Tierphysiologisches Praktikum (Teil Neurophysiologie) SS 2005 Johannes Gutenberg Universität Mainz Protokoll zum 1.Kurstag am 02.05.2005 Versuch 1: „Elektrische Fische“ Protokollant: Max Mustermann Matrikelnummer: X Studiengang: X 1. Einleitung Stark- und- schwach- elektrische Fische Elektrische Fische leben (bis auf wenige Ausnahmen) im Süßwasser der Tropen. Man unterteilt sie in zwei große Gruppen: Stark- und- schwach- elektrische Fische. Stark elektrische Fische benutzen ihr elektrisches Organ zum Beutefang und zur Feindabwehr; schwach elektrische Fische benutzen es zur Kommunikation und Ortung (von z.B. Futter, Hindernissen). Entladung schwach elektrische Fische z.B. Nilhechte spontan und andauernd; aktive Elektroortung, ElektroKommunikation mit Artgenossen Art der Entladung diphasische Potentiale; bis 5V Spannung; Summer: regelmäßige Frequenz Knatterer: unregelmäßige Frequenz stark elektrische Fische z.B. Zitterrochen Bei Beunruhigung, zur Feindabwehr und zum Beutefang; Entladung nur auf Reiz monophasische Impulse; bis 700V Spannung Der Zitteraal (Familie der Messeraale) gehört beiden Gruppen an, da er neben seinem stark elektrischen Organ auch zwei schwach elektrische Nebenorgane besitzt. Die Elektrocyten, die Zellen aus denen die elektrischen Organe aufgebaut sind, haben sich während der Evolution aus Hautmuskelzellen, Augenmuskelzellen und aus Nervenzellen entwickelt, wurden also „von der Evolution mehrmals erfunden“. Ziel des Versuches ist es mit Hilfe der Messapparatur (Abb.1) die Lage und Anordnung der Electrocyten im Versuchsobjekt (Gnathonemus petersii (gehört zur Gruppe der Knatterer)), einem schwach elektrischen Fisch, zu charakterisieren. Es soll deutlich gemacht werden wie die Eigenschaften der Messgröße und die Eigenschaften des elektrischen Organs zusammenhängen. Abb.1: Versuchsaufbau 2. Material und Methoden - Versuchsobjekt: Gnathonemus petersii (lebend) - Mit Wasser gefülltes Aquarium mit „Tonröhre“ („Versteck des Fisches“) ☺ - Oszilloskop mit zwei Elektroden und Erdungsstab - Differenzenverstärker Die Messung und Aufzeichnung des elektrischen Impulses des Fisches wird mit einem Oszilloskop durchgeführt. Durch Platzierung einer Messelektrode auf der Längsachse des Fisches in der Nähe des Kopfes und einer anderen in Schwanznähe wird ein Signal empfangen, dass erst durch einen Differenzenverstärker verrechnet wird (Rechenregel: E1 – E2) und dann auf einem Oszilloskop sichtbar gemacht wird. Ein Oszilloskop erstellt eine Kurve des Impulses in Abhängigkeit von der Zeit (xAchse) und der Spannung y-Achse). Eine dritte Elektrode (Erdung) wird auch in das Aquarium gehangen um Störsignale abzufangen. 3. Messdaten Abb.2: Ausdruck des Oszilloskopdisplays mit aufgezeichnetem Signal Abb.3: Ausdruck des Oszilloskopdisplays mit aufgezeichnetem Signal 4. Auswertung und Diskussion Die Signal des Fisches wurde zweimal registriert. Bei beiden Messungen erkennt man einen diphasischen Impulsverlauf (positive und negative Auslenkung) wobei die Zweite Auslenkung größer als die Erste ist. Das Signal dauert beides mal etwa 0,3ms (Zeit vom Ausgangspunkt * zum Endpunkt * in Abb.3). Die Spannungsdifferenz beträgt beides mal um die 5,5V (vom positiven Maximum zum negativen Maximum) am Oszilloskop. Da ein Differenzverstärker (Verstärkung um Faktor 10) zwischen Elektroden und Oszilloskop geschaltet war, ist die eigentliche gemessene Spannung ~0,5V. Die Zeit vom positiven zum negativen Maximum, das heißt, die Zeit von der beginnenden Repolarisation der schwanzseitigen Membran bis zur Schließung der Na+-Kanäle auf der kopfseitigen Membran und beginnenden Repolarisation dieser, beträgt ca. 0,05ms. Bei der ersten Messung (Abb.2) wurde die Elektrode E1 in Schwanznähe gehalten, die Elektrode E2 in Kopfnähe. Bei der zweiten Messung (Abb.3) wurde die Elektrode E1 in Kopfnähe gehalten, die Elektrode E2 in Schwanznähe. Der Differenzenverstärker rechnet: E = E1 – E2. erste Messung (Abb.2) E1<E2 zweite Messung (Abb.3) E1>E2. Schwanzregion (hintere Membran) wird als erstes negativ! Schwanzseitige Elektrocytenmembran ist innerviert! -Um zu erklären wie die negative Potentialänderung zustande kommt, geht man davon aus, dass bei Elektrocyten im Ruhezustand das Zellinnere negativ geladen gegenüber dem Zelläußeren ist (wie bei Muskel- und- Nervenzellen, von denen die Elektrocyten phylogenetisch abstammen). Während der Umpolarisation der Zellmembran strömen positiv geladene Na+-Ionen in die Zelle ein und bewirken außen so einen Abfall der positiven Ladungsdichte Das Zelläußere wird negativ. -Die Behauptung, dass die schwanzseitige Elektrocytenmembran innerviert ist, stützt sich auf die Vorannahme, dass nur eine Membranseite von den Beiden die depolarisieren überhaupt innerviert ist. Es wäre theoretisch auch möglich, dass beide, kopf- und- schwanzseitige Elektrocytenmembran, separat innerviert sind, und die Erregung vom ZNS zeitversetzt ausgelöst wird. Diskussion des Kurvenverlaufs anhand von Abb.3: Bereich 1: Ruhezustand der Elektrocyten (innen negativ, außen positiv) Bei extrazellulärer Ableitung keine Spannung messbar Bereich 2: Beginnende Depolarisation der innervierten (hinteren, schwanzseitigen) Elektrocytenmembran. Diese Spannungsänderung wird nur durch die Ionen verursacht, welche durch die ligandengesteuerten Na+-Kanäle in die Elektrocyten einströmen PSP Punkt X: Die Depolarisation der innervierten (hinteren) Elektrocytenmembran überschreitet an diesem Punkt den Schwellenwert für die vollständige Depolarisation der schwanzseitigen Elektrocytenmembran in einer Kettenreaktion öffnen sich die spannungsgesteuerten Na+- Kanäle (Knick im Kurvenverlauf) An diesem Punkt, wenn nicht schon früher, werden die spannungsgesteuerten Na+-Kanäle der kopfseitigen Membran aktiviert (durch das elektromagnetische Feld, welches durch den Na+-Ionen-Einstrom von der Schwanzseite erzeugt wird (Feld breitet sich mit 1/3 Lichtgeschwindigkeit aus)) Bereich 3: Steilerer Anstieg der Kurve verursacht durch den größeren Einstrom an Na+-Ionen durch die spannungsgesteuerten Na+-Kanäle. Am positiven Maximum der Kurve werden die Na+-Kanäle inaktiviert Na+-IonenStrom versiegt Feld bricht in sich zusammen Repolarisation beginnt Bereich 4: Repolarisation der hinteren Elektrocytenmembran. Signalkurve durchquert die Nulllinie (diesmal innen positiv und außen negativ, trotzdem bei extrazellulärer Ableitung keine Spannung messbar) (Punkt 5). Weiterhin Na+-Ionen-Einstrom von der kopfseitigen Membran Fortschreitende Depolarisation der kopfseitigen Membran Punkt 6: Na+-Kanäle der kopfseitigen Elektrocytenmembran werden inaktiviert Na+-Ionen-Einstrom versiegt Feld bricht zusammen Repolarisation der kopfseitigen Membran beginnt . Bereich 8: Repolarisation der kopfseitigen Elektrocytenmembran Rückkehr in den Ruhezustand der Elektrocyten Bereich 9: Ruhezustand der Elektrocyten (innen negativ, außen positiv) Bei extrazellulärer Ableitung keine Spannung messbar Erklärungsversuch für die unterschiedlichen Amplituden im Signal Die Depolarisation der kopfseitigen Membran setzt schon ein bevor die Repolarisation der schwanzseitigen Membran begonnen hat Die maximale Spannung der Schwanzseite ist geringer als die der Kopfseite. Abb.4: Gesamtsignalverlauf in Bleistift, Einzelverläufe in blau Charakterisierung des elektrischen Organs Die mit dem Oszilloskop gemessene Spannung (0,5V) kann nur erzeugt werden, durch die gleichzeitige Aktivierung von mehreren Tausend Elektrocyten. Durch die Verschaltung dieser parallel und in Reihe (Reihenschaltung wie Batterien in der Taschenlampe), addieren sich die Spannungen der einzelnen Elektrocyten (jeweils einige mV) aufeinander auf. Die gleichzeitige Aktivierung aller Elektrocyten, die alle einzeln innerviert sind, ist essentiell für die Funktion des elektrischen Organs. Würden nicht alle Elektrocyten gleichzeitig aktiviert, würden sich die Potentiale zwar immer noch aufaddieren; Doch da sie dann in zufälliger Art und Weise Phasenverschoben wären, würden sie sich teilweise gegenseitig aufheben. Es käme zu einer zufälligen Gestalt des Impulses und dieser hätte nicht immer dieselbe Amplitude wie im Versuch beobachtet. Die zeitgleiche Aktivierung aller Elektrocyten wird ermöglicht durch eine sehr fein abgestimmte Weiterleitungsgeschwindigkeit der einzelnen Axone (Länge und Dicke der Axone wird könnte variieren). Die Na+-Kanäle auf der kopfseitigen Membran der Elektrocyte werden durch eine Änderung des elektrischen Feldes aktiviert. 1. Die Änderung kann hervorgerufen werden dadurch, dass die, durch die chemisch erregten Membrankanäle einströmenden Na+-Ionen zur gegenüberliegenden Membran diffundieren und mit den dort liegenden negativen Ladungen Dipole bilden. Änderung des elektrischen Feldes in der Nähe der kopfseitigen Membran (unwahrscheinlich da Diffusion zu langsam) 2. Das elektromagnetische Feld welches durch den Na+-Ionen-Strom an der schwanzseiten Membran erzeugt wird breitet sich über die gesamte Länge der Elektrocyte aus und aktiviert an der kopfseitigen Membran spannungsabhängige Na+-Kanäle. (wahrscheinlicher, weil der Vorgang sehr schnell vor sich geht (0,05ms)) Literatur: -Eckert; Tierphysiologie; Thieme Verlag; 4. Auflage -Text von Roth u. Daumer; 8biologie in unserer Zeit, 1976/Nr.1 -Skript: Programm zum Neurobiologischen Teil des Tierphysiologischen Kurses