Schwerpunkt: Erneuerbare Energien Geothermie – Stand und Herausforderungen für die nachhaltige Entwicklung Mit einem Fokus auf die Situation in der Schweiz 99% der Erdmasse haben eine Temperatur von über 1000oC. Die enthaltenen Energie-Ressourcen sind immens und aus Perspektive der energetischen Bedürfnisse der Menschheit quasi unerschöpflich. Die Geothermie in einer nachhaltigen Weise zu nutzen, ist eine spannende Herausforderung. Erdwärmesonden, hydrothermale Geothermie und Enhanced Geothermal Systems sind die am weitesten verbreiteten Nutzungsformen dieser erneuerbaren Energiequelle. Von Gunter Siddiqi, Bern, und Rudolf Minder, Oberlunkhofen G Einleitung eothermie hebt sich von den anderen erneuerbaren Energien durch drei Merkmale ab: Sie nutzt unterirdische Ressourcen und verbraucht somit vergleichsweise wenig Landfläche, ihre Verfügbarkeit unterliegt keinen jahreszeitlichen, tageszeitlichen oder witterungsbedingten Schwankungen und das Potenzial ist unerschöpflich. Geothermie wird erst durch den geothermischen Gradienten ermöglicht, eine Kenngröße zur Charakterisierung der Erdkruste. In den oberflächennahen 15-20 m sind die Temperaturen normalerweise durch Klima und die jahreszeitlichen Schwankungen bestimmt. Mit der Tiefe nimmt die Temperatur zu und zwar in Abhängigkeit von der Verteilung der Wärmequellen (zum Beispiel heisse Wasserquellen, Vulkane, partiell geschmolzene Gesteine), der thermischen Leitfähigkeit der Gesteine, der mineralischen Komposition, Struktur und Porosität der Gesteine, der Wärmeerzeugung durch den Zerfall radioaktiver Elemente und der Präsenz von Fluiden. Der geothermische Gradient ist abhängig von der Beschaffenheit und der Dicke der kontinentalen Kruste 28 und kann zwischen 7 und 150°C/km betragen. In kontinentalen Gegenden, in denen die geologischen Formationen Milliarden Jahre alt sind, die Erdkruste stabil und bis zu 150 km dick ist (zum Beispiel in weiten Teilen Kanadas oder Südafrikas), kann der geothermische Gradient relativ gering sein (bis zu 7oC/km, Abb. 1). Im südwestlichen Deutschland, wo uns regelmässige Schwachbeben an tektonische Aktivität erinnern, die thermischen Leitfähigkeiten der Gesteine niedrig sind und die kontinentale Kruste mit einer Dicke von ungefähr 40-50 km relativ gering ist, kann der geothermische Gradient bis zu 50-70oC/km betragen. 30oC/km gelten jedoch als typischer Wert. In tektonisch sehr aktiven Gebieten, in denen die Kruste nur wenige Kilometer dünn ist, kann der geothermische Gradient bis zu 100-150oC/km hoch sein (zum Beispiel in Island, Hawaii, Japan, Indonesien und El Salvador). Vulkane, in diesen Gegenden weitverbreitet, sind wohl die beeindruckendsten Manifestationen der Erdwärme. Erdwärmesonden – ein erfolgreiches, weit verbreitetes, nachhaltiges und sauberes Energienutzungskonzept Bei der Nutzung geothermischer Ressourcen wird häufig zwischen «untiefer» oder oberflächennaher Geothermie (zum Beispiel Erdwärmesonden und Energiepfähle) und «tiefer» Geothermie, deren Nutzung tiefe Bohrlöcher voraussetzt, unterschieden. Die oberflächennahe Geothermie umfasst Einrichtungen zur Wärmegewinnung aus Tiefen bis ca. 300 m. Damit können – mit Ausnahme von Thermalquellen – nur Temperaturen bis zu etwa 20°C erzielt werden, deren Nutzung den Einsatz von Wärmepumpen voraussetzt. Die mit grossem Abstand am häufigsten eingesetzte Technik ist dabei die