Univ.-Prof. Dr., Matzler, Kurt Institut für Wirtschaftswissenschaften Abteilung für Marketing und Internationales Management Universität Klagenfurt Universitätsstr. 65-67 A-9020 Klagenfurt Mag., Rier, Martin, Dr. Renzl, Birgit und Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr., Hinterhuber, Hans H. Institut für Unternehmensführung, Tourismus und Dienstleistungswirtschaft Universität Innsbruck Universitätsstr. 15 A-6020 Innsbruck Methoden und Konzepte im strategischen Management – Bedeutung, Zufriedenheit, Forschungsbedarf 1. Einleitung „Der stetige Wandel ist die einzige Konstante unserer Zeit“. Diese Aussage trifft mehr denn je den Kern des strategischen Managements. Shareholder Value, Kernkompetenzen, Wissensmanagement, Balanced Scorecard und TQM sind nur einige der Schlagworte, mit denen sich das strategische Management in den letzten Jahren beschäftigt hat. Allein die Anzahl neuer Konzepte, die jährlich in Büchern publiziert werden, übersteigt die Experimentierfähigkeit der Unternehmen. In den USA geben Manager im Jahr etwa eine Milliarde Dollar für Fachbücher aus1. Nur ein kleiner Teil dieser Bücher wird von Wissenschaftlern geschrieben. In den Jahren 2001 und 2002 stammten nur etwa zehn Prozent der „Top Business Books“ der Business Week von Professoren, ein Großteil der erfolgreichen Managementbücher stammt von Praktikern und Unternehmensberatern. Ähnliches kann für den deutschsprachigen Raum festgestellt werden. Im Campus Verlag wurden vor 20 Jahren noch über 60 Prozent der Bücher von Wissenschaftlern publiziert, im Jahre 1997 waren dies nur noch elf Prozent. In der gleichen Zeit stieg der Anteil der Praktiker von Null auf elf Prozent und der Anteil der Berater von 25 auf 55 Prozent2. Managementprofessoren reagieren auf diese Entwicklung immer wieder mit dem Vorwurf, dass Praktiker mehr Interesse an schnellen Lösungen, denn an 1 Micklethwait und Wooldrige (1996); Ford, Duncan, Bedeian, Ginter, Rousculp und Adams (2003), S. 31. 2 Ernst und Kieser (2000). systematischen, fundierten und langfristigen Konzepten zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit haben3. Tag für Tag werden anscheinend neue Weisheiten gefunden oder erfunden – und, schenkt man dem jeweiligen „Erfinder“ Glauben, ist jede für sich ein unabdingbarer Erfolgsgarant für das Unternehmen der Zukunft. Zahlreiche Autoren haben sich mit diesem Phänomen beschäftigt und teilweise sehr kritisch auseinandergesetzt. Man spricht von Management „Fads“, „Fashions“, „Buzzwords“, ja sogar von einer „Management Setting Community“4. Im deutschen Sprachraum wird in diesen Zusammenhang meistens der Begriff „Managementmode“ als Synonym gebraucht. Gibson/Tesone5 erklären die grundlegende Eigenschaft von Management Fads folgendermaßen: „A fad is generally thought of as a craze, a temporary cultural blip in society, like the Hula Hoop craze of the 1950s or the miniskirts of the 1970s. Management Fads are a more serious phenomenon, although they are often as temporary and compelling.” Es handelt sich bei Fads also um etwas relativ Kurzlebiges. In Verbindung mit Management sind es innovative „Eingriffe“ in eine Organisation, deren Ziel es ist, bestimmte Leistungsaspekte zu verbessern. Ob nun ein bestimmtes Management Tool nur einer Modeerscheinung gleichzusetzen ist, lässt sich ex ante nicht immer eindeutig festlegen – zumal es teilweise auch Überlappungen gibt. Allerdings weisen „Management Fads“ einige gemeinsame Merkmale auf6: 3 • Einfachheit: Fads sind einfach zu verstehen und zu kommunizieren. Meistens gibt es wenige Basisfaktoren, welche den Inhalt der Kernbotschaft ausmachen. Gerade diese Einfachheit setzt eine einfache, wenn nicht triviale Welt voraus – ein Kriterium, das in der Welt der Realität kaum erfüllt ist. • Präskriptiv: Management Fads geben oft sehr einfache Vorgaben an das Management, die befolgt werden müssen, um bestimmte Probleme lösen zu können. • Ermutigend: Management Fads versprechen in der Regel einen sehr großen Erfolg. Grosse Hoffnungen werden aber in der Regel enttäuscht. • One-Size-Fits-It-All: Fads beanspruchen universelle Geltung. Egal in welcher Branche, in welchem Unternehmen sie implementiert werden, sie versprechen generell Erfolg. Erfahrungen haben aber gezeigt, dass nur Ford, Duncan, Bedeian, Ginter, Rousculp und Adams (2003). Collins (2000); Miller und Hartwick (2002). 5 Gibson und Tesone (2001)., S. 122 6 Miller und Hartwick (2002). 4 einzelne Managementmethoden bzw. -instrumente universell einsetzbar sind. • Dem Zeitgeist angepasst: Es ist auffallend, dass Management Fads in wirtschaftlich schwachen Konjunkturphasen den fruchtbarsten Boden finden. Aber gerade weil diese Managementmoden gegenwärtige Probleme punktuell fokussieren, sind sie meist nicht in der Lage, wesentliche und strukturelle Schwächen eines Unternehmens auszumachen und zu bekämpfen. • Neuartig, aber nicht radikal: Managementmoden sind aufgrund ihres innovativen Charakters in der Lage kurzfristig großes Aufsehen zu erregen. Das Innovative an ihnen ist aber oft recht oberflächlich und reicht selten aus, um Werte innerhalb eines Unternehmens zu ändern oder zu erreichen. • Von Management Gurus legitimiert: Viele der Management Fads bauen auf das Image und die Reputation ihres „Erfinders“ oder derer, die es mit Überzeugung verfolgen. Diese Tatsache entzieht sie häufig einer objektiven Evaluierung. Dem Praktiker fällt es schwer, den Überblick zu bewahren. Vor allem aber ist es schwierig zu entscheiden, wo die Prioritäten in der Zukunft liegen, denn viele der Managementkonzepte sind Eintagsfliegen. Es ist aber die Aufgabe des Managements, jene Managementmethoden bzw. -instrumente zu implementieren, die wirklich einen Nutzen für das Unternehmen stiften, und somit der Bezeichnung „Tools“ im Sinne eines Werkzeuges gerecht werden. Ziel dieser empirischen Studie war es daher zu untersuchen, welche zukünftige Bedeutung einzelne Managementmethoden und –konzepte in der Praxis haben werden, wie zufrieden Unternehmen damit sind und wo es weiteren Entwicklungsbzw. Forschungsbedarf gibt. Befragt wurden 114 Unternehmensberater aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. 2. Ergebnisse einer empirischen Studie Ziel der Befragung war es, anhand eines Fragebogens 20 ausgewählte Managementmethoden und –konzepte aus der Perspektive der deutschsprachigen Unternehmensberatung zu beleuchten. Dabei standen deren Bedeutung in der Zukunft, sowie der methodische Reifegrad der jeweiligen Methoden und Konzepte im Mittelpunkt des Interesses. Unternehmensberater sind wesentlich an der Implementierung beteiligt. Zudem gehört zu ihrem Geschäft, Erwartungen der Kunden an künftige Beratungsleistungen zu antizipieren und die entsprechenden Methoden und Instrumente zu beherrschen bzw. zu entwickeln. 2.1 Methodik Die Befragung wurde im Internet durchgeführt: Die Unternehmensberater wurden zunächst per E-Mail kontaktiert, wodurch Sie über einen Link auf die Webseite des Fragebogens gelangten und den Fragebogen ausfüllten. Der Fragebogen war für einen Zeitraum von 10 Tagen abrufbar. Die Zielgruppe der Befragung waren Unternehmensberater aus Deutschland, Österreich und Schweiz. Um die Unternehmensberater der jeweiligen Länder zu repräsentieren, wurden die Mitglieder der jeweiligen Verbände der Berufsgruppen ausgewählt. Der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU e.V. ist der Wirtschaftsund Berufsverband der Managementberater und Personalberater in Deutschland. Er ist der größte Unternehmensberater-Verband in Europa und Mitglied im europäischen Beraterdachverband Fédération Européenne des Associations de Conseil en Organisation (FEACO) mit Sitz in Brüssel und im International Council of Management Consulting Institutes (ICMCI), der weltweiten Vereinigung zur Qualitätssicherung in der Unternehmensberatung mit Sitz in den USA. Im Verband sind rund 16.000 Berater organisiert, die sich auf 550 Mitgliedsfirmen verteilen. Die Mitgliedsunternehmen im BDU erzielten 2002 einen Gesamtumsatz von 3,2 Milliarden Euro und konnten somit ihren Marktanteil bei rund 26 Prozent stabilisieren. Das Schweizer Pendant zum BDU ist die Association of Management Consultants Switzerland (ASCO). Die ASCO ist Standesvertreterin der Schweizer Unternehmensberater und Wissensplattform und Informationsdrehscheibe rund um alle Fragen der Managementberatung in der Schweiz. Weiters übernimmt sie die Schweizer Instanz für die individuelle Zertifizierung von Unternehmensberatern "CMC". Die ASCO fördert die Professionalität ihrer Mitglieder und unterstützt die Entwicklung neuer Beratungsinstrumente und –Methoden. Durch die Initiierung von Analysen ist wie der BDU auch die ASCO wesentlich daran interessiert die Transparenz im schweizerischen Beratungsmarkt zu erhöhen. In Österreich gibt es keine Organisation, welche die Interessen der Unternehmensberater auf eine ähnliche Art und Weise vertritt, wie dies in Deutschland und der Schweiz durch BDU bzw. ASCO der Fall ist. Die Unternehmensberater sind in den jeweiligen Fachverbänden der Wirtschaftskammer organisiert. 2.2 Auswahl der Managementmethoden und -konzepte Die Auswahl der Managementmethoden und –konzepte orientierte sich an den Arbeiten von Rigby7. Zu deren Zusammensetzung fügt derselbe hinzu: “Tools are selected for inclusion in or inclusion from the survey based on their relevance to 7 Rigby (2001); Rigby (2003b). senior managers and the degree to which they can be measured. We assess relevancy through a number of methods: the usage and usage trajectory of tools for which we have data; literature research to track the number of mentions of specific tools each year; the input of senior business executives and professors of leading business schools; and the discretion of the author.”8 Aus Platzgründen wurden 20 Managementmethoden und -konzepte ausgewählt. Die Berater beantworteten dabei folgende Fragen: 1. Wie wichtig schätzen Sie folgenden Managementmethoden und –konzepte für die Praxis in den nächsten fünf Jahren ein? (1=sehr wichtig, 5= unwichtig) 2. Wie hoch schätzen Sie die Zufriedenheit der Unternehmen mit folgenden Managementmethoden und –konzepten ein? (1=sehr zufrieden, 5=sehr unzufrieden) 3. Bei welchen der folgenden Managementmethoden und –konzepte sehen sie Bedarf an methodischer Weitentwicklung? (100 %-Skala) 2.3 Ergebnisse Es wurden insgesamt 114 Fragebogen ausgewertet, was einer Rücklaufquote von 13 % entspricht. Die Marktreichweite der antwortenden Unternehmen lässt sich wie folgt darstellen und zeigt ein relativ ausgewogenes Bild. Alle drei Nationen werden als Markt der befragten Unternehmensberater bezeichnet. N=114 A 37% D 38% CH 25% Abb. 1: Bearbeitete Märkte der befragten Unternehmen 8 Rigby (2001)., S. 140 Die Tätigkeitsbereiche der befragten Unternehmensberater wurden ebenfalls erhoben und in Finanz, Organisation, Strategie, Marketing, IT und Personal aufgegliedert. Mit Ausnahme von Personal waren alle Bereiche in relativ gleichmäßiger Verteilung vertreten. Finance Organisation Strategie Marketing IT Personal 0 20 40 60 80 Prozent Abb. 2: Die Tätigkeitsbereiche der befragten Unternehmensberater Abbildung 3 zeigt die zukünftige Bedeutung der unterschiedlichen Managementmethoden und -konzepte, wobei ein Zeitraum von 5 Jahren ins Auge gefasst wurde. Die Beurteilung fand auf einer Skala von 1 bis 5 statt (1=sehr wichtig; 5=unwichtig). Die Strategische Planung wurde eindeutig an die erste Stelle gesetzt. Weiters werden Prozessmanagement und CRM zu den 3 wichtigsten Methoden und Konzepten gezählt. An letzter Stelle stehen Shareholder Value Management, Downsizing und TQM. Sie werden laut Einschätzung der Unternehmensberater in Zukunft keine wichtige Rolle mehr spielen. Fragt man nach der Zufriedenheit finden wir die Strategische Planung, gemeinsam mit dem Prozessmanagement an erster Stelle, gefolgt von den Kernkompetenzen (siehe Abbildung 4). Auffallend ist, dass das Shareholder Value Management wiederum das Schlusslicht bildet. An vorletzter Stelle stehen „Pay for Performance“ Konzepte, die sicherlich, wie das Shareholder Management, auch Bestandteil eines wertorientierten Management sind und somit ähnlich bewertet werden. Auch Downsizing, Wissensmanagement, Lean Management und Total Quality Management scheinen die Erwartungen der Kunden kaum zu erfüllen. Zukünftige Wichtigkeit (5 = unwichtig; 1 = sehr wichtig) 1,91 Strategische Planung 2,29 Prozessmanagement 2,36 Customer Relationship Management (CRM) 2,42 Kernkompetenzen 2,44 Change Management 2,5 W issensmanagement Strategische Allianzen 2,52 Outsourcing 2,53 2,59 Markt- und Kundensegmentierung 2,64 W achstumsstrategien 2,75 Supply Chain Management 2,84 Benchmarking 2,85 Balanced Scorecard 2,96 Vision & Leitbild 3,17 Pay for Performance 3,17 Reengineering 3,36 Lean Management 3,54 Downsizing Shareholder Value Management 3,61 Total Quality Management 3,62 5 4,5 4 3,5 3 2,5 2 1,5 Abb. 3: Zukünftige Wichtigkeit von Managementmethoden und -konzepten Zufriedenheit der Unternehmen (1= sehr zufrieden, 5= sehr unzufrieden) 1,77 Strategische Planung Prozessmanagement 1,77 Kernkompetenzen 1,92 Change Management 1,97 Vision & Leitbild 1,98 Markt- und Kundensegmentierung 2,02 2,04 Outsourcing Reengineering 2,04 Balanced Scorecard 2,11 2,12 Wachstumsstrategien Strategische Allianzen 2,15 Customer Relationship Management (CRM) 2,16 Supply Chain Management 2,16 Benchmarking 2,22 2,38 Total Quality Management Lean Management 2,4 Wissensmanagement 2,41 2,46 Downsizing Pay for Performance 2,51 Shareholder Value Management 2,89 3,5 3,3 3,1 2,9 2,7 2,5 2,3 2,1 1,9 1,7 1,5 Abb. 4: Zufriedenheit der Unternehmen mit Managementmethoden und –konzepten Durch eine gemeinsame Darstellung der Dimensionen Zufriedenheit und Wichtigkeit in einer zweidimensionalen Matrix können vier Gruppen von Managementmethoden und –konzepten gebildet werden. Abbildung 5 lässt die jeweiligen Gruppen, die im Folgenden kurz beschreiben werden, erkennen. High-Performer: Die Spitzengruppe in beiden Dimensionen wird durch Strategische Planung, Prozessmanagement, Kernkompetenzen und Change Management gebildet. Diese Methoden und Konzepte werden wohl das Hauptaugenmerk der Unternehmensstrategen in den nächsten fünf Jahren sein. Im Gegensatz zu Management Fads, welche nur an der Oberfläche von Unternehmen kratzen, greifen sie tief in Strukturen eines Unternehmens ein und steuern diese langfristig. High-Potential: An dieser Position befindet sich das Wissensmanagement. Die Wichtigkeit gilt als unbestritten, doch die Zufriedenheit der Unternehmen mit der Implementierung ist äußerst niedrig. Ob es den Sprung von einem High-Potential zu einem HighPerformer in den nächsten Jahren schafft, bleibt eine spannende Frage und hängt auch davon ab, inwieweit es in methodischer Perspektive reifen kann. Hier findet sich auch das Customer Relationship Management (CRM), das ein ähnliches Schicksal erleidet: Die Wichtigkeit wird als relativ hoch eingestuft, die Zufriedenheit als relativ niedrig. Standard: Bestimmte Konzepte und Methoden haben eine durchschnittlich bis hohe Zufriedenheitsrate, werden allerdings als relativ unwichtig erachtet. Sie zählen zum Standard des gegenwärtigen Repertoires der Unternehmensstrategie: der Einsatz dieser Management Tools kann sehr nützlich sein, aber sie stellen kein Leistungskriterium dar, durch welches sich Unternehmen entscheidend von der Konkurrenz absetzen können. Hierzu gehören Vision & Leitbild, Reengineering und die Balanced Scorecard. Management Fads Overdue: TQM, Lean Management und Downsizing sind in der Mitte der Neunziger Jahre vermehrt zum Einsatz gekommen. Ihr Zenit ist allerdings bereits überschritten, wodurch sie zum Teil zu vergangenen Modeerscheinungen des Managements herabgestuft werden. Shareholder Value und „Pay for Performance“ fallen offensichtlich auch in diese Gruppe. 1,7 Strategische Planung Prozessmanagement 1,9 Kernkompetenzen Change Mgmt. Segmentierung Outsourcing Wachstumstrat. BSC Strat. Allianzen CRM Supply Chain M gmt. Benchmarking Vision & Leitbild Reengineering Zufriedenheit 2,1 2,3 TQM Lean M anagement Downsizing Pay for Performance 2,5 Wissensmanagement 2,7 Shareholder Value 2,9 3,7 3,5 3,3 3,1 2,9 2,7 2,5 2,3 2,1 1,9 1,7 Wichtigkeit Abb. 5: Zufriedenheit-Wichtigkeits-Matrix 70 Wissensmanagement 65 Forschungsbedarf 60 CRM Strategische Allianzen Prozessmanagement Change Management Wachstumsstrategien Supply Chain Mgmt 55 BSC 50 Outsoursing Kernkompetenzen Strategische Planung Segmentierung Pay for Performance Benchmarking 45 Reengineering Vision & Leitbild 40 Shareholder Value Lean Management TQM Downsizing 35 3,7 3,2 2,7 Wichtigkeit Abb. 6: Wichtigkeit und Forschungsbedarf 2,2 1,7 Es kommt selten vor, dass Managementmethoden und -konzepte entwickelt werden und sogleich universal einsetzbar sind. Vielmehr werden diese kontinuierlich weiterentwickelt und fortlaufend optimiert. Ebenso müssen sie oft angepasst werden, um in bestimmten Situationen und Unternehmen implementiert werden zu können. Hier hat die Managementwissenschaft eine wichtige Aufgabe: ihr obliegt es, sich mit Methoden und Konzepten kritisch auseinanderzusetzen und sie in methodischer Perspektive weiterzuentwickeln. Diese Weiterentwicklung kann sich auf verschiedenste Weisen vollziehen. Die Unternehmensberater wurden befragt, welche Methoden in methodischer Perspektive weiterentwickelt werden müssen, um greifbar und implementierbar sein zu können. Das Ergebnis ist eindeutig (Abbildung 6): Wissensmanagement rangiert mit großem Abstand an der Spitze, es ist in Zukunft von zentraler Wichtigkeit, zugleich hat es den höchsten Bedarf an methodischer Weiterentwicklung. Ähnliches gilt – in weniger ausgeprägter Form – für Customer Relationship Management. 3. Fünf Thesen Die Kernergebnisse dieser Untersuchung lassen sich in fünf – zum Teil etwas provokant formulierten – Thesen darstellen, die im Folgenden näher begründet werden. These 1: Shareholder Value ist out! Das wohl auffälligste Ergebnis sind wohl die niedrige Bedeutung und die niedrige Zufriedenheit mit dem Shareholder Value Management. Daher wird diese These etwas ausführlicher diskutiert. Ausgehend von der US-amerikanischen Unternehmenspraxis entwickelte sich seit Anfang der 1980er Jahre eine Sichtweise, die den Unternehmenswert als primäre Zielgröße erachtet und seine Maximierung in den Vordergrund stellt. Während sich in den USA die Auffassung, den Unternehmenswert als das dominierende Unternehmensziel zu erachten, etabliert hat, wird in Europa die Shareholderorientierung häufig als kurzsichtig, ineffizient und unsozial kritisiert und dem Stakeholder Value nachgeordnet. Es wird häufig argumentiert, dass die primäre Ausrichtung am Shareholder Value typisch für US-amerikanische Unternehmen ist und dass europäische und japanische Unternehmen mehrheitlich dem Stakeholder Ansatz zuzuordnen sind9. Um eine Wertsteigerung zu erzielen, müssen aber die Unternehmen den Ansprüchen aller relevanten Stakeholder-Gruppen gerecht werden. Die einseitige Ausrichtung auf die Gruppe der Shareholder führt auf lange Sicht zu einer Erosion der eigenen Wettbewerbsvorteile und damit des Unternehmenswertes. 9 Yoshimori (1995); Witt (2000); Hinterhuber, Matzler, Pechlaner und Renzl (2002); Matzler, Pechlaner und Renzl (2003). Im Stakeholder Modell wird das Unternehmen als sozioökonomisches System betrachtet, das aus einer Reihe von Interessensgruppen besteht: Kunden, Mitarbeiter, Anteilseigner, Kapitalgeber, Partner in strategischen Netzwerken, Lieferanten und die Gesellschaft. Alle Stakeholder haben ein berechtigtes Interesse am Unternehmen. Das Ziel des Unternehmens ist, diese Interessen zu berücksichtigen und die Ansprüche zufrieden zu stellen. Die langfristige Überlebensfähigkeit kann nur dadurch erreicht werden10. Die Aufgabe der Führungskräfte ist, den Beitrag jeder einzelnen StakeholderGruppe zu integrieren und die einzigartigen Ressourcen zu kombinieren. Dazu zählen: das Risikokapital der Investoren ebenso wie die Fähigkeiten und der Einsatz der Mitarbeiter, die beständige Gunst der Kunden, die Fähigkeiten der Geschäftspartner und die von staatlicher Seite bereit gestellte Infrastruktur. Es steht außer Frage, dass der Kapitalbedarf von großer Bedeutung ist. Der Beitrag der anderen Stakeholder-Gruppen ist jedoch von nicht minderer Bedeutung. Unternehmen als sozioökonomische Systeme brauchen die einzelnen StakholderGruppen wie ein Körper auf die verschiedenen Organe und deren Funktion angewiesen ist11. Die Schaffung von Shareholder Value für die Aktionäre ist eine notwendige Bedingung für das langfristige Überleben des Unternehmens, so wie es Kundenzufriedenheit, Mitarbeiterengagement, usw. sind. Das Gesamtziel ist die Sicherung der langfristigen Überlebensfähigkeit sowie langfristiges Wachstum und Entwicklung12. Im Shareholder Value Modell werden die Interessen der Investoren in den Mittelpunkt gerückt. Die Maximierung des Unternehmenswerts steht im Vordergrund und der Beitrag einzelner Unternehmensbereiche, Strategien und Konzepte zur Wertsteigerung der Unternehmung werden zum alleinigen Maßstab. Unternehmen werden als Mittel zur Maximierung des Einkommens der Aktionäre gesehen, Stakeholderinteressen werden nur insofern berücksichtigt, als sie zur Maximierung des Shareholder Value notwendig sind. Stakeholder Management ist Mittel zum Zweck. Die Unternehmensführung zielt darauf ab, im Sinne der Interessen der Kapitalgeber zu handeln. Tabelle 1 stellt das Stakeholder Modell dem Shareholder Value Modell gegenüber. 10 Halal (1996); Hinterhuber und Krauthammer (1998). Halal (1996)., S. 27 12 Hinterhuber, Matzler, Pechlaner und Renzl (2002). 11 Shareholder Value Stakeholder Value Profitabilität vor Verantwortung Verantwortung vor Profitabilität Zweck zur Gewinnmaximierung Sozioökonomisches System Im Vordergrund steht Maximierung der Interessen der Kapitalgeber Werte für alle Stakeholder schaffen Langfristiges Ziel Maximierung des Shareholder Value Sicherung der langfristigen Überlebensfähigkeit, Entwicklung und Wachstum Zweck Ziel und Zweck Verfolgung der Eigeninteressen Verfolgung gemeinsamer Interessen Schwerpunkt Unternehmen ist Stakeholdermanagement Der Gesellschaft wird gedient durch Tab. 1: Shareholder Value und Stakeholder Value13 Die Unterschiede in der Ausrichtung Shareholder Value in den USA und Großbritannien versus Stakeholder Value in Deutschland und Japan kommen in einer empirischen Studie von Yoshimori klar zum Ausdruck, bei der Führungskräfte in den einzelnen Ländern befragt wurden14. Die Frage, welche der beiden Alternativen ein CEO wählen würde, eher die Dividenden senken oder die Mitarbeiter entlassen, entschieden knapp 90 % der Führungskräfte in den USA und in GB für die Entlassung der Mitarbeiter und in Deutschland etwa 60 % für eine Reduktion der Dividenden, in Japan sogar 97 %. Darüber hinaus behaupten 82 % der Führungskräfte in Deutschland, allen Stakeholdern Priorität zu geben und in Japan sogar 97 %. In den USA geben 75 % der Führungskräfte an, den Shareholdern Priorität einzuräumen. Die kurz- und langfristige Wertsteigerung der Unternehmung steht in einem direkten Verhältnis zur Art und Weise, wie die Unternehmen mit ihren Stakeholdern umgehen. Wenn alle Stakeholder als Kunden verstanden werden und wenn die Zufriedenstellung aller Stakeholder als Richtschnur im strategischen Denken und Handeln gilt, dann bedeutet dies letztlich, dass erfolgreiche Unternehmen jene sind, die für ihre Stakeholder da sind15. Die Ausrichtung des Unternehmens auf die Interessen einer Stakeholder-Gruppe stellt nicht nur für das einzelne Unternehmen 13 in Anlehnung an De Wit und Meyer (1998)., S. 811 Yoshimori (1995). 15 Friedrich von den Eichen, Stahl und Hinterhuber (2000). 14 sondern für das gesamte System eine Gefährdung dar16. Ein Kapitalismus, der ethische und soziale Werte nicht berücksichtigt, stellt kein solides Fundament für die Gesellschaft dar. So formuliert es auch Henry Mintzberg in einem Interview in der Academy of Management Executive17: „We are certainly seeing some of the trend toward shareholder value in Europe. I don‘t know whether they‘ll wake up and realize what nonsense shareholder value really is, or whether they will keep pursuing it until people are out in the streets protesting. It is a philosophy of greed, not a philosophy of large institutions serving society as well as their own particular needs. It‘s antisocietal, and the only advantage to it sweeping through Europe and Japan is that it will decrease the damage of our own nonsense in North America. So if others are stupid enough to do it, that will only help North American business.“ Den Ansprüchen nur einer Stakeholder-Gruppe gerecht zu werden, ist unverantwortlich und es wird darüber hinaus kaum möglich sein, das Ziel, Werte für die Anteilseigner zu schaffen, auch wirklich zu erreichen. These 2: Renaissance der strategischen Planung! In den letzten Jahren standen Downsizing, Lean Management und Restrukturierung im Vordergrund. Die Gründe dafür waren die wirtschaftliche Krise und die Auswirkungen der Globalisierung. Der Wettbewerbsdruck zwang viele Unternehmen dazu, sich neu zu strukturieren und auf der Kostenseite wettbewerbfähig zu werden. Die Unternehmen konzentrierten sich daher sehr stark auf kurzfristige und operative Maßnahmen zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit. Downsizing und Lean Management waren daher zentrale Themen. Die Geschichte kennt aber kein einziges Unternehmen, das durch Gesundschrumpfen groß geworden ist, daher werden sich viele Unternehmen in den nächsten Jahren wieder mit der langfristigen Ausrichtung des Unternehmens beschäftigen. Es geht wieder vermehrt um strategische Planung und langfristige Konzepte. Dieses Ergebnis deckt sich auch mit der jährlichen, internationalen Befragung von Bain and Company, bei der der Autor zum Schluss kommt: „Surprisingly, given the pressure to control expenses, executive’s choice of tools shows a clear bias toward growth over cost cutting. The message: moving ahead, not retrenching, is critical to control your destiny …Overwhelmingly, senior executives favored tools that help sharpen strategies and prepare managers for an increasingly hard road to growth. Proven disciplines like strategic planning and core competencies drew raves once again for helping companies stay on course.”18 16 Mintzberg, Simons und Basul (2002). Mintzberg (2000)., S. 38 18 Rigby (2003b)., S. 4 17 Diese Ergebnisse deuten auch auf einen sich abzeichnenden wirtschaftlichen Aufschwung hin, der Unternehmen dazu veranlasst, wieder längerfristig, strategisch zu denken. These 3: Downsizing, Lean Management und TQM waren die Themen des letzten Jahrzehnts! Downsizing wird vielfach als eine besonders wirkungsvolle Methode betrachtet, um den Shareholder Value zu steigern19. Dabei kommt dem effektvollen Ankündigen beinahe ebenso viel Bedeutung zu wie dem Durchführen des Stellenabbaus selbst. Ausgehend von den USA, wo seit 1979 mehr als 10 Millionen Stellen im Rahmen von Downsizingwellen abgebaut wurden20, setzte sich Downsizing in den letzten zwei Jahrzehnten auch in Europa als Methode zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und der Unternehmenswertsteigerung durch. Vor allem folgende vier Faktoren trugen dazu bei21: • Einführung von arbeitssparenden Technologien • Rationalisierungsprogramme im Gemeinkostenbereich • Deregulierung und Privatisierung • Steigender Druck durch die Aktionäre und die Verbreitung des Shareholder Value Managements. Unter dem Titel „schlankes Unternehmen“ oder „Lean Management“ trugen vor allem Unternehmensberater dazu bei, Massenentlassungen salonfähig zu machen. Zahlreiche empirische Untersuchungen zeigen aber, dass Downsizing langfristig selten Unternehmen effizienter macht. Cascio et al.22 beispielsweise untersuchten über 5.000 Downsizing-Fälle von mehr als 500 amerikanischen Unternehmen und stellten fest, dass es Unternehmen, die mehr als 5 Prozent der Stellen abgebaut hatten, nicht gelang, ihre Performance – gemessen am ROA (Return on Assets), zu verbessern. Es gab kaum einen Unterschied zu Unternehmen mit konstanter Beschäftigung. Allerdings reagierten die Aktienmärkte positiv, DownsizingMaßnahmen führten zu höheren Kursgewinnen. Insgesamt schließen die Autoren der Studie aus den Ergebnissen, dass der Erfolg von Downsizing nicht im Verhältnis zu den abgebauten Stellen steht. Andere Studien zeigen, dass Downsizing sich negativ auf die Motivation der verbleibenden Mitarbeiter, auf die Innovationsfähigkeit, das organisatorische Lernen und das Wissensmanagement auswirkt23. 19 Kieser (2002), S. 30. Budros (1999). 21 Kieser (2002), S. 31. 22 Cascio, Young und Morris (1997). 23 Dougherty und Bowman (1995); Kieser (2002). 20 Ebenfalls TQM (Total Quality Management) scheint den Zenit überschritten zu haben. Als Reaktion auf die harte japanische Konkurrenz begannen vor allem amerikanische Unternehmen in den achtziger Jahren sich mit dem Thema Prozessund Produktqualität auseinander zu setzen und führten Managementmethoden ein, die durch Kundenorientierung, Prozessorientierung, kontinuierliche Verbesserung, Mitarbeiterorientierung und Cross-functional Teams gekennzeichnet waren. Diese Bündel von Methoden und Werkzeugen wurden unter dem Namen TQM zusammengefasst und erfuhren enorme Verbreitung. Initiativen wie der Malcolm Baldrige National Quality Award in den USA, der European Quality Award und ISO 9000 trugen wesentlich zum Qualitätsbewusstsein der amerikanischen und europäischen Unternehmen bei und veranlassten viele, TQM-Programme einzuführen. Größtenteils mit sehr unterschiedlichen Erfolgen. Die Überlegung, Kundenzufriedenheit sei ein wesentlicher Treiber des Unternehmenserfolges steht im Zentrum des Total Quality Management (TQM), das auf einem mehrdimensionalen Qualitätsbegriff als kombiniertem Nutzungs-, Geltungs- und Herstellungswert aufbaut. Jene Merkmale, die zu einer hohen Zufriedenheit und Loyalität des Kunden führen, sind Ausgangspunkt für die Gestaltung des Leistungsangebotes der Unternehmung. Die Wirkungskette lautet: Qualität → Zufriedenheit → Unternehmenserfolg. Diese Zusammenhänge wurden in einer Vielzahl von Studien untersucht. Capon/Farley/Hoenig zitieren in ihrer Metaanalyse 20 Studien, die eine positive Beziehung zwischen Qualität und Erfolg (zumeist in Form der Gesamtkapitalrentabilität) behaupten24. Buzzell/Gale kommen auf der Basis einer Analyse von PIMS-Daten zu dem Ergebnis, dass eine, im Vergleich zu den unmittelbaren Konkurrenten höhere PLQ auch zu einem höheren Return on Investment (ROI) führt25. Allerdings wird immer mehr angezweifelt, dass TQMBemühungen der Unternehmungen auch tatsächlich zu den gewünschten Erfolgen führen. Eine von Ernst & Young und der American Quality Foundation in den USA durchgeführte Untersuchung legt den Schluss nahe, dass TQM-Maßnahmen den Unternehmenserfolg keineswegs positiv beeinflussen26. Die Beratungsunternehmen A.T. Kearney und Arthur D. Little präsentieren unabhängig voneinander ähnlich ernüchternde Ergebnisse: 80% der über 100 untersuchten britischen Unternehmungen sprechen von "(n)o significant impact as a result of TQM" und fast zwei Drittel von 500 US-Unternehmungen fanden "(z)ero competitive gains"27. Andere Arbeiten fanden jedoch positive Auswirkungen von Total Quality Management auf den Unternehmenserfolg. Hendricks/Singhal28 zeigten 24 Capon, Farley und Hoenig (1990). Buzzell und Gale (1987). 26 American Quality Foundation (1992). 27 Anderson, Fornell und Lehmann (1994)., S. 53 28 Hendricks und Singhal (1997); Hendricks und Singhal (2001). 25 beispielsweise, dass Unternehmen, die mit Qualitätspreisen ausgezeichnet wurden, langfristig eine bessere Aktienperformance aufweisen. Diese unterschiedlichen Ergebnisse sprechen zwar gegen eine einfache kausale Wirkung von Qualität → Kundenzufriedenheit → Unternehmenserfolg, sie müssen jedoch im Hinblick auf die Komplexität des TQM-Konzeptes relativiert werden. Erstens ist zu fragen, ob das Ziel der Kundenzufriedenheit in dem überaus anspruchsvollen TQM-Konzept, das alle Geschäftsprozesse, den gesamten Produktzyklus und alle Mitarbeiter einschließlich einer "vorbildhaft" agierenden Geschäftsführung einbezieht, nicht zwangsläufig verloren geht. Und damit zweitens, ob die ungünstigen Untersuchungsergebnisse nicht eher der unzureichenden, weil die gesamte Organisation überfordernden Umsetzung zuzuschreiben sind (siehe auch Beer). Qualität ist zwar ein wesentlicher Erfolgsfaktor, der ganzheitliche Ansatz des TQM allerdings scheint viele Unternehmen überfordert und enttäuscht zu haben. These 4: Wissensmanagement überlebt die nächsten 5 Jahre nicht, wenn es nicht „greifbar“ gemacht wird! Wissensmanagement hat sich Mitte der 1990er Jahre im Zuge der Entwicklungen zu einer Wissensgesellschaft herausgebildet. Der Schwerpunkt liegt darin, Wissensressourcen fruchtbar zu machen, sie zu veredeln und am Markt zu kapitalisieren29. Mit dem Fokus auf Wissen als strategisch wertvollste Ressource hat sich der wissensorientierte Ansatz im Management etabliert30. Die Knowledge-based View wird als Weiterentwicklung des ressourcenorientierten Ansatzes erachtet. In einer dynamischeren Sichtweise bilden die Prozesse der Generierung, Nutzung und Weiterentwicklung von Wissen die Grundlage für die Wettbewerbsfähigkeit. Unternehmen wurden mit der Knowledge-based View für erkenntnistheoretische Fragestellungen sensibilisiert, wie etwa, was ist Wissen, wie wird neues Wissen entwickelt und wie kann Wissen im Unternehmen transferiert werden? Problematisch ist, dass das Phänomen Wissen allgegenwärtig ist und somit die Gefahr besteht, alles als wissensrelevant zu betrachten. Damit es nicht bei „Wissen ist wichtig“ als die einzige Erkenntnis bleibt, die das Management aus der Wissensmanagementdebatte ziehen kann, sind konkrete Managementinstrumente notwendig. Der Instrumentenkoffer wurde anfangs mit Werkzeugen aus der Informationstechnologie gefüllt, die sich im Umgang mit Information bewährt, sich für Wissen aber als unzureichend erwiesen haben. Bei der Entwicklung und Anwendung der Wissensmanagementinstrumente müssen die Eigenschaften der einzigartigen Ressource Wissen berücksichtigt werden. Im Unterschied zur Information setzt Wissen Werte und Einstellungen voraus und ist eng mit der 29 30 Drucker (1998), S. 11. Grant (1997). Handlung, dem Tun bzw. der konkreten Anwendung verknüpft31. Wissen kann daher als begründete Erkenntnis bezeichnet werden. Für die Entwicklung von Managementwerkzeugen ist diese Definition von Wissen jedoch zu vage. Um den Wissensbegriff zu konkretisieren, werden in den folgenden fünf Punkten die Eckpfeiler von Wissen in Organisationen dargestellt32: 1. Wissen ist als ein Prozess zu verstehen, bei dem die beiden komplementären Dimensionen des expliziten und impliziten Wissens integriert werden. 2. Wissen entsteht in der Anwendung und ist eng mit ihr verknüpft. 3. Wissen wird von den Beteiligten in der Situation konstruiert. 4. Die Interaktion zwischen den beteiligten Personen und deren Kognitionen ist zentral für die Entwicklung und den Austausch von Wissen. 5. Sprache transportiert nicht nur Wissen, sondern setzt auch gleichzeitig Impulse für die Entwicklung neuen Wissens und Denkens. Der erste Punkt weist auf den Aspekt unterschiedlicher Wissensdimensionen hin. Neben der im Vordergrund stehenden expliziten Dimension existiert immer auch ein individueller, unaussprechlicher impliziter Wissensanteil33. Es reicht daher nicht aus, wenn die Wissensmanagementwerkzeuge den expliziten Wissensanteil allein erfassen. Wissen als Verstehen und Erkennen operiert auf unterschiedlichen Bewusstseinsebenen. Wissensmanagement muss sich daher auf Wissen als Prozess konzentrieren. Dieser Prozess umfasst dabei neben dem Verstehen und Erkennen auch das Handeln. Wissen ist stark mit der konkreten Aktion, der Problemstellung bzw. der Situation verknüpft und sollte daher nicht losgelöst davon betrachtet werden34. Wissen entsteht in der Situation durch die gemeinsame Konstruktion der Beteiligten. Das Unternehmen als soziales Gefüge bildet dabei den Rahmen, in dem die Personen untereinander Wissen austauschen und neues Wissen entwickeln. Die Personen nehmen in den Wissensprozessen eine aktive Rolle wahr. Denn Wissen wird nicht passiv aufgenommen, sondern von den denkenden Personen aktiv aufgebaut, d.h. konstruiert35. Den Personen soll daher die zentrale Aufmerksamkeit bei der Entwicklung der Managementwerkzeuge zukommen. Es ist zu ergründen, warum und wie sie ihre Handlungen setzen, Wissen austauschen und neues Wissen entwickeln. Die Sprache spielt dabei eine zentrale Rolle36. Wissen wird durch Sprache, d.h. Begriffe und deren Bedeutung transportiert. Der sprachliche Ausdruck 31 Tsoukas und Vladimirou (2001). Renzl (2003), S. 112ff. 33 Polanyi (1985). 34 Argyris (1997). 35 Watzlawick (1991); Foerster (1992); Glasersfeld (1997). 36 Krogh, Roos und Yip (1996), S. 220. 32 und die dahinter liegenden Bedeutung der Begriffe sind somit wesentliche Elemente des Wissensaustausches sowie der Entwicklung neuen Wissens. Die Darstellung von Wissen in Unternehmen anhand der oben genannten fünf Eckpfeiler streicht die subjektive, situationsabhängige Komponente hervor, die es im Wissensmanagement zu berücksichtigen gilt. Eine Voraussetzung, die für die Entwicklung von allgemein gültigen Managementwerkzeugen eine besondere Herausforderung darstellt. Von den hier untersuchten Managementmethoden und –konzepten nimmt Wissensmanagement eine Sonderstellung ein. Es ist von hoher Wichtigkeit für die Zukunft, die Zufriedenheit damit ist relativ niedrig und es ist jenes Konzept mit dem höchsten Entwicklungsbedarf. In der Vergangenheit sind offensichtlich viele Unternehmen bei der Einführung von Wissensmanagementkonzepten enttäuscht worden. Es ist aber aufgrund der oben dargestellten Besonderheiten fraglich, ob Wissen tatsächlich „gemanagt“ werden kann. These 5: Prozessmanagement und CRM gewinnen weiter an Bedeutung! Die hohe Bedeutung des Prozessmanagements und des Customer Relationship Management (CRM) erklärt sich dadurch, dass die Unternehmen die Prozesse verstärkt am Kunden und an seinen Bedürfnissen ausrichten. CRM ist zur Zeit eines der populärsten Managementinstrumente. Das klassische Marketing – auch als Transaktionsmarketing beschreibbar37 – weist einige Schwachstellen auf38: • Das Ziel liegt zu stark auf Neukundenakquisition! • Es wird keine Unterscheidung zwischen profitablen und nicht-profitablen Kunden gemacht! • Alle Kunden werden gleich behandelt! • Kundenabwanderung wird nicht untersucht und es wird nicht darauf reagiert! • Es findet kein systematisches Kundenbeziehungsmanagement statt! • Die Kommunikation ist auf Masse gerichtet und entsprechend ineffizient! Hier soll CRM ansetzen und mit entsprechenden Instrumenten und Technologien profitable Kunden identifizieren, akquirieren, zufrieden stellen und binden. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen aber, einen hohen Entwicklungsbedarf an Methoden und Konzepten, die Zufriedenheit wird von den Unternehmensberatern relativ niedrig eingeschätzt. Nach einer Studie der Gartner Group zeigt die Praxis aber, dass 37 38 Payne und Rapp (2003). Bruhn (2001). etwa 55 Prozent aller CRM-Projekte in Unternehmen keine Ergebnisse bringen39. Rigby/Reichheld/Schefter40 identifizieren dafür vier Ursachen: • CRM wird ohne Kundenstrategie eingeführt. Viele Unternehmen glauben, dass CRM-Technik Kundensegmentierung, Ziele und Strategien ersetzen kann. Ohne die klassischen Marketing-Aufgaben gemacht zu haben, wird aber kein CRM-Projekt erfolgreich sein können, da weder attraktive Kunden geortet, deren Bedürfnisse ermittelt noch geeignete Angebote entwickelt werden können. • Die Organisationsstruktur wird nicht angepasst. CRM erfordert es, dass Unternehmensprozesse und Kundenstrategien aufeinander angepasst werden. Erst dann, wenn Arbeitsplatzbeschreibungen, Leistungsbeurteilungen, Vergütungssysteme, Ausbildungsprogramme usw. auf die Anforderungen des Kunden ausgerichtet sind, wird ein CRMProjekt greifen. • Zu starke Fokussierung auf Technologie. Viele Unternehmen verlassen sich auf die Technologie und Software. Technologie und Software sind aber nicht gleichzusetzen mit CRM, sie sind lediglich die Hilfsmittel. • Kunden werden belästigt, nicht umworben. Telefonmarketingkampagnen, Direct Mailings usw. werden häufig mehr oder weniger automatisiert durchgeführt, ohne auf segmentspezifische Unterschiede, Bedürfnisse der Kunden einzugehen usw. Die Folge ist häufig Ärgernis statt Zufriedenheit. 4. Schlussfolgerungen Die Implementierung von Managementmethoden und –konzepten ist in den meisten Fällen mit hohem finanziellem Aufwand für Training und Weiterentwicklung, Beraterhonorare usw. verbunden. Dennoch gibt es kaum Unternehmen, die auf sie verzichten. Es stellt für Manager eine große Schwierigkeit dar, die „richtigen“ für ihr Unternehmen zu finden und zu implementieren. Dazu kommt noch, dass die Auswahl des „richtigen“ Tools noch keine Erfolgsgarantie darstellt. Eine „halbherzige“ Implementierung von brauchbaren Tools kann einem Unternehmen ebenso wenig bringen, wie das verstärkte Festhalten an Management Fads. Was unterscheidet aber bewährte und erfolgsversprechende Managementmethoden von Management Fads? Eine Frage, die weder einfach noch eindeutig beantwortet werden kann. Es lässt sich nicht immer eindeutig feststellen, ob es sich bei einem 39 40 Bruhn (2001). Rigby, Reichheld und Schefter (2002). bestimmten Management Tool um ein klassisches Instrument oder um eine Modeerscheinung handelt; auch weil es teilweise Überlappungen zwischen den beiden Konzeptionen gibt, die eine eindeutige Unterscheidung nicht zulassen. Dennoch kann festgehalten werden, dass klassische Tools üblicherweise nicht Konstrukte aus Wissenschaft oder Unternehmensberatung sind, die ohne Bezug auf wirtschaftliche, soziale oder wettbewerbliche Herausforderungen geschaffen worden sind41. Klassische Tools sind komplex, facettenreich und je nach Unternehmen und Branche unterschiedlich eingesetzbar und adaptiertbar, im Gegensatz dazu sind Management Fads sehr vereinfachend und entsprechen dem „One size fits it all“-Prinzip. Vier Grundregeln können Managern bei der Wahl eines geeigneten Management Tools behilflich sein42: 1. „Get the facts“ Jedes Management Tool hat Stärken und Schwächen. Daher muss jedes Tool vor seiner Implementierung auf diese überprüft und eventuelle Nebeneffekte miteinbezogen werden. Eine gründliche Analyse kann dabei ebenso nützlich sein wie ein Gespräch mit jemandem, der das Management Tool bereits implementiert hat. Erwartungen einer einfachen Lösung eines Problems durch ein Management Tool müssen a priori fallen gelassen werden. 2. „Champion enduring strategies, not fads“ Ständig “up to date” zu sein bedeutet im Rahmen von Management Tools, jährlich neue Tools implementieren zu müssen. Diese Vielfältigkeit führt dazu, dass die Glaubwürdigkeit des Managements sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens sinkt. Manager müssen bei der Wahl der verwendet Tools nicht darauf bedacht sein, immer auf dem neuesten Stand zu sein, sondern jene wenigen Tools mit Nachhaltigkeit zu implementieren, welche den vorherrschenden Bedürfnissen des Unternehmens entsprechen. 3. Choose the best tools for the job Manager müssen sich bei der Auswahl, Implementierung und Integration der Tools in das Unternehmen rational verhalten. Bevor sie sich für ein Tool entscheiden, sollten sie sich im Klaren sein, ob dieses Tool ihnen dabei helfen kann, Kundenbedürfnisse aufzudecken, Kernkompetenzen aufzubauen und Schwachstellen von Konkurrenten ausnützen zu können. 41 42 Miller und Hartwick (2002). Rigby (2003a). 4. Adapt Tools to your business and not vice versa Immer noch werden viele Management Tools implementiert, weil sie von so genannten Gurus proklamiert werden. Sie schreiben den Weg vor, den Unternehmen einschlagen müssen, um erfolgreich zu werden. Dabei wird oft der Fehler gemacht, dass sich Unternehmen auf ständig neue Management Tools (Fads) zu sehr versteifen und die Unternehmenskultur und –prinzipien, die eigentlich beständig sein sollten, an die jeweiligen Erfordernisse anpassen. Tools müssen dem Unternehmen angepasst werden und nicht umgekehrt! Literatur American Quality Foundation (1992): Best Practices Report, Cleveland 1992. Anderson, E.W./Fornell, C./Lehmann, D.R. (1994): Customer Satisfaction, Market Share and Profitability: Findings from Sweden, in: Journal of Marketing 2 (58) 1994, S. 112-122. Argyris, C. (1997): Wissen in Aktion - eine Fallstudie zur lernenden Organisation, Stuttgart 1997. Bruhn, M. (2001): Relationship Marketing, München 2001. Budros, A. (1999): A Conceptual Framework for Analyzing Why Organizations Downsize, in: Organization Science (10) 1999, S. 69-82. Buzzell, R.D./Gale, B.T. 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