cencic getroffen, der
sten das Schauspielhaus und die Kulamvorstrecken,
Sonntag an bis
der geklärt
Oper Frankfurt
behörde
sei, werzu hören ist, in der Neu-Produktion
den Schaden
zahlen
muss.
von Christoph Willibald Glucks Oper „Ezio“. Beginn der Vorstellung ist
ach der Eröffnungspremiere im großen
s folgen
neuen
umim
18.00
Uhr.Jahr »Der Sturm« am
Januar (Regie: Maja Kleczewska) und
e Ballade vom Fliegenden Holländer«
8. Februar
– inszeniert
Sebastian
Beitrag SWR2
„Böhmer von
Max Emanuel
Cencic Oper Ffm“,
mgarten. Beiers für den 11. Januar gente zweite
Premiere,
Musik Artaserse
CD1 »Pfeffersäcke
no 5, Arie (12 Sek) im
kerland und Strahlende Verfolger« von
Bewegliche
Stimmbänder,
metallischer Schimmer im weichen
iede Jelinek, wird auf einen späteren
punktStimmklang:
in der Spielzeit
verschoben.
Max Emanuel Cencic (Zentschitsch) zählt nicht umsonst zu
den gefragtesten Countertenören derzeit. Geboren in Zagreb, wuchs der
Barbara
Sukowa
Sohn einer Opernsängerin und eines Dirigenten als typisches
ausgezeichnet
Theaterkind
auf.
pa). Die
Schauspielerin Barbara SukoCencic
ist mit
Hauptpreis
Braun5’46)dem
Das hat
mir dann auch des
die Kraft
gegeben, selber zu malen und mir Inszenierungen
weigervorzustellen
Filmfestes
– undausgezeichnet
das war mir als Kindworwichtig, in diese Welt der Fantasie zu
Die 63-Jährige
wurde
vor
allem
durch
verschwinden und nicht nur in eine banale Welt der Kindheit, mit Autos und Puppen etc – 1
Zusammenarbeit
mit
den
Regisseuren
das hatte eine andere Form und das hat mich schon sehr angezogen (6’18)(32 Sek)
ner Werner Fassbinder und Margarethe
Trotta bekannt. Sukowa erhielt den mit
Cencic besuchte
Proben
und Werkstätten - und sang nach, was er so
00 dotierten
Preis für
herausragende
auspielerische
und der
Verdienshörte. SoLeistungen
auch die Partie
„Königin der Nacht“, die ihm sein Vater
m die europäische Filmkultur.
er ebenfalls
mitkindgerecht
10 000 Euro
dotierte – was den damals gerade mal
schließlich
umarrangierte
likumspreis Der Heinrich ging an den
Fünfjährigen
offenbar
beflügelte:
en Dan Hartley für seinen Film »Lad:
orkshire
story«,
deutsch-französiCencic
(ab 4’26der
bis 5’04)
e Jugendfilmpreis
»Kinema«
an diemeiner
Pro-Mutter, bin ich zum Regisseur gegangen und
Irgendwann, nach
einer Vorstellung
tion »Suzanne«
Regisseurin
Katell Und die haben alle gelacht beim Buffet - da
hab gesagt, du,von
ich möchte
bei dir vorsingen!
llévéré.
wurde
»Der
Leo« für
hatAußerdem
der gesagt, was
willst mir
vorsingen?
Da hab ich gesagt, ich werde dir die „Königin der
Zusammenspiel
vonHat
Bild
und Musik
Nacht“ vorsingen.
er gesagt,
das mussin
ich mir anhören. (4’42) Und dann sind die alle
m Kurzfilm
vergeben.
Diesen
Preis
er-ich hab ihm das dann vorgesungen, da hat er
auf die Bühne
gegangen
und (4’45…
4’53)
ten Regisseur
Cady und
Sounddegesagt: DasBen
ist ja supertoll,
das gefällt
mir. Ich mache eigentlich auch ein Kinderprogramm
er Joeim
Gilder
für wo
den
Fernsehen,
ichbritischen
moderiere, daBeitrag
solltest du unbedingt auftreten! (30 Sek)
omalies«.
Und das tat Cencic mit Erfolg – weitere Auftritte, auch an der Oper
omputerkunst
im
Fokus
Zagreb, folgten. Den
ersten
„richtigen“ Gesangunterricht erteilte ihm die
pa). Kunst
Mausklick:
Beim
Festival
Mutterper
– was
auf Dauer
allerdings
nicht unproblematisch war:
etart in Dresden zeigen vom 14. bis 20.
emberCencic
im Festspielhaus Hellerau mehr
6’58) Ist immer problematisch
natürlich.
Die Eltern-Kind-Beziehung – ich kenne kaum
100 Medienkünstler
aus dem
In- und
jemanden,
der keine Spannungegn
seinen Eltern hätte. (7’07…7’30) Ab einem
land ihre Arbeiten.
Es werdenmitauch
Punkt
muss man sich
halt emanzipieren – entweder man gewinnt diesen
te ausgewissen
Kanada,
Hongkong
unddann
Ägypten
artet. Kampf oder nicht. Es gibt halt viele Ausgangsvariationen. Bei mir wars halt so, dass ich
habe:
Abstinenzfür
– ich
will das jetzt alleine machen und vielen Dank, was bisher
ynetartgesagt
ist ein
Festival
»computergepassiert ist,
müssen wir mal getrennte
zte Kunst«
– aber
alsojetzt
künstlerische
Aus- Wege gehen und das war für mich gut so.
(7’56)(35
cksformen,
dieSek)
unter Mithilfe von Rechn und anderer Technik entstehen. Unter
Slogan »Metabody« bietet das Festival
Bei den Wiener
Sängerknaben
und später im Studium in Wien und
2
en Performances,
Konferenzen
und AusungenAmerika
auch experimentelle
Konzerte,
bekam Max Emanuel Cencic weitere Anregungen. Da sich der
prächsrunden und Workshops. Veranter istStimmbruch
die Dresdner
bei Trans-Media-Akaihm nur auf die Sprechstimme, nicht aber auf die
ie. Computerkunst sei heute breitenauswirkte,
ksamerGesangsstimme
als noch in den
1990er konnte
Jahren,er noch bis zu seinem 19. Lebensjahr
e Festivalchef Thomas Dumke.
Sopran singen. Dann machte Cencic erst mal Pause, studierte
Internationale Wissenschaften – bevor er sich in die Sängerszene
zurückmeldete, nunmehr als Countertenor. Nach wie vor ein
polarisierendes Stimmfach: Dumme Sprüche kennt Cencic auch aus
seinem Bekanntenkreis:
Cencic
flosigkeit
ha-Kollege von mir hat in Spanien einmal eine Opernproduktion gemacht und da
6’09) Ein
r seinschrieb
Leben
eine Kritikerin, dass er sich schämen solle für die Stimme, die er hat und dass er in
gelitten,
sagteschmoren wird! (Lacht) Geschmäcker sind unterschiedlich, das muss man halt
der Hölle
tor Peter
Gey- (6’25)(16 Sek)
akzeptieren!
in Vertrauter
Familie
Musikvon
CD1 no 4, ab 0’37 bis 0’47 Arie (10 Sek)
w. »Er konnte
Gut,Geist
dass Max Emanuel Cencic hörbar nicht in der „Hölle schmort“ – das
n hellen
einfach ausaber
der Figur blühen, die er nun an der Oper Frankfurt
en.« Und könnte
so
nn er,verkörpern
in der wird: Als fieser Kaiser Valentiniano bringt er Feldherr Ezio in
t zu zeichnen.
Vicco von Bülow
htschattengeGlucks gleichnamiger Oper in Bredouille. Man darf gespannt sein, was
se« hat er die
Cencic
der entstanden
Partie machen
e genannt,
dieaus
dabei
undwird.
die
der Höhepunkt der Münchner Ausstel(Otöne, Musik: 2‘15; Text: 1’30)
sind.
zeigen einen Loriot, wie man ihn nie
gesehen hat. Einen etwas dunkleren,
FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG, 08_11_2013
DEUTSCHLANDFUNK KULTUR HEUTE, RADIO_DE, 11_11_2013
Deutschlandfunk_Kultur_heute_11.11.13_17.36_Uhr
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kulturheute/2317115/
dradio.de
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kulturheute/2317115/
KULTUR HEUTE
11.11.2013 · 17:35 Uhr
"Ezio" feierte Premiere an der Oper Frankfurt (Bild: Rui Camilo)
Kostümpracht und
Schattenspiele zum Ringen um
Macht
Christoph Willibald Glucks "Ezio" in einer
Inszenierung von Vincent Boussard an der
Oper Frankfurt
Von Frieder Reininghaus
Trotz einzelner guter Leistungen, Kostümen von Christian Lacroix und einer edlen
Choreografie bleibt die Premiere der Oper "Ezio" in Frankfurt nicht makellos. Es
fehlt der Bruch des schönen Scheins, findet unser Kritiker Frieder Reininghaus.
Eine kleine Cäsaren-Figur wartet während der Ouvertüre auf der leeren Bühne. Später sind es
viele und große Statuen des Imperators. Am Ende eine ganze Museumslandschaft. Und da
Sonia Prina in der Hosenrolle des Feldherrn Ezio im ersten Akt ausgiebig vom besonders
nachhaltigen Einsatz im Nordosten des römischen Reichs berichtet und wie man dort Ströme
von Hunnenblut vergossen habe, zeigen Video-Zuspielungen einen dunklen Himmel voller
moderner Kampfflugzeuge - streng stilisiert und als rein ästhetische Folge von Formen und
Bewegungen. Eine edle Choreografie.
Edel erscheinen auch die Kostüme, die nun aber keine historische Verortung mehr zulassen.
Mancher Protagonist trägt feines Tuch unserer Gegenwart; der sinister auf Rache sinnende
Beau Gibson als Massimo z.B., der seine in ein Kleid der viktorianischen Ära gezwängte
Tochter Fulvia wie selbstverständlich für seine intriganten Pläne einspannt, oder der dem
Kaiser fast bedingungslos dienstbare Varo, der im Anzug eines Museumsbediensteten die
Weisungen ausführt. Ezios Ausgehrock scheint aus der Mode des 18. Jahrhunderts abgeleitet,
die Robe der Nr. 1 von antiken Abbildungen. "Zum Singen schön" titelte die
wirkungsmächtigste Frankfurter Tageszeitung schon vorab: Der Modeschneider Christian
Lacroix scheute auch die Nähe zum Sandalenfilm und dessen Parodierung durch Comics nicht.
Doch die erborgte Würde war wohl ernst gemeint, ebenso wie das Countern von Max Emanuel
Cencic als übel beleumundetem spätrömischem Herrscher.
Der Regisseur Vincent Boussard, der den singenden Akteuren viel freie Hand beim outrierten
Gestikulieren ließ, arrangierte sehr aparte Licht- und Schattenspiele auf einer Wand von
Niemandsland. Zu Beginn des zweiten Teils erwachte die Regie aus ihrer Lethargie und die
Protagonisten drängten sich auf dem Bänkchen, das als Kaiserlicher Thron und Richterstuhl
dient, aber auch als Tribüne für den Angeklagten und die fulminanten Rachewallungen der
besonders umworbenen Fulvia, der die irische Mezzosopranistin Paula Murrihy das
überzeugende sängerische Engagement verleiht.
Kein Coup de Théâtre
Trotz einzelner guter Leistungen der SängerInnen geriet die von Christian Curnyn geleitete
Premiere nicht makellos. Die musikalisch-technischen Details können freilich bei den
Folgevorstellungen ausgewetzt werden, kaum aber das umstandslos aufs Fortpflanzen von
schönem Schein, das heißt: guter Miene zum üblen Spiel des Dramas, angelegte
Bebilderungskonzept.
Zwar verweist das Programmheft mit einem Zitat von Peter Sloterdijk darauf, dass "überall,
wo sich Adelsherrschaft, Monarchie und Staatlichkeit etablierten, [...] in den
Herrschaftsfamilien ein intensives Arroganztraining" einsetzte. Diesen klugen Gedanken hätte
man nun gerne auf der Bühne gesehen, also einen heutzutage sinnvollen Umgang mit der
Akkumulation von Arroganz - z.B. durch Ironisierung aufgeblasener Machthaber, durch deren
Abwahl oder allfällige Aburteilung. Aber dem durch die wahllos schön geschneiderten
Klamotten, die bonbonbunte augenschmeichlerische Lichtregie sowie den frühklassizistischen
Klangreiz der Musik ohnedies schon eingelullten Frankfurter Publikum wurde kein Bruch des
schönen Scheins (und schon gar kein Coup de Théâtre) für das blutig grundierte Stück
zugemutet, sondern wieder einmal Kunst über Kunst über Kunst vorgespielt: Am Ende eine
von einem modernen Ausstellungskonzept bestimmte Museumshalle, in der Cäsaren-Statuen
aufgestellt, auch waagrecht an die Wand und auf den Kopf gestellt wurden. Darunter die
schlendernden und (unerlaubt!) fotografierenden Museumsgänger, bei denen sich das SängerEnsemble als Vollzugshelferschaft der Musik einreiht.
Warum wurde z.B. statt dessen nicht die Zentrale einer politischen Partei gezeigt bei
Bekanntgabe von miserablen Wahlergebnissen und des Willens des Partei- und Staatsführers,
dennoch und um jeden Preis weiterzumachen? Oder eine entsprechende Lösung, die das
"Glück" des glücklichen Ausgangs dieser Oper ins rechte Licht rückt ...
© 2013 Deutschlandradio
BILD, 12_11_2013
FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG, 12_11_2013
FRANKFURTER NEUE PRESSE, 12_11_2013
FRANKFURTER RUNDSCHAU, 12_11_2013
Frankfurter_Rundschau_12.11.13
http://www.fr-online.de/kultur/oper--ezio--von-christoph-willibald-gluck-zuckerbrot-stattpeitsche,1472786,25008656.html
Kultur - 12 | 11 | 2013
OPER "EZIO" VON CHRISTOPH WILLIBALD GLUCK
Zuckerbrot statt Peitsche
Leuchtende Modenschau mit herrlichem Gesang: Max Emanuel Cencic als Valentiniano und Paula Murrihy als
Fulvia.
Foto: Barbara Aumüller
Von Stefan Schickhaus
Zudem gibt es viel Licht und übergroße Schatten bei Glucks Oper „Ezio“ zu sehen. Inszeniert hat das
Stück an der Frankfurter Oper Vincent Broussard. Die Kostüme stammen vom Pariser Modestar Christian
Lacroix.
Das ist das Los eines jeden Reformers: Er gilt als Befreier ab seinem Befreiungsschlag – doch was war davor?
Christoph Willibald Gluck war so ein Erneuerer. Als die strenge, standardisierte Barockoper im Sterben lag, bot er
mit seinen Reformopern die befreiende Alternative. Mit „Orfeo ed Euridice“ etwa, wo nicht mehr blutleere Helden
singen, sondern echte Menschen. 1762 war das, Gluck war da ein Mann von bereits 48 Jahren. Der natürlich
schon jede Menge Opern geschrieben hatte, strenge, standardisierte Barockopern. Die heute weitgehend aus
dem Blickfeld verschwunden sind, die allenfalls fieberhaft abgeklopft werden nach frühen Anzeichen erster
Reformgedanken. Denn ein Reformer muss doch ein Reformer bleiben. Das Altmodische eines Mannes der
neuen Mode wäre sonst nichts als ein Irrtum.
„Ezio“ heißt eine dieser Prä-Reformopern Glucks. Eine Opera seria nach einem beliebten Metastasio-Text, nicht
weniger als 43 Komponisten hatten sich an diesem Libretto versucht. Ein Text nicht ganz von der Stange, denn
der übliche moralisch integre oder zumindest lernfähige Herrscher fehlt ebenso wie der untadelige Held. Es ist ein
frühes Libretto, Metastasio war da noch „frei-schaffend“ gewesen, wie es der Frankfurter Operndramaturg Zsolt
Horpácsy formulierte, also frei von „absolutistischem Huldigungszwang“. So haben wir es hier mit einem echten
Diktator zu tun und einem Helden, dessen Arroganz unerträglich ist. Gluck – Achtung: Reformer! – mochte diese
Konstellation, doch 42 andere Komponisten mochten sie auch.
ZUM NIEDERKNIEN SCHÖN
An der Oper Frankfurt kann man „Ezio“ jetzt als das erleben, was es ist: Eine lange Oper auf dem Weg vom
Barock zum galanten Stil, die allenfalls zarte Ansätze vom Aufbrechen alter Strukturen zeigt (etwa in einigen
ariosen Momenten), die aber vor allem überaus hochwertige Musik bietet. Auch der früher Gluck war halt schon
ein Guter.
In erster Linie war der Premierenabend ein eleganter Abend. Am Pult des klein besetzten, auf historischen
Instrumenten und im Stimmton 415 Hertz musizierenden Frankfurter Opern- und Museumsorchesters stand der
Brite Christian Curnyn. Und in britischer Tradition eines Pinnock, Gardiner oder Hogwood nahm er die Musik von
ihrer galanten Seite. Englisch edel eben, nicht italienisch pfeffrig, Zuckerbrot statt Peitsche. Das klang enorm gut,
beseelt, kernig fein. Dass dieses Orchester Lust auf Barock und das entsprechende Instrumentarium hat, man
hört es sofort – so wie man einige Tage zuvor genau das Gegenteil bei einer Händel-Premiere am Mainzer
Staatstheater hörte.
Was auffällig war: Curnyn waren die Rezitative äußerst wichtig. Da wurde kaum gekürzt, da wurde auch nicht
instrumental ausgeschmückt, Oper verwandelte sich so gerne auch für zehn Minuten am Stück in Singtheater,
ganz auf den Rezitativtext konzentriert.
Hervorragend auf zurückhaltende Art präsentierte sich das Sängerensemble, das mit seinem Frankfurt-Debüt der
Countertenor Max Emanuel Cencic anführte. Groß und durchdringend ist sein Alt nicht, dafür zum Niederknien
schön und – wie für den Despotenkaiser Valentiniano nötig – dennoch mit böser Note. Diesen bösen Unterton
musste man bei Massimo, dem zweiten echten Verbrecher im Rollengefüge, mit der Lupe suchen. Beau Gibson,
seit der Spielzeit 2012/13 Tenor im Ensemble der Oper Frankfurt, klang einfach zu lyrisch, zu angenehm – ein
schwarzer Tenor zu sein, ist allerdings auch eine schwere Aufgabe. Starke Stimmen boten die beiden Rivalinnen
um die Hand Ezios, Fulvia und Onoria, gesungen von der fabelhaft intensiven Paula Murrihy und der dezenteren,
aber nicht weniger pointierten Sofia Fomina.
Den Titelhelden Ezio, eigentlich eine Kastratenpartie, übernahm in Frankfurt die italienische Altistin Sonia Prina,
eine bewährte Barocksängerin. In der Höhe leicht metallisch klingend, bietet sie eine sehr sonore Tiefe und dazu
ein erstklassiges Rollenporträt eines allzu selbstgefälligen Helden. Mit Cencic und Prina trafen hier zwei Sänger
wieder zusammen, die 2010 bei einer CD-Produktion des „Ezio“ mitwirkten, eine von gleich vier Neuaufnahmen
dieser Oper in den letzten fünf Jahren. Dort singt das ehemalige Frankfurter Ensemblemitglied Julian Prégardien
den Varo, auf der Bühne jetzt übernimmt der gleichwertig gute Tenor Simon Bode diese Partie.
Zum verschwenderisch guten Geschmack dieser Produktionen gehören unbedingt auch die sehenswerten
Kostüme des Pariser Mode-Großmeisters Christian Lacroix, der seit 15 Jahren immer wieder Opern ausstattet.
VERSCHWENDERISCHE KOSTÜME
Eher wenig verschwenderisch in Sachen Einfälle ging dagegen der Regisseur (und Lacroix’ bevorzugter
Theaterpartner) Vincent Boussard mit seinem Stoff um: Die ersten beiden Akte war im Grunde nur ein
ästhetisches Spiel mit Licht und Schatten, wobei man die Schatten – oft übergroß, oft wie eigenständige Akteure
im Bild – auch sinngebender hätte einsetzen können. Im Finalakt wurde das Bühnenspiel allerdings dichter, die
Interaktion dringlicher, die Regie prägnanter.
So dass man diesen „Ezio“ als ein starkes Stück in Erinnerung behalten wird, als ein ausladendes, elegantschönes Spiel um Männer, die man nie kennenlernen möchte.
"Ezio"
Oper Frankfurt
14., 17., 22., 24., 29. November
[email protected]
Artikel URL: http://www.fr-online.de/kultur/oper--ezio--von-christoph-willibald-gluck-zuckerbrot-stattpeitsche,1472786,25008656.html
GIESSENER ALLGEMEINE ZEITUNG, 12_11_2013
Gießener_Allgemeine_Zeitung_12.11.13
http://www.giessener-allgemeine.de/Home/Nachrichten/Kultur/Artikel,-FrankfurterErstauffuehrung-von-Glucks-Ezio-begeistert-_arid,458175_regid,1_puid,1_pageid,14.html#null
Artikel vom 11.11.2013 - 18.47 Uhr
Frankfurter Erstaufführung von Glucks »Ezio« begeistert
Das Publikum war gebannt: Drei Stunden Abtauchen in eine andere Welt, das gelingt der
neuen Produktion der Oper mit Christoph Willibald Glucks »Ezio«.
Dramatik vor der Augustus-Statue: Valentiniano (Max Emanuel Cencic, l.) schleudert die edle Lacroix-Garderobe, während
Massimo (Beau Gibson) Fulvia (Paula Murrihy) fest im Griff hat. (Foto: Aumüller)
Als Komponist von »Orfeo ed Eurydice« ist Gluck (1714 - 1787) auf den Bühnen präsent, doch in
seinem zehn Jahre früher entstandenen Dreiakter »Ezio« betrat die Oper Frankfurt in der
Erstaufführung am Sonntag relativ unbekanntes Land. Umso höher zu bewerten ist die
Inszenierung des Franzosen Vincent Boussard, der aus dem Stoff vor dem Hintergrund des
römischen Sieges über die Hunnen im 5. Jh. n. Chr. eine rundum bühnentaugliche Präsentation
machte.
Die Teamarbeit erschien homogen: Das im ersten Teil abstrakt-ästhetische Bühnenbild von Kaspar
Glarner erhält poesievolle, durch Beleuchtung, Schattenspiele und Projektion hintergründige
Qualität, quasi als Vorbereitung zur dramatischen Klimax im zweiten Teil. Hier – im Inneren des
Palastes – geht es zwischen Augustus-Statuen aller Größen konkreter zur Sache: Harte
Konfrontationen, Ver- und Entwickungen wechseln sich ab, bis sich letztendlich das Vexierspiel um
Liebe, Macht, Intrigen und Verrat im Sieg des Guten auflöst. Die gelungenen Kostüme von
Modeschöpfer Christian Lacroix, das ausgeklügelte Licht von Joachim Klein und die Videoarbeit von
Bibi Abel unterstreichen die Handlung.
Patrizier Massimo will sich an Kaiser Valentiniano rächen, der einst Massimos Frau vergewaltigt hat.
Tochter Fulvia soll den Kaiser heiraten, um den Sühnemord zu begehen. Doch Fulvia liebt den
Hunnenbesiger Ezio, der aber Onoria, die Schwester des Kaisers, heiraten soll. Als Massimos
Mordanschlag auf Valentiniano misslingt, lenkt der Patrizier den Verdacht auf den Feldherrn Ezio.
Nun will der Kaiser den vermeintlichen Widersacher aus dem Weg räumen lassen. Die Nachricht
von Ezios gewaltsamem Tod wird verkündet. Massimo hetzt das Volk gegen den Kaiser auf, der
schließlich durch den in Wahrheit noch lebenden Ezio gerettet wird. Der Kaiser verzeiht allen und
verzichtet zugunsten seines Feldherrn Ezio auf Fulvia.
Gezeigt wird »Ezio« in der Fassung von 1750. Da herrscht noch barocker Geist mit ausgedehnten
Da-capo-Arien, doch die Nummernabfolge erscheint aufgelockert und den Gefühlsregungen der
Agierenden wird in Text und Musik viel Raum gegeben. Die Stärke der Regie ist psychologisch
einsichtige, gleichzeitig effektvolle Personenführung. Dass sich der britische Dirigent Christian
Curnyn (er debütierte vor zwei Jahren im Bockenheimer Depot mit »La Calisto« von Cavalli) in den
musikalischen Schattierungen des 18. Jahrhunderts traumhaft sicher bewegt, erwies sich in
sensibler Klanggebung durch das Opern- und Museumsorchester. Das Kammerensemble gefiel mit
weichen barocken Bläsern und durchsichtigem Streicherklang. Es bot kein zackiges Hochbarock,
sondern erinnerte eher an das spätere Gluck-Klangbild, vergleichbar dem »Che puro ciel« im 2. Akt
von »Orfeo«.
Mit zwei Stars ihres Fachs sind Kaiser und Feldherr besetzt: Countertenor Max Emanuel Cencic,
vielfach ausgezeichneter Interpret von Kastratenrollen des Barocks, bestach mit spezifisch
mezzogetöntem Timbre
und spielte den narzisstischen Machtmenschen Valentiniano suggestiv. Den moralisch
unbeugsamen Feldherrn Ezio gab Sonia Prina mit unverwechselbarem »Helden-Alt«, den sie
zusammen mit ihrem beweglichen Spiel schon einmal in Frankfurt als Vivaldis »Orlando furioso« ins
beste Licht gerückt hatte. Bemerkenswert die durchweg hohe Qualität der Ensemblemitglieder:
Paula Murrihy (Mezzosopran) als wahrhaft starke Frau Fulvia, die junge Sofia Fomina als
Kaiserschwester Onoria mit blitzblank geführtem Sopran, Beau Gibson mit für den Macchiavelli
Massimo fast zu schönem Tenor, und Simon Bode (Tenor) als Sympathieträger Varo. Olga LappoDanilewski
© Gießener Allgemeine Zeitung 2013 - www.giessener-allgemeine.de
FRANKFURTER NEUE PRESSE, 08_11_2013
http://www.fnp.de/nachrichten/kultur/Kaiser-Valentiniano-ist-ein-Scheusal;art679,677638
„Kaiser Valentiniano ist ein Scheusal“
Von Birgit Popp
Die Frankfurter Oper bereitet die Premiere von Glucks „Ezio“ vor. Die
Handlung entführt ins alte Rom
In der Inszenierung von Vincent Boussard singen der Countertenor Max
Emanuel Cencic und die Altistin Sonia Prina. Christian Lacroix hat die
Kostüme entworfen.
Der Contertenor Max Emanuel Cencic singt den Valentiniano. Foto: J. Laidig
Mit der Frankfurter Erstaufführung von Glucks „Ezio“ am 10. November wird der in Zagreb
geborene Countertenor Max Emanuel Cencic als Kaiser Valentiniano sein Debüt an der
Frankfurter Oper geben, wo er am 17. Dezember auch einen Liederabend gestalten wird. In
der Partie des römischen Feldherrn Ezio kehrt die italienische Altistin Sonia Prina an die Oper
Frankfurt zurück, die dort bereits einen großen Erfolg in der Titelpartie von Vivaldis
„Orlando furioso“ feiern konnte. Für die musikalische Leitung zeichnet Christian Curnyn
verantwortlich. Als Regieteam kehrt nach „Adriana Lecouvreur“ Regisseur Vincent Boussard
mit seinem in Frankfurt häufig tätigen Bühnenbildner Kaspar Glarner und Modeschöpfer
Christian Lacroix (Kostüme) zurück.
In Frankfurt wird die 1750 uraufgeführte Prager Fassung von Glucks „Ezio“ zu hören sein.
Die Verwendung von Pietro Metastasios kaiserkritischem Libretto lässt das fortschrittliche,
der Aufklärung zugewandte Denken des Opernreformers Christoph Willibald Gluck (17141787) erkennen, wobei Metastasios literarisch hochwertiges Werk mehrfach vertont wurde, so
bereits 1732 durch Händel.
Ezio, der römische Feldherr, der den Hunnenkönig Attila besiegte, steht anders als in Verdis
Oper „Attila“ loyal zu seinem Kaiser. Dieser möchte Ezio seine Schwester Onoria (Sofia
Fomina) zur Frau geben und sich selbst mit Ezios Geliebter Fulvia (Paula Murrihy)
vermählen, der Tochter Massimos (Beau Gibson), der Valentiniano mit Hilfe seiner Tochter
ermorden will, um die einstige Vergewaltigung seiner Frau zu rächen.