Erdwärmesonde (EWS), ein in einem Bohrloch installierter, vertikaler Wärmetauscher. Die Technik der EWS ist heute ausgereift, und die Systeme können sich am Markt sehr erfolgreich behaupten. Die durch die Öl- und Gaspreisentwicklung stimulierte Nachfrage fördert den Markteintritt neuer Bohr- und Haustechnik-Unternehmen und führt auch zu Preisreduktionen. In der Schweiz ist die geothermische Wärmeproduktion eine Erfolgsgeschichte: Ungefähr 1,2 TWh Wärme werden pro Jahr erzeugt. Gemäss den statistischen Erhebungen der Fördergemeinschaft Wärmepumpen FORUM GEOÖKOL. 20 (1), 2009 Schwerpunkt: Erneuerbare Energien Schweiz wurden im Jahr 2007 mehr als 1’400 km Erdwärmesonden abgeteuft, davon etwa ein Drittel als Ersatz für bestehende Ölheizungen. Jährliche Wachstumsraten über die letzten sieben Jahre lagen im Schnitt bei 9,8%. Damit ist die Schweiz relativ zur Bodenfläche einer der führenden Nutzer der geothermischen Wärmeproduktion. Neben den EWS werden im Bereich der oberflächennahen Geothermie in wesentlich geringerem Ausmass auch andere Konzepte realisiert, insbesondere Erdwärmekörbe für Kleinanlagen oder Energiepfähle bzw. Geostrukturen bei Grossbauten. Bei letzteren werden ebenfalls EWSFelder eingesetzt, wobei meist eine kombinierte Nutzung zur Wärme- und Kältegewinnung angestrebt wird. Abb. 1: Klassifikation geothermischer Ressourcen unter Berücksichtigung der technischen Zur oberflächennahen GeotherMachbarkeit und Nutzungsmöglichkeiten (Häring 2007). mie gehört auch die energetische nungswerkzeugen mithelfen, die (zum Beispiel in den Philippinen, El Nutzung von Grundwasser sowie Interessensabwägung zwischen GeSalvador, Costa Rica und Kenia). In von Tunnelwasser. Mit den hydrowässerschutz und energetischer «neuen» Geothermieländern wie thermalen Quellen (s.u.) verwandt Nutzung zu objektivieren. Deutschland, der Schweiz und Össind die Tunnelwässer, deren Temterreich ist die Zahl noch verschwinperatur meist im Bereich von 10 bis Hydrothermale Geothermie dend gering oder gar null. 30°C liegt. Sie können mit Wärmepumpenanlagen oder direkt für Sind keine geothermischen ManifesHydrothermale Quellen sind im landwirtschaftliche oder aquakultutationen an der Erdoberfläche sichtGegensatz zu den Erdwärmesonden relle Zwecke genutzt werden. Das bar (etwa natürliche Thermalquellen bis anhin nur in speziellen Gebieten Tropenhaus Frutigen im Berner oder Geysire), sucht man für die als Energiequelle verfügbar. In der Oberland kann hier exemplarisch Schweiz ist dies vorwiegend dort der Nutzung der hydrothermalen oder genannt werden. Es nutzt das ca. tiefen Geothermie nach heissen, Fall, wo thermale Wasser zu Tage 20°C warme Tunnelwasser, das dem porösen und permeablen Aquiferen, treten. Je nach Temperatur des 2007 eröffneten Lötschbergdie häufig in einer Tiefe von 2 bis 5 Wassers kann die Wärme direkt zu Basistunnel entströmt, zur Produktikm vorkommen. Stösst man bei den Heizzwecken genutzt werden, bei on von tropischen Früchten und zur Sondierungen auf attraktive Ressehr günstigen Verhältnissen – d.h. Aufzucht von wärmeliebenden Fisourcen, folgt eine Evaluation verbei Temperaturen ab etwa 80-100°C schen (v.a. Stör). schiedener Nutzungskonzepte (Abb. und einer Ergiebigkeit von mindes2). Anschliessend werden BohrlochBei der Grundwassernutzung betens 20 l/s – ist auch eine Stromschränken die Gewässerschutzauflaproduktion möglich. Weltweit waren felder erstellt und die Ressource erschlossen. Heisse Fluide transporgen häufig die Entwicklung, wesweEnde 2003 insgesamt ungefähr tieren dann die Gesteinswärme an gen diese Nutzungsart in den ver8’400 MWel Kapazität für die Stromdie Oberfläche, wo sie direkt oder gangenen Jahren nur geringe Zuproduktion installiert (Dickson & für die Umwandlung von thermiwachsraten aufwies. In diesem BeFanelli 2004). In manchen Ländern scher in elektrische Energie genutzt reich kann die Entwicklung und liefert hydrothermale Geothermie werden kann. Erprobung von verbesserten Pla10-25% des gesamten Strombedarfs FORUM GEOÖKOL. 20 (1), 2009 29 Schwerpunkt: Erneuerbare Energien Abb. 2: Geothermie-Nutzungsmöglichkeiten des Untergrundes in unterschiedlichen Tiefenbereichen anhand eines Beispiels aus der Region Neuenburg, Schweiz (Quelle: CREGE). In der Schweiz gibt es ein grösseres Projekt, das geothermische Wärme direkt nutzt. In Riehen (Kt. BaselStadt) wird aus Tiefe von 1’545 m ungefähr 20 Liter pro Sekunde Thermalwasser mit einer Temperatur von 62°C gefördert, was angenähert einer thermischen Leistung von 3,1 MWth entspricht. Die Nutzung tiefer Aquifere mit Wassertemperaturen von 100-130°C stellt in der Schweiz mittelfristig die einzige Möglichkeit dar, neben der direkten Wärmenutzung auch Elektrizität aus geothermischen Ressourcen zu gewinnen. Denn zur Erzeugung elektrischen Stroms eignet sich nur Wasser, das wärmer als ~80°C ist. Einige Projekte sind zurzeit in Planung wie zum Beispiel in St. Gallen (Kt. Sankt Gallen), Zürich (Kt. Zürich), Brig-Glis (Kt. Wallis), Lavey (Kt. Waadt), Etoy-Aubonne (Kt. Waadt) und Thônex (Kt. Genf). Erfolgreich umgesetzte Beispiele in Deutschland sind die Wärme- und Stromerzeugungsanlage in Unterhaching (Bayern), in Neustadt-Glewe (Mecklenburg-Vorpommern) und in Landau (Rheinland-Pfalz). Dazu gibt es noch zahlreiche, in Bau befindliche Projekte, zum Beispiel in AyingDürnhaar (Bayern), KaufbeurenMauerstetten (Bayern), Sauerlach 30 (Bayern), Wolfratshausen-Geretsried (Bayern), Bruchsal (BadenWürttemberg) und Insheim (Rheinland-Pfalz). Enhanced Geothermal Systems (EGS) Mit Enhanced Geothermal Systems (EGS; oft Hot Dry/Wet Rock genannt) wird eine Technik bezeichnet, welche es erlaubt, auch in Gebieten ohne vulkanische Aktivitäten oder starken, heissen Aquiferen, Hochtemperaturwärme aus der Erdkruste zu gewinnen. Die Erdwärme wird wie in den anderen Systemen der untiefen oder hydrothermalen Geothermie mit Hilfe von Wasser als Wärmetransportmedium im flüssigen oder dampfförmigen Zustand von der Wärmequelle, dem heissen Gestein, zur Oberfläche transportiert. Jedoch werden hier nicht gut durchlässige Aquifere mit geeigneter Wassertemperatur genutzt (ein eher selten anzutreffender Fall), sondern das gesamte Spektrum an geologischen Formationen bis hin zu den sehr viel weiter verbreiteten, undurchlässigen und trockenen Gesteinen. Um die Wärme zu nutzen, bedarf es jedoch immer einer gewissen Durchlässigkeit der Wärmequelle. Die Durchlässigkeit der Gesteinsformationen nimmt aber normalerweise mit zunehmender Tiefe bzw. Temperatur ab. Will man die Wärme der grossen Tiefen nutzen (heute sind Bohrlöcher bis in eine Tiefe von 5 km technisch ohne grosse Probleme zu realisieren, wobei das Hauptproblem nicht so sehr die Gesteinsart, sondern die hohe Temperatur darstellt), muss daher eine Durchlässigkeit des