Wettbewerbsarbeit zum Wettbewerb

Werbung
Wettbewerbsarbeit zum Wettbewerb
„Christentum und Kultur“
im Fach Religion
zum Thema
Was verbindet einen Ford mit der Bibel?
Christliche Motive in der Werbung
von Johanna Kleinert
Klasse 12
Schuljahr 2005/2006
Alfred-Amann-Gymnasium Bönnigheim
Inhalt
Seite
1. Einleitung
4
2. Bestandsaufnahme
2.1 In welchen aktuellen Medien tauchen religiöse Elemente auf?
2.2 Welche inhaltlichen Thematiken werden aufgegriffen?
2.3 Begriffliches
5
5
6
7
3. Arbeitsvorgänge
3.1 Arbeitsvorgang in der Theologie
3.2 Arbeitsvorgang in der Werbung
8
8
11
4. Religiöse Themen in der Werbung
13
4.1 Thematik „Verführung und Versuchung im Paradies“
13
4.1.1 Beispiele
4.1.1.1 Traum Station
4.1.1.2 Renault Clio
4.1.1.3 Benetton
4.1.1.4 Duloren
4.1.1.5 Industriewerbung Dr. Wilkens
14
4.1.2 Vorkommende christliche Motive und deren Bedeutung in der Theologie 15
4.1.2.1 Das Paradies
4.1.2.2 Adam
4.1.2.3 Eva
4.1.2.4 Die Schlange
4.1.2.5 Der Apfel
4.1.2.6 Die Sünde
4.1.2.7 Die Verführung
4.1.2.8 Die Versuchung
Exkurs: Die Bedeutung der Frau in der Bibel und in der Werbung
18
4.1.3 Bedeutung und Funktion der Motive in der Werbung
4.1.3.1 Traum Station
4.1.3.2 Renault Clio
4.1.3.3 Benetton
4.1.3.4 Duloren
4.1.3.5 Industriewerbung Dr. Wilkens
20
4.1.4 Zwischenergebnis
24
Seite
4.2 Thematik „Wer oder was ist Gott?“
25
4.2.1 Beispiele
4.2.1.1 Ford
4.2.1.2 Mustang
4.2.1.3 Honda
4.2.1.4 Opel
25
4.2.2 Vorkommende christliche Themen und deren Bedeutung in der Theologie 26
4.2.2.1 Aussagen über Gott allgemein
4.2.2.2 Die Beziehung zwischen Mensch und Gott
4.2.2.2.1 Die Zehn Gebote: Gottes Erwartung
4.2.2.2.2 Das Verhalten des Menschen
4.2.2.3 Die Notwendigkeit des biblischen Gottes für den Menschen
4.2.2.4 Der Absolutheitsanspruch des Christentums
4.2.2.5 Das Götzentum und Naturgötter
Exkurs: Das Gottesbild im Islam
30
4.2.3 Bedeutung und Funktion der Themen in der Werbung
4.2.3.1 Ford
4.2.3.2 Mustang
4.2.3.3 Honda
4.2.3.4 Opel
33
4.2.4 Zwischenergebnis
34
5. Fragestellung: Wird die Werbung der Theologie gerecht?
36
6. Diskussion: Ist dieser Umgang mit christlichen Elementen akzeptabel?
37
Literaturverzeichnis
40
Anhang
1. Einleitung
Schon vor längerer Zeit wunderte ich mich einmal über das Titelblatt einer Zeitschrift, die im
Wartezimmer meines Hausarztes zum Durchblättern auslag. Es war die Titelseite eines
Spiegel-Magazines1: Es zeigt eine große gemalte Darstellung eines alten, bärtigen Mannes in
weiten Gewändern vor schwarzem Hintergrund. An seinem linken Zeigefinger liegt das
Zentrum eines galaxieähnlichen Gebildes.
Unter der Abbildung steht in Großbuchstaben: „Gottes Urknall – Kosmologie an der Grenze
zur Religion.“ 2
Eine ähnlich verblüffende Wirkung hat auch beispielsweise eine Werbung des
Modeunternehmens René Lezard auf mich. Die doppelseitige Anzeige3 ist völlig schlicht, nur
in schwarzweiß. Schlichte Anzeigen, und besonders Schwarzweißfotografien faszinieren
mich. Man muss nicht lange hinschauen, um zu verstehen, aber trotzdem kann man bei
genauerem Betrachten noch so viel erkennen.
Auf der rechten Seite dieser Anzeige ist der Rücken einer nackten sitzenden Frau abgebildet.
Sie hat die rechte Schulter nach oben gezogen und lässt den Kopf nach vorne hängen. Die
Arme sind vor dem Körper angewinkelt, man sieht sie also nur bis zum Ellenbogen. Es sieht
aus, als ob sich diese Person schämt. Sie ist so zusammengekauert, dass man schon fast
Mitleid bekommt.
Die linke Seite der Anzeige ist fast völlig weiß. In der Mitte steht in Großbuchstaben, aber
kleiner Schrift: „Gott hat den Menschen nicht geschaffen, damit er sich lieblos anzieht.“ Ganz
unten auf der linken Seite ist nur noch das Zeichen der Firma zu sehen.
Diese Werbung fasziniert mich. Sowohl die äußeren, formalen Aspekte, als auch die
inhaltliche Aussage finde ich sehr interessant.
Sie ist sehr schlicht und einfach und doch beeindruckend. Und sie stellt Gott ganz
selbstverständlich als den Schöpfer des Menschen dar. Sie macht deutlich, dass der Mensch
von Gott die Verantwortung für seinen Körper und dessen Kleidung empfangen hat, und sie
ermahnt dazu, diese Verantwortung doch ernst zu nehmen. Man sollte mehr Sorge für seinen
Körper und seine Kleidung tragen.
Ich bin etwas verwundert. Warum taucht in dieser scheinbar so gottlosen Welt plötzlich Gott
in einer Werbung für Mode auf? Passt er da überhaupt hinein? Gott als Werbemittel?
Und wie kommen die Initiatoren dieser Werbung darauf, den christlichen Glauben als
Grundeinstellung der Gesellschaft vorauszusetzen? Ist das so üblich in der Werbung? Glaubt
die Gesellschaft überhaupt noch an Gott? Nimmt sie eine Verantwortung ihm gegenüber noch
ernst oder überhaupt wahr?
Und ist diese Werbung ein Einzelfall? Oder gibt es da vielleicht noch viel mehr Anspielungen
auf die Religion in Werbungen?
Wie gehen die Medien im Allgemeinen mit der Religion um? Tun sie dies sachgemäß, achten
sie die Religion, oder ist eher das Gegenteil der Fall?
Und was sagt überhaupt die Religion selbst dazu? Ist das ok, was die Werbung einem da über
Gott erzählt? Stimmt das so?
Und ist das alles gerechtfertigt?
Ich werde neugierig auf das Thema. Wenn ich durch verschiedene Zeitschriften blättere, finde
ich in fast jeder davon Werbungen, die konkrete Anspielungen auf die Kirche, Gott,
Bibelstellen, den christlichen Glauben oder auch andere Religionen enthalten. Und die
Werbung in Zeitschriften ist nicht der einzige Ort, wo solche Anspielungen vorkommen.
1
Anhang 1.1, Titelblatt Spiegel
In eben dieser Zeitung befindet sich auf den Seiten 42/43 die in Kapitel 4.2 behandelte Werbung von Honda.
3
Anhang 1.2, René Lezard
2
4
Religiöse Symbole und Textteile sind in den heutigen Medien überaus präsent. Wenn man
erst einmal nach ihnen sucht, findet man sie überall.
In meiner Arbeit habe ich mich nun näher mit dieser Thematik beschäftigt und bin einigen der
oben gestellten Fragen auf den Grund gegangen.
2. Bestandsaufnahme
2.1 In welchen aktuellen Medien tauchen religiöse Elemente auf?
Das Spektrum der Medien, in denen religiöse Elemente vorkommen, ist sehr breit gefächert.
Eigentlich kann man sagen, dass es kein Medium gibt, in dem die Religion gar nicht
vorkommt.
Da gibt es zum Beispiel das Fernsehen: In zahlreichen Spielfilmen geht es um die Religion.
Viele Hauptpersonen in Spielfilmen geraten in schwierige Zwickmühlen zwischen Glaube
und Leidenschaft. Daneben gibt es biographische Verfilmungen der Lebenswege von
bedeutenden Theologen wie Luther oder Bonhoeffer. In Nachrichtensendungen im TV ist
regelmäßig vom Papst die Rede, und wenn es einen neuen gibt, verursacht das einen
Medienrummel bedeutenden Ausmaßes. Dokumentationsfilme über berühmte Klöster und
Kirchen sind ebenso häufig wie Übertragungen von Gottesdiensten im Fernsehen.
Auch in der Fernsehwerbung kommen häufig deutliche, aber auch oft kleine, unbemerkte
Anspielungen auf christliche Bilder und Traditionen vor.
Das Kino hebt sich in diesem Punkt wenig von dem Fernsehen ab: Bekannte Kinofilme
handeln von den Kreuzzügen oder von lustigen Nonnen, und auch Filme, die auf den ersten
Blick gar nichts mit Religion zu tun haben, wie die Trilogie Matrix zum Beispiel, greifen
unter anderem sehr viele christliche Grundgedanken wie die Taufe oder den Erlösergedanken
auf.
Auch das Radio, das nächste bedeutende Medium, ist voll von Anspielungen auf Religion.
Sehr viele Radiosender übertragen ein- bis zweimal am Tag „Gedanken zum Tag“ oder
ähnliches, kurze Radioandachten zur Besinnung für die breite Masse. Und auch im Radio
bedient sich die Werbung am großen Fundus der christlichen Motive.
Die über das Radio verbreitete Popmusik handelt häufig von Gebeten („Like a prayer“4), von
der verloren gegangenen Nächstenliebe („Where is the love?“5), oder Gott wird laut gelobt
(„… I just wanna praise you…“6). Es gibt außerdem in Deutschland eine Reihe christlicher
Popbands wie die Söhne Mannheims zum Beispiel, die auch zunehmend Zugang zu den
offiziellen Charts finden.
Tages- und Wochenzeitschriften berichten ebenfalls immer wieder von berühmten Theologen,
von kirchlichen Ereignissen, Konflikten innerhalb der Kirche oder von Konflikten zwischen
verschiedenen Religionen. Und auch hier greift vor allem die Werbung häufig auf Textstücke
und bildhafte Motive aus der christlichen Religion zurück.
Eine weitere Art gedruckter Medien, die Bücher, beschäftigt sich ebenfalls auf sehr
unterschiedliche Art und Weise mit dem Thema der Religion. Neben einem riesigen
Sortiment an theologischen Büchern gibt es zahlreiche Romane, wie zum Beispiel das zurzeit
sehr bekannte und auch verfilmte Buch „Sakrileg“ von Dan Brown, die sich in ihrer Handlung
mit dem Christentum, seinen Grundsätzen und seinen Ursprüngen auseinandersetzen.
4
Titel eines Songs von Madonna
Titel eines Songs der Black Eyed Peas
6
Auszug aus dem Text des Songs „Shackles“ von Mary Mary
5
5
Das Internet, das jüngste und modernste Medium, hat auch seine religiösen Seiten. Neben
Bibel-Konkordanzen (z.B. http://www.bibel-konkordanz.de) und offiziellen Seiten der
deutschen Kirchen (z.B. www.ekd.de) findet man Seiten zur Vorbereitung von Andachten
und Hilfestellungen zur Jungschargruppenleitung (z.B. www.jungschar.com). Die Werbung
spielt auch hier wieder eine bedeutende Rolle, und sie verwendet, wie alle vorher erwähnten
Arten der Werbung, sehr oft Elemente aus der Religion.
Christliche Bilder und Textstücke kommen also wirklich überall vor. Besonders interessant ist
die Werbung, die ja nahezu in jedem Medium vorkommt und auffallend oft auf christliches
Gedankengut zurückgreift.
Um den Umfang meiner Arbeit ein wenig einzugrenzen, werde ich mich im Folgenden nun
ausschließlich mit den gedruckten Anzeigen in Zeitschriften befassen.
Die Beispielanzeigen, von denen ich bei meiner Arbeit ausgegangen bin, habe ich
ausschließlich von der Seite www.glauben-und-kaufen.de bezogen. Auf dieser Seite sind
mehr als sechshundert gedruckte Anzeigen, die inhaltlich Themengebiete in Verbindung mit
Religion ansprechen, gesammelt.7
2.2 Welche inhaltlichen Thematiken werden aufgegriffen?
Auch die inhaltlichen Themen, die mit der christlichen Religion in Verbindung stehen und in
den Medien aufgegriffen werden, sind kaum einzugrenzen.
Die verwendeten religiösen Motive sind nicht allein dem Christentum, sondern teilweise auch
anderen Religionen entnommen.
Besonders oft werden jedoch typisch christliche Bilder verwendet, die von einem
außerordentlichen Bekanntheitsgrad sind. Das Gemälde „Die Erschaffung Adams“ von
Michelangelo Buonarroti aus der sixtinischen Kapelle zum Beispiel wird genauso häufig
zitiert wie das Bild der heiligen Maria oder auch des sterbenden Jesus. Das Paradies und der
Sündenfall, der Apfel als Mittel zur Verführung oder Versuchung werden ebenfalls sehr oft
aufgegriffen.
Auch christliche Symbole wie beispielsweise der Fisch oder das Kreuz kommen oft vor. Das
Kreuz findet schon allein wegen seiner momentanen Popularität in der Jugendkultur häufig
Verwendung: Viele Popmusiker und Jugendidole tragen zurzeit besonders auffallende
Exemplare an langen Halsketten. Die Beliebtheit dieses Symbols wirkt sich natürlich auch auf
dessen Präsenz in den Medien und besonders in der Werbung aus.
Ein gern verwendetes typisch christliches Bild ist auch das der Engel. Vor allem die
traditionelle Vorstellung von Kindern oder jungen Frauen in weißen Gewändern und mit
Heiligenschein und Flügeln wird oft zu Werbezwecken herangezogen. Diese Engel sitzen
dann meist auf Wolken oder schweben durch den Himmel, wie zum Beispiel in der bekannten
Philadelphia-Streichkäsewerbung.
Manche Filme aus Hollywood handeln von christlichen Glaubensgrundsätzen. Der Film
„Bruce allmächtig“ behandelt beispielsweise, wenn auch nicht ganz ernsthaft, die Fragen nach
Gottes Allmacht und Gebetserhörung. In sehr vielen Filmen kommen zudem Heldenfiguren
vor, die ähnlich wie Jesus die Welt retten und die Menschheit erlösen sollen.
In vielen historischen Büchern wird die Persönlichkeit Jesu in den Mittelpunkt von
geschichtlichen Forschungen gestellt. Er ist auch für heutige Forscher oder auch Philosophen
eine äußerst interessante Person, mit der sich auch immer wieder große wissenschaftliche
Artikel in Wochenzeitschriften befassen.
7
Da auf dieser Seite geistiges Eigentum geschützt werden soll, ist das Speichern der Anzeigen auf dem eigenen
PC bewusst durch technische Fallen erschwert. Um die kommerzielle Nutzung der Abbildungen auszuschließen
ist dieser Schutz notwendig.
6
Zwar kein direkt christliches Themengebiet, aber durchaus ein mit dem Christentum in
Verbindung stehendes, ist das Themengebiet des Satanskultes. Denn Darstellungen von
kleinen Teufelchen, die „höllisch scharfe“ Chips oder ähnliches bewerben wollen, sind fast
genauso häufig wie Darstellungen von Engelchen. Auch wenn diese Figuren meist nicht
direkt mit dem Christentum in Verbindung gebracht werden, rühren ihre Ursprünge doch von
traditionell christlichem Gedankengut her.
Auch religiöse Personen spielen in der Medienlandschaft eine große Rolle: In sehr vielen
Filmen geht es um Nonnen oder Priester, Pfarrer werden zu Fernsehtalkshows eingeladen und
die Ansprachen des Papstes werden weltweit im Fernsehen übertragen.
Auf christliche Rituale wie beispielsweise Hochzeit, Taufe und Beerdigung wird ebenfalls
nicht selten Bezug genommen. Denn welcher kitschige Roman oder Märchenfilm endet nicht
mit der Hochzeit des Traumpaares? Auch wenn diese Rituale oberflächlich für viele keine
Verbindung mehr zur eigentlichen Religion haben, entstanden auch sie aus dem Christentum.
Neben christlichen Bildern, Symbolen, Personen und Ritualen ist auch die christliche Sprache
ein scheinbar unerschöpflicher Fundus von zu Werbezwecken verwendbarem Material. Viele
aus der Bibel oder den Glaubensgrundsätzen bekannte Textstellen, die einen großen Einfluss
auf den allgemeinen Sprachgebrauch hatten und immer noch haben, finden sich in
Werbungen wieder. Durch kleine Veränderungen des Wortlautes wird häufig aus einem
Glaubensgrundsatz ein Werbeslogan. Es werden zum Beispiel elfte Gebote aufgestellt, oder
es werden bekannte Sätze aus dem Vaterunser herangezogen.
Zu guter letzt werden in der Werbung und auch allgemein in den Medien oft wichtige
Fragestellungen behandelt, wie zum Beispiel moralische Fragen nach der Rechtfertigung der
Sünde oder der Verführung, oder auch existentielle Fragen, wie die Sinnfrage, die Frage nach
dem Tod, dach dem Lebensglück oder nach dem Ewigen Leben.
Diese Fragen haben für die heutige Gesellschaft eine sehr große Bedeutung, vielleicht sogar
eine größere als früher. Denn früher wurden solche Menschheitsfragen noch klar und konkret
von der Kirche und der Religion beantwortet, heute dagegen, da es kein feststehendes
Weltbild mehr gibt, muss jeder Mensch seine eigene Antwort auf diese Fragen finden.
Bei der Beantwortung dieser Fragen nehmen die Medien verschiedene Möglichkeiten wahr.
Teilweise werden sie auch in der heutigen Gesellschaft mit dem christlichen Glauben
beantwortet, teilweise schlagen die Medien einen Religionsersatz vor.
Um mich auch bei den inhaltlichen Punkten etwas zu spezialisieren, habe ich meinen
Schwerpunkt auf die beiden Themengebiete „Verführung und Versuchung im Paradies“ und
„Wer oder was ist Gott?“ gelegt.
2.3 Begriffliches
Wie kann man diese vorkommenden christlichen Bild- oder Textbestandteile nennen?