Am Ende begnadigt
Als der Mordanschlag missglückt, lenkt er den Verdacht auf Ezio, der, obwohl ihn der Kaiser
in den Tod schicken wollte, diesen rettet. Valentiniano begnadigt am Ende der Oper, den
Wünschen des damaligen Publikums entsprechend, alle Personen, während der historische
Ezio (Aetius) hingerichtet wurde.
Die Rolle des wenig schmeichelhaft dargestellten Valentiniano übernimmt Max Emanuel
Cencic, der in dieser Partie ebenfalls mit Sonia Prina als Ezio ebenfalls die Prager Fassung bei
„Virgin Classics“ auf CD eingespielt hat, sie aber in Frankfurt erstmals szenisch verkörpern
wird.
Als Sänger ist Cencic ein „Wunderkind“ gewesen. Sein Vater Maksimilijan Cencic war
Dirigent am Zagreber Opernhaus, bis es ihn und seine Familie durch den Jugoslawien-Krieg
in den 90er Jahren nach Wien verschlug und er seitdem an der Wiener Staatsoper tätig ist.
Seine Mutter Silvia war Opernsängerin und begann ihren Sohn bereits im Alter von drei, vier
Jahren im Gesang zu unterrichten. Gedrängt wurde der kleine Max allerdings zu nichts. Er
wusste schon sehr genau, was er wollte, und sprach auf einer Premierenfeier mit grade Mal
fünf Jahren den Produzenten einer jugoslawischen Kindersendung an, ob er ihm vorsingen
dürfe. Das durfte er noch in derselben Nacht. Das Resultat war ein TV-Auftritt, bei dem
Cencic die Arie der Königin der Nacht sang.
Wiener Sängerknabe
Mit neun Jahren wurde er Mitglied bei den Wiener Sängerknaben und blieb dort von 1986 bis
1992. Die Qualität seiner Stimme war auch den Wiener Sängerknaben sofort bewusst, und so
sang Cencic dort die Solopartien.
Seine Solokarriere startete Cencic 1992 als 16-Jähriger im Sopran-Fach, bevor er 2001 mit
überwältigendem Erfolg seine Karriere als Countertenor fortsetzte. „Ich habe keine
Spezialtechnik, um in dieser hohen Stimmlage zu singen“, erzählt er. „Ich hatte nie einen
Stimmbruch, wobei sich meine Stimme mit zunehmendem Alter natürlich in der Farbe und
Ausdruckskraft verändert hat. Das man mit den kleineren Sopran-Partien in den Barockopern
beginnt und dann zu den Hauptpartien im Countertenor-Fach wechselt, ist eine natürliche
Entwicklung.“
Cencic singt jedoch nicht nur Barockopern. „Ich habe den Grafen Orlowski in der
,Fledermaus‘ ebenso gesungen wie bei der Uraufführung von Reimanns ,Medea‘ an der
Wiener Staatsoper den Götterboten, aber ich bevorzuge, in der Welt der Barockoper zu
bleiben. Ich bin der Überzeugung, dass es meine Pflicht als Künstler ist, Wegbereiter für die
Erschließung von neuem Repertoire zu sein. Alte Opern wiederzuentdecken, ist für mich
extrem reizvoll, da komme ich richtig ins Entdeckungsfieber“, so Cencic.
Den Valentiniano sieht Cencic als „absolutes Scheusal“. „Es ist der schlimmste Charakter,
den ich in 27 Opern porträtiert habe“, erzählt er. „Valentiniano ist ein mächtiger Mann und
gleichzeitig ein absoluter Psychopath, ein wahnsinniger Diktator, der selbst wehleidig ist, aber
anderen Schmerzen zufügt und dabei keine Reue empfindet - bis zum Schluss. Ein wichtiger
Punkt der Oper ist für mich, die Thematisierung der Macht und der Verantwortung des
Mächtigen. Der Monarch muss aufgeklärt sein, muss mit der Macht verantwortungsvoll
umgehen. Das ist die Botschaft von allen Libretti Metastasios.“
Oper Frankfurt, Willy-Brandt-Platz, Premiere 10. November, 18 Uhr. Weitere Vorstellungen
bis 7. Dezember. Karten von 13 bis
165 Euro unter Telefon (069) 21 24 94 94. Internet www.oper-frankfurt.de
Artikel vom 08.11.2013, 03:00 Uhr (letzte Änderung 08.11.2013, 09:51 Uhr)
MANNHEIMER MORGEN, 12_11_2013
Mannheimer_Morgen_12.11.13
http://www.morgenweb.de/nachrichten/kultur/kultur-allgemein/invasion-am-buhnenhimmel1.1280272
MUSIKTHEATER: Frankfurt zeigt „Ezio“ von Christoph Willibald Gluck als Erstaufführung
Invasion am Bühnenhimmel
Von unserem Mitarbeiter Eckhard Britsch
So ein römischer Kaiser definiert sich über Heldentaten. Doch Valentiniano lebt seine
Cäsarenlust lieber im Purpurmantel aus und überlässt das Handwerk seinem Feldherrn Ezio. Der
siegt und wird gefährlich. Zumindest im Wahn seines Potentaten. Dummerweise will er Fulvia
heiraten; die liebt aber - heimlich - Ezio. Ihr Papa Massimo, Bösewicht, hat noch eine Rechnung
mit dem Kaiser offen, dessen Schwester Onoria aus politischen Gründen mit Ezio verkuppelt
werden soll. Valentiniano will Ezio meucheln lassen, doch Kumpel Varo rettet ihn. Am Ende wird
alles gut, wie es sich in einer anständigen Barockoper gehört.
Frankfurt präsentiert "Ezio" von Christoph Willibald Gluck, der das Metastasio-Libretto ebenso
wichtig fand wie etwa Händel. Regisseure tun sich schwer, das alberne Intrigenspiel sinnvoll
umzusetzen. Vincent Boussard setzt auf eine ästhetische, mit wenigen Stilmitteln auskommende
Bühnensprache, die Kaspar Glarner über diskrete Videoeinspielungen von Bibi Abel anrichtet.
Anfangs imaginiert ein dezentes Jagdgeschwader die Invasion vom Bühnenhimmel, doch dieser
Einstieg wird - erfreulicherweise - nicht weitergeführt. Denn die Personen sollen optisch nicht
überlagert werden, auch wenn im Schlussbild Touristen die Szene als Fake entlarven.
Psychisches Wrack
Boussard lässt sie überwiegend gemessenen Schrittes auftreten und zeichnet sie individuell,
etwa Valentiniano als unsicheren Typ, der Herrschaft mit Willkür verwechselt und als
Schwächling Einflüsterungen zugänglich ist. Max Emanuel Cencic spielt dieses psychische
Wrack ausgezeichnet, bleibt sängerisch aber einiges schuldig: blass in der Tiefe, überzeugt
allerdings seine Selbstmitleidsarie durch innigen Schmelz. Star ist die Altistin Sonia Prina in der
Hosenrolle des Ezio: Selbstbewusste Aura, ihre Stimme hat in allen Registern Gold und Eleganz.
Fein auch der Mezzo von Paula Murrihy als Fulvia und der helle Sopran von Sofia Fomina als
Onoria. Gut besetzt sind der intrigante Massimo mit Beau Gibson und Varo mit Simon Bode.
Das Opern- und Museumsorchester spielt unter Christian Curnyn ausgezeichnet, hoch
differenziert, mit sorgsam gesetzten Affekten und elastischer Linienführung. Attraktiv hat Christian
Lacroix vor allem die Frauen kostümiert, und das Publikum ist sehr angetan.
© Mannheimer Morgen, Dienstag, 12.11.2013
OFFENBACH-POST, 12_11_2013
http://www.op-online.de/nachrichten/kultur/stimmglanz-designer-roben-3214811.html
x Artikel publiziert am: 12.11.2013 - 03.00 Uhr
Artikel gedruckt am: 12.11.2013 - 09.27 Uhr
Quelle: http://www.op-online.de/nachrichten/kultur/stimmglanz-designer-roben-3214811.html
Glucks Operndrama „Ezio“ in Frankfurt ein Publikumserfolg
Stimmglanz in Designer-Roben
Frankfurt - Ein großer Wurf sind die Kostüme des Modedesigners Christian Lacroix,
vielfach lädierte Helden, höllische Schurken und starke Frauen charakterisierend,
deren Drama sich in erhabener Langsamkeit vollzieht. Von Klaus Ackermann
© Aumüller
Altrömischer Intrigantenstadel Lädierte Helden, starke Frauen: Sonia Prina (Ezio)
und Paula Murrihy (Fulvia).
Denn Regisseur Vincent Boussard setzt in Christoph Willibald Glucks barockem
„Ezio“ auf große Gesten für ebensolche Gefühle, die er zudem spielerisch auf
ironische Distanz bringt. Für munter machenden musikalischen Durchzug ist bei
dieser Frankfurter Erstaufführung Christian Curnyn zuständig, der im historisch gut
informierten Opern- und Museumsorchester und den stimmlich hervorragenden
Protagonisten großartige Verbündete hat, Garanten für den Publikumserfolg zur
Premiere an der Oper Frankfurt. Allen voran Titelheldin Sonia Prina, ein auch in der
Tiefe ungemein präsenter Alt.
Im weiten Bühnenraum, den spitzwinklige, angelegentlich in zarte Farben getauchte
Wände begrenzen (Bühnenbild: Kaspar Glarner), fällt eine winzige römische
Herrscher-Büste auf. Zur Ouvertüre sind Flugzeuge am Bühnenhimmel
auszumachen, wie einem Stummfilm entlehnt und offenbar zeitlos einen Sieg feiernd.
Denn der römische Feldherr Ezio hat den Hunnenkönig besiegt, kehrt nach Rom
zurück - und gerät in ein grandioses Beziehungsschlamassel.
Ausgelöst von Massimo (im modernen Dreiteiler), dessen Frau vom amtierenden
Kaiser Valentiniano (im noblen Purpur-Mantel) vergewaltigt wurde und der sich mit
Hilfe seiner Tochter Fulvia (in schwarzer Tragödinnen-Robe) an ihm rächen will, die
den siegreichen Heimkehrer Ezio liebt, aber vom Kaiser zur Heirat gezwungen wird.
Genug Stoff für Seelennot und Konflikte
Genug Stoff für Seelennot und tief gehende mörderische Konflikte, die vor allem in
den langwierigen, aber immer spannenden, unaufdringlich vom Continuo begleiteten
Rezitativen entwickelt werden. Denen dann ein Arienbekenntnis folgt, bei dem der
Opernerneuerer Gluck sich andeutet, der das Dacapo-Arien-Ritual aufbricht, mit
unruhigen Streicherfiguren unterfüttert oder mit warmen Hornklang anreichert, den
jeweiligen emotionalen Status noch verstärkend.
Szenisch kaum gefordert, werden die Helden zur einprägsamen Skulptur, verfolgt von
ihren überlebensgroßen Schatten. Da ist ein rätselhaftes, über der Bühne
schwebendes Flugobjekt schon ein Ereignis. Oder wenn Ezio-Freund und -Retter
Vario (Simon Bode mit geschmeidigem Tenor) an die Rampe tritt, um zu verkünden,
dass man sich aufs Schicksal nicht verlassen kann – Licht an. Pause. Später mischen
sich Museumsbesucher in die Galerie der wie verstreut wirkenden römischen
Herrscher-Büsten jedweder Größe. Den marmornen Winzling hat längst der
unbotmäßige Massimo kassiert, der seine Tochter sogar ohrfeigen darf. Beau Gibson
bezeugt aber auch tenorale Strahlkraft. Als unselige Fulvia wirkt Paula Murrihy
angelegentlich wie von Furien gehetzt, deren ausdrucks- und klangschöner
Mezzosopran anzurühren versteht.
Noch am 14., 17., 22., 24. November. Karten gibt es unter Tel.: 069/21249494.
Zu den wenigen Guten in diesem altrömischen Intrigantenstadel zählt die
Valentiniano-Schwester Onoria, mit üppig geschnittenem nach vorn offenem
Ballkleid. Sofia Fomina gehört zwar zu den Verlierern, jedoch beileibe nicht ihr
glockenreiner Sopran. Wie ihr Bruder, ein wahrer Kretin auf dem Kaiserthron, doch
als Countertenor Max Emanuel Cencic von so enervierender Stimmkraft, dass man
ihm jede Schandtat verzeiht. Dagegen ist Sonia Prina in Rocker-Kluft ein echter Kerl,
der auch stimmlich Testosteron bezeugt und in der „Addio“-Arie Herzen erweicht.
„Der Mensch verirrt sich leicht auf den zweifelhaften Wegen des Lebens“ singt das
Protagonisten-Sextett am erstaunlich glücklichen Ende – und man wundert sich:
Trotz sparsamer szenischer Aktion sind drei Opernstunden doch überraschend
schnell vergangen.
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WIESBADENER KURIER, 12_11_2013
Wiesbadener_Kurier_12.11.13
http://www.wiesbadener-kurier.de/region/kultur/theater/13608753.htm
Dienstag, 12. November 2013 04:09 Uhr
URL: http://www.wiesbadener-kurier.de/region/kultur/theater/13608753.htm
Theater
Des Kaisers schöne Kleider
12.11.2013 - FRANKFURT
Von Volker Milch
PREMIERE Christoph Willibald Glucks „Ezio“ an der Oper Frankfurt gefeiert
Man stelle sich vor: Es ist Krieg – und alle tragen Kostüme des Modeschöpfers Christian
Lacroix! Das wird dann eine gepflegte Veranstaltung wie jene, die jetzt in Frankfurt zu
besichtigen ist.
Bomber am Video-Himmel
Dort ist am Sonntagabend kein Krieg, sondern Oper. Die erste, durchaus suggestive
Videoprojektion im Bühnenbild von Kaspar Glarner führt also ein wenig in die Irre:
Bombergeschwader ziehen vorüber und verschwinden in einem schwarzen Loch, das
gleichermaßen unheilvolle Zukunft wie düstere Vergangenheit meinen könnte. Spannend. Das
Bild verspricht mehr Dramatik, als Vincent Boussards dekorative Inszenierung von Christoph
Willibald Glucks „Ezio“ dann hält.
