17./18./19.12.2009 HERBERT BLOMSTEDT SAISON 2009/2010 ABONNEMENTKONZERTE C2 / D3 / L3 In Hamburg auf 99,2 Weitere Frequenzen unter ndrkultur.de Donnerstag, 17. Dezember 2009, 20 Uhr Freitag, 18. Dezember 2009, 20 Uhr Hamburg, Laeiszhalle, Großer Saal Samstag, 19. Dezember 2009, 19.30 Uhr Lübeck, Musik- und Kongresshalle Das Konzert vom 18. Dezember 2009 wird am 11. Januar 2010 um 20.05 Uhr auf NDR Kultur gesendet. Dirigent: WOLFGANG AMADEUS MOZART (1756 – 1791) HERBERT BLOMSTEDT Sinfonie Nr. 40 g-moll KV 550 (1788) I. Molto allegro II. Andante III. Menuetto. Allegretto – Trio IV. Allegro assai Fotos {M}: Eastcott Momatiuk | gettyimages Pause ANTON BRUCKNER (1824 –1896) Sinfonie Nr. 2 c-moll (1872) Urfassung (Ausgabe von William Carragan) I. Allegro. Ziemlich schnell II. Scherzo. Schnell III. Adagio. Feierlich, etwas bewegt IV. Finale. Mehr schnell Einführungsveranstaltung am 17.12.2009 und 18.12.2009 um 19 Uhr mit Habakuk Traber im Kleinen Saal der Laeiszhalle. Die Konzerte des NDR Sinfonieorchesters hören Sie auf NDR Kultur. Hören und genießen 03 HERBERT BLOMSTEDT „DIE TIEFEN DES GEISTERREICHS“ DIRIGENT MOZARTS SINFONIE NR. 40 G-MOLL KV 550 Herbert Blomstedt, in den USA als Sohn schwedischer Eltern geboren, erhielt seine erste musikalische Ausbildung am Königlichen Konservatorium in Stockholm und an der Universität Uppsala. Später studierte er Dirigieren an der Juilliard School of Music in New York, zeitgenössische Musik in Darmstadt sowie Renaissance- und Barockmusik an der Schola Cantorum in Basel und arbeitete unter Igor Markevich in Salzburg und Leonard Bernstein in Tanglewood. Später leitete er als Chefdirigent so bedeutende skandinavische Orchester wie das Oslo Philharmonic Orchestra und das Dänische und Schwedische Radio-Sinfonieorchester, letzteres bis 1983. Von 1975 bis 1985 war er Chefdirigent der Staatskapelle Dresden, die er nach wie vor regelmäßig dirigiert und die ihm 2007 die Goldene Ehrennadel verlieh. Diese Auszeichnung verliehen ihm im Jahr 2006 drei weitere Orchester – neben dem Dänischen und Schwedischen Radio-Sinfonieorchester auch die Bamberger Symphoniker, die er seit 1982 regelmäßig dirigiert. Neben seinen Verpflichtungen bei diesen Orchestern führen ihn zahlreiche Gastdirigate zu den renommiertesten Klangkörpern weltweit. An den über 40 Werken, die Mozart als Sinfonie bezeichnet hat, lässt sich die Entwicklung der Gattung vom einfachen Modell der italienischen Opernsinfonia zum voll ausgeprägten klassischen Typus verfolgen: Nicht nur an Umfang und formalem Reichtum nahm sie zu, sondern auch an innerem Gewicht. Ursprünglich gesellschaftlicher Unterhaltung dienend, in den musikalischen Charakteren typisiert und noch nicht individuell gezeichnet, wurde sie immer mehr zum anspruchsvollen, unverwechselbaren Ausdruckswerk. Mit den sechs Sinfonien aus Mozarts Wiener Zeit (seit 1781) war dieser Wandel vollzogen. Freilich – das Bekenntnishafte spielt hier noch nicht die dominierende Rolle wie später bei Beethoven, aber Mozart hat die Sinfonie zu jener Instrumentalgattung gemacht, in der sich auf ganz individuelle Weise das Persönlichste sagen ließ. Wie aus seinen eigenen Aufzeichnungen hervorgeht, entstanden die drei letzten Sinfonien (Es-Dur KV 543, g-moll KV 550 und „Jupiter“-Sinfonie C-Dur KV 551) im Sommer 1788 binnen weniger Wochen. Kein Auftrag ist bekannt, der den Komponisten zu so schneller Produktion gedrängt hätte. Und anders als bei früheren Sinfonien waren bisher keine Aufführungen zu Mozarts Lebzeiten dokumentiert. Herbert Blomstedt, der im Jahr 2007 seinen 80. Geburtstag beging, ist ein gewähltes Mitglied der