heissen Gesteins erwirkt werden. Dies geschieht durch das Aufbringen eines hohen Wasserdrucks oder durch Säuerung von Gesteinsschichten. Der erste Ansatz hat das Potenzial, in einem km3grossen Gesteinsvolumen eine adäquate Durchlässigkeit zu schaffen. Der zweitgenannte Ansatz hat meist nur einen positiven, d.h. die Durchlässigkeit erhöhenden Einfluss im nahen Umfeld des Bohrlochs. Diese Methode wird daher routinemässig in vielen Bohrlöchern praktiziert, um zum Beispiel schwer vermeidbare Schäden durch Bohrschlämme zu korrigieren, die im Bohrprozess verwendet werden müssen. Die Attraktivität der EGS-Technologie liegt darin, dass deren Potenzial gigantisch ist – es kommt schliesslich «nur» noch darauf an, die Bohrtechnologie und die ingenieurwissenschaftliche Erschliessung von FORUM GEOÖKOL. 20 (1), 2009 Schwerpunkt: Erneuerbare Energien EGS-Reservoiren weiterzuentwickeln. Selbstverständlich müssen bei der Planung und Durchführung eines EGS-Projektes allen Aspekten des Arbeitsschutzes, der Arbeitssicherheit, dem Umweltschutz und anderen Faktoren der nachhaltigen Entwicklung Rechnung getragen werden. In Mitteleuropa gibt es eine rege Aktivität in der Erstellung und Bewirtschaftung von EGS-Projekten, die ein breites Spektrum an möglichen Bedingungen des Untergrundes umfassen. So ist das deutsche Projekt in Landau ein relativ durchlässiges EGS, wo Fluide leicht konvektiv zirkulieren können und über Kilometer hinweg ein Austausch in grosser Tiefe stattfindet. Hydraulisch dichter ist das EGS in französischen Soultz-sous-Forêts. Dort wird seit den 1980er-Jahren bahnbrechende Forschung betrieben. Das heisse Reservoir-Gestein, ein Granit, ist geklüftet, hydraulisch weniger durchlässig als im Landauer Untergrund und wurde daher mehrmals hydraulisch umfassend und erfolgreich stimuliert (siehe Kasten). EGS-Anlagen haben auch in der Schweiz ein grosses Potenzial, da angesichts des geologischen Untergrunds in grossen Teilen des Landes der Bau solcher Kraftwerke denkbar wäre. Das Paul Scherrer Institut in CH-Villigen schätzt das nutzbare Potenzial in Jahr 2035 auf 1-2 TWh/a, der Stromkonzern Axpo rechnet mit einem langfristig realisierbaren Stromerzeugungspotenzial von 17,5 TWh/a, was etwa 28% des Schweizer Landesverbrauchs 2007 entspricht. Vor diesem Hintergrund wurde 2006 nach detaillierter Planung das EGSProjekt Basel mit der Bohrung Basel 1 lanciert (Abb. 3). Nach der Bohrung, die von Mai bis Oktober 2006 vonstatten ging, wurde wie in anderen EGS-Projekten eine hydraulische Stimulation vorgenommen. Im Dezember 2006 und Anfang 2007 kam es zu wenigen, an der Oberfläche FORUM GEOÖKOL. 20 (1), 2009 Induzierte Seismizität infolge menschlicher Aktivitäten ist sehr weit verbreitet und wird oft beobachtet. So erzeugen zum Beispiel der Bau von Tunnels, das Füllen von Staudämmen, die Förderung von Öl und Gas aus unterirdischen Lagerstätten, Bergbau, hydrothermale Geothermie und auch die hydraulische Stimulation innerhalb von EGS-Projekten regelmässig Mikro- und Schwachbeben, die unter Umständen an der Oberfläche spürbar sind. Während einer hydraulischen Stimulation wird durch die Aufbringung eines hohen Wasserdrucks im Poren- und Kluftraum der Gesteinsformationen gezielt der Spannungszustand verändert. Der veränderte Spannungszustand führt dazu, dass sich zum Beispiel Gesteinsflächen in den Verwerfungen gegeneinander verschieben und