Gerade im ersten Teil der Oper, die in Frankfurt in der Prager Uraufführungsfassung von
1750 gegeben wird, hat man phasenweise den Eindruck, es mit exquisit singenden
Kleiderständern für Lacroix-Kostüme zu tun zu haben, mit nett arrangierten Kostümpuppen,
die gängige Gluck-Klischees von edler Einfalt und gepflegter Langeweile zumindest szenisch
bestätigen.
Bei dem verdienten Opernreformer denkt man ja ohnehin eher an klassizistische Glätte als an
musikdramatischen Funkenflug. Lang ist es her, dass Harry Kupfer in „Orpheus und
Eurydike“ den mythischen Sänger als Rockstar für die Gegenwart verpflichtet hat. Da waren
die Countertenöre noch Raritäten auf den Opernbühnen, und Jochen Kowalski hat man in der
Titelpartie bestaunt, als wäre seine Stimme von einem anderen, bunten Stern ins graue
Ostberlin gefallen. Längst gehört es zum guten Ton, in alter Musik diese hohen
Männerstimmen mit der femininen Note einzusetzen. Der Oper Frankfurt ist es nun gelungen,
für „Ezio“ einen der zur Zeit angesagtesten Stars der Szene zu verpflichten: Max Emanuel
Cencic, der bei den letzten Maifestspielen in der Titelpartie von Händels „Alessandro“
geglänzt hat.
In Frankfurt ist Cencic als paranoider Kaiser Valentiniano Teil eines hochkarätigen
Ensembles, das die Aufführungsdauer von über drei Stunden trotz szenischer Längen recht
schnell vergehen lässt. Das Publikum feiert neben dem Counter-Virtuosen die umwerfend
expressive Paula Murrihy als Fulvia, Sonia Prina in der Hosenrolle des Feldherrn Ezio, Sofia
Fominas Onoria, Beau Gibsons Massimo und den Varo des Nachwuchstalents Simon Bode.
Das vielleicht überzeugendste Plädoyer dafür, dass nicht erst der spätere Gluck der
Reformoper Beachtung verdient, findet im Orchestergraben statt: Unter dem Dirigat von
Christian Curnyn wird Historische Aufführungspraxis wunderbar transparent und kontrastreich vergegenwärtigt, fast ohne Spannungsabfall in der ausführlichen Rezitativ- und
Arienfolge. In der Empfindsamkeit auch des instrumentalen Ausdrucks mag sich die
zunehmende Distanz zur artifiziellen Prachtentfaltung der barocken Tradition andeuten.
In großer Robe
Nach der Pause wird es im Bühnenkasten, der von stimmungsvollen Projektionen und des
Kaisers schönen Kleidern dominiert wird, etwas lebendiger: In großer Lacroix-Robe kämpft
Paula Murrihys Fulvia fulminant für ihre großen Gefühle, und der Kaiser wird der
Konvention des glücklichen Endes folgen und Milde auch gegen seine Feinde walten lassen.
Die Bühne ist derweil von lauter steinernen Cäsaren bevölkert. Den musealen Eindruck
bestätigt die Statisterie, die zum Fotografieren einfällt und die Szene auch mit dem iPad
ablichtet. Gluck soll offenbar in der Gegenwart ankommen. Die Kadaver, die als Kunst an der
Wand hängen und ein wenig an Francis Bacons gemalte, blutige Fleischlichkeit erinnern,
bleiben aber dezent im Hintergrund. Wir sind ja nicht im Krieg.
Berückend: Countertenor Max Emanuel Cencic als Kaiser Valentiniano.
Foto: Barbara Aumüller
WORUM GEHT´S?
Der römische Feldherr Ezio hat die Hunnen besiegt und kehrt nach Rom zurück. Kaiser
Valentiniano möchte dort Fulvia zur Frau nehmen, die jedoch Ezios Geliebte ist. Das passt in
den Racheplan von Massimo, Fulvias Vater. Der Kaiser hatte einst seine Gattin vergewaltigt.
Nun will Massimo die Tochter als Mörderin funktionalisieren. Das geht schief.
FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG, 13_11_2013
Frankfurter_Allgemeine_Zeitung_RMZ_Aus_der_Opernpremiere_11.11.13
http://www.faz.net/e-paper/#FAZ_RMZ/2013-11-11/30033/3196085
F.A.Z., Montag, den 11.11.2013 Rhein-Main Zeitung 33
Psychodrama zwischen Barock und Gegenwart
Die Kostüme von Christian Lacroix spielen mit barocken Stilzitaten, eine römische Figur auf
der Spielfläche lässt an die Antike denken, und die weißen Kulissenwände des kargen
Bühnenbilds von Kaspar Glarner werden für Projektionen und Schattenbilder in neuzeitlicher
Art genutzt – so kommen in Vincent Boussards Inszenierung von Glucks „Ezio“, die gestern
Abend in der Oper Frankfurt Premiere hatte, drei Zeiten auf der Bühne zusammen, und es
wird klar, dass hier nicht ein Intrigenspiel verortet, sondern ein Psychodrama entwickelt
werden soll. Das gelingt in der etwas statischen Produktion schon bis zur Pause durch die
facettenreiche Darstellung der Sänger. Der CounteUWHQRU0D[(PDQXHO&HQþLüHUVFKHLQWDOV
Kaiser Valentiniano ängstlich und gefährlich zugleich. In der Titelpartie ist die Italienerin
Sonia Prina mit dunklem Timbre und männlicher Körpersprache ein energischer und doch
liebesbedürftiger Feldherr. Paula Murrihy ist als Fulvia zwischen ihren Gefühlen hin und her
gerissen, und Beau Gibson zeigt als Massimo eine intrigante und eine weiche Seite. Das
Frankfurter Opern- und Museumsorchester bringt unter der Leitung des britischen
Gastdirigenten Christian Curnyn einen leichten, oft federnden Klang ein. (Ausführliche
Besprechung folgt.) (gui.)
FRANKFURTER
NEUE PRESSE, 13_11_2013
Frankfurter_Neue_Presse_12.11.13
http://www.fnp.de/nachrichten/kultur/Der-Mensch-auf-Irrwegen;art679,680693
Der Mensch auf Irrwegen
Von Andreas Bomba
An der Frankfurter Oper hatte Christoph Willibald Glucks „Ezio“ Premiere
Die Aufführung glänzt vor allem durch hervorragende Gesangsleistungen. Die
Inszenierung von Vincent Boussard bietet indes wenig Spannung.
Ezio kehrt siegreich aus der Schlacht zurück. Nun möchte er, so war es vereinbart, Fulvia
heiraten. Massimo hat seine Tochter jedoch dem Kaiser versprochen - sie käme so dem
verhassten Tyrannen nahe und könnte ihn töten. Den Feldherren soll hingegen Valentinianos,
des Kaisers Schwester Onoria ehelich besänftigen.
Es ist nicht so, dass da keine Liebe wäre zwischen den beiden; Grund für Zank und Streit und
dunkle Machenschaften im Hintergrund bleibt jedoch allemal. Das geht bis hin zu Komplotten
und Mordversuchen - nach drei Stunden aber stehen die insgesamt sechs Personen gemeinsam
auf der Bühne und warnen in bester Harmonie vor den Irrwegen, die den Menschen zum
Unguten verändern können.
Musikalisches Klein-Klein
Opern mit solchen Handlungen und solcher Moral gab es im 18. Jahrhundert zuhauf. Die
besten Verse schmiedete Pietro Metastasio, an dessen Dichtungen kaum ein Komponist
vorbeikam. Die Stärken von Christoph Willibald Gluck (1714-1787) kitzelten sie indes nicht
hervor. Seine frühe, 1750 in Prag uraufgeführte Oper „Ezio“ verheddert sich im Klein-Klein
von Rezitativen und Arien, der große melodische Wurf will nicht recht gelingen. Die
musikalische Psychologie der Personen erreicht nicht das Format späterer Werke, etwa
„Orpheus und Eurydike“. Wohl ein Grund, warum „Ezio“ die Spielpläne nur selten ziert,
sofern man heutigen Hörgewohnheiten durch maßvolle Kürzungen der Rezitative nicht
entgegenkommen will.
Glänzen können solche Werke allenfalls durch herausragende Gesangsleistungen. Die gibt es
an der Oper Frankfurt, die nun einen Versuch mit dem wenig bekannten Frühwerk wagt,
reichlich. Allen voran Sonia Prina in der Titelpartie - eine umtriebige, energische Altistin mit
dennoch schlank und in allen Lagen ausgeglichen geführter Stimme, der man gerne zuhört.
Dazu Max Emanuel Cencic, der Shooting-Star unter den Countertenören, mit sensiblen,
nuancenreichen Tönen, ein eher hysterisch-selbstverliebter als wüster Tyrann, als der dieser
Valentiniano ja beseitigt werden soll. Paula Murrihy verkörpert die ebenso scheue wie
betörende Fulvia; trotz ihrer in einer furiosen Arie gegen Ende gipfelnden Zerrissenheit
zwischen zwei Männern behält die Stimme wunderbar eleganten, noblen Charakter.
Ebenso dem Hausensemble gehören Sofia Fimina (Onoria), Beau Gibson (Massimo) und
Simon Bode (Varo) an - hervorragend spielende und ihre Personen mit Leben erfüllende
Sänger, Bode insbesondere in schöner Mittellage, da Gluck die Figur nicht als strahlenden
Heldentenor herausheben will.
Gewaltige Schatten
Dennoch hat dieses Kammerspiel auf großer Bühne Probleme, die Spannung zu halten. Das
liegt besonders an der behutsamen Inszenierung von Vincent Boussard, der es an dem
mangelt, was manche Barockopern-Inszenierungen zu viel haben: deutlichere Korrespondenz
mit der Musik vor allem, was bei den langen Rezitativen fast unmöglich scheint. Die Regie
vereinzelt die Figuren; sie agieren unnahbar, als hätten sie Angst voreinander, verstecken sich
in prächtigen Kostümen (Christian Lacroix), schleichen an hohen Wänden entlang, agieren in
(zu) großen Räumen (Bühne: Kaspar Glarner), werfen, dank famoser Lichtwirkungen
(Joachim Klein) gewaltige Schatten, um in der Realität doch immer kleiner zu werden. Was
kann hier noch Liebe sein - Pflicht oder Neigung? Was ist Macht - Laune, Selbstzweck?
Zum Schluss läuft eine Schar Touristen herein: Wir sind im Museum. Es begegnen sich:
antike Cäsaren-Statuen, die barocke Musik und ihre Figuren und der die kopfüber
aufgehängten Exponate fleißig knipsende Besucher der Gegenwart. Oder besser: Sie
ignorieren sich, bemerken sich gar nicht; Theater interessiert hier niemanden - das würde auch
das abrupte Happy End erklären. Warum sollen wir weiter streiten, wenn es den Leuten egal
ist? Eine Botschaft gar an die Mächtigen der Welt?
Das klein besetzte Opernorchester hat mit der Musik mehr Mühe als gewohnt; Christian
Curnyn lässt recht diskret, manchmal bis zur Blässe neutral musizieren, rhetorische, der
Sprache folgende Gesten bleiben verbindlich, effektfrei und dynamisch eingeebnet,
Intonationstrübungen nicht ausgeschlossen. Bleiben eben die überragenden Sänger und der
Genuss, ihnen zuzuhören - für eine Oper nicht das Schlechteste! Sie erhalten auch den
meisten Beifall.
Artikel vom 12.11.2013, 03:00 Uhr (letzte Änderung 12.11.2013, 09:30 Uhr)
Artikel: http://www.fnp.de/nachrichten/kultur/Der-Mensch-auf-Irrwegen;art679,680693
© 2013 Frankfurter Neue Presse
HR-ONLINE.DE, HESSENSCHAU, 13_11_2013
OMM.DE, 11_2013
www.omm.de_November_13
http://www.omm.de/veranstaltungen/musiktheater20132014/F-ezio.html
Spannendes Musiktheater mit vielen Rezitativen
Von Thomas Molke / Fotos von Barbara Aumüller
Bei Christoph Willibald Gluck denkt man meistens an den großen Opernreformer, der
im 18. Jahrhundert die Gattung vom steifen Korsett der Opera seria befreit hat. Dass
er allerdings, bevor er mit Orfeo ed Euridice seine erste Reformoper präsentierte,
bereits 20 Jahre im Geschäft war und in dieser Zeit große Erfolge mit seinen der
Opera seria verhafteten Werken feierte, wird heutzutage gern vergessen, da auch ein
Teil seines Opernschaffens dieser Zeit leider verloren gegangen ist und noch nicht in
irgendwelchen Archiven wieder aufgetaucht ist. Doch auch seine erhaltenen frühen
Werke fristen auf den Opernbühnen ein Schattendasein. Die Oper Frankfurt hat sich
nun sein Dramma per musica Ezio vorgenommen, das insofern eine besondere
Stellung einnimmt, da Gluck dieses für die Karnevalssaison in Prag 1750
komponierte Werk 13 Jahre später in der Wiener Fassung zu einem Zeitpunkt
gravierend umarbeitete, als er mit Orfeo ed Euridice bereits neue Wege
eingeschlagen hatte. In Frankfurt hat man sich allerdings für die Prager Fassung
entschieden, die so sehr von den Rezitativen beherrscht wird, dass sie stellenweise
eher einem musikalischen Schauspiel gleichkommt. Dies mag der Grund dafür
gewesen sein, dass man bei den Gluck-Opern-Festspielen in Nürnberg 2012 eine
adaptierte Fassung für Schauspieler und Sänger präsentiert hat (siehe auch unsere
Rezension).
Fulvia (Paula Murrihy) gesteht Valentiniano (Max Emanuel Cencic), dass sie Ezio, und nicht ihn liebt.
Die Geschichte basiert wie bei den meisten Frühwerken von Gluck auf einem Libretto
von Pietro Metastasio, welches dieser 1728 verfasste, als er noch nicht als
Hofdichter im Dienste der kaiserlichen Familie stand und somit in seiner
Charakterisierung des Herrschers frei von etwaiger Huldigung war, wie sie
beispielsweise in La Clemenza di Tito zu beobachten ist. Der römische Feldherr Ezio
(Aëtius) hat für den Kaiser Valentiniano (Valentinian III.) den Hunnenkönig Attila
besiegt und soll als Belohnung Onoria, die Schwester des Kaisers, zur Frau
bekommen. Allerdings liebt Ezio Fulvia, die Tochter des Patriziers Massimo
(Maximus), womit er sich den Neid des Kaisers zuzieht, da dieser sie als Gemahlin
für sich auserkoren hat. Massimo, der selbst noch eine Rechnung mit dem Kaiser
offen hat, plant, den Kaiser mit Fulvias Hilfe zu ermorden, und lässt Ezio beim Kaiser
in Ungnade fallen. Valentiniano, der durch Massimos Intrige glaubt, dass Ezio ihm
nach dem Leben trachte, will seinen treu ergebenen Feldherrn durch Varo heimlich
hinrichten lassen. Doch dieser führt den Befehl nur zum Schein aus, und so kann
Ezio noch rechtzeitig verhindern, dass Massimo einen Anschlag auf den Kaiser
verübt. Aus Dankbarkeit verzichtet Valentiniano nun auf Fulvia und gewährt allen,
sogar Massimo, Vergebung.
Ezio (Sonia Prina) weist Valentinianos Schwester Onoria (Sofia Fomina) als Braut zurück.
Vincent Boussard misstraut in seiner Inszenierung dem lieto fine, zumal es nicht der
Historie entspricht, wonach Ezio 454 bei einer Beratung im Palast des Kaisers von
Valentiniano eigenhändig ermordet worden ist, um etwaige potenzielle Gegner des
Kaisers einzuschüchtern. Zwar hält er sich in der Personenregie an den gesungenen
Text, lässt allerdings den Schluss in einer Art Museum spielen, wo Statisten
gewissermaßen als Museumsbesucher die Figuren des Stückes genauso betrachten
wie die zahlreichen ausgestellten Augustus-Statuen, die nicht nur in
unterschiedlicher Größe überall auf der Bühne stehen, sondern auch kopfüber an
den Wänden hängen. Wenn sich Ezio und die anderen zum Schlusschor in friedlicher
Harmonie auf einem Podest zum Gruppenbild positionieren, wirken sie selbst wie
Relikte einer längst vergangenen Zeit und fangen nur einen Moment ein, der
vielleicht vor einem anschließend folgenden Blutvergießen gestanden haben mag.
Auch die von Kaspar Glaner entworfenen hohen weißen Bühnenwände wirken wie
zwei leere Seiten eines Buches, das erst noch geschrieben werden muss.
Valentiniano (Max Emanuel Cencic) will Fulvia (Paula Murrihy) zwingen, ihn zu heiraten (rechts:
Massimo (Beau Gibson)).
Beeindruckend gelingt die Lichtregie von Joachim Klein, der aus den Schatten der
Figuren beeindruckende Bilder auf die weißen Rückwände wirft. Vor der Pause
werden diese Schatten so geschickt in die Projektion eines grauen Steinbodens auf
der Rückwand eingearbeitet, dass die Figuren über die senkrechten Wände zu
laufen scheinen. Nach der Pause sind es die zahlreichen Augustus-Statuen, die
überall auf den Wänden reflektieren und somit die grenzenlose Macht und Willkür
des Kaisers manifestieren. Einige der Video-Projektionen von Bibi Abel bleiben
allerdings unklar. Während der Steinboden wunderbar mit den Figuren
korrespondiert, werden die schwarzen Schatten zu Beginn der Aufführung, die in der
Form an Flugzeuge erinnern, nicht klar. Soll das ein Zeichen der Gegenwart sein, die
in Form der Technologie über die Antike hinweg fliegt, oder sind es Vögel, die über
den Kaiserpalast fliegen und an deren Flug in der Antike die Zukunft gedeutet
wurde? Immerhin lässt Kaspar Glaner auch angedeutete große schwarze Vögel im
Flug aus dem Schnürboden herabsinken. Aufwendig gestaltet sind die Kostüme von
Christian Lacroix, der Fulvia und Onoria mit ausladenden Rokoko-Kleidern ausstattet,
die farblich auf Massimos dunklen Mantel und Valentinianos glänzende Gewänder
abgestimmt sind.
Ezio (Sonia Prina) ist verzweifelt.
Für die Produktion sind mit Sonia Prina und Max Emanuel Cencic zwei hochkarätige
Gäste engagiert worden. Prina stattet die Titelpartie mit einer satten Mittellage aus
und taucht mit großem Volumen in unglaubliche Tiefen ab. Einen Höhepunkt stellt
ihre große Arie "Se fedele mi brama il regnante" dar, in der Ezio zwischen seinen
Gefühlen für Fulvia und der Treue zum Kaiser hin- und hergerissen wird. Hier
begeistert Prina mit beweglichen Koloraturen und Ausbrüchen in dramatische Höhen,
die den inneren Kampf der Titelfigur regelrecht spürbar machen. Auch die tragische
Arie "Ecco alle mie catene", wenn sich Ezio von der Geliebten verabschiedet, um in
den Kerker zu gehen, wird von Prina mit großer Wärme und Innigkeit gestaltet.
Darstellerisch wirkt Prina in der Hosenrolle mit virilem Spiel absolut überzeugend.
Cencic spielt den paranoiden Charakter des Kaisers mit einem wandlungsfähigen
Countertenor aus, der einerseits in weichen Passagen belegt, dass er schwach und
kein Held wie Ezio ist, andererseits zu dramatischen Ausbrüchen fähig ist, was die
Unberechenbarkeit dieses Kaisers deutlich macht.
Neben diesen beiden Gästen sind die anderen Partien mit Ensemble-Mitgliedern
ebenfalls hochkarätig besetzt. Paula Murrihy begeistert als Fulvia mit dramatischem
Mezzo, der die innere Zerrissenheit zwischen ihrer Liebe zu Ezio, der Furcht vor dem
Kaiser und dem Gehorsam ihrem Vater gegenüber glaubhaft zum Ausdruck bringt.
Auch darstellerisch weiß Murrihy als leidende junge Frau zu überzeugen. Großartig
gelingt ihre Szene "Misera, dove son?", die in die Wahnsinns-Arie "Ah! Non son io
che parla" übergeht, in der sie ihrem Schmerz nach dem scheinbaren Verlust des
Geliebten freien Lauf lässt. Sofia Fomina stattet Valentinianos Schwester Onoria mit
leuchtendem Sopran aus und präsentiert sich als glaubhafte Rivalin zu Fulvia, die
aber im Gegensatz zu den männlichen Charakteren wie Fulvia ebenfalls
humanistische Züge trägt und daher bereit ist, auf den geliebten Ezio zu verzichten.
Beau Gibson stattet den intriganten Massimo mit einem kräftigen Tenor aus und wirkt
auch optisch durch seine große Statur gefährlich. Simon Bode gefällt als Varo mit
lyrischem Tenor. Christian Curnyn lotet mit dem Frankfurter Opern- und
Museumsorchester Glucks Partitur differenziert aus und lässt aus dem
Orchestergraben einen gelungenen Barock-Sound erklingen. So gibt es am Ende
begeisterten Applaus für alle Beteiligten, in den sich auch das Regie-Team einreiht.
FAZIT
Glucks Frühwerk ist trotz (oder wegen?) der zahlreichen Rezitative ein spannendes
Stück Musiktheater, das auf den Bühnen einen festen Platz neben anderen
Barockopern verdient.
KALENDER
SA E I T E 2 2
LEO, 07_11_2013
OPER: GLUCKS »EZIO« IN FRANKFURT
Römer groß in Mode
KINDER & JUGEND
MONTAG 11.11.
DARMSTADT
Zwinger 3, 10 Uhr,
Herr Sturm und sein Wurm
Theaterstück von Barbro Lind
und Cecilia Torudd für Kinder
4 Jahren
FRANKFURT
Kinderparadies im Friedenspa
17 Uhr,
St. Martins-Umzug,
Laternenumzug
SCHAUSPIEL
Staatstheater, Kammerspiele,
20 Uhr,
Antigone, Tragödie von
Sophokles
Schauspiel Frankfurt,
Bockenheimer Depot, 20 Uhr,
Die Geierwally, Schauspiel von
Wilhelmine von Hillern
20 Uhr,
Familie: Schroffenstein,
Schauspiel frei nach Heinrich von
Kleist
Man trägt Lacroix in Frankfurt: Countertenor Max Emanuel Cencic
(li.) als Valentiniano, Sonia Prina als Ezio. | Foto: Barbara Aumüller/frei
Als Reformer, der hohles Gesangsvirtuosentum bekämpfte
und die starre Gliederung der
Barockoper in Da-capo-Arie und
Rezitativ durch große, musikdramatisch
durchgearbeitete
Szenen ersetzte, ging Christoph
Willibald Gluck (1714-1787) in
die Musikgeschichte ein. Ehe er
jedoch 1762 mit dem „Orfeo“
seine erste Reformoper schuf,
komponierte Gluck durchaus
noch im konventionellen Idiom
der Opera seria. Eine Oper aus
Glucks vorreformerischer Phase
ist auch der 1750 in Prag uraufgeführte „Ezio“, der in den vergangenen Jahren gleich durch
mehrere Einspielungen discografisch der Vergessenheit entrissen wurde und nun von der
INFO
Gluck: »Ezio«, Premiere: So 10.11.,
18 Uhr, Frankfurt, Opernhaus, weitere Termine: 14., 17., 22., 24. und
29.11., 7.12.; Karten: 069 21249494
LEO-METER
Luxuriös ausgestattet und besetzt
Oper Frankfurt auf die Bühne
gebracht wird: unter der musikalischen Leitung des britischen
Barock-Spezialisten Christian
Curnyn, in der Regie Vincent
Boussards und in Kostümen des
bekannten französischen Modeschöpfers Christian Lacroix.
Das Libretto, das aus Metastasios Feder stammt und zum
Beispiel auch von Händel und
Hasse vertont wurde, erzählt
von Liebe und Intrigen im spätantiken Rom. Siegreich aus der
Schlacht gegen die Hunnen
heimkehrend muss der römische Feldherr Ezio (Aetius) erfahren, dass seine geliebte Fulvia mittlerweile von seinem
Dienstherrn, Kaiser Valentiniano, zur Frau erkoren wurde.
Dass Fulvia dabei nur ein Rachewerkzeug ihres Vaters Massimo
sein soll, ahnen weder Ezio noch
der Kaiser: Massimo, dessen
Frau einst von Valentiniano entehrt wurde, will nämlich nur
deshalb, dass seine Tochter den
Kaiser heirate, damit sie ihn hernach leichter töten kann. | kai
HEIDELBERG
Bockenheim, Titania, 19.30 Uhr,
Candide oder der
Optimismus!,
Schauspiel von Alexander Brill und
Torsten Knoll nach Voltaire
HEIDELBERG
Zimmertheater, 20 Uhr,
Wir lieben und wissen nichts,
Schauspiel von Moritz Rinke
KARLSRUHE
LUDWIGSHAFEN
MANNHEIM
Schnawwl Kinder- und
Jugendtheater, Foyer, 11 Uhr,
Spatz Fritz,
Theaterstück von Rudolf
Herfurtner für Kinder ab 4 Jah
SCHWETZINGEN
Stadtbibliothek, 15 Uhr,
Drei kleine Monster,
Figurentheater für Kinder ab
3 Jahren mit der Compania t
WALDMOHR
TV-Halle, 15 Uhr,
Tanz — Musik — Spiel,
für Kinder von 4 bis 6 Jahren
PARTY-TIME
Badisches Staatstheater, Studio,
19 Uhr,
Der Vorname, Komödie von
Matthieu Delaporte und Alexandre
de la Patelliere
Pflaumenbaum, 20 Uhr,
Crazy Monday,
Black, House, Fetenhits, Rock
LUDWIGSHAFEN
KARLSRUHE
Prinzregententheater,
Großes Haus, 20 Uhr,
Familie Günter Kippdibbel,
Komödie von Bernhard F.
Dropmann
KLASSIK
FRANKFURT
Alte Oper, Großer Saal,
20 Uhr,
Württembergisches Kammerochester Heilbronn und
Sharon Kam (Klarinette),
Werke von Rossini, Verdi und
Puccini
Oper, Holzfoyer, 20 Uhr,
Jonas Vitaud (Klavier), Werke
u.a. von David, Liszt und Wagner
MANNHEIM
Rosengarten, 20 Uhr,
Nationaltheaterorchester
Mannheim und Alexander
Gilman (Violine),
Werke von Mozart und Mahler
POP, ROCK, JAZZ,
WELTMUSIK...
KAISERSLAUTERN
Club Le Carambolage, 21 Uhr
Der kleine Tanzladen,
Pop, Indie, Rock, Disco, Wave
MANNHEIM
Neuostheim, Lindbergh, 21 U
The Spirit of the 90's,
Musik der 90er Jahre
LESUNGEN & VORTRÄ
FRANKENTHAL
Congressforum,
19.30 Uhr,
Rheinpfalz Impuls: Thorst
Havener — 90 Minuten, di
Leben verändern!, Vortrag
HASSLOCH
Gemeindebücherei, 20 Uhr,
Schmökern mit den Xanth
pen, Buchvorstellungen
MANNHEIM
Alte Feuerwache, 20 Uhr,
Axel Hacke: Oberst von H
und andere Geschichten,
Autorenlesung T.
REMCHINGEN
DER OPERNFREUND.DE, 10_11_2013
www.deropernfreund.de_November_13
http://www.deropernfreund.de/opernhaus-np.html
EZIO
(Christoph Willibald Gluck)
Premierenbericht vom 10. November 2013
Ausstellungsstück aus der Musikgeschichte
Eine historische Begebenheit aus der Spätantike lieferte einen in der Barockzeit häufig
vertonten Opernstoff: Der Feldherr Flavius Aetius (Ezio) hat den Hunnenansturm unter Attila
erfolgreich abgewehrt. Er fällt jedoch einem Attentat zum Opfer, welches der römische Kaiser
Valentinianus (Valentiniano) höchstselbst verübt, um sich des zu mächtig werdenden
Heerführers zu entledigen. Der Dichter Metastasio hat daraus in seinem Opernlibretto in freier
Abwandlung eine verwickelte Beziehungsgeschichte gemacht. Auch bei ihm kehrt Ezio
siegreich aus der Schlacht gegen Attila an den Hof des Kaisers zurück. Dort gerät er in eine
Intrige von Massimo, eines Vertrauten des Kaisers. Der Kaiser hatte nämlich die Frau des
Massimo vergewaltigt, wofür dieser sich rächen will. Dazu will Massimo seine Tochter
Fulvia mit dem Kaiser verheiraten. Der so geschaffene Zugang zu den Gemächern des Kaisers
soll die Gelegenheit zur Rachetat bieten. Fulvia jedoch liebt Ezio, welchen Valentiniano aber
mit seiner Schwester Onoria verheiraten will. Der Mordanschlag gegen den Kaiser mißlingt.