Königlich-Schwedischen Musikakademie und mehrfacher Ehrendoktor. Im Herbst 2003 erhielt er das „Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland“. Wie so oft, wenn man nichts Genaues weiß, musste die Phantasie nachhelfen. So nahm man an, Mozart habe diese drei Sinfonien ohne Hinblick, ja gar ohne Hoffnung auf eine Aufführung geschrieben – nur für sich selbst oder „für die Ewigkeit“. Das war ganz im Sinne der romantischen Kunstauffassung Als Gastdirigent arbeitete Herbert Blomstedt u. a. mit den Berliner und Münchner Philharmonikern, dem Koninklijk Concertgebouworkest, dem London Philharmonic, dem Chicago, Boston und Cleveland Symphony Orchestra, dem New York und Los Angeles Philharmonic, dem Israel Philharmonic Orchestra sowie dem NHK Symphony Orchestra, dessen Ehrendirigent er ist. Seit der Saison 1985/1986 war Herbert Blomstedt für zehn Jahre Music Director des San Francisco Symphony Orchestra, dem er als Ehrendirigent verpflichtet bleibt. Von 1996 bis 1998 wirkte er als Chefdirigent des NDR Sinfonieorchesters. Von Beginn der Spielzeit 1998/1999 bis zum Ende der Saison 2004/2005 leitete Blomstedt das Gewandhausorchester Leipzig, dem er eben- DIRIGENT 04 falls als Ehrendirigent weiterhin verbunden bleibt. empfunden und entsprach dem Bild, das man sich im 19. Jahrhundert vom armen, weltfremden und von der Welt verkannten Genie machte. Dagegen aber steht Mozarts eigene Haltung: Er war keineswegs ein romantischer Schwärmer, sondern voll und ganz Pragmatiker. Niemals hätte er drei derartig komplexe Partituren geschrieben, ohne einen konkreten Anlass zur Aufführung im Auge gehabt zu haben. Dafür spricht bereits die Instrumentation. Vergleicht man etwa die g-moll- mit den beiden anderen Sinfonien, so werden einzelne Unterschiede deutlich: In der C-Dur-Sinfonie sind keine Klarinetten vorgesehen, in der in g-moll dagegen fehlen – traditionelle Attribute äußeren Glanzes – die Pauken und Trompeten. Das entspricht sicherlich Mozarts Sinfonie g-moll KV 550, Manuskriptseite PROGRAMM 05 dem unterschiedlichen Charakter dieser Musik. Aber darüber hinaus hat Mozart, wie sich am Autograph erkennen lässt, in einem späteren Arbeitsgang den Satz der Holzbläser verändert (er fügte die ursprünglich auch hier fehlenden Klarinetten hinzu und korrigierte die Oboenstimmen). So etwas kann nur in Hinblick auf eine Aufführung geschehen sein. Zu solchen philologischen Argumenten kommen dokumentarische Hinweise, aus denen der Musikhistoriker H. C. Robbins Landon plausibel machen konnte, dass zumindest die g-moll-Sinfonie KV 550 im Frühjahr 1791 aufgeführt wurde: Mozarts Freund Anton Stadler und sein Bruder spielten die eingefügten Klarinetten, und das Ganze fand – Ironie des Schicksals – unter Leitung jenes Mannes statt, den die Legende stets als Mozarts Erzfeind darstellt, nämlich dem Hofkapellmeister Antonio Salieri. Eine Aufführung der beiden anderen Sinfonien lässt sich dagegen zu Lebzeiten des Komponisten nicht nachweisen. aus der Kirchen- und Kammermusik, Kantabilität und szenischer Gestus aus der Oper, dazu eine Orchesterpalette mit den reizvollsten Klangkombinationen vom zarten Solospiel bis zum vollen Tutti. So entstehen im gestenreichen Spiel vor uns Bilder des Lebens – und nicht nur im Sinne äußerlich dramatischer Aktionen, sondern auch als innere Vorstellungen, so wie E.T.A. Hoffmann sie 1810 beschrieb: „In die Tiefen des Geisterreichs führt uns Mozart. Furcht umfängt uns: aber, ohne Marter, ist sie mehr Ahnung des Unendlichen. Liebe und Wehmut tönen in holden Stimmen, die Nacht der Geisterwelt geht auf in hellem Purpurschimmer, und in unaussprechlicher Sehnsucht ziehen wir nach den Gestalten, die, freundlich uns in ihre Reihen winkend, in ewigem Sphärentanze durch die Wolken fliegen.“ Volker Scherliess Wolfgang Amadeus Mozart Nach Mozarts Tod wurden gerade diese drei Sinfonien zu Hauptwerken, und jede Generation hörte sie mit ihren Ohren und trug jeweils eigene Gedanken und Ideen in sie hinein. So war etwa für Robert Schumann die g-moll-Sinfonie ein Zeugnis „griechisch-heiterer Grazie“, und ein anderer Autor interpretierte sie ganz aus dem Geiste der italienischen Opera buffa (wofür der Anfang des ersten Satzes mit seiner musikalischen Verwandtschaft zur Cherubino-Arie aus dem „Figaro“ spricht), während sich eine andere Richtung – und das gilt wohl auch für uns heute – doch eher vom düsteren, dramatischen Ton dieses Werkes in Bann gezogen fühlt. Schon die Tonart, die Mozart – man denke an die große Arie der Pamina aus der „Zauberflöte“ – PROGRAMM 06 dem Ausdruck innersten Schmerzes vorbehielt, hebt diese Sinfonie aus der Reihe der anderen heraus. Tragik, Trauer, Klage, Leiden, Verzweiflung, Finsternis, aber auch Kampf und Dämonie – das waren Vokabeln, mit denen man das Besondere dieses Werkes zu beschreiben versuchte. Betrachten wir die formale Seite der Mozartschen Musik, so fällt vor allem die Verbindung verschiedenster Charaktere und Stile auf: „gelehrt“ und „galant“, satztechnisch strenge Arbeit und spielerische Grazie – beides steht nebeneinander, ist ineinander verwoben. Dann die Mischung spezifischer Gattungseigenschaften: polyphone Haltung PROGRAMM 07 DIE SUCHE NACH DEM EIGENEN WEG ANTON BRUCKNERS ZWEITE SINFONIE Obwohl Anton Bruckner aus einer Familie stammte, in der die Musik ein wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen und privaten Lebens darstellte, war ihm der Erfolg als Komponist nicht in die Wiege gelegt. Im Gegenteil: Die berufliche Karriere als Hochschulprofessor in Wien und die in seinen letzten Lebensjahren erfahrene gesellschaftliche Anerkennung, die sich etwa in der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Wiener Universität im Jahre 1891 widerspiegelt, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Bruckners Weg zum bedeutendsten Sinfoniker seiner Zeit ungewöhnlich lang und kompliziert war. Zudem begann Bruckner diesen Weg erst in einem Alter, in dem Mozart, Schubert oder Mendelssohn ihr Lebenswerk bereits abgeschlossen hatten. VOM DOMORGANISTEN ZUM SINFONIKER: BRUCKNERS WERDEGANG Bis in sein einunddreißigstes Lebensjahr verdiente Bruckner seinen Lebensunterhalt als Grundschullehrer in den ländlichen Regionen seiner oberösterreichischen Heimat. Erst danach entschied er sich endgültig für den Weg des Berufsmusikers und nahm im Januar 1856 die Stellung des Linzer Dom- und Stadtpfarr-Organisten an, die er bis zu seiner Übersiedelung nach Wien knapp 13 Jahre später innehaben sollte. Dass Bruckner in dieser Zeit hauptsächlich Kirchenmusik komponierte, überrascht nicht. Dass diese jedoch wahrhaft sinfonischen Zuschnitts war, erkannte man in Linz schnell. So schrieb Bruckners Freund und Förderer Moritz von Mayfeld anläßlich der Uraufführung der PROGRAMM 08 Messe in d-moll am 20. November 1864: „Wohin diese Wege ihn führen werden, ist bei seinem ungewöhnlichen Reichtum an Fantasie und bei seinem musikalisch-technischen Wissen schwer vorauszusehen. Nur dies Eine dürfte sicher sein, dass er schon in nächster Zukunft das Feld der Sinfonie, und zwar mit größtem Erfolge bebauen dürfte.“ Beflügelt von dieser Kritik begann Bruckner wenige Wochen später mit der Arbeit an seiner Ersten Sinfonie. Diesem sinfonischen Erstling waren umfangreiche Studien vorausgegangen. Von Dezember 1861 bis Juli 1863 hatte Bruckner bei dem jungen Linzer Theaterkapellmeister Otto Kitzler Unterricht in Formenlehre und Instrumentation genommen. Mit diesem Unterricht sollte Bruckners Genie den nach den Prägungen durch die oberösterreichische Heimat, den katholischen Glauben und die Orgel vielleicht wichtigsten Impuls erhalten. Der aufgeschlossene und weltgewandte Kitzler setzte sich leidenschaftlich für die Musik Richard Wagners ein und führte am 12. Februar 1863 sogar dessen „Tannhäuser“ auf. Die Begegnung mit der Musik Richard Wagners setzte in Bruckner ungeahnte Kräfte frei. Sie löste aber auch große innere Spannungen zwischen dem verspürten „Lebensberuf als Symphoniker“ (Bruckner) und seiner konservativen Erziehung aus, was sicher wesentlich zu der Nervenkrise des Komponisten im Frühjahr 1867 beitrug, die nur durch einen dreimonatigen Kuraufenthalt im oberösterreichischen Kaltwasserbad Kreuzen gemildert werden konnte. Allerdings hat- ten sich Bruckners Klangvorstellungen bereits so sehr gefestigt, dass er nicht zum Wagner-Epigonen mutierte, sondern das „Erlebnis Wagner“ (Alfred Orel) als eine elementare Erfahrung seinem entstehenden Personalstil einfügte. ZWISCHEN BANGEN UND ZUVERSICHT: ERSTE ANFÄNGE IN WIEN Nachdem Bruckner im Oktober 1868 seine Stellung als Professor für Harmonielehre, Kontrapunkt und Orgelspiel am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien angetreten hatte, begann er sogleich mit seiner nächsten, nach chronologischer Zählung Zweiten Sinfonie, die im September 1869 vollendet war. Hier hatte er den Weg der Ersten Sinfonie teilweise modifiziert und eine Musik komponiert, die bisweilen eine fast Mendelssohnsche Leichtigkeit erreicht. Bruckner hatte das neue Bruckner an der Orgel, Zeichnung von Otto Böhler Werk dem Hofopernkapellmeister und Leiter der philharmonischen Konzerte der Wiener Philharmoniker Otto Dessoff vorgelegt. Dieser hatte Bruckner jedoch mit der Frage, wo denn das Thema sei, irritiert und so dazu beigetragen, dass der Komponist noch 1891 an Hans von Wolzogen berichtete, man habe ihn in Wien „anfangs ganz zusammengeschreckt.“ Solchermaßen verunsichert, ging Bruckner den eingeschlagenen Weg nicht weiter, „annulierte“ die Sinfonie und strich die Zählung als „Nr. 2“ auf dem Titelblatt durch. Erst zwei Jahre später, am 11. Oktober 1871, begann er mit der Komposition der Zweiten Sinfonie. Die Hauptarbeit entfiel auf den Sommer 1872; vollendet wurde das neue Werk am 11. September desselben Jahres in St. Florian. In einem für Bruckner typischen Schaffensrausch entstanden nach Vollendung der Zweiten mit Pausen von nur jeweils wenigen Wochen bis Januar 1878 die Dritte, Vierte und Fünfte Sinfonie. Bruckner komponierte seine Zweite Sinfonie unter dem Eindruck der großen Erfolge seiner Orgelreisen nach Frankreich und England in den Jahren 1869 und 1871 sowie der erfolgreichen Uraufführung der Messe in f-moll am 16. Juni 1872, zugleich aber auch in banger Erwartung der Reaktionen des Hofkapellmeisters Dessoff. Dass Bruckners Befürchtungen nur allzu berechtigt waren, zeigte sich auf der Novitätenprobe der Philharmoniker im Oktober 1872, auf der die Sinfonie wegen ihrer „langen Ausdehnung“ und „Unspielbarkeit“ abgelehnt wurde. Obwohl einige Orchestermitglieder wie der junge Arthur Nikisch oder der Cellist David Popper sich „ganz entzückt“ von der Sinfonie zeigten, konnte Dessoff mit dem großen Werk nichts PROGRAMM 09 Otto Dessoffs blieb dieses Anliegen aber ohne Reaktion, und da auch 1884 der Versuch scheiterte, Franz Liszt für eine Widmung zu gewinnen, ist die Zweite Sinfonie die einzige der neun Sinfonien Bruckners, die ohne Widmung blieb. Für weitere Aufführungen im Jahre 1876 bzw. anlässlich des Erstdrucks von 1892 arbeitete Bruckner die Sinfonie noch mehrmals um; das Problem der Fassungen besteht also auch im Fall der Zweiten Sinfonie. Bisher war lediglich die zweite Fassung von 1877 verfügbar. Die heute Abend zu hörende erste Fassung von 1872 wurde dagegen erst im Jahre 2005 durch die Edition des amerikanischen BrucknerForschers William Carragan der Musikwelt zugänglich gemacht. Wie andere Erstfassungen Bruckners weist auch sie Besonderheiten auf, die in späteren Fassungen dem Rat wohlmeinender Freunde geopfert wurden. Anton Bruckner DIE ZWEITE SINFONIE – IN DER FASSUNG VON 1872 anfangen und bezeichnete es als „Unsinn“. Nach einem gescheiterten Aufführungstermin im Juni 1873 konnte Bruckner die Uraufführung für den 26. Oktober 1873 durchsetzen. Die Wiener Philharmoniker machten unter Bruckners Leitung das Konzert, das als Abschlussfeier der Wiener Weltausstellung fungierte, zu einem Triumph für den Komponisten. Im Überschwange der Begeisterung bot Bruckner am darauffolgenden Tag die Sinfonie den Philharmonikern zur Widmung an: „Darf ich Ihnen das Werk dedizieren? Da es nirgends in bessere Hände kommen kann, als in die Ihrigen, so würde eine geneigte Antwort mich sehr beglücken.“ Wegen der grundsätzlich ablehnenden Haltung Wie bei der Dritten, Vierten oder Achten ist auch bei der Zweiten Sinfonie die erste Fassung ursprünglicher, direkter und spontaner als die späteren Versionen – auch wenn hier nicht ganze Sätze neu komponiert wurden. Auffälligstes Merkmal der ersten Fassung ist sicher, dass das Scherzo an zweiter Stelle steht, gefolgt vom Adagio an dritter Stelle. Diese Besonderheit, die sich auch in der von Bruckner verehrten Neunten Sinfonie Beethovens findet, ist wahrscheinlich dem Umstand geschuldet, dass der Kopfsatz einen insgesamt lyrischen Grundcharakter aufweist und durch das Scherzo an zweiter Stelle eine willkommene Kontrastwirkung erzielt wird. Zudem be- PROGRAMM 10 mühte sich der Komponist, um den Vorwürfen der „Formlosigkeit“ entgegenzuwirken, seine Musik durch Generalpausen klarer zu gliedern – was der Sinfonie prompt den Beinamen „Pausen-Sinfonie“ einbrachte. Arthur Nikisch gegenüber begründete Bruckner die zahlreichen Generalpausen damit, dass er, bevor er etwas Bedeutungsvolles sagen könne, zunächst Atem schöpfen müsse. Dennoch eliminierte er aufgrund der Kritik später fast alle dieser Pausen. Eine weitere eingreifende Änderung ist die Kürzung des Finales um über 100 Takte, wodurch einige sehr kühne und für das Orchester anspruchsvolle Passagen entfielen. Auch die Tempoangaben schwächte Bruckner ab. Sind erster Satz und Scherzo in der ersten Fassung noch mit „Allegro. Ziemlich schnell“ bzw. „Schnell“ überschrieben, so in der Fassung von 1877 nur noch mit „Moderato“ bzw. „Mäßig schnell“. Unabhängig davon trägt Bruckners Zweite Sinfonie – nach den Erfahrungen mit der Studien-Sinfonie in f-moll, der Ersten Sinfonie und der „Annullierten“ in d-moll – bereits alle Merkmale des ausgereiften Sinfonie-Konzeptes Bruckners. So verwendet der Komponist nicht nur eine Fülle unterschiedlichster Themen, sondern für jeden Formteil ganze Themengruppen, und er schichtet bereits hier kunstvoll mehrere Themen übereinander, zu beobachten etwa im Seitenthemenkomplex des Kopfsatzes („Gesangsgruppe“), oder an gleicher Stelle im Adagio, wo einem im Pianissimo und Pizzicato gespielten Choral der Streicher ein markantes Horn-Thema gegenübergestellt wird. In diesem Adagio verwendete Bruckner auch zum ersten Mal jene fünfteilige Liedform, die alle seine weiteren langsamen Sätze (mit Ausnahme der Sechsten Sinfonie) bestimmen sollte. Auch die Verknüpfung der einzelnen Sätze untereinander und die thematische Verklammerung von erstem und letztem Satz ist hier bereits gegeben: Das Trompetensignal, das im ersten Satz unvermittelt in Takt 20 und 21 erklingt und mit seinem charakteristischen Rhythmus die großen Klangflächen des Satzes bestimmt, dominiert nicht nur die vergleichbaren Passagen des Finales, sondern setzt im dreifachen Forte auch den Schlusspunkt unter das Finale und damit unter die gesamte Sinfonie. Wolfgang Doebel Anton Bruckners Zweite Sinfonie, Manuskriptseite PROGRAMM 11 DANIEL MÜLLER-SCHOTT NIGHT OF THE MAYAS SPIELT WERKE DER ROMANTIK DAS NDR SINFONIEORCHESTER AUF KAMPNAGEL Auf seiner neuesten CD widmet sich Daniel Müller-Schott der romantischen und spätromantischen Violoncello-Konzertliteratur: ein Erkundungsgang, der neben Bekanntem auch (Wieder-)Entdeckenswertes zutage fördert. Begleitet vom NDR Sinfonieorchester unter der Leitung von Christoph Eschenbach spielt Müller-Schott das berühmte a-moll-Konzert op. 129 von Robert Schumann, ein selten aufgeführtes Konzert in gleicher Tonart des Schumann-Zeitgenossen Robert Volkmann sowie zwei kürzere Stücke von Richard Strauss und Max Bruch. Zur Programmauswahl der CD sagte Müller-Schott: „Zunächst einmal gibt es eine besondere Verbin- dung zu dem Schumann-Konzert, es war nämlich für mich das erste Cellokonzert, das ich in meinem Leben überhaupt gehört habe und das für mich der Anlass war, Cello zu lernen. Im Alter von fünf Jahren war ich im Münchner Herkulessaal und habe eine Probe gehört mit dem Schumann-Cellokonzert. Das hat mich so nachhaltig beeindruckt, dass ich auch Cello lernen wollte. Später habe ich dann, so im Alter von 17 Jahren, angefangen mit der Partitur, habe das studiert und mit kleineren Orchestern aufgeführt und über die Jahre eine Liebe zu dem Schumann-Konzert entwickelt. Ich halte das für eines der persönlichsten Werke für Cello und Orchester und führe das immer wieder sehr gerne auf.“ Im zweiten Konzert auf Kampnagel am 30. Januar 2010 (20 Uhr) startet das NDR Sinfonieorchester durch zu einer lateinamerikanischen Rundreise: Gleich zu Beginn geht es mit Alberto Ginasteras Musik zum Ballett „Estancia“ im eigentlichen Wortsinn in die Pampa – in die weite Graslandschaft Lateinamerikas, die für Ginastera seit seiner Kindheit einen ganz besonderen Zauber hatte: „Wann immer ich die Pampas durchquert oder dort für eine Weile gelebt habe, wurde mein Geist von der Vielfalt der Eindrücke überflutet, einmal freudig, dann melancholisch, einmal voller Euphorie und dann voll tiefgründiger Ruhe, was auf der unendlichen Weite und den Wandlungen, welche die Landschaft innerhalb eines Tages erfährt, beruht.“ In Volkmanns a-moll-Konzert, das von seinen kantablen Themen und ihrer ausgereif ten Verarbeitung lebt, begeisterte Daniel Müller-Schott nicht nur der musikalische Humor, sondern auch die vielen Opernanklänge. Der Cellist hat sich für die Einspielung der Urfassung entschieden, die im Vergleich zu den bearbeiteten Versionen etwas umfangreicher ausfällt. R. SCHUMANN Konzert für Violoncello und Orchester a-moll op. 129 R. STRAUSS Romanze für Violoncello und Orchester F-Dur R. VOLKMANN Konzert für Violoncello und Orchester a-moll op. 33 M. BRUCH Kol nidrei d-moll op. 47 DANIEL MÜLLER-SCHOTT AZ_DMS_Schumann_SW.indd 1 12.10.2009 13:01:18 Uhr NDR Sinfonieorchester | Christoph Eschenbach CD-TIPP 12 Die viersätzige Suite – klingendes Bild des von Abenteuern und Romantik geprägten Landlebens der argentinischen Gauchos – endet mit einem wilden „Malambo“, der zu den Initiationsriten ge hörte: Derjenige, der sich beim Tanzen am längsten auf den Beinen halten konnte, hatte gewonnen. Anschließend steht das „Concierto para Bandoneon“ von Ginasteras Landsmann und früherem Schüler Astor Piazzolla auf dem Programm, der längst zum Synonym für den „Tango Nuevo“ geworden ist, in dem der traditionelle „Tango Argentino“ mit Elementen aus musikalischer Moderne und Jazz kombiniert wird. Der mexikanische Komponist Silvestre Revueltas begründete quasi im Alleingang die moderne Musikkultur seines Landes – u. a. mit der ursprünglich als Filmmusik angelegten „Nacht der Mayas“. Typisch für Revueltas ist eine Mischung aus Originalität, Heimatverbundenheit und Selbstironie: „Ich mag alle Arten von Musik. Ich kann sogar einige der Klassiker tolerieren und einige meiner eigenen Kompositionen, aber ich ziehe die Musik der einfachen Leute auf den Farmen und in den Dörfern meines Landes vor.“ Präsentiert wird die dynamische Musik Südamerikas von zwei Grenzgängern der Klassik: dem jungen Stardirigenten Kristjan Järvi und dem norwegischen Bandoneonvirtuosen Per Arne Glorvigen. Im Anschluss an das Konzert laden Glorvigen und G-Strings dann zum Lounge-Programm ein. Ehemals eine berühmte Fabrik im Hamburger Stadtteil Barmbek – heute Deutschlands größte freie Spielund Produktionsstätte: die Kulturfabrik Kampnagel KONZERT-TIPP 13 ABONNEMENTKONZERTE A5 Sonntag, 10. Januar 2010, 11 Uhr B5 Montag, 11. Januar 2010, 20 Uhr Hamburg, Laeiszhalle, Großer Saal Dirigent: Lothar Zagrosek Solistin: Simona Šaturová Sopran JEAN-PHILIPPE RAMEAU Une Symphonie imaginaire WOLFGANG AMADEUS MOZART „Fra cento affanni“ KV 88 „Misera, dove son!“ KV 369 CÉSAR FRANCK Sinfonie d-moll 11.01.2010: 19 Uhr Einführungsveranstaltung D4 Freitag, 15. Januar 2010, 20 Uhr Hamburg, Laeiszhalle, Großer Saal L4 Samstag, 16. Januar 2010, 19.30 Uhr Lübeck, Musik- und Kongresshalle HB2 Sonntag, 17. Januar 2010, 19 Uhr (!) Bremen, Glocke Dirigent: Zdeněk Mácal Solistin: Dagmar Pecková Alt OTMAR MÁCHA Variationen für Orchester ANTONÍN DVOŘÁK Biblische Lieder op. 99 BEDŘICH SMETANA „Vyšehrad“, „Vltava“ („Die Moldau“), „Sárka“ – 3 Sinfonische Dichtungen aus „Má Vlast“ („Mein Vaterland“) 15.01.2010: 19 Uhr Einführungsveranstaltung und 20 Uhr Einführungsveranstaltung für „Konzertanfänger“ (Smetana) KONZERTVORSCHAU 14 KAMMERKONZERT Dienstag, 19. Januar 2010, 20 Uhr Hamburg, Rolf-Liebermann-Studio FASCHINGSKONZERT Ein Überraschungsprogramm mit Salon- und Caféhaus-Musik und dem NDR Salon-Ensemble und dem Theater Kontra-Punkt Ludolf Klemeyer Violine Christoph Sauer Violine Christoph Rocholl Violoncello Katharina Bunners Kontrabass Jürgen Lamke Klavier Hans-Udo Heinzmann Flöte u. a. NDR FAMILIENKONZERTE Samstag, 23. Januar 2010, 14.30 Uhr und 16.30 Uhr Sonntag, 24. Januar 2010, 14.30 Uhr und 16.30 Uhr Hamburg, Rolf-Liebermann-Studio KONZERT STATT SCHULE Montag, 25. Januar 2010, 9.30 Uhr und 11.30 Uhr Dienstag, 26. Januar 2010, 9.30 Uhr und 11.30 Uhr Hamburg, Rolf-Liebermann-Studio Paddington, der kleine Bär aus Peru, der einen seltsamen Hut trägt und Marmelade liebt, erlebt zum ersten Mal ein Konzert. Empört ist er, dass ein unvollendetes Werk gespielt werden soll, landet bei seiner Suche nach Herrn Schubert versehentlich am Dirigentenpult – und dirigiert seine eigene Melodie. NDR CHOR ABO-KONZERT 3 Donnerstag, 28. Januar 2010, 20 Uhr Hamburg, Laeiszhalle, Großer Saal DIXIT DOMINUS Elbipolis Barockorchester Hamburg NDR Chor Philipp Ahmann Leitung Sibylla Rubens Sopran Christina Landshamer Sopran Ann Hallenberg Alt GIOVANNI BATTISTA PERGOLESI Missa Romana GEORG FRIEDRICH HÄNDEL Concerto grosso d-moll op. 3 Nr. 5 HWV 316 Dixit Dominus HWV 232 AUF KAMPNAGEL KA2 Samstag, 30. Januar 2010, 20 Uhr Hamburg, Kampnagel, Jarrestraße 20 NIGHT OF THE MAYAS NDR Sinfonieorchester Dirigent: Kristjan Järvi Solist: Per Arne Glorvigen Bandoneon ALBERTO GINASTERA Estancia ASTOR PIAZZOLLA Konzert für Bandoneon und Orchester SILVESTRE REVUELTAS La noche de los Mayas anschließend Lounge-Programm mit Per Arne Glorvigen und G-Strings Karten im NDR Ticketshop im Levantehaus, Tel. 0180 1 78 79 80 (bundesweit zum Ortstarif für Anrufe aus dem deutschen Festnetz, Preise aus dem Mobilfunknetz können abweichen), online unter www.ndrticketshop.de 19 Uhr: Einführungsveranstaltung PADDINGTON NDR Sinfonieorchester Jörg Schade Sprecher Musik von JOSEPH HAYDN und HERBERT CHAPPELL KONZERTVORSCHAU 15 1. VIOLINEN KONTRABASS POSAUNE Roland Greutter**, Stefan Wagner**, Florin Paul**, Gabriella Györbiro*, Ruxandra Klein*, Marietta Kratz-Peschke*, Brigitte Lang*, Lawrence Braunstein, Dagmar Ferle, Malte Heutling, Sophie Arbenz-Braunstein, Radboud Oomens, Katrin Scheitzbach, Alexandra Psareva, Bettina Lenz, Razvan Aliman, Barbara Gruszczynska, Motomi Ishikawa, Sono Tokuda, N.N., N.N Ekkehard Beringer**, Michael Rieber**, Katharina C. Bunners-Goll*, Jens Bomhardt*, Karl-Helmut von Ahn, Eckardt Hemkemeier, Peter Schmidt, Volker Donandt, Tino Steffen Stefan Geiger**, Simone Candotto**, Joachim Preu, Peter Dreßel, Uwe Leonbacher (Bassposaune) Wolfgang Ritter**, Matthias Perl**, Hans-Udo Heinzmann, N.N., Jürgen Franz (Piccolo) HARFE 2. VIOLINEN OBOE PAUKE Rodrigo Reichel**, Christine-Maria Miesen**, N.N.*, N.N.*, Rainer Christiansen, Horea Crisan, Regine Borchert, Felicitas Mathé-Mix, Hans-Christoph Sauer, Stefan Pintev, Theresa Micke, Boris Bachmann, Juliane Laakmann, Frauke Kuhlmann, Raluca Stancel, Yihua Jin Paulus van der Merwe**, Kalev Kuljus**, Malte Lammers, Beate Aanderud, Björn Vestre (Englisch Horn) Stephan Cürlis**, Johann Seuthe** VIOLA Marius Nichiteanu**, Jan Larsen**, Jacob Zeijl**, Gerhard Sibbing*, N.N.*, Klaus-Dieter Dassow, Rainer Castillon, Roswitha Lechtenbrink, Rainer Lechtenbrink, Thomas Oepen, Ion-Petre Teodorescu, Aline Saniter, Torsten Frank, Anne Thormann, N.N. VIOLONCELLO Christopher Franzius**, N.N.**, Yuri-Charlotte Christiansen**, Dieter Göltl*, Vytautas Sondeckis*, Thomas Koch, Michael Katzenmaier, Christof Groth, Sven Forsberg, Bettina Barbara Bertsch, Christoph Rocholl, Fabian Diederichs NDR SINFONIEORCHESTER 16 TUBA Markus Hötzel** FLÖTE Ludmila Muster** SCHLAGZEUG Thomas Schwarz**, N.N.** KLARINETTE Nothart Müller**, N.N.**, Walter Hermann, N.N. (Es-Klarinette), Renate Rusche-Staudinger (Bassklarinette) TASTENINSTRUMENTE Jürgen Lamke ORCHESTERWARTE FAGOTT Thomas Starke**, N.N.**, Sonja Bieselt, N.N., Björn Groth (Kontrafagott) Wolfgang Preiß (Inspizient), Matthias Pachan, Walter Finke, Stefanie Kammler VORSTAND HORN Claudia Strenkert**, Jens Plücker**, N.N., Volker Schmitz, Dave Claessen*, Marcel Sobol, Jürgen Bertelmann TROMPETE Boris Bachmann, Hans-Udo Heinzmann, Thomas Starke **Konzertmeister und Stimmführer *Stellvertreter Jeroen Berwaerts**, Guillaume Couloumy**, Bernhard Läubin, Stephan Graf, Constantin Ribbentrop NDR SINFONIEORCHESTER 17 Foto: Klaus Westermann | NDR IMPRESSUM Herausgegeben vom NORDDEUTSCHEN RUNDFUNK PROGRAMMDIREKTION HÖRFUNK BEREICH ORCHESTER UND CHOR Leitung: Rolf Beck Redaktion Sinfonieorchester: Achim Dobschall Redaktion des Programmheftes: Dr. Harald Hodeige Die Einführungstexte von Prof. Dr. Volker Scherliess und Dr. Wolfgang Doebel sind Originalbeiträge für den NDR. 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