SCHMERZ und SCHMERZBEHANDLUNG Dr. med. Urs Gössi MBA FMH Innere Medizin FMH Hämato-Onkologie Interdisziplinäre Schwerpunkttitel Palliativmedizin Spital Schwyz, 1 25. April 2017 Inhaltsverzeichnis • • • • • • • • • 2 Definition Arten von Schmerz Schmerzmodell Pathophysiologie Schmerzen nach Pathogenese Patienten mit Schmerzen, Schmerzerfassung Schmerztherapie Schmerzmittel Gut zu wissen Definition Schmerz Definiton nach IASP • Unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis (sensorisch und emotional), das einhergeht mit einer wirklichen oder einer drohenden Gewebeschädigungoder in Form einer solchen Schädigung beschrieben wird – • häufig begleitet mit vegetativen Erscheinungen wie Blässe, Schweiss, BD - Anstieg 3 ARTEN VON SCHMERZEN Akute vs chronische Schmerzen Akuter Schmerz – Begrenzt: zeitlich, örtlich, Intensität – Nützlich – Häufig mit vegetativen Symptomen Chronischer Schmerz – Unbegrenzt: zeitlich, örtlich, Intensität – Unnütz – Weniger offensichtliche vegetative Symptome – Krankheit in der Krankheit Symptom – Sinnvoll, schützend, – Hat keinen Sinn mehr, psycho-soziale Belastung lebenserhaltend – Therapeutisch meist kein Problem –Therapeutisch schwierig angehbar 5 Pathophysiologie der Chronifizierung • Periphere Sensibilisierung - Sensibilierung / Rekrutierung der Nozizeptoren - Rekrutierung von nozizeptiven afferenten Neuronen - Veränderung der afferenten Neuronen (C, Aδ, Aβ) - Kopplung mit sympathischen Neuronen • Zentrale Sensibilisierung • Rückkopplungsschleifen sensibilisierte peripheres Neuron, sensibilisiertes Rückenmarksneuron und efferente Neurone (somatomotorisches und sympathisches) schliessen einen Kreis 6 Schmerzchronifizierung periphere Sensibilisierung 7 Chronifizierung: Begriffe • Hyperalgesie (Schmerzüberempfindlichkeit) - kleiner Reiz führt zu Schmerz • Allodynie: = zentrale Sensibilisierung - Folge der neuroplastischen Veränderungen im ZNS = Veränderungen / Anpassungen des NS auf Dauerreize - Folge der Chronifizierung des Schmerzes - Jede Berührung / sensible Reizung wird als Schmerz wahrgenommen 8 SCHMERZMODELL 9 Schmerzmodell • Sensorisches, lineares Modell • Multidimensionales, vernetztes Modell 10 Schmerzmodell: Sensorisches, lineares Modell • • • • Nozizeptiver Reiz Schmerz Schmerz mit Schutz- oder Warnfunktion Information geht nur in einer Richtung ist nur teilweise richtig für akuten Schmerz (vereinfachtes Modell) 11 Sensorisches, lineares Modell Sensorisches, lineares Schmerzmodell 12 Schmerzmodell: Multidimensionales Modell • die exakte Erfassung des Phänomens Schmerz muss durch mehrere Komponenten beschrieben werden • sensorisch-diskriminativ, affektiv, vegetativ, motorisch, kognitiy • Information wird vernetzt dies ist v.a. wichtig, wenn der Schmerz vom Symptom zur Krankheit wird d.h. bei der Chronifizierung, aber auch beim akuten Schmerz 13 SSchmerzkomponenten sensonrischdiskriminative Komponente Aufnahme, Weiterleitung und Verarbeitung nozizeptiver Signale affektive = emotionale Komponente vegetative = autonome Komponente Motorische Komponente 14 SchmerzBewertung = kognitive Komponente Schmerzäusserung = psychomotorische Komponente Schmerz und Krebs • 60 -90% der Patienten mit fortgeschrittenem Karzinomleiden haben chronische Schmerzen • 75 – 90% dieser Patienten könnten von ihren Schmerzen befreit werden • Patienten mit Krebsschmerzen / postoperativen Schmerzen sind: nur in 50% behandelt 90% wären behandelbar 15 „Krebsschmerzen“ Krebsschmerzen im eigentlichen Sinne gibt es nicht • • • • • • 16 Direkt durch den Tumor ausgelöst Indirekt durch den Tumor ausgelöst Schmerzen als Folge der Tumorbehandlung Schmerzen als Folge der Tumorkomplikation Nicht durch den Tumor bedingte Schmerzen Verstärker der Schmerzen Krebsschmerzen • Druck: Knochenmetastasen, Nerveninfiltration, Druck in Hohlorganen • Indirekt: Entzündung, Knochenbrüche, Verstopfung • Tumorbehandlung: postoperativ, Bestrahlung, Mukositis Entzündung durch Chemotherapie • Tumorkomplikationen: Blutung, Thrombose, Infektion • Nicht tumorbedingt: Arthritis, Kopfschmerzen, Zahnschmerzen • Verstärker der Schmerzen: Angst, Wut, Verzweiflung, Trauer 17 Pathophysiologie des Schmerzes 18 Pathophysiologie des Schmerzes • Schmerzverarbeitendes System: (=Funktionskette des Schmerzes) - Transduktion - Transmission - Modulation - Perzeption 19 Transduktion • Transduktion = Umwandlung des nozizeptiven Reizes in einen elektrischen Impuls. Geschieht am Nozizeptor = Schmerzrezeptor (freie Nervenendigungen) - 20 Schmerzrezeptoren, die überall sind, werden gereizt durch: mechanische, chemische Reize und durch Entzündung, Gewebsschädigung Es braucht aber hochschwellige Reize Werden durch allogene Substanzen aus dem Gewebe oder durch Entzündungsmediatoren erregt Transmission • Transmission = Weiterleitung des nozizeptiven Impulses (Information) äber die Schmerzfasern im peripheren (PNS) und zentralen Nervensystem (ZNS) - peripherer Nerv: schnell leitende, myelinisierte Aδ Fasern langsam leitende, unmyelinisierte C-Fasern - Rückenmark (2. Neuron), Hirnstamm über Tractus spinothalamicus - Thalamus - Hirnrinde, limbisches System, Hypophyse 21 Modulation • Modulation = Kontrolle und Veränderung (meist Hemmung) der Transmission durch verschiedene Systeme auf verschiedener Höhe des ZNS • Im Rückenmark / Hirnstamm - segmentale (spinale) Hemmung - Endorphine / Enkephaline - Deszendierende (supraspinale) Hemmung - Afferente Hemmung (Aβ- Fasern) 22 Schmerzverarbeitung 23 Perzeption • Perzeption = Schmerzwahrnehmung: komplexer Prozess = Umwandlung der neuronalen Aktivität in subjektive Erfahrung bewusst: Lokalisation des Schmerzes, Beschreibung der Qualitäten unbewusst: auch beim Bewusstlosen, vegetative Reaktionen wichtiger Teil der Schmerzwahrnehmung und Verarbeitung • Beteiligte Systeme: Präfrontaler Cortex - Sensorische Rinde / Homunculus - Thalamus - lymbisches System: Ammygdala, Gyrus cinguli, Hippocampus - 24 Schmerzwahrnehmung 25 Hirn und Schmerz Wir brauchen unser Hirn, um Schmerzen wahrzunehmen 26 1. Präfrontalcortex: Kognitive Bewertung: • Realitätsprüfung • Fehlerprüfung • Aufmerksamkeit • • n 2 Denken, Handeln Stressreduktion: • Hemmung ungeeigneter Aktionen • Emitionsregulation 2.Sensorische Rinde: 1 n und Schmerzlokalisation und Repräsentation 3. Thalamus: Senso-motorische Integrität 4. Anteriorer Gyrus cinguli Diskrepanz zwischen Erwartungen und Wahrnehmung 5. Amygdala: Stresserleben 6. Hippocampus: Lernen / episodisches Gedächtnis 27 3 28 29 30 Schmerz nach Pathogenese 31 Nozizeptiv vs – Beginnt am Nozizeptor – Beginnt mit Auslöser – Lokalisiert am Ort des Auslösers – Häufig als stechend, drückend, brennend beschrieben 32 neuropathisch – Beginnt im Nervensystem – Beginnt verzögert – In Peripherie projiziert – Häufig als brennend, elektrisierend, einschiessend.... beschrieben Nozizeptiver (somatogener) Schmerz Mechanischer, Thermischer, entzündlicher Reiz Normale neurologische Untersuchung 33 Basisschmerz und Schmerzspitzen Stimulierung der Nozizeptoren Regionale Topographie Schmerzbeginn mit Beginn des Auslösers Nozizeptiver (somatogener) Schmerz • Somatisch Oberflächenschmerz : Haut - Tiefenschmerz: Bindegewebe, Knochen, Muskeln, Gelenke, Sehnen - • Viszeral lokalisierter viszeraler Schmerz: Durch Dehnung der Organe - übertragener viszeraler Schmerz: (Head Zonen) nicht am Ort des Organes wahrgenommen - 34 Neuropathischer (neurogener) Schmerz Kausalität: Läsion im peripheren oder zentralen Nervensystem Neurologische Untersuchung: Hypästhesie, Anästhesie, Parästhesie, Hyperalgesie, Allodynie 35 Schmerzcharakter: Dauerschmerz blitzartige, intermittierende Schmerzattacken Elektrisierend,brennend.... In die Peripherie projiziert Beginnt zeitlich nach dem Setzen der Läsion Pathogenese des neuropathischen Schmerzes • Störung entsteht durch eine Störung irgendwo im NS, wo keine Störung entstehen sollte - Entstehung von ektopen Impulsen (Radikulopathie) - Bildung von Ephasen ( neue falsche Synapsen) - Verlust der zentralen Hemmung - Gesteigerte Aktivität des zentralen Neurons - Epileptische Entladung von kortikalen nozizeptiven Neuronen - Beteiligung des sympathischen Nervensystems (CRPS) 36 Schmerztherapie nozizeptiv / neuropathischer Sz Nozizeptive Sz • • • • • • • 37 NSAR Opoide Antidepressiva Antikonvulsiva Steroide Nervenstimulation Neurochirurgische Verfahren +++ +++ + + + + + Neuropathische Sz ++ +++ +++ + +++ ++ Durchbruchschmerz Davies AN et al Eur J Pain 2009;13(4):331-338 „A transient exacerbation of pain that occurs either spontanously or in relation to a specific predictable or unpredictable trigger despite relatively stable and adequately controlled background pain.“ 38 39 Was verstehen wir unter Durchbruchschmerz? • Vorübergehende Schmerzexazerbation – spontan oder durch voraussagbaren oder nicht voraussagbaren Trigger bei relativ stabilem und adäquat kontrolliertem Basisschmerz: • Er zeigt folgende Kriterien: - Durchbruchschmerz ist deutlich stärker als der Basisschmerz (meist stark bis unerträglich) - plötzliches Auftreten - Dauer von wenigen bis 60 Minuten (selten länger)* - 46 % haben 3 oder mehr Episoden Gomez-Batiste et al J Pain Symtom Manage 2002;24:45 – 52 40 Arten des Durchbruchschmerzes • Einteilung nach auslösendem Mechanismus • Trigger nicht bekannt: spontan auftretend • Trigger bekannt: Bewegung, Husten, Niesen, Nahrungszufuhr, Defäkation etc. • Vorhersehbar: Bewegung, Nahrungszufuhr, Defäkation • Nicht vorhersehbar: Husten, Niesen • Einteilung nach Pathophysiologie – Nozizeptiv oder neuropathisch 41 42 PATIENT MIT SCHMERZEN 43 Patientengruppen zu unterscheiden sind: • Patient mit der akuten Krebserkrankung • Cancer Survivor • Spezielle Patientengruppen – Der Patient mit der Abhängigkeitserkrankung – Der Patient im Delir – Der Patient mit Demenz – Der Patient mit einer psychischen Erkrankung: Depression, Psychose u.a. 44 Schmerzerfassung 45 46 47 Edmonton Classification System for Cancer Pain ECS-CP Fainsinger RL (2010) European Journal of Cancer Erfassungstool für bewusstlose Patienten • • • • • Pathogenese des Schmerzes Inzidentaler Schmerz Psychische Belastungen Abhängigkeitsverhalten Kognitive Funktion Aussage über Prognose möglich 48 49 50 Schmerztherapie 51 Schmerztherapie • Kausale Therapie • Symptomatische Therapie • Adjuvante Therapie 52 Schmerztherapie kausale Therapie • Kausale Therapie kann kurativ oder palliativ sein - Chirurgie - Bestrahlung - Chemotherapie, Immuntherapie - andere Therapien zur Behandlung der Grundkrankheit: Antibiotika, Antianginosa etc. - invasive oder nicht invasive Therapien 53 Schmerztherapie symptomatische Therapie • Pharmakologische Therapie - WHO Stufenschema - Anästhesie • Kausale Therapie • Neurochirurgie 54 Schmerztherapie adjuvante Therapie • • • • • • 55 Physiotherapie Ergotherapie Musiktherapie Information Psychologische Unterstützung Coping Schmerz Schmerz hat viele Komponenten: - körperlich - psychisch - sozial - spirituell 56 Schmerz Vorgehen Nicht medikamentöse Massnahmen nie vergessen: - Lagerung - Unterstützung im psychischen, sozialen, spirituellen Bereich - adjuvante Therapien 57 SCHMERZMITTEL 58 Grundsätze der Schmerzmitteltherapie 1. By the mouth so wenig invasiv wie möglich 2. By the clock Verschreibung zu fixen Zeiten 3. By the ladder Versschreibung gemäss dem Stufenschema individuelle, sorgfältige Verschreibung 59 Eine korrekte Verschreibung beinhaltet • Einzeldosis: wie viel, wie häufig • Wirkungseintritt, Wirkungsdauer • Reservedosis (normalerweise 10% der Grunddosis): wie viel, wie häufig • Maximaldosis (Tagesdosis) Ceilingeffekt • Verabreichungsart (po, iv, sc, rectal) • Nebenwirkungen • Gewöhnung, Abhängigkeit 60 Stufen-Ziele der Schmerztherapie • Zeitlich gestaffelt macht es Sinn folgende Zwischenziele anzustreben und dem Patienten vor der Therapie mitzuteilen: 1. 2. 3. 4. 61 Nacht ohne Schmerzen in Ruhe keine Schmerzen Aktivität ohne Schmerzen zuerst Elimination von Schmerz 1, dann von Schmerz 2 (bei mehreren Schmerzen, insbesondere zuerst Therapie von nozizeptivem Schmerz vor neuropathischem Schmerz) 62 Analgetika der Stufe I NSAR Paracetamol Novalgin Stufe I 63 Mit Stufe I beginnen. Allenfalls Kombinationen von Stufe I – Analgetika Paracetamol (Dafalgan, Panadol) Stufe 1 • Indikation: mittelschwere Schmerzen, gutes Antipyretikum, kombinierbar mit Stufe 2 oder 3 • Wirkung: vorwiegend zentral, nach 30 Minuten keine antiphlogistischen Eigenschaften • Verabreichung po., Supp., iv.: Max. Dosis: 4 gr/Tag • Nwkg: Hepatotoxisch bei Überdosierung Keine Nwkg. auf Hämostase und Magenschleimhaut 64 Metamizol (Novalgin) Stufe 1 • Indikationen: starke Schmerzen, hohes Fieber, krampfartige Abdominalschmerzen • Wirkung: analgetisch, antipyretisch und spasmolytisch zentral und peripher, nach 30 Minuten • Verabreichung Tbl., Tr., Supp., iv., Dosierung 2 gr/Tag (4x20 Tr, 4x500 mg Tbl. oder Amp./Tag) • Max.Dosierung bis 4 gr/Tag • Nwkg: Hämatotoxisch,nephrotoxisch,Hautausschläge, Hyper-/Hypotonie, Anaphylaxie iv. (langsam) 65 NSAR (Voltaren, Diclofenac) Stufe 1 • Indikation: Bei Schmerzen entzündlicher Genese Knochenmetastasen, Gicht • Wirkung: Antiphlogistisch, nach 30 Minuten • Verabreichung: Drg., ret. Drg., Tr., Supp, iv, • Dosierung: 100 – 150 mg/Tag, max. 200 mg/Tag • Nwkg: Nephrotoxisch, Hämatotoxisch, Blutungen, Hautausschläge, Allergien, Ulcerogen, Hepatotoxisch, Kardiotoxisch 66 Mefenacidsäure ( Ponstan, Mefenacid) Stufe 1 • Indikation: starke Schmerzen, Knochenmetastasen • Wirkung: Antiphlogistisch • Wirkungseintritt: 30 Minuten • Wirkungsdauer: 8 Stunden • Dosis: 3x500mg/24 Stunden • Maximaldosis: 2000 mg/Tag • Nwkg: Diarrhoe, Niereninsuffizienz, Blutbildveränderungen, Ulcera 67 Analgetika der Stufe II Analgetika der Stufe II Dihydro codein Tilidin Codein Tramadol Stufe II 68 • • • • Zu Beginn Kombination mit Stufe I. Falls gute Analgesie, Stufe I allenfalls weglassen Codein • • • • wird in der Leber zu Morphin umgewandelt reiner Agonist 10 x schwächer als Morphin ca. 10 % der kaukasischen Bevölkerung sind poor metabolizer ohne analgetische Wirkung • v.a. als Antitussivum / Kombinations-Analgetika • Eintritt: 30 Minuten Dauer 8 -12 Stunden • Dosis: 2 – 3x 25 – 50 mg, Maximal: 200 mg/d 69 Tramadol Tramal retard ®, Tramal ® Tr. • reiner Agonist (v.a., aber auch ,) • aber auch Reuptakehemmer NA, Serotonin • 10 x schwächer als Morphin • hohe Bioverfügbarkeit (70 - 90%, bei repetitiver Gabe höhere Bioverfügbarkeit) • vermehrt Orthostase gegenüber anderen Opioiden • Eintritt 30 Minuten, Dauer nicht ret 4 Std, ret. 8 -12 Std • Max.dosis 400 mg/d, Tbl. (nicht ret. und ret.) • Tropfen.: 20 Tr = 50 mg 70 Analgetika der Stufe III MORHIN Hydromorphon Buprenorphin Oxycodon Fentanyl Methadon Stufe III 71 Falls Stufe I und Stufe II ungenügend analgetisch wirksam, gelegentlich auch direkt von Stufe I zu Stufe III. (Keine Kombination von Stufe II und Stufe III –Analgetika wegen kompetitiver Hemmung) Analgetika Stufe 3 • Alle Opioide, die gleich stark oder stärker sind als Morphin sind starke Opioide (Stufe 3) Äquivalenzdosierungen: Morphin Oxycodon Hydromorphon Buprenorphin Fentanyl Methadon 72 1 1 – 2 x stärker 5 – 8 x stärker 100 x stärker 100 x stärker 2 – 12 x stärker SCHMERZTHERAPIE MIT OPIOIDEN 73 Wirkungsweise der Opoide • Opoide wirken durch die Bindung an den Opoidrezeptoren im : - Gehirn - Rückenmark - peripher im entzündeten Gewebe • Hemmen Übertragung an den Synapsen des nozizeptiven Systems • Aktivieren hemmendes System im ZNS • Verändern die Schmerzempfindung (Thalamus, Cortex, limbischem System) • Anxiolyse 74 Grundlagen Opoidrezeptoren • μ- Rezeptoren: supraspinale und spinale Analgesie, Sedation, Miosis, Harnretention, Hypothermie, Pruritus, Nausea /Vomitus • ĸ- Rezeptoren: supraspinale, spinale und periphere Analgesie, Sedation, Miosis, Hyperthermie, Diurese, Dysphorie • δ-Rezeptoren: wirken regulativ. Modulieren μ-Rezeptoren. Auch spinale und supraspinale Analgesie, Harnretention 75 Opoid-Agonist, - Antagonist partieller Agonist, Agonist - Antagonist • Agonist: Opoid, das an Opoidrezeptor koppelt und dort maximale analgetische Wirkung entfaltet. Wirkung proportional zu Dosis. Keine Grenze, kein Ceilingeffekt • Antagosist: Opoid koppelt an Rezeptoren jedoch ohne analgetische Wirkung • Partieller Agonist: Opoid koppelt an Rezeptor, entfaltet nicht maximale Wirkung. Ceilingeffekt • Agonist – Antagonist: Opoid entfaltet an den einen Rezeptoren agonistische, an den andern antagonistische Wirkung 76 Agonist / Antagonist /partieller Agonist /Agonist-Antagonist Opioid /Rezeptor μ κ δ Tramadol ++ + + Morphin +++ + ++ Methadon ++ Oxycodon +++ + ++ Hydromorphon +++ + ++ Fentanyl +++ ++ + Buprenorphin P - Naloxon -- - - Naltrexon -- - - + Agonist / - Antagonist / P partiellerAgonist 77 Eintitrierung von Opioiden • Morphin ist weiterhin Opioid der Wahl, wenn ein Stufe 3 Analgetikum notwendig ist • Übrige Opioide sind wichtig, falls Morphin nicht möglich, z.B. Medikamente nicht geschluckt werden können, dosislimitierende NW, ungenügender Nutzen (siehe Opioidrotation) 78 Eintitrierung von Opioiden 79 Morphiumtherapie 80 Häufigste Nebenwirkungen der Morphiumtherapie Verstopfung: keine Tachyphylaxie, andauernd, muss immer behandelt werden - Behandlung: Weichmacher ( Duphalac, Movicol etc.) Stimulantien (Laxoberon) - Ziel: täglich 1 x weicher Stuhl Übelkeit, Erbrechen: starke Tachyphylaxie vorübergehend, bessert sich nach einigen Tagen - Behandlung: Antiemetika (Primperan) Neuroleptika (Haldol) Kortison Palliative Care Mythen über das Morphium • • • • • • Opiate machen Atemdepression! es gibt eine Maximaldosis! Opiate machen süchtig! Verstopfung bessert sich nach Tagen! Opiate schädigen die Nieren! Opiate soll man akut immer in die Venen (i.v.) geben! Palliative Care Eintitrierung von Opioiden • MST 10 mg alle 12 Stunden – Grunddosis von 20 mg/24 Stunden – Somit Reservedosis (10%): 2 Tropfen Morphium bis stündlich • Nach 2 Tagen Grunddosis und gebrauchte Reservedosis zusammenzählen, ergibt neue Grunddosis, Reservedosis anpassen 83 Eintitrierung von Opioiden • Morphin iv 3x stärker als po • Morphin sc 2x stärker als po • Somit bei parenteralem Beginn: – 10 mg Morphin kontinuierlich/24h iv – 15 mg Morphin kontinuierlich/24h sc sinnvoll 84 Morphin oral • • • • • • MST® Continus (Morphinsulfat) Sevredol® (Morphinsulfat) Sevre-Long® (Morphinsulfat) Oramorph® (Morphinsulfat) M-retard® Helvepharm (Morphin-chlorid) Morphin Hydrochl Streuli (Tropfen 2% 1 TR = 1 mg) Morphin i.v. • parenterales Morphin 85 (Morphinchlorid) Morphin • reiner Agonist, v.a. -Agonist • Bioverfügbarkeit nach oraler Gabe 15-50%, rektal etwas besser • langsam aus GI-Trakt resorbiert • vorwiegend renal ausgeschieden • Kumulation von Metaboliten bei Niereninsuffizienz, • Lebererkrankung wenig Einfluss auf Mo-Metabolismus • Wirkungseintritt: oral/sc/iv/rectal 30 Minuten Dauer: Stunden • Keine Maximaldosis, kein Ceilingeffekt 86 Fentanyl • • • • • • • 87 Effentora®, Actiq® Durogesic® Matrix Fentanyl-Janssen® Fentanyl-Mepha® Fentanyl-Sandoz® Fentanyl-Spirig® Fentanyl • reiner Agonist,(v.a.) • analgetische Potenz: 70 – 150 (100) x stärker als Morphin po (interindividuell) • Reservemedikament: Morphin-Tropfen • nur geeignet bei stabilen Schmerzen • das benutzt Hautareal sollte ca. 7 Tage freibleiben. • Haare schneiden, nicht rasieren • bei Fieber 38 ist die Resorption beschleunigt, Achtung bei heisser Dusche • zerschneiden möglich • gut bei Niereninsuffizienz Wirkungsdauer: TTS 72 Stunden? • Volle Wirkung nach 12 Stunden: langsames An- / Abfluten 88 Effentora® • Fentanyl sublingual 100 – 800ug • Ab 60 mg Morphin oder 25ug/h Fentanyl TTS Äquivalent • Bioverfügbarkeit: auf ca. 70% geschätzt • Wirkungseintritt: schnell • Max Plasmakonzentration: nach 20 – 240 min • UAW (Nebenwirkungen): sehr häufig, Kopfschmerz, Somnolenz, Euphorie, Nausea, Depression, Anorexie, Pruritus... 89 Actiq® • Lutschtablette 200ug – 1600ug (an Schleimhaut reiben, nicht kauen) • Verfügbarkeit: 25% über Wangenschleimhaut 75% über MDT, davon nur 1/3 aufgenommen = 25% der Gesamtdosis, somit 200ug Actiq entspricht 100 ug Effentora • Wirkungseintritt: schnell • Wirkungsmaximum: 20 – 40 (480) min • UAW: viele, wie Effentora 90 Fentanyl Nasenspray • Schon lange angekündigt, noch nicht erhältlich in CH • Ist auch ohne pharmakologische Aufarbeitung möglich fast 100% schnell • Bioverfügbarkeit: • Wirkungseintritt: nicht bekannt • Wirkungsmaximum: wie Effentora und Actiq • UAW: 91 Buprenorphin • Transtec® • Temgesic® • Subutex® 92 Buprenorphin • partieller -Agonist und -Antagonist – einziger oraler (partieller) Agonist, Antagonist – für Kombination mit anderen Opioiden nur mässig geeignet • starkes Analgetikum 100x stärker als Morphin • Sehr lipophil • Enteral tiefe Bioverfügbarkeit, hoher First-Pass- Effekt, deshalb: – transdermale Applikation: Transtec – sublinguale Applikation: Temgesic sl Transtec Wirkungsdauer 96 Std. , Eintritt 12 Std Temgesic Wirkungsdauer 8 Std., Eintritt 30 Minuten 93 Oxycodon • • • • 94 Oxycontin® Oxynorm® Kaps Oxynorm® Tropfen Targin® (Oxycontin/Naloxon) Oxycodon reiner Agonist (v.a ) semisynthetisches Opioid 40% schnell wirksames + 60% slow release in einem Äquivalenzdosis zu Morphin oral 1: (1,5-) 2 hohe orale Bioverfügbarkeit von 60 –90 % bei Niereninsuffizienz und Lebererkrankungen bis 50% höhere Plasmaspiegel • bei mässiger NI, deshalb bevorzugt da (keine) toxischen Metaboliten • Wirkungsdauer: retard 12 Std., Oxynorm 4-6-Std • Wirkungseintritt: 15 – 30 Minuten • • • • • • 95 Targin®: Oxycodon/Naloxon (2:1) • Zulassung in Schweiz nur bis 160/80 mg/d • Studien gehen bis 80/40 mg/d • Wird über diese Dosis hinaus gesteigert, hat das Naloxon möglicherweise auch eine systemische Wirkung 96 Targin® • Naloxon: • Bioverfügbarkeit < 3% • Leberinsuffizienz & Niereninsuffizienz: erhöhte Spiegel für Oxycodon und Naloxon, wobei Spiegel von Naloxon proportional höher, Bedeutung noch unklar • Interaktionen: mit Cumarinen: Thromboplastinzeit verlängert und verkürzt! • Verhinderung der Obstipation!? 97 Hydromorphon • • • • • 98 Palladon® (1,3 mg 2,6 mg) Palladon® retard (4, 8, 16, 24 mg) Jurnista® Hydromorphoni hydrochloridum Streuli Tr Palladon® Inject (nicht auf SL) Hydromorphon • reiner Agonist,( v.a. ), halbsynthetisch • dem Morphin sehr ähnlich bezüglich Pharmakologie • Äquivalenzdosis: 1 : 5-7,5x zu Mo oral 1 mg =20Tr =1ml 1,3 mg=10 mg Mo (dabei oral: sc = 2 : 1, oral:iv = 3:1) • Bioverfügbarkeit 17 – 62% • subcutan gut geeignet • bei mässiger NI, deshalb bevorzugt da (keine) toxischen Metaboliten • Wirkungseintritt: 30 Min. nicht ret. • Wirkungsdauer: nicht ret. 4 Std., ret. Form 8 -12 Std. 99 Methadon Methadon Streule ®, Ketalgin ® • • • • • • • • • • • reiner Agonist, (v.a. ) + NMDA-Antagonist, MAO-Hemmer gut bei Niereninsuffizienz Äquivalenzdosis 3 – 10 x Morphin po hohe Bioverfügbark. (80%) Dosis po = sc = iv, subcutan macht starke Irritation (Hyaluronidase,Dexamethason) Reservemedikamente: Methadon, aber nur alle 3h, Morphin-Tropfen Kumulationsgefahr, da lange HWZ billig Wirkungseintritt: nach 2 – 3 Std. Wirkungsdauer: 8 Stunden bis Tage 100 Grund und Schritte des Opoidwechsels Grund des Wechsels: - dosislimitierende Nebenwirkungen - ungenügende Analgesie trotz Dosissteigerung 1. Die totale tägliche Opoiddosis berechnen 2. Die Dosis des neuen Opoids berechnen anhand einer Umrechnungstabelle (äquianalgetische Dosis) 3. Die berechnete Dosis um 20 – 30% reduzieren 4. Die so berechnete Dosis als Tagesdosis des neuen Opoids verteilen 5. Reservedosis für neues Opoid festlegen 6. Evaluation der Schmerzen mittels Schmerzprotokoll 101 Morphiumtherapie Basistherapie: Beginn mit kleinen Dosen Morphium von 20-30 mg pro 24 Stunden (Tabletten, Tropfen, Pflaster) Reservetherapie: Dosis 10 % der Basisdosis: ( Tropfen) Wiederholung in kurzen, (halb) - stündlichen Abständen möglich Notfallbox: Lernen der Angehörigen Wann, welches, wieviel vom Medikament, wie? Palliative Care Take home messages • Für die Opioidtherapie spielen: – Genetische Unterschiede – Gender Unterschiede – Interindividuelle Pharmakokinetik .....viel die grössere Rolle als die Wahl des ersten Arzneimittels....hat dieses nicht den gewünschten Erfolg, so sind wir froh, dass wir Alternativen haben (Opioidwechsel) • Morphin bleibt weiterhin das Mittel der Wahl für den Beginn der Opioidtherapie 103 OPIOIDTHERAPIE UND ABHÄNGIGKEIT 104 Abhängigkeit von Opioiden • • • • 105 psychische Abhängigkeit physische Abhängigkeit Entzugssymptomatik Toleranzentwicklung (= Tachyphylaxie) Psychische Abhängigkeit Psychische Abhängigkeit abhängig von: – Substanz: bei jedem Opioid potenziell möglich – Applikationsart: je schneller ein Opioid ins Gehirn flutet um so eher erzeugt es eine psychische Abhängigkeit (Fentanyl TTS unterscheidet sich von Fentanyl Nasenspray – Grundleiden: bei Tumorpatienten ist das Risiko klein, insbesondere wenn das Leiden in der Akutphase ist oder von akutem Schmerz begleitet wird – Patienten: erhöht, falls Abhängigkeit in der Anamnese oder in der Familie 106 Psychische Abhängigkeit Porter J (1980) NEJM 302 123 • Besonderes Verhalten mit dem zwingenden Bedürfnis, Opiate einzunehmen, um in den Genuss anderer Wirkungen als der rein analgetischen zu kommen Seltenes Phänomen: Weniger als 1/10.000 der schmerzhaften Tumoren 107 108 CO-ANALGETIKA 109 Co-Analgetika • • • • • • • • 110 Antiepileptica Antidepressiva Muskelrelaxantien Neuroleptica Lokalanästhetica Cannabinoide Korticosteroide Bisphosphonate Antiepileptika 1 Gabapentin (Neurontin u.a.) – Bei neuropathischem Schmerz (Polyneuropathie, Post-Zoster-Neuralgie) – Wirksamkeit vergleichbar mit Amitryptilin – Ca-Kanalblocker – NW: zentralnervös, und Nausea – Dosierung: • Langsames + vorsichtiges Einschleichen 3x100 mg • Genügend hohe Dosierung (bis 3600 mg/d) 111 Antiepileptika 2 Pregabalin (Lyrica u.a.) – Indikation: periphere neuropathische Schmerzen (Zulassung) – Wirkung: nicht ganz geklärt, Ca-Kanäle im ZNS, dadurch Freisetzung von Neurotransmittern (Glu, NA, Substanz P...) – NW: Benommenheit, Schläfrigkeit, Delir, andere ZNSSymptome, Appetit, Obstipation – Dosierung: 150 – 600 mg täglich aufgeteilt auf 2 (bis 3) Dosen (während oder zwischen Mahlzeiten) Beginn mit 2 x 25 bis 2 x 50 mg 112 Antiepileptika 3 Carbamazepin (Tegretol u.a.) – Neuropathische Schmerzen – Wirkt über Na-Kanäle (membranstabilisierend) – Nebenwirkungen: zentralnervös, hämatologisch – Dosierung: • tief beginnen: 2x100 bis 2x200 mg/d • genügend dosieren (1600 mg/d) 113 Antidepressiva 1 Trizyklische Antidepressiva z.B. Amitripyilin (Saroten, Tryptizol, u.a. Trizyklica Analgesie unabhängig von antidepressivem Effekt – (In 30% der Patienten, >50% Schmerzreduktion) – NNT 3.6 (3.0 – 4.5) – Neuropathischer Schmerz – z.T. schlaffördernd, z.T. neutral / anxiolytisch – Wirkungsmechanismus: Na-Kanal-stabilisierend – Nebenwirkungen: anticholinerg, zentralnervös – Dosierung: • Beginn: 10 - 25mg abends • Maximaldosierung: 100 mg? 114 Antidepressiva 2 Auch wirksam sind: – Venlafaxin (Effexor) • SNRI Serotonin-Noradrenalin-Reuptake-Hemmer • NNT 3.1 (2.2 – 5.1) • Antriebssteigernd • Beginn 37.5 mg, langsame Steigerung bis 150 – 225 – Duloxetin (Cymbalta) • SNRI Serotonin-Noradrenalin-Reuptake-Hemmer • NNT 6 (5 – 10) • Antriebssteigernd • Beginn mit 30 mg, allenfalls steigern bis 60 mg 115 Antidepressiva 3 Trazodone (Trittico) • präsynaptische Aufnahme von Serotonin • nachgewiesen bei peripheren Neuropathien – Mirtazepin (Remeron) • Relativ gute Studienlage • über viele Neurotransmitter • Schlafanstossend • Beginn mit 30 mg, allenfalls erhöhen auf 45 mg – SSRI • Keine gesicherte analgetische Wirkung • Indikation allenfalls bei Fibromyalgie (Fluoxetin) • Allenfalls Paroxetin bei diabetischer Neuropathie 116 Muskelrelaxantien • Benzodiazepine - Analgesie über Muskelrelaxation du Anxiolyse 117 Muskelrelaxantien • Baclofen (Lioresal) – Indikationen: Spasmen, neuropathischer Schmerz – Synergismus mit Opioiden, GABA-RezeptorAgonist (Typ B), wirkt auf Höhe Rückenmark – Dosierung: • Beginn mit 3x5 mg/d • Maximaldosis bei 75mg/d – Nicht absetzen, ausschleichen 118 Neuroleptika • Phenothiazine: – Additiv zu Opioiden – Wirksamkeit wenig bewiesen (allenfalls für Levomepromazin = Nozinan) 119 Lokalanästhetika • Lidocain lokal (Neurodol Pfl. u.a.) – Versuch wert • Lidocain (iv) – Neuropathische Schmerzen – Nerven-Membran stabilisierend (NaKanäle) – Selten gebraucht 120 THC: Tetrahydrodrocannabinol Cannabis • Gut belegte Indikationen – Antiemetikum – Wirkt bei muskulären Spasmen – Allenfalls Appetit steigernd • Bewilligung über Swiss-medic • 1 Kapsel à 2,5 mg kostet Sfr. 8.• Für Schmerzen nicht wirksamer als Codein, aber mehr NW 121 Glucokorticosteroide • Bei Schmerz mit Entzündung • Bei Raumforderungen zur Abschwellung • Antiinflammatorisch, allenfalls auch Nervenmembran stabilisierend • Nebenwirkungen! - keine Langzeittherapie 122 Ketamin (Ketalar) • NMDA-Rezeptor-Antagonist (N-Methyl-DAspartat): – verhindert Uebertragung von 1.auf 2. Neuron – verhindert allenfalls Chronizifierung • Unerwünschte Wirkungen: – Halluzinationen, Dysphorie, Atemdepression • Geringe therapeutische Breite • Dosierung: 3 - 8 mg/h für Erwachsene 123 124