Massimo lenkt den Verdacht auf Ezio. Valentiniano erteilt schließlich den Befehl zur
Ermordung des Heerführers. Als der angebliche Vollzug des Befehls gemeldet wird, wiegelt
Massimo das Volk gegen den Kaiser auf. Da erscheint plötzlich der unversehrte Ezio und
verhindert den Tyrannenmord. Es kommt zur allgemeinen Versöhnung, der Kaiser verzichtet
zugunsten von Ezio auf Fulvia, Massimo ist geläutert, gemeinsam singt man die Moral von
der Geschicht‘. Lieto fine. Vorhang.
Ein Prachtexemplar von einem Macho: Sonia Prina als Ezio
Christoph Willibald Gluck hat dieses Libretto noch ganz im Stile einer barocken Opera seria
vertont. Auf lange Rezitative folgen virtuose Arien. Dies ist genau jenes starre Korsett,
welches Gluck in späteren Jahren mit seiner Opernreform aufsprengen sollte. Moderne
Regisseure versuchen bei Barockopern gerne, die nach heutigem Geschmack etwas länglichen
Da-capo-Arien mit szenischen Mätzchen und allerlei Ausstattungsplunder ein wenig
abwechslungsreicher zu machen und obendrein allzu ausführliche Rezitative auf das
unbedingt Notwendige zurechtzustutzen. Das Frankfurter Produktionsteam mit
Regisseur Vincent Boussard und dem Alte-Musik-Shootingstar Christian Curnyn am Pult hat
den anspruchsvolleren Weg gewählt, auf die Qualität des Textes von Metastasio zu vertrauen.
So stehen in der aktuellen Aufführung die Rezitative im Vordergrund, alleine schon weil sie
einen Großteil der Gesamtspieldauer beanspruchen. Das weitgehend kahle Bühnenbild
von Kaspar Glarner bietet wenig Ablenkung. Sehr dezent werden abstrahierte Projektionen
eingesetzt, so zu Beginn ein ruhig über den Himmel ziehendes Flugzeuggeschwader als
Sinnbild für die siegreich heimkehrende römische Armee oder Wasserspiegelreflexe, wenn in
einer Arie Wassermetaphern gebraucht werden. Eine wichtige Rolle kommt der Beleuchtung
zu (gestaltet von Joachim Klein). Die Bühne ist von Szene zu Szene in ein anderes farbiges
Licht getaucht. Sehr theaterwirksam und variantenreich wird beinahe durchgängig der
Schattenwurf der Darsteller auf der Rückwand eingesetzt. Immer wieder werden schlagartig
die Lichtstimmungen gewechselt, um Gefühlsumschwünge oder Wendepunkte zu
unterstreichen.
Schattenspiele: Paula Murrihy als Fulvia
In dieser beinahe schon bis zur Kälte stilisierten Umgebung wirken die phantasievoll-üppigen
Kostüme von Christian Lacroix umso spektakulärer. Gleichwohl ist der Rausch aus Stoff und
Farben kein Selbstzweck. Vielmehr sind die Kostüme äußerer Ausdruck von Charakter und
Stellung der einzelnen Figuren. Die Beamten Massimo und Varo sind dunkel und schlicht
gewandet in uniformartige Anzüge. Dagegen wird der Held Ezio mit einem aufgemalten
Brustpanzer versehen, der ihn fast schon als ein wenig eitlen Kraftprotz denunziert. Fulvia
erscheint zunächst in hochgeschlossenem schwarzen Kleid, später dann in bräutlichem Weiß
mit überdimensionierter Schleife um die Hüften wie ein kostbares Geschenk, verpackt für den
Kaiser. Dieser darf als einziger Mann Extrovertiertheit mit farbig leuchtenden Mänteln
zeigen.
Die ausdrucksvollen Kostüme in karger Umgebung saugen die Blicke des Publikums an und
lenken sie ganz auf die Figuren. Mit ihnen arrangiert Regisseur Boussard ein intensives
Kammerspiel, das mit wenigen Requisiten auskommt und ganz auf Gesten, Blicken und
Posen beruht. Ja, der Regisseur läßt seine Darsteller immer wieder auch posieren, Haltungen
und Körperstellungen einnehmen, die dem Manierismus abgeschaut scheinen. Hier agieren
eben keine Zeitgenossen des 21. Jahrhunderts in Straßenanzügen mit „natürlicher“
Allerweltsgestik, sondern Figuren der ausgehenden Barockzeit. Ein solches Konzept hätte mit
minderbegabten Darstellern rasch scheitern können. In Frankfurt aber verhilft ein
spielfreudiges Ensemble der Regie zur Entfaltung.
Spielfreudiges Ensemble: Max Emanuel Cencic (Valentiniano), Paula Murrihy (Fulvia) und
Beau Gibson (Massimo)
Dies liegt auch daran, daß die Sänger offenkundig sehr intensiv an der Textgestaltung der
Rezitative gearbeitet haben. Sie finden eine staunenswerte Bandbreite an Ausdrucksmitteln,
die eben nur im Gesang zu realisieren ist. Eindrucksvoll wird dadurch die Berechtigung des
Rezitativs gegenüber dem reinen Sprechen aufgezeigt. Ausnahmslos alle Rollen sind vom
Stimmtyp her ideal besetzt. Jede Stimme hat ihre eigene, unverwechselbare Farbe. Sonia
Prina gibt mit ihrem satten, kernigen Alt den Ezio als Prachtexemplar von einem
selbstgefälligen Macho. In den Arien zeigt sie ihr sängerisches Format und präsentiert selbst
halsbrecherische Koloraturen mit beinahe beiläufiger Selbstverständlichkeit. Im zweiten Teil
bekommt sie einen Anflug von Belag auf den Stimmbändern rasch in den Griff und führt die
davon kaum eingetrübte Arie souverän zu Ende. Der Countertenor Max Emanuel Cencic
wirkt als Kaiser Valentiniano dagegen exaltierter, angespannter, auch zerbrechlicher – sehr
passend zu einem nervösen Psychopathen. Mit Prina und Cencic als Gästen bietet die Oper
Frankfurt eine internationale Spitzenbesetzung für zwei der Hauptfiguren an, hinten der aber
die hauseigenen Kräfte in keiner Weise zurückstehen. Paula Murrihy macht mit ihrem in allen
Registerlagen ausgeglichenen, runden und ausdruckstarken Mezzosopran die Fulvia zur
zentralen Figur des Stückes. Stimmlich und darstellerisch setzt sie nach ihrer ergreifenden
Dido einen neuen Glanzpunkt in ihrer noch jungen Karriere. Ganz ausgezeichnet paßt der
baritonal geerdete und mit einer gesunden Höhe ausgestattete Tenor von Beau Gibson zur
Figur des Massimo. Seine Gestaltung der Rezitative überzeugt restlos. In den Arien kommt
seine warme und lyrische Stimme gut zur Geltung. Lediglich in den Auszierungen bleiben
gelegentlich letzte Wünsche offen. Womöglich machte sich hier ein Hauch von
Premierennervosität bemerkbar. Heller, kopfresonanzlastiger klingt der Tenor von Simon
Bode in der Rolle des Varo. Das Ensemble wird abgerundet von Sofia Fomina, die als
Kaiserschwester Onoria mit süßem, koloratursicherem Sopran zu überzeugen weiß.
Starke Stammsänger: Beau Gibson (Massimo) und Paula Murrihy (Fulvia)
Das Opernorchester spielt in kleiner Besetzung ganz nach dem heutigen Standard historischer
Aufführungspraxis. Die Streicher benutzen Barockbögen und vermeiden das Dauervibrato,
was gelegentliche Intonationstrübungen in den Violinen mit einschließt. Wunderbar geraten
die Solopassagen auf der Barockoboe. Insgesamt gelingt es Christian Curnyn, die Partitur in
den Arien lebendig und kontrastreich zu gestalten, die Begleitung der Rezitative jedoch in
Rhythmus und Tempo ganz dem Sprachduktus unterzuordnen. Besonders hervorzuheben ist,
daß sich die auf dem Besetzungszettel namentlich aufgeführten Instrumentalisten mit
Ausnahme der Holzbläser alle aus dem Stammorchester der Oper rekrutieren. Die Flexibilität
der Musiker geht also so weit, daß sie gestern Wagner und morgen Aribert Reimann spielen,
heute aber Gluck in einem Klanggewand präsentieren, welches man ansonsten nur von
Spezialensembles für Alte Musik geboten bekommt.
Die Komposition hat stärkere und schwächere Momente. Brillante Einfälle stehen neben
konventionellen Passagen. Es ist eine jener Ausgrabungen vergessener Opern, die es lohnen,
entdeckt zu werden, die jedoch zu Recht nicht den Eingang in den Kanon des geläufigen
Repertoires gefunden haben. Man betrachtet diese Raritäten wie besonders ansprechend
arrangierte historische Ausstellungsstücke: weniger emotional berührt als unterhaltsam
belehrt. Den Schluß der Oper scheint Regisseur Boussard auch genau in dieser Haltung
inszeniert zu haben: In dem Moment, wenn das bis dahin kammerspielartige Beziehungs- und
Verschwörungsdrama auf das wie üblich an den Haaren herbeigezogene Lieto fine zusteuert,
in dem sich alle Widersacher in einem Anfall spontanen Großmuts urplötzlich verzeihen,
weitet sich die Bühne zu einem Ausstellungssaal mit haufenweise Auguststatuen in allen
Größen. Modern gekleidete Museumsbesucher betrachten die Exponate interessiert und
schießen Photos mit ihren Smartphones, während die Sängerriege unbeirrt zum
moralisierenden Schlußgesang ansetzt.
Großen, warmen Applaus spendet das Premierenpublikum verdientermaßen Sängern,
Orchester und Dirigent, wohlwollende, ungeteilte Zustimmung erhalten Regie und
Ausstattung.
Michael Demel (11.11.2013)
(Copyright der Bilder: Barbara Aumüller)
OPERNNETZ.DE, 10_11_2013
www.opernnetz.de_November_13
http://www.opernnetz.de/seiten/rezensionen/fra_ezi_roe_131110.htm
Auf tönenden Adlerschwingen
Sein zärtlicher Genius versteht alles fernzuhalten, was seinem Hörer nur das leiseste Leid
verursacht. Er schont seine Empfindungen und Gefühle“, so Stendhal 1814 über den berühmten
Musikdichter Pietro Metastasio. Metastasio war jener, der bestimmte, was wie auf den Bühnen im
achtzehnten Jahrhundert sängerisch formuliert wurde. Ein Komponist galt, gemessen an seinem
Genie, recht wenig. Wenn dieser Megastar-Librettist den Federkiel gezückt hatte, zählte das
geschriebene Wort. Das traf auch für sein Ezio-Gedicht, das in den Salons der Zeit rezitiert wurde
zu. Immerhin, es gab über vierzig musikalische Fassungen dieses Ezio. Eine davon auch von
Maestro Händel in London. Auch Christoph Willibald Gluck, der als Opernreformer in die
Musikgeschichte einging, war sich bewusst, welch genialer Wortkünstler Metastasio ist. Als Gluck
seine frühe opera seria Ezio 1750 zur Karnevalszeit im Prager Teatro Nuovo herausbrachte, lagen
20 Jahre musikalischer Wanderschaft und ein reiches Opernschaffen hinter ihm. Als dann die zweite
Fassung des Ezio 1763 in Wien gespielt wird, ist er bereits eine musikalische Kultfigur und wird
„Ritter Gluck“ genannt.
An der Frankfurter Oper kommt Glucks erste Fassung des Ezio von 1750 auf die Bretter. Eine mit
etlichen Secco- und Accompaniato-Rezitativen gespickte Partitur, in der sich sanfte gefühlvolle
Arien mit den damals üblichen, emotional überschäumenden Bravourarien abwechseln.
Der Zuschauer wird, wie von magischer Hand geführt, in den großen Guckkasten geworfen, den
Kaspar Glarner entworfen hat. Auf große weiße Trennwände, die viel Platz für das Licht- und
Schattenspektakel von Joachim Klein zulassen, werden antike Steine projiziert, auf denen die
Figuren, die sich im Vorderraum befinden, Schatten werfen. Mal übergroß, mal eins zu eins. Das
erinnert an einen Spaziergang auf dem Forum Romanum oder der Via Appia Antica. Versetzt
gleichsam in jene vergangene Epoche.
Zu Beginn fliegen Kampfgeschwader durch die Lüfte. Eine kleine, winzige Cäsarfigur aus Gips liegt
auf der leeren Bühne. Große schwarze Schwingen eines Adlers werden herabgelassen. Aëtius, also
der Adler, landet in Rom und bestimmt nun das Geschehen. Schwingen, die zwischen Raum und
Zeit schweben und unsere Fantasie in die Epochen Ezios oder Glucks hinübertragen. Im zweiten
Akt tummeln sich Cäsarfiguren jeglicher Größe auf der Bühne und werfen imposante
Schattenmalereien, die das Auge faszinieren.Der französische Modeschöpfer Christian Lacroix schuf
die bildgewaltigen, ausladenden Roben. Eine Reminiszenz an Glucks Epoche und die vergessene
Cäsarenzeit: schwarzes Rokoko-Taftkleid trifft auf Brustpanzer mit Skelettabbild. Der Kaiser trägt
einen roten Samtmantel, der an die chinesischen Kaiser erinnert. Kunstfiguren, die, in Spiel und
Musik getaucht, Lebendigkeit erfahren.
Metastasios Ezio nimmt den Sieg der Römer über Attilas Hunnen 451 als inspirierendes Ereignis zur
Vorlage. Ezio kehrt nach erfolgreicher Schlacht heim und wird in allerhand Intrigen und
Verwirrungen gestürzt. Kaiser Valentiniano, überempfindlich, psychopathisch, machthungrig und
lüstern möchte Ezios Geliebte Fulvia zur Frau. Diese schwankt zwischen Vaterliebe und der Liebe zu
Ezio, dem Helden von Rom. Ihr Vater Massimo, dessen Frau einst vom Kaiser geschändet wurde,
verfolgt nur einen Gedanken: Der Kaiser muss sterben. Die Schwester des Kaisers Onoria liebt
ebenfalls Ezio. In einem dreistündigen musikalischen Ränkespiel aus Intrige, Misstrauen,
Liebesbeschwörungen und Treuebekundungen treffen jene sechs Personen unterschiedlicher
Wesensart aufeinander.
Regisseur Vincent Boussard legt großen Wert auf die lang wirkenden Rezitative, denen er
musikdramaturgische Spannkraft einhauchen will. Das gelingt aber nur zum Teil. Denn nicht alle
seiner sechs Schauspielsänger füllen die übergroß wirkende Spielfläche mit überschäumender
Gestik, Präsenz und Fulminanz. Das mag am Stück, an der auf Rezitativ setzenden Regie Bussards
liegen.
Zum einen ist das Max Emanuel Cencic. Er gestaltet seinen Kaiser Valentiniano, der Ezios Macht
und Beliebtheit beim Volk fürchtet, raffiniert unheimlich. Er zeichnet einen verdeckt agierenden
Psychopathen, der wie ein drohendes Untier jederzeit zubeißen kann. Ein bisschen Hannibal Lecter,
ein bisschen Beau mit nervösen Zuckungen. Diese Gesten sind aus dem Geist der Psychoanalyse
kreiert. Sonia Prina singt ihre Nummern schön, mit leichter Rauigkeit in der Stimme. Der
gewichtige, gestalterische Gegenpart zum „Herrschermonster“ oder zur liebend süßen Fulvia gelingt
ihr selten. Fulvia, die zerbrechlich aufbegehrende Tochter Massimos, wird von der grandios
aufspielenden Paula Murrihy gegeben. Ihr glaubt man jegliche Gefühlsregung, innere Zweifel und
große Empathie zur Musik Glucks. Ihre Arie Ah, non son lo che parlo“ gerät zum Höhepunkt des
Abends.
Wie schön, dass Bernd Loebe sie als Ensemblemitglied der Oper Frankfurt gewinnen konnte.
Massimo, Berater des Kaisers und der eigentliche Bösewicht, wird mit geschmeidigem, tenoralem
Tonfall von Beau Gibson gegeben. Die bezaubernde Sofia Fomina, Onoria, bringt in ihrem zu
kurzen Auftritt die innige Seelenlage einer wahrhaft Liebenden zum Ausdruck. Tonschön auch der
wahre Freund Ezios, der treue Diener Vario von Simon Bode.
Die Maximen der opera seria besagen, dass „nur edle Zartheit der Leidenschaft, keine
Alltagsschmerzen und keine unglücklichen Lösungen an das Ohr des Zuhörers dringen dürfen“. Der
Alte-Musik-erfahrene Christian Curnyn dirigiert mit kluger Hand und entlockt dem sehr tief
gestimmten Barockensemble der Oper Frankfurt Klangwelten vergangener Welten, die es zu
entdecken gilt.
Ein Opernabend, der eine wahre Rarität aus der Schatztruhe der opera seria hervorzaubert und so
manche sanfte, milde musikalische Geste, betörend schöne Arie in Erinnerung verweilen lässt. Lang
anhaltender Applaus vom einem, in eine ferne Zeit entrückten Publikum.
Barbara Röder
Fakten zur Aufführung
EZIO
(Christop Willibald Gluck)
10. November 2013
(Premiere)
Oper Frankfurt
Points
Honor
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor
Rezensionen-Archiv
Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort
Fotos: Barbara Aumüller
of
FEUILLETONFRANKFURT.DE, 13_11_2013
www.feuilletonfrankfurt.de_November_13
http://www.feuilletonfrankfurt.de/
Bibi Abel. Vor allem aber belebt durch die Kostümpracht von Christian Lacroix, die
bereits in “Adriana Lecouvreur” bewundert werden konnte. Schon lange entwirft der
Modeschöpfer Kostüme für Oper-, Ballett- und Schauspielaufführungen. Jetzt in
Frankfurt ist eine opulente, barocke Kleiderpacht zu erleben: der Kaiser in blutrotem
Mantel, aber auch schlüpfrig mit hautfarbenen Dessous, seine Schwester in
blutrotem Umhang und Fulvia in grosser schwarzer Robe.
Die Inszenierung wurde, wie gesagt, vom Publikum begeistert aufgenommen.
“Ezio” – Oper von Christoph Willibald
Gluck. Frankfurter Erstaufführung
13. November 2013
Überlebensangst – Machtspiel – Pracht – Intrige –
Tugendhaftigkeit
Von Renate Feyerbacher
Fotos: Barbara Aumüller /Oper Frankfurt und Renate Feyerbacher
Am 10. November 2013 hatte Christoph Willibald Glucks Dramma per musica “Ezio”
Premiere an der Oper Frankfurt. Ein vom Publikum begeistert gefeierter Abend.
Rezitative über Rezitative, aber sie lassen die komplizierte Handlung verstehen und
sind musikalisch einprägsam schön. “Das Wort wird zum Treffpunkt und zur Waffe”,
so beschreibt der Regisseur der Frankfurter Erstaufführung, Vincent Boussard,
gebürtiger Franzose, das Libretto. Es schrieb 1728 Pietro Metastasio (1698 – 1782).
Wortgefechte auf der Bühne, Gefechte mit dem Schwert nur hinter der Bühne.
Rezitative seien der Schlüssel zu den Charakteren. Ein Theaterstück mit Musik, das
zunächst manchmal sehr statisch daherkommt, aber später Fahrt aufnimmt.
Intrige und Mordabsicht treiben die dramaturgische Spannung voran. Zwei
tugendhafte Menschen, das Liebespaar Feldherr Ezio und Fulvia, die Tochter
Massimos, stehen dem machtgeilen, angstbesessenen, intriganten Kaiser
Valentiniano und seinem intriganten, seine Tochter opfern wollenden Vertrauten
Massimo gegenüber. Onoria, die Schwester des Kaisers, weise vermittelnd, wie
Fulvia dem humanistischen Gedanken verpflichtet, und Vario, der nicht zum Mörder
am Freund wird, sind wichtige Figuren in den verbalen Schlachten.
Sonia Prina (Ezio) und Paula Murrihy (Fulvia); Foto © Barbara Aumüller
Christian Lacroix mit der Autorin Renate Feyerbacher
Und was für Sängerinnen und Sänger stehen da auf der Bühne:
Kein Geringerer als der Countertenor Max Emanuel Cencic. Er – 1976 in Zagreb
geboren – verkörpert den Kaiser. Wie er diese Angstzustände singt, dann die ins
Hysterische überschlagenden Machtausbrüche gestaltet, das macht sprachlos, lässt
einen den Atem anhalten.
Cencic gibt sein Debüt an der Frankfurter Oper. Was für ein Gewinn! Er erhielt den
Opera Award 2013, den ECHO Klassik 2013 zusammen mit Philippe Jaroussky für
die Einspielung der Oper “Artaserse” von Leonardo Vinci (1690 – 1730). Die beiden
sangen die Hauptpartien.
Sonia Prina; Foto: Renate Feyerbacher
Sonia Prina, die Barockspezialistin, die auf der ausgezeichneten CD “Ezio” die
Titelpartie singt (Cencic den Kaiser), ist Ezio. Ein eingespieltes Duo. Das Frankurter
Publikum feierte Prina bereits in Vivaldis “Orlando”. Die Altistin ist eine der führenden
Sängerinnen ihres Fach und international gefragt. Ihre Diskografie, zu der “Ezio”
gehört, ist beachtlich.
Geradezu herb, sehr männlich wirkt sie auf der Bühne, und man ist später erstaunt,
einer spritzigen Italienerin zu begegnen. Was für eine Stimme, was für ein
schauspielerisches Talent!
Metastasio war der führende Literat für die damalige Bühne und auch vom Publikum
geschätzt. Die längste Zeit, ab 1729, war der Italiener Hofdichter beim Kaiser in
Wien.
Vermutlich 1731 vertonte Georg Friedrich Händel (1685 – 1759) Metastasios Text für
seine gleichnamige Oper (Uraufführung London Februar 1732). Allerdings hat
Händel diesen Text sehr verändert.
Christoph Willibald Gluck (1714 – 1787) schuf sein Werk knapp 20 Jahre später. Die
Uraufführung seiner 1. Fassung fand in Prag statt, der Komponist war damals 36
Jahre alt. Mehr als in der 2. Fassung, die drei Jahre später in Wien uraufgeführt
wurde, wird dem sehr klugen, äusserst dramatischen Text Metastasios
Gleichwertigkeit zugestanden. Diese erste Fassung des Dramma per musica in drei
Akten – der Prager Fassung also – wird nun in Frankfurt gespielt.
Das frühe Werk Glucks mit schönen musikalischen Einfällen ist allerdings nicht mit
den musikalischen Ideen Händels vergleichbar.
Paula Murrihy (am 5. 12. 2010 in der Oper Frankfurt); Foto: Renate Feyerbacher
Paula Murrihy, die junge irische Mezzosopranistin, gibt ihr Rollendebüt als Fulvia, die
junge russische Sopranistin Sofia Fomina als Onoria. Beide Frauen,
Ensemblemitglieder, überzeugen in ihren Rollen. Sehr stark und klar ihre Stimmen.
Paula Murrihy wird ab 16. November wieder in der Wiederaufnahme von “Dido und
Aeneas” brillieren.
Auch Beau Gibson als Massimo und Simon Bode als Varo gefallen. Ihre tenoralen
Stimmen sind ungetrübt, klar umrissen.
Und die Musik?
Max Emanuel Cencic (Valentiniano), Paula Murrihy (Fulvia) und Beau Gibson
(Massimo); Foto © Barbara Aumüller
Ezio alias Flavius Aëtius, der im 5. Jahrhundert lebte, ist eine historische Figur. Er
war ein bedeutender, erfolgreicher Heerführer unter Kaiser Valentinian III. Dieser
liess Aëtius jedoch später während seiner Rede auf dem Palatin in Rom ermorden.
Neid ist ein starker Charakterzug des Kaisers, der von wahnsinnigen
Überlebensängsten geschüttelt wird.
Ein kleines Ensemble von vorzüglich musizierenden Mitgliedern des Frankfurter
Opern- und Museumsorchesters: elf Geigen, vier Violen, drei Violoncelli, zwei
Kontrabässe, zwei Barockoboen, zwei Barockfagotte, zwei Hörner, Cembalo und
Continuocello – eigentlich eine Besetzung für ein kleines Barocktheater wie in
Schwetzingen. Dennoch war das grosse Frankfurter Opernhaus vom Klang erfüllt –
ausgefüllt.
Regisseur Vincent Boussard zeichnet diese Figur geradezu grandios. Eindrücklich,
wie er diesen machtlüsternen Schwächling wimmernd an der Brust eines
Untergebenen Zuflucht suchen lässt.
Christian Curnyn; Foto: Renate Feyerbacher
Geleitet wurde das Ensemble von Christian Curnyn. Was ihm gelang. Eine
eindrucksvolle, musikalische Dynamik. Schon einmal begeisterte er mit “La Calisto”
in der Spielstätte Bockenheimer Depot der Oper Frankfurt.
Vincent Boussard; Foto: Renate Feyerbacher
Auch Fulvia, die, obwohl sie Ezio liebt und ihm versprochen ist, aber aus politischintriganten Gründen von ihrem Vater mit Kaiser Valentiniano verheiratet werden soll,
ist psychologisch grossartig geführt. Mal leidet sie still, mal verzweifelt. Ebenso Ezio,
der um seine Liebe kämpft, sich dem Kaiser widersetzt und dafür ins Gefängnis geht,
eine Hosenrolle, unglaublich männlich umgesetzt. Vater Massimo, dessen Frau vom
Kaiser einst vergewaltigt wurde, will Rache: den Tod des Kaisers; er ist bereit, seine
Tochter zu opfern, die zwischen Gehorsam gegenüber dem Vater, Furcht vor dem
Kaiser und ihrer Liebe zu Ezio hin- und hergerissen ist. Massimo drückt sich an der
Wand entlang, während andere reden, von Überlebensangst getrieben schleimt er
um den Kaiser herum, ist gewalttätig der Tochter gegenüber.
(vorne v.l.n.r.:) Beau Gibson (Massimo; liegend), Paula Murrihy (Fulvia; sitzend),
Sonia Prina (Ezio), Max Emanuel Cencic (Valentiniano; sitzend) und Sofia Fomina
(Onoria) sowie im Hintergrund die Statisterie der Oper Frankfurt; Foto © Barbara
Aumüller
Psychologisch überzeugend: fein, grob, gewalttätig, zwiespältig sind die Figuren
geführt und verleihen dem dramaturgischen Spannungsbogen der komplizierten
Handlung eine grosse Wirkung.
Weitere Aufführungen am 14.,17., 22. (danach Oper lieben), am 24. November und
7. Dezember 2013, jeweils um 19.30 Uhr
Das Bühnenbild von Kaspar Glarner ist karg, aber fulminant belebt durch das Licht
von Joachim Klein, das einfallsreiche Schattenspiele ermöglicht, und den Videos von
Bibi Abel. Vor allem aber belebt durch die Kostümpracht von Christian Lacroix, die
bereits in “Adriana Lecouvreur” bewundert werden konnte. Schon lange entwirft der
Modeschöpfer Kostüme für Oper-, Ballett- und Schauspielaufführungen. Jetzt in
Frankfurt ist eine opulente, barocke Kleiderpacht zu erleben: der Kaiser in blutrotem
Mantel, aber auch schlüpfrig mit hautfarbenen Dessous, seine Schwester in
blutrotem Umhang und Fulvia in grosser schwarzer Robe.
Die Inszenierung wurde, wie gesagt, vom Publikum begeistert aufgenommen.
(Wieder gibt es eine Lobeshymne von mir auf eine Premiere an der Oper Frankfurt,
dieses Mal auf “Ezio”, ein selten gespieltes Werk. Es muss sein, sonst würde ich
lügen.)
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, 14_11_2013
ECHO · Freitag, 15. November 201
Ohne Bart
https://epaper.sueddeutsche.de/digiPaper/servlet/articlepageservlet?page=260283&text=1652407
singt es sich be
Sueddeutsche_Zeitung_14.11.13
ROCK Nick Cave und seine
sich in Offenbach in exzelle
Feuilleton
Uns ist die Liebe ein Feind
VON CHRISTIAN CHUR
OFFENBACH. Er macht sich
rar, aber wenn er auf der Bühne
Nichts zu sehen, aber packend erzählt: Christoph Willibald Glucks 'Ezio' an der Oper steht, ist er eine Klasse für sich:
Frankfurt
Nick Cave legte am Mittwoch
auf seiner Europatour einen
Stopp in der Offenbacher StadtEs ist ein fruchtbares Wechselspiel: Die Countertenöre brauchen brillante Darstellungsmöglichkeiten, die Oper
halleein.Gemeinsammitseiner
braucht einen erweiterten historischen Aufführungsrahmen. Die meisten Häuser haben diesen inzwischen soweit
Band, den „Bad Seeds“, gelang
aufgespreizt, dass die Barockoper einen gebührenden Platz darin findet. Einer der engagiertesten Falsett- ihm der Spagat zwischen EnVirtuosen ist der Wiener Max Emanuel Cencic, der schon in jungen Jahren als Solist bei den Wiener
tertainment und Melancholie.
Sängerknaben glänzte, nach dem Stimmbruch als jugendlicher Sopranist ebenso brillant agierte und nach ein
paar Jahren Pause fast bruchlos daran anknüpfen konnte. Er ist bis heute einer der besten Techniker, sodass
Die erfreulichste Nachricht vorseine Stimme auch nach vielen Jahren Bühnenaktivität noch wunderbar trägt, manchmal fast geschmeidigerneweg:
wirkt Nick Cave trägt seinen
als in jungen Jahren.
grauenhaften Schnauzbart nicht
mehr. Der 56 Jahre alte Australier
gibt sich wieder gepflegt und geAbgeschlossen ist sein
Cencic ist einer der Hauptakteure dieses Repertoire-Wechselspiels. Immer wieder taucht er in neuen Rollendiegen.
oft
künstlerischer Abstecher hin in
vergessener Meisterwerke auf. An der Oper Frankfurt war er nun als Kaiser Valentiniano in Christoph Willibald
Glucks vierzehnter Oper 'Ezio' zu erleben. Den sang er schon 2008 in Paris, der Live-Mitschnitt erschien 2011
bei
Richtung
Schweinerock, den er
Virgin Classics, und 2009 in derselben Rolle bei Coviello Classics. In allen Fällen geht es um die erste, die Prager
mit seiner Zweitband „GrinderFassung von 1750, die Gluck im Zuge seiner Reformbestrebungen 13 Jahre später revidierte. Aber, dies zeigte
man“ in den vergangenen Jahren
die Frankfurter Produktion überdeutlich, auch der vorrevolutionäre Gluck hat seine Berechtigung, auch hier schuf
unternommen hat.
ein energiegeladenes Genie Meisterwerke, auch wenn er sich vom durch die barocke höfische Konvention
Dennoch hat ihm der Ausflug
geprägten Stil dann aufs Schärfste distanzierte. Er empfand ihn als allzu starr und klischeehaft, wollte wieder
ins Rüpel-Lager sichtbar gut geunmittelbare Wirkung durch den Ausdruck echter Gefühle und packender Geschichten an Stelle von
tan: Nick Cave erfreut sich bester
vorgestanzten Plots und marionettenhaften Protagonisten.
Laune und sieht richtig gut aus.
Damit soll nicht gemeint sein,
dass der groß gewachsene, hagere Mann eine Schönheit im Sinne
Heute, nach 200 Jahren komplex sich entwickelnder Operntradition, wirkt das erhaben Barocke und verschnörkelt
Höfische keineswegs so verstaubt, wie es Gluck und den Zeitgenossen erscheinen musste. Nicht zuletzt dieder gängigen Mode ist. Aber er
versprüht Charisma, Kraft und
Riege hervorragender Countertenöre - von Franco Fagioli bis Bejun Mehta - erfüllen die schon damals
historischen Figuren mit einer Lebendigkeit, die man kaum für möglich hielt. Dabei vergessen sie das
Vitalität, wie man es in der Form
Wesentliche nicht. Und das ist für alle Opern dann doch ein Fixum: der Gesang. Die Farbigkeit des Gesangs,
die
nur
selten von ihm kennt.
Vielfältigkeit, die Virtuosität, letztlich aber der Stimmcharakter, der einerseits für sich genommen betört,
Für viele seiner Fans ist er vor
andererseits übergangslos in die Glaubwürdigkeit des Bühnencharakter fließt.
allem ein Meister der Melancholie, der damit kokettiert, mit seiner „Traurigkeit glücklich zu
Bei der Frankfurter Aufführung muss man fairerweise sofort ergänzen: Nicht nur Cencic, sondern auch die sein.“ Alben wie „The Boatman’s
Call“, „The Good Son“ oder „No
italienische Altistin Sonia Prina als Ezio, die irische Mezzosopranistin Paula Murrihy und die russische Sopranistin
Sofia Fomina als Onoria fanden sich hochkarätig zu einem so stimmigen Eindruck zusammen, dass man aufMore
jedeShall We Part“ sind in dem
Sinne glanzvolle Beispiele seines
bildliche Ablenkung durch ein aufwändiges Bühnenbild verzichten konnte. Der französische Regisseur Vincent
Boussard sah dies offenbar genauso. Außer einer Videoprojektion zu Beginn, drei Lichtfarben auf derselbenausgefeilten Songwritings. Seine
weißen Rückwand und ein paar Augustus-Statuen nach der Pause gab es nichts zu sehen. Was für einen aktuelle Platte, das im Februar
erschienene „Push the Sky
dreistündigen Opernabend normalerweise entschieden zu wenig ist.
Away“, knüpft daran an.
Auf der anderen Seite gibt er
denwarhumorvollen Entertainer,
Aber erstens gab es die aufwendigen Kostüme des Modedesigners Christian Lacroix zu bestaunen, und dann
der das Publikum in der nahezu
die Geschichte so packend erzählt, und zwar hauptsächlich durch lange Da-Capo-Arien, die üblicherweise auch
ausverkauften
Offenbacher
nicht für Handlungsspannung sorgen, dass man eigentlich nur noch darauf achtete, wie sich die Protagonisten
begegneten, wie Schauspielgestus und stimmliche Modulation ineinander übergingen, sich verschränkten zuStadthalle mit seiner markanten
einer Bühnengestalt. Es waren die Sängerinnen und Sänger, die auch Dirigent Christian Curnyn aus seinemStimme in den Bann zieht – und
anfänglichen Halbschlaf rissen. Nach der müden Ouvertüre des Opernorchesters wurde eine Königstragödie von
beinahe Shakespeareschem Format aufgerissen - das Libretto schrieb immerhin Pietro Metastasio.
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FEUILLETON – Redaktion Kultur und Gesell
Holzhofallee 25 – 31, 64295 Darmstadt, Tel
Fax: 06151 387-533, E-Mail: Feuilleton@darm
Der Kaiser Valentiniano begehrt Fulvia, die Geliebte seines obersten Feldherrn Ezio, der gerade Rom vor
feindlicher Übernahme bewahrt hat. Fulvias Vater Massimo (erst spät am Abend zu gesanglicher Blüte findend:
Beau Gibson) will dagegen seine Tochter durchaus an den Kaiser verheiraten. Seine mörderischen Intrigen Johannes Breckner (job)
inklusive Kaiser-Attentat klären sich erst ganz am Ende auf. Selten hat man so sehnsüchtig auf ein lieto fineStefan Benz (sb)
gewartet, denn soviel Unrecht und Bösartigkeit, wie hier in drei Stunden ausgebreitet wird, hätte für drei bis fünf
Barockopern ausgereicht. Der Kaiser überlebt und vergibt. Aber die schlaue, dabei herzensgute Fulvia muss ihn
erst davon überzeugen, dass die Gnade des Souveräns manchmal sinnvoller ist als das Recht des Starken.
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Dies ist, bei allen formalen und musikalisch-stilistischen Differenzen, wohl der größte Unterschied zur
nachreformerischen Zeit, insbesondere zu Mozart. Der hat die Gnade des Herrschers gleichsam zum zentralen
Thema seiner Opern erhoben und dabei eben nicht nur rational argumentiert, sondern den Beweggrund reiner
Menschlichkeit erfunden, der zweckfrei ausgeübten Empathie, kulminierend in hinreißenden Ensembleszenen.
Die sind bei Gluck rar und schematisch. Sein dramatisches Metier ist die große Gefühlsarie, die musikalische
Erhabenheit des Gescheiterten, Frustierten, Betrogenen. Manchmal kommt ihm Metastasios kunstvollliterarisches, dabei so lebenskluges Textbuch in die Quere. 'Uns ist die Liebe ein Feind', sagt Fulvia zu
Valentiniano. Es ist die einzig klar formulierbare Konsequenz aus dem unerfüllten Beziehungschaos. Die ginge
bei Mozart niemals durch, aber vor die Anbetung von Liebe und Barmherzigkeit hat die Operngeschichte erst
einmal die aufklärerische Härte der sauberen Gefühlsbilanz gestellt. Und Gluck hat auch die hinreißend
komponiert. Helmut Mauró
Quelle
Verlag
Süddeutsche Zeitung
Datum
Donnerstag, den 14. November 2013
Seite
13
(71. Fortsetzung)
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Ich kam mir ausgeliefert vor.
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Politik und Liebe in großer Dramatik bietet Glucks Oper „Ezio“ in Frankfurt – Szene mit (von links) Max Emanuel Cenčić als Valentiniano, Paula Murrihy
als Fulvia und Beau Gibson als Massimo.
FOTO: BARBARA AUMÜLLER
Frauen machen Krieger sanft
MUSIKTHEATER Konventionelle Musik, großes Opernvergnügen: Glucks „Ezio“ in Frankfurt
VON SUSANNE DÖRING
FRANKFURT. Wie aus eher
konventioneller Musik und
puristischer Ausstattung eine
gelungene Aufführung wird,
zeigt die Frankfurter Oper mit
Glucks „Ezio“.
Was für ein Glück! Wenn die vier
Männer in Christoph Willibald
Glucks 1750 uraufgeführter Oper
„Ezio“ unter sich geblieben wären, hätten sie sich in ihrer Rachsucht, ihrem Neid, ihrem Narzissmus und ihrem Kriegerdasein wahrscheinlich innerhalb
von zehn Minuten umgebracht.
Aber Kaiser Valentian, Feldherr
Ezio, Intrigant Massimo und Soldat Varo sind, jeder auf seine Weise, auch liebende Männer, die
letztlich von Frauen zur Räson
gebracht werden.
Operndichter Pietro Metastasio hat eine klassische Vorlage für
eine „Opera seria“ gegeben, die
moderat moralisch die Politik mit
der Liebe vermischt. Gluck vertonte diesen Text in fast ebenso
konventioneller Weise, die nur
andeutungsweise den späteren
Opern-Reformer erkennen lässt.
Da folgt ein Rezitativ aufs andere,
und jede Szene wird regelgemäß
mit einer Arie beendet, deren Anzahl und Zuordnung zu den Personen jeweils dem gebräuchlichen Schema der Zeit entspricht.
In der Frankfurter Oper passt
die gemäßigt moderne Inszenierung von Vincent Boussard gut
zu diesem kompositorisch nicht
eben überraschendem Werk. Der
Regisseur und sein Kostümbildner Christian Lacroix, die schon
2012 „Adriana Lecouvreur“ in
Frankfurt einrichteten, sowie
Bühnenbildner Kaspar Glarner
(Bühne) setzen auf durch Videos
(Bibi Abel) unterstützten Purismus. Die Bühne ist am Anfang,
bei Ezios Rückkehr aus dem gewonnenen
Krieg,
durch
schwarz-weiße Videoprojektion
von Kriegsflugzeugen markiert.
Im weiteren Verlauf schweben
weiße, an Möwen erinnernde Gebilde über die Leinwand, die ihre
Entsprechung in einer im Raum
schwebenden Skulptur finden.
Farbe erhält das Spiel durch die
opulenten Kostüme der kaiserlichen Familie.
Valerian tritt in königlichem
Rot auf, das aber durch dunklere
Einfärbungen wie mit Blut besudelt erscheint. Prächtig auch das
Kleid von Onoria mit schwarzem
Oberteil und grün changierender
Seide als Rock. Dagegen treten
die Untertanen in modernen Anzügen auf, nur Ezio unterscheidet sich noch durch ein an ein
Skelett erinnerndes Oberteil.
Schlüssig wirkt am Ende das mit
lauter Kaiserskulpturen versehene Kabinett Valentians, das sich
in der Schlussszene als Museum
entpuppt. Auf einmal bevölkern
mit Mobiltelefonen, Tablet-Computern und Reiseführern versehene Menschen in moderner
Kleidung den Raum. Das gute Ende lässt nun auch die Öffentlichkeit zu.
Sängerisch überzeugt vor allem Altistin Sonia Prina in der
darstellerisch
glaubwürdigen
Hosenrolle des Ezio. Ihre Koloraturen kommen locker und präzise daher, ohne maschinell zu wirken. Ein Höhepunkt des Abends
ist ihre leidenschaftlich interpretierte Arie „Se fedele mi brama“.
Aber auch Paula Murrihy (Mez-
zosopran) löst Begeisterung aus,
so vor allem in der Traumszene
des dritten Aktes, deren Musik
mit ihrem begleiteten Rezitativ
einen Hinweis auf die Entwicklung des Komponisten in seinen
späteren Jahren gibt. Max Emanuel Cencic, einer der bekanntesten Countertenöre in der BarockSzene,gibteineninseinemWahn
weniger rasenden als anrührenden Valentian, dessen Stimme in
ihren Differenzierungen bewegend wirkt.
Zu diesen stimmlichen Größen gesellten sich Beau Gibson
(Massimo), Sofia Fomina (Onoria) und als einziger mit verhalten komischer Aufgabe, die er
aber schön ausspielt, Simon
Bode als Varo.
Das Frankfurter Opernhausund Museumsorchester unter
Christian Vurnyn und mit Ingo de
Haas als Konzertmeister beweist
Gespür in der Begleitung der Sänger.
Termine Weitere Aufführungen gibt
es am Sonntag (17.), 22., 24. und 29.
Oper sowie am 7. Dezember. Kartentelefon: 069 21249494.
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