SWR2 Musikstunde

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SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Musikstunde
Die Frau an seiner Seite (4)
Pauline Strauss: Sängerin, Ehefrau,
Hausherrin
Von Ulla Zierau
Sendung: Donnerstag , 31. Juli 2014
Redaktion: Ulla Zierau
9.05 – 10.00 Uhr
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
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SWR 2 Musikstunde mit Ulla Zierau, 31.Juli 2014
Die Frau an seiner Seite (4)
Pauline Strauss – Sängerin, Ehefrau, Energiebündel
Signet
Mit Ulla Zierau und einem weiterem Porträt einer berühmten
Komponistenfrau – heute Pauline de Ahna, verheiratete Strauss –
Sängerin, Ehefrau, Energiebündel
Titelmusik
Wer was von Strauss will, muss zuerst Pauline fragen – das wissen alle,
die mit Richard Strauss zu tun haben, Freunde wie Geschäftspartner.
Am besten er selbst. Manche behaupten, Strauss habe ein Leben lang
unter der Fuchtel seiner herrischen und launischen Frau gestanden.
Andere hingegen wissen, was er an ihr hatte. Pauline war sein
Inspirationsquell, sein Anker. Er selbst behauptet einmal, dass er ohne
sie nie etwas geschaffen hätte und ein gemeinsamer Enkel resümiert
sicher etwas realistischer: „Ohne die Großmama hätte der Großpapa
nicht 50 Prozent der Werke geschrieben, die er geschrieben hat.“
Nicht nur die Sinfonia domestica, sondern auch einige seiner Oper sind
aus dem Ehe- und Familienleben heraus entstanden und wer wissen
möchte, wie Pauline Strauss war, schaue sich die Frau des Färbers in
„die Frau ohne Schatten“ oder Christine in „Intermezzo“ an. Vor allem
aber hätte Strauss niemals so viele Lieder geschrieben, denn die
meisten schrieb er nur für sie.
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Musik 1
Richard Strauss:
Ständchen, Lied op.17 Nr.2
Kiri Te Kanawa / Georg Solti
M0315866 009, Decca 430511-2, 2’14
Ständchen von Richard Strauss. Kiri te Kanawa und Georg Solti.
„Meisterhaft geschult, nicht heroisch, humorvoll, mit anmuthiger Poesie,
Tiefe seelischen Ausdrucks“, so beschreibt ein Zeitgenosse die Stimme
von Pauline und weiter: „warm, weich, freundlich, innig, mit feinster
Durchdringung des dichterischen Gehaltes, einem sicheren und schönen
Darstellungstalent“ –
Und genau mit dieser Stimme verdreht die 24-jährige Pauline de Ahna,
Tochter eines musik- und kunstliebenden bayerischen Generalmayors,
dem um ein Jahr jüngeren Richard Strauss den Kopf. Während eines
Urlaubs am Starnberger See im August 1887 lernen sich die beiden
kennen. Sie singt, er hört ihr zu. Sie backt ihm einen Kuchen zum
Namenstag, er schenkt ihr etwas zu Weihnachten. Bald wird sie in
Weimar, wo er Kapellmeister ist, seine Gesangschülerin, doch bis zur
Verlobung soll es noch sieben Jahre dauern.
Vom Können seiner Schülerin ist Strauss schnell überzeugt und von
ihrer sprudelnden Energie auch: „Sie hat mich aufgepulvert. Ich muss
Leben und Temperament und mich haben“.
Aber einfach ist es mit dieser selbstbewussten jungen Frau nicht. Sie will
Karriere machen, berühmt werden, singt eine der Rheintöchter und eines
der Blumenmädchen in Bayreuth.
Richard reagiert über das emsige Treiben seiner Elevin ein wenig pikiert:
„Sehr Verehrtes Fräulein! Allem Anschein nach beabsichtigen Sie jetzt
so entschieden Ihren eigenen Weg zu gehen, dass Ihnen meine
immerhin beeinflussende Gegenwart dabei doch nur lästig fallen würde;
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ich bedaure daher sowohl heute wie für künftig Ihre freundliche
Einladung dankend ablehnen zu müssen und verbleibe mit bestem Gruß
Ihr R. Strauss.“
Musik 2
Richard Strauss:
Schlechtes Wetter, op. 69 Nr. 5,
Bearbeitung für Klavier solo
Nicholas Rimmer
M0333863 012, mhv-music, MVH7003, 2‘13
Schlechtes Wetter, Lied von Richard Strauss. Nicholas Rimmer spielte
die Klavierbearbeitung.
Schlechtes Wetter in der jungen Beziehung zwischen Richard und
Pauline. Ein Zerwürfnis noch weit vor der Verlobung. Sollte es das
gewesen.
Strauss kündigt die Zusammenarbeit und vor allem die Freundschaft zu
Pauline de Ahna. Die Väter müssen schlichten. General de Ahna
schreibt an Franz Strauss, der wiederum an seinen Sohn:
„Bringe die Sache wieder ins Gleise. Frl. de Ahna scheint eine etwas
exaltierte Dame zu sein und einer solchen kann ein gebildeter Mann
schon etwas nachsehen, ohne dass er sich etwas vergibt … auch kommt
die Sängerin deiner Intention am nächsten.“
Die freundlich mahnenden Worte des Vaters nimmt sich Strauss zu
Herzen. Zur Versöhnung bekommt Pauline die Hauptrolle in seiner
ersten Oper Guntram.
Weimar 1894 bei der Probe zur Uraufführung schwächelt der Tenor und
Strauss muss ihn mehrfach unterbrechen. Pauline de Ahna hingegen
beherrscht die Rolle der Freihild perfekt. Plötzlich hört sie auf zu singen
und fordert Strauss wutentbrannt auf, sie doch bitte auch zu korrigieren.
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Es gäbe keinen Grund, versichert Strauss, da wirft sie entrüstet die
Noten nach ihm und ruft: „Aber ich will unterbrochen werden“ – und
rauscht davon. Strauss folgt ihr geknickt in die Umkleide. Nach zehn
Minuten kehrt der Dirigent zum Orchester zurück, das sich inzwischen
über das respektlose Verhalten der jungen Sängerin empört hat und ihr
die Zusammenarbeit aufkündigen will.
Wie groß die Überraschung, als Strauss seine Verlobung mit Pauline de
Ahna bekannt gibt.
Musik 3
Richard Strauss:
Guntram, Vorspiel zum 1. Akt
Orchester der Deutschen Oper Berlin / Christian Thielemann
M0032040 006, Deutsche Grammophon 449571-2, 3‘46
Christian Thielemann und das Orchester der Deutschen Oper Berlin mit
dem Beginn des Vorspiels zu Guntram. Mit diesem Operndebüt feiern
Richard Strauss und Pauline de Ahna offiziell Verlobung.
Doch so eilig hat es Pauline gar nicht, Frau Strauss zu werden. Vor der
Ehe hat sie schon ein wenig Respekt. Auf Richards Heiratsantrag
antwortet sie: „Mein lieber Herr Strauss – man siezt sich noch immer –
Das kommt ja alles wie ein Sturzbad. Sie wissen selbst am besten, wie
viele Fehler ich habe und ich sage Ihnen aufrichtig, es ist mir, trotz allem
Glücksgefühl, was mich überkommt, … manchmal entsetzlich bang. …
ach Gott, und nun soll ich plötzlich ein wahres Muster von Hausfrau
werden… So schnell brauchen wir wirklich nicht zu heiraten; wenn sich
jedes zuerst allein gewöhnen könnte, in seinem Berufe alles Glück zu
finden … Bitte lassen Sie mich hier wenigstens noch … viele Partien
singen; das wird mir über manches hinweghelfen“.
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Vier Monate nach der Uraufführung, am 10. September 1894 wird im
oberbayrischen Marquardtstein, wo die Familie de Ahna ein
Sommerhaus hat, geheiratet.
So heftig und temperamentvoll die Verlobungszeit der beiden war, so
heftig und geladen bleibt die Ehe. Über ein halbes Jahrhundert
verbringen die beiden gemeinsam. Sie feiern Erfolge, erdulden
Misserfolge, erleben zwei Weltkriege und so manch familiären Sturm.
Welche Rolle spielt Pauline im Leben des Komponisten? Muse oder
Xantippe? Künstlerisch ist sie unangefochten die beste Interpretin seiner
Lieder.
Wir werden Pauline de Ahna in dieser SWR 2 Musikstunde porträtieren
und das geht vor allem über die Musik, die Richard Strauss durch sie
und für sie geschrieben hat. Zur Hochzeit schenkt er ihr vier Lieder
op.27.
Musik 4
Richard Strauss:
Morgen, Lied op. 27 Nr.4
Christine Schäfer / Berliner Philharmoniker / Claudio Abbado
M0049180 011, Deutsche Grammophon 457582-2, 2’55
Morgen, Lied op. 27 Nr.4, ein Hochzeitsgeschenk von Richard Strauss
an seine Frau Pauline. Christine Schäfer und die Berliner Philharmoniker
unter der Leitung von Claudio Abbado.
Familie oder Beruf? Diese Frage mag sich Pauline gestellt haben. Sie ist
eine ehrgeizige junge Frau, sie will als Sängerin auftreten, Erfolge feiern.
Als Pamina debütiert sie in Weimar, in der Uraufführung von
Humperdincks Märchenoper Hänsel und Gretel soll sie den Hänsel
singen, doch wegen eines verstauchen Knöchels kann sie erst in einer
späteren Vorstellung auftreten. Im selben Jahr gibt sie in Bayreuth die
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erste Elisabeth in Wagners Tannhäuser mit Strauss am Dirigentenpult.
Es kommen weitere Partien hinzu, Donna Elvira, Elsa, Venus, Isolde,
Agathe, Fidelio. In nur wenigen Jahren studiert Pauline mehr als 25
Partien ein.
Doch das Bühnenleben scheint nicht die wahre Berufung zu sein oder
lässt es sich nur nicht mit der Familie vereinbaren. Mit Mitte 30 gibt sie
den Beruf als Opernsängerin auf, einige Jahre später singt sie auch
keine Lieder mehr.
Der greise Strauss bemerkt im hohen Alter von 83 Jahren: „Schade,
dass sie sich zu früh dem schönen Beruf einer … ausgezeichneten
Hausfrau und Mutter zugewandt hat!“
Ob er als junger Mann auch so gedacht hat, ob er Pauline in einer
internationalen Karriere als Sängerin unterstützt hätte, eigene Ziele für
sie zurückgesteckt hätte. Wir wissen es nicht, ebenso wenig wie wir
wissen mit welchen Gefühlen Pauline Strauss ihren Beruf aufgegeben
hat. (1’35)
Musik 5
Richard Strauss:
Das Rosenband, Lied op. 36 Nr. 1
Chen Reiss, Charles Spencer
M0332631 010, ONYX 4104, 2‘45
Chen Reiss und Charles Spencer mit dem Lied „das Rosenband“ von
Richard Strauss.
Nach ihrem Abschied von Bühne und Konzertpodium widmet sich
Pauline Strauss ganz dem Eheleben und ihrem einzigen Sohn. Als
Ehefrau und Mutter findet sie ihre Erfüllung, ebenso als Hausherrin, als
Matrone und pikanterweise auch als Kritikerin ihres Mannes. Auf den
Skizzen zu Till Eulenspiegel notiert sie an der Stelle der Gerichtssitzung:
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„verrückt und scheußlich – schlechtes Geschmier – entsetzliches
Komponieren“ und Strauss schreibt humorig daneben: „Anmerkungen
der Frau Gemahlin“.
Langweilig wird es Pauline offensichtlich nicht.
Glaubt man den zeitgenössischen Beschreibungen ist sie keine
besonders attraktive Frau, eher ein bisschen burschikos, bajuwarischrustikal. So wirkt sie auch auf den meisten Fotos, eine kräftige Frau mit
herben Gesichtszügen, man möchte sich ungern mit ihr anlegen.
Biographen übertreffen sich mit Attributen: Bitterwurz, Haustyrann,
Xantippe, Wohnzimmer-Kommandantin. Das kommt nicht von ungefähr.
Sie führt im Hause Strauss ein strenges Regiment und geht nicht nur mit
ihrem Mann harsch ins Gericht, sondern auch mit Gästen, was nicht
immer für gute Stimmung sorgt.
Einige Freunde tun sich mit dem groben Gebaren schwer. Der
kongeniale Partner Hugo von Hofmannsthal, ein sensibler, sensitiver
Schöngeist zieht es vor, sich mit Strauss außerhalb der heimischen vier
Wände zu treffen, um dort die gemeinsamen Opern zu besprechen. Er
vermeidet Begegnungen mit Pauline Strauss. Ebenso sein Nachfolger,
der Librettist Joseph Gregor, der nach Hofmannsthals Tod die
Operntexte für Strauss schreibt, auch er geht Pauline lieber aus dem
Weg.
Edward Elgar ist bei einem Besuch in Garmisch empört, dass Frau
Strauss mit einem riesen Schlüsselbund durchs Haus renne und sogar
die Manuskripte ihres Mannes unter Verschluss hielte.
Gustav Mahler hält die Ehe kurzerhand für Masochismus, das will was
heißen, hat er doch mit Alma auch keinen Engel zu Hause.
Ida Dehmel, die Frau des Dichters Richard Dehmel notiert nach einer
gemeinsamen Stunde mit Pauline Strauss in ihrem Tagebuch: „Was sie
in kurzer Zeit Wildfremden gegenüber an Taktlosigkeiten, Indiskretionen
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und Unbildung zu Tage förderte, das ist der Tiefstand alles dessen, was
ich bei Frauen erlebt habe“.
Es kommt vor, dass sich Richard Strauss bei seinen Gästen
entschuldigt: „Mei Frau ist oft arg ruppig, aber wissen S‘, i brauch des.“
In seiner Sinfonia domestica hat Strauss seine Frau thematisch so
dargestellt:
Musik 6
Richard Strauss:
Sinfonia domestica, 2. Thema
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks / Lorin Maazel
M0019219 002, RCA 668221-2, 2‘56
Das zweite Thema aus der Sinfonia domestica, das Strauss ursprünglich
mit „Die Frau“ überschrieben hat. Lorin Maazel und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.
Pauline und Richard Strauss – eine glückliche Ehe, vieles spricht dafür,
so wird berichtet, Strauss blieb in all den Jahren seiner Frau treu. Nur
eine handfeste Krise gibt es, die fast zur Scheidung führt.
Strauss ist auf Tournee, seine Frau ist zu Hause geblieben, wie sie es oft
tut. Sie kümmert sich um Rechnungen und Post, öffnet seine Briefe und
da ist eines Tages ein Schreiben darunter, das Furore auslöst. Eine Frau
namens Mieze Mücke schreibt:
„Leider habe ich Sie gestern in der Union Bar vergebens erwartet. Ich
bitte Sie deshalb so freundlich zu sein und mir zu Montag und Mittwoch
dieser Woche ein paar Billetts zur Verfügung stellen zu wollen.“
Im Hause Strauss ist der Teufel los. Pauline beschuldigt Richard aus der
Ferne des Ehebruchs, will sofort die Scheidung einreichen. Strauss weiß
nicht, wie ihm geschieht. Er sitzt im Hotelzimmer und arbeitet an seinem
sinfonischen Familienidyll, der Sinfonia Domestica mit Papa-Thema,
Mama-Thema und Bubi-Thema, einem Spaziergang zu dreien im
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Grünen und scène d’amour“. Da hagelt ihm dieser Zornausbruch von
Pauline dazwischen. Er ist sprachlos, kann sich die Zeilen nicht erklären
und ist erleichtert als sich herausstellt, dass es sich um eine
Verwechslung handelt. Der Brief ist an den Dirigenten Joseph Stransky
gerichtet, dessen Spitzname Straussky ist und so ist er irrtümlich bei
Strauss gelandet.
Doch Pauline lässt sich nicht so schnell besänftigen. Sie gefällt sich in
der Rolle der eifersüchtigen Furie und lebt ihr theatralisches Talent aus.
Das ganze Szenario findet sich später in Richard Strauss‘ bürgerlicher
Komödie „Intermezzo“ wieder, eine Oper um den Hofkapellmeister
Robert Storch, kein anderer als Strauss selbst und seine zänkische Frau,
Christine, hinter ihr verbirgt sich Pauline. Das Libretto entwirft Strauss
selbst, es ist eine Alltagsstudie. Strauss nennt es im Vorwort „einen allzu
kühnen Griff ins volle Menschenleben“. Die Oper beginnt mit einem
handfesten Ehekrach.
Musik 7:
Richard Strauss:
Intermezzo, Eingangsszene mit dem Ehekrach
Simone Schneider, Sopran / Markus Eiche, Bariton
Münchner Rundfunkorchester / Ulf Schirmer
Cpo LC 8491, 777901-2, 5‘34
Eingangsszene mit dem Ehekrach aus Intermezzo mit Simone
Schneider, und Markus Eiche. Ulf Schirmer leitete das Münchner
Rundfunkorchester. Ein Eifersuchtsdrama aus dem Leben der Familie
Strauss, einzigartig.
Als Pauline bemerkt, dass sie eher uncharmant in der weiblichen
Hauptrolle verewigt ist, reagiert sie doch ein wenig entsetzt. Lotte
Lehmann, die die erste Christine singt, fragt nach der Uraufführung: „Ist
diese Oper nicht ein wunderbares Geschenk Ihres Mannes an Sie?“,
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darauf Pauline barsch: „Das ist mir völlig Wurscht!“. Strauss nimmt’s
gelassen und lächelt.
Pauline und Richard – die einzige wahre, große Liebe. Er kann nicht
leben ohne sie, nicht arbeiten ohne ihr impulsives Temperament.
Und sie braucht diese Vulkanausbrüche, um sich gegen ihn zu
behaupten. Er ist die Berühmtheit, sie die Auffallende und prompt steht
sie mit ihrem aufbrausendem Benehmen im Mittelpunkt und nicht er mit
seiner Kunst. Wenn sie schon ihre Karriere wegen ihm aufgegeben hat,
dann doch bitte auf andere Weise Aufsehen erregen. Strauss nimmt es
meistens mit Humor. Augenzwinkernd gibt er ihr den Rat: „Du bist liebste
Paule, in allen Dingen so klug und besonnen, dass du immer das Rechte
triffst und meiner Zustimmung im Voraus sicher sein kannst. Nur im
unmittelbaren Verkehr mit den Menschen, habe ich, glaube ich, mehr
Übung. Du bist zu sensibel und misstrauisch. Ich möchte dir hierzu gerne
von meiner Kälte und Wurschtigkeit abgeben, mit der man so bequem
überall durchkommt.“
Das zweite Porträt von Pauline in Stauss‘ Opern ist die Frau des Färbers
in „die Frau ohne Schatten“. Sie möchte der Kaiserin ihren Schatten
geben, eine Geschichte analog zu Hauffs Märchen „das kalte Herz“. Eine
eigenmächtige Handlung, damit will sie eine Identität erlangen, aus dem
Schatten ihres Mannes heraustreten. Ein bisschen Pauline steckt da
tatsächlich drin.
Musik 8:
Richard Strauss:
Die Frau ohne Schatten, Versöhnungsduett (3. Akt)
Franz Grundheber, Sabine Hass,
Staatskapelle Dresden, Giuseppe Sinopoli
Teldec 063013156-2, 3‘42
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Franz Grundheber und Sabine Hass im Versöhnungsduett von Barak
und seiner Frau aus dem 3. Akt der Frau ohne Schatten. Giuseppe
Sinopoli leitete die Staatskapelle Dresden.
Charakteristische Züge von Pauline und Richard finden sich in dem
Ehepaar Färber wieder. Das ist ein offenes Geheimnis. Der Librettist
Hugo von Hofmannsthal notiert an den Rand einer Szene, dass diese
nicht nur Elemente von Mozarts Zauberflöte enthalte, sondern auch von
einer „bizarren Frau wie Strauss‘ Frau“ und an Richard Strauss schreibt
er weniger direkt, die Frau des Färbers, sei halt eine bizarre Frau mit
einer sehr guten Seele im Grund, unbegreiflich, launisch, herrisch, und
dabei doch sympathisch“.
Bryan Gilliam, dessen Strauss-Biographie dieses Jahr auf Deutsch
erschienen ist, betont, Pauline sei oft unterschätzt worden, leider tut er
auch nicht allzu viel um ihre Bedeutung für den Komponisten Strauss ins
rechte Licht zu rücken. Pauline ist nicht nur Inspirationsquell für seine
Lieder, die Opernheldinnen und die großen sinfonischen Werke wie
Heldenleben oder Sinfonia domestica. Sie ist sein Anker.
Sie hält die gepaltene Seele zusammen, vereint die Wiedersprüche oder
sorgt zumindest dafür, dass er nicht an ihnen zerbirst.
Strauss betont immer wieder, wie wichtig ihm das Familien- und
Eheleben ist, auch wenn seine Titelheldinnen nicht nur Ehefrauen,
sondern oft auch hocherotische Geschöpfe sind.
“Was kann denn auch ernsthafter sein als das eheliche Leben“, so
Strauss.
Auch Pauline nimmt das eheliche Leben ernst, sorgt sich um ihren
Mann, will ihm das Rauchen abgewöhnen, regt ihn an, zweimal täglich
an die frische Luft zu gehen und nach dem Mittagessen zu ruhen.
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Vergeblich versucht sie die ausschweifenden Skatrunden mit seinen
Freunden einzuschränken.
Nach 36 Ehejahren notiert Richard Strauss: Ich weiß nicht, ob es dir
ebenso geht – meine innere Zugehörigkeit zu dir wird immer größer, ich
denke den ganzen Tag an dich und die Kinder (gemeint sind da auch
schon die Enkelkinder). Ich bin nur bei dir ganz glücklich. Mit Euch
zusammen!“ (2’10)
Musik 9:
Richard Strauss
Sinfonia domestica, Scherzo
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks / Lorin Maazel
M0019219 004, RCA 668221-2, 3‘45
Das Spiel der Eltern mit dem Kind, im Scherzo aus der Sinfonia
domestica.
Lorin Maazel leitete das Symphonieorchester des Bayerischen
Rundfunks
Als Richard Strauss am 8. September 1949 im Alter von 85 Jahren stirbt,
ist Pauline schockiert. Sie erholt sich nicht mehr von diesem bitteren
Verlust. Acht Monate nach Richard stirbt auch sie. Wenige nach Tage
ihrem Tod findet in London die Uraufführung der vier letzten Lieder statt,
Lieder, in denen Strauss sich mit Abschied und Tod auseinandersetzt.
Auch wenn Pauline diese Lieder nicht mehr öffentlich gesungen hat, sind
sie doch für sie geschrieben, eine Widmung an die Frau seines Lebens.
Wenn es heißt in Abendrot nach einem Text von Eichendorff.
Wir sind durch Not und Freude / gegangen Hand in Hand;
vom Wandern ruhen wir /nun überm stillen Land.
Und in der letzten Strophe:
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O weiter, stiller Friede! / So tief im Abendrot.
Wie sind wir wandermüde / Ist dies etwa der Tod? (1’10)
Musik 10
Richard Strauss:
Im Abendrot aus vier letzte Leider
Anja Harteros, Staatskapelle Dresden, Fabio Luisi
M0090238 024, Sony Classical, 88697141972, 7’37 (Gesang ab 1’20)
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