permanent versetzt werden oder kleine Unregelmässigkeiten im Gestein als Nukleus eines neuen Risses agieren. Bisweilen verursachen die Fluide (normalerweise Wasser), die bei einer hydraulischen Stimulation verwendet werden, aufgrund ihrer kühlen Temperatur im Vergleich zum heissen Gestein und aufgrund ihrer unterschiedlichen Chemie, die zu Lösungs- und Ausfällungsprozessen führen, ein unterkritisches oder sehr langsames Risswachstum. Wächst ein Riss weiter, kann es zu einem spontanen und schnellen Risswachstum kommen. Meistens ist das Risswachstum aber stabil, das heisst der Riss oder Bruch hört auf zu wachsen, weil die Stärke des Spannungsfeldes in der Erdkruste mit der Distanz abnimmt. Rapide gebildete Brüche oder Risse gehen normalerweise mit einem starken Spannungsabfall im Gestein einher. Unter Umständen kann die dabei in der Tiefe erzeugte Seismizität, charakterisiert durch eine Magnitude, dazu führen, dass es auf der Erdoberfläche zu spürbaren Schwachbeben kommt. Dies ist der Fall, wenn Faktoren wie die Distanz zur Erdoberfläche, die Lithologie zwischen dem gebildeten/reaktivierten Riss oder Bruch und der Erdoberfläche und die freigesetzte Energiemenge «günstig» sind. Auf der Erdoberfläche spricht man dann von der Intensität eines Erdstosses als Mass für die menschliche Wahrnehmung, die örtliche Schadenswirkung auf Bauwerke, und bei sehr starken Beben auch für Veränderungen des Reliefs. Seismizität wird heutzutage weltweit aufgezeichnet; zum Beispiel in der Schweiz durch den Schweizer Erdbebendienst oder in Bayern durch den Erdbebendienst Bayern. Bis anhin hat hydraulische Stimulation keine Erdbeben verursacht, die grosse Schäden mit sich brachten. spürbaren, jedoch nicht ungewöhnlichen Schwachbeben, welche das öffentliche Interesse erregten und die regionalen Behörden veranlassten, das Projekt zu unterbrechen und eine detaillierte Risikostudie einzufordern. Die Risikoanalyse wird von den Projekteignern und von kantonalen Ämtern und eidgenössischen Bundesämtern getragen. Anfang 2010 werden die Resultate erwartet, welche die Grundlage für ein weiteres Vorgehen darstellen werden. In den USA wird von einem enormen EGS-Potenzial ausgegangen (MIT 2006). In ähnlicher Weise ist dies mit grosser Wahrscheinlichkeit für viele Länder und Regionen weltweit der Fall. Eine Ökobilanz von EGS-Projekten Eine kürzlich erschienene Ökobilanzstudie (gemäss ISO 14040 und ISO 14044) behandelt in umfassender Form gewisse Aspekte der Umweltverträglichkeit geothermischer Stromanlagen, wie sie in Deutschland – und voraussichtlich in der Schweiz – gebaut werden (Frick & Kaltschmitt 2009). In dieser Studie werden die Umwelteffekte der Stromproduktion berechnet, indem in einer Sachbilanz die Massen- und Energieströme aller Prozesse im Lebensweg (Life Cycle Analysis von Bau über Betrieb bis nach dem Rückbau) betrachtet werden. Die Wirkungsabschätzung erfasst dann die Umweltwirkungen 31 Schwerpunkt: Erneuerbare Energien (den Verbrauch erschöpflicher Energieressourcen, den anthropogenen Treibhauseffekt und die Versauerung natürlicher Ökosysteme). Während der Betrieb und Rückbau geothermischer Anlagen gemäss der Studie höchstens rund 10% der Umweltwirkungen ausmachen, ist der Bau, genauer die Reservoir-Erschliessung und dort hauptsächlich die Bohrniederbringung und die Stahlverrohrung mit signifikanten Umweltwirkungen verbunden. Optimierungen können durch eine sinnvolle Wahl der Stromerzeugungsanlage und die Nutzbarmachung des Thermalwassers erzielt werden. Gesamthaft haben solche GeothermieStromanlagen eine UmAbb. 