Motive und Struktur der Theologie Paul Tillichs

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Motive und Struktur der Theologie Paul Tillichs
N o r i y o s h i T a m a r u , 7-30-2 Den-en-Chotu, Ota-ku, Tokio
Einleitendes — Tillichs theologische Position — Wesen theologischen Erkennens — Verhältnis der Theologie zu den Wissenschaften und der Philosophie — Geschichtliche
Zusammenhänge und Bedeutung der Theologie Tillichs
I.
Nachdem Paul Tillich 1933 nach den Vereinigten Staaten emigriert
war, schien sein Einfluß in Deutschland rasch abzunehmen und für einige
Zeit sogar ganz verschwunden zu sein. Der Religiöse Sozialismus, dem er
in seiner Frühzeit angehört hatte und einer dessen Wortführer er gewesen
war, verlor unter dem Druck der politischen Lage langsam an Wirkung
und hörte zuletzt auf zu existieren. Audi aus der Emigration hat Tillich
seit dieser Zeit bis vor einigen Jahren nur noch wenig zum deutschen
Geistesleben beigetragen, außer mit zwei offenen Briefen an EMANUEL
HIRSCH in den »Theologischen Blättern« (1934-5), einer Auseinandersetzung mit dem damaligen »Deutschen Christentum«, und einigen übersetzten Artikeln. Hingegen aber wuchs sein Einfluß in der amerikanischen Theologie mit der Zeit ständig. Dies beweisen seine zahlreichen
Veröffentlichungen, angefangen von »Die religiöse Lage der Gegenwart«
(1926), die 1932 von R. NIEBUHR ins Englische übersetzt wurde und
wohl sein erstes englisches Buch war, bis zu den monumentalen Bänden
der »Systematischen Theologie«. Heute zählt er anerkannterweise zu den
führenden theologischen Denkern in jenem Lande, und man hat sogar
einmal gesagt, Tillich sei für die amerikanische Theologie das, was
A. N. WHITEHEAD für die amerikanische Philosophie war1. Mag dieser
Vergleich nun zutreffen oder nicht, jedenfalls bringt er zum Ausdruck,
daß seine Stellung als ein sehr origineller Denker unumstritten ist. Und
neuerdings gibt es, wenn ich recht sehe, gewisse Anzeichen, die darauf
deuten, daß er jetzt langsam nach seiner Heimat wieder eingeführt wird,
wie etwa die Übersetzung der »Systematischen Theologie« ins Deutsche
und die begonnene Herausgabe der Gesamtwerke zeigen. Angesichts dieser ungeheueren Breitenwirkung auf dem Neuen sowie der wachsenden
wenn auch noch nicht entscheidend starken Aufmerksamkeit auf dem
Alten Kontinent, vor allem im deutschen Sprachgebiet, scheint eine
gründliche Beschäftigung mit seiner Gedankenwelt nicht ganz ohne Nut1
Der Ausspruch stammt von GEORGIA HARKNF.SS. WHITEHEAD war nämlich, wie
Tillich, in ziemlich hohen Jahren und besaß schon einen festen Ruf, als er die Lehrtätigkeit in Harvard aufnahm.
N. Zeitschr. f. systcmat. Theologie 3
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zen, ja vielleicht geboten zu sein. Der Zweck der folgenden Studie liegt
auch eben darin, einen kleinen Beitrag zu diesem Verständnis zu leisten.
Man kann Tillichs Theologie sehr verschieden interpretieren. Für
gewisse Kreise wird sie allzu liberal erscheinen, was namentlich in
Deutschland der Fall sein wird, wo der Kampf gegen den Liberalismus
des 19. Jahrhunderts anscheinend zu einem vollen Sieg geführt hat,
während anderen einige ihrer Aspekte, z.B. die Gotteslehre oder Erkenntnistheorie, umgekehrt recht altmodisch vorkommen mag. Wie wir
im Laufe dieser Betrachtung sehen werden, haben solche sich widersprechenden Urteile ihren Grund wenigstens zum Teil im Charakter
des Tillidischen Denkens selbst. Denn in der Tat enthält sein ganzes
umfangreiches Werk Ideen verschiedener Herkunft, obwohl sie in der
endgültigen Gestalt, die es angenommen hat, nämlich in der »Systematischen Theologie«, zu einem integralen Ganzen verschmolzen sind.
Trotz dieser Vielseitigkeit jedoch wird niemand, der einigermaßen mit
seinen Werken vertraut ist, leugnen können, daß allen diesen stets ein
gewisses Leitmotiv zugrunde liegt. Dieses Motiv oder diese Grundcharakteristik ließe sich zunächst mal ganz äußerlich als eine nahe Beziehung zu und tiefe Kenntnis von den aktuellen, sowohl theoretischen als
auch praktischen Problemen der Zeit formulieren. Hierin liegt vielleicht
auch das Geheimnis seiner Breitenwirkung, besonders in den Vereinigten
Staaten, und seiner Originalität. Ein Kritiker, TH. GREENE, weist auf
diese Charakteristik der Tillidischen Theologie hin, wenn er sagt: »Er
analysiert unsre bewußten Probleme und unbewußten Bedürfnisse auf
eine tiefere, und er zeigt auf eine konstruktivere Weise, wie diese Probleme gelöst und diese Bedürfnisse befriedigt werden können, als irgendein moderner oder zeitgenössischer Denker.«2
Ein flüchtiger Blick auf die überaus inhaltsreiche Arbeit von einigen
Jahrzehnten wird genügen, um festzustellen, daß diese eben genannte
nahe Beziehung zu der aktuellen Situation bei Tillich kein Zufallsergebnis ist. Vielmehr wird man leicht konstatieren können, daß er stets bewußt und beharrlich, und zwar gleich vom Anfang seiner theologischen
Laufbahn an, sich mit dem Verhältnis der Theologie zu den anderen
Gebieten der Kultur befaßt hat. Zum Beispiel trägt eines seiner f rühesten
Werke den etwas eigentümlichen Titel: Über die Idee einer Theologie
der Kultur (1920). Dieser Titel enthält schon im Keim den Grundgedanken, aus dem alle späteren Arbeiten hervorgegangen sind. Er besagt, daß
2
Theology of Paul Tillich ed. by Kegley & Bretall, 4. Print. 1959 (Library of
Uving Theology), S. 50. Dieser Sammelband von Beiträgen von denkbar verschiedenen
Gesichtspunkten aus, mit autobiographischen Reflexionen und einer Antwort auf Kritiken von Tillich selbst, gibt manche wertvolle Aufschlüsse. Die Zitate im folgenden
sind, mit Ausnahme von denjenigen aus Werken, deren authentische deutsche Ausgabe
mir zugänglich war, d. h. vor allem aus beiden Bänden der Systematischen Theologie,
eine provisorische Übersetzung von mir. Auch in den Zitaten der Systematischen
Theologie folge ich zum Teil der englischen Ausgabe, die ich übersetze.
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es nichts gibt, das nicht irgendwie der Ausdruck des religiösen Sinnes
wäre, daß alle Funktionen des menschlichen Geistes, wenn auch scheinbar
noch so säkular, eine verborgene religiöse Dimension haben und daß
daher die Theologie in diese Tiefenschicht des geistigen Lebens dringen
müsse, um ihre Aufgabe: die Auslegung und Verkündigung der Botschaft
erfüllen zu können. Eine solche theologische Analyse der Kultur müßte
die weiten Sphären der kulturellen Tätigkeiten umfassen: Wissenschaft,
Kunst, Ethik, und auch die sozial-politische Sphäre. Dieses Programm
wurde teilweise ausgeführt in den Frühwerken wie »Die religiöse Lage
der Gegenwart«. Die kürzlich erschienene Aufsatzsammlung: »Theology
of Culture« (1959) legt auch ein beredsames Zeugnis für dieses sein Zentralanliegen ab. Darin findet sich der Satz: »Trotz der Tatsache, daß ich
während des größten Teils meines erwachsenen Lebens ein Lehrer der
Systematischen Theologie gewesen bin, hat das Problem der Religion und
Kultur immer im Zentrum meiner Interessen gestanden. Die meisten
meiner Schriften — einschließlich der zwei Bände der Systematischen
Theologie — versuchen die Weise zu bestimmen, wie das Christenum auf
die säkulare Kultur bezogen wird.« 3 Wir sehen also, daß die wechselseitige Beziehung von Theologie und Kultur für Tillich von grundlegender Bedeutung ist, und hier liegt auch ein wertvoller Schlüssel zum Verständnis seines Werkes als Ganzem vor.
Im folgenden wollen wir denn auch vorwiegend an Hand dieses
Schlüssels die Theologie Tillichs zu deuten suchen. Vor allem wird es
unsre Auf gäbe sein, dieses System auf sein Verhältnis zu anderen Kulturgebieten hin zu untersuchen. M. a. W. fassen wir es hier hauptsächlich in
seiner sozusagen formalen oder methodischen Seite an und lassen die
materiellen Aussagen, z. B. die Lehre von Gott, die Christologie, Geschichtsdeutung usw. zunächst beiseite. Gewiß ist es nicht richtig und letzten
Endes auch nicht möglich, die Methode vom Inhalt zu trennen, denn die
beiden sind durcheinander bedingt. Streng genommen, setzt die Methode
immer schon eine gewisse Kenntnis des Gegenstandes voraus, wovon sie
handelt und woran sie angewandt wird. Daher könnte man in gewissem
Sinne auch sagen, die Methode sei das System, und umgekehrt. Dennoch
wäre diese vorläufige Beschränkung des Themas für unsren Zweck, die
Grundstruktur der Theologie Tillichs möglichst klar herauszuarbeiten,
nicht unberechtigt. Außerdem ist diese Behandlungsweise mitbedingt
durch den Umstand, daß der Verfasser dieses Artikels kein Fachtheologe
ist, vielmehr in erster Linie von Philosophie und Religionsgeschichte herkommt. Die genannten speziell theologischen Fragen zu erörtern, würde
seine Kompetenz überschreiten. Aus solchen Erwägungen konzentrieren
wir unsere Aufmerksamkeit daraiuf, das Wesen der Theologie als eines
zugleich wissenschaftlichen und im prägnanten Sinne existentiellen Unter3
Theology of Culture.
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nehmens zu verdeutlichen. Dabei verfahren wir etwa folgendermaßen:
Zuerst überblicken wir den fundamentalen Standpunkt der Tillichschen
Theologie. Sodann prüfen wir kurz, um den Stand der theologischen Erkenntnis zu bestimmen, seine Lehre vom Wissen, also Erkenntnistheorie,
die aber zutiefst ontologisch fundiert ist. Dies führt unmittelbar zur
Analyse des Verhältnisses von Theologie und anderen Disziplinen. Einige
Bemerkungen über den geschichtlichen Ort und die Bedeutung seiner
Theologie sollen dann die Betrachtung beschließen.
II.
Im vorhergehenden Abschnitt haben wir bereits vorwegnehmend
den allgemeinen Charakter und die inneren Motive von Tillichs denkerischer Arbeit hervorgehoben. Um es zu wiederholen: es war das Problem
von Religion und Kultur — wie die Wechselbeziehung dieser beiden
Größen zu bestimmen sei — das durch sein Leben hindurch sein Interesse
in Anspruch genommen hat. Dies ließe sich auch so ausdrücken, daß es ein
vorwiegend a p o l o g e t i s c h e s Interesse war. Seine Ideenwelt und
sein System werden verständlich, nur wenn man bei der Auslegung diese
apologetische Grundintention stets im Auge behält. Dieser Sachverhalt
ist im Vorwort zur Systematischen Theologie klar ausgesprochen: dort
heißt es, es sei »ein theologisches System, geschrieben von einem apologetischen Gesichtspunkt und ausgeführt in einer ständigen Korrelation mit
Philosophie«4. — Hier stoßen wir auf das, was »die Methode der Korrelation« genannt wird. Und da diese den Aufbau des ganzen Systems
bestimmt, wollen wir etwas näher zusehen, was die »Korrelation«
bedeutet.
Nach Tillich hat jedes theologische System zwei Aufgaben zu erfüllen. »Es muß die Wahrheit der christlichen Botschaft ausspredien, und
es muß die Wahrheit für jede neue Generation neu deuten.«5 Die Botschaft und die Situation: sie sind die beiden Pole, zwischen denen die
Theologie in einem Spannungsverhältnis steht, und die jede theologische
Arbeit bestimmen müssen. Hieraus ergeben sich zwei typische Formen
der Theologie: eine kerygmatische und eine apologetische. Während die
erste den zeitlos ewigen Charakter der Botschaft zu betonen neigt, will
die zweite mehr dem Erfordernis der Kommunikation gerecht werden,
und folglich haben sie jeweils die ihnen eigentümlichen Vorteile und Gefahren. Das Ideal wäre natürlich, daß die beiden Bedürfnisse gleicherweise berücksichtigt würden. In Wirklichkeit aber stehen die meisten
Theologien entweder dem einen oder dem anderen Pol näher: entweder
opfern sie Teile der Wahrheit als Preis der Bereitschaft zur Kommuni4
Systematic Theology Vol. I, vii. (Dieses Vorwort ist in der deutschen Ausgabe
weggelassen und durch ein anderes ersetzt.)
5
Systematische Theologie Bd. I, S. 9.
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kation, oder sie reden an der Zeit vorbei infolge des Willens zur Aufrechterhaltung des Gültigkeitscharakters der Botschaft. Von hier aus
gesehen, könnte man die Geschichte der Theologie als ein ständiges Hin
und Her zwischen diesen Polen betrachten.
Es ist gerade die Absicht der Methode der Korrelation, diese beiden
Elemente in einer ausgeglichenen und fruchtbaren Weise zu verbinden,
und zwar als Frage und Antwort. Dieses System nämlich »sucht die
Fragen, die in der Situation enthalten sind, mit den Antworten, die in
der Botschaft enthalten sind, in Korrelation zu bringen«6. Dementsprechend wird jeder der fünf Teile des Systems jeweils in zwei Abschnitte
gegliedert, d. h. in einen, worin die menschliche Situation analysiert und
die existentiellen Fragen daraus entwickelt werden, und in einen anderen, worin dann die Symbole der christlichen Botschaft als Antwort
auf diese Fragen hingestellt werden. Zwischen den Fragen und den Antworten besteht eine wechselseitige Abhängigkeit. In bezug auf den
I n h a l t ist die Verkündigung und Interpretation abhängig von dem
Offenbarungsgeschehen, das darin enthalten ist. In Bezug auf die F o r m
ist sie aber abhängig von der Struktur der Fragen, die von der Situation
her bestimmt wird. Auf diese Weise ist die Situation, zusammen mit der
Botschaft, ein notwendiges Element jeder echten und lebendigen Thelogie.
Die Vernachlässigung dieses einen Pols würde die Theologie in die
Gefahr der Versteinerung bringen, wie umgekehrt der Verlust des
Bezugs auf Kerygma zugleich den Verlust der Substanz herbeiführen
müßte.
Die »Situation« in diesem Sinne bedeutet nicht den tatsächlichen
psychologischen oder soziologischen Zustand, in dem Individuen oder
Gruppen leben. »Sie bedeutet vielmehr die Summe der wissenschaftlichen
und künstlerischen, wirtschaftlichen, politischen, und sittlichen Formen,
in denen diese Gruppe das Selbstverständnis ihrer Existenz zum Ausdruck bringt.« 7 Die menschliche Existenz in der jeweiligen Zeit zu analysieren, deren Kategorien 7U entwickeln sowie die darin liegenden Fragen
aufzudecken, kurz, eine Existenzanalyse, die vor allem an Hand des
kulturellen Stils geschieht, ist eine unerläßliche Arbeit oder Vorarbeit
für die Theologie. Diese aber ist ihrer Natur nach eine philosophische
Aufgabe. Daher hat die Philosophie, wie in dem schon angeführten
Vorwort angedeutet wurde, für Tillichs System eine konstitutive Bedeutung. Und die Methode der Korrelation, womit auf diese Weise
Situation und Botschaft, Fragen und Antworten, menschliche Existenz
und göttliche Offenbarung, Philosophie und Theologie aufeinander bezogen werden, ist nach Tillich keine Neuerfindung von ihm. Die Theologie hat immer davon Gebrauch gemacht, »manchmal mehr, manchmal
6
7
Ibid. S. 15; vgl. S. 76.
Ibid. S. 10; vgl. S. 77.
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weniger bewußt; sie muß es bewußt und ausdrücklich tun, besonders
wenn der apologetische Gesichtspunkt vorherrschen soll«8.
Die Methode der Korrelation soll drei unangemessene Methoden
der Theologie ersetzen, deren jede durch die Außerachtlassung des richtigen Verhältnisses zwischen den eben genannten beiden Elementen entsteht. Die erste ist der Supranaturalismus, der innerhalb seines eigenen
geschlossenen Kreises bleibt und an einer vermeintlich ewigen Botschaft
festhält, ohne einen inneren Kontakt zu den Menschen zu haben, an die
die Botschaft gerichtet ist. Diese Methode wandelt die Botschaft notwendig in eine Summe geoffenbarter Wahrheiten um, die wie Fremdkörper
aus einer fremden Welt in die menschliche Situation hineingefallen sind.
Die auf diese Weise gebotene Botschaft wird heteronom und tut der
vernünftigen Struktur des Menschen Gewalt an, weil sie nicht richtig vermittelt ist. Wenn aber die Botschaft überhaupt als eine rechte Antwort
; angenommen werden soll, so muß man seine Frage gefragt haben, denn
l »der Mensch kann Antworten auf Fragen, die er niemals gestellt hat,
l nicht entgegennehmen«9. Die zweite kann naturalistisch oder humanistisch genannt werden, da sie, im Gegensatz zu der ersten, die christliche Botschaft von der Seite des Menschen her zu konstruieren sucht.
Dies ist die Methode, die von der sogenannten liberalen Theologie während der letzten zwei Jahrhunderte besonders gerne angewandt wurde,
sowohl in Europa als auch in Amerika. Das bekannteste Beispiel wäre
Schleiermacher, der in seiner »Glaubenslehre« alle Inhalte des christlichen
Glaubens von dem »religiösen Bewußtsein der Christen« abzuleiten versuchte. Dies aber müßte zur Voraussetzung haben, daß der Mensch sich
in seinem essentiellen Zustand befindet ohne den verzerrenden Einfluß
der Existenz als Sünde, was jedoch nicht der Fall ist. Deshalb war »dialektische Theologie« oder »Neuorthodoxie«, wie sie in Amerika genannt
wird, im Recht, wenn sie dieses Prinzip des religiösen Bewußtseins oder
der »Erfahrung« entschieden ablehnte. Die Botschaft kann nicht von
Erfahrung her konstruiert werden; sie ist » g e g e b e n in der Geschichte.
Erfahrung ist nicht die Quelle, aus der die Inhalte der systematischen
Theologie genommen werden können, sondern das Medium, durch das
sie existentiell empfangen werden«10. Die dritte abzulehnende Methode
wird als dualistisch bezeichnet, weil sie einen supranaturalistischen Überbau auf einem natürlichen Unterbau errichtet. Gemeint ist damit vielleicht die klassische Scholastik, aber die Mehrzahl der Theologien in der
Neuzeit hat auch mehr oder weniger dieses Schema zugrundegelegt. Sie
waren eine mechanistische Kombination von einer »natürlichen Theologie«, die von der Existenz Gottes handelt, und einer »geoffenbarten«, die
die biblische Wahrheit zum Gegenstand hat. Sie gibt, statt Frage und
8
9
Ibid. S. 74.
Ibid. S. 80.
10
Ibid. S. 53.
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Antwort, gleichsam zwei nebenher stehende Antworten. Gegenüber
solchen unzulänglichen Methoden ist es, wie bereits gezeigt wurde, die
Absicht der Methode der Korrelation, die Wahrheitsmomente, die in
jeder von diesen enthalten sind, in eine fruchtbare Synthese zu bringen.
Auf diese Weise ist Tillich hauptsächlich darum bemüht, eine
Methode auszuarbeiten, die die Theologie von den Gefahren der zwei
Extreme befreien könnte. Diese wird auch ein dritter Weg »jenseits von
Naturalismus und Supranaturalismus«11 genannt. Was damit gemeint ist,
kann am Beispiel der Behandlung des Gottesproblems — des Zentralproblems jeder Theologie — erläutert werden. Die supranaturalistische
Theologie setzt Gott als ein, wenn auch höchstes, Seiendes neben und
über alles andere Seiende. Als solches hat er die Welt geschaffen und
regiert sie nach seinem Willen, wird sie in einer Endkatastrophe zu einem
göttlichen Ziel führen usw. Hier wird alles Geschehen in der Welt im
Rahmen eines göttlich-menschlichen Dramas in einer personalistischen
Terminologie gedeutet. Sicherlich ist dies eine eher primitive Form des
Supranaturalismus, sie bestimmt aber viel stärker das wirkliche religiöse
Leben als jede sublimere Form desselben. Gegen diese Art von Anschauungen macht Tillich nachdrücklich geltend, daß sie Gott zu einem Sein neben dem anderen macht und eben dadurch sein Wesen: Unendlichkeit leugnet. Zu sagen, daß Gott existiere, ist, ihn leugnen. Statt dessen benutzt er
eine Terminologie, »die sich bewußt von der biblischen oder kirchlichen
Sprache entfernt« 12 und charakterisiert Gott als Sein-Selbst (esse ipsurri).
M. a. W. hat er hier die biblisch-traditionelle Sprache durch eine philosophisch-ontologische ersetzt. Es ist eher verständlich, daß diese Lehre
eine besonders starke Kritik hervorgerufen hat, zumal seitens der personalistischen Theologie (die gleiche Kritik kommt auch von einer anderen Seite, d. h. der positivistisdi-nominalistisdien Philosophie, her),
obwohl er sich dabei auf die klassische Tradition seit Augustin und
Scholastik berufen kann. Und ist schließlich nicht auch die Logos-Lehre
im vierten Evangelium philosophisch-ontologisch? Hier haben wir es zu
tun mit dem uralten Gegensatz vom Personalismus, der in der biblischen
Vorstellungswelt verwurzelt ist, und dem transpersonalen Denken, dem
aber ein echtes religiöses Anliegen, nämlich die Wahrung des Unbedingtheitscharakters Gottes, zugrunde liegt. Tillich ignoriert keineswegs völlig
den symbolischen Wert der personalen Sprache13. Indessen nimmt er die
Notwendigkeit, ontologische Fragen zu stellen, ebenfalls ernst, denn es
ist letzten Endes unumgänglich. Religiöse Symbole wörtlich zu verstehen,
ist eine grobe Verkennung ihres Wesens. Außerdem ist diese speziell personalistische Theologie auch geschichtlich bedingt: »Gott wurde erst im
11
Systematische Theologie Bd. II, S. 11 ff.
Ibid. S. 9.
13
Vgl. Systematische Theologie Bd. I, S. 184, 258, 283 u. a.; »Die biblische Religion und die Frage nach dem Sein« 1956.
12
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19. Jahrhundert ,Personc«14 infolge der Annahme der Kantischen Unterscheidung von Natur und Person, namentlich durch die Ritschlianer.
Auf der anderen Seite besteht die Gefahr des Naturalismus darin,
daß er dazu neigt, Gott mit dem Universum, mit dessen Wesen oder
Macht, einschließlich des Menschen, zu identifizieren. Gewiß wird er
nicht als identisch gedacht mit der Totalität der Dinge, wohl wird er
aber angesehen als die Macht und der Sinn der Wirklichkeit, als der schöpferische Grund der Dinge, und nicht so sehr als dessen Abgrund. Hier wird
der menschliche Geist als fähig betrachtet, religiöse Wahrheit von sich aus
zu produzieren oder doch zu erfassen. Anders gesagt, die unüberwindbare Distanz zwischen dem Ganzen der endlichen Dinge und dem unendlichen Grund ist aus den Augen verloren. Dies ist in Wahrheit die
Position der liberalen oder idealistischen Theologie, die in den letzten
zwei Jahrhunderten vorgeherrscht hat. Sie entsteht aus einer Verwechselung der existentiellen Lage des Menschen mit seinem essentiellen Zustand, der Vernunft mit der Offenbarung. Diese Unterscheidung aber ist
überaus wichtig, sie ist sogar identisch mit dem gesamten theologischen
System15. Dem dritten Weg folgend muß die Theologie also daran festhalten, daß Gott nicht »ein persönliches Wesen« neben anderen, vielmehr
das Sein-Selbst ist (gegen Supranaturalismus), aber gleichzeitig auch daran, daß das Sein-Selbst oder die Seinsmächtigkeit nicht nur der Grund,
sondern zugleich der transzendente Abgrund alles Seins ist (gegen Naturalismus).
Die Analyse der Methode hat uns schon etwas ins Inhaltliche hineingeführt. Hier müssen wir aber noch einmal zurückblicken und prüfen,
wieweit bzw. in welchem Sinne diese Methode die Struktur seines
Systems bestimmt. — Wie wir verfolgt haben, handelt es sich bei der
»Korrelation« um das Aufeinanderbeziehen von dem religiösen Gehalt,
der i n der biblischen Botschaft enthalten ist, und den begrifflichen Formen, die durch eine philosophische Analyse des menschlichen Daseins
einer Zeit gewonnen werden müssen. Demnach soll dem kerygmatischen
Element, wie dem anderen, philosophischen, eine gleicherweise konstitutive Bedeutung zukommen. Deshalb behauptet Tillich: »Der biblische
und kirchliche Charakter der in diesem Band gebotenen Lösungen von
theologischen Problemen wird nicht schwer zu erkennen sein ...«, und
dies wird auch von einigen Beobachtern kräftig unterstrichen16. Was über
den »theologischen Zirkel« und das heißt: die kirchliche Gebundenheit
der Theologie gesagt wird17, läuft auf dasselbe hinaus. Andererseits jedoch scheint, zumal wenn man sein Werk als Ganzes betrachtet, kein
14
Systematische Theologie Bd. I, S. 289.
Ibid. S. 238, vgl. 91, 58, 80, 151.
16
Systematic Theology Vol. I, vii; als Beispiel einer solchen Deutung, vgl. Mollegen in: Theology of Paul Tillich S. 230 ff.
17
Systematische Theologie Bd. I, S. 15 ff., 60, 64 f., 22, 41 u. a.
15
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Zweifel daran zu bestehen, daß das kerygmatische Element bei ihm nicht
direkt im Vorder-, sondern vielmehr im Hintergrund steht. Im Anschluß
an die eben zitierte Stelle wird denn auch zugegeben: »... wenn auch er
(der biblische Charakter) mehr implizit als explizit ist.« Die Frage, wieweit in Tillichs Theologie diese Biblizität implizit oder explizit ist, mag
zunächst auf sich beruhen. Jedenfalls aber hängt dieser Sachverhalt, wie
wir schon wiederholt hervorgehoben haben, damit zusammen, daß das
Schwergewicht seiner Arbeit auf die apologetische Seite gelegt ist. Und
vielleicht besteht seine Stärke auch gerade darin.
Vom geschichtlichen Hintergrund, der Tillich zu einer solchen Position veranlaßte, wird später noch zu sprechen sein. Es wird einem aber
kaum entgehen, daß sie als eine teilweise — denn es gibt zugleich eine
sehr wichtige Gemeinsamkeit — Antithese zu der theologischen Richtung
konzipiert ist, die lange im evangelischen Raum vorgeherrscht hat: der sogenannten dialektischen Theologie. Offenbar gibt diese Theologie ein
typisches Beispiel davon ab, was als kerygmatisch bezeichnet wird. Bekanntlich lehnt sie jede Beschäftigung mit Philosophie, ja mit kulturellen
Fragen überhaupt strikt ab. Dagegen sieht Tillich ein, daß mit dem Betonen des Kerygma und dem Verwerfen aller Versuche der Synthese in
der Theologie längst nicht alles getan ist. Dieses Betonen des unveränderlichen Charakters der Botschaft, worin die kerygmatische Theologie, die
Orthodoxie und der Fundamentalismus trotz ihrer nicht ohne weiteres
zu identifizierenden Charakterunterschiede doch wieder zusammenfallen,
bringt eine Versuchung mit sich, die Gestalt, die die Botschaft unter
bestimmten geschichtlichen Bedingungen angenommen hat, mit der Botschaft selbst zu verwechseln. M. a. W. wird dann die Theologie supranaturalistisch und nimmt dämonische Züge an. Dies kommt daher, daß
man den einen Pol jeder theologischen Arbeit: die Situation ungebührlich außer acht gelassen hat. Um dieser Gefahr zu begegnen, ist es daher
notwendig, das unerläßliche Element der Situation in der Theologie zurückzugewinnen. Nur eine mutige und radikale Teilnahme an der Situation, d. h. der Existenzdeutung des gegenwärtigen Menschen, kann die
Theologie vor dem Irrweg der orthodoxen Fixierung bewahren. Und
dazu bedarf die kerygmatische Theologie der apologetischen als einer
notwendigen Ergänzung.
Eine ausschließlich kerygmatische Orientierung ist nicht nur ungenügend und, wie gezeigt, gefährlich, sondern auch im Grunde nicht
haltbar. Denn auch die strikteste kerygmatische Theologie muß unumgänglich von den begrifflichen Formen der Zeit Gebrauch machen, wenn
sie sich nicht damit begnügen will, einfach die Bibelstellen zu wiederholen. Und auch wenn sie dies tun würde, könnte sie nicht die sprachliche Situation der verschiedenen biblischen Autoren vermeiden. Die Behauptung, ohne Teilnahme an der »Situation« auskommen zu können,
ist daher nichts anderes als eine Selbsttäuschung: in Wirklichkeit ist jeder
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Theologe von seiner Situation mitbestimmt. BARTH z. B. ist hier auch
keine Ausnahme, und nach Tillich ist es gerade seine Größe, daß er sich
im Lichte der Situation zu berichtigen stets bereit ist, nur daß er sich
dessen nicht methodisch bewußt wird. Ferner ist zu beachten, daß dieses
Ernstnehmen der Situation und das Aufeinanderbeziehen von dieser und
der Botschaft keineswegs dem Transzendenzcharakter der letzteren
widerspricht, sondern vielmehr gerade von daher gefordert wird. Die
Scheu der kerygmatisdien Theologen vor einer solAen Korrelation ist
in dem Verdacht begründet, daß dieses Verfahren die Botschaft von der
Situation und das heißt: Gott vom Menschen abhängig machen und
die Absolutheit der letzteren in Frage stellen würde. Das ist aber nicht
der Fall. Denn während »die Botschaft selbst jenseits unsres Begreifens
liegt und unverfügbar ist«18, ist ihre Aufnahme und Auslegung eine Tat
der Kirche und einzelner Menschen in der Kirche, und ist deshalb religiös
und kulturell bedingt. Dasselbe gilt auch von der Beziehung zu Gott und
Mensch: Gott in seiner abgründigen Natur ist zwar in keiner Weise vom
Menschen abhängig, Gott in seiner Selbstoffenbarung dem Menschen gegenüber hängt aber von der Weise ab, wie der Mensch diese Offenbarung
empfängt19. Unsre Auffassung von der Botschaft, unser Begreifen von
Gott sind bedingt. Dadurch, daß man das Bedingte in seiner Bedingtheit
erkennt und in ständiger Selbstkritik eine unzulässige Verabsolutierung
vermeidet, wird der Transzendenzcharakter Gottes bewahrt. Gerade das
Prinzip: »Gott ist im Himmel und Du auf Erden« —das Schlagwort der
dialektischen Bewegung — verbietet die Aufrichtung einer sich selbst
absolut nehmenden Theologie und fordert eine ständige Revision im
Lichte sowohl der Botschaft als auch der Situation20.
18
19
Ibid. S. 65.
Vgl. ibid. S. 75. Man denke an die klassische Unterscheidung: »deus in se« —
»deus pro nobis«.
20
Hier sieht man, daß Tillich mit der dialektischen Theologie ein wichtiges
Motiv teilt. Es ist das, was man gelegentlich bei BARTH »das Pathos der Distanz«
nannte. Allein die Folge davon ist verschieden: während es bei den Vertretern der
letzteren Richtung zu einem betont kergymatischen Standpunkt führt, begründet es bei
Tillich umgekehrt eine offene, apologetische Haltung. Er nennt dies auch das » P r o t e s t a n t i s c h e P r i n z i p«, und es hat für ihn eine grundlegende Bedeutung.
Seine Funktion ist, die Unbedingtsetzung eines Bedingten zu zerstören und dadurch
die Unbedingtheit des Unbedingten offenbar werden zu lassen. Diese selbst-transzendierende Intention ist das Merkmal der religiösen Wahrheit: »Das Kriterium der
Wahrheit des Glaubens ist deshalb, daß er ein Element der Selbstnegierung einschließt.«
(Dynamics of Faith, 1958, Harper Torchbook S. 97.) Ohne dieses Prinzip droht jeder
Glaube einer Idolatrie zu verfallen. — Auf diesen Punkt können wir hier nicht weiter eingehen, nur sei noch kurz darauf hingewiesen, daß dieses Motiv auch in seiner
C h r i s t o l o g i e , neben dem »Neuen Sein in Jesus als dem Christus«, eine Rolle
spielt. Er sagt nämlich: »Eine Offenbarung ist letztgültig und normgebend, wenn sie
die Macht hat, sich selbst zu verneinen, ohne sich selbst zu verlieren.« (Systematische
Theologie Bd. I, S. 159.) Nach ihm gilt das gerade vom Symbol des Kreuzes, denn es
drückt nicht nur die Unbedingtheit, sondern zugleich das Fehlen derselben aus.
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Motive und Struktur der Theologie Paul Tillichs
11
Um das Ergebnis der bisherigen Analyse kurz zusammenzufassen:
Tillich beabsichtigt in seinem System die beiden Momente: Botschaft
und Situation in eine neue Korrelation zu bringen. Dabei fällt aber der
Hauptteil seiner Bemühung, wie wir gesehen haben, eher der Erschließung der Situation zu, vielleicht aus einer Reaktion gegen eine vorherrschende Richtung in der zeitgenössischen Theologie. In der Tat umschließt seine Arbeit nicht nur das Gebiet der Theologie im engeren
Sinne, sondern auch das der anderen Wissenschaften wie der Soziologie,
Psychologie usw., und an Hand dieser Materialien liefert er eine meisterliche Analyse der geistigen Situation unsrer Tage (wie z. B. »Die religiöse
Lage«, »Der Mut zum Sein«, oder »Theology of Culture«). Diese
Analyse ist ihrem Wesen nach eine philosophische Aufgabe. Indem er
auf diese Weise Philosophie in erster Linie als Existenzanalyse oder
existentielle Ontologie auffaßt, zeigt er eine unverkennbare Nähe zur
oder eine mögliche Beeinflussung durch die »Existenzphilosophie«. In
diesem Lichte gesehen, ließe sich das Werk Tillichs — wenigstens ein
Aspekt davon — als eine philosophische Anthropologie charakterisieren.
Jedenfalls steht Tillich, wie er sich auch gerne ausdrückt, »auf der Grenzlinie zwischen Philosophie und Theologie«. Diese seine eigentümliche
Stellung wird auch durch die biographische Tatsache bestätigt, daß er
kurz vor der Auswanderung zeitweise in Frankfurt einen philosophischen Lehrstuhl und nachher auf dem Union Theological Seminary einen
Lehrstuhl von »philosophical theology« innehatte.
Andererseits aber bedeutet diese eigenartige Zwischenstellung, daß
sein Denken gewisse Spannungsmomente enthält. Er beschäftigt sich
mit der Analyse der Situation, obwohl diese, wie er sagt, vom Standpunkt der Theologie aus gesehen »mehr analytisch als synthetisch, mehr
historisch als systematisch« ist21. Die Grundvoraussetzung für dieses Unternehmen ist, wie schon einmal angedeutet wurde, der Gedanke, daß es
eigentlich nichts gibt, was religiös gänzlich irrelevant wäre. Daher auch
die These: »Religion ist die Substanz der Kultur, Kultur ist der Ausdruck der Religion« 22 . Das will freilich nicht heißen, daß Religion und
Kultur identisch sei (wie der alte Liberalismus meinte), vielmehr ist hier
die Religion als die »Tiefendimension« der Kultur aufgefaßt. »Jede kulturelle und geistige Tätigkeit des Menschen ist, wenn auch so oft unbewußt, von einem stillschweigenden Glauben getragen, denn sonst wäre
überhaupt kein Leben möglich. Dashalb ist, um aus dieser Idee die Konsequenz zu ziehen, eine säkulare Kultur im letzten Grunde nicht denkbar, wie auch der Atheismus letzten Endes unmöglich ist«23! In diesem
Gedankengang könnte man vielleicht eine geistreiche Umkehrung der
21
Systematische Theologie Bd. I, S. 50.
The Protestant Era, xvii; Theology of Culture, S. 42.
23
Vgl. Theology of Culture, S. 27; Systematische Theologie Bd. I, S. 254; den
frühen Aufsatz: Rechtfertigung und Zweifel u. a.
22
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berühmten FEUEREACHschen These erblicken: nach Tillich ist nämlich das
Geheimnis jeder Anthropologie Theologie! Zugleich ist auch ziemlich
leicht zu erkennen, daß der Kern dieses Argumentes mit dem übereinstimmt, was traditionell als der ontologische Beweis der Existenz Gottes
bekannt ist.
Hier stellt sich aber die Frage: Wie verhält sich das alles mit
der Theologie, d. h. der christlichen? Zunächst bietet sich die Lösung, daß
der eben auseinandergesetzte Gedanke zum Bereich der allgemeinen Religionsphilosophie gehört, die autonom ist und daher mit der Theologie
nichts direkt zu tun hat. Aufs Ganze gesehen aber löst Tillich dieses
Problem so, daß er seiner Methode gemäß sagt, daß dieser verborgene
Glaube nur einen Ausdruck der Frage, die in der menschlichen Endlichkeit impliziert ist, und keineswegs selbst die Antwort darstelle. Die
Antwort könne nur von anderswoher kommen, nämlich von der Botschaft. — Hier spricht sozusagen Tillich der Theologe, und von diesem
Gesichtspunkt aus lehnt er konsequenterweise jede »natürliche Theologie«
als solche ab24. Das Fundament der Theologie oder noch gründlicher: der
Kirche kann nur der Christus sein. Denn die Kirche und damit auch die
Theologie kann sich nur auf den Anspruch gründen, in Jesu als dem
Christus eine letztgültige Offenbarung zu haben, und wenn dieser Anspruch nicht da ist, hat das Christentum aufgehört zu existieren. Für
das theologische Denken ist dies eine Selbstverständlichkeit. Indessen
bleibt die Frage dadurch nicht beantwortet: Warum soll die Antwort
gerade n u r im Christus sein, und warum sollen all die Formen des verborgenen Glaubens, die Tillich eben so feinsinnig aufgedeckt wie beschrieben hat, nur Frage bleiben? Spricht nicht er selbst auch von einem
»Punkt, wo Frage und Antwort voneinander nicht mehr getrennt
sind«25? Nicht nur fordert der vorher wiedergegebene Gedankengang
diese Frage heraus, sondern Tillich redet auch tatsächlich positiv von der
»universalen Offenbarung«26. — Hier haben wir es mit Tillich dem
Philosophen bzw. Religionsphilosophen zu tun, der nicht an einen Ort
gebunden, sondern dessen Augenmerk auf das Religiöse an sich gerichtet
ist. In diesem gewissen Schwanken seiner Denkweise aber sollte man
vielleicht nicht unbedingt etwa eine Inkonsequenz sehen. Denn diese
Spannung liegt in der Natur der Sache, der sich widersprechenden und
doch einander anziehenden Wechselbeziehung zwischen Philosophie und
Theologie, die durch die Geistesgeschichte aller Zeiten hindurchläuft27.
24
Systematische Theologie Bd. I, S. 39 f. u. a.
Ibid. S. 76. Freilich wird hier zugefügt, dieser Identitätspunkt sei kein Moment in der Zeit, sondern gehöre dem essentiellen Sein des Menschen an.
26
Vgl. ibid. S. 167; Theology of Culture, S. 170.
27
Ein anderer, klassischer Fall wäre z. B. Augustin, der in seiner Stellungnahme
gegenüber anderen Religionen zwischen einer toleranteren und einer streng christlogischen Position schwankt, je nachdem, ob er sich mehr vom philosophischen oder
dogmatischen Interesse leiten läßt.
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Motive und Struktur der Theologie Paul Tillichs
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Und schließlich hat sie ihren Grund auch in der Idee Gottes selbst, die
mit ihren beiden auseinanderstrebenden Intentionsrichtungen: nach Unbedingtheit und nach Konkretheit, die religiöse Verwirklichung des
Menschen in ihrer Mannigfaltigkeit ermöglicht und bestimmt.
III.
Die Aufgabe der Theologie ist, wie schon eingangs gesagt wurde,
Darstellung und Deutung der christlichen Botschaft. Die Ausführung
dieser Aufgabe aber geschieht nicht etwa in einem luftleeren Raum, sondern in einem bestimmten Ort, nämlich in der Kirche. Nur in diesem
Ort haben die Quellen und die Norm der Theologie ihren aktuellen Bestand, und nur darin kann die Erfahrung als das Medium der Interpretation erwachsen. In diesem Sinne ist die Kirche der »Sitz im Leben«
oder die Heimat der Theologie, und umgekehrt dient die Theologie zur
Erfüllung einer der wesentlichsten Funktionen der Kirche, d. h. ihres
methodischen Selbstverständnisses28. Sie ist also keine »freie« Wissenschaft, sondern ort- und zweckgebunden. In dieser Betonung des kirchlichen Charakters der Theologie kommt Tillich mit den Vertretern der
dialektischen Bewegung völlig überein (z.B. BARTH mit seinem Motto:
Dogmatik als kirchliche Wissenschaft). Und dieser äußerlichen Daseinsbedingung der Theologie entspricht nun auf der Seite des Subjekts die
Forderung nach einer speziellen Haltung: dieser Umstand fordert von
dem Theologen nicht eine kühl distanzierte, »objektive« Haltung seinem
Gegenstand gegenüber, sondern umgekehrt eine »existentielle« Bindung.
Ohne vom Gegenstand des Glaubens ergriffen zu sein, kann man Theologie überhaupt nicht treiben. Andererseits jedoch will die Theologie doch
nicht eine willkürliche, sondern eine methodische Auslegung des Glaubens
sein. Sie erhebt den Anspruch, einen besonderen Erkenntnisbereich darzustellen, der sich mit einem besonderen Gegenstand befaßt und eine
besondere Methode anwendet. Dies bringt die Frage mit sich, wieweit
ihr die Wisscnscliaftlichkcit zugesprochen werden kann, oder anders
gesagt, wieweit die Vernunft in ihr eine Rolle spielt, was besonders für
die konstruktiven Teile, im Unterschied von den historischen Teilen, gut.
Kurz, Theologie ist ihrem Wesen nach ein existentielles Unternehmen,
und zugleich will sie eine wissenschaftliche Disziplin sein. Das sind die
beiden Momente, die den Stand der theologischen Erkenntnis bestimmen.
Diese Punkte wollen wir jetzt kurz in Auge fassen.
Vor allem scheint es ziemlich klar, daß Theologie keine Wissenschaft im gewöhnlichen Sinne d<es Wortes sein kann. Es gibt Beweise
genug, daß die Versuche nicht zum Ziele führen, die die Theologie als
empirisch-induktive oder als metaphysisch-deduktive Wissenschaft aufbauen wollen. Es kommt daher, d aß die Theologie Probleme enthält, die
28
Systematische Theologie Bd. , 'S. 9, 17, 43.
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ihrer Natur gemäß nur durch individuelle Erfahrung, traditionelle
Wertung und persönliche Teilnahme gelöst werden können. Der Erkenntnisvorgang in der Theologie hat, wie bei jedem Verständnis geistiger Dinge, aber in einem speziellen Maße, einen zirkulären Charakter,
der gewöhnlich »theologischer Zirkel« genannt wird. Er fängt mit einem
Ergriffensein vom Gegenstand des Glaubens an, und ist insofern keineswegs »voraussetzungslos«. Streng genommen ist freilich jede Wissenschaft— auch die »objektivste« — nicht ganz ohne Voraussetzung irgendwelcher Art, was aber meistens übersehen wird. Die grundsätzlichste
Voraussetzung für alle Wissenschaft ist die der Angemessenheit jeweiliger Methode an den Gegenstand, und der Vernünftigkeit und daher
Intelligibilität der Wirklichkeit überhaupt. Es gibt also in Wahrheit
keine rein voraussetzungslose Wissenschaft. Die Voraussetzung der
Theologie ist aber besonderer Art: sie ist, wie wir gesehen haben, an
einen bestimmten Ort und an einen praktischen Zweck gebunden. Der
Theologe bindet sich bewußt und mit Absicht an eine konkrete Religion
und ihre Gemeinschaft, deren Wahrheit zur Darlegung zu bringen er sich
zur Aufgabe macht. Auf diese Weise setzt die Theologie ein Ergriffensein (vom Gegenstand her gesehen) und eine Entscheidung (vom Subjekt
her gesehen) voraus. Mit einem Wort, sie ist existentiell. Daher lautet
das erste formale Kriterium der Theologie: »Der Gegenstand der Theologie ist das, was uns unbedingt angeht. Nur solche Sätze sind theologisch,
die sich mit einem Gegenstand beschäftigen, sofern er uns unbedingt
angeht.«20
Dieser existentielle Charakter der Theologie ist im Wesen der religiösen Erfahrung begründet. Denn man kann nicht in adäquater Weise
vom Gegenstand des Glaubens sprechen, ohne dadurch seinen Gegenstandscharakter aufzuheben. Das, was uns unbedingt angeht, gibt sich
selbst nur dem Zustand unbedingten Betroffenseins: sobald man ihm
von außen gegenübersteht, hat es schon seine Unbedingtheit verloren.
Das ist die erste und zweifelsohne wichtigste Bedingung der Theologie.
Aber damit ist noch nicht alles gesagt, denn es gibt noch ein anderes
Moment, das ebenfalls die Natur des theologischen Erkennens bestimmt.
Theologie ist, wie gezeigt, nur auf Grund des Betroffenseins möglich.
Andererseits enthält sie indes das Moment der Distanziertheit, sofern
sie Theo l o g i e sein will, d. h. nicht einfach Glaube, sondern ein Denken
vom Gegenstand oder Inhalt dieses Glaubens. Und jedes Denken bedeutet im Grunde eine Distanz. »In der Erkenntnissphäre wird alles,
auf das sich der Erkenntnisakt richtet, als Objekt betrachtet, sei es Gott
oder ein Stein ... Der Theologe kann nicht umhin, Gott zu einem
Objekt im logischen Sinne des Wortes zu machen .. .«80. Die Objektivie29
80
Ibid. S. 19 f.
Ibid. S. 205, vgl. S. 34. Genauer gesprochen aber ist schon der Glaube selbst,
d. h. der Zustand unbedingten Betroffenseins, niemals ohne ein Element der Entfrem-
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rung im logischen Sinne ist daher auch hier nicht zu vermeiden. Die
Gefahr der logischen Objektivierung ist aber, daß sie niemals rein logisch
bleibt. Sie droht stets in eine ontologische überzugehen, was bedeuten
würde, daß Gott nicht mehr das, was uns unbedingt angeht, m. a. W. der
Grund unseres Seins ist, sondern ein Objekt unter anderen Objekten
wird. Theologie ist stets der Versuchung ausgesetzt, auf diese Weise den
Boden der Betroffenheit zu verlassen und zu einer unexistentiellen Spekulation oder einer bloßen Hantierung mit Glaubenssachen zu werden.
Das kann nur dann vermieden werden, wenn das Moment des objektiven
Erkennens, das jeder Wissenschaft gehört und das wesensmäßig nach
Distanzierung strebt, durch das andere der glaubensmäßigen, existentiellen Bindung gestützt wird.
Die Möglichkeit der Theologie beruht eben darauf, ob die Verbindung dieser beiden Momente angemessener Weise erreicht werden kann.
Sie ist, wie jede andere Disziplin, beim näheren Zusehen kein einfaches,
sondern eher komplexes Gebilde. Wir können sie vielleicht am besten so
charakterisieren, daß die bisher betonte existentielle Haltung ihre Grundvoraussetzung bildet und daher ihren Gesamtcharakter als einer Disziplin bestimmt, während das objektive Erkennen, das die Wissenschaftlichkeit garantiert, mehr in bezug auf ihre Bestandteile oder Methode
im engeren Sinne seine Funktion ausübt. Wenn Tillich von der systematischen Theologie die semantische, logische und methodologische Rationalität postuliert, scheint es im Rahmen dieser zweiten Kategorie gemeint
zu sein. Für ihren Aufbau bedeutet dies, daß die Theologie als eine
Disziplin auch nichttheologische, d. h. eine glaubensmäßige Bindung nicht
unbedingt voraussetzende Elemente einschließen kann. Z. B. umfaßt die
historische Theologie weite Gebiete der geschichtlichen Forschung, die
auch ohne Voraussetzung des Glaubens betrieben werden kann und die
sie daher mit der Geschichtsforschung im allgemeinen gemeinsam hat.
Ebenso enthält die konstruktive (systematische) Theologie philosophische Erörterungen. Diese Elemente gewinnen aber dadurch theologische Relevanz, daß sie dem theologischen Zweck unterstellt werden.
Von hier aus gesehen liegt das Kriterium dafür, ob eine wissenschaftliche
Arbeit theologisch ist oder nicht, nicht so sehr etwa im angeblich übernatürlichen Ursprung ihrer Materialien, als vielmehr in der Behandlung
derselben. Ein Fach wird nämlich dann theologisch, wenn es auf unser
unbedingtes Anliegen bezogen wird. Das heißt wiederum in einer andung. Denn niemand kann ohne eine Überheblichkeit von sich selbst sagen, daß er
ausschließlich in der Glaubenssituation stc'he. Tillich zeigt durch eine scharfsinnige Analyse, daß man vielmehr stets zugleich im Glauben u n d im Zweifel, in Sicherheit
und Unsicherheit ist. (Systematische Theologie Bd. I, S. 18.) Diese dynamische Auffassung vom Wesen des Glaubens ist ihm sehr charakteristisch, und der Hinweis auf
die dialektische Einheit vom Glauben 'und Zweifel scheint, schon von früh an (s.
»Rechtfertigung und Zweifel«), eines seiner beliebten Themen zu sein. Vgl. hierzu
noch: Dynamics of Faith, S. 16 ff., 34, 100.
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deren Perspektive: wenn es der theologischen Aufgabe — der methodischen Auslegung der Botschaft als einer fundamentalen Funktion der
Kirche — dient. Denn die kirchliche Gebundenheit der Disziplin und die
Haltung des Betroffenseins seitens des Theologen sind nur zwei Aspekte
ein und derselben Sache.
So weit haben wir versucht, nach einigen Hinweisen von Tillich
den Sondercharakter der Theologie uns klar zu machen. In Kürze formuliert: sie handelt von ihrem Gegenstand in einer Haltung der Ergriffenheit und mit einer unendlichen Leidenschaft, obwohl sie in Behandlung der einzelnen Teilprobleme objektiv-wissenschaftliches Verfahren zuläßt und auch benötigt. Das ist eine notwendige Folge davon,
daß sie von Gott und seiner Offenbarung handelt. Wie schon zum Teil
angedeutet, führt das zu einem weiteren schwierigen Problem, wie denn
dies überhaupt möglich sei, da ja Gott, sofern er wirklich Gott bleibt,
nicht adäquant zum Objekt gemacht werden kann, sondern die SubjektObjekt-Struktur transzendiert. Anders gesagt: Wie ist die Erkenntnis der
Offenbarung möglich?
Um diese Frage zu beantworten, untersucht Tillich im ersten Teil
der Systematischen Theologie das Verhältnis von Vernunft und Offenbarung und entwickelt eine theologische Erkenntnislehre. Dieser Teil,
die Erkenntnistheorie, ist der dunkelste und vielleicht auch problematischste im ganzen System und bedarf einer sorgfältigen Analyse. Unter
anderem begegnen wir hier einer eigenartigen These, daß der Glaube
eine besondere Art Erkenntnis vermittle. Auf den ersten Blick scheint
dies intellektualistisch und dem so sehr betonten existentiellen Wesen des
Glaubens zu widersprechen. Beim vorsichtigeren Lesen aber entdeckt
man, daß hier so etwas wie eine Intuition oder Einsicht gemeint ist, d. h.
eine solche Art Erkenntnis, die im unmittelbaren Bewußtsein enthalten
und daher vom Erleben nicht zu trennen ist. Solche unmittelbare Erkenntnis ist allerdings nicht »intellektualistisch«, sondern eher, wenn
man will, existentiellen Charakters, weil die ganze Person daran beteiligt ist. Sie ist zugleich emotional und rational. Diese Lehre läuft also
darauf hinaus, Glaube und Erkenntnis, credere und intelligere zu verbinden, wobei das Letztere nicht im technischen Sinne zu verstehen ist.
Wie man jetzt ziemlich klar sieht, rührt diese Lehre von der unmittelbaren Offenbarungserkenntnis (Erkenntnis Gottes) von der neuplatonisdi-augustinisch-mystischen Tradition her und muß in diesem Lichte
gesehen werden. Er sagt: »Es gibt eine Art von Erkenntnis, die dem
Glauben innewohnt und die qualitativ ganz verschieden ist von der
Erkenntnis, die zur technisch-wissenschaftlichen Arbeit des Theologen
gehört. Sie ist ihrem Wesen nach existentiell. Sie ist ein Teil des Glaubenslebens auch des geistig primitivsten Gläubigen.«31 Jeder, der z. B. im
31
Systematische Theologie Bd. I, S. 66, vgl. S. 154 ff., 132.
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Motive und Struktur der Theologie Paul Tillichs
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Neuen Sein in Jesus als dem Christus partizipiert, nimmt auch an seiner
Wahrheit teil. Und es ist gerade die Aufgabe des Theologen, die so gewonnene Erkenntnis der Wahrheit außerdem in einer methodischen
Weise zum Ausdruck zu bringen. Das Organ, mit dem wir auf diese
Weise den Inhalt des Glaubens aufnehmen, nennt Tillich »selbst-transzendierende« oder »ekstatische« Vernunft, die gleichbedeutend ist mit Vernunft in all ihren Funktionen. An dieser Stelle ist es uns nicht möglich,
seine Lehre von der Vernunft in allen Einzelheiten zu verfolgen, doch
müssen wenigstens einige Punkte berücksichtigt werden, die zum Verständnis des vorher Gesagten nötig sind.
Tillich unterscheidet zwischen einem ontologischen und einem technischen Begriff der Vernunft32. Unter dem ersten versteht er den Vernunftbegriff, wie er seit der klassischen Antike bis zu Hegel in der
Philosophie grundlegend war. Dieser klassische Begriff von logos bedeutet die Struktur des Geistes, die es ihm ermöglicht, die Wirklichkeit zu
ergreifen und umzuformen. Sie ist wirksam nicht nur in der kognitiven
und technischen, sondern auch in der ästhetischen und praktischen Funktion des menschlichen Geistes. Selbst das emotionale Leben ist nicht von
ihrer Herrschaft ausgeschlossen. Vernunft in diesem Sinne ist daher identisch mit dem Wesen des Menschen, und ihre Leugnung würde nichts
anderes als die Unmenschlichkeit sein. Der zweite Begriff kam dagegen
immer mehr zutage mit dem Aufkommen des nominalistischen Denkens,
besonders unter der Einwirkung des englischen Empirismus, obwohl er
immer schon im philosophischen Denken latent war. Technische Vernunft
ist nur die kognitive Seite der ontologischen, insbesondere diejenige Seite,
die es mit der Entdeckung von Mitteln für Ziele zu tun hat. Mit einem
Wort ist sie ein Werkzeug und adäquat und sinnvoll nur als ein Element
der ontologischen Vernunft und als ihr Mitarbeiter. Wenn sie sich aber
von den anderen Funktionen des Geistes ablöst und verselbständigt, wird
die Ganzheitstruktur des Menschen zerstört. Diese Reduktion der Vernunft zu ihrer technischen Seite ist ein vorwiegend modernes Phänomen;
sie bedeutet wie gesagt die Entmenschlichung des Menschen und bringt
manche verhängnisvolle Folgen mit sich. Insofern die Theologie eine objektiv-wissenschaftliche Seite aufv/eist, hat für sie auch die technische Vernunft Bedeutung, wenn aber vom Verhältnis der Vernunft mit Offenbarung die Rede ist wie jetzt, muß die Vernunft im ontologischen Sinne
verstanden werden.
Wie ist nun dieses Verhältnis zu denken? Das ist in gewissem Sinne
die Zentralfrage jeder Religionsphilosophie und systematischen Theologie, von deren Beantwortung alles Weitere abhängt. Nach Tillich war es
der Fehler der idealistischen Philosophie (wie des Deutschen Idealismus)
und der ihr geistesverwandten liberalen Theologie, daß sie diese ontolo32
Für die folgende Ausführung vgl. ibid. S. 88 fT.
N. Zcitschr. f. systemat. Theologie 3
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gisdie Vernunft ohne Bedenken mit der Offenbarung identifizierte.
Früher wurde dieser Standpunkt religiöser Naturalismus genannt und
abgelehnt. Denn die ontologisdie Vernunft als universaler logos des
Seins ist zwar identisch mit dem Inhalt der Offenbarung, doch ist sie,
wenn aktualisiert, der Endlichkeit unterworfen und ihrem eigenen Grund
entfremdet. Daher muß man die Vernunft in ihrer essentiellen Vollkommenheit von der unter den Bedingungen der Existenz streng unterscheiden, was der Idealismus unterließ. Wenn Tillich die Vernunft im
Zusammenhang mit Offenbarung »ekstatisch« oder »selbst-transzendierend« nennt, will er damit solche unzulässige Gleichsetzung vermeiden
und den transzendenten Charakter der religiösen Funktion hervorheben.
Es ist also als eine teilweise Kritik und Revision der idealistischen Position gedacht, während sein Festhalten an dem ontologischen Vernunftbegriff bekundet, daß er doch im Grunde fest auf dem Boden des
klassischen Idealismus steht. Und um diesen Standpunkt weiter zu begründen, führt er hier einen metaphorischen Begriff: »Tiefe der Vernunft« ein. Diese wird definiert als etwas, das nicht selbst Vernunft ist,
aber ihr zugrundeliegt und durch sie offenbar wird. Sie ist zugleich der
Grund und Abgrund der Vernunft, sie manifestiert sich in der rationalen
Struktur des Geistes und der Welt und transzendiert sie wiederum. Sie
ist der Ausdruck des Sein-Selbst (d. h. Gottes). Diese Tiefe ist essentiell
offenbar in der Vernunft, aber unter den Bedingungen der Existenz ist
sie verborgen. Nur in Offenbarungssituationen bricht sie durch und ergreift die Vernunft, und die Vernunft wird dann »transparent« für ihre
eigene Tiefe, oder »ekstatisch«. Auf diese Weise nehmen wir mit der
ekstatischen Vernunft den Inhalt des Glaubens auf, und dadurch wird
uns die Erkenntnis der Offenbarung zuteil.
Das ist in groben Zügen der Kerngedanke der Tillichschen Erkenntnistheorie. Obwohl wir einiges außer acht lassen mußten, wird mindestens ihre Grundlinie aus dem Gesagten ersichtlich sein. Auf ihre Verwurzelung in der (deutsch-) idealistischen Gedankenwelt ist bereits
hingewiesen worden. Zum Teil im Zusammenhang damit zeigt sie auch
eine deutliche Verwandtschaft mit der mystischen Tradition, worauf wir
ebenfalls aufmerksam gemacht haben. Der Gedanke, daß der Geist in
seiner Tiefensphäre sich mit dem Göttlichen berührt, ist ein Gemeingut
aller Mystik. Besonders die Metapher: »Tiefe der Vernunft« erinnert
sogleich an den »Seelengrund« Meister Eckharts, und »Grund« oder
»Abgrund« an die verwandten Vorstellungen bei Böhme und Schelling.
Sehr bezeichnend ist auch, daß er dem Glauben, den er mit »Zustand
der Ergriffenheit« oder »Ekstase der Vernunft« umschreibt, einen Erkenntnischarakter zuerkennt. Dadurch wird der Akt des Glaubens nicht
einseitig voluntaristisch, sondern bekommt eine kognitive oder besser:
gnostisdie Qualität. In dieser Lehre von der »Offenbarungserkenntnis«
kann man ein deutliches Echo der augustinisch-intuitionistischen Lehre
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erkennen, daß man im Glauben unmittelbar Gottes gewahr werde33.
Ferner wird hier klar, daß diese Erkenntnislehre dem entspricht, was
schon über das Wesen der Theologie gesagt wurde. Es wurde nämlich
festgestellt, daß Theologie zugleich existentielle und auch objektiv-wissenschaftliche, eigentlich theologische und nichttheologische Momente enthält. Jetzt können wir sagen, daß die theologische Aufgabe, d. h. die
Aufnahme des Glaubensinhaltes, durch die ekstatische Vernunft des
Theologen vollzogen wird, während die begriffliche Formulierung und
Darlegung dessen der technischen Vernunft zufällt. Ein naheliegendes
Beispiel für dieses doppelschichtige Verfahren wäre die Formulierung der
theologischen Norm.
Zum Schluß wollen wir noch, um das Problem des theologischen
Erkennens von der Seite zu beleuchten, die Lehre vom Wissen in Betracht
ziehen, die ein wichtiges Gegenstück zur bisher vorgetragenen Vernunftlehre bildet34. Für Tillich ist das Erkennen überhaupt eine spezielle Form
der Einung, d. h. Einung durch Trennung. In jedem Erkenntnisakt wird
der Erkennende mit dem Erkannten vereint, das zunächst vom ersteren
getrennt ist. Daß diese Einung, d. h. die Erkenntnis möglich ist, ist darin
begründet, daß der logos des Subjekts dem logos Struktur der Wirklichkeit selbst entspricht. Hier nimmt Tillichs Erkenntnistheorie, wie man
merkt, eine stark realistische Wendung und verrät wiederum die Nähe
zur klassischen Philosophie »von Parmenides bis Hegel«. Jedenfalls sind
nach ihm diese beiden: Distanz und Einung, die notwendigen Komponenten jeder Erkenntnis. Allein die Proportion, in der die beiden gemischt sind, ist in den verschiedenen Erkenntnisbereichen verschieden.
Der Typ der Erkenntnis, der vorwiegend durch das Element der Distanz
bestimmt ist, wird (in Anlehnung an die Wissensoziologie Max Schelers)
als »beherrschendes Erkennen« bezeichnet, während die durch Einung
gekennzeichnete Erkenntnis »einendes Erkennen« genannt wird. Das
erstere ist eine typische Anwendung der technischen Vernunft. Es objektiviert seinen Gegenstand nicht nur im logischen (denn das ist unvermeidlich), sondern vor allem im ontologisdien Sinne: es macht ihn zu einem
»Ding«. Nun hat der Mensch zwar einige Schichten in seinem Sein, die
für diese Art Erkennen zugänglich sind. Doch die Totalität seines Wesens
wird damit nicht begriffen. Er widersetzt sich solcher Objektivierung.
Zur Erkenntnis des Menschen und der geistigen Dinge bedarf es vielmehr
der Einung durch die Mitwirkung des emotionalen Elements, von dem
das beherrschende Erkennen sich so weit wie möglich zu lösen sucht.
33
Über diesen augustinischen Hintergrund, vgl. den Aufsatz: The Two Types
of Philosophy of Religion (Theology of Culture, S. 10 ff.)· Im aristotelisch-thomistischen Ansatz sieht er dagegen schon die Anfänge der nominalistischen Auflösung, d.h.
der Beschränkung der Erkenntnis auf tempirische Sphäre und damit Heteronomisierung
des Glaubens.
84
Für das Folgende vgl. Systematische Theologie Bd. I, S. 115 ff.
2°
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Emotionale Teilnahme ist daher das Merkmal des zweiten Erkenntnistyps. Die Methode der Verifizierung ist folglich auch verschieden je nach
der Eigenart der beiden. Die Verifizierung des beherrschenden Erkennens wird durch Experimente vollzogen, die wiederholbar sind. Experimente aber setzen Isolierbarkeit, Regelmäßigkeit und Allgemeinheit voraus. Das sind Eigenschaften, die in erster Linie bei den Dingen anzutreffen sind. Deshalb ist diese experimentelle Verifizierung für diejenigen
Wissenschaften charakteristisch, die es mit objektivierbaren Gegenständen zu tun haben. Auch Lebensprozesse sind dieser Methode zugänglich,
sofern sie eine objektivierbare Seite aufweisen. Aber hier gibt es eine
Grenze, und darüber hinaus findet das Experiment keine Anwendbarkeit
mehr. Verifizierung muß dann durch die Lebensprozesse selbst erfahrungsmäßig erfolgen. Einendes Erkennen ist solcher erfahrungsmäßigen Verifizierung unterworfen; infolgedessen kann es keine Genauigkeit und
objektive Sicherheit erzielen, obwohl es für uns von unbedingter Bedeutung sein kann. Beherrschendes Erkennen andererseits kann nicht unbedingt bedeutsam sein, obwohl es exakt und sicher sein kann.
Es bedarf fast keiner Erwähnung, daß der Typ des beherrschenden
Erkennens den objektiv-experimentellen Wissenschaftszweigen entspricht,
wie den sog. Naturwissenschaften. Einendes Erkennen hingegen ist charakteristisch für diejenigen Disziplinen, die von geistigen Dingen handeln, wie die Geschichte oder Hermeneutik überhaupt. Dabei versteht
sich, daß die Grenze nicht genau zu ziehen ist und daß in einigen Gebieten beide Erkenntnisweisen gleichzeitig Verwendung finden. Was wird
nun die Stellung der Theologie sein? Nach diesem Schema scheint die
Theologie, sofern das eigentlich theologische Element in ihr in Frage
kommt, dem zweiten Typus zugerechnet werden zu müssen. Denn sie
kann, wie wir gesehen haben, nur im Glauben, d.h. im Zustand der
Betroffenheit und aus einer existentiellen Bindung betrieben werden. Das
ist die Grundvoraussetzung des theologischen Erkennens. Es kann daher
existentiell bedeutsam, aber weder objektiv sicher noch beweisbar sein:
es enthält ein Element des Wagnisses oder, anders ausgedrückt, es
bleibt stets zweideutig. Aber »solange es Theologie gibt, kann diese
Zweideutigkeit nicht umgangen werden, und dies ist einer der Faktoren, welche die Theologie zu einem fragwürdigen Unternehmen
machen«85. Im Grunde aber ist diese (vom objektiv-wissenschaftlichen
Standpunkt aus gesehen) fragwürdige Natur des theologischen Erkennens nur ein Symptom der Spaltung und Widersprüche, denen die
menschliche Vernunft unter den Bedingungen der Existenz unterworfen
ist. Theologie muß sich zu dieser existentiellen Zweideutigkeit des Menschen bekennen, indem sie ihre eigene Fragwürdigkeit nicht verbirgt
• und das Wagnis mutig auf sich nimmt.
35
Ibid. S. 67 f.
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Natürlich ist es nur eine Frage der Terminologie, ob man diese der
Theologie eigentümliche Zugangsweise zum Gegenstand »Erkennen«
nennt. Ohne Zweifel ist es heute nicht gerade sehr Mode, da wir in einer
nach-Kantischen und vorwiegend vom nominalistischen Denken beherrschten Zeit leben. Tillich aber tut es und erkennt, wie oben gezeigt
wurde, dem Glauben (und damit auch der Theologie) einen Erkenntnischarakter zu, stehend auf der klassisch-mystischen Basis. Dabei aber ist
es klar, daß die »Erkenntnis« hier nicht im gewöhnlichen und technischwissenschaftlichen Sinne gemeint ist, was daraus zu ersehen ist, daß er
mit Kant den sog. Gottesbeweisen Beweischarakter abspricht und auch
ausdrücklich sagt, daß diese Erkenntnis »ihrem Wesen nach existentiell«
sei (s. oben S. 13 f.). Auf diese Weise verfällt er weder einer voluntaristisch-fideistischen noch einer intellektualistischen Auffassung des Glaubens und bringt die beiden in eine Systhese. Jedenfalls aber ist bei ihm
der Unterschied zwischen dem theologischen und dem übrigen wissenschaftlichen Erkennen klar herausgearbeitet, und in diesem Punkte wird
sein Argument nicht schwer eine allgemeine Zustimmung finden. Es läuft
parallel zu den anderen Typologien, die von verschiedenen Denkern aufgestellt worden sind und mehr oder weniger Ähnliches im Sinne haben.
Allerdings scheint er hinsichtlich einiger Fragen, z. B. des Verhältnisses
der Theologie zu den anderen »GeistesWissenschaften«, einer vollen
Klarheit zu ermangeln. Dieser Punkt soll daher in einem späteren Zusammenhang noch etwas eingehender behandelt werden.
IV.
Das Ergebnis der bisherigen Betrachtung, die Eigenart des theologischen Erkennens zu verdeutlichen, hat es nun ermöglicht, unsre Aufmerksamkeit dem Problem des Verhältnisses von Theologie und den
anderen Arten von Erkenntnis zu schenken, welches das Thema dieses
Abschnittes sein wird. Wir haben schon erfahren, welche zentrale Rolle
die »Situation« bei Tillich spielt. Nach ihm ist nämlich die Botschaft,
deren Wahrheit darzulegen die Aufgabe der Theologie ist, stets mit der
Situation in Korrelation zu bringen, wenn sie überhaupt als die richtige
Antwort auf die menschlichen Fragen aufgenommen werden soll. Die
hier gemeinte Situation bedeutet nicht die tatsächlich determinierenden
Faktoren, sondern das schöpferische Selbstverständnis der Existenz jeder
Zeit, das vermittels Wissenschaft, Kunst usw. seinen Ausdruck findet.
Durch die Heranziehung der in solchen kulturellen Ausdrücken vorliegenden Materialien und Einsichten die Kategorien dieses Selbstverständnisses zu erschließen, ist eine wichtige Vorarbeit für die Theologie. In der
Tat erstreckt sich Tillichs Denken weit über die Grenze der engeren
Theologie hinaus auf die allgemein kulturelle Fragen, was für ihn sehr
charakteristisch ist. Als hervorstechendes Beispiel kann man etwa seine
langjährige Beschäftigung mit der Soziologie oder der Tiefenpsychologie
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nennen, die beide merkliche Spuren in seinem Werk hinterlassen haben.
Und es ist eher natürlich, daß bei dieser Beziehung der Theologie und
der anderen Disziplinen in erster Linie solche Erkenntnisgebiete in Betracht kommen, welche eine größere Tragweite fürs Selbstverständnis des
Menschen haben, wie z. B. Psychologie einschließlich der Psychotherapie,
Soziologie, Geschichte, Philosophie usw. Der Ort der Begegnung liegt
offenbar nicht im Gebiet der Natur-, sondern in dem der Kulturwissenschaften, und dies spiegelt sicherlich die allgemeine geistige Atmosphäre
unsrer Zeit wider. Es wäre vielleicht zweckmäßig, dieses Thema in zwei
Schritten zu behandeln, was auch ungefähr Tillichs eigenem Verfahren
entspricht: nämlich zuerst das Verhältnis zwischen der Theologie und
den Einzelwissenschaften und dann zwischen der Theologie und der
Philosophie36. Um es ganz grob zu sagen, wird das erstere vom Gesichtspunkt der Verschiedenheit der Dimensionen aus behandelt, während das
letztere als Divergenz und Konvergenz erklärt wird.
Die Lösung des ersten Problems folgt notwendig aus der inhärenten
Natur sowohl der Theologie als auch der Wissenschaften. Die Einzelwissenschaften versuchen die Struktur und das Verhältnis der gegebenen
Wirklichkeiten (der natürlichen sowie der menschlichen) zu beschreiben
und zu erklären, sofern sie von einer bestimmten Perspektive aus objektiv
fixierbar sind. Bei den meisten Naturwissenschaften z.B. ist diese bestimmende Perspektive die der quantitativen Zahlenverhältnisse. Jedenfalls aber behandeln sie jeweils eine bestimmte Teilphase der gesamten
Gegebenheit. Wenn aber andererseits, wie wir gesehen haben, nur das der
Gegenstand der Theologie sein kann, was uns unbedingt angeht, kann es
keine direkte Beziehung zwischen den beiden geben. Die Theologie hat
»nichts mit wissenschaftlichen Verfahren und Ergebnissen zu tun, und
diese wiederum haben nichts mit Theologie zu tun«87. Die Theologie hat
weder das Recht noch die Pflicht, sich in die wissenschaftliche Forschung
als solche einzumischen, sei sie physikalisch oder historisch, soziologisch
oder psychologisch. Und umgekehrt kann kein Ergebnis der wissenschaftlichen Forschung direkt fördernd oder zerstörend für die Theologie sein.
Die Offenbarungserkenntnis, welche, wie schon gezeigt, die eigentliche
Basis und auch der Gegenstand der Theologie bildet, ist eine Erkenntnis
sui generis und kann deshalb nicht mit gewöhnlicher Erkenntnis in Widerspruch geraten. »Offenbarung ... vermittelt Erkenntnis — eine Erkenntnis jedoch, die nur in einer ,Offenbarungssituation' empfangen werden
kann ... sie kann auch nicht in den Zusammenhang der gewöhnlichen
Erfahrung als etwas Zusätzliches aufgenommen werden. Die Offenbarungserkenntnis vermehrt nicht unsere Erkenntnis über die Strukturen
36
Gelegentlich macht Tillich auch eine Dreiteilung: Wissenschaft, Geschichte und
Philosophie. Hier aber ist die Wissenschaft vorwiegend als Naturwissenschaft verstanden (vgl. Dynamics of Faith, S. 80 ff.).
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der Natur, der Geschichte und des Menschen.«88 Mit einem Wort, sie
gehören jeweils zu einer anderen Dimension des Sinnes.
Hier könnte man vielleicht die Frage stellen: Aber wie sind dann die
verschiedenen Fälle des Konflikts zu erklären, die so ungeheuere Einflüsse
auf die Gemüter ausgeübt haben und zum Teil noch ausüben? Nach
Tillich ist dies auf eine Verzerrung und Grenzüberschreitung auf der
Seite entweder der Theologie oder aber der Wissenschaften zurückzuführen. Nicht selten liegt die Ursache der Schwierigkeit in einer
unangemessenen Auffassung des Glaubens als eines Aktes der Erkenntnis
in gewöhnlichem Sinne. Man könnte dies einen intellektualistischen
Fehler nennen. Er sieht im Glauben einen Erkenntnistypus, dem nur ein
niederer Grad Evidenz zukommt, der aber durch Autorität gestützt
wird. Zum Beispiel ist die Interpretation der Lehre von der Schöpfung
als der Lehre von einem Ereignis, das »einst« stattgefunden habe, eine
solche Verzerrung. Solche wörtliche Auslegung ist nichts als ein grobes
Mißverständnis der wesentlich symbolischen Natur der religiösen Sprache.
Um diesen Punkt weiter zu klären, müßte man eigentlich den Charakter
der religiösen Symbole und der Mythen noch eingehender untersuchen,
worauf wir aber hier leider verzichten müssen. In einigen Fällen umgekehrt kommt der Konflikt von einer unberechtigten und meist kritiklos
hingenommenen Annahme über die letzte Wirklichkeit seitens der Wissenschaften. Wenn das geschieht, dann liegt eine Grenzüberschreitung der
Wissenschaft vor, denn ihrer Natur nach kann die Einzelwissenschaft als
solche niemals eine Erkenntnis des Ganzen hervorbringen. Gegen den
ersten Irrtum, d. h. die supranaturalistische Verfälschung des Glaubens
in ein Wissen um Dinge ist die Revolte der Wissenschaf t völlig berechtigt.
Sie ist nicht nur erlaubt, sondern auch dringend nötig. «Naturwissenschaft, Psychologie und Geschichte sind Verbündete der Theologie im
Kampf gegen die supranaturalistischen Entstellungen der echten Offenbarung. Wissenschaftliche Erklärungen und historische Kritik schützen
die Offenbarung; sie können sie nicht auflösen, denn die Offenbarung
gehört einer Dimension der Wirklichkeit an, für die wissenschaftliche und
historische Analysen nicht adäquat sind.«89 Wenn dem so ist, muß die
wissenschaftliche Forschung ohne jede Einschränkung vorangetrieben
werden. Sie kann nicht nur nicht die echte Offenheit gefährden, sondern
überdies zu deren wahrem Verständnis beitragen, indem sie dämonische
und abergläubische Mißverständnisse beseitigt. Diese Forderung nach
unbedingter wissenschaftlicher Ehrlichkeit und ständiger Selbstkritik,
die aus einem dynamischen und selbsttranszendierenden Verständnis des
religiösen Prinzips entspringt, ist ein typischer Ausdruck des Geistes des
Protestantismus. Und hier spricht Tillich bewußt im Namen des Protestantischen Prinzips.
38
Ibid. S. 156.
39
Ibid. S. 142.
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NoriyoshiTamaru
Nachdem so die prinzipielle Lösung gezeigt worden ist, soll sie jetzt
an Hand zweier Beispiele: Psychologie und Geschichte weiter veranschaulicht werden. Zuerst Psychologie. Wie schon erwähnt wurde, hat die
Psychologie, speziell in der Form der Tiefenpsychologie, nach Tillich eine
besondere Bedeutsamkeit für die Theologie, weil die beiden irgendwie
mit der Heilung des Menschen zu tun haben. Insofern ist diese Beziehung
auch von praktischer Wichtigkeit, was besonders in den Vereinigten
Staaten der Fall zu sein scheint, wo die Psychotherapie eine ungeheuere
Popularität erzielt und fast eine soziale Institution geworden ist. Aber
auch abgesehen davon hat sie rein theoretisch eine Relevanz für die
Theologie, da sie bis dahin unbemerkte Tatsachen des seelischen Lebens
entdeckt hat, die notwendig unser Verständnis vom Menschen tief beeinflussen müssen40. Wie ist nun diese Beziehung zu denken? Tillich antwortet, daß, während die Psychologie in erster Linie eine Heilungst e c h n i k ist, in der Theologie es sich um die ganze Person handelt. Die
beiden sind ganz unabhängig voneinander. Es gibt keine geoffenbarte
Psychologie, so wenig wie es eine geoffenbarte Geschichtsschreibung oder
eine geoffenbarte Physik gibt »Die Wahrheit bezüglich des ewigen Sinnes
des Menschseins liegt auf einer anderen Dimension als die Wahrheit der
adäquaten psychologischen Begriffe.«41 Gewiß hat es hier wie sonstwo
nicht an Konflikten zwischen der zeitgenössischen Psychologie und dem
theologischen oder vortheologischen Ausdruck des Glaubens gefehlt (z. B.
Freuds libido-Lehre oder, im Zusammenhang damit, Projektionstheorie).
Es ist aber nicht schwer, in den psychologischen Schriften zwischen den
mehr oder minder verifizierten Beobachtungen und den darauf gegründeten Hypothesen einerseits und den bloßen Behauptungen andererseits
zu unterscheiden, die die Kompetenz der Psychologie als einer Erfahrungswissenschaft überschreiten. Sofern der Glaube und die Psychotherapie beide mit der Heilung zu tun haben, gibt es ein Ineinandergreifen der Instanzen der Heilung und keine von ihnen soll eine ausschließliche Gültigkeit beanspruchen. Die heilende Kraft des Glaubens ist auf
die ganze Person bezogen, während die der medizinischen Heilung, einschließlich der psychologischen, nicht die Reintegration der ganzen Persönlichkeit herbeizuführen imstande ist.
Der zweite wichtige Streitpunkt ist Geschichte. Die Geschichte hat
eine besondere Beziehung zur Theologie im Zusammenhang mit der
Bibelkritik und dem Problem der historischen Relativität. Tillichs Standpunkt ist hier wesentlich derselbe wie bei der Behandlung anderer Wis40
Für Tillich ist die psychoanalytische Bewegung in ihrem Kern ein anderer
Ausdruck derselben Geisteshaltung, die heute in der Existenzphilosophie am klarsten
zutage tritt, nämlich des Protestes gegen den Geist der industriellen kapitalistischen Gesellschaft und gegen ihren philosophischen Ausdruck: Rationalismus. Vgl. The Theological Significance of Psychoanalysis and Existentialism (Theology of Culture, S. 112 ff.).
41
Dynamics of Faith, S. 84, vgl. S. 110.
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Motive und Struktur der Theologie Paul Tillichs
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senschaften. Die Offenbarungserkenntnis, obwohl sie in erster Linie
durch geschichtliche Ereignisse vermittelt ist, ist nicht identisch mit faktischen Aussagen, und daher ist sie nicht der kritischen Analyse historischer Forschung ausgesetzt. Offenbarungswahrheit liegt in einer Dimension, in der sie durch die Geschichtsschreibung weder bejaht noch verneint
werden kann.42 Deshalb sollte der Theologe nicht aus theologischen
Gründen bestimmte Ergebnisse der geschichtlichen Forschung den anderen
vorziehen, und sollte sich nicht Resultaten widersetzen, die schließlich
angenommen werden müssen, wenn die wissenschaftliche Ehrlichkeit bewahrt werden soll; selbst dann nicht, wenn sie den Offenbarungsanspruch
zu untergraben scheinen. Dagegen, wann auch immer die Theologie von
im voraus feststehenden Ergebnissen der Forschung abhängig gemacht
wird, ist die Wahrheit des Glaubens bereits verzerrt, d. h. mit Tatsachen
verwechselt, und dann muß sie unumgänglich einen heteronomen Charakter annehmen. Hinsichtlich der Bibelforschung besteht der Unterschied
zwischen einem Theologen und einem bloßen Geschichtler darin, daß der
erstere — in dem Maße, als er Theologe ist — uns t h e o l o g i s c h ged e u t e t e F a k t e n bietet, während der letztere sich ausschließlich mit
r e i n e n F a k t e n befaßt, soweit dies möglich ist. Die Aufgabe ist verschieden und kein Konflikt ist notwendig. Daher sollte die Haltung der
Ergriffenheit, welche die wichtigste Qualifikation eines Theologen ist,
ihn nicht an irgendwelche bestimmte Resultate der historischen Forschung binden, sondern im Gegenteil ihn von Vorurteilen und von jedem
Zwang zur »heiligen Unehrlichkeit« befreien und sowohl für konservative als auch für radikale Ergebnisse offen machen. Das Ideal ist also
die Vereinigung wissenschaftlicher Objektivität mit leidenschaftlichem,
existentiellem Bezug auf das Unbedingte43. Es ist aber viel leichter gesagt
als verwirklicht. Das wirkliche Problem ist, wie diese Vereinigung in
konkreten Lagen zu erreichen sei.
In diesem Zusammenhang müssen wir uns noch mit einem weiteren
schwierigen methodologischen Problem befassen, das bei einer Disziplin
wie der Geschichte besonders sichtbar wird, aber im Grunde allen »Geisteswissenschaften« gemeinsam ist. Es ist das Problem des Verstehens,
und hier scheint Tillichs Standpunkt einer kleiner Korrektur bzw. Ergänzung bedürftig zu sein. Bei der obigen Behandlung der Beziehung
zwischen der Theologie und der Geschichte wurde die letztere primär als
Geschichts S c h r e i b u n g (im Sinne der Tatsachenforschung) verstanden,
und deshalb konnte das Verhältnis zwischen den beiden als eines der
gegenseitigen Indifferenz erklärt werden. Die Frage wird aber unendlich
viel komplizierter, wenn es sich um Geschichts I n t e r p r e t a t i o n oder
-Verständnis handelt, und keine Geschichtsforschung kann völlig ohne
42
Systematische Theologie Bd. I, S. 156 ff.; vgl. Bd. II, S. 123 ff.
Vgl. den frühen Aufsatz: Der gläubige Realismus (in: Der Protestantismus,
besonders S. 113 f.).
43
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interpretative Elemente sein. Und es ist seitDilthey eine allgemein akzeptierte Wahrheit, daß jede Interpretation und jedes Verständnis eine
Einfühlung, eine Teilnahme seitens des Subjekts voraussetzt. Tillich selbst
weist auch gelegentlich auf diesen Umstand hin: »Geschichte beschreibt,
erklärt, und versteht. Und Verständnis setzt Teilnahme voraus. Das ist
der Unterschied zwischen geschichtlicher und naturwissenschaftlicher
Wahrheit. Bei der geschichtlichen Wahrheit ist das interpretierende Subjekt hineingezogen; bei der naturwissenschaftlichen Wahrheit ist es
distanziert.«44 Die Frage ist nun, welcher Natur diese Hineingezogenheit
(»involvement«) oder Teilnahme des Subjekts in den bzw. am Gegenstand sei. Dieser Punkt ist von äußerster Wichtigkeit bei der Betrachtung
der Beziehung zwischen Theologie und Geschichte oder solcher Disziplinen im allgemeinen, welche sich der hermeneutischen Verfahren bedienen. Nach unserer Meinung sollte man hier eine gewisse Differenzierung im Charakter dieser Hineingezogenheit treffen, da man sonst
einer unglücklichen Verwirrung zum Opfer fallen müßte. Was heißt zum
Beispiel die »Teilnahme«, die jeweils in Theologie und Geschichte gefordert wird? Ist sie dieselbe in beiden Fällen? Offenbar nicht. Denn
während die Teilnahme im theologischen Sinne eine existentielle Bindung
bedeutet, die aus der Erfahrung des unbedingten Betroffenseins entspringt, ist die Teilnahme in der Geschichte nur ein, wenn auch notwendiger, Faktor des methodisch-wissenschaftlichen Verfahrens des Verständnisses. Ein Theologe muß sich für das entscheiden, was ihn unbedingt angeht, ein Historiker aber braucht sich nicht für eine bestimmte
Interpretation irgendeines historischen Faktums oder gar für die Gewißheit desselben zu entscheiden. Wenn er es täte, wäre er kein Wissenschaftler mehr. Nichtsdestoweniger ist es andererseits wahr, daß das
historische Verständnis einen gewissen Grad von Partizipation fordert.
Dies führt uns zum Schluß, daß man irgendwie zwischen verschiedenen
Graden und Etappen von Teilnahme unterscheiden muß. Sozusagen ist
die theologische Teilnahme die intensivste, während die im Falle des
historischen Verständnisses, sofern es ein wissenschaftliches ist, weniger
intensiv ist, wenn die qualitative Verschiedenheit auf solche quantitative
Weise überhaupt ausgedrückt werden kann45.
44
Dynamics of Faith, S. 86.
Unsere Absicht ist also, die Bedeutung des Teilnahme-Elements bei der Geschichte durchaus anzuerkennen und sogar hervorzuheben, aber eine voreilige Gleichsetzung von ihr und der glaubensmäßigen (theologischen) Teilnahme abzulehnen und
dadurch eine r e l a t i v e Selbständigkeit beider Disziplinen zu sichern. Vielleicht wird
sich dieser Gesichtspunkt bei der methodischen Reflexion der verwandten Disziplinen,
z. B. der (vergleichenden) Religionswissenschaft, als nützlich erweisen, deren Charakter
infolge der Unklarheit in diesem Punkte manchmal in zweideutigem Licht erscheint.
Allerdings ist zuzugeben, daß die hier vorgeschlagene Differenzierung durch die subtile Natur der Sache oft sehr erschwert wird.
45
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Motive und Struktur der Theologie Paul Tillichs
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Hier ist es natürlich nicht am Platz, Gedanken über das System der
Wissenschaften und dergleichen zu entwickeln. Denn ein solcher Versuch
kann von verschiedenen Perspektiven aus unternommen werden. Da aber
das Problem einmal angeschnitten worden ist, seien nur noch einige Bemerkungen hinzugefügt. Nach dem hier angedeuteten Gesichtspunkt
könnten die verschiedenen Disziplinen als zwischen zwei Polen liegend
gedacht werden: dem existentiellen und dem objektivierenden. Je nach
der Natur der in Anspruch genommenen Erkenntnismethode könnte jede
Wissenschaft irgendwo zwischen den beiden untergebracht werden. Vielleicht ist die Theologie diejenigen Disziplin, die dem existentiellen Pol
am nächsten ist, die verschiedenen Zweige der mathematischen Naturwissenschaften dagegen verkörpern am besten das Prinzip der Objektivierung. Die sog. Geistes- oder Kulturwissenschaften können als dazwischen, aber eher dem existentiellen Pol nahe stehend vorgestellt werden. Die schon erwähnte Unterscheidung vom »beherrschenden Erkennen« und vom »einenden Erkennen« ist auch auf einer ähnlichen Einsicht
gegründet. Nur sollten die beiden Typen nicht als gegeneinander ausschließend, sondern im Gegenteil meistens ineinandergreifend aufgefaßt
werden. Das bedeutet für den Aufbau einzelner Wissenschaften, daß fast
jede Disziplin keine einfache, vielmehr sehr komplexe Struktur aufweist,
was bei ihrer Wesensbestimmung nicht übersehen werden darf. Die
meisten Wissenschaftszweige begreifen einige heterogene Schichten in
sich ein. Wie wir schon gesehen haben, schließt selbst die Theologie auch
nichttheologische Elemente ein. Ähnlicherweise besteht die Geschichte sowohl aus faktischen als auch interpretierenden Elementen. Und es ist kein
Zweifel daran, daß sie, sofern das faktische Element in ihr in Frage
kommt, wenig mit der Theologie direkt zu tun hat. Was aber das interpretierende Element (oder das Element des S i n n e s ) betrifft, kann die
Rolle der Teilnahme und folglich die mögliche persönliche Färbung nicht
ausgeschlossen werden. Die Verbundenheit mit dem Zentrum der Person
wird dann größer, und damit auch die Ähnlichkeit mit Theologie. Dasselbe trifft mit einiger Abänderung auch für andere Disziplinen zu, sodaß es in Wirklichkeit ein teilweises Übergreifen zwischen verschiedenen
Bezüglich dieser Frage scheint Tillich, wie eben gezeigt wurde, mehr die Irrelevanz beider Gebiete zu betonen, obwohl er andererseits auch die Wichtigkeit der Teilnahme bei historischer Interpretation anerkennt. Jedenfalls ist er hier nicht ohne eine
gewisse Schwankung. Denn nachdem er in Systematischer Theologie Bd. II, S. 123 ff.
(vgl. Dynamics of Faith, loc. cit.) diesen Standpunkt der gegenseitigen Indifferenz vertreten hat, scheint er in letzter Zeit doch seine Meinung etwas geändert zu haben. Er
wird nämlich jetzt zugeben, daß der christliche Theologe nicht nur ein g l a u b e n s m ä ß i g e s , sondern ein h i s t o r i s c h e s Wagnis auf sich nimmt, indem er die
Glaubensentscheidung früherer Gcnera-tionen akzeptiert, daß Jesus der Christus sei.
Das ist aber genau der Standpunkt, d.en er an der genannten Stelle (bsdrs. S. 127 f.)
ablehnte. — Diese Auskunft verdanke ich seinem letzten Assistenten auf der Harvard
University, Mr. R. C. KIMBALL.
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NoriyoshiTamaru
Wissenschaften gibt. Eigentlich ist dies nur verständlich, denn die Wissenschaften sind ja nur Teile der integralen Erkenntnisbemühungen ein und
desselben Menschen und können deshalb nicht zueinander ganz indifferent sein. Obwohl sie methodisch klar voneinander unterschieden werden
können und auch müssen, so haben sie doch andererseits gewisse Beziehungen untereinander, implizite wenn nicht immer explizite.
Nach diesem Exkurs müssen wir uns jetzt der zweiten Hälfte des
Themas zuwenden und das Verhältnis von Theologie und Philosophie
prüfen46. Bisher wurde das Verhältnis von Theologie und Einzelwissenschaften von Tillich in erster Linie als eines der Verschiedenheit der
Dimensionen und daher der gegenseitigen Irrelevanz gedeutet. Aber wie
im Laufe dieses kritischen Überblicks deutlich geworden ist, fehlt ein
Berührungspunkt auch nicht ganz. Er liegt im philosophischen Element
sowohl der Wissenschaften als auch der Theologie. Jede Einzelwissenschaft hat, zwar nicht durch ihre Methode im engeren Sinne, wohl aber
durch deren grundlegende Voraussetzungen und Tragweite, unvermeidlich eine Bedeutung für das Verständnis der gegebenen Wirklichkeit als
solcher, welches wiederum auf unsere Lebensorientierung in irgendeiner
Form Einfluß nehmen muß. Denn letzten Endes kann das theoretische
Verständnis nicht von ihrer praktischen Folge getrennt werden. Von hier
aus gesehen läßt sich das Problem der Beziehung zwischen Theologie und
Wissenschaften schließlich auf das der Beziehung zwischen Theologie und
Philosophie zurückführen. Um es mit anderen Worten zu sagen, gehen
die Wissenschaften als solche die Theologie nichts an, wohl aber die
philosophische Bedeutung derselben. Und dies entspricht auch dem früher
schon angeführten Satz, daß die Situation, auf die die Theologie Bezug
nehmen müsse, nicht den tatsächlichen Zustand selbst, sondern die schöpferische Selbstverständlichkeit der Existenz bedeute, und die Aufgabe der
Erhellung dieses Verständnisses eine wesentlich philosophische sei.
Was ist nun die Philosophie? Das ist schwer zu definieren, weil es
bereits ein Teil der philosophischen Frage selbst ist. Die Philosophie
befindet sich in einer eigentümlichen Lage, stets an ihrer eigenen Existenz
zweifeln und daher sich selbst begründen zu müssen. Jede Definition der
Philosophie verrät schon den fundamentalen Standpunkt des betreffenden Philosophen. Darin ist Tillich auch keine Ausnahme. Seine Definition
lautet: »Philosophie ist der Erkenntnisweg zur Wirklichkeit, auf dem
die Wirklichkeit als solche Gegenstand der Erkenntnis ist.« Wirklichkeit
als solche ist nicht dasselbe wie Wirklichkeit als Ganzes, sondern es ist
die Struktur, die die Wirklichkeit zu einem Ganzen und daher zu
46
Tillidi selbst legt seine Gedanken über diesen Punkt in zusammenhängender
Form dar: vgl. Systematische Theologie Bd. I, S. 26 ff.; Philosophie und Theologie
(in: Der Protestantismus); Dynamics of Faith, S. 89 ff. Man muß aber natürlich noch
das ganze Werk hinzunehmen, da für ihn die Philosophie eine konstitutive Bedeutung
besitzt, worauf schon hingewiesen worden ist.
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Motive und Struktur der Theologie Paul Tillichs
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einem möglichen Objekt der Erkenntnis macht. Die Hauptaufgabe der
Philosophie ist demnach, diese Strukturen und Kategorien zu erforschen,
die bei jeder kognitiven Begegnung mit der Wirklichkeit vorausgesetzt
sind und sie erst recht ermöglichen. Das ist die Aufgabe, die man traditionell der prima philosophia zugeschrieben hat. Die Frage nach dem Sein
ist d i e philosophische Frage. Kurz, für ihn ist Philosophie ihrem Wesen
nach Ontologie und, wie die Behandlung des Themas zeigt, zum größten
Teil eine existentielle Ontologie, Analyse der menschlichen Existenz.
Denn der Mensch ist selbst die Tür zu den tieferen Schichten der
Wirklichkeit47.
Kein Wunder, daß dieses Wesensverständnis der Philosophie
manchen Einwänden ausgesetzt ist, zumal seitens derjenigen Philosophen,
die nominalistisch-positivistisch orientiert sind. Das scheint besonders in
seiner jetzigen englisch-amerikanischen Umwelt der Fall zu sein, wo das
Erbe des Englischen Empirismus in mannigfaltiger Verwandlung weiterlebt und die allgemeine geistige Atmosphäre beherrscht. Hervorstechende
Beispiele dieser Richtung sind die sog. analytische Philosophie, der
logische Positivismus und dgl. Alle diese teilen eine grundsätzliche Abneigung gegen jede Ontologie und sehen in der erkenntnistheoretischen
Analyse der Sprachen und Begriffe die eigentliche Aufgabe der Philosophie. Gegen diese Einschränkung der Philosophie auf Erkenntnistheorie
protestiert nun Tillich heftig. Nachdrücklich macht er, sich auf NICOLAI
HARTMANN berufend, geltend, daß jede Erkenntnistheorie ob bewußt oder
unbewußt eine Ontologie voraussetze bzw. impliziere, da jeder Erkenntnisakt am Sein oder an der »ontologischen Relation« partizipiere. Zuweilen geht er sogar so weit zu behaupten: »... die positivistisdie Linie
der Philosophen von Locke und Hume bis zu dem gegenwärtigen logisdien Positivismus... ist nicht Philosophie im traditionellen Sinne.«48
Historisch muß diese seine Einstellung zunächst gegen seinen biographischen Hintergrund sowie im Rahmen der europäischen Geistesgeschichte der letzten Jahrzehnte gesehen werden. Tillich wuchs nämlich
in einer Zeit auf, da das »Zeitalter der Erkenntnistheorie«, welches durch
den Neukantianismus und die verwandten Schulen vertreten war, von
einer »Renaissance der Metaphysik«, wie das Phänomen gelegentlich
genannt wird, und deren Symptom Strömungen wie Lebensphilosophie,
Existenzphilosophie und dgl. waren, abgelöst wurde. Daher diese betont
ontologische Fragestellung. Zugleich sieht man aber hier sehr deutlich,
wie tief sein Denken verwurzelt ist, nicht nur in der jüdisch-christlichen,
sondern auch in der klassischen philosophischen Tradition. Seine philosophische Grundlage ist, wie der hier zutage tretende offene Gegensatz zum
Empirismus und Positivismus sowie die schon erwähnte Festhaltung an
47
48
Vgl. Systematische Theologie Bd. I, S. 76, 200.
Dynamics of Faith, S. 92.
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NoriyoshiTamaru
dem ontologischen Vernunftbegriff unverkennbar zeigen, als eine im
Großen und Ganzen idealistische zu charakterisieren. Dabei ist sie mit
einem erkenntnistheoretischen Realismus verbunden, was ebenfalls schon
im Vorbeigehen bemerkt wurde. Das heißt: er postuliert eine letzte Identität von Subjekt und Objekt als die Voraussetzung der Möglichkeit der
Erkenntnis und Wahrheit überhaupt49. Alle diese Züge deuten auf die
starke Affinität seines Denkens mit den Deutschen Idealisten hin, besonders mit Schelling und vielleicht auch in einem weniger starken Maße
auch mit Hegel. Der Einfluß Kants dagegen tritt eher in den Hintergrund, obwohl er nicht ganz abwesend ist und an einigen Stellen sichtbar
wird wie z. B. in der Ethik oder in einem Teil der Methodologie. Und
wenn man diese Linie weiter zurückverfolgt, findet man als die letzte
Quelle die große Tradition des neuplatonisch-augustinischen Gedankenguts, d. h. des christlichen Platonismus, dessen eine Abart der Deutsche
Idealismus in gewissem Sinne auch war. Daß er außerdem von der gegenwärtigen Existenzphilosophie weitgehend beeinflußt ist bzw. ihr sehr nah
steht, wurde schon gesagt und braucht nicht wiederholt zu werden.
Tillich erklärt nun die Beziehung zwischen Theologie und Philosophie, die er auf diese Weise primär als Ontologie auffaßt, als eine der
Konvergenz und zugleich der Divergenz. Die ontologischen Prinzipien,
deren Erforschung die Aufgabe der Philosophie ist, haben eine religiöse
Bedeutung, weil sie die Struktur der Wirklichkeit sind, wovon auch unser
eigenes Sein bestimmt wird und abhängt. Die Erkenntnis solcher Prinzipien kann nicht rein theoretisch, d. h. ohne jeglichen Einfluß auf unsere
Haltung dem Leben gegenüber bleiben: sie geht uns auch an. Es gibt also
einen Identitätspunkt zwischen dem Letzten der philosophischen Erkenntnis und dem Letzten des religiösen Anliegens. In beiden Fällen ist
die letzte Wirklichkeit gesucht und ausgedrückt, begrifflich in Philosophie
und symbolisch in Religion. Der Gegenstand der Theologie: das, was uns
unbedingt angeht, kann nicht anders sein als das Sein-Selbst, da ein
Seiendes unter anderen nicht die Macht haben würde, über unser Sein
oder Nichtsein letztgültig zu entscheiden. Theologie kann sich deshalb
nicht der Frage nach dem Sein entziehen, und der Versuch des Biblizismus, es zu tun, ist schließlich zum Scheitern verurteilt. Wenigstens muß
ein Theologe, speziell ein systematischer Theologe, in der Lage sein,
philosophische Fragen zu verstehen, wenn er auch nicht unbedingt selbst
ein schöpferischer Philosoph zu sein braucht. Aber trotz dieser Ähnlichkeit ist andererseits auch eine Diskrepanz nicht zu übersehen. Tillich hebt
einige Punkte hervor, unter anderem die Erkenntnishaltung beider und
49
Vgl. Systematische Theologie Bd. I, S. 29 ff., 124, 242, 320 f. Ferner sagt er an
einer anderen Stelle: »Ich bin ein Idealist, wenn Idealismus die Behauptung der Identität von Denken und Sein als das Prinzip der Wahrheit bedeutet.« (The Interpretation
of History, 1936, S. 60.) Es ist also der Standpunkt, der allgemein »objektiver Idealismus« genannt wird.
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Motive und Struktur der Theologie Paul Tillichs
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die jeweilige Quelle. Theologie ist ihrem Wesen nach ein existentielles
Unternehmen, das die Basis des Betroffenseins nicht verlassen kann,
während die philosophische Erkenntnis wesentlich distanziert ist; sie
strebt nach theoriay dem neutralen Schauen des Gegenstandes. Anders
ausgedrückt: Theologie ist vor allen Dingen von einem soteriologischen
Interesse bestimmt, der Philosophie hingegen kommt stets ein kosmologischer Charakter zu. Das hängt auch damit zusammen, daß Philosophie,
anders als Theologie, in einer unmittelbaren Beziehung zu den Wissenschaften steht. Ferner hat Philosophie keinen besonderen Ort, wo die
Antwort auf ihre Fragen: die Struktur des Sein zu suchen wäre. Die
Wirklichkeit als solche ist ihr Gegenstand, und sie bezieht sich auf den
logoSy der wirksam ist sowohl im Subjekt als in der objektiven Struktur
der Dinge. Theologie dagegen ist, wie wir gesehen haben, an einen bestimmten Ort gebunden. Sie bezieht sich bewußt auf den logos, der sich
in einem b e s t i m m t e n historischen Ereignis manifestiert. Aus dieser
Charakterverschiedenheit schließt Tillich, daß zwischen den beiden weder
ein Konflikt nötig noch eine Systese möglich sei, da hier eine gemeinsame
Basis, welche die Voraussetzung des Konfliktes sowie der Synthese ist,
nicht existiere. Und sofern es Kämpfe zwischen ihnen gegeben zu haben
scheint so wurden sie in Wahrheit entweder auf philosophischer oder auf
theologischer Basis gefochten.
In mancher Hinsicht ist diese Charakteristik, die mit ähnlichen Versuchen, z. B. MAX SCHELERS, vieles gemeinsam hat, sehr einleuchtend.
Andererseits jedoch ist es klar, daß solche Unterscheidung, wie es mit
jeder Typologie der Fall ist, nur im Prinzip möglich und in Wirklichkeit
nicht aufrechterhalten werden kann. In der Tat gibt es ein fast untrennbares Ineinandergreifen von Theologie und Philosophie, wie die Geschichte es beweist. Das trifft in besonderem Maße zu, wenn man mit
Tillich (und mit der klassischen idealistischen Philosophie) die Philosophie
in erster Linie als Ontologie auffaßt und vorab als eine existentielle
Ontologie. Hier kommen viele theologisch-existentielle Momente in die
philosophische Erkenntnis der Seinsstruktur hinein, und dadurch wird
die Unterscheidung nach dem Erkenntnisprinzip nur eine relative. Tillich
weist denn auch auf diesen Umstand hin, wenn er von einer »Einigkeit
von philosophischer Wahrheit und der Wahrheit des Glaubens« spricht,
obwohl er hinzufügt, daß diese Einigkeit eine essentielle und daher gewissermaßen nur eine eschatologische sei, die unter den Bedingungen der
Existenz stets fragmentarisch bleibe. Jedenfalls können die beiden in
Wirklichkeit nicht streng voneinander gehalten werden. Denn auch der
wesensmäßig nach theoria strebende Philosoph ist ein Mensch, den etwas
unbedingt angeht, und auch der Theologe, der vom Inhalt des Glaubens
unbedingt ergriffen ist, ist nicht ohne ein Element der Distanziertheit,
sofern er ein Theo l ö g e ist. So gesehen ist jeder schöpferische Philosoph
ein heimlicher Theologe, aber auch jeder Theologe ist ein potentieller
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Philosoph. Und dieser Umstand macht das Verhältnis zwischen Theologie und Wissenschaften komplizierter, als es bei der obigen Betrachtung
erschien. Denn jede Wissenschaft schließt unumgänglich auch philosophische Elemente ein, wenn nicht direkt, so doch in Form von impliziten
Folgen. Das bedeutet aber wiederum, daß sie letzten Endes nicht ganz
von einem Element des Glaubens getrennt werden kann, zwar nicht in
bezug auf ihr wissenschaftliches Verfahren an sich, wohl aber in bezug
auf dessen Voraussetzungen sowie Bedeutung für das Verständnis der
Gesamtwirklichkeit. Diese Einsicht veranlaßt Tillich zur Bemerkung:
»Auch in der (natur-)wissenschaftlichen Schau der Wirklichkeit ist ein
Element des Glaubens wirksam ... Auch bei seiner wissenschaftlichen
Arbeit ist er (der Wissenschaftler) ein Mensch, der von dem ergriffen ist,
was ihn unbedingt angeht.«50
Diese Analyse zeigt, daß die Unterscheidung nach dem Erkenntnisprinzip allein nicht entscheidend sein kann. Zugleich aber wird hier
die fundamentale Anthropologie (Verständnis des Menschen) Tillichs sichtbar, die all diesen bisherigen Erörterungen des Themas zugrundeliegt.
Es ist nämlich ein Bild des Menschen als eines Wesens, zu dessen Natur
wesentlich das Denken gehört und den zugleich etwas unbedingt angeht.
Einerseits »durchdringt das Denken alle geistigen Tätigkeiten des
Menschen«. In diesem Sinne »ist der Mensch seinem Wesen nach Philosoph, weil er unumgänglich die Frage nach dem Sein stellt.« Philosophisch zu sein, d. h. nach dem Sein zu fragen aber kann keine rein theoretische und indifferente Tätigkeit sein, denn man muß sich nach dem
Verständnis orientieren, welches man von der Welt und von sich selbst:
vom Sein hat. »Menschsein bedeutet: nach dem eigenen Sein zu fragen
und unter dem Eindruck der Antwort zu leben, die auf diese Frage
gegeben wird.« Warum aber fragt der Mensch nach dem Sein? Weil das
Sein ihn angeht. M. a. W.: »Der Mensch ist das Wesen, das sein eigenes
Sein wesentlich angeht.«61 Das heißt aber wiederum, nach Tillichs eigener
Definition, daß dem Menschen wesensmäßig ein Glaube gehört. — Wie
durch diese Reihe von Zitaten klar gemacht wird, sind die beiden Wesenscharaktere des Menschen nicht voneinander getrennt. Es ist nicht nur
wesentlich philosophisch, sondern auch religiös! Bekanntlich ist es die
Fallgrube des Idealismus, zu welchem sein Denken in gewissen Punkten
starke Verwandtschaft aufweist, immer wieder einer intellektualistischen
Verflachung zu verfallen oder wenigstens intellektualistisch gedeutet zu
werden (z. B. der Essentialismus Hegels). Er hat die Neigung, dem Denken ein allzugroßes Gewicht beizumessen und dadurch die anderen
Aspekte der Existenz zu vernachlässigen. Diese Einseitigkeit rächt sich dann
50
Dynamics of Faith, S. 93.
Die Zitate sind der Reihe nach: Systematische Theologie Bd. I, S. 23; Biblical
Religion and the Search for Ultimate Reality, 1955, S. 9; Systematische Theologie
Bd. I, S. 76; Dynamics of Faith, S. 20.
51
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Motive und Struktur der Theologie Paul Tillichs
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durch eine voluntaristische Reaktion, die sich in der Geschichte wiederholt gegen einen solchen Intellektualismus ereignet. Die ganze Lebensarbeit Kierkegaards, die Eigenart und den Sinn des Glaubens wieder
herzustellen, hat den Charakter einer solchen Rebellion. In gewissem
Sinne kann man auch schon in Pascal einen anderen Vertreter der gleichen
Richtung finden, und diese voluntaristische Linie läßt sich schließlich,
über die mittelalterlichen Franziskaner, auch von Augustin ableiten.
Hier wird dem Glauben und damit dem existentiellen Moment des
Daseins eine größere Aufmerksamkeit geschenkt. Bei Tillich finden wir
aber das Moment des Denkens und des Glaubens etwa gleicherweise
betont. Beides gehört zum Wesen des Menschen als Menschen. Daß er
dem Glauben nicht nur einen existentiellen, sondern kognitiven Charakter zuerkennt, steht auch mit dieser seiner grundlegenden Antropologie
im Zusammenhang.
Hier wiederholt sich die Frage, die bereits am Ende des II. Abschnittes erhoben wurde und die letzten Endes unbeantwortet bleiben
muß. Es ist die Frage nach dem Sondercharakter des christlichen Glaubens
und der christlichen Theologie. Nach Tillich ist, wie wir eben gesehen
haben, jeder Mensch nicht nur seinem Wesen nach philosophisch, sondern
religiös. Niemand kann völlig ohne einen Glauben leben, jeder hat eine
heimliche, wenn auch nicht immer ausdrückliche Theologie als die Grundlage seiner Existenz überhaupt. Wenn aber auf diese Weise jeder Mensch
so oder so Theologe ist, warum gerade die christliche Theologie, welche
d i e Theologie zu sein beansprucht? — Man merkt sofort, daß hier das
Wort Glaube oder Theologie in zweierlei Sinne gebraucht ist, d. h. einmal als etwas zum Wesen des Menschen Gehöriges und einmal als etwas
historisch Konkretes. Die Erkenntnis dieses Doppelsinnes aber beeinträchtigt in keiner Weise die Frage selbst, und es ist eine Frage, die oft
von der philosophischen Seite zu hören ist. Ein philosophischer Kritiker
sagt z.B.: »Die Schwierigkeit entsteht nicht dann, wenn ich finde, daß
ich als Philosoph auch Theologe bin, sondern dann, wenn ich finde, daß
ich ein christlicher Theologe sein muß, um ein guter Philosoph zu sein
und meine Fragen beantworten zu können.«52 Tillich würde sagen, daß
alle diese heimliche Theologie oder Theologien nur eine Frage und keine
Antwort seien. Warum aber soll die Antwort nur die christliche sein?
Das ist eine Frage, worauf am Ende keine rationale Lösung möglich ist.
Denn es handelt sich hier im Grunde um das schwierige metaphysische
Problem des historisch Konkreten oder m. a. W. das Geheimnis der Individuation. Warum man als ein bestimmter Mensch existiert, mit einer
bestimmten Herkunft und in einer beschränkten Zeit usw., kann man
nicht begründen und ergründen. Gleicherweise kann man auch nicht begründen, warum man ein christlicher (oder sonst irgendeiner) Theologe
52
Theology of Paul Tillich, S. 141, vgl. S. 149, 114.
N. Zeitschr. f. systemat. Theologie 3
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ist, es sei denn, daß man mit Kierkegaard auf die Frage: Warum glaubst
du? antwortet: Mein Vater hat es mir gesagt. Es ist vielleicht eine Frage,
subjektiv, der Entscheidung und, objektiv, der Überlieferung.
V.
Bisher haben wir einige Aspekte des theologisch-philosophischen
Werkes von Tillich herausgegriffen und sie zu analysieren versucht. Dabei haben wir uns speziell auf die formale Seite dieses ungewöhnlich
reichen Werkes konzentrieren und andere wesentliche Teile wie Christologie, Geschichtsdeutung u. ä. zunächst beiseite lassen müssen. Obwohl
unsere Perspektive dadurch beschränkt war, hat die Untersuchung hoffentlich vermocht, die Motive und Struktur seines Gedankens einigermaßen klarzulegen. Zum Schluß wollen wir noch, das Ergebnis zusammenfassend, mit ein paar Worten seine Stellung innerhalb der theologischen Welt sowie der allgemeinen Geistesgeschichte zu umreißen suchen.
Wegen des beschränkten Raumes wird es aber nur möglich sein, einige
Gesichtspunkte anzudeuten, die bei der Interpretation seines Werkes
einige Aufschlüsse geben könnten. Zuerst fassen wir seinen unmittelbaren
Hintergrund ins Auge.
Es kann niemand daran zweifeln, daß man Tillich nur versteht,
wenn man ihn im Rahmen der geistesgeschichtlichen Situation der letzten Jahrzehnte in Westeuropa betrachtet. Das trifft besonders für seine
Frühjahre zu. Der Ausgangspunkt seiner schöpferischen Arbeit war das
Erlebnis des Zusammenbruchs der selbstgenügsamen westlichen Gesellschaft nach dem Ersten Weltkrieg und damit auch der sog. liberalen,
idealistischen Protestantischen Theologie. In der »Religiösen Lage der Gegenwart« deutete er die zeitgenössischen Vorgänge auf allen Gebieten
der Kultur und des Soziallebens als Symptome einer Revolte gegen den
Geist der kapitalistischen industriellen Gesellschaft, nämlich gegen ihre
Selbstzufriedenheit in menschlicher Endlichkeit. Und diese Kritik des
alten Liberalismus war es, was ihn mit der sog. dialektischen Theologie
verband. In der Tat wurde er einige Zeit allgemein als ein Bundesgenosse
der letzteren betrachtet, obwohl der Unterschied in der grundsätzlichen
Orientierung ihn nachher langsam von den anderen, unter anderem von
BARTH getrennt und sogar zu seinem Gegenspieler gemacht hat. Dieser
Unterschied ist, mit seiner eigenen Terminologie, der zwischen einer
ausschließlich kerygmatischen und einer apologetischen Fragestellung.
Während BARTH das »Wort« aller Kultur und menschlichen Leistung
schroff gegenüberstellt und sein »Nein« gegen sie schleudert, hebt er die
Notwendigkeit einer neuen Korrelation hervor. Was ihn trotz des oben
genannten wichtigen gemeinsamen Anliegens zu dieser Antithese gegen
BARTH führte, war die Erkenntnis der Gefahren, welche der Standpunkt
des letzteren mit sich bringen kann. Er sah nämlich ein, daß auf diesem
Wege die Theologie von der aktuellen Situation abgeschnitten und ganz
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unfruchtbar gemacht würde53. Tillichs Stellung zu BARTH wird im folgenden Satz bündig zum Ausdruck gebracht: «Eine dialektische Theologie ist
eine solche, in welcher 'Ja' und 'Nein* untrennbar zusammengehören. In
der sog. 'dialektischen* Theologie sind sie unversöhnbar getrennt, und
das ist der Grund, warum sie nicht dialektisch ist.«64
Seine Beziehung zum Liberalismus ist auch darin impliziert. Es ist
ein Verhältnis von Ja und Nein: auf der einen Seite wird die allzu
direkte, widerspruchslose Weise, wie der Liberalismus die Beziehung von
Gott und Mensch (oder Natur) behandelte, abgelehnt, während auf der
anderen Seite seine Bemühung, Religion und Kultur in eine Synthese zu
bringen, bejaht wird. Wie schon erwähnt, betont Tillich die Notwendigkeit einer neuen Vermittlung und bemüht sich ständig darum. Darin
zeigt er sich trotz des tiefgreifenden Bruchs doch als ein Erbe der liberalen Theologie, und in dieser Hinsicht kann man zu gutem Recht ihn
mit jener Reihe von Denkern wie Schleiermacher, Hegel, Troeltsch, Otto
u. a. vergleichen. An einer Stelle sagt er sogar ausdrücklich: »... der
Weg der Synthese war mein eigener Weg. Er folgt den klassischen deutschen Philosophen von Kant bis Hegel und blieb die Triebkraft in all
meinem theologischen Werk.«55 Allerdings darf nach ihm diese neue Vermittlung keine direkte und ungebrochene mehr sein, sondern sie muß ein
Element der Negation in sich einbegreifen. Die Lehre vom KAIROS, die
hier leider nicht berücksichtigt werden konnte, bietet die Grundlage dafür, wonach das Ewige und das Zeitliche, das Vertikale der Religion und
das Horizontale der Geschichte in einer dynamisch-dialektischen Weise,
d. h. vermittels einer Verneinung, aufeinander bezogen werden. Jedenfalls ist es gerade dieses vom Liberalismus her geerbte Grundmotiv in
seinem Denken, das ihn dazu veranlaßt, sich so weitgehend mit der Analyse der Situation und den Problemen der außertheologischen Bereiche
zu beschäftigen. Es ist auch von daher zu verstehen, daß er sich in seiner
Gotteslehre und in der Analyse der Existenz bewußt einer philosophischontologischen Sprache bedient, während die meisten Barthianer, darin
immer noch Ritschi treu, solches Verfahren verurteilen.
In gewissem Sinne ist dieses Bedürfnis, all die kulturellen Funktionen in religiöser Perspektive zu sehen, genau so alt wie das Christentum
selbst. Oder noch allgemeiner, es ist ein Grundproblem aller Religion,
denn die Religion, der das Prinzip des Transzendentalen und Heiligen
zugrunde liegt, steht unumgänglich der Frage gegenüber, in welcher Beziehung dieses zur gegebenen Wirklichkeit der Endlichkeit und Prof anität
stehe. Wenn wir das Problem zunächst auf das Christentum beschränken, so hat die christliche Kirche, sobald sie sich gebildet hatte, immer
53
Vgl. ibid. S. 14.
»What is wrong with the 'Dialectic* Theology?« (Journal of Religion, 1935,
S. 127 ff.)
55
Theology of Paul Tillich, S. 10, vgl. Theology of Culture, S. 106 ff., 163.
54
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mit der Frage der Beziehung zur »Welt« ringen müssen. Troeltsch hat
bekanntlich die soziologische Seite dieses Problems untersucht und verschiedene Typen dieser Beziehung herausgearbeitet. Es wird aber kaum
ein Zweifel daran bestehen, daß diese Synthese von Religion und Kultur
am eindrucksvollsten im klassischen Katholizismus verwirklicht war.
Von hier aus gesehen ist es eher verständlich, daß man verschiedentlich
Tillichs Bemühung um eine Synthese, deren Ideal eine «theonome« Kultur ist, mit dem Katholizismus und dessen theologischem Ausdruck:
dem Thomismus verglichen hat56. Der Absicht nach sind sie wenigstens
sehr ähnlich. Gewiß gibt es zwischen den beiden eine unübersehbare Differenz. Seine augustinische Basis und dadurch bedingte Apathie gegen den
thomistischen Ansatz haben wir schon beiläufig erwähnt. Auch abgesehen
davon trägt sein ganzes Werk unverkennbar protestantische Züge, die in
seinem »Protestantischen Prinzip« am klarsten zum Ausdruck kommen.
Dieses Prinzip, das jede Unbedingtsetzung eines Bedingten um der Unbedingtheit des Unbedingten willen zerstört, wird in denkbar schärfstem
Gegensatz zur absoluten Autorität der Kirche im Katholizismus stehen.
Dennoch ist Tillichs System nicht ganz verschlossen gegen eine katholische
Religiosität, und das ist im Wesen dieses Prinzips selbst begründet. Denn
es ist ein in erster Linie kritisches Prinzip, dessen Funktion vor allem
darin besteht, eine dämonische Verabsolvierung zu entlarven. Es ist ziemlich klar, daß dieses stets verneinende Prinzip allein nicht eine Glaubensgemeinschaft gründen kann: radikal angewandt, wird es notwendig das
Ende jeder Kirche bedeuten. Daher muß dieses Prinzip, das die »Heiligkeit dessen, was sein soll« vertritt, durch ein anderes der »Heiligkeit des
Seins« ergänzt werden. Während das erstere den Glauben vor der Gefahr
der Idolatrie schützt, gibt das letztere ihm die Substanz. Tillich kann
deshalb sagen, daß die Verbindung des Protestantischen Prinzips mit
der Katholischen Substanz »eines der Hauptprobleme« seiner Theologie sei57.
Wie durch diese Kontrastierung mit der Neuorthodoxie, dem alten
Liberalismus und dem Katholizismus deutlich geworden ist, steht Tillich
gewissermaßen überall auf der Grenzlinie und versucht eine Verbindung
der zwei sich widersprechenden Momente zu vollziehen. Mit einem Wort
haben wir es bei ihm mit einer Vermittlungstheologie (aber, wohlgemerkt, ohne den abschätzigen Nebensinn des Wortes!) großen Stils zu
tun. Und hier öffnet sich die Sicht auf weitere geschichtliche Zusammenhänge. Unter anderem könnte man auf die Verschmelzung des jüdischchristlichen Elements mit dem griechisch-antiken hinweisen. Die innere
Strukturverschiedenheit dieser beiden großen Quellen der abendländischen Kultur hat in letzten Jahrzehnten wiederholt die allgemeine Auf56
57
Vgl. Theology of Paul Tillich, S. 41 f., 45, 79.
Theology of Culture, S. 169; vgl. Dynamics of Faith, S. 55 ff.
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merksamkeit auf sich gezogen. Um nur einige Namen zu nennen, haben
Forscher wie NYGREN, BULTMANN, HESSEN und nicht zuletzt auch Tillich
selbst zum Verständnis dieses Problems beigetragen. Das geschah vielleicht nicht ganz ohne Zusammenhang mit dem wiedererwachten theologischen Interesse, die Eigenart des christlichen Glaubens klarzustellen
und ihn von einer illegitimen Vermischung zu reinigen. Strenge Unterscheidung ist natürlich manchmal von großem Nutzen. Jedoch ist es
andererseits auch eine geschichtliche Tatsache, daß die beiden in mannigfaltiger Form eine Verbindung eingegangen sind. Wir haben schon bei
Tillich einen starken Einfluß des Augustinismus festgestellt, dieser war
aber auch eine Form, in welcher diese Synthese in einer geschichtlich
wirksamen Weise vollzogen wurde. Und bei ihm findet man denn auch
die typischen Motive beider Traditionen durch eine neue Deutung wieder
eng verbunden. Die Stellen, wo dies sichtbar wird, sind, wie wir gesehen
haben, z. B. die Anthropologie oder die Auffassung vom Wesen des
Glaubens. Eine andere ist die Lehre von der Liebe, wo Tillich, Nygren
entgegen, eros und agape wieder aufeinander bezogen sein läßt.
Bei dieser Neudeutung ist es sehr charakteristisch, daß er die antike
Geistigkeit vorwiegend in ihrer platonischen oder neuplatonischen (d. h.
mystischen) Prägung nimmt 58 und die aristotelisch-empirische Seite ziemlich außer acht läßt. Er findet nur das erstere kongenial. Und andererseits entdeckt er auch im biblischen Begriff des Glaubens mystische Elemente und bringt sie mit dem mystisch verstandenen Griechentum in
Zusammenhang. Nach ihm ist der Glaube im biblischen Sinne der Zustand der Ergriffenheit vom heiligen Geiste. Diese Formulierung ist schon
bezeichnend genug. Auch die häufige Verwendung der Wörter: Ekstase
oder Ergriffenheit spricht für sich. Auf diese Weise bildet die Mystik (im
Sinne von unmittelbarem Gewahrsein des Göttlichen) für ihn das Bindeglied zwischen diesen beiden Quellen. Überhaupt ist diese Wiederentdeckung des mystischen Elements in der Religion und auch innerhalb der
biblisch-prophetischen ihm zum Verdienst anzurechnen, da es lange durch
die Vertreter der Neuorthodoxie ungebührlich mißachtet wurde59. Und
r8
' Sehr bezeichnenderweise sagt er, daß der eigentliche griechische Geist keineswegs »intellektualistisch« gewesen sei und daß daher die Hellenisierung des Christentums nicht eine Intellektualisierung bedeutet habe. Dies fordert eine gründliche Revision der Deutung der Dogmengeschichte, die bisher meistens von Ritschlianischen
Gesichtspunkt aus geschrieben wurde, etwa die von Harnack. Nach Tillich war die
Logos-Christologie keinesfalls intellektualistisch. (Vgl. Systematische Theologie Bd. I,
S. 189.)
59
Er sagt z.B.: »Es gibt keinen Glauben ohne Partizipation.« (Dynamics of
Faith, S. 100, vgl. S. 62) oder: »Es gibt keine lebendige Religion, in welcher das Prinzip der Mystik, die unmittelbare Gegenwart des Göttlichen, nicht gedacht und praktiziert wird.« (Theology of Culture, S. 192.) Diese Wiederentdeckung der Mystik kann,
außer durch seine nahe Beziehung zu Schleiermachcr und Otto, noch durch Buber inspiriert sein (vgl. ibid. S. 188 fT.).
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wenn noch hinzugefügt werden darf, könnte man hier auch einen gewissen Berührungspunkt mit den östlichen Religionen finden, denn diese
sind, anders als die biblischen, vorwiegend mystischer Natur. Jedenfalls
bringt er in seinem Werk das mystische Prinzip und den Glauben, die
oft auseinandergerissen blieben, in eine Synthese60.
Alles in allem, wir können Tillich vielleicht am besten als einen
großen Synthetiker charakterisieren. Er vollzieht neben den schon genannten noch eine andere Synthese, und zwar von Tradition und Gegenwart. Wie unser Überblick vielleicht einigermaßen gezeigt hat, liegen
die Wurzeln seines Gedankens tief in den alten Überlieferungen des
westlichen Geistes, und doch ist diese zugleich mit einer Gegenwartsnähe
verbunden, die bei anderen selten zu finden ist. Gewiß kann eine solche
Synthese niemals endgültig und fertig sein, sondern sie bleibt, wie alles
was zum Leben gehört, stets zweideutig und muß daher immer wieder
neu errungen werden. Trotzdem wird aber das Werks Tillichs seine wegweisende Bedeutung für manche noch lange behalten.
60
Nach ihm ist ein typisches Beispiel einer solchen »Vereinigung vom ethischen
und mystischen Element« Paulus' Lehre vom Heiligen Geiste (vgl. Dynamics of Faith,
S. 71 ff.). Er leitet den Zentralbegriff seiner Christologie: Das Neue Sein in Jesus als
dem Christus, auch von daher ab und betrachtet sein System als wesentlich paulinisch.
(Systematische Theologie Bd. I, S. 63 Anm.)
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