Motiv:
Ein Motiv ist im Allgemeinen ein prägender Bestandteil einer bildhaften Darstellung8. Es
kann, muss aber nicht immer eine symbolische Bedeutung haben.
Oft werden auch kleinere, weniger zentrale aber mit einer Bedeutung verbundene Bausteine
einer Abbildung als Motive bezeichnet.
8
Vgl: http://de.wikipedia.org Artikel zu „Motiv“
7
Symbol:
Ein Symbol ist ein Sinnbild, ein bedeutungsvolles Zeichen für einen häufig übersinnlichen
Begriff.9
Ein Symbol hat häufig für jeden Menschen eine andere Bedeutung, es gibt einen
Interpretationsspielraum. In unterschiedlichen Zusammenhängen kommen diesen
Bedeutungsträgern oft auch unterschiedliche Aussagen zu.
Ein anderes Wort für Symbol ist „Emblem“.
Metapher:
Eine Metapher ist ein durch einen Vergleich zustande kommender bildlicher Ausdruck10. Ein
Zusammenhang wird bildlich übertragen dargestellt. Zwischen dem gemeinten und dem
bildlichen Zusammenhang besteht eine Ähnlichkeit.
Allegorie:
Eine Allegorie bedeutet die Darstellung eines oft abstrakten Begriffs in einem Bild. Sie ist
einer Metapher ähnlich, ihre Bedeutung geht aber über die einer Metapher hinaus. Sie gilt als
„fortgesetzte, d.h. über ein Einzelwort hinausgehende Metapher“11.
Element:
Ein Element ist ein Grundbestandteil eines Textes oder Bildes12. Elemente sind kleinste
Bausteine, die wiederum symbolischen Charakter besitzen können.
Thema:
Ein Thema ist der mehreren Dingen zugrunde liegende Grund- oder Leitgedanke13. Gleiche
oder ähnliche Symbole weisen oft in verschiedenen Bildern auf dieselbe Thematik hin.
3. Arbeitsvorgänge
3.1 Arbeitsvorgang in der Theologie
Die Theologie wird folgendermaßen definiert:
„Theologie ist die wissenschaftliche, methodische, historische bzw. systematische Entfaltung
des in einer theistischen Religion im Glauben der Gläubigen und in der verkündeten
Offenbarung vorhandenen Glaubensgutes.“14
Theologie hat das Ziel, biblische Texte aufzuschließen und verständlich zu machen. Es soll
eine unabhängig von der Zeitgeschichte gültige Aussage gefunden werden, und diese soll auf
die heutigen gesellschaftlichen Zustände übertragbar gemacht werden. Zudem dienen die
theologischen Methoden dazu, die Sachgemäßheit der kirchlichen Aussagen kritisch zu
überdenken, und die Aussagen neueren Erkenntnissen anzupassen.
In der Theologie werden also dieselben Methoden, die auch in Bezug auf andere historische
Texte verwendet werden, im Umgang mit biblischen Texten angewandt. Man nennt dies auch
den „historisch-kritischen Zugang“ zur Bibel.
9
Vgl: Meyers Lexikonredaktion, Meyers Taschen Lexikon A-Z, Mannheim, 2001, S. 694, Artikel zu „Symbol“
Vgl: Meyers Lexikonredaktion, Meyers Taschen Lexikon A-Z, Mannheim, 2001, S. 694, Artikel zu „Metapher“
11
http://de.wikipedia.org Artikel zu „Allegorie“
12
Vgl: http://de.wikipedia.org Artikel zu „Element“
13
Vgl: http://de.wikipedia.org Artikel zu „Thema“
14
Meyers Lexikonredaktion, Meyers Taschen Lexikon A-Z, Mannheim, 2001, S. 694, Artikel zu „Theologie“
10
8
Hierbei werden verschiedene Fragen im Zusammenhang mit dem Text geklärt:
Die Textkritik untersucht durch den Vergleich von mehreren Handschriften, sich dem
ursprünglichen Text immer mehr anzunähern. Die Literarkritik beschäftigt sich mit der
Fragestellung, aus welchen verschiedenen Quellen ein Buch zusammengesetzt ist. Hierzu
wird der innere Zusammenhang des Textes untersucht, und Widersprüche oder Brüche
werden herausgearbeitet. So können die Textstellen in Abschriften, Ergänzungen,
Überleitungen etc untergliedert werden. Die Form oder Gattung, zu der die Texte gehören,
wird durch die Formkritik überprüft. Die Überlieferungskritik versucht, den genauen Weg
von der mündlichen Überlieferung bis zum schriftlichen Resultat zu rekonstruieren, und die
Redaktionskritik klärt, wie die biblischen Bücher zusammengestellt wurden, und was sich
dadurch am Text verändert hat.
Bei der folgenden konkreten Auslegung der Bibelstellen werden bestimmte Aspekte
berücksichtigt, wie z.B. die Zeitgeschichte, die sozialen Verhältnisse zu dieser Zeit, die
sprachlichen Besonderheiten des Griechisch und Hebräisch, die Ergebnisse der
vergleichenden Religionswissenschaften und archäologischen Forschungen.
Neben dieser historisch-kritischen Exegese, wie sie hauptsächlich in der Theologie betrieben
wird, gibt es noch andere, weniger wissenschaftliche Zugänge zu biblischen Texten, wie zum
Beispiel die feministische Bibelauslegung oder das wörtliche Bibelverständnis, das eindeutig
im Widerspruch zu der modernen theologischen Wissenschaft steht.
Ein wichtiges Prinzip in der Theologie ist die Hermeneutik. Das Wort kommt aus dem
Griechischen und bedeutet so viel wie „aussagen, erklären, übersetzen“15. Hermeneutik ist
somit die Lehre vom Verstehen und Interpretieren von Texten.
Anhand eines Kommunikationsmodells kann gezeigt werden, welche Theorie der
Hermeneutik zugrunde liegt:
Entscheidende Bedeutung kommt also dem Vorwissen des Empfängers zu, seiner
Grundeinstellung, und seinen Lebensumständen. Von diesen Faktoren wird das
Textverständnis, also die Reaktion, entscheidend beeinflusst. So sind die Aussagen, die
Theologen verschiedener Konfessionen oder verschiedener Auffassungen aus ein und
demselben Text herauslesen, oft sehr unterschiedlich.
Das Verstehen, also die Erkenntnis über die Aussageabsicht eines Textes, ist zudem nach der
Lehre der Hermeneutik nicht eine einmalige Angelegenheit, die schnell abgeschlossen ist,
sondern ein nie endender Prozess, indem etwas Fremdes nach und nach zu etwas immer mehr
Vertrautem werden kann.
Diesen Prozess beschreibt der so genannte „hermeneutische Zirkel“: Er führt von einem
Vorverständnis eines Textes über die intensive Beschäftigung und die historisch-kritische
Betrachtung zu der hermeneutischen Erfahrung. Sie bringt den Ausleger schließlich zu einem
erweiterten Erkenntnisstand über einen Text. Doch weil auch dieser erweiterte Kenntnisstand
mit der Zeit veraltet oder überholt wird und in jedem Fall unvollständig ist, führt er über die
erneute Beschäftigung zu einer neuen hermeneutischen Erfahrung. Somit bildet der
hermeneutische Zirkel einen Kreislauf des Verstehens:
15
Galling, RGG³, Berlin, 2000, S. 13602, Artikel zu „Hermeneutik“
9
Heftig umstritten ist die Frage, ob die Theologie eine Wissenschaft ist, oder nicht. Viele, vor
allem nichtchristliche Vertreter anderer Wissenschaften sind dagegen, die Theologie eine
Wissenschaft zu nennen. Sie meinen, dass die theologischen Aussagen und Thesen nicht
falsifiziert werden können, was eigentlich notwendig ist in einer Wissenschaft. Eine
Wissenschaft lebt davon, dass Thesen aufgestellt und widerlegt, verteidigt und verworfen
werden können. Aussagen von solch existentiellem Charakter wie Glaubensaussagen können
allerdings nur schwer widerlegt werden. Genauso wenig, wie die theologischen Aussagen
falsifiziert werden können, kann auch ihre Gültigkeit nachgewiesen werden. Die Theologie
lebt allein von hermeneutischen Erfahrungen. Die Nachweisbarkeit einer Aussage ist
allerdings für herkömmliche Wissenschaften von großer Bedeutung. Die Theologie sei
außerdem keine Wissenschaft, weil sie auf einem gewissen Grundglauben begründet ist. Ein
Gegner des Christentums wird niemals ein Theologe sein können, denn um theologisch zu
arbeiten, muss man mit einer bestimmten offenen Grundhaltung den biblischen Texten
gegenüber ans Werk gehen.
Die meisten Theologen hingegen sind davon überzeugt, dass die Theologie eine Wissenschaft
ist. Sie erklären, dass nur in ihrem Arbeitsvorgang ein sachgemäßer Umgang mit dieser
Thematik gewährleistet ist. Eine Auseinandersetzung mit biblischen Texten mithilfe von
naturwissenschaftlichen Methoden sei schlicht unangebracht.
Sie pochen auf die jüngere Definition der Wissenschaft. Dieser Definition zufolge muss eine
Wissenschaft drei Kriterien erfüllen: die „Einheit des Objekts“ der Wissenschaft, die
„methodische Erarbeitung der Resultate, und deren systematische Darstellung“16.
Dieser Definition nach müsste die Theologie also weiterhin als Wissenschaft gelten, was zum
Beispiel die Vertretung des Studiengangs der Theologie an staatlichen Hochschulen
verteidigen würde.
Aber auch die Wissenschaftlichkeit der Theologie dient nur dem Ziel, die Aussagen der Bibel
zum Zweck der Verkündigung in der heutigen Gesellschaft aufzuschließen, verständlich zu
machen, und neu zu deuten.
Sie ist somit das Bekenntnis dazu, dass „die ewige Wahrheit Gottes je neue Aneignung
verlangt, weil die bleibende Wahrheit in den neuen Erfahrungen jeder Generation neu gelebt
und neu erlitten werden muss, um so als die eine dennoch neu ausgesagt zu werden.“17
Theologie ist also eine Wissenschaft, die einem Christen in seinem alltäglichen Leben mit
Gott weiter bringen soll. Sie kümmert sich um die Geschichte als „ein dialogisches Verhältnis
zwischen Gott und Mensch“18. Sie soll die Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit bringen.
16
Galling, RGG³, Berlin, 2000, S. 32723, Artikel zu „Theologie“
Galling, RGG³, Berlin, 2000, S. 32726, Artikel zu „Theologie“
18
Galling, RGG³, Berlin, 2000, S. 32711, Artikel zu „Theologie“
17
10
Sie behandelt existentielle Fragen der Menschheit und betrifft daher mit dem Glauben eine
wichtige Lebensgrundlage eines jeden Christen.
3.2 Arbeitsvorgang in der Werbung
Ein völlig anderes Ziel und somit auch eine ganz andere Arbeitsweise als die Theologie hat
die Werbung.
Ihr vorrangiges Ziel ist es, den Absatz eines Produktes und somit den Umsatz eines
Unternehmens zu steigern.
Werbung soll einen potentiellen Kunden auf ein Angebot aufmerksam machen und in ihm ein
Bedürfnis nach einem Produkt wecken. Sie soll Informationen, aber auch Gefühle und
Einstellungen vermitteln, und dem Produkt oder dem Unternehmen zu einem positiven Image
verhelfen.
Hierzu müssen im Vorfeld verschiedene Überlegungen angestellt werden:
Es muss eine Zielgruppe für ein Produkt definiert werden. Für jedes Produkt gibt es eine
bestimmte Personengruppe, die einen Großteil der Kunden darstellt. Diese Gruppe muss
gefunden und charakterisiert werden. Anhand von den typischen Bedürfnissen dieser Gruppe
wird eine Aussage konzipiert, die verspricht, dass die Befriedigung dieser Bedürfnisse in
Verbindung mit einem Produkt eintrifft.
Wenn eine Werbung keine bestimmte Zielgruppe hat, oder einen möglichst großen Teil der
Bevölkerung ansprechen soll, dann wird oft auf bestimmte Urwünsche oder –sehnsüchte, zu
denen jeder Mensch neigt, Bezug genommen. Solche Sehnsüchte sind zum Beispiel die
Sehnsüchte nach Ursprünglichkeit, Harmonie, Sinn im Leben oder Spiritualität. Dies sind
eben die Themen, worauf die Religion eine Antwort gibt. Somit ist es verständlich, dass in der
Werbung oft auf die Religion Bezug genommen wird.
Um einen größtmöglichen Zugang zu der Zielgruppe zu finden, werden passende Werbeträger
gesucht: Plakate an Bahnhöfen, Anzeigen in Zeitschriften, Werbespots in bestimmten
Fernsehsendern zu einer bestimmten Sendezeit oder Radiowerbung auf einem Sender mit
einem passenden Profil.
Die Aussage wird schließlich entsprechend des Werbeträgers mit Bildern und/oder Tönen
kombiniert, die dazu dienen, möglichst viele Reize auszulösen und so dazu beitragen, dass die
Aussage beim Betrachter ankommt und im Gedächtnis gespeichert wird. Denn um gespeichert
zu werden, muss eine Information zunächst einmal die Wahrnehmungsschwelle
überschreiten.
In unserer heutigen Informationsgesellschaft nehmen wir Menschen nur ca zwei Prozent aller
Informationen bewusst wahr und speichern sie dauerhaft. Die durchschnittliche Zeit, in der
ein Leser eine ganzseitige Zeitschriftanzeige betrachtet, liegt zu dem unter zwei Sekunden.19
Daher muss sich die Werbung formaler und inhaltlicher Mittel bedienen, um zunächst die
Aufmerksamkeit der Adressaten zu steigern und schließlich die Werbeaussagen schnell und
eindeutig in den Gedächtnissen zu verankern.
Die formalen Aspekte beinhalten zum Beispiel die prägnante oder auffällige Gestaltung einer
Anzeige, und die Anordnung der Elemente, das Spiel mit Sprache und Abbildung.
Im Allgemeinen bedient sich die Werbung sehr häufig der Abbildung von Bildern.
Informationen oder Stimmungen, die durch Bilder vermittelt werden, sind einfacher
aufzunehmen als dieselben in Textform. Besondere Motive wie die Abbildungen von
menschlichen Körpern oder Gesichtern steigern die Aufmerksamkeit.
Farben spielen ebenfalls eine große Rolle. Sie verursachen Emotionen, und führen
nachweislich zu höheren Erinnerungswerten als Schwarzweißanzeigen. Sie können die
19
Vgl: Schneider, Werbung in Theorie und Praxis, Waiblingen, 2000, S. 349
11
Aussage entscheidend verstärken oder bei ungeschickter Anwendung auch entkräften.
Signalfarben ziehen Blicke stärker auf sich als gedeckte, unauffällige Töne.
Auch die Größe beeinflusst die Wahrnehmung einer Werbung: Eine doppelseitige Anzeige
wird länger betrachtet als eine einseitige, ein großes Plakat sticht mehr ins Auge als ein
kleines.
Der Text einer Anzeige sollte besonders eingängig gestaltet sein: Wortspiele, die altbekannte
Zitate oder Sprichwörter verändern, sind genauso häufig wie Reime oder
Wortneuschöpfungen.
Die Elemente, die besonders die Interessens- oder Problembereiche einer Zielgruppe
ansprechen, sind die inhaltlichen Aspekte. Der gleiche Reiz ruft bei unterschiedlichen
Personen oder Personengruppen völlig verschiedene Wahrnehmungsprozesse aus: Kinder
fühlen sich von Comicfiguren angesprochen, erwachsene Männer haben bei erotischen
Motiven einen relativ hohen Aufmerksamkeitsgrad. Kindergesichter oder junge Tiere sind
Motive, die allgemein eine hohe Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Je nach Zielgruppe kann also speziell auf die jeweiligen Interessens- und Problembereiche
eingegangen werden.
Wenn diese Aspekte berücksichtigt werden, wird die Werbebotschaft umso häufiger und
schneller wahrgenommen.
Sie hat das Ziel, Informationen, häufiger aber Emotionen zu vermitteln. Ein Verbraucher soll
dazu bewegt werden, mit einer Marke ein bestimmtes Gefühl zu verbinden. So soll seine
Einstellung und seine Verhaltensweise in Bezug auf ein Produkt verändert werden.
Dies gelingt am besten, wenn die Aussage kurz und einfach ist, denn einfache Dinge merkt
sich das Gedächtnis wesentlich schneller und leichter, als komplexe Zusammenhänge. Es
muss gewährleistet sein, dass das Wichtigste schnell und richtig beim Betrachter ankommt.
Die Werbebotschaft wird auch sehr häufig durch eine Modellperson („Testimonial“)
transportiert. Diese kann berühmt sein („Celebrity“), oder auch ganz alltäglich. Es ist wichtig,
dass die Zielgruppe gut mit der Person identifizieren kann. In der Werbung wird im
Folgenden ein Erfolg versprochen, der beim Gebrauch eines bestimmten Produkts eintritt. Der
Zusammenhang zwischen Gebrauch des Produkts und Erfolg muss klar erkennbar sein. Durch
die guten Erfahrungen anderer Leute sollen die potentiellen Kunden von der Qualität eines
Angebots überzeugt werden.
Ebenfalls bedeutend für jede Art von Werbung ist die Häufigkeit der Konfrontation. Von
dieser Häufigkeit hängen die Aufmerksamkeit und die Erinnerung an ein Produkt maßgeblich
ab. Wird ein Verbraucher sehr häufig in einem kurzen Zeitraum mit einer Anzeige
konfrontiert, steigen die Erinnerungswerte rasch an und erreichen bald einen relativ hohen
Maximalwert. Wird der Konsument jedoch nur selten, aber über einen längeren Zeitraum mit
einer Werbung konfrontiert, steigen die Erinnerungswerte langsam, jedoch sind sie auch
dauerhaft. 20
Je nach Ziel der Werbung wird also die Häufigkeit der Wiederholungen unterschiedlich
gewählt werden. Für eine kurzfristige Aktion wird eher häufig über einen kurzen Zeitraum
geworben, für eine langfristige Veränderung des Images eines Unternehmens wird die
seltenere Werbung über längere Zeiträume gewählt.
Auch das Werbeumfeld ist von Bedeutung für die Aufmerksamkeit, die einer Werbung
geschenkt wird. Nachgewiesenerweise kommt einer Werbung, die im Kontrast zu ihrem
Umfeld steht, eine größere Aufmerksamkeit zu als einer anderen, die ihrer Umgebung ähnelt.
20
Vgl: Schneider, Werbung in Theorie und Praxis, Waiblingen, 2000, S. 331
12
Besonders niedrig ist die Aufmerksamkeit im Umfeld von anderen Dingen, die eine hohe
Aufmerksamkeit erfordern: Nach schockierenden Nachrichten sind Zuschauer
nachgewiesenermaßen viel weniger aufmerksam als nach ruhigen Naturdokumentationen.
Neben der überschwelligen Werbung, die bisher ausschließlich behandelt wurde, und die die
Werbung als solche offensichtlich macht, gibt es die immer häufiger werdende so genannte
unterschwellige Werbung. Sie ist ein Resultat der Informationsüberflutung. Da das
Bewusstsein in unserer Gesellschaft zu vielen Reizen ausgesetzt ist, daher immer unsensibler
für Reize wird und einen Großteil als „überflüssige“ Information herausfiltert, wird bei der
unterschwelligen Werbung vor allem das Unterbewusstsein angesprochen.
Sie ist für den Normalverbraucher also nicht sofort erkennbar. Ihr Ziel ist es demzufolge auch
nicht, eine Aussage durch direkte Werbung im Bewusstsein zu verankern, sondern eher, das
Kaufverhalten über das Unterbewusstsein zu beeinflussen.
Dies geschieht zum Beispiel durch Einsatz von Düften oder Hintergrundmusik in
Verkaufsräumen, oder durch nebensächliches Vorkommen von bestimmten Produkten in
Spielfilmen („Product Placement“).
Obwohl der Verbraucher angibt, diesen Reiz nicht bemerkt zu haben, wird sein
Unterbewusstsein und somit seine Bedürfnisse und sein Kaufverhalten beeinflusst.
4. Religiöse Themen in der Werbung
4.1 Thematik „Verführung und Versuchung im Paradies“
Ein Thema, das besonders häufig in der Werbung angeschnitten wird, ist das Gebiet der
„Verführung“ oder „Versuchung“. Gerade, weil es nicht nur im Christentum eine Bedeutung
hat, sondern im Laufe der Zeit auch im allgemeinen deutschen Sprachschatz eine nicht
religiöse Verwendung gefunden hat, ist es ein sehr interessantes Thema.
Man kann es folglich aus zwei verschiedenen Sichtweisen definieren: Aus theologischer Sicht
oder aus weltlicher Sicht, wobei sich die weltliche aus der theologischen Sichtweise heraus
entwickelt hat.
In der Werbung finden sich Anspielungen auf beide Definitionen. Besonders oft wird die
Versuchung mit dem zweiten biblischen Schöpfungsbericht aus Gen 2,4 -3,24, mit Adam,
Eva, der Schlange und dem „Apfel“ in Verbindung gebracht. Das rührt wahrscheinlich daher,
dass diese Schöpfungsgeschichte das erste und gleichzeitig das bekannteste biblische Beispiel
für eine Versuchung ist.
Auf einige konkrete Beispiele für die Verwendung dieser Motive zu Werbezwecken möchte
ich nun näher eingehen.
13
4.1.1 Beispiele
4.1.1.1. Traum Station
Ein Beispiel für die Verarbeitung des Themas „Paradies“ ist die Werbung von Traum
Station21: Hier sind drei Personen nebeneinander frontal abgebildet: Eine Frau, ein kleines
Kind und ein Mann. Alle drei sind nackt, die beiden schönen schlanken Erwachsenen halten
ein Feigenblatt vor ihren Schambereich.
Das Kind hält einen Apfel in der Hand. An der Seite ist der Schriftzug: „Schlafen - Wohnen Leben“ zu lesen.
4.1.1.2. Renault Clio
Der Renault Clio benutzt dieses Bild des Paradieses ebenfalls22: In seiner Werbung steht ein
rotes Auto mitten in einer Urwald-ähnlichen Umgebung, schräg einfallende Lichtstrahlen
spiegeln Idylle und friedliche Ruhe wieder.
Darunter ist in Großbuchstaben „Made in Paradise“ gedruckt.
Um einen rechts im Bild stehenden Baum windet sich eine comichaft gezeichnete Schlange,
die die Betrachter mit „Hallo Adams, Hallo Evas!“ anspricht.
4.1.1.3. Benetton
Ein weiteres Beispiel zur Verwendung von „paradiesischen“ Motiven findet man bei der
Werbung der Firma Benetton23. Vor einem weißen Hintergrund im Querformat stehen zwei
Personen: Eine Frau mit langen roten Locken und ein Mann mit fast ebenso langen schwarzen
gelockten Haaren sind beide vom Kopf bis zur Hüftgegend zu sehen. Die Frau ist nur mit
einer geöffneten Jeansjacke und einer Jeanshose bekleidet, der Mann trägt ebenfalls eine
Jeanshose. Um den Hals der Frau liegt eine kleine Schlange, die sich zu einem Großteil unter
ihren Haaren versteckt. Die Frau reicht dem Mann einen Apfel, schaut jedoch, wie er auch,
frontal den Betrachter an.
Es ist leicht zu erkennen, dass es sich bei den beiden Personen um Bilder von Adam und Eva
handeln soll. Die Schlange und der Apfel sind die eindeutigsten Zeichen dafür, jedoch auch
die Nacktheit und die langen ungepflegten Haare lassen die paradiesische Ursprünglichkeit
durchblicken.
4.1.1.4. Duloren Beschreibung
Bei der Werbung von Duloren24 sieht man auf der einen Seite einen großen roten,
angebissenen Apfel vor schwarzem Hintergrund, und auf der nächsten Seite eine Frau, die
Eva, in einem kurzen roten Kleid mitten im Wald. Rechts und links von ihr stehen zwei
nackte Adam-Figuren, ein weiterer nackter Mann liegt im Laub zu ihren Füßen. Alle drei
Männer bedecken ihren Schambereich wieder mit Laubblättern. Auf dem Baum über ihnen
hängen Äpfel. Der links stehende Adam hält einen angebissenen davon in der Hand.
4.1.1.5. Industriewerbung Dr. Wilkens
In diesem letzten Beispiel zu diesem Thema, einer Hochformat-Anzeige25, nimmt die
Fotografie eines großen, roten, rechts angebissenen Apfels mit einem Laubblatt am Stiel zwei
Drittel der Werbefläche ein.
Darüber steht in schwarzer Schrift: „Verführung auf Hanseatisch. Wir zeigen Ihnen gern, wie
wir ´s machen.“ So wird hier eine konkrete Verbindung zwischen Werbung und Verführung
hergestellt.
21
Anhang 1.3, Traum Station
Anhang 1.4, Renault Clio
23
Anhang 1.5, Benetton
24
Anhang 1.6, Duloren
25
Anhang 1.7, Industriewerbung Dr. Wilkens
22
14
4.1.2 Vorkommende christliche Motive und deren Bedeutung in der Theologie
Bei allen dieser fünf Werbungen ist es offensichtlich, dass auf die biblische Erzählung vom
Paradies und Sündenfall angespielt werden soll. Die meisten Motive, die verwendet werden,
haben eine theologische Bedeutung, die zunächst geklärt werden muss:
4.1.2.1 Das Paradies
Das Paradies, oder eigentlich der Garten Eden ist das Land, das Gott am Anfang des zweiten
biblischen Schöpfungsberichtes schafft.
Es ist kein lokal bestimmbares Stück Land, auch wenn vermutet wird, dass der Verfasser in
seiner Beschreibung eine Gegend östlich von Palästina meint.
Das hebräische Wort für Garten heißt auf Deutsch schlicht „abgegrenztes Stück Land“. Eden
heißt soviel wie „Wonne“. Man könnte den Garten Eden also auch als „Land der Wonne“
bezeichnen.
Der Garten Eden wird geschaffen zu dem Zweck der Begegnung zwischen Mensch und Gott.
Von vielen Propheten wird er daher später auch „Garten Gottes“ genannt.
Im Garten mangelt es nicht, wie in anderen Gegenden dieser Breitengrade, an Wasser. Es
wachsen viele verschiedene Bäume. Später schafft Gott auch die Tiere, die ebenfalls im
Garten leben sollen.
In der Mitte des Gartens stehen die zwei besonderen Bäume, der Baum des Lebens und der
Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen. Von diesen beiden Bäumen soll der Mensch
nicht essen, sie sind verboten.
Die Bezeichnung „Paradies“ kommt aus der griechischen Übersetzung des alten Testaments.
Hier wird der Garten Eden als Paradies, also wörtlich als „Baumgarten, Forst“ bezeichnet.26
4.1.2.2 Adam
Der Name Adam lässt sich ins Deutsche übersetzen mit „Der aus Erde Gemachte“. Adam ist,
wie auch Eva, nicht als historischer erster Mensch zu sehen, sondern ist in der biblischen
Geschichte von der Schöpfung und dem Sündenfall eher als Stellvertreter der ganzen
Menschheit gedacht. Er wird als Gottes Ebenbild geschaffen. Die Geschichte ist eine Art
„Grundgeschichte des dem Menschen gnädig zugewandten, ihm aber zugleich mit seiner
unabdingbaren Forderung begegnenden Gottes, mit dem dieser Forderung gegenüber immer
wieder versagenden Menschen“27. Adam soll nichts anderes, als diesen Menschen verkörpern.
4.1.2.3 Eva
Der Name Eva bedeutet auf Deutsch „Die das Leben weitergibt“. Sie ist die Verkörperung der
Frau in der Schöpfungsgeschichte, ihr Verhalten soll das Verhalten aller Frauen
repräsentieren. Sie ist zur Gemeinschaft mit Adam bestimmt. Obwohl aus der
Schöpfungsgeschichte lange Zeit eine Zweitrangigkeit der Frau gefolgert wurde, wird diese
Folgerung heute für falsch erklärt. Dass Eva aus einer Rippe (oder auch Seite, wie manche
behaupten,) gebaut wurde, soll nichts anderes bedeuten, als dass sie zum Mann gehört,
ursprünglich einmal mit ihm vereint war, und auch dazu bestimmt ist, es weiterhin zu sein.
26
27
Vgl: Maier, Pohl, Wuppertaler Studienbibel, Wuppertal, 2005, 1. Buch Mose, S. 71
Galling, RGG³, Berlin, 2000, S. 24780, Artikel zu „Paradies“
15
4.1.2.4 Die Schlange
Die Schlange ist ein sehr umstrittenes Symbol. Sie ist nicht die Verkörperung des Teufels,
auch wenn sie lange Zeit dafür gehalten wurde. Das ist aber ausgeschlossen, da die Schlange
im biblischen Text die „Gattungsbezeichnung eines von Gott geschaffenen Tieres“28 trägt. Sie
wird demnach als Gottes Geschöpf bezeichnet, und kann folglich nicht der Teufel selbst sein.
Jedoch kann die Schlange sprechen, was außergewöhnlich für ein Tier ist. Die Worte, die sie
spricht, stellen Gottes Gebot in Frage, und wollen Eva dazu bringen, kritisch über Gottes
Wort nachzudenken.
Die Rede des Tieres ist eine Versuchung. Über Gott steht in der Bibel, dass er niemals
Menschen versucht29, daher kann die Rede der Schlange nicht von Gott kommen. Der Teufel
hingegen wird oft als „der Versucher“ bezeichnet.
Man könnte also festhalten, dass die Schlange das Geschöpf Gottes ist, jedoch im Auftrag des
Teufels spricht.30
4.1.2.5 Der Apfel
Der Apfel als solcher kommt in der biblischen Geschichte nicht vor. Wörtlich wird von den
„Früchten des Baumes in der Mitte des Gartens“31 gesprochen. Des Weiteren heißt es: „Da
sah die Frau, dass vom Baum gut zu essen wäre, dass er lieblich anzusehen sei und dass der
Baum begehrenswert sein, um klug zu werden.“32.
Die Frucht des Baumes wird also nicht genau benannt. Die weit verbreitete Vorstellung des
Apfels in der Schöpfungsgeschichte ist sprachlich begründet, und ihre Ursprünge sind erst in
den christlich-lateinischen Traditionen, also Jahrtausende nach der Entstehung des
eigentlichen Textes, anzusiedeln.
Das an dieser Stelle vorkommende lateinische Substantiv „malum“ hat zwei Bedeutungen:
Einerseits kann es mit „Übel“ oder „Leid“ übersetzt werden, andererseits aber auch mit
„Apfel“. Es liegt also nahe, dass sich die Vorstellung des Apfels aufgrund dieses
Missverständnisses schon früh durchgesetzt hat.
4.1.2.6 Die Sünde
Die Sünde ist im heutigen theologischen Verständnis in erster Linie das „Getrenntsein /
Entfremdetsein (des Menschen) von Gott“33.
Dieses Getrenntsein von Gott ist durch den Menschen verursacht, durch den „Widerspruch
des Menschen zu dem Anspruch Gottes an sein Leben und Verhalten“34.
Die Sünde meint nicht in erster Linie ein moralisches Vergehen oder ein Verstoß gegen
bestimmte Regeln, sondern diese Regelverstöße resultieren erst aus dem Getrenntsein von
Gott.
Grundsätzlich muss man zur Definition der Sünde davon ausgehen, dass der Mensch zum
Leben in Gemeinschaft mit seinem Schöpfer, Gott, geschaffen ist. Die Sünde meint dann das
regelmäßige, unvermeidbare Versagen des Menschen in dieser Beziehung. Es ist dadurch
begründet, dass der Mensch sich gegen die Ansprüche, die Gott an sein Leben hat, verwehrt.
Es resultieren daraus „Glaubenslosigkeit und Lieblosigkeit“35, das Verhältnis zu Gott und
auch zwischenmenschliche Beziehungen leiden darunter, weil der von Gott getrennte Mensch
nicht mehr in der Lage ist, die Liebe Gottes an seine Mitmenschen weiter zu geben.
28
Maier, Pohl, Wuppertaler Studienbibel, Wuppertal, 2005, 1. Buch Mose, S. 84
Vgl: Jak 1, 13
30
Vgl: Maier, Pohl, Wuppertaler Studienbibel, Wuppertal, 2005, 1. Buch Mose, S. 84
31
Vgl: 1.Mose 3,3
32
Vgl: 1.Mose 3,6
33
Kliemann, Glauben ist menschlich, Stuttgart, 2001, S. 168
34
Galling, RGG³, Berlin, 2000, S. 31794, Artikel zu „Sünde“
35
Vgl: Galling, RGG³, Berlin, 2000, S. 31795, Artikel zu „Sünde“
29
16
4.1.2.7 Die Verführung
Das deutsche Wort „verführen“ steht in der Bibel anstelle des griechischen „planao“, was
auch so viel wie „irreführen, täuschen“ heißt.36
Eine Verführung bedeutet demnach, „jemanden mit Lügen, süßen Worten oder prächtigen
Reden zum Unglauben, falscher Lehre, Götzendienst und Sünde verleiten“37.
Eine Verführung bringt einen Menschen vom rechten Pfad ab, er irrt umher und verliert sein
Ziel aus den Augen. Gegen eine Verführung ist der Mensch machtlos. Er wird getäuscht und
kann sich nicht wehren.
Als Christ ist man darauf angewiesen, vor Verführungen beschützt zu werden, da sie sehr
negative Auswirkungen auf das Glaubensleben haben können.
Es ist und bleibt eine Streitfrage, ob Eva im Paradies verführt oder nur versucht wurde. War
es eine Verführung, trifft Eva keine Schuld, denn sie wurde ja getäuscht und konnte sich nicht
dagegen entscheiden. Der Text weist jedoch relativ eindeutig darauf hin, dass Eva alleine und
selbstständig eine Entscheidung gegen das Gebot Gottes traf, somit ist eine Verführung
unwahrscheinlich.
4.1.2.8 Die Versuchung
Das griechische Wort für „Versuchung“ bedeutet im Deutschen auch so viel wie „Probe“ oder
„Prüfung“.38
Die Versuchung beinhaltet im Gegensatz zur Verführung eine bewusste Entscheidung des
Versuchten.
Es gibt zwei Arten von Versuchung39. Die eine meint „auf die Probe stellen“. Diese Art von
Versuchung kann von Gott ausgehen. Er versucht in diesem Falle den Menschen, der die
Versuchung meist erst im Nachhinein als eine solche erkennt. Gott hat dabei das Ziel, die
Wahrheit über einen Menschen offenbar werden zu lassen, und den Menschen aus der
Versuchung gestärkt und mit einem festeren Glauben herausgehen zu lassen.
Gott versucht den Menschen nie über seine Kraft. (1.Kor 10,13)
Die zweite Art von Versuchung bedeutet „zur Sünde verführen“. Diese Art geht meist vom
Teufel, den Mitmenschen oder den bösen Trieben des Menschen aus, jedoch nie von Gott.
Die Entscheidung beinhaltet zwei Alternativen, es geht um „Glaube oder Unglaube,
Gehorsam oder Verweigerung der Gefolgschaft“40 Letztendlich bedeutet dies eine
Entscheidung zwischen „ewigem Heil (und) ewiger Verdammnis“.
Adam und Eva waren im Paradies durch die Schlange einer solchen Versuchung ausgesetzt
und konnten nicht widerstehen. Sie entschieden sich, typisch für das menschliche Handeln,
gegen das Gebot Gottes.
Jesus hingegen als der „neue Adam“ widerstand der Versuchung durch den Satan und gewann
so das Paradies für alle Christen wieder.41
Auch für heutige Christen ist es aber immer noch wichtig, sich gegen Versuchungen zu
schützen. Das kann durch Wachsamkeit und Nüchternheit (1Petr 5,8), Beten und Fasten (Mt
17,21; 26,41) und Gehorsam und Leidensbereitschaft (Offb 12,11) gelingen.42
36
Vgl: Coenen, Beyreuther, Bietenhard, Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament, Wuppertal, 1990,
S. 1260, Artikel zu „Verführen“
37
Schlatter, Calwer Bibel Lexikon, Stuttgart, 1989, S. 1381
38
Vgl: Coenen, Beyreuther, Bietenhard, Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament, Wuppertal, 1990,
S. 1314, Artikel zu „Versuchung“
39
Burkhardt, Swarat, Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde, Wuppertal/Zürich, 1994, S. 2096
40
Burkhardt, Swarat, Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde, Wuppertal/Zürich, 1994, S. 2096
41
Vgl: Burkhardt, Swarat, Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde, Wuppertal/Zürich, 1994, S.