3: Konzept des EGS-Projekts in Basel weltwirkung vergleichbar (Quelle: M. Häring). mit der von WindkraftanlaReaktion und die damit verbundene gen und Wasserkraftanlagen: je Berichterstattung in den Medien hat nach Tiefe und geologischer Komdie Zukunft der EGS-Technologie in plexität 25-85 kg CO2 per MWhel, der Region Basel in Frage gestellt. 0,2-0,7 kg SO2 per MWhel und 0,41,2 GJ erschöpflicher EnergieresDie Erfahrungen mit dem Projekt sourcen per MWhel.1 Basel, aber auch mit dem europäi- Induzierte Seismizität durch hydraulische Stimulation Ein weiterer Umweltaspekt der EGS hat in der Schweiz im Dezember 2006 viel Aufsehen erregt: die induzierte Seismizität hervorgerufen durch eine hydraulische Stimulation (Abb. 4). Während in anderen Regionen induzierte Seismizität und zum Teil gefühlte Schwachbeben infolge von Ressourcenbewirtschaftung als tolerabel eingestuft werden, hat die Bevölkerung der Region Basel anders reagiert. Die negative 1 Mitunter können Bohrungen auch Auswirkungen auf die Grundwasserqualität und somit auf die Trinkwasserversorgung haben. Dies wurde bislang aber nur bei der „flächenhaften“ Installation von Wärmepumpen, nicht aber bei EGS-Projekten beobachtet (http://tinyurl.com/cnlwur). 32 schen Forschungsprojekt in Soultzsous-Forêts zeigen, dass die praktische Umsetzung der EGSTechnologie noch am Anfang steht. Grundlagenforschung und learningby-doing gehen Hand in Hand. Die Erschliessung von geothermischen Ressourcen zur Stromerzeugung in mindestens 5 bis 7 km Tiefe ist eine grosse Herausforderung für ein breites Spektrum an Disziplinen. Geothermie – ein wichtiger Baustein für die Nutzung erneuerbarer Energien Unter den neuen erneuerbaren Energien hat die geothermische Energie einen besonderen Stellenwert, da sie schon im kleinen Massstab (als Einzelinstallation) unabhängig von der Jahres- und Tages- zeit zur Verfügung steht. Die Umweltverträglichkeit ist attraktiv und vergleichbar mit anderen erneuerbaren Energien. Geothermische Ressourcen sind für menschliche Bedürfnisse und Perspektiven quasi unerschöpflich. Der footprint auf der Erdoberfläche ist verhältnismässig gering. Viele GeothermieKraftwerke stehen nicht zuletzt wegen der Nähe zum Wärmeabsatz in dicht besiedelten Gebieten. Letztlich deutet die verstärkte Aktivität in der geothermischen Industrie auf günstige wirtschaftliche Rahmenbedingungen für Investoren hin. Literatur • Dickson, M.H., Fanelli, M. (2004): What is Geothermal Energy? Istituto di Geoscienze e Georisorse, CNR, Pisa, Italy. http://iga.igg.cnr.it/geo/ geoenergy.php • Frick, S., Kaltschmitt, M. (2009): Ökologische Aspekte einer geothermischen Stromerzeugung – Analyse und Bewertung der Umwelteffekte im Lebensweg. Erdöl Erdgas Kohle 125: 37-52. http://tinyurl.com/cnswus • Häring, M.O. (2007): Geothermische Stromproduktion aus Enhanced Geothermal Systems (EGS); Stand der Technik. Geothermal Explorers Ltd., CH-4133 Pratteln. • Häring, M.O., Schanz, U., Ladner, F., Dyer, B.C. (2008): Characterisation of the Basel 1 enhanced geothermal system. Geothermics 37: 469-495. • MIT (2006) The Future of Geothermal Energy. Impact of Enhanced Geothermal Systems (EGS) on the United States in the 21st Century. Massachