2 Nase und Nasennebenhöhlen Grundlagen der plastisch-rekonstruktiven Gesichtschirurgie Therapie | Die Therapie hängt von der Tumorausdehnung, der histologischen Diagnose, dem Differenzierungsgrad und der Strahlensensibilität des Tumors 2.10 Grundlagen der plastisch-rekonstruktiven Gesichtschirurgie sowie anderen Begleiterkrankungen ab. Prinzipiell besteht die Möglichkeit der Operation, Strahlentherapie und Chemotherapie. Jede Tumorerkrankung besitzt individuelle Charakteristika, sodass meist eine Kombination der ver- 111 Key Point 2 Ausgangspunkt der plastischen und rekonstruktiven Gesichtschirurgie sind Defekte verschiedener Gewebetypen (z. B. Haut, Knorpel, Knochen oder Muskeln) durch Verletzungen, Tumoren oder notwendige Operationen. Auch hängt die Folgebehandlung davon ab, ob die 2.10.1 Defekte und Wunden Operation eine vollständige, sog. R0-Resektion des Narben spielen im Gesicht eine besondere Rolle, weil Tumors erreicht oder nicht. Danach wird das Risiko sie nicht zu verbergen sind. Eine ideale Narbe ist durch die Erkrankung bestimmt und für die weitere dünn, blass und überragt nicht das Hautniveau. Nar- Therapie als Low Risk (R0) oder High Risk (R1) die weitere Behandlung, (z. B. Bestrahlung oder kombi- ben können nur dann zart abheilen, wenn sie in bzw. parallel zu den Spannungslinien der Haut liegen. nierte Radiochemotherapie) bestimmt. Wegen der Wunden können durch verschiedene Nahttechniken meist geringen Strahlensensibilität der Tumoren versorgt werden und heilen dann primär. Sie können der Kopfregion ist die Operation meist die primäre auch sekundär heilen durch Granulationsgewebe aus Therapieform. der Tiefe. Narben, die sich der Zugrichtung der Haut- Die hämatogene Metastasierungstendenz ist mit 5 % kraftlinien widersetzen und unter Spannung geraten, und die lymphogene Metastasierungstendenz mit werden hypertroph und sichtbar. 10 % gering. Die Indikation zur Neck Dissection ergibt sich aus dem MRT-Befund (s. S. 231) und kann durch Große und störende Narben können operativ entfernt werden (Narbenkorrektur). Dazu werden sie eine CT- oder sonografiegestützte Biopsie noch er- entnommen und mithilfe von W-Plastiken in kleinere härtet werden. Hinweise auf Metastasierung sind Teilstücke „aufgelöst“. Durch sog. Z-Plastiken kann vergrößerte Lymphknoten mit charakteristischen die Zugrichtung einer Narbe verändert und mehr in Veränderungen der Binnenstruktur (s. S. 227). Ergibt Richtung der Spannungslinien verlagert werden (s. sich der geringste Verdacht auf eine Metastasierung, Abb. 2.40). erfolgt die Neck Dissection in gleicher Sitzung. Die Strahlentherapie kann allein oder in Kombination mit einer Operation oder Chemotherapie durchgeführt werden. Bei der Sandwich-Bestrahlung er- 2.10.2 Lappentechniken Freie Transplantate folgt eine Bestrahlungsserie vor und eine zweite Autologen, d. h. körpereigenen Transplantaten ist der nach der Operation. Bei der Brachytherapie wird Vorzug zu geben. Es werden Vollhaut- (= ganze Haut- der Tumor bzw. die Region mit radioaktiv beschich- dicke) und Spalthaut- (= nur Dermis oder Epidermis) teten Schläuchen gespickt, die eine hohe selektive Transplantate unterschieden. Im Gesicht werden Herddosis erreichen. Die Bestrahlung erfolgt in der Vollhauttransplantate bevorzugt. Ob freie Transplan- Regel mit einer Herddosis von 58–70 Gy. tate verwendet werden können, hängt vom Hauttyp Tab. 2.6 zeigt die aktuelle TNM-Klassifikation epithe- ab. Composite Grafts bestehen aus Haut- und Knor- lialer Tumoren. Prognose | Je nach Lokalisation, Ausdehnung und pelgewebe und bieten den Vorteil, dass zwei Haut- Histologie des Tumors liegt die 5-Jahres-Überlebens- können. Sie werden von der Ohrmuschel entnom- rate bei 30–40 %. schichten und eine Knorpelschicht ersetzt werden men und z. B. zur Rekonstruktion von Nasenflügel oder Columella verwendet (s. Abb. 2.3). Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. schieden Therapieformen zur Anwendung kommt. 112 Grundlagen der plastisch-rekonstruktiven Gesichtschirurgie 2 Nase und Nasennebenhöhlen Tabelle 2.6 TNM-Klassifikation der epithelialen Tumoren am Beispiel der Kieferhöhle und des Siebbeins Tx Primärtumor kann nicht beurteilt werden T0 kein Anhalt für Primärtumor Tis Carcinoma in situ Kieferhöhle T1 Tumor auf die antrale Schleimhaut begrenzt ohne Arrosion oder Destruktion des Knochens T2 Tumor mit Arrosion oder Destruktion des Knochens (ausgenommen die posteriore Wand) einschließlich Ausdehnung auf harten Gaumen und/oder mittleren Nasengang T3 Tumor infiltriert eine oder mehrere der folgenden Strukturen: Knochen der dorsalen Wand der Kieferhöhle, Subkutangewebe, Boden oder mediale Wand der Orbita, Fossa pterygopalatina, Sinus ethmoidalis T4 a Tumor infiltriert eine oder mehrere der folgenden Strukturen: Inhalt der vorderen Orbita, Wangenhaut, Proc. pterygoideus, Fossa infratemporalis, Lamina cribrosa, Siebbeinzellen, Stirnhöhle T4 b Tumor infiltriert eine oder mehrere der folgenden Strukturen: Orbitaspitze, Dura, Gehirn, mittlere Schädelgrube, Hirnnerven, ausgenommen den maxillären Ast des N. trigeminus V2, Nasopharynx, Clivus, Nasenhöhle und Siebbeinzellen T1 Tumor auf einen Unterbezirk der Nasenhöhle und Siebbeinzellen beschränkt, mit oder ohne Arrosion des Knochens T2 Tumor in Unterbezirken eines Bezirkes oder Ausbreitung auf einen Nachbarbezirk des Nasen-SiebbeinzellenAreals, mit oder ohne Arrosion des Knochens T3 Tumor breitet sich in die mediale Orbita oder den Orbitaboden aus oder in die Kieferhöhle, harten Gaumen oder Lamina cribrosa T4 a Inhalt der vorderen Orbita, Haut von der Nase oder Wange, minimale Ausbreitung in vordere Schädelgrube, Processus pterygoideus, Keilbeinhöhle oder Stirnhöhle T4 b Tumor infiltriert eine oder mehrere der folgenden Strukturen: Orbitaspitze, Dura, Gehirn, mittlere Schädelgrube, Hirnnerven, ausgenommen den maxillären Ast des N. trigeminus V2, Nasopharynx, Clivus N – regionale Lymphknoten Nx regionale Lymphknoten können nicht beurteilt werden N0 keine regionalen Lymphknotenmetastasen N1 Metastase(n) in solitärem ipsilateralem Lymphknoten, 3 cm oder weniger in größter Ausdehnung N2 Metastase(n) in solitärem ipsilateralem Lymphknoten, mit mehr als 3 cm, aber nicht mehr als 6 cm in größter Ausdehnung oder bilateralen oder kontralateralen Lymphknoten, keiner mehr als 6 cm in größter Ausdehnung N2 a Metastase(n) in solitärem ipsilateralem Lymphknoten, mehr als 3 cm aber nicht mehr als 6 cm in größter Ausdehnung N2 b Metastasen in multiplen ipsilateralen Lymphknoten, keiner mehr als 6 cm in größter Ausdehnung N2 c Metastasen in bilateralen oder kontralateralen Lymphknoten, keiner mehr als 6 cm in größter Ausdehnung N3 Metastase(n) in Lymphknoten, mehr als 6 cm in größter Ausdehnung M-Kategorie Mx keine Aussage über Fernmetastasen möglich M0 keine Fernmetastasen M1 Fernmetastasen vorhanden Stadieneinteilung Stadium 0 Tis N0 M0 Stadium 1 T1 N0 M0 Stadium 2 T2 N0 M0 Stadium 3 T3 N0 M0 T1–3 N1 M0 M0 Stadium 4 T4 N0, N1 jedes T N2, N3 M0 jedes T jedes N M1 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 2 T – Primärtumor 2 Nase und Nasennebenhöhlen Grundlagen der plastisch-rekonstruktiven Gesichtschirurgie 113 Lokale Lappenplastiken Im Gesicht kann je nach Defektlokalisation, Defekt- A A größe und Hautelastizität zwischen einem Nah-, Regional- und Fernlappen gewählt werden. Der Vorteil der Nahlappen (Verschiebe-, Rotations-, Gleit- oder Transpositionslappen) ist, dass sie aus der unmittel- 2 B B baren Umgebung des Defektes gehoben werden. Die Gefäßversorgung kann zufällig (random pattern B flaps) oder um ein Gefäß herum angelegt sein (axial A pattern flaps). Im Gesicht gilt ein Verhältnis von Lap- a penbasis zu Lappenlänge von 1:3. b B A oder Rundstiellappen angelegt werden und sind wichtige Basistechniken beim Verschluss von Defekten im Rahmen onkologischer Operationen. c Mikrovaskuläre Transplantate Mikrovaskuläre Transplantate sind indiziert zur Deckung ausgedehnter Weichteildefekte. Das radiale Abb. 2.40 Plastisch-rekonstruktive Gesichtschirurgie. a Fortlaufende Z-Plastik zur Korrektur einer Narbe, b Gewebeverlängerung durch eine Z-Plastik, c Verlängerung bzw. Entspannung von Gewebe durch eine VY-Plastik. Unterarmtransplantat ist der Prototyp des freien fasziokutanen neurovaskulären Transplantats mit Mikrogefäßanastomose zur Defektdeckung im Ge- Custom-made-Lappen sichts- und Halsbereich. Vorteile sind große Gefäßkaliber, eine konstante Anatomie und einfache Lap- Custom-made-Lappen enthalten Gewebe, welches anatomisch zunächst noch nicht so verfügbar ist, penhebung. Die Wahl des Zugangs richtet sich nach wie der Eingriff es erfordert. Das Spektrum reicht dem konkreten morphologischen Problem. Weitere von der Vergrößerung einer Hautoberfläche durch entscheidende Faktoren sind der Haut- und Bindege- Expander bis zur Einbettung anderer Gewebe, z. B. webetyp. Knorpel bei der Rekonstruktion von Ohrmissbildungen. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Fernlappen, z. B. der Deltopektorallappen oder Latissimus-dorsi-Lappen, können als gestielte Fernlappen Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt.