Geschlechtsbewusste Arbeit im Stadtjugendring Augsburg

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Geschlechtsbewusste Arbeit im
Stadtjugendring Augsburg
Stadtjugendring Augsburg 2016
Unter Mitarbeit von: Matthias Hummel, Amelie Klinger, Ulrike Rist und Susanne Seidenspinner
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Der Vollzug der Gleichstellung der Geschlechter innerhalb der Gesellschaft ist Querschnittsaufgabe aller pädagogischer Tätigkeitsfelder. Unter dem Begriff der geschlechtsbewussten pädagogischen Arbeit
verfolgt der Stadtjugendring Augsburg das Ziel der Geschlechtergerechtigkeit und verbindet so Gender
Mainstreaming als politisches Prinzip und unterschiedliche methodische Ansätze der geschlechtsbewussten Arbeit in der pädagogischen Praxis.
Die vielfältigen pädagogischen Angebote des Stadtjugendring Augsburg unterstützen die gesetzliche
Grundlage, „bei der Ausgestaltung der Leistungen und Erfüllung der Aufgaben, […] die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen und Jungen zu berücksichtigen, Benachteiligungen abzubauen und die
Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen zu fördern“ (§9 (3) SGBVIII).
Der Arbeitskreis Gender hinterfragt und begleitet die Umsetzung der geschlechtsbewussten pädagogischen Arbeit, deren unterschiedlichen pädagogischen Ansätze und die damit verbundenen sozialpädagogischen Zielsetzungen in der (Offenen) Kinder- und Jugendarbeit. Nachstehende Leitlinien
verdeutlichen das diesbezügliche Selbstverständnis, die damit einhergehenden Grundsatzziele im Allgemeinen und mögliche methodische Ansätze und deren Ziele im Speziellen.
Selbstverständnis
Gemäß den Richtlinien des Kinder- und Jugendhilfeplans sind pädagogische Angebote stets dahingehend zu überprüfen, welche Auswirkungen diese auf die Geschlechter der Zielgruppe haben und ob
sie zum Ziel der Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit beitragen beziehungsweise diesem
nicht im Wege stehen.
Die Annahme, es gäbe keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit, erfordert einen kritischen Blick auf die
momentanen Möglichkeiten, in einer geschlechtergerechten Wirklichkeit leben zu können. Persönliche Lebensentwürfe von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind stark von kulturellen,
gesellschaftlichen und politischen Rollenverständnissen geprägt, die oftmals hinderlich sind bei der
Ausgestaltung des eigenen, individuellen Lebensentwurfs. Eine gezielte geschlechtsbewusste Arbeit
legt entsprechende Tradierungen offen und fördert die Entwicklung sowohl der Einrichtungen und ihrer Mitarbeiter*innen als auch der Zielgruppe hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit. Der Stadtjugendring Augsburg versteht hier eine Gerechtigkeit nicht im Sinne von Gleichheit, sondern als eine möglichst weitreichende Freiheit in der Auslebung von individuellen Bedürfnissen.
Mit einem solchen Selbstverständnis gehen unterschiedliche Anforderungen und Zielsetzungen einher,
die sich an den Stadtjugendring Augsburg, seine Einrichtungen und seine Mitarbeiter*innen richten:
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Die Strukturen der Einrichtungen sind dem Ziel der Geschlechtergerechtigkeit anzupassen.
Die Mitarbeiter*innen bilden ihre Kompetenzen für die Umsetzung der Leitlinien aus und erweitern diese fortlaufend.
Das Selbstverständnis hinsichtlich einer geschlechtsbewussten pädagogischen Arbeit wird regelmäßig auf allen relevanten Ebenen überprüft, evaluiert und angepasst.
Es erfolgt eine innerbetriebliche und gegebenenfalls öffentliche Aufklärung über die Bedürfnisse
aus Sicht der Zielgruppe (Sprachrohr der Heranwachsenden bei strukturellen und politischen
Fragestellungen).
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Es findet eine Wahrnehmung und Ermittlung der Lebenswelten und Bedürfnisse von Kindern,
Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Hinblick auf die Gleichberechtigung der Geschlechter
statt.
Es ist ausreichend Personal, Raum und Zeit für Angebote vorhanden, um kind- und jugendgerechte
Themen zur Auseinandersetzung mit verschiedenen Geschlechtern bearbeiten zu können.
Grundsatzziele
Geschlechtergerechtigkeit ist eine komplexe Herausforderung für die (Offene) Kinder- und Jugendarbeit. Nach wie vor gelingt es im pädagogischen Handlungsfeld – und daraus resultierend im gesellschaftlichen Zusammenleben – nur selten, dieser Querschnittsaufgabe gerecht zu werden. Den Leitlinien liegt daher das Ziel zu Grunde, eine auf unterschiedliche Geschlechter zugeschnittene Pädagogik
zu fördern. Dies impliziert die differenzierte Auseinandersetzung mit den bestehenden Zielen und Zielgruppen, Inhalten und Konzepten sowie die konsequente Beschäftigung mit der Frage, wie ein gleichberechtigtes Geschlechterverhältnis mit Blick auf pädagogische Angebote des Stadtjugendrings herzustellen ist. Die nachfolgenden Ausführungen behandeln pädagogische Ansätze zur Förderung von Mädchen und jungen Frauen beziehungsweise von Jungen und jungen Männern. Dabei wird das grundlegende Ziel der Geschlechtergerechtigkeit als übergreifende und nicht auf eine Dichotomie [1] der
Geschlechter begrenzte Gestaltungsaufgabe von (Offener) Kinder- und Jugendarbeit verstanden. Denn
eine gezielte geschlechtsbewusste pädagogische Arbeit
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stärkt die Selbstwirksamkeit der Zielgruppe und der Pädagog*innen,
deckt geschlechtsbedingte Abwertungen und Hierarchisierungen auf,
hilft, Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Vielfalt wahrzunehmen,
zeigt hinderliche Festschreibungen auf,
bietet Handlungsstrategien zur freien Gestaltbarkeit von Lebensentwürfen und
schärft den Blick für strukturelle und politische Zusammenhänge.
Dabei ist darauf hinzuweisen, dass Ansätze geschlechtsbewusster Pädagogik nicht nur die hier aufgezählten Chancen bieten, sondern stets auch Risiken bergen. Diese können beispielsweise bei Ansätzen
geschlechtsspezifischer Arbeit [2] zu Tage treten, wenn aufgrund der scheinbar klar definierten Geschlechtszugehörigkeit homogene Gruppen angesprochen, hierbei aber Orientierungen jenseits gesellschaftlicher Normierungen [3] nicht wahrgenommen werden. Es gilt stets folgende Fragestellungen zu
reflektieren:
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Wie können Geschlechtsunterschiede, insbesondere die Überbetonung und die Essentialisierung
von Geschlechterdifferenzen, vermieden werden?
Welche Auswirkungen haben unterschiedliche Methoden und theoretische Herangehensweisen?
Wie müssen institutionelle Strukturen aussehen, um gelingende Bedingungen für Mädchen und
junge Frauen sowie Jungen und junge Männer zu schaffen?
Welche Instrumente zur Umsetzung einer geschlechtsbewussten Pädagogik sind zu entwickeln?
Welche erfolgreichen Praxisbeispiele gibt es und welche pädagogischen Schlussfolgerungen können daraus gezogen werden?
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Die wichtigsten Handlungsstrategien, diese Grundsatzziele und die sich daraus ergebenden Rahmenziele zu erreichen, sind die Aufklärung und die Information. Sie bilden eine Methode innerhalb eines
dynamischen Systems, das sich und seine Akteur*innen wechselseitig beeinflusst. Erst durch das Prinzip der Zirkularität kann gesellschaftliche Weiterentwicklung freigesetzt und sozialer Wandel erreicht
werden. Übertragen auf die verschiedenen Ebenen ergeben sich allgemein und zielgruppenübergreifend folgende Einzelziele, die aufgrund ihres Umfangs nur auszugsweise dargestellt werden:
a) Persönliche Ebene
 Ausbildung eigenständiger, selbstbewusster Persönlichkeiten
 Wissensvorsprung durch Mündigkeit und Emanzipation
b) Familiale Ebene
 Thematisierung und Reflexion vorgelebter Geschlechterrollen und geschlechtsbezogener Zuschreibungen
 Positive Ausrichtung der Entscheidungsautonomie einzelner Familienmitglieder
c) Schulische Ebene
 Überwindung traditioneller Rollenzuschreibungen bei der Berufswahl
 Bevorzugung einer selbstbestimmten und unabhängigen Lebensführung
 Thematisierung und Reflexion geschlechtsspezifischen Rollenverhaltens in unterschiedlichen
schulischen Zusammenhängen
d) Berufliche Ebene
 Gleichberechtigte Personal- und Organisationsentwicklung
 Gleichrangigkeit von Entgeltgleichheit und Geschlechtergerechtigkeit
e) Politische Ebene
 Steigerung des Interesses an politischen Entscheidungen und Maßnahmen
 Erhöhung der politischen Partizipation von Frauen
 Bereitstellung von finanziellen Mitteln für die geschlechtsbewusste Arbeit
Diese Grundsatzziele machen es erforderlich, Wege und Strategien aufzuzeigen, wie Gleichberechtigung in der (Offenen) Kinder- und Jugendarbeit hergestellt werden kann. Die nachstehenden Ausführungen zur geschlechtsspezifischen Arbeit mit Mädchen und jungen Frauen sowie Jungen und jungen
Männern, der bewussten geschlechtsheterogenen Gruppenarbeit, wie auch Cross Work bieten Ansätze für die Umsetzung von geschlechtsbewusster Arbeit in der (Offenen) Kinder- und Jugendarbeit
des Stadtjugendring Augsburg.
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Methodische Ansätze geschlechtsbewusster Pädagogik
Im Stadtjugendring Augsburg steht die geschlechtsbewusste pädagogische Arbeit mit Mädchen und
jungen Frauen ebenso im Fokus wie das Pendant der Jungen- und Männerarbeit, der koedukativen
Arbeit [4] sowie der Ansatz des Cross Work. Je nach zu bearbeitendem Thema stehen diese Ansätze
entweder für sich allein oder bedingen sich in der pädagogischen Praxis der (Offenen) Kinder- und
Jugendarbeit gegenseitig (siehe Abbildung 1). Dabei ist darauf hinzuweisen, dass sich nicht jeder
methodische Ansatz zur Bearbeitung jedes Themas anbietet und die Wahl des methodischen Ansatzes
einer kontinuierlichen Reflexion der jeweiligen Rahmenbedingungen – Gruppenzusammensetzungen,
Thema und Ziel eines Angebotes, infrastrukturelle Rahmenbedingungen der Einrichtung, usw. – erfordert.
Abbildung 1: Methodische Ansätze geschlechtsbewusster Arbeit
Mädchen- und
Frauenarbeit
Jungen- und
Männerarbeit
Geschlechtsbewusste Arbeit in der
(Offenen) Kinder- & Jugendarbeit
des Stadtjugendrings Augsburg
Geschlechtsheterogene
Gruppenarbeit
Cross Work
Geschlechtsspezifische Arbeit mit Mädchen und jungen Frauen
Die Angebote geschlechtsspezifischer Mädchen- und Frauenarbeit werden bewusst von Pädagoginnen
gestaltet und durchgeführt. Eine wesentliche Erklärung hierfür liegt darin, dass Frauen und weibliche
Jugendliche ein wichtiger Orientierungspunkt im Leben eines Mädchens bzw. einer jungen Frau sein
können. Dies begründet sich in der vorangegangenen und stattfindenden psychosexuellen Entwicklung
und den vorgelebten beziehungsweise vorgegebenen Rollenmustern in der Familie und/oder der Gesellschaft. In bewusst geschlechtshomogen geschaffenen Räumen wird Mädchen und jungen Frauen
die Möglichkeit gegeben, eigene Erfahrungen, Rollenklischees u.a. zu reflektieren und eigene Interpretationen dieser zu schaffen.
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Ziele geschlechtsspezifischer Arbeit mit Mädchen und jungen Frauen
Kennenlernen von alternativen Weiblichkeitskonstruktionen
Eine wichtige Zielsetzung der pädagogischen Arbeit ist, jugendlichen Mädchen und jungen Frauen dabei Unterstützung zu bieten, ihre eigenen Stärken und Interessen zu erkennen, anzunehmen, diese
auszubauen und in einen eigenen lebensweltlich relevanten Kontext zu setzen, unabhängig von einer
vermeintlich weiblichen oder männlichen Prägung eines Bereiches. Dabei soll ihr Vertrauen in ihr geistiges, emotionales und körperliches Vermögen gestärkt werden. Die Identitäten der Mädchen und jungen Frauen sollen gestärkt, ihre Ressourcen und Kompetenzen gefördert werden.
Die Bestärkung durch sich selbst als Mädchen bzw. junge Frau, aber auch durch die Gruppe soll bewirken, sich gegen Fremdwahrnehmung und ablehnendes Verhalten seitens der Gesellschaft behaupten
zu können und Erfolge den eigenen Kompetenzen zuzuschreiben. Das Erleben von Wertschätzung sich
selbst gegenüber geht dabei einher mit dem Erkennen und Entgegenwirken von Momenten eines
entstehenden Minderwertigkeitsgefühls.
Erweiterung von geschlechtsbezogenen Handlungsspielräumen
Mädchen und junge Frauen sollen angeregt werden, ihre Rolle in der Gesellschaft sowie in ihrem Umfeld zu reflektieren. Oft bilden Zuschreibungen und Erwartungen, die von außen an Heranwachsende
herangetragen werden, deren Handlungsgrundlage. Eben dies gilt es, Mädchen und jungen Frauen bewusst zu machen und ihnen aufzuzeigen, dass ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse, die nicht diesen
geschlechtsstereotypen Zuschreibungen entsprechen, von Belang sind.
Aufbau von Vertrauen und Solidarität
Vertrauen und Solidarität sollen in der Gruppe erlebbar und als Alternative zur partnerschaftlichen
Zweierbeziehung kennengelernt werden. Oft wird der Selbstwert bei Mädchen und jungen Frauen zum
Großteil aus der Beziehung zu einem Partner gezogen. Eine solche Beziehung gilt deshalb als oberster
Wunsch bei vielen und zieht eine Vernachlässigung der eigenen Entwicklung und Lebensperspektive
nach sich. Wertekategorien wie Aussehen und Körper verstärken den Verlust von Vertrauen in sich
selbst. In Abwesenheit von Jungen oder jungen Männern können andere Werte in den Vordergrund
gestellt werden. Solidarität in der Gruppe ermöglicht es, Abhängigkeiten zu durchbrechen sowie
Schutz und Stärke durch die Gruppe zu erfahren.
Vermittlung und Durchsetzung eigener Interessen
Mädchen und junge Frauen stellen in Jugendhäusern zumeist die Minderheit dar und sind es dadurch
gewohnt, überstimmt zu werden. Sie nehmen häufig weniger Platz ein, sind zum Teil leiser und angepasster. Diesen weiblichen Heranwachsenden soll ihre Wahlmöglichkeit vermittelt und Raum gegeben
werden, ihre Meinungen und Bedürfnisse zu artikulieren. Zur normalen „Vorherrschaft“ männlicher
Bedürfniserfüllung können sie in der geschlechtshomogenen Gruppe Alternativen für sich finden und
sie gemeinsam äußern und durchsetzen.
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Parteilichkeit der Pädagoginnen
Parteilichkeit bedeutet hier, dass die Bedürfnisse, Interessen und Lebensvorstellungen der Mädchen
und jungen Frauen zum Thema gemacht werden. Die Pädagoginnen begegnen ihrem Klientel authentisch und bringen Wertschätzung und Akzeptanz ihres Wesens entgegen, um eine vertrauensvolle Beziehung zu erreichen. Dabei ist wichtig, dass diese Parteilichkeit gleiche Ausgangsbedingungen für
Mädchen wie auch für Jungen schafft.
Geschlechtsspezifische Arbeit mit Jungen und jungen Männern
Wie das Pendant der geschlechtsspezifischen pädagogischen Arbeit mit Mädchen und jungen Frauen
findet geschlechtsspezifische Jungen- und Männerarbeit in geschlechtshomogenen Räumen statt, die
ausdrücklich von männlichen Pädagogen gestaltet werden. Zugrunde liegt diesem Ansatz die Annahme, dass Jungen und junge Männer einen solchen geschützten geschlechtshomogenen Raum benötigen, um alternative Männlichkeitsbilder kennenlernen und ausprobieren zu können, die von einem
gesellschaftlich normierten, tradierten Männlichkeitsideal abweichen. In einer sich immer stärker pluralisierenden Gesellschaft und vor dem Hintergrund zunehmender Individualisierungsprozesse bietet
gerade diese Herangehensweise geschlechtsspezifischer Arbeit die Möglichkeit, dass der Pädagoge mit
Blick auf das Vorleben alternativer Männlichkeiten als Vorbild auftreten kann und zugleich als ein diesbezüglicher Reflexionspartner zur Verfügung steht. Dabei findet eine generelle Orientierung an den
lebensweltlichen Kontexten beziehungsweise den jeweiligen individuellen Lebenslagen der Heranwachsenden statt. Die je spezifischen Bedürfnisse von Jungen und jungen Männern werden aufgegriffen und reflektiert.
Ziele geschlechtsspezifischer Arbeit mit Jungen und jungen Männern
Kennenlernen von alternativen Männlichkeitskonstruktionen
Grundlegendes Ziel ist, auf Basis der Anerkennung einer Vielfalt von Männlichkeiten, Jungen und jungen Männern die Möglichkeit aufzuzeigen, sich mit Männlichkeiten identifizieren zu können, die von
der gesellschaftlichen Norm abweichen. Das heißt, dass in der pädagogischen Arbeit bewusst auf geschlechtstypische Zuschreibungen von Verhaltensweisen sowie Generalisierungen von Geschlecht verzichtet wird. Jungen und jungen Männern kann somit ermöglicht werden, entwicklungsfördernde Alternativen zu tradierten Geschlechtermustern kennenzulernen und die männlichen Heranwachsenden
in ihrer jeweils individuellen Entwicklung zu bestärken.
Erweiterung von geschlechtsbezogenen Handlungsspielräumen
Jungen und jungen Männern wird im geschützten geschlechtshomogenen Raum ermöglicht, ihre Rolle
in der Gesellschaft, insbesondere in ihrem direkten Umfeld, zu reflektieren. Gesellschaftliche Zuschreibungen und Erwartungen von außen bilden oft Handlungsgrundlage für Heranwachsende. Sich diesen
bewusst zu werden und zugleich mit den eigenen Wünschen und Bedürfnissen abzugleichen, wirkt
geschlechtsstereotypem Verhalten entgegen und ermöglicht Veränderungen hin zu Geschlechtergerechtigkeit.
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Entwicklung einer selbstbewussten Geschlechtsidentität
Geschlechtsspezifische Jungen- und Männerarbeit hat auch zum Ziel, Jungen bei der Entwicklung ihrer
Geschlechtsidentität zu unterstützen. Wichtig hierfür ist, dass ihnen differenzierte Angebote mit entsprechenden Lern- und Erfahrungsräumen eröffnet werden, die eine Vielfalt von Männlichkeiten betont. Hierdurch wird ein Beitrag zur Erweiterung von Handlungsspielräumen im Umgang mit anderen
Männlichkeitskonstruktionen geleistet und Jungen und junge Männer darin unterstützt, zu einer
selbstbewussten Geschlechtsidentität zu gelangen.
Entwicklung von Respekt und Achtung vor dem anderen Geschlecht
Jungen- und Männerarbeit leistet auch einen Beitrag zur Förderung eines respektvollen Kontakts zu
Mädchen und Frauen und wirkt damit auf ein gleichberechtigtes Zusammensein mit dem anderen Geschlecht hin. Hierzu gehört auch eine entsprechende Sensibilisierung für strukturelle Benachteiligungen von Mädchen und Frauen in bestimmten Lebensbereichen.
Cross Work
Der Ansatz des Cross Work ist der jüngste im Bereich der geschlechtsbewussten Pädagogik. Er bezeichnet die geschlechtlich überkreuz gesetzte Arbeit. Das bedeutet, dass sich Pädagoginnen mit Jungen
beziehungsweise jungen Männern und Pädagogen mit Mädchen beziehungsweise jungen Frauen beschäftigen. Für diese Arbeit wird eine hohe Sensibilität und Selbstreflexion der Pädagog*innen vorausgesetzt, ebenso wie die Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen der eigenen Person als auch der
Jugendlichen. Es gilt, bestehende Rollenverständnisse und Geschlechterstereotype zu irritieren und
diese zu erweitern. Durch den Kontakt und die Auseinandersetzung mit gegengeschlechtlichen Pädagog*innen werden in der (Offenen) Kinder- und Jugendarbeit alternative Rollenbilder vorgelebt, die
geschlechtsbezogene Erfahrungen außerhalb des Systems Familie und dem Bereich der familiären Erziehung erweitern.
Chancen und Möglichkeiten liegen bei diesem Ansatz darin, Jungen und jungen Männern sowie Mädchen und jungen Frauen alternative Persönlichkeitskonstruktionen aufzuzeigen und das Verständnis
der bis dato bipolar wahrgenommenen Geschlechter und deren Verhaltensweisen zu erweitern. Den
Jugendlichen und jungen Erwachsenen wird dabei die Möglichkeit geboten, die dem anderen Geschlecht zugeschriebenen Tätigkeiten, Verhaltensweisen und Handlungsstrategien für sich zu übernehmen und am eigenen Geschlecht akzeptieren oder ausprobieren zu können.
Cross Work bietet nicht nur Chancen für Jugendliche beziehungsweise junge Erwachsene. Den Pädagog*innen eröffnen sich Möglichkeiten, sich mit dem jugendkulturellen und persönlichen Sein von Jugendlichen zu beschäftigen, diese zu verstehen und anhand des neu gewonnenen Verständnisses zu
handeln.
Von Seiten der Pädagog*innen wird versucht, durch kontinuierliche Selbstreflexion des eigenen Verhaltens zu überprüfen, wie mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen kommuniziert und umgegangen
wird und somit Einstellungen gegenüber Geschlechterverhältnissen vermittelt werden. Bestehende
Hierarchievorstellungen in Bezug auf diese Verhältnisse sollen zur Korrektur gebracht werden, um ein
gleichberechtigtes Miteinander zu fördern.
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Nicht nur die Hierarchievorstellungen gegenüber Gleichaltrigen stehen im Fokus des Überkreuz-Ansatzes. Das hierarchische Verhältnis der älteren und der jüngeren Position muss ebenso berücksichtigt
werden. Momentane soziale Geschlechterunterschiede sprechen Frauen Autorität und Macht ab, die
sie aufgrund ihrer pädagogischen Rolle zugestanden bekommen. Dieser Umstand führt dazu, dass
Frauen stärker gegen diesen und mit diesem Konflikt arbeiten müssen. Autoritätskonflikte können ins
Team getragen und bei Bedarf paritätisch gelöst werden.
Zusammengefasst sind die Ziele des Cross Work, den Jugendlichen und jungen Erwachsenen Hilfestellung in der Erweiterung ihres (geschlechtsbezogenen) Weltbildes zu geben, anhand einer überkreuz
geschlechtlichen Betreuung alternative Weiblich- und Männlichkeiten aufzuzeigen, bestehende zu irritieren, Grenzen zu setzen und neue Handlungsmöglichkeiten darzulegen.
Arbeit in geschlechtsheterogenen Gruppen
Neben der pädagogischen Arbeit in geschlechtshomogenen Räumen bietet sich in der (Offenen) Kinder- und Jugendarbeit die geschlechtsheterogene Gruppenarbeit an. Zu verstehen ist hier die Arbeit
von Pädagog*innen mit einer Gruppe von Mädchen und Jungen. Diese passiert nicht beiläufig und findet geschlechtsbewusst statt. Voraussetzung dafür ist eine bewusst geführte Gruppenarbeit mit einem
festgeschriebenen Ziel unter dem Thema der Geschlechtergerechtigkeit, angelehnt an die Soziale
Gruppenarbeit. Es ist ein hohes Maß an Sicherheit und Wissen über die eigene Rolle als Pädagog*in
von Nöten sowie das Wissen um die verschiedenen Rollenbilder und Prägungen innerhalb der Gruppe.
Ziele geschlechtsheterogener Gruppenarbeit
Erweiterung der geschlechtsspezifischen Arbeit
Erlernte Elemente aus der geschlechtsspezifischen Arbeit können in der gemischtgeschlechtlichen
Gruppe weitergeführt, reflektiert und angewendet werden. Der Austausch zwischen den Geschlechtern steht hier im Vordergrund.
Schulung der Selbst- und Fremdwahrnehmung
Im direkten Kontakt mit dem anderen Geschlecht können Unterschiede und Gemeinsamkeiten direkt
erlebt werden. Außerdem kann ein Austausch der unterschiedlichen Lebenswelten und Bedürfnisse zu
einem Mehr an Verständnis und Aufklärung führen.
Erweiterung der Eigenständigkeit und des Verantwortungsgefühls
In der heterogenen Gruppe kann das eigene Rollenverständnis überprüft und gefestigt werden. In einem geschützten Rahmen wird die Verantwortung für einen sensiblen Umgang mit dem anderen Geschlecht verdeutlicht.
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Bedeutung der Kategorie „Geschlecht“ in der pädagogischen Praxis
Mit diesen hier vorgestellten Ansätzen findet eine Berücksichtigung des biologischen und des sozialen
Geschlechts statt. Dabei ist den Pädagog*innen stets bewusst, dass in der pädagogischen Praxis nicht
nur die Kategorie „Geschlecht“ eine zentrale Bedeutung einnimmt. Die Lebensentwürfe und -lagen von
Heranwachsenden sind unter anderem geprägt von materiellen Verhältnissen, der sozialen Umgebung, dem Bildungshintergrund, der religiösen Zugehörigkeit, der sexuellen Orientierung, der ethnischen oder kulturellen Herkunft. Das heißt, im Sinne des sogenannten Intersektionalitätsansatzes [5]
ist bei der Gestaltung von pädagogischen Angeboten nicht nur die Geschlechtszugehörigkeit von Heranwachsenden zu berücksichtigen, sondern auch weitere Faktoren, die einen Einfluss auf Lebenslagen
und Lebenschancen junger Menschen haben. Speziell im Zusammenhang mit Geschlecht sind hierbei
auch die sexuelle Orientierung und die Selbstpositionierung innerhalb einer Vielfalt von Geschlechtern
angesprochen.
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Glossar
[1]
Dichotomie
Dichotomie bezeichnet eine Struktur aus genau zwei sich gegenüberstehenden Teilen, mit Blick
auf Geschlecht meint dies die bloße Existenz zweier eindeutiger Geschlechter Mann – Frau.
[2]
Geschlechtsspezifische Arbeit
Geschlechtsspezifische Arbeit meint grundsätzlich die pädagogische Arbeit in
geschlechtshomogenen Räumen. Dabei kann Homogenität nicht nur mit Blick auf das
biologische, sondern auch auf das soziale Geschlecht hergestellt werden.
[3]
Gesellschaftliche Normierung
Hiermit sind soziale Normen gemeint, die das Sozialverhalten betreffen und einem Individuum
innerhalb einer Gesellschaft Handlungsmöglichkeiten in sozialen Situationen eröffnen.
[4]
koedukativ
Koedukativ bedeutet die bewusste Gestaltung gemischtgeschlechtlicher Bildungskontexte.
[5]
Intersektionalitätsansatz
Intersektionalität meint die Überschneidung unterschiedlicher Diskriminierungsdimensionen.
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