2096, Artikel zu „Versuchung“
42
Vgl: Burkhardt, Swarat, Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde, Wuppertal/Zürich, 1994, S.
2096, Artikel zu „Versuchung“
17
Exkurs: Die Bedeutung der Frau in der Bibel und in der Werbung
An dieser Stelle halte ich es für angebracht, einmal das Jahrtausende alte Bild der Frau, das
durch die Bibel überliefert wird, mit dem heutigen modernen Frauenbild, das durch die
Medien repräsentiert wird, zu vergleichen. Welche Bedeutung hat also die Frau in der Bibel,
und welche Bedeutung wird ihr durch die Werbung zugeschrieben?
Zu Beginn will ich die Darstellung von Frauen in der Werbung thematisieren:
Dass in den meisten Werbeanzeigen menschliche Körper dargestellt werden, erklärt sich
durch die dadurch erzielte, oben bereits angesprochene höhere Aufmerksamkeit bei den
Betrachtern. Die Darstellung von Frauen in der Werbung ist also fast überall anzutreffen. Ich
will nun untersuchen, wie Frauen von der Werbung dargestellt werden.
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass Werbung häufig allgemein geläufige gesellschaftliche
Strukturen aufgreift, und sie in ihrer Werbeaussage entweder festigt oder hinterfragt.
So greift die Werbung auch bei der Darstellung von Frauen meist auf Klischees zurück. Die
häufigsten Zusammenhänge, in denen Frauen in der Werbung auftreten, hat Christiane
Schmerl in einer ihrer zahlreichen Studien zur Repräsentation von Frauen in den Medien in
sieben Punkten zusammengefasst:
„1.
Frau = Sex: Die Reduktion von Frauen auf Sexualität macht Frauenkörper in der
Werbung universal einsetzbar.
2.
Frau = Produkt / Produkt = Frau: Frauen werden wie Konsumartikel behandelt und
die Artikel sind wie Frauen: Jung, schön und unverbraucht.
3.
Haushalt = Frau: Haushalt, Kinder und das Verwöhnen des Mannes sind die
einzigen und liebsten Beschäftigungen der Frau.
4.
Typisch Frau!: Weibliche „Schwächen“ und „Laster“ werden überspitzt: Sie sind
fleißig oder raffiniert, tratschsüchtig oder unbeholfen (meist im Umgang mit Technik).
5.
Kosmetische Zwangsjacken: Nicht die normale Schönheitspflege ist gemeint, sondern
die permanente Aufforderung, sich für Männer schön zu machen.
6.
„Emanzipation“: Die Werbung zeigt, dass „Emanzipation“ - vom Auto bis zur
bequemen Kleidung - gekauft werden kann.
7.
Männlicher Zynismus: Ein Blick auf die Frau aus der Perspektive von
Männerwitzen.“43
Zusammenfassend kann man festhalten, dass Frauen oft in Werbedarstellungen diskriminiert
werden.
Das ist allerdings nichts Neues, denn Tendenzen zu Sexismus in der Werbung gibt es schon
seit ca. dreißig Jahren. Und diese Tendenzen gehen auch in der aktuellen Zeit bei weitem
nicht zurück: „Die Werbewirtschaft setzt mehr denn je auf „Sex“.“44, was konkret mit einer
Zunahme von erniedrigenden Darstellungen von Frauen verbunden ist.
Das kommt teilweise daher, dass in vielen Werbungen hauptsächlich männliche Kunden
angesprochen werden sollen, und Männer reagieren bekanntlich besonders aufmerksam auf
erotische Abbildungen von Frauen.
Zwar gibt es auch immer wieder Kampagnen, die diese Klischees durchbrechen, und betont
„frauenfreundlich“ werben, wie zum Beispiel eine Kampagne der Kosmetikartikelmarke
Dove. Hierfür wurden etwas mollige und daher für Werbung ungewöhnliche, aber schöne
Damen in Unterwäsche abgelichtet. Jedoch muss man festhalten, dass diese Werbung nur
43
Schmerl, Frauenfeindliche Werbung. Sexismus als heimlicher Lehrplan, Berlin, 1980, S. 186; zitiert in:
Marschik / Dorer, Sexismus (in) der Werbung: Geschlecht, Reklame und Konsum, in: Medienimpulse,
Heft Nr. 42, Wien, Dezember 2002, S. 37
44
Marschik / Dorer, Sexismus (in) der Werbung: Geschlecht, Reklame und Konsum, in: Medienimpulse,
Heft Nr. 42, Wien, Dezember 2002, S. 38
18
aufgrund der Tatsache, dass sie eine Ausnahme bildet, so viel Aufmerksamkeit erlangen
konnte.
Die Mehrheit der Anzeigen folgt nach wie vor den oben genannten Klischees.
Zu Beginn der Entwicklung hin zum Sexismus in der Werbung, also in den siebziger Jahren
kamen auch erstmals Diskussionen um Frauendiskriminierung in den Medien auf. Diese
wurden immer heftiger, und schließlich wurde das Thema im Laufe der fortschreitenden
Emanzipationsbewegung so ausführlich behandelt, dass es inzwischen relativ uninteressant
geworden zu sein scheint. Das häufige Auftreten frauenfeindlicher Bilder und Texte in der
Werbung wurde sozusagen als Tatsache hingenommen.
Zudem wurde erkannt, dass dieses Thema in einem größeren Zusammenhang gesehen werden
muss: Die Verwendung von Frauenbildern zu Werbezwecken ist nur ein kleiner Teil der
vielfältigen Darstellung von Frauen in den Medien, und diese hängt wiederum mit der
allgemeinen Diskussion über die Rolle der Frau in der heutigen Gesellschaft zusammen.45
Es bleibt jedoch festzuhalten, dass trotz der Emanzipationsbewegung die Diskriminierung von
Frauen in der Werbung immer noch alltägliche Praxis geblieben ist. Scheinbar wird sie nur
kaum mehr wahrgenommen, oder sie wird schlicht als normal angesehen. Frauen werden in
Werbungen oft auf Klischees beschränkt, im Vergleich zu Männern erscheinen sie häufig als
minderwertig.
Nun will ich näher auf die Bedeutung von Frauen im Alten und Neuen Testament der Bibel
eingehen.
Zunächst gilt es hierbei, festzuhalten, dass das Alte Testament in einem stark patriarchalisch
geprägten Zeitalter entstanden ist.
Die Stellung der Frau im Judentum war relativ niedrig, denn sie galt als Eigentum des
Mannes, was sich beispielsweise im letzten der Zehn Gebote zeigt.46 Frauen waren in jedem
Fall ihrem Mann untergeordnet und nur teilweise rechtsfähig.
Trotzdem hatten Frauen in der damaligen jüdischen Kultur eigene Aufgaben. Im Haushalt
waren sie selbstständig, und sie waren für die Erziehung der Kinder zuständig.
Erstaunlicherweise finden sich im Alten Testament aber Bücher, die von selbstständigen,
politisch handelnden Frauen, wie Debora, Judith oder Mirjam erzählen.
Und im zweiten, jüngeren Schöpfungsbericht47 wird die Frau eindeutig mit dem Mann
zusammen an die Spitze der Schöpfung gestellt. Sie ist mit ihm gleichberechtigt, ihm ein
Gegenüber.
Außerdem ist im Alten Testament die Rede von Frauen, die beispielsweise als Richterinnen
oder Königinnen gesellschaftliche Bedeutung erlangen konnten.
Das Neue Testament erzählt viel von Jesu Verhalten gegenüber benachteiligten
Bevölkerungsgruppen, unter anderem auch von seinem ungewöhnlichen Umgang mit Frauen.
Er sprach offen mit Frauen, er heilte sie und behandelte sie nicht als minderwertige
Menschen. Vor Jesus waren alle Menschen gleich.
Dies bekräftigt auch Paulus in Gal 3,28:
„ Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch
Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.“48
In diesem Text erkennt Paulus eindeutig die Gleichwertigkeit der Geschlechter an. So steht
die Stelle in krassem Widerspruch zu anderen Aussagen in den Paulusbriefen, wie zum
Beispiel der von 1. Kor 14,33b - 36:
45
Vgl: Marschik / Dorer, Sexismus (in) der Werbung: Geschlecht, Reklame und Konsum, in: MedienImpulse,
Heft Nr. 42, Wien, Dezember 2002, S. 37
46
Vgl: 2. Mose 20,17
47
Vgl: 1. Mose 1,1 – 2,4a
48
Übersetzung nach Luther
19
„Wie in allen Gemeinden der Heiligen sollen die Frauen schweigen in der
Gemeindeversammlung, denn es ist ihnen nicht gestattet zu reden, sondern sie sollen sich
unterordnen, wie auch das Gesetzt sagt. Wollen sie aber etwas lernen, so sollen sie daheim
ihre Männer fragen. Es steht der Frau schlecht an, in der Gemeinde zu reden. Oder ist das
Wort Gottes von euch ausgegangen? Oder ist´s allein zu euch gekommen?“49
Jedoch wird vermutet, dass diese Zeilen, wie auch andere, nicht von Paulus stammen, sondern
dass sie erst später eingefügt wurden. In jedem Fall ist festzuhalten, dass diese Stelle im
Vergleich zu dem zentralen Satz aus Gal 3,28 von minderer Bedeutung ist.50
Es muss eingeräumt werden, dass die Bibel in der Vergangenheit hauptsächlich von Männern
ausgelegt wurde, und dass somit auch solche Bibelzitate oft zur Rechtfertigung der
Unterdrückung der Frau benutzt wurden.
Männliche Bibelausleger teilten teilweise frauenfeindlichen alttestamentlichen Texten größere
Bedeutung zu als von starken Frauen handelnde Bücher des Alten Testaments oder Stellen
über den respektvollen Umgang Jesu mit Frauen. Sicherlich hat hier auch die Kirche zur
Unterdrückung der Frau ihren Teil beigetragen, und teilweise tut sie das auch heute noch.
Dass das allerdings nicht im „Sinne des Erfinders“ liegt, ist für mich außer Frage.
Es stellt sich nun die Frage, welches der beiden Frauenbilder, das Bild der Bibel oder das Bild
der modernen Medien, der Selbstvorstellung einer modernen Frau eher gerecht wird.
Für viele Frauen ist es offensichtlich, dass die Bibel in vielen Textstellen Frauen wesentlich
mehr wertschätzt, als die Werbung dies im Allgemeinen tut.
Denn die Bibel enthält, obwohl sie hauptsächlich von Männern geschrieben wurde - noch
dazu in einer Zeit, in der die Frauen wesentlich stärker benachteiligt waren als sie es heute
sind - viele Texte, die von Frauen mit großer Bedeutung handeln, oder die vom respektvollen,
vorbildlichen Umgang mit Frauen erzählen.
Und an vielen Stellen teilt die Bibel der Frau als vollwertigem Menschen eine für diese Zeit
unübliche Bedeutung zu.
4.1.3 Bedeutung und Funktion der Motive in der Werbung
Die Funktion dieser Elemente in der Werbung möchte ich nun anhand von den in 4.1.1
genannten Beispielwerbungen herausarbeiten:
4.1.3.1 Traum Station
Bei der Werbung von Traum Station wird offensichtlich auf Adam und Eva Bezug
genommen.
Die beiden Menschenkörper ziehen durch ihre Nacktheit sofort alle Blicke auf sich. Es wurde
so ein immer funktionierender Blickfang, also ein formaler Aspekt, gekonnt mit einem
inhaltlichen Aspekt, der Sehnsucht nach Ursprünglichkeit, gekoppelt.
Denn Adam und Eva verkörpern auch wegen ihrer Nacktheit im heutigen allgemeinen
Verständnis eben diese Ursprünglichkeit, außerdem auch Unkompliziertheit, Perfektion und
Einfachheit; Werte, nach denen sich heute viele Menschen sehnen. Eben diese Wünsche
werden angesprochen, und ihre Erfüllung wird in Verbindung mit den Möbeln von TraumStation gebracht.
49
50
Übersetzung nach Luther
Vgl: Dietzfelbinger, Paulus und die Frauen,
in: Schulz / Schulz, Als Frau leben – als Mann leben, Stuttgart, 1998, S. 47f
20
Die Einfachheit wird zudem durch die formalen Aspekte bekräftigt: Der Hintergrund ist
äußerst unauffällig, der Bildaufbau ist klar und einfach gegliedert. Auf die Perfektion weisen
die perfekt geformten Modellkörper hin.
Adam und Eva stehen hier in einem „heile-Welt“-Kontext: Mit Sünde und Verführung hat die
dargestellte Szene nichts zu tun. Es sollen „paradiesische Zustände“ assoziiert werden, also
das Leben in einer vollkommenen, schönen und richtigen Welt, so wie es das Paradies vor
dem Sündenfall war.
Der Apfel, eigentliches Symbol der Verführung, wird hier nur als Erkennungszeichen für
Adam und Eva genutzt, er hat für die Aussage der Werbung keine Bedeutung.
Der biblischen Geschichte geschickt hinzugefügt wurde das kleine Kind. Formal stellt es
einen weiteren Blickfang dar, aber es hat auch seine inhaltliche Bedeutung:
Zum heutzutage angestrebten persönlichen Glück gehört, neben den oben genannten
paradiesischen Werten, das Leben in der kleinen intakten Familie. Das ist ebenfalls etwas, das
nicht mehr selbstverständlich ist, und wonach sich sehr viele Menschen sehnen.
In dieser Werbung wurden also verschiedene erstrebenswerte Bilder kombiniert: Das heutige
Bild der glücklichen Kleinfamilie mit dem alten Bild der ursprünglichen Menschheit.
Auch zu Gunsten dieser Kombination musste das biblische Bild verfälscht werden.
4.1.3.2 Renault Clio
Auch in der Werbung des Renault Clio ist im Paradies die Welt noch in Ordnung: die
tropische, idyllische Umgebung, die märchenhaften Sonnenstrahlen laden ein zum Träumen
von einer perfekten Welt.
Der Clio wurde, laut der Werbeaussage, in dieser perfekten Welt gefertigt, und steht nun den
normalen Menschen zum Kauf bereit. Der Herkunftsort „Paradies“ soll das Auto
erstrebenswert machen.
Die Schlange, die mit „Adams“ und „Evas“ jeden möglichen Betrachter anspricht, will nichts
Böses, sie schlägt nur die Erstehung eines solchen Autos vor. Ihre Harmlosigkeit wird uns
durch die comichafte Darstellung vermittelt. Durch die Anrede als „Adams“ und „Evas“ soll
der Bezug zur Schöpfungsgeschichte gestärkt werden. Es wird hierbei vorausgesetzt, dass
sich jeder heutige Mensch zumindest ein Stück weit mit Adam oder Eva identifizieren kann,
oder dass sich der heutige Mensch als Nachfahre dieses ersten Paares sehen kann.
Vielleicht soll diese Anrede also darauf anspielen, dass schon diese beiden „Urmenschen“, als
unsere gedachten Vorfahren oder Identifikationspersonen, einem so verlockenden Vorschlag
einer Schlange nicht widerstehen konnten. Das Auto soll ähnlich unwiderstehlich gesehen
werden. Die gedankliche Verbindung der zwei Objekte der Versuchungen, also des Apfels
mit dem Auto, soll möglicherweise auch durch die Farbe des Autos unterstützt werden.
Jedoch kann das Rot auch als ausschließlich formaler Aspekt gesehen werden: Die
Signalfarbe Rot in grüner Umgebung zieht Aufmerksamkeit auf sich.
4.1.3.3 Benetton
Die Firma Benetton geht in ihrer Werbung näher auf die Rolle von Eva ein. Ihre Nacktheit
soll wieder Aufmerksamkeit erzielen, und mit der Schlange und dem Apfel als
Erkennungszeichen auf die biblische Geschichte verweisen.
Auch hier wird vorausgesetzt, dass sich heutige Frauen mit der Figur identifizieren können.
Diese Identifikation wird durch die moderne Kleidung, in diesem Fall Jeans, unterstützt. Die
Geschichte des Paares Adam und Eva soll in die heutige Zeit übertragen werden.
Jedoch wird diese Geschichte nur auf den einen Akt des Weitergebens des Apfels von Eva an
Adam reduziert. Hier wird in dieser Werbung die eigentliche Verführung angesetzt: Eva soll
Adam verführt haben. Die dargestellte Szene stellt die Verführung zudem als absichtlich und
klug geplant dar: Das verrät uns Evas gewinnendes Lächeln. Sinnbild für die Verführung ist
21
in diesem Fall der Apfel, aber der geöffnete Hosenknopf von Eva lässt uns wissen, dass es
hier nicht um einen Apfel geht.
Für heutige Frauen gilt die Eigenschaft „verführerisch“ durchaus als erstrebenswert,
allerdings wird die Verführung hauptsächlich auf die Sexualität beschränkt. Wenn eine Frau
erfolgreich verführen kann, ist dies im Allgemeinen eine Bestätigung ihres Wertes.
In dieser Werbung wird Eva als planende und erfolgreiche Verführerin auf sexuellem Gebiet
dargestellt und verkörpert so ein Vorbild für heutige Frauen.
Aus diesen Gründen soll diese Werbung wahrscheinlich vor allem Frauen ansprechen, und sie
dazu aufrufen, Eva nachzueifern, und ebenfalls zu verführen. Die Jeans von Benetton wird als
ein Vorschlag, ein möglicher Weg zur Verführung mit abgebildet. So wird auch wieder die
Verbindung zum beworbenen Produkt und Unternehmen geschlossen.
Zum Unternehmen Benetton muss man zudem erwähnen, dass die von ihm hauptsächlich
verfolgte Strategie der „Schockwerbung“ nicht immer eine Verbindung zum beworbenen
Unternehmen beinhaltet. Oft werden auch einfach nur gesellschaftliche Streitfragen und
Problembereiche angesprochen. Die Betrachter sollen so aufgerüttelt werden, und durch das
Reden über die Werbung, egal in welcher Weise, zur Bekanntheit des Unternehmens
beitragen.
Die Urheber der Seite www.glauben-und-kaufen.de, von der ich die Bilder als Grundlage
meiner Arbeit bezog, haben auf ihrer Seite sechs Thesen veröffentlicht, die das häufige
Vorkommen von religiösen Motiven in der Werbung erklären sollen. Eine davon beschäftigt
sich mit eben dieser auf Religion bezogenen „Schockwerbung“. Sie lautet:
„:: 3 :: Mit Hilfe kirchenkritischer Werbung versuchen Marken eine höhere Akzeptanz bei
ihrer potentiellen Kundschaft er erlangen; nach dem Motto: ziehe ich religiöse bzw.
kirchliche Motive und Inhalte in den Bereich des Banalen oder Profanen, zeige ich meinen
Mut und erziele Anerkennung beim Kunden, die er mir durch den Kauf meines Produktes
honoriert - oder sich darüber erregt und meinem Produkt öffentliche Aufmerksamkeit
verschafft - auch wenn er sich selbst von diesem abwendet.“51
In diesem Fall wurde daher vielleicht bewusst eine biblische Geschichte angesprochen und
auf inakzeptable Weise verfremdet, im vollen Bewusstsein darüber, dass es eine falsche
Darstellung der biblischen Tatsachen ist, und dass sich viele Theologen darüber ärgern
werden. Provokation zählt demnach mit zu den Zielen von Benettons Werbekampagnen.
4.1.3.4 Duloren
Auch das Unternehmen Duloren betont die Rolle der Eva. In seiner Werbung wird Eva sogar
noch mehr als Verführerin deklariert, und die Verführung wird noch stärker auf das sexuelle
Gebiet bezogen.
Als Erkennungszeichen für das Paradies dienen wieder die „Bekleidung“ der Männer nur mit
Laubblättern und die Äpfel auf dem Baum. Auch die natürliche Umgebung im Bibeltext wird
durch den Wald im Hintergrund beibehalten.
Als Blickfang dienen das rote Kleid und die schönen Körper der vier abgebildeten Personen.
An der biblischen Geschichte wird jedoch, ähnlich wie auch bei Benetton und Renault, auch
einiges verändert:
Auch dieses Mal wird Eva die Absicht zur Verführung unterstellt, erkennbar an ihrem
selbstbewussten Auftreten. Es scheint, als ob sie die Männer als ihre Opfer oder Eroberungen
präsentiert.
Die Versuchung geht nicht von der Schlange aus, diese kommt in der Abbildung gar nicht
vor. Sie wird, wie auch bei Benetton, von der Frau geplant und durchgeführt. Auch hier
51
Anhang 2, Die sechs Thesen der Seite www.glauben-und-kaufen.de
22
wieder liegt die Betonung auf dem sexuell verführerischen Selbst(-wunsch-)bild von vielen
heutigen Frauen.
Durch das kurze rote Kleid, das als Unter- oder Reizwäsche erkennbar ist, wird deutlich, zu
welcher Sünde Eva verleiten will. Es geht wieder um Sex.
Dieses Mal werden jedoch die Möglichkeiten von heutigen Evas erweitert: Im Gegensatz zur
früheren Eva ist es heute mit Hilfe von geeigneten Mitteln möglich, gleichzeitig mehrere
Männer zu verführen, also gleichzeitig mehrere Erfolgserlebnisse zu haben. Als geeignetes
Mittel wird in diesem Falle natürlich das Kleid von Duloren angesehen.
Der große rote Apfel stellt farblich, aber auch inhaltlich eine Verbindung zum Kleid her. Er
war das frühere Mittel der Verführung. Die Tatsache, dass er angebissen ist, deckt auf, dass
das Opfer in die Falle gegangen ist: Die Verführung war erfolgreich.
In diesem Zusammenhang ist die Wahl der Farbe Rot für den Apfel, wie auch für das Kleid
durchaus geeignet, denn nach der Farbenlehre steht Rot für Leidenschaft, für Blut und
fleischliche Lust.52
Die Geschichte von der Verführung Adams und Evas durch die Schlange wird also sehr
häufig umgedeutet. Oftmals hat die Schlange nichts mehr mit der Verführung zu tun. Eva soll
bewusst verführt haben, ihre Verführung soll in die sexuelle Richtung gegangen sein, und
somit kann sie ein Vorbild für heutige Frauen darstellen.
Sicherlich ist hierbei die Geschichte der biblischen Verführung völlig entfremdet und
verfälscht, aber Verfremdung ist ja bekanntlich ein gern angewandtes Mittel in der Werbung.
4.1.3.5 Industriewerbung Dr. Wilkens
Wieder wird hier mit dem Apfel gespielt, der, obwohl er im biblischen Text nicht vorkommt,
eine Allegorie für die biblische Verführung ist, die an sich eigentlich nicht existiert.
Hier wird das Wort „Verführung“ sozusagen als Euphemismus für Werbung benutzt. Jedes
werbende Unternehmen will verführen. Es will immer den potentiellen Kunden von seinem
bisherigen Weg abbringen, und auf einen neuen, mit dem beworbenen Produkt in Verbindung
stehenden Weg bringen.
Dieses Wort „Verführung“ hat trotz seines eigentlichen Hintergrundes eine positive
Bedeutung in unserer Gesellschaft. Man bringt es gedanklich sofort in Verbindung mit etwas,
das Spaß macht, da es im allgemeinen Sprachgebrauch am häufigsten in Bezug auf Sex,
ungesundes aber schmackhaftes Essen oder auch zum Beispiel Rauchen verwendet wird. Auf
dem gewohnten Weg zu bleiben wird auf die Dauer zu langweilig, um Abwechslung und
Spannung in das Leben zu bringen, braucht es Verführungen.
Das ist vermutlich der Grund, weshalb die Wörter „Verführung“ und „Versuchung“ einen
positiven Bedeutungshintergrund haben, und weshalb sie auch gerne in Werbungen
verwendet werden.
Wieder wird der Bezug zur Schöpfungsgeschichte durch einen angebissenen Apfel
hergestellt. Er soll uns wieder auf den Erfolg der Versuchung hinweisen. Das Opfer hat
„angebissen“, es hat „Blut geleckt“, der Köder war erfolgreich, der Fisch ist am Haken.
Zusammen mit dem hauptsächlich im positiven Sinne verwendeten Wort „Verführung“
verfremdet der Apfel die eigentliche biblische Geschichte. Mit Gott und der Sünde, oder mit
der Religion im Allgemeinen besteht genauer betrachtet fast kein Zusammenhang mehr.
52
Vgl: Schneider, Werbung in Theorie und Praxis, Waiblingen, 2000, S. 484
23
4.1.4 Zwischenergebnis
Abschließend stellt sich die Frage, wie die Werbung im Allgemeinen mit dem Themenbereich
„Verführung und Versuchung im Paradies“ umgeht.
Teilweise kann man bestätigen, dass manche Motive nur eine relativ schwache
Bedeutungsveränderung erlebt haben:
Adam und Eva zum Beispiel gelten auch heute noch in der Werbung oft als
Identifikationspersonen für die moderne Gesellschaft, was ja ursprünglich auch so gemeint
war. Oft werden sie als Vorbilder, manchmal als Beispiele zitiert, allerdings werden sie auch
teilweise belächelt.
Das Paradies ist ein sehr bemerkenswertes Motiv: Es ist eine fast allgemeingültige
Traumvorstellung für sehr viele Menschen. Es spricht einen Großteil der Gesellschaft an, und
beschränkt sich nicht, wie andere Symbole, auf Religionsgegner oder -befürworter. Auch
viele Menschen, die keinen Bezug zu Gott oder dem Christentum haben, wünschen sich das
Weiterleben in einem Paradies nach dem Tod, da das Paradies die Befriedigung von
grundlegenden, nicht nur christlichen Menschheitssehnsüchten verspricht. Auch kirchenferne
Menschen verbinden mit dem Paradies eine meist mystische, erlösende und schöne
Vorstellung.
Es ist daher verständlich, dass dieses Motiv so oft in der Werbung Verwendung findet.
Allerdings muss man auch festhalten, dass die Mehrheit der christlichen Symbole in der
Werbung verändert oder verfälscht dargestellt wird. Häufig werden Inhalte zu der
Schöpfungsgeschichte hinzugefügt, andere werden weggelassen.
Ein passendes Beispiel hierfür wäre der Apfel: Er kommt in nahezu jeder Werbung vor, die
auf das Paradies anspielt, obwohl in dem Bibeltext niemals die Rede von einem Apfel ist.
Man muss selbstverständlich einräumen, dass die Vorstellung des Apfels schon vor der
Entstehung der Werbebranche weit verbreitet war, aber es ist dennoch bemerkenswert, wie
häufig gerade dieses Symbol verwendet wird. Man könnte daraus schließen, dass die
Auseinandersetzung mit dem Bibeltext wahrscheinlich bei der Entstehung der meisten
Werbekampagnen nicht stattgefunden hat. Werbungen beziehen sich eben nicht vorrangig auf
Bibeltexte, sondern auf gesellschaftlich weit verbreitete Vorstellungen und allgemein
bekannte Bilder.
Der Apfel, der also an Bedeutung gewinnt, steht im Gegensatz zu der Schlange, deren
Bedeutung meist relativ gering ist. Entweder wird sie durch kleine oder lustige Darstellung
verharmlost, oder sie wird lediglich als Erkennungszeichen für die Schöpfungsgeschichte
genutzt. Das weist darauf hin, dass im gebräuchlichen Verständnis der Geschichte die
Schlange keine wesentliche, oder zumindest keine böse Rolle spielt. Die eigentliche,
allgemein bekannte und bedeutendere Versuchung hat nicht zwischen der Schlange und Eva,
sondern zwischen Eva und Adam stattgefunden.
Generell wird die Versuchung als etwas gesehen, was sich zwischen den Geschlechtern
abspielt, wobei die Rollen klar verteilt sind:
Passend zum Beispiel von Adam und Eva wird davon ausgegangen, dass Frauen verführen,
und Männer sich verführen lassen.
Durch die Werbung soll die gesamte potentielle Kundschaft verführt werden, aber je nach
dem, ob diese eher weiblich oder eher männlich ist, spricht die auf Frauen bezogene Werbung
auch dementsprechend häufig das erfolgreiche Verführen an oder, bezogen auf Männer,
entweder das Sich-gerne-verführen-lassen oder den erfolgreichen Widerstand gegen die
Versuchung.
Diese Verführung wird dann meist sexuell gesehen, obwohl die Sexualität mit der zugrunde
liegenden Geschichte wenig zu tun hat. Der eigentliche Inhalt der Verführung, also die
(theologische) Sünde und die Beziehung der Menschen zu Gott, hat für die Werbung keine
besondere Bedeutung mehr.
24
Die Worte „Sünde“, „Versuchung“ und „Verführung“ haben einen positiven
Bedeutungshintergrund bekommen. Sie hören sich eher spannend als bedrohlich an, außerdem
werden sie heute im weltlichen Verständnis auf völlig andere Lebensbereiche bezogen, als
die, von denen sie eigentlich herkommen. Dementsprechend werden sie dann auch in der
Werbung zitiert.
Die Geschichte vom Sündenfall und die darin vorkommenden Personen und Motive werden
also zwar aufgegriffen, aber verfremdet und verfälscht verarbeitet und wiedergegeben.
Diese Verfälschung hat ihre Ursache aber nicht hauptsächlich in der Werbebranche, sondern
die Werbebranche greift nur schon allgemein gängige Verfälschungen auf und verarbeitet sie.
4.2 Thematik „Wer oder was ist Gott?“
Ein weiteres Thema, das in der Werbung häufig Verwendung findet, ist die Frage nach dem
Gottesbild. Die Werbungen geben darauf sehr unterschiedliche Antworten. Die meisten
beziehen sich auf das christliche Gottesbild, das in der modernen Gesellschaft immer noch
das gängigste ist. Manche bejahen Gottes Existenz und beschreiben den Glauben als etwas
Positives, viele andere kritisieren aber auch die Religion und die Kirche, oder stellen sie als
veraltete Institutionen dar. An die ursprüngliche Position Gottes setzen sie dann
Gottesersätze. Sehr oft wird auf weithin bekannte christliche Texte zurückgegriffen. Wieder
andere Werbungen beziehen sich gar nicht mehr auf den christlichen Gott, sondern
beispielsweise auf Naturgottheiten. Anhand von vier Beispielen möchte ich nun näher auf den
Umgang mit Gottesbildern in der Werbung eingehen.
4.2.1 Beispiele
4.2.1.1 Ford
Ein Beispiel für diesen Themenbereich liefert die Firma Ford53. Sie stellt auf der ersten Seite
ihrer dreiseitigen Anzeige fest: „Viele Wege führen auf den rechten Pfad.“ Unter diesem Satz
sind einige dieser möglichen Wege zum rechten Pfad abgebildet: Ein Kompass und ein
Fernglas stehen für die lokale Orientierung: Mit diesen Instrumenten lässt sich herausfinden,
in welche Richtung die physikalische Bewegung gehen soll. Relativ groß im Bild ist auch
eine schwarze Bibel dargestellt. Offensichtlich steht sie für die innere, geistige Ausrichtung
und Orientierung, für einen Wegweiser zum „rechten Pfad“. Die Fotografie ist, wie die ganze
Anzeige, in schwarz und orange abgebildet. Ein gräulicher Schatten, der um die Gegenstände
herum angedeutet ist, lässt sie verstaubt und veraltet wirken. Jedoch auf der nächsten
Doppelseite der Zeitschrift kommt für den Leser der „Aha-Effekt“: Über der Abbildung von
drei neuen Ford Autos - dieses Mal ohne Schatten - wird der Vorschlag gemacht: „Nehmen
Sie eine Abkürzung.“
4.2.1.2 Mustang:
Das Modeunternehmen Mustang erfindet in seiner Werbung eine neue Religion54. Groß im
Vordergrund der doppelseitigen Anzeige steht ein junger Mann mit freiem, schlankem aber
muskulösem Oberkörper. Er ist bis oberhalb der Knie abgebildet und blickt den Betrachter
frontal an. Er trägt eine Jeanshose. Seine Arme sind nach rechts und links zur Seite
ausgestreckt, und sein Kopf ist leicht gesenkt, daher erinnert seine Haltung unwillkürlich an
den sterbenden Jesus am Kreuz.
53
54
Anhang 1.8, Ford
Anhang 1.9, Mustang
25
Im Hintergrund ist eine farbenfrohe Fotomontage abgebildet. Unten ist ein großes rundes
Wasserbecken zu sehen, über dessen Rand hohe Torbögen gemauert sind. Fünf dieser
Torbögen sind abgebildet. Das Becken steht inmitten einer grellgrünen Landschaft unter
strahlend blauem Himmel mit hübschen Wolken. Die Landschaft erinnert an gestaffelte
Reisfelder, wie sie zum Beispiel in den Bergen Chinas vorkommen.
Auf der linken Seite der Anzeige pilgern ältere Menschen teilweise mit freudig erhobenen
Armen auf das Becken zu, und in das Wasser hinein. Sie tragen hochgeschlossene,
vorwiegend dunkle Kleidung. Rechts des jungen Mannes sieht man vier junge Menschen aus
dem Wasser heraus steigen. Sie tragen dunkle Jeanshosen und haben freie, schlanke und
schöne Oberkörper. Eine der Personen ist eine Frau, sie bedeckt ihre Brust teilweise mit einer
Hand.
Im Vordergrund steht in großer gelber Schrift nur der Titel der Szene: „Der Jungbrunnen“.
Das Firmenlogo von Mustang ist klein in die linke untere Ecke gedruckt.
4.2.1.3 Honda
Die Firma Honda55 stellt in ihrer Werbung den Anspruch ihrer Autos klar. Ein junger Mann
ist in der unteren Hälfte der Querformatanzeige in typischer Bethaltung dargestellt, von ihm
ist nur den Kopf, eine Schulter und die aneinander gelegten Fingerspitzen zu sehen.
Ehrfürchtig blickt er auf zu dem in der oberen Bildhälfte dargestellten fahrenden Auto. In der
Mitte der Abbildung steht in Großbuchstaben der Satz „Du sollst keinen anderen neben mir
haben.“
4.2.1.4 Opel
Die Autofirma Opel behandelt in zwei verschiedenen doppelseitigen Schwarzweißanzeigen56
derselben Kampagne für das neue Astra Cabrio das Thema Naturgottheiten:
Eine dieser Anzeigen handelt von der Sonne. Im linken unteren Viertel ist ein sportliches
silbergraues Cabriolet zu sehen. Es steht auf einer nassen dunklen Straße. Rechts unten steht
ein Poller, ein Hinweis auf einen Hafen. Im Hintergrund lässt sich das glatte Meer erahnen.
Der zugezogene Himmel nimmt zwei Drittel der Anzeige ein. In seiner Mitte haben sich die
Wolken verzogen, Sonnenlicht bricht durch die Wolkendecke und bescheint das Cabrio.
Linksbündig steht mit schwarzer schlichter Schrift der Satz: „Ohne die Sonne gäbe es kein
Leben auf der Erde.“ Und vor dem weißen Hintergrund des durchbrechenden Lichts steht
größer die Aufforderung: „Beten Sie sie an.“
Die zweite Anzeige ist ganz ähnlich gestaltet. Hier nimmt das stehende Cabrio die untere
Hälfte der Abbildung ein. Es ist von der Seite fotografiert. Der Himmel im Hintergrund
verdunkelt sich von unten nach oben hin stark. Über das Auto fegt ein Wind hin, der durch
helle flache Wölkchen über dem Cabrio sichtbar gemacht wird. Rechtsbündig und kleiner
steht in derselben Schrift wie in der vorherigen Anzeige: „Wenn es einen Gott des Windes
gibt,“, darunter größer und zentraler: „dann ist das sein Tempel.“
4.2.2 Vorkommende christliche Themen und deren Bedeutung in der Theologie
Bei diesem Thema ist es nicht so einfach, religiöse Motive oder Bildbestandteile festzulegen,
die wiederholt vorkommen. Daher werde ich im Folgenden näher auf den theologischen
Umgang mit dem Gottesbild im Allgemeinen eingehen.
55
56
Anhang 1.10, Honda
Anhang 1.11, Opel
26
4.2.2.1 Aussagen über Gott allgemein
Theologisches Reden von Gott unterscheidet sich grundlegend von weltlichen Aussagen über
Gott, denn sie basieren auf völlig anderen Grundeinstellungen. Während die weltliche
Sichtweise Gott als einen Gegenstand dieser Welt behandelt und ihn durch menschliche
Vernunft logisch beurteilt, stützt sich die theologische Aussage ausschließlich auf die
Offenbarung des lebendigen Gottes. Der Glaube an den einen liebenden Gott ist in jedem Fall
die Grundlage allen Redens von Gott.57
Aussagen von Gott rühren immer von der direkten Begegnung des Glaubenden mit Gott her.
Daher sind solche Aussagen auch weniger als allgemeingültige Lehrsätze zu verstehen; sie
sollen eher zu verschiedenen anderen Zwecken dienen: Sie können eine Anrede sein, wobei
entweder Gott oder die Mitmenschen die Angesprochenen sein können. Außerdem können sie
Bekenntnisse sein.
Hierbei ist anzumerken, dass der Glaube im Allgemeinen als das „Erschlossenwerden des
Menschen für Christus durch den Heiligen Geist“58 ist, und dass daher der Glaube, das
Zeugnis, das Bekenntnis und das Gebet auch keine selbstständigen Handlungen eines
Menschen sind, sondern Wirkungen des Heiligen Geistes im Glaubenden.
Als allgemeine Lehre von Gott kann eventuell die vom Weltkirchenrat festgelegte
gemeinsame Grundlage „Christus, unser Gott und Retter“59 gelten. Außerdem als
allgemeingültig vorausgesetzt wird die Lehre über die Trinität, die Wesenseinigkeit der drei
Seiten Gottes, die für die Ewigkeit gültig ist. Außer der Trinität werden in der Theologie nur
wenige festlegende oder definierende Aussagen über Gott gemacht, was vermutlich durch das
zweite Gebot (siehe 3.2.2.1) begründet ist. In der Bibel wird Gott ebenfalls nie festgelegt, es
finden sich nur drei Grundzüge Gottes, auf die immer wieder Bezug genommen wird. Gott
wird als der immer Freie, der Zürnende aber auch der Liebende beschrieben. Diese drei
Grundzüge schließen sich gegenseitig in Gottes Wesen nicht aus, und Gott lässt sich auch
nicht auf eine der drei Wesensarten festlegen.
Die Lehre, und somit alle Aussagen von Gott dienen aber letzten Endes nur zum Bekenntnis
und Zeugnis von Gott, zum Gebet und der Anbetung. Wenn ein Christ von Gott redet, sind
seine Aussagen immer symbolisch, existentiell, und konfessorisch. Er geht von der Gültigkeit
seiner Aussagen aus, die wiederum nicht bewiesen werden, sondern sich nur im Leben eines
Glaubenden bewahrheiten kann.
4.2.2.2 Die Beziehung zwischen Mensch und Gott
4.2.2.2.1 Die Zehn Gebote: Gottes Erwartung
Die Beziehung zwischen Mensch und Gott ist schon seit den Anfängen des Judentums
geprägt von den Zehn Geboten, genau genommen von den ersten drei.
Die ersten drei Gebote stellen das Verhältnis zwischen Gott und Mensch klar, und geben
somit Gottes Bestimmung für den Menschen bekannt. Der Mensch ist gemacht, um in
Gemeinschaft mit seinem Schöpfer zu leben.
Auffallend bei den Zehn Geboten ist, dass sie nach dem Schema eines früheren Vertrages
zwischen einem Großkönig und seinen Vasallen verfasst sind. Ein solcher Vertrag bestand
aus der Selbstvorstellung des Großkönigs, dem geschichtlichen Anlass des Bündnisses, einer
Grundsatzerklärung und mehreren Einzelbestimmungen.60 Zu all diesen Bestandteilen findet
man die entsprechenden Pendants in der Bibel:
Die Selbstvorstellung:
57
Vgl: Galling, RGG³, Berlin, 2000, S. 12126, Artikel zu „Gott“
Galling, RGG³, Berlin, 2000, S. 12127, Artikel zu „Gott“
59
Galling, RGG³, Berlin, 2000, S. 12128, Artikel zu „Gott“
60
Kliemann, Glauben ist menschlich, Stuttgart, 2001, S79f
58
27
Gott sagt: „Ich bin Jahwe.“, auch übersetzbar als „Ich bin der ich bin.“ oder „Ich werde da
sein als der, als der ich da sein werde.“ oder „Ich bin da bei euch.“61
In dieser Vorstellung Gottes stecken sehr viele Aussagen:
„Gott ist der Unfassbare, der Gegenwärtige, der Beständige und der Zukünftige. Dies ist
Gottes Name in alle Ewigkeit.“62 Gott stellt sich als unabhängig von Ort und Zeit vor, er
versichert seine Treue, und er lässt sich Spielraum. Er lässt sich nicht festlegen auf eine
bestimmte Eigenschaft.
Der geschichtliche Anlass des Bündnisses:
Gott stellt sich vor als der, „der (…) dich aus Ägypten herausgeführt ha(t), aus dem Haus der
Knechte.“ Er erinnert noch einmal an den Ursprung und die Begründung der Religion, an das
Erlebnis, das das Volk Israel mit seinem Gott hatte. Er erinnert daran, dass er der Befreier, der
Erlöser ist.
Die Grundsatzerklärung:
Sie entspricht den ersten drei Geboten, die die Beziehung von Gott zu den Menschen regeln.
Die Einzelbestimmungen:
Sie sind die letzten sieben Gebote, die eigentlich nur ausformulierte, aber selbstverständliche
Folgen der Grundsatzerklärung darstellen. Ist die Grundsatzerklärung erfüllt, versteht es sich
von selbst, dass auch die Einzelbestimmungen eingehalten werden.
Mit diesem Schema weist die Bibel darauf hin, dass Gott den Menschen völlig überlegen ist,
und dass er das Bündnis mit ihnen aus freiem Willen eingeht.
Konkret heißt das erste Gebot:
„Ich bin Jahwe, dein Gott,
der ich dich aus Ägypten herausgeführt habe, aus dem Haus der Knechte.
Du sollst (wirst) keine anderen Götter haben mir zum Trotz.“
Gott stellt hier seine unbedingte Erwartung an den Menschen klar. Er ist der alleinige, einzige
Gott, er duldet keinen anderen Gott neben sich. Er will der einzige maßgebliche
Orientierungspunkt im Leben eines jeden Menschen sein, die einzig bedeutende Perspektive.
Er bestimmt jeden Menschen, sein Geschöpf, zur Gemeinschaft mit ihm. Das „Du“ ist kein
kollektives, sondern ein persönlich gemeintes „Du“, es ist eine persönliche Anrede an jeden
einzelnen Menschen.
Man könnte dieses erste Gebot zusammenfassen mit den zwei Worten „Jahwe allein!“63
Das zweite Gebot lautet:
„Du sollst (wirst) dir kein Schnitzbild noch ein Abbild machen von etwas, das im Himmel
droben oder auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde ist. Wirf dich nicht nieder vor
ihnen und diene ihnen nicht, denn ich bin der Herr, dein Gott, ein eifersüchtiger Gott, (…)“
Dieses Gebot verbietet dem Menschen, ein feststehendes Bild von Gott zu formen.
Das Wort „Schnitzbild“ bezieht sich auf plastische Abbildungen einer Gottheit, die zur Zeit
des Alten Testaments durchaus üblich waren. Die Abbildungen sowohl von Jahwe als auch
von anderen Göttern sind hiermit verboten.
Gott macht hier nochmals deutlich, dass er unfassbar ist, und dass er sich auch nicht von
Menschen in eine fassbare Form pressen lässt. Er ist der ewig Freie.
Das dritte Gebot behandelt den Umgang mit dem Namen Gottes:
„Du sollst (wirst) den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen (…)“
Gottes Name ist heilig. Durch das Verraten seines Namens hat Gott den Menschen seine
Freundschaft angeboten. Dieses Angebot darf nicht zurückgestoßen werden.
61
Vgl: Maier, Pohl, Wuppertaler Studienbibel, Wuppertal, 2005, 2. Buch Mose, S. 38
Maier, Pohl, Wuppertaler Studienbibel, Wuppertal, 2005, 2. Buch Mose, S. 39
63
Vgl: Maier, Pohl, Wuppertaler Studienbibel, Wuppertal, 2005, 2.Buch Mose, S. 39
62
28
Gott untersagt den Menschen, seinen Namen zu menschlichen Absichten und Zwecken zu
benutzen. Seinen Namen hat er offenbart, damit die Menschen, die an ihn glauben, ihn
ansprechen können, damit sie eine Möglichkeit haben, mit ihm in Kontakt zu treten. Ihn
beiläufig fallen zu lassen, oder ihn zum eigenen Nutzen zu verwenden, ist nicht im Sinne
Gottes und demnach verboten.
4.2.2.2.2 Das Verhalten des Menschen
Die Bibel, und somit auch die Theologen sind sich jedoch vollkommen darüber bewusst, dass
der Mensch in den seltensten Fällen seiner göttlichen Bestimmung folgt. Schon Martin Luther
stellte die These auf, dass die menschliche Natur „sich selbst der vornehmste und wichtigste
Abgott“ ist. Das Ich soll demnach der erste Gott des Menschen sein, neben dem ein zweiter
keinen Platz mehr hat. Daraus resultiert die Abneigung des Menschen gegenüber Gott, der
von ihm Vertrauen und Unterordnung verlangt.
Für den Menschen ist es typisch, sich alles selbst erarbeiten und verdienen zu wollen, er will
sich selbst zufrieden stellen, sich selbst rechtfertigen, und sein eigener Herr und Schöpfer
sein.64 Folglich flieht er vor der Gemeinschaft mit Gott.
4.2.2.3 Die Notwendigkeit des biblischen Gottes für den Menschen
Die Notwendigkeit Gottes für das Leben eines jeden einzelnen Menschen ist für Theologen
eine Grundlage ihres Denkens: Der Mensch ist von Gott geschaffen, und dieser Schöpfergott
hat seine Geschöpfe zum Leben in Gemeinschaft mit ihm selbst bestimmt, was er durch das
erste Gebot deutlich formuliert. Gott ist notwendig für jeden einzelnen, weil nur in ihm der
einzig richtige Weg der Lebensführung möglich ist. Diesen Anspruch unterstreicht auch Jesus
nochmals zum Beispiel in Joh 14,6: „Ich bin der Weg, ich bin die Wahrheit und ich bin das
Leben.“65
Für Theologen gibt es keinen anderen Weg zu einem erfüllten, glücklichen Leben mit guter
Zukunft, als in der Gemeinschaft mit Gott selbst.
4.2.2.4 Der Absolutheitsanspruch des Christentums
Das Christentum behauptet, wie alle Religionen, von sich, die einzig richtige Religion zu sein
und die einzig wahre Lehre zu verbreiten. Jeder, der etwas anderes lehrt, verbreitet eine
falsche Lehre, die den Glaubenden von der Gemeinschaft mit Gott abbringen will und ihn ins
Verderben führt.
Gott beansprucht für sich im ersten Gebot, der einzige Gott des Menschen zu sein, und Jesus
hat den Anspruch, die einzig richtige Lehre zu verkünden. (Siehe 4.2.2.3)
Eine Abweichung von dieser Lehre ist für Theologen „Irrglauben“ und schlicht falsch.
Dieser Absolutheitsanspruch einer Religion ist zudem logisch, denn wenn ein Mensch eine
Religion zu seinem einzig maßgeblichen Orientierungspunkt im Leben macht, und sich ganz
nach ihr ausrichtet, an ihre Versprechen für die Gegenwart und die Zukunft glaubt und auf
deren Erfüllung hofft, muss er alle anderen Religionen, die seiner eigenen in jedem Falle
widersprechen, logischerweise für falsch erklären.
Trotzdem entsteht der Absolutheitsanspruch des einen Gottes im Christentum nicht durch
menschliche Überlegung, sondern durch vollkommene Inanspruchnahme des Menschen durch
den einen Gott, der keinen weiteren neben sich duldet.66
64
Vgl: Richardt, Religion 12/13, München/Dillingen, 1998, S. 42
„Hoffnung für alle“-Übersetzung
66
Vgl: Richardt, Religion 12/13, München/Dillingen, 1998, S.69
65
29
4.2.2.5 Das Götzentum und Naturgötter
Das zweite Gebot ist noch nicht unbedingt auf dem Grundsatz des Monotheismus verfasst, es
verlangt lediglich die Monoaltrie: Nur ein Gott allein soll verehrt werden. Die Existenz
anderer Götter ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgeschlossen.67
„Andere Götter“ im Sinne des hebräischen Textes können drei verschiedene Bedeutungen
haben68:
Sie sind einerseits Mächte und Gewalten, deren Macht nicht aus ihnen selbst kommt. Die
Macht wurde ihnen von einer höheren Instanz zugeteilt, kann ihnen aber auch jederzeit wieder
genommen werden. Ohne den obersten Machtgeber sind auch diese Mächte machtlos. Sie
sind also keine Götter, sonder nur Götzen.
„Andere Götter“ kann auch „fremde Götter“ bedeuten: Sie sind dem Menschen fremd und
distanziert von ihm. Sie können vom Menschen zwar angebetet werden, nehmen ihn aber gar
nicht wahr.
Zum dritten bedeutet „andere Götter“ auch zeitabhängige, sich wandelnde Götter. Sie tauchen
auf und verlieren nach und nach ihre Wichtigkeit wieder, wenn sie aus der Mode kommen.
Nachdem durch Gottes Absolutheitsanspruch die Macht anderer Götter ausgeschlossen ist, ist
ihre Existenz nicht mehr relevant. Das Judentum entwickelte sich folglich zum
Monotheismus, in dem andere Götter völlig negiert werden.
Konkret können diese Götter, deren Anbetung von Gott verboten wird, viele verschiedene
Gestalten annehmen: In den Naturreligionen sind es Fruchtbarkeitsgötter, Erd- und
Meeresgötter, in anderen Religionen können sie andere Formen annehmen. In der heutigen
Gesellschaft können damit auch Konsumgüter, das Geld oder bestimmte Personen gemeint
sein. Denn, wie es Martin Luther in seinem Großen Katechismus formuliert: „Worauf Du nu
(sage ich) Dein Herz hängest und verlässest, das ist eigentlich Dein Gott.“69
Exkurs: Das Gottesbild im Islam
Nun ist deutlich geworden, wie im Christentum die Beziehung zwischen Mensch und Gott
gedacht ist. Gott macht in den ersten drei der Zehn Gebote deutlich, wer er ist und wie die
Menschen mit ihm umgehen sollen. Es bleibt die Frage, ob die Menschen diesen Richtlinien
nachkommen.
Außerdem ist es hier interessant, den Blick einmal von dem Christentum loszulösen: Wie
sieht denn diese Selbstdarstellung Gottes in anderen monotheistischen Religionen, wie
beispielsweise dem Islam aus? Und wie geht die Gesellschaft muslimisch geprägter Staaten
mit ihrem Gottesbild um?
Zunächst beschäftige ich mich jedoch nochmals kurz mit dem christlichen Gottesbild,
zusammengefasst in den ersten drei Geboten. Sie lauten vereinfacht:
„1. Gebot: Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst nicht andere Götter haben neben mir!
2. Gebot: Du sollst dir kein Gottesbild machen, das du anbetest und dem du dienst!
3. Gebot: Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen!“70
Dass diese drei Gebote in der westlichen Gesellschaft kaum mehr Beachtung finden, zeigt
sich beispielsweise auch in der Werbung:
67
Lachmann, Adam, Ritter, Theologische Schlüsselbegriffe, Göttingen, 1999, S. 110, Artikel zu „Gott“
Vgl: Maier, Pohl, Wuppertaler Studienbibel, Wuppertal, 2005, 2. Buch Mose, S. 44
69
Lachmann, Adam, Ritter, Theologische Schlüsselbegriffe, Göttingen, 1999, S. 114, Artikel zu „Gott“
70
Lübking, Neues Kursbuch Konfirmation, Düsseldorf, 2000, S. 132
68
30
Honda fordert seine Kunden dazu auf, Autos zu ihrer Gottheit zu machen, Mustang
missbraucht das Bild Jesu für religionsstiftende Werbung, und Gott wird sehr häufig bildhaft
dargestellt, wie auf dem Titelblatt des Spiegel. Oft werden Gott und Jesus auch karikiert.
Auch in Filmen wird Jesus dargestellt oder karikiert, zum Beispiel im Film „Die Passion“
oder in der Komödie „Das Leben des Brian“.
Die westliche Gesellschaft, die doch stark vom Christentum geprägt ist oder zumindest war,
geht offensichtlich sehr frei und unbefangen mit dem Thema „Gott“ um. Gott hat scheinbar
seine Heiligkeit verloren, und ein Großteil der Gesellschaft hat keine Ehrfurcht vor ihm, wenn
er überhaupt noch mit Gottes Existenz rechnet.
Die Ursache dieser Umstände liegt vielleicht neben der Aufklärung auch bei der christlichen
Theologie: Ein Schwerpunkt der christlichen Lehre ist es, dass durch Jesu Kreuzestod alle
unsere Sünden vergeben sind. Die Reformationsbewegung legte nochmals sehr viel Wert auf
die Rückbesinnung auf diese unabhängig vom Handeln des Menschen zugesagte Gnade.
Das christliche Gottesbild ist also stark geprägt vom Bild des barmherzigen, verzeihenden
Gottes. Vermutlich entstand aus dieser Theologie heraus das Denkmodell der „billigen
Gnade“, ein Denken, in dem es keine Furcht vor Gottes Zorn mehr gibt, denn „Gott verzeiht
ja sowieso alles“.
Aus dieser Mentalität heraus kann es sich die Werbebranche erlauben, Gott zu Werbezwecken
zu instrumentalisieren.
Zudem gilt in fast allen westlichen Ländern die strikte Trennung von Staat und Kirche, wobei
staatliches Gesetz Vorrang vor biblischem Gesetz hat. Grundrechte wie Meinungs- und
Pressefreiheit haben hier einen höheren Stellenwert als die Zehn Gebote.
So kommt es zwar immer wieder zur Verletzung religiöser Gefühle von Christen oder auch
Anhängern anderer Glaubensgemeinschaften, jedoch müssen diese Verletzungen, wenn auch
mit Protest, hingenommen werden.
Wie sieht dieser Umgang mit dem Gottesbild nun im Islam aus?
Anfang diesen Jahres konnte man in den Medien eindrücklich mitverfolgen, dass muslimische
Gesellschaften wesentlich empfindlicher auf Spott über ihre Religion reagieren als christlich
geprägte Gesellschaften.
Auslöser eines folgenschweren Konflikts waren zwölf Karikaturen zum Thema Islam, die
schon im Herbst 2005 in einer dänischen Tageszeitung erschienen. Eine davon stellt
beispielsweise den Kopf des Religionsstifters Mohammed dar, der einen Turban in Form
einer Bombe mit brennender Zündschnur trägt.
Diese Karikaturen lösten in islamischen Ländern starke Proteste aus. Es fanden
Massendemonstrationen statt, Botschaften wurden gestürmt und in Brand gesteckt, und es
entstand ein internationaler Konflikt, der 140 Menschen das Leben kostete.
Für die westliche Gesellschaft war die Aggressivität der Reaktionen auf die Karikaturen kaum
nachvollziehbar.
Um die Gründe für die Wut der Muslime herauszufinden, muss man sich genauer mit ihrer
Religion und ihren Glaubensgrundsätzen auseinandersetzen.
Ihr Gottesbild ist an sich ähnlich wie das christliche, da der Islam sich, wie das Christentum
und das Judentum, auf die Geschichten des Alten Testaments beruft, und daher zu den
abrahamitischen Religionen gehört.
Jedoch gibt es auch einige Unterschiede zwischen dem christlichen und dem muslimischen
Gottesbild: Im Islam gilt ein völliges Bilderverbot. Sogar die sprachliche Personifizierung
Gottes ist verboten. Gott darf nur durch die Verwendung seiner gesammelten und in der
islamischen Welt allgemein bekannten 99 schönsten Namen angesprochen und beschrieben
werden.
31
Dieses Bilderverbot kommt daher, dass sich Gottes Transzendenz nach der Lehre des Islam
jeglichem menschlichen Darstellungsvermögen entzieht.
Auch für Mohammed gilt in manchen islamischen Staaten ein Abbildungsverbot. Während
das Darstellungsverbot Gottes jedoch im Koran festgeschrieben ist, ist das Verbot,
Mohammed abzubilden, erst später niedergeschrieben worden.
Gottes Wesensart wird im Islam nicht so stark wie im Christentum auf die Barmherzigkeit
und die Gnade reduziert, sondern im Islam trägt der Gläubige noch eine größere
Verantwortung für sein Handeln und somit für sein Leben nach dem Tod. Die Furcht vor dem
Urteil am Tag des jüngsten Gerichts spielt im Islam noch eine größere Rolle.
Insgesamt hat Gott in der muslimischen Welt noch eine wesentlich größere Autorität als in
der christlichen. Die Ehrfurcht der Menschen vor Gott bleibt im Islam bewahrt.
Hinzu kommt, dass im Islam Religion und Staat untrennbar miteinander verbunden sind. Die
Religion bestimmt folglich die Gesetze, und hat noch wesentlich mehr Einfluss auf den Alltag
eines jeden Bürgers eines islamischen Landes, als die christliche Religion auf den Alltag eines
Bürgers der westlichen Welt.
Für Muslime gibt es kein Gesetz über dem Allahs. Das Gesetz Gottes ist für sie das
endgültige, einzig richtige Gesetz. Das erklärt die Intoleranz vieler Muslime den Verfechtern
der Meinungs- und Pressefreiheit gegenüber.
Der Führer der radikal-islamischen Hisbollah ging sogar so weit, dass er als Reaktion auf die
Veröffentlichung der Karikaturen in einer Rede warnte: „Wir werden [Mohammed] nicht nur
mit unserer Stimme, sondern auch mit unserem Blut verteidigen.“71
Mohammed ist zwar nicht Gott, sondern völlig menschlich, jedoch ist er der "Gesandte
Gottes", durch den die Gläubigen den Koran empfangen haben. Er besitzt eine sehr große
Autorität, die auch im muslimischen Glaubensbekenntnis verankert ist. Es lautet:
"Ich bezeuge, dass es keinen Gott gibt außer (dem einzigen) Gott; und Mohammed ist der
Gesandte Gottes."72
Die Gewaltausbrüche infolge der Karikaturen waren offenbar mit durch diese religiösen
Hintergründe begründet.
Jedoch fielen sie auch deshalb so aggressiv aus, weil die westliche Welt zunehmend dazu
tendiert, den Islam mit dem Terror gleichzusetzen.
Allgemein verspüren islamischen Staaten eine geringschätzige Haltung des Westens
gegenüber dem Islam und der islamischen Gesellschaftsordnung, was sie verständlicherweise
verletzt und diplomatische Lösungen solcher Konflikte zusätzlich erschwert.
Abschließend kann man festhalten, dass das Gottesbild im Islam für den Großteil der
muslimisch geprägten Gesellschaft noch wesentlich mehr Heiligkeit und Autorität besitzt als
das christliche Gottesbild für den Großteil der christlich geprägten Gesellschaft das tut.
In islamischen Ländern ist Gott noch unantastbar. Eine Verwendung von Darstellungen
Mohammeds oder Gottes zu Werbezwecken wäre dort – zumindest zur heutigen Zeit noch –
undenkbar.
71
http://www.handelsblatt.com/news/Default.aspx?_p=200051&_t=ft&_b=1032510 zitiert in:
http://de.wikipedia.org Artikel zu „Das Gesicht Mohammeds“
72
http://de.wikipedia.org Artikel zu „Islam“
32
4.2.3 Bedeutung und Funktion der Themen in der Werbung
4.2.3.1 Ford
Der Autohersteller Ford behandelt in seiner Anzeige die Frage nach der Notwendigkeit der
Religion, also die Notwendigkeit Gottes für einen Menschen, der ein Ziel verfolgt.
Als Ziel ist der „rechte Pfad“ angegeben, was in dieser Anzeige wohl Lebensglück, Erfüllung,
und Zufriedenheit bedeutet.
Die Antwort, die diese Anzeige durch die Abbildungen und den Text gibt, ist deutlich: Die
Religion ist nicht notwendig, sie ist veraltet und verstaubt. Moderne Menschen brauchen sie
nicht mehr, denn die Menschheit hat sich weiterentwickelt. Der Fortschritt macht Gott
überflüssig. Zwar ist es möglich, durch die Bibel auf den „rechten Pfad“ zu gelangen, aber es
geht nur sehr langsam und schwierig, und diese Methode ist nicht mehr zeitgemäß. Ford hat
neue, eher zielgerichtete Wege gefunden, um den Menschen auf den rechten Pfad zu bringen.
Ford will damit erreichen, dass der Kunde in seinem Auto einen Religionsersatz findet. Er soll
an sein Auto glauben, sein Auto soll ein Orientierungspunkt im Leben sein. Mit ihm wird er
immer auf dem rechten Pfad sein, sowohl lokal, durch Navigationssysteme oder ähnliches
ermöglicht, als auch geistig. So kann das Unternehmen eine größere mentale Bindung des
Kunden zu seinem Auto und dessen Hersteller fördern.
4.2.3.2 Mustang
Die farbenfrohe Mustangwerbung stellt den Absolutheitsanspruch des Christentums in Frage.
Hier wird zwar nicht wie bei Ford konkret auf das Christentum Bezug genommen, doch die
Haltung des Mannes im Vordergrund macht die Anspielung auf Jesus offensichtlich. Der
Mann im Vordergrund, der eine Mustang-Jeans trägt, wird zum neuen Jesus. Er macht den
alten überflüssig, oder zweifelt zumindest an, dass der alte der einzige gewesen sein soll. Er
profitiert von Jesu Berühmtheit als Vollbringer von Wundern, und stellt sich selbst als
ebenbürtig dar. Durch Jesus von Nazareth kamen die Menschen zur Erlösung und zum
Ewigen Leben, durch den neuen Mustang-Jesus kommen die modernen Menschen zu ewiger
Jugend.
Mustang ermöglicht seinen Kunden, jugendlich zu wirken. Durch Mustanghosen wird man
wieder frisch und „knackig“, man verspürt neue Kraft und Lebensfreude.
Diese Versprechen gehen, da sie mit einem religiösen Bild gekoppelt sind, weit über rein
modische Aussagen hinaus. Sie wollen ebenfalls den Menschen eine Ersatzreligion
vermitteln, und dem Produkt einen mystischen Mehrwert verleihen.
Die Marke wird als Religion dargestellt, sie ermöglicht die Erfüllung von tiefen Wünschen,
sie bildet Gemeinden des Konsums, und sie macht nebenbei die alte Religion überflüssig.
Möglicherweise will Mustang nicht das existierende Christentum in Frage stellen oder
verdrängen, das Unternehmen bietet nur „religionslosen“ Suchenden eine Ersatzreligion an.
Die Tatsache, dass diese auf dem Christentum aufbaut, zeigt zumindest noch die offenbar
empfundene Verwurzelung der deutschen Gesellschaft im Christentum, auch wenn die
wirkliche Religion in der modernen Gesellschaft nur noch eine kleinere Rolle spielt.
4.2.3.3 Honda
Auch die Firma Honda greift auf allgemein gängige Glaubensgrundsätze zurück und profitiert
von deren Bekanntheitsgrad.
Das erste der Zehn Gebote wird hier als Anspruch eines Autos vermittelt. Das Gebot, mit dem
Gott die Verehrung anderer Götter verboten hat, wird in dieser Werbung gebraucht, um dem
Kunden das Fahren anderer Autos zu verbieten.
Der Satz „Du sollst keinen anderen neben mir haben“, der, um ihm Nachdruck zu verleihen,
auch noch in Großbuchstaben geschrieben ist, kann sich hierbei aber nicht nur auf andere
Autos, sondern auch, wie im ursprünglichen Sinne, auf andere Götter beziehen.
33
In dieser Anzeige wird also am offensichtlichsten gezeigt: Das beworbene Produkt soll zum
Gott des Menschen werden. Es soll mystifiziert werden, es soll erhöht und angebetet werden.
Es soll heilig sein und sogar Ansprüche an den Kunden stellen dürfen. Das Produkt soll
wichtigster Orientierungspunkt im Leben des Kunden sein, es soll die Lebensführung und das
Gewissen maßgeblich beeinflussen.
4.2.3.4 Opel
Die Firma Opel hebt sich von den vorangegangenen Anzeigen ab: Sie stellt in ihrer Werbung
weder das Produkt als einen Ersatzgott dar, noch bezieht sie sich auf das Christentum.
Ihre Grundlage sind Naturreligionen, in denen beispielsweise die Sonne und der Wind als
Gottheiten angebetet werden. Hierbei werden aber weder Sonne noch Wind direkt zum Gott
erklärt. Die Existenz des Gottes des Windes wird in einem Bedingungssatz in Frage gestellt,
und die Sonne soll man aufgrund ihrer Verdienste um die Erde anbeten. Dass man diese
Gottheiten direkt zu lebensbestimmenden Göttern machen soll, wird nicht verlangt.
Einerseits ist es zu begrüßen, dass das Unternehmen nicht wie so viele andere das
Christentum direkt für veraltet und überflüssig erklärt, aber dadurch, dass sich Opel nicht
einmal mehr auf das Christentum bezieht, negiert das Unternehmen selbst die christliche
Tradition und die Verwurzelung der Gesellschaft im Christentum.
Doch auch wenn das Produkt nicht direkt als Gott verkauft wird, wird es zumindest zum
„Tempel“ oder zu einem Mittel zur Anbetung erklärt. Es soll also auch in diesem Fall
mystifiziert werden, und einen religiösen Mehrwert bekommen.
Es soll außerdem dazu dienen, jeden Augenblick zu genießen, wie es in einer Aufforderung
kleiner unter den Anzeigen verdeutlicht ist. Somit soll die Erfahrung des ewigen
Lebensglücks durch dieses Auto möglich werden.
4.2.4 Zwischenergebnis
Bei dem Thema „Wer oder was ist Gott?“ geht es in der Werbung oft um den Versuch, eine
Marke für die Kunden zu einer Gottheit zu erhöhen, oder es mit einer Gottheit in nähere
Beziehung zu stellen. Die Käufer sollen das Produkt vergöttern und in ihm einen
Religionsersatz finden. Die Aufforderung dazu wird in jeder der Beispielwerbungen gemacht,
jedoch ist sie immer unterschiedlich offensichtlich.
Die Werbeindustrie geht davon aus, dass die heutige westliche Gesellschaft keine
allgemeingültige Antwort mehr auf grundlegende Menschheitsfragen mehr hat, wie zum
Beispiel der Frage nach dem Sinn des Lebens. Die Werbung baut großteils darauf auf, dass
die christliche Religion von einem Großteil der Gesellschaft als veraltet empfunden wird,
denn sonst würde eine kirchen- oder religionskritische Werbung in der Öffentlichkeit wohl
schlecht ankommen. So werden die Richtigkeit und die Notwendigkeit des christlichen
Glaubens oftmals konkret infrage gestellt.
Die Menschen, die aufgrund ihres „Religionsverlustes“ wieder auf der Suche sind, sollen nun
in der Marke etwas Sinnstiftendes finden. Die Marke soll eine Religion ersetzen, was zu
stärkerer emotionaler Bindung an das Unternehmen führen soll.
Hierzu möchte ich wieder zwei der sechs Thesen von www.glauben-und-kaufen.de zitieren:
„:: 1 :: Wie die Religion versucht, durch Vermittlung einer sinnvollen Lebensgestaltung dazu
beizutragen, dass das Leben gelingt, so versucht es die Werbung, indem sie dem Kunden
suggeriert, dass er nur durch den Kauf, Besitz und Gebrauch eines Produktes erfüllt leben
kann.
34
:: 2 :: Werbung instrumentalisiert in einer von postkonfessioneller Religiosität geprägten
Gesellschaft religiöse Motive, um trotzdem aus Menschen Kunden und aus Kunden MarkenGläubige zu machen. Dabei baut sie auf die im Verborgenen des Menschen noch
schlummernde religiöse Basis, versucht an dieses sakrale Unterbewusstsein zu appellieren
und kreiert deshalb neue Formen des Kult-Marketing, durch das der moderne Mensch
wohlig-warme Stätten für seine Sehnsüchte finden soll.“73
Die heutige Gesellschaft sieht Gott großteils aus weltlicher, rational geprägter Sicht: Sie
macht Gott zu einem Gegenstand des menschlichen Verstandes, der logisch beurteilt werden
kann. Gott kann nicht bewiesen werden, also existiert er vermutlich nicht. Und alles in allem
ist der Glaube an Gott nur eine geistige Strategie zur Bewältigung von Unsicherheiten. Er ist
eine Hypothese, die, falls man ihr Glauben schenkt, dem Glaubenden eine gewisse Stabilität
des Weltbildes verspricht.
Der angesprochene, heutzutage weit verbreitete Massenatheismus hat einen sehr geringen
Gefühlswert. Er bedeutet nicht unbedingt die Bestreitung der Existenz Gottes, sondern eher
eine Gleichgültigkeit dem Glauben gegenüber.
Das Reden über Gott aus weltlicher, rationaler und distanzierter Sicht ist für Theologen
äußerst unsachgemäß und für diese tief greifende, existentielle Thematik unangemessen.
Reden von Gott ist für sie kein Akt des menschlichen Verstandes, sondern des Heiligen
Geistes. Es kommt aus der persönlichen, jeden Menschen unbedingt angehenden Beziehung
zu Gott. Jedoch haben die meisten Menschen heute keine bewusste Beziehung mehr zu Gott.
So klaffen natürlich auch die Beurteilungen von Gottes Notwendigkeit und seinem
Absolutheitsanspruch aus den zwei unterschiedlichen Sichtweisen weit auseinander.
Diese Einstellung führt zu einer Offenheit der Menschen für Kritik an Religion und Kirche.
Gott ist kein wichtiger Bezugspunkt mehr, er ist höchstens eine Vermutung. Er, und somit alle
Bilder und Texte, die mit ihm in Zusammenhang stehen, hat seine Heiligkeit verloren, und
darf somit für Werbung benutzt werden.
Gott wird mit menschlichen Maßstäben beurteilt. Seine Notwendigkeit, die für Theologen
offensichtlich ist, wird infrage gestellt, sein Absolutheitsanspruch belächelt. Oft wird das
Gefühl vermittelt, solch primitive Dinge wie Religion habe der Mensch auf dem heutigen
Entwicklungsstandard nicht mehr nötig.
Das erste Gebot, die Erwartung Gottes an den Menschen, der wichtigste Bezugspunkt zu sein,
wird nicht ernst genommen. Andere, neu erfundene oder uralte Religionen werden als ebenso
plausibel dargestellt.
Jedoch gehorchen die Werbungen unbewusst der oben erläuterten Theorie Martin Luthers
zum Verhalten des Menschen: Die Werbung stellt den Menschen als seinen eigenen Herrn
dar. Sie ist Gott gegenüber feindlich oder gleichgültig eingestellt und weist seine Erwartungen
und Ansprüche deutlich zurück. Die Werbungen rufen mit Zitaten der Zehn Gebote in
Verbindung mit Konsumgütern paradoxerweise gerade zum Verstoß gegen die Zehn Gebote
auf. Dabei rechnen die Werbefachleute damit, durch religionskritische Anzeigen besonders
unvoreingenommen, mutig und modern zu wirken, und so die Zustimmung eines Großteils
der Gesellschaft zu gewinnen. Aber aus christlicher Sicht gesehen ist dieses Phänomen ein
schon lange bekanntes: Schon immer hat der Großteil der Gesellschaft Gottes Gesetze
missachtet, seinen Namen missbraucht und andere Götter höher gestellt, denn wäre es nicht so
gewesen, wären die Zehn Gebote ja umsonst formuliert worden.
Bei dieser Thematik ist auffallend, dass sie sehr oft im Zusammenhang mit Autos berührt
wird. Dies ist bei genauerer Betrachtung nicht verwunderlich.
73
Anhang 2, Die sechs Thesen der Seite www.glauben-und-kaufen.de
35
Die Zielgruppe von Autowerbung sind vor allem Männer. Aus der allgemeinen
Lebenserfahrung kann man sagen, dass Männer zu ihren Autos teilweise eine Beziehung
haben, die in eine spirituelle Richtung geht. Diese eigentlich fragwürdige Beziehung wird
allerdings von der Werbung als ganz normal oder sogar erstrebenswert dargestellt, und so
werden Männer in ihren religiösen Gefühlen für ihre „heiligen Blechle“ noch weiter bestärkt.
Mehr als alle anderen Konsumgüter haben also Autos für Männer einen nicht zu
unterschätzenden spirituellen Mehrwert. Die Automarke wird besonders oft zur Religion. Das
kann damit zusammen hängen, dass Autos allgemein als Statussymbol gelten. Mit ihnen kann
man seine Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder Schicht demonstrieren, sie haben
teilweise gemeindebildende Wirkung. Zudem symbolisiert ein Auto für Männer oft Freiheit,
Mobilität, Flexibilität, eigenen Herrschaftsbereich, Unabhängigkeit und die Möglichkeit zur
Selbstverwirklichung.
Autos sind also Produkte, die sich in der Werbung besonders gut mit spirituellen Werten
beladen lassen.
5. Fragestellung: Wird die Werbung der Theologie gerecht?
Es stellt sich nun die Frage, ob die Werbung der Theologie gerecht wird. Benutzt die
Werbung die biblischen Bilder und Begriffe sachgemäß? Legt sie Wert auf richtige
Wiedergabe der biblischen Aussagen? Stimmen die neuen Aussagen der verwendeten
Textstellen noch mit ihren ursprünglichen Aussagen überein?
Diese Fragen sind, wenn man die Ergebnisse der neun angeführten Beispiele berücksichtigt,
relativ schnell mit „Nein“ beantwortet.
Die Zwischenergebnisse von den Kapiteln 4.1 und 4.2 waren beide negativ.
Bei 4.1 war festzustellen, dass die meisten Motive der Schöpfungsgeschichte falsch
wiedergegeben wurden, oder dass ihnen ein neuer Sinn verliehen wurde.
Theologische Begriffe wurden sowohl in 4.1 als auch in 4.2 völlig umgedeutet. In 4.2 wurde
Gott selbst infrage gestellt oder gar negiert, sein Absolutheitsanspruch wurde nicht anerkannt,
und die Zehn Gebote als wichtige Bestandteile des christlichen Glaubens wurden nicht
geachtet, und es wurde sogar zum Verstoß gegen sie aufgerufen.
Man fragt sich, warum mit ein und denselben Texten und Bildern so unterschiedlich
umgegangen wird, und warum deren resultierende, verschiedene Bedeutungen so weit
auseinander klaffen.
Es scheint, an den verschiedenen Sichtweisen von Religion zu liegen.
Die Werbung vertritt die Sichtweise der Gesellschaft. Diese ist geprägt vom
Massenatheismus, was eine Gleichgültigkeit gegenüber der Religion bedeutet. Folglich
bemüht sich die Werbung erst gar nicht um eine sachgemäße, richtige Darstellung der
religiösen Motive.
Die Heiligkeit, die solche Motive für Christen besitzen, ist für die Werbebranche oft nicht
nachvollziehbar, oder sie wird einfach übergangen.
In der Werbebranche hat jedes Unternehmen zurzeit eine harte Konkurrenz. Es geht darum,
möglichst schnell möglichst viel zu verkaufen, und so die Bestätigung für den Erfolg der
Werbung zu bekommen. Um möglichst viel zu verkaufen, müssen die potentiellen Kunden
erst einmal auf eine Werbung aufmerksam gemacht werden, was bei der heutigen
Informationsüberflutung nicht so einfach ist. In solch einer Zeit hart umkämpfter
36
Aufmerksamkeit kann scheinbar keine Rücksicht mehr auf angetastete religiöse Gefühle
genommen werden.
Wie oben erläutert, sollen die Produkte auch meist mit einem bestimmten Gefühlswert
verbunden werden, um für den Kunden auch emotionale Gründe zu schaffen, das Produkt zu
kaufen. Diese Gefühle sollen oft ins Mystische gelenkt werden, die Produkte sollen selbst
etwas Heiliges werden. Um das zu erreichen, muss sich die Werbebranche an schon
vorhandenen mystischen oder heiligen Bildern orientieren, wofür die christliche Tradition nun
mal sehr viele Vorlagen bietet.
Eine andere, ebenfalls schon angesprochene Haltung, die unter anderem von Benetton
vertreten wird, beinhaltet, bewusst religiöse Gefühle anzutasten, und damit in irgendeiner
Weise Aufsehen zu erregen. Selbst die Empörung der Christen über die entsprechende
Werbung ist der Bekanntheit des Unternehmens zuträglich. Zudem wirken kirchenkritische
Unternehmen mutig und modern.
Die Sichtweise der Theologie auf die angesprochenen Motive und Texte ist eine ganz andere.
Die Theologie geht davon aus, dass Religion jeden Menschen angeht. Gott und die mit ihm
verbundene Lehre ist elementar für das Leben eines jeden Menschen.
So wird äußerst viel Wert auf die genaue Behandlung jedes religiösen Bildes und Textes
gelegt. Eine Verfälschung von ursprünglichen Inhalten oder Aussagen wird versucht,
auszuschließen.
Für Christen besitzen biblische Texte, darunter auch die Zehn Gebote, eine Heiligkeit. Im
Allgemeinen versuchen Gläubige, sich nach den Zehn Geboten zu richten, die somit direkten
Einfluss auf ihr Leben haben.
Christen suchen ständig nach Gott, sie versuchen, ihr Leben zur Ehre Gottes zu leben. Alles,
was mit Gott in näherer Verbindung steht, ist daher für sie von großer Bedeutung, und sollte
nicht zu menschlichen Zwecken benutzt oder lächerlich gemacht werden.
Wenn man diese zwei Sichtweisen betrachtet, ist es verständlich, dass die Vertreter dieser
Sichtweisen mit religiösen Motiven sehr verschieden umgehen. Es liegt an den völlig
unterschiedlichen Ausgangspositionen, an verschiedenen Zielen und verschiedenen
Grundeinstellungen.
Da die Motive und Texte eher Gegenstand der Theologie sind, hat diese ein Vorrecht auf den
„richtigen“ Umgang mit diesen Texten und Motiven.
Die Werbung bedient sich eigenmächtig an den Gegenständen der Theologie.
Es bleibt die Frage, ob dieser Umgang der Werbung mit den religiösen Elementen akzeptabel
ist.
6. Diskussion:
Ist dieser Umgang mit christlichen Elementen akzeptabel?
Bei dieser Fragestellung ist eine eindeutige Antwort nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Es
gibt hier unterschiedliche Standpunkte. Das jeweilige Urteil hängt hier ganz individuell von
der Einstellung eines Menschen ab, und ist teilweise auch unabhängig von dessen Einstellung
zum christlichen Glauben.
Zunächst einmal kann man festhalten, dass die Religion, oder zumindest religiöse Motive
scheinbar immer noch eine große Rolle für die heutige Gesellschaft spielen. Die Bekanntheit
von vielen Bildern, die aus dem Christentum kommen, kann vorausgesetzt werden, und man
kann immer noch eine Verwurzelung der Gesellschaft in der christlichen Tradition feststellen.
37
Dass so viele religiöse Motive in der Werbung und auch allgemein in den Medien
vorkommen, weist darauf hin, dass die Fragen, die durch das Zurückdrängen der Religion
aufgeworfen wurden, zu einem Großteil unbeantwortet geblieben sind.74
Dieser Sachverhalt klärt zwar noch nicht, ob der Umgang mit christlichen Elementen
akzeptabel ist, aber er macht das häufige Vorkommen der christlichen Elemente zumindest
verständlicher.
Man kann davon ausgehen, dass die oben angesprochenen Fragen auch in Zukunft nicht durch
die Werbung geklärt werden können. Denn der Kunde merkt nach dem Kauf eines Produktes
meist relativ schnell, dass auch dieses Produkt ihn nicht wirklich erfüllt und glücklich macht.
Der Mensch wird weiter auf der Suche bleiben. Und vielleicht wird er seine Suche nach dem
Scheitern der Ersatzreligionen sogar verstärken und sich wieder über die wirkliche Religion
Gedanken machen.
Hierzu ist allerdings zu bedenken, ob dieser Umgang mit den Kunden akzeptabel ist. Der
spirituelle Mehrwert, der einem Produkt verliehen werden soll, ist erfunden. Er ist ein
Versprechen, das sich nie bewahrheiten wird. Auch Mustang Jeans beispielsweise machen
nicht ewig jung. Diese Versprechen werden aber selten konkret in Textform gegeben, sondern
eher verschlüsselt oder versteckt durch Bilder dem Unterbewusstsein vermittelt, sodass der
potentielle Kunde es manchmal nicht durchschaut. Ob man solche Werbung so stehen lassen
sollte, bleibt fraglich.
Es ist jedoch wichtig, festzuhalten, dass die Werbung keine ernsthafte Konkurrenz zur Kirche
schaffen möchte. Sie will in keinem Falle die Glaubenden in Zweifel treiben oder von ihrer
Überzeugung abbringen. Meist will sie auch nicht die Kirche oder die Religion lächerlich
machen oder gar niedermachen und verurteilen. Die religiösen Motive sind häufig nur etwas
ironisch gemeint.
Werbung bietet Menschen auf der Suche nach einer Ersatzreligion Lösungsansätze an, die
allerdings meistens auch nicht ganz ernst gemeint sind.
Dennoch bleibt zu befürchten, dass die Werbung, wenn sie auch nicht die Erfinderin der
Kirchenfeindlichkeit war, doch teilweise die Kirchenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft
unterstützt oder bekräftigt. Zudem wird der Massenatheismus weiter gestärkt, und die
Hemmschwelle zum gedankenlosen Umgang mit religiösen Motiven wird weiter verringert.
Hinzu kommt, dass die Werbung in einer teilweise kritisch zu sehenden Weise mit diesen
offen gebliebenen Fragen der Gesellschaft spielt. Sie benutzt diese Fragen, um ein Produkt zu
verkaufen und wird somit deren existentiellem Charakter nicht gerecht.
Andererseits muss man auch einräumen, dass werberechtlich gesehen jedes Unternehmen das
Recht hat, mit fast allen Motiven und Texten zu arbeiten, mit denen es arbeiten will. Das
Werberecht ist generell relativ frei von strengen und konkreten Einschränkungen, da die
Werbebranche sehr viel Wert auf Selbstkontrolle und gegenseitige Überwachung legt. Man
darf also seine Werbeaussagen beliebig gestalten, sie müssen nur dem Grundsatz genügen,
„wahr“ zu sein, d.h. sie dürfen keine „übertriebene Versprechungen“ oder „willentlich falsche
Behauptungen“75 enthalten. Sie dürfen zudem nicht irreführend sein oder gegen das „Gesetz
gegen unlauteren Wettbewerb“76 verstoßen. Sie müssen außerdem die guten Sitten wahren.
Was allerdings „gute Sitten“ sind, ist stark zeitabhängig.
In der Werbung ist lediglich die „Herabwürdigung und Diskriminierung von Personen“77
verboten. Fühlt sich also jemand deutlich durch eine Werbung verletzt, kann er beim
Deutschen Werberat Beschwerde einlegen. Nach einer sorgfältigen Prüfung wird dann die
betreffende Firma aufgefordert, ihre Kampagne zurückzuziehen. Solchen Aufforderungen
wird dann im Allgemeinen auch Folge geleistet.
74
Vgl: Anhang 2, Die sechs Thesen der Seite www.glauben-und-kaufen.de, These 6
Schneider, Werbung in Theorie und Praxis, Waiblingen, 2000, S. 341
76
Schneider, Werbung in Theorie und Praxis, Waiblingen, 2000, S. 622
77
Schneider, Werbung in Theorie und Praxis, Waiblingen, 2000, S. 653
75
38
So ist das bewusste Lächerlichmachen von religiösen Texten und Bildern, die bei Gläubigen
mit bedeutenden religiösen Gefühlen verbunden sind, eigentlich nicht zulässig, denn es
bedeutet die Erniedrigung einer menschlichen Grundhaltung. Dennoch kommt es immer
wieder vor.
Jedoch muss man zur Verteidigung der Werbung einräumen, dass Werbung sich, um
erfolgreich zu sein, auf allgemein bekanntes Gedankengut beziehen muss. Hierzu müssen die
Werbefachleute in der Tradition der Gesellschaft nach gemeinsamen Werten suchen, die für
den größten Teil der heutigen Bevölkerung Deutschlands noch von Bedeutung sind. Da die
Tradition unserer Gesellschaft nun mal sehr stark vom Christentum geprägt ist, ist es nicht zu
vermeiden, in der Werbung auch auf christliche Bilder und Texte zurückzugreifen.
Zwar sind die Bilder und Texte noch bekannt, doch es ist zu bedauern, dass ihre Bedeutung
im Laufe der Zeit verloren gegangen ist oder sich stark gewandelt hat. Da sich die Werbung
auf die in der Gesellschaft gängigen Vorstellungen, und nicht auf die ursprünglichen
Bedeutungen bezieht, führt das zu einer völligen Verfälschung der Symbole. Diese ist zwar
nicht durch die Werbung begründet, aber wird doch durch sie noch weiter bekräftigt.
Der Umgang der Werbung mit christlichen Motiven ist und bleibt unsachgemäß.
Abschließend könnte man festhalten, dass die Werbung sehr oft mit religiösen Motiven
umgeht, dies allerdings fast immer in einer dem Thema unangemessener Weise tut.
Jedoch ist die Verwendung von religiösen Motiven in der Werbung offenbar unvermeidlich,
und sie hat, trotz allem unsachgemäßen Umgang eventuell auch positive Seiten. Jedoch muss
man auch deutlich an die Selbstkontrolle der Unternehmen appellieren. Werbungen, die
religiöse Gefühle von Gläubigen verletzen, sollten in Zukunft bekämpft oder bestenfalls
vermieden werden.
Allerdings sollten sich auch die Christen nicht zu sehr über dieses Thema empören. Sie
sollten sich drüber im Klaren sein, dass ein Großteil der Gesellschaft ihre religiösen Gefühle
nicht richtig nachvollziehen kann.
Im Grunde genommen ist ein unsachgemäßer Umgang mit Grundbestandteilen des
christlichen Glaubens auch nichts Neues.
Denn das hielt schon Paulus unter der Überschrift „Gottes Weisheit“ im
1. Korintherbrief 2, 6-8 fest:
„Dennoch erkennt jeder im Glauben gereifte Christ, wie wahr und voller Weisheit diese
Botschaft ist, auch wenn diese Welt und ihre Machthaber das nicht als Weisheit gelten lassen
wollen. Aber die Welt mit all ihrer Macht wird untergehen.
Die Weisheit, die wir verkünden, ist Gottes Weisheit. Sie bleibt ein Geheimnis und vor den
Augen der Welt verborgen. Und doch hat Gott, noch ehe er die Welt schuf, beschlossen, uns
an seiner Weisheit und Herrlichkeit teilhaben zu lassen. Von den Herrschern dieser Welt hat
das keiner erkannt. Sonst hätten sie Christus, den Herrn der Herrlichkeit nicht ans Kreuz
geschlagen.“78
Eine angemessene Umgangsweise von Nichtchristen mit christlichen Glaubensinhalten ist
somit noch nie möglich gewesen.
Da dieser Umgang sich aber nicht unterbinden lässt, bleibt den Christen nichts anderes übrig,
als ihn hinzunehmen.
78
„Hoffnung für alle“-Übersetzung
39
Literaturverzeichnis:
1. Bilder:
Titelblatt Spiegel
Der Spiegel, Nr. 52/21.12.98, S. 1
René Lezard
http://www.glauben-und-kaufen.de/cd_bilder/04_jkl/lezard--gott-hat-menschen-erschaffen.jpg
Traum Station
http://www.glauben-und-kaufen.de/cd_bilder/08_tuv/traum-station--schoepfung.jpg
Renault Clio
http://www.glauben-und-kaufen.de/cd_bilder/06_pqr/renault-clio--schlange-lichtstrahl.jpg
Benetton
http://www.glauben-und-kaufen.de/cd_bilder/01_abc/benetton--adam-und-eva.jpg
Duloren
http://www.glauben-und-kaufen.de/cd_bilder/02_def/duloren--paradies-apfel.jpg
Industriewerbung Dr. Wilkens
http://www.glauben-und-kaufen.de/cd_bilder/09_wxyz/wilkens--apfel-verfuehrung.jpg
Ford
http://www.glauben-und-kaufen.de/cd_bilder/02_def/ford--rechter-pfad-bibel-1.jpg
http://www.glauben-und-kaufen.de/cd_bilder/02_def/ford--rechter-pfad-bibel-2.jpg
Mustang
http://www.glauben-und-kaufen.de/cd_bilder/05_mno/mustang--jungbrunnen.jpg
Honda
http://www.glauben-und-kaufen.de/cd_bilder/03_ghi/honda--beten.jpg
Opel
http://www.glauben-und-kaufen.de/cd_bilder/05_mno/opel--beten.jpg
http://www.glauben-und-kaufen.de/cd_bilder/05_mno/opel--gott.jpg
2. Bücher:
Meyers Lexikonredaktion, Meyers Taschen Lexikon A-Z,
Mannheim: Bibliographisches Institut F.A. Brockhaus AG, 2001
Galling, Die Religion in Geschichte und Gegenwart - Handwörterbuch für Theologie und
Religionswissenschaft, (RGG³)
Digitale Bibliothek Band 12
Berlin: Directmedia, 2000
Schneider, Werbung in Theorie und Praxis,
Waiblingen: M-und-S-Verlag für Marketing und Schulung, 2000
40
Maier, Pohl, Wuppertaler Studienbibel AT in neun Bänden,
Wuppertal: R. Brockhaus Verlag, 2005
Kliemann, Glauben ist menschlich,
Stuttgart: Calwer Verlag, 2001
Coenen, Beyreuther, Bietenhard, Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament,
Studien-Ausgabe, Band 2, Wuppertal: R. Brockhaus Verlag, 1990
Schlatter, Calwer Bibellexikon,
Stuttgart: Calwer Verlag, 1989
Burkhardt, Swarat, Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde, Band 3
Wuppertal/Zürich: R. Brockhaus Verlag, 1994
Marschik, Dorer, Sexismus (in) der Werbung: Geschlecht, Reklame und Konsum,
in: MedienImpulse, Heft Nr. 42
Wien: Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Österreich), Dezember 2002
Download:
http://www.mediamanual.at/mediamanual/themen/pdf/werbung/42_Marschik.pdf
Schulz, Schulz, Als Frau leben – als Mann leben.
27 Arbeitsblätter mit didaktisch-methodischen Kommentaren, Sekundarstufe 2,
Stuttgart: Ernst Klett Verlag, 1998
Richardt, Religion 12/13 – Vorbereitung auf das Abitur Evangelische Religionslehre,
München/Dillingen: Verlag und Druckerei G.J.Manz AG, 1998
Lachmann, Adam, Ritter, Theologische Schlüsselbegriffe: biblisch, systematisch, didaktisch
Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1999
Lübking, Neues Kursbuch Konfirmation,
Düsseldorf: Patmos Verlag, 2000
Internetseiten:
http://www.wikipedia.org
http://www.glauben-und-kaufen.de
http://www.bibel-konkordanz.de
41
Herunterladen