269 Röfo 98, 3 Aus den Röntgenabteilungen(Leiter: Doz. Dr. K. Richter) der I. Med. Uniyersitätsklïnik und Poliklinik der Charité, Berlin (Direktor: Prof. Dr. F. H. Schulz) Zwei seltene Formen arteriovenöser Fisteln der Lunge Von A. Beyer und K. Richter Mit 12 Abbildungen bemerkenswert. In beiden Fällen wurde die Diagnose auf Grund von Serientomogrammen gestellt und durch die klinischen Befunde bzw. spezielle Untersuchungen (Herzkatheterung und Angiokardiographie) bestätigt. I. Bei den arteriovenösen Fisteln des Lungenkreislaufes, die mit wenigen Ausnahmen kongenitale Mißbildungen sind und dem Formenkreis der Hamartome zugeordnet werden, wird eine stärkere Herzvergrößerung nur außerordentlich selten beobachtet. Nach einer Zusammenstellung von Keith ist höchstens bei 10% der pulmonalen arteriovenösen Fisteln mit einer (meist nur geringgradigen) Herzvergrößerung zu rechnen. Die fehlende Volumenzunahme des Herzens bei den weitaus meisten Fällen erkärt sich aus der besonderen hämodynamischen Situation der arteriovenösen Lungenfistein. Das Herzminutenvolumen bleibt bis auf die seltenen Fälle mit sehr hohen Shuntvolumina normal oder steigt nur geringgradig an. Die Gesamtblutmenge erfährt auch bei ausgeprägter Polyglobulie keine wesentliche Zunahme, und der Widerstand des kleinen Kreislaufes hält sich in normalen Grenzen (Hauch und Hertz, Hamm und Fin/ce). In Einzelfällen wird bei den pulmonalen arteriovenösen Fisteln eine stärkere Herzvergrößerung beobachtet, die jedoch nicht auf die Lungengefäßanomalie selbst, sondern auf begleitende kongenitale Vitien oder auch zusätzliche, erworbene Klappenfehler zurückzuführen ist. So beschreibt Steinberg eine arteriovenöse Lungenfistel bei rheumatischer Mitraistenose mit entsprechen- dem Herzumbau. Ossler berichtet über die Kombination mit einem Morbus Fallot und Sanders über einen Vorhofseptumdefekt bei multiplen arteriovenösen Fisteln. Die von uns in einem Fall beobachtete Vergesellschaftung einer arteriovenösen Lungenfistel mit einem Vorhofseptumdefekt reiht sich diesen wenigen Beobachtungen an. Die 49jährige Patientin war schon als Kind etwas kurzatmig. Rheumatische Affektionen wurden von ihr nicht angegeben. Mit 35 Jahren traten erstmalig Unterschenkelödeme und Herzschmerzon auf. Sie wurde in der Folgezeit mehrfach wegen eines Herzfehlers stationär behandelt und schließlich berentet. Bei einer Renten- Nachuntersuchung (Zentrale für Herz- und Kreislaufkranke, Berlin*) bestanden deutliche Akrozyanose, Belastungsdyspnoe, prätibiale Ödeme und Lebervergrößorung. * Herrn Dr. Fischel, Leitender Arzt der Zentrale für Herz- und Kreislaufkranke, Berlin, sind wir für die tïberlassung der Krankengeschichte zu Dank verpflichtet. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Unter 10 Fällen arteriovenöser Lungenfistein konnten wir zwei Patienten mit röntgenmorphologischen Veränderungen beobachten, die in dieser Gruppe von Gefäßmißbildungen nur relativ selten anzutreffen sind. Im ersten Fall war eine große rechtsseitige arteriovenöse Fistel mit einem Vorhofseptumdefekt vergeseilschaftet, während bei dem zweiten Patienten multiple, größere arteriovenöse Fisteln in allen 5 Lungenlappen vorlagen. Beide Beobachtungen sind nicht nur auf Grund ihres seltenen Vorkommens bemerkenswert, sondern verdienen auch unter röntgendiagnostischen Gesichtspunkten Beachtung. Im ersten Fall, bei dem eine arteriovenöse Fistel mit einem Vorhofseptumdefekt kombiniert war, wich der Röntgenbefund von den sonst bei arteriovenösen Fisteln bekannten Bildern ab und wurde in erster Linie durch eine Vergrößerung des Herzsehattens und eine diffus verstärkte Gefäßstruktur gekennzeichnet. Bei dem anderen Patienten mit multiplen arteriovenösen Fisteln aller 5 Lungenlappen ist vor allem die mit Hilfe von Schichtuntersuchungen anatomisch genau bestimmbare Form und Lokalisation der Fisteln A. Beyer und K. Richter 270 Röfo 98, 3 Am Herzen war auskultatoriach und phonokardiographisch Bin band- förmigos systolisches Geräusch mit dem Punctum maximum über Stornummitte festzustellen, das über dem unteren Brustbein in ein lautes diastolisohes Ger?iiseh überging. lib. 13,1 g%. Ery. 4,2 Mill., BSG 27/46. Die Röntgenuntersuebung ergab einen nach beiden Seiten stark verbreiterten Flerzsehattcn sonders der rechte, waren durch erweiterte Pulmonalgefäße vergrößert und verdichtet. Die verbreiterteri Sehattenbänder der Gefäße ließen sich bis in die Pe- ripherie verfolgen, so daß die Abb. 1 D.v. lThorsiehtsbild des ersten Falles. Vorhofseptunidefekt mit gleichzeitiger arteriovenöser Fistel im rechten Mittellappen. Vergrößerung des Herzsehattens nach beiden Seiten vorwiegend durch Größonzunahme des rechten Vorhofes und der rechten Kammer. Vorwölbung des (im Kymogranun stark pulsierenden) Pulmonalisbogens und diffus vermehrte Lungengefäßzeichnung infolge Rezirkulation. Im rechten Herz-Zwerchfeli-Dreieck atypiseher, gescbi5ngel.ter Bandsohatten f), welcher einem Gofäßverlauf der a.v. Fistel entspricht. netzförrnige Gefäßzeichnung der Lungenfelder diffus verstärkt erschien. Bei der Durchleuchtung und imFlächenkymogramm fielen die starken Pulsationen des Pulmonalisbogens, die in der Amplitude die Aortenpulsationen deut- lich übertrafen, besonders auf. Auch die Hilusarterien beider Seiten zeigten kräftige Eigcnpuisationen, wie man bei Vitien mit Links-Rechts-Shunt zu sehen gewohnt ist. Die Vorwölbung des Herzsohattens nach rechts wurde vorwiegend vom rechten Atrium hervorgerufen, denn kynographisch waren bis in den Hcrz-Zwercbfell-Winkel reine Vorhofbewegungen erkennbar. Außerdem wiesen die Ausflußbahn der rechten Kammer und der kräftig pulsierende Pulmonalarterienstamm (Truneus pulmonalis) eine erhebliche Dilatation auf, die bei der Durchleuchtung sowie auf Aufnahmen und Tomogrammen im froritalen Strahlengang eindrucksvoll zur Darstellung kamen. Eine deutliche Vorwölbung des linken Vorhofs nach dorsal wie bei Mitralvitien fehlte. Die röntgenologischen Symptome sprachen somit für ein kongenitales Vitium mit LinksRedits-Shunt. Unter Berücksichtigung des klinischen Befundes, des Lebensalters und des nach dem Kymogramm stark vergrößerten rechten Vorliofs lag mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Vorhofseptumdefekt vor. Abgesehen von den beschriebenen Veränderungen fiel bereits auf dem d.v. tTbersichtsbild ein gesehliingelter atypischer Bandchatten im rechten Herz-Zwerchfe.li-Dreieck auf (Abb. 1), der Eigenpulsationen aufwies und durch die Sehiehtuntersuchung in zwei senkrecht aufeinanderstehenden Ebenen als große arteriovenöse Fistel geklärt werden konnte (Abb. 2 und 3). Die Fistel liegt in der vorderen Mantelzone des Mittellappens. Ihr arterieller Zufluß entspringt dem hoch- gradig erweiterten Truneus superior der A. puim. dextra nach dessen Eintritt in the Lungenwurzel hinter der (infolge Recbtsherzinsufflzienz) etwas verbreiterten, aber nicht vorgewölbten oberen Holilvene. Diè ektatische, atypisch verlaufende Arterie durchsetzt die Ober-Mittellappengrenze und ist als breiter. gesehlängelter Bandsehatten bis zu den Konvoluten der arteriovenösen Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. mit Vorwölbung des Puhnonalisbogens (Abb. 1). Beide hill, be- Zwei seltene Formen arteriovenöser Fisteln der Lunge 271 Abb. 2b Abb. 2a Abb. 2a und b. Tomogramm im sagittalen Strahlengang. In der Lungenpforte hochgradig erweiterter Tnmcu.s superior der rechten Pulmonalarteric, aus dem eine atypisch verlaufende breite Arterie bogenförmig nach kaudal zieht (t), die dem arteriellen Stiel der Fistel entspricht. Abb. 2 b laßt neben dem erweiterten Trunous superior (dia obere Hohlvene zeigte in weiter ventral liegenden Ebenen keine Vorwölbung) auch den venösen Rückfluß der Fistel erkennen (t). Die Gefißkonvolute der a.v. Fistel selbst werden erst in den brustwandnahen vorderen Schichtobenen abgebildet. Fistel im Mittellappen zu verfolgen. Der venöse Riickstrom erfolgt über eine ebenfalls dilatierte gewundene Pulmonalvene zum Mündungstrichter der unteren Pulmonalvenengruppe, der auf den seitlichen Schichtbildem unter dem Mittellappenbronehus erkennbar ist. Auf der Suche nach weiteren arteriovenösen Fisteln schichteten wir beide Lungen serienmäßig durch (Simultanverfahren), konnten jedoch keine anderen a.v. Kommunikationen feststellen. Besonders links waren die Pulmonalgefäße (infolge des Links-Iteebte-Shunts bei Vorhofseptumdefekt) gleichmäßig stark erweitert, zeigten aber normale anatomische Anordnung. Auch für eine (zusätzliche) Fehlmündung von Pulmonalvenen bestand kein Anhalt. Eine angiokardiographisehe Sicherung der Befunde war nicht möglich, da die Patientin diese Untersuchung ablehnte. Nach den formalen Kriterien handelt es sich jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um die Kombination einer arteriovenösen Fistel mit einem angeborenen Vitium. Die beschriebene, besonders tomographisch eindrucksvolle Kaliberzunahme der Arterien und Venen der gesamten Lungenstrombahn entspricht dem Bild einer ausgeprägten Rezirkulation im Lungenkreislauf, die im Zusammenhang mit der Herzkonfiguration und dem prominenten, stark pulsierenden Pulmonalissegment als Vorhofseptumdefekt zu deuten ist. Die klinische Symptomatik ordnet sich mit dem relativ charakteristischen Auskultationabefund im gleichen Sinne ein. II. Unter den multiplen arteriovenösen Lungenfistein stellen die in Vielzahl vorkommenden röntgenologisch nachweisbaren Kommunikationen mit Lokalisation in vier oder allen fünf Lungenlappen eine Besonderheit dar, denn meistens handelt es sich bei dem sogenannten multiplen Befall um millare Teleangiektasien mit subpleuralem Sitz (Brunner und Kucs/co). Diese ti Röntgenforts&ritte 55, 3 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Röfe 98, 3 Röfo 98, 3 Abb. 3a Abb. 3b Abb. 3a und 3b. Seitliche Tomogramme (s.d. Strahlengang). Aus dem Truncus superior entspringt eine breite atypische Arterie, die in gewundenem Verlauf nach ventral kaudal zieht, die Ober.Mittellappengrenze durchsetzt und in die Gefäßkonvolute einer im Mantel des medialen Mittellappensegmentes gelegenen a.v. Fistel usIauft. Der venöse Rückstrom erfolgt über eine breite Vene zum unteren Pulmonalvenentrichter der rechten Seite (Abb. 3b). sind in der Regct im Röntgenbild nicht festzustellen und werden erst bei direkter Inspektion in situ (Denton, Colley und McNamara) oder sogar nur mikroskopisch entdeckt (Szutrely und Erdelyi). Da es jedoch ffießende Übergänge von multiplen Teleangiektasien über kleine arteriovenöse Fisteln bis zu weiten arteriovenösen Verbindungen (Gläser und Kerinne8) gibt, können röntgenologiseh manchmal millare Fleckechatten (Branner und Kuc/co), Strukturstörungen der peripheren Gefaßzeichnung (Apthorp und Bates) oder bei der Angiokardiographie multiple feinfleckige Verdichtungen in den peripheren Lungenfeldern auftreten (Sanders und Martt). Die größeren arteriovenösen Fisteln sind meistens solitär oder beschränken sich auf zwei oder drei Lungenlappen. Von den etwa 400 Fällen der Weltliteratur (Abbot, Leroux) hatten unter 350 daraufhin geprüften Fällen nur 5 einen Befall von 4 Lappen und weitere 5 einen Befall aller S Lungenlappen (Boher, Blake und Byrd). Kürzlich steflten wir bei einer Patientin aus dem Krankengut unserer Klinik ebenfalls multiple, größere arteriovenöse Fisteln in sämtlichen 5 Lungenlappen fest. Nach den aus dem Schrifttum bekannten Fällen handelt es sich um die sechste Beobachtung größerer arteriovenöser Fisteln mit beidseitigom Befall aller Lungenlappen. Die l9jährige Patientin war von Geburt an zyanotisch und litt seit ihrer Kinctheit unter einer mäßigen, aber ständigen Belastungsinsuffizienz mit Dyspnoe und Herzklopfen. Tm Adoleszentenalter verstärkten sieh die Beschwerden nur unwesentlich. Aus der FemiIiennamnese Ist erwähnenswert, daß auch die Mutter von Geburt an zyanotiach war und mit 39 Jahren an einem zerebralen Insult verstarb. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. A. Boyer und K. Richter 272 Röfo 98, 3 Zwei seltene Formen arteriovenöser Fisteln der Lunge 273 Bei der stationären Aufnahme zeigte dio astheniache Patientin eine deutliche Zyanoso, Tromnielschlägel- finger und IXhrglasnägel. Uber den Unterfeldern beider Lungen, besonders rechts, harte man bei tiefer Inspirati on ein sytolisch-diastolisehö Gefitßgeräusch. Dagegen war der Aux. kultatiousbefund des Herzens normal. Das Blutbild zeigte eine ausgeprägte Polyglobulie: Hb. 20,4 g%, Ery. (1,5 Mill. Hämatokrit 04 Vol.%, BSG 1/2. Röntgemmtersuchung (Abb. 4) eine sich in die Weichteilversehattung der Mammae projizierende atypische Zeichnung beider TJnterfelder mit einer Reihe rundlicher oder ovalArer, scharf begrenzter Verdichtungen, die im teilweise Flächenkymogramm pulsatorisehe Eigenbewegungen erkennen ließen. An dem normalgroßen Herzschatten fiel lediglich der flach vorgewölbte Pulmonalis- bogen auf, der bei der Durchleuchtung und im Kymogramm kräftige Pulsationeri zeigte. Die Amplitude der kymographisehen Pulmonaliszacken übertraf etwas die der Aorta, die Zackenform entsprach mit einer deutlichen dikroten Welle der Norm. Abb. 4 Dv. Ubersiehtsbild de zweiten Falles. Multiple arteriovenöse Fisteln in allen 5 Lungenlappen. [n beiden Unterfeldern multiple kleinfieckige undiiche und ovalare Vorsehattungen und unregelmaßig verstärkte Unterfeldzeiehnung. Keine Vergrößerung de Herzeehattens. Pulmonalisbogen betont, jedoch nicht se kräftig pulsierend wie im Fall 1. Im Gegensatz zum ersten Fall (Abb. 1) fehlt eine diffus verstärkte Gefäßzeichnung der Lungenfelder (Erklärung siehe im Text). Mit Hilfe der Tomographie wurden als Ursache der auf den Summationsbildern atypischen TJnterfeldzeichnung multiple arteriovendse Fisteln dargestellt. Die Durchschichtung beider Lungen im sagittalen und frontalen Strahlengang (Simultanscbichtverfahren) deckte insgesamt 15 arteriovenöse Fisteln mit folgender Lokalisation auf: Zahl der av. Fisteln: Lokalisation: Rechter Überlappen, Segment 3 rechter Mittellappen, Segment 5: rechter Unterlappen, Segment 8: Segment 10: 1 Segment 5: Segment S; 2 2 3 linker Oberlappen, linker Unterlappen, Segment 10: 2 2 3 Bis auf das anteriore Oberlappensegment, in dem nur rechts eine Fistel bestand, waren demnach beide Lungen annahernd symmetrisch von der Gefâßmißbildung betroffen. Ein Teil der tomographisch dargestellten Fisteln ist auf den Abb. 5 bis 7 zu erkennen. Auf eine Wiedergabe der übrigen arteriovenösen Fisteln, die sich mit gleicher Deutlichkeit in jeweils anderen Sehicbttiefen scharf abbildeten, wurde verzichtet. I9 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Die ergab im d.v. Obersichtsbild A. Beyer und K. Richter Abb. 5a Röfo 98, 3 Abb. Sb Abb. Sa bis 5e. Seitliche Tomogramme (s.d. Strahlengang) in den rechten Hilusebenen. Im pektoralen Oberlappensegment kommt medial das bogenförmige efä6konvolut einer a.v. Fistol zur Darstellung (Abb. 5 a), deren arterieller Zufluß und venöser Abstrom sich überkreuzend in einer um 1 cm weiter lateral gelegenen Ebene abgebildet werden (Abb. Sb). Weitere a.v. Fisteln sind im medialen Mittellappensogment, im anteriorbasalen (über dem Zworchfellschatton in Abb. Sc angedeutet zu sehen) und medial.ba. salen Unterlapponsegment erkennbar. Bei mehreren Fisteln sind in den abgobildeten Schicht. tiefen sowohl die zuführende Arterie als auch die zontripedale Vene und das Gefäßkonvolut dorFistel selbst gleichzeitig scharf angeschnitten. Abb. 5e Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 274 Röfo 98. 3 Zwei seltene Formen arteriovenöser Fisteln der Lunge 275 Bei der Beehtsherzkatheterisierung (Doz. Dr. Geissler, Dr. Albert) lagen die Druekwerte in allen Abschnitten des rechten Herzens im Normbereich. Blutgasanalytiech wurde eine deutliche Sauerstoff- untersättigung ira linken Vorhof, der durch ein offenes Foramen ovale sondiert werden konnte, und in der A. femoralis festgestellt. Die globale Farbstoffdilution (Doz. Dr. Forstmann, Röntgen- diagnostisehes Ingtitut der Chante) ergab j1jn. weise auf einen Reehts-Links-Shunt von über 50% des Systemvolumens. Die Angiokardiograpbie außer den tomographisch dargestellten keine weiteren a.v. Koinmunikationen auf. Die Erkennung der arteriovonösen Fisteln war in beiden Fallen durch Schichtuntersuchungen möglich. Diese Erfahrung steht mit den Berichten anderer Autoren in Einklang, welche die Tomographie als sichere Methode zur Erfassung dieser Gefäßmißbildung empfehlen (Lindgren, Lodin, Stecken u. a.). Nach unseren Beobachtungen erscheint es bemerkenswert, daß wir eine gute anatomische Orientierung über die Form und Lokalisation der arteriovenösen Fisteln erst mit Hilfe der seitlichen Schichtbilder (frontaler Strahlengang) erzielen konn- ten, während die ini sagittalen Strahlengang angefertigten Tomogramme den Befund nur teilweise und unvoflständig dar- stellten. Das liegt vor allem daran, daß Abb. 6 Seitliches Tomograinm (d.s. Strahlengang) in der Ebene des linken Hilas. Arteriovenöse Fistel im posteriorbasalen Unterlappensegment. Die zuführende Arteric entspringt der A.pulm.sinistra unmittelbar nash deren tlberkreuzung des linken. Stammbronehus. Die abführende Vene läuft in don unteren Pulrnonalvenentrichter in unmittelbarer Nähe der linken Vorhotwand ein. in den beiden hier mitgeteilten Fällen die Fisteln nicht in den lateralen, sondern hauptsächlich in den dorsalen und ventralen Segmenten lokalisiert waren. Infolgedessen wurden die zu- und abführenden Gefäße der arteriovenösen Kommunikationen bei frontalem Strahlengang optimal angeschnitten, und es gelang oftmals gleichzeitig eine scharfe Abbildung sowohl des arteriellen als auch des venösen Schenkels in ein und derselben Scldc}ittiefe. Auf diese Weise ließen sich auch bei unserer ersten Beobachtung der atypische Verlauf der die Ober-Mittellappengrenze durchsetzenden zentrifugalen Arterie und die von der peripheren Fistel zum unteren Pulmonalvenentriehter ziehende zentripedale Vene gut erfassen. Im zweiten Fall wurden die zum vorderen oder hinteren Pleurasinus hin gelegenen zwerchfeilnahen Fisteln in der seitlichen Position überhaupt erst sichtbar. Differentialdiagnostisch bestehen bei arteriovenösen Fisteln von der Größenordnung unserer zwei Fälle kaum Schwierigkeiten. Dio sackartigen, schleifen-, trauben. oder knauelförmigen Verechattungen mit strangartiger Verbindung zum Hilas (Barnes), die fehlende periphere Kaliberabnahme der beteiligten Gefäße mit häufig vom normalen Verzweigungstyp abweichendem, gewundenem Verlauf (Lindgren) sowie das bisweilen zangonförmigo t)borkreuzon der zuführendon Arterie mit der zentripedalen Vene (Stecken) sind sehr obarakteristisoh. Bei der Deutung der formalen Veränderungen Ist indessen zu beachten, daß das zuführende Gefäß auch einmúl aus den Aa. intercostales odor bronchiales bzw. von der Aorta descendens entspringen kann (Foley, Boyd) oder - wie bei unserem ersten Fall - von einem Lungenlappen zum anderen verläuft (Bergqeist, Hessén, Hey). Sammons beschrieb eindrucksvolle Volumenanderungen bei unterschiedlichem intrathorakalem Druck Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. bestatigte den Befund multipler artoriovenöser Fisteln in allen Lungenlappen, deckte jedoch Röfo98,3 t Abb.7a Abb.7b Abb. ' a und 7 b. Seitliche Tomogramnie (d.s. Strahlengang) lateral vorn linken Hilu. Im inferioren t4ngula. segment sind zwei av. Fisteln an den Ästen einer gemeinsamen zuführenden Arterie zu erkennen. Im anteriorbasalen Unterlappensegment werden die Gefaße einer weiteren Fistel teilweise abgebildet. Im posterior.basalen Segment kommt das Gefakonvolut einer hilusnahn a.v. Fistel zur Darstellung (A). im Valsalvasehen und Müllerschen Versuch. In 50% der Fälle sind kymographisch lEigenpulsationen der atypi. sehen Gefullbander nachweisbar (Major), die sieh von mitgeteilten Pulsationen durch genaue Phasenanalyse und auch clektrokymographiseh clilîorensieren lassen (Butler, Lohmann, Thomas). Die pulsatoriseben und korn. pressorisehen Volumensehwankungen fehlen jedoch hei sekundären Thrombenbildungen, die in seltenen Fällen sogar kalzifizieren können (Sloan und Coil ry). Auf tTbersichtsaufnahmen können besonders kleinere Fisteln leicht übersehen oder fehlgedeutet werden, zumal ihre Begrenzung durch perifokale Blutextravasate und Bindegewebsproliferation eine aufgelockerte Form annehmen kann (Grosse-Brockhofj, Loogen und Schaede). So wurden besonders bei Unterfeldiokalisation Fehlinterpretationen a1 Bronebiektasen, bei Obergesehoßveränderungen als chronische Pneumonie, Tumor oder Metastasen beschrieben. Auch Verwechslungen von fehimündenden Lungenvenen (in die V. cava inferior) mit arteriovenösen Fisteln wurden mitgeteilt (&pulveda). Solche diagnostischen Irrtümer lassen sich nach unseren Erfahrungen durch eine genaue Analyse der Gefäßstruktur im Schichtbild weitgehend vermeiden. Für die arteriovenösen Fisteln ist im Oegensatz zu fehimündenden Lungenvenen, varikösen Phiebektasien oder nicht gefäßbedingten Lungenprozessen stets ein arterieller Stiel nachweisbar, dessen Zuordnung zum arteriellen System allerdings bei dem (seltenen) atypischen Ursprung aus der Aorta, den Bronchialoder Interkostalarterien schwierig wird. Die peripheren Puimonalisaneurysmen lassen andererseits den bei arteriovenösen Fisteln obligat erweiterten venösen Abfluß in einen der vorbofsnaben Pulmonalvenentrichter vermissen. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. A. Beyer und K. Richter 276 Zwei seltene Formen arteriovenöser Fisteln der Lunge 277 Bei retrohilärem, hilusnahem oder retrokardialem Sitz sind die Fisteln auf dv. tbersichtsaufnahmen meist überhaupt nicht sichtbar oder imponieren lediglich als flache Vorwölbung am Mediastinairand (Loogen und Wolter). Ax. Kommunikationen mit Lokalisation im vorderen oder hinteren Pleurasinus entziehen sich nach unseren Erfahrungen ebenfalls leicht dem Nachweis. Bei entsprechenden klinischen Befunden (Mischblutzyanose, Morbus Osier) oder bei unklaren auf atypische Gefäßveriäufe verdächtigen Lungenfeldverschattungen sollte deshalb als Methode der Wahl stets die mehrdimensionaie Schichtuntersuchung zu Rate gezogen werden, die vor operativen Eingriffen zweckmäßig durch eine selektive Angiokardiographie vom rechten Ventrikel oder der A. puim. aus zu ergänzen ist, damit auch kleinere, dem tomographischen Nachweis evtl. entgangene Fisteln erfaßt werden. Bei den kleinsten muitiplen Teleangiektasien, denen eine thoraxchirurgische Bedeutung nicht zukommt, ist allerdings auch der angiographische Nachweis durch (lie gleichzeitige Auffüllung der in der Umgebung der Anastomosen liegenden Gefäße und der daraus resultierenden tfberlagerung zweifelhaft oder sogar unmöglich (Brunner und Rissel). Zusammenfassung Es werden zwei Fälle von arteriovenösen Fisteln der Lunge mitgeteilt, von denen der eine wegen der Kombination mit einem Vorhofseptumdefekt und der zweite durch die Lokalisation der Fisteln in allen 5 Lungenlappen ausgesprochen seltene Beobachtungen sind. Die Kombination einer arteriovenösen Lungenfistel mit einem Vorhofseptumdefekt, die bisher nur einmal beschrieben wurde, zeichnet sich in unserem Fall dadurch aus, daß der Herzschatten eine durch die Fistel nicht zu erklärende starke Vergrößerung mit kräftigen Pulsationen des Pulmonalisbogens aufweist und die Lungenzeichnung nicht nur lokal durch die zu- und abführenden Gefäße der Fistel, sondern diffus verstärkt ist. Der andere Fall mit multiplen größeren Fisteln in allen 5 Lungenlappen stellt unter den bisher mitgeteilten Fällen ebenfalls eine sehr seltene Form dar. Die Gefäßmißbildungen wurden in beiden Fällen tomographisch erkannt. Die Differentialdiagnose wird kurz umrissen und betont, daß eine signifikante Herzvergrößerung bei arteriovenösen Fisteln der Lungenstroinbahn ungewöhnlich ist. Liegt sie vor, dann erweckt sie den Verdacht auf ein begleitendes kongenitales oder erworbenes Vitium cordis. Summary Two cases of arterio-venous fistulae of the lung are reported. One of these was combined with an atrial septal defect, a syndrome which has only been described once before. The heart was enlarged to an extent which could not be explained by the fistula alone; there was marked pulsation of the pulmonary artery and there was a diffuse increase in the pulmonary markings affecting not only the area of the fistula. The second case showed multiple large fistulae in all five lobes. This also presents a rare form among reported pulmonary fistulae. In both eases the vascular abnormalities were demonstrated by tomography. The differential diagnosis is discussed briefly and it is emphasised that there is usually no significant increase in heart size as a result of an arterio-venous fistula in the lung. If this is found it should raise the possibility of a congenital or acquired heart defect. (F. SL) Résumé Communication de 2 cas de fistules artério-veineuses des poumons, dont l'une n'a été décrite jusqu'à maintenant qu'une seule fois, ello est en effet combinée à un défaut de la cloison interauriculaire; elle se caractérise par le fait que l'ombre cardiaque présente un fort agrandissement avec des pulsations très prononcées de l'arc de la pulmonaire, ce qui ne peut s'expliquer par l'existence de la fistule et qu'en outre la trame pulmnonaire est accentuée de façon diffuse non seulement au niveau des vaisseaux prenant part à la fistule, mais encore sur l'ensemble des poumons. Le 2e cas présentant plusieurs grandes fistules dans les cinq lobes pulmonaires constitue parmi les autres cas publiés à ce jour une forme également très rare. Ces malformations vasculaires ont été décelées par la tomographie. Après une brève description du diagnostic différentiel, les auteurs soulignent qu'un agrandissement caractéristique du coeur est exceptionnel dans les cas de fistules artério-veineuses du réseau pulmonaire. S'il le présente, il fait penser à l'existence d'un vice cardiaque congénital ou acquis conjoint. (A-M. M.) Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Röfo 98, 3 A. Beyer und K. Richter: Zwei seltene Formen arteriovenöser Fisteln der Lunge 278 Röfo 98, 3 R e s u in e n Se informa sobre dos casos con shunts arteriovenosos del pulmón; uno de ellos combinado con un defecto del tabique interauricular que hasta ahora sólo ha sido descrito una vez. Nuestro caso se caracterizaba por mostrar una dilatación la sombra cardíaca con pulsaciones fuertes del arco pulmonar y un aumento del flujo pulmonar, localizado no sólo en los vasos aferentes y eferentes de la fístula sino de carécter difuso y cuya explicación no esté justificada sólo por la presencia del shunt. El otro caso, son múltiples grandes shunts on todos los 5 lóbulos pulmonares, representa una forma poco frecuente en los casos descritos hasta el presente. Las anomalías vasculares fueron reconocidas tomográficamente en ambos casos. Se hace una exposición breve dol diagnóstico diferencial y so acentúa que es poco corriente la existencia clii una hipertrofla cardíaca significativa en las fístulas arteriovenosas cíe los vasos pulmonares. En caso de que exista una hipertrofla cardíaca debe sospeeharse la presencia de un defecto valvular cardíaco concomitante, bien sea congénito o adquirido. Literatur Abbot, 0. A., A. T. Jiaebísch, W. E. pan Fleit: Zit. in M. D. Sanders und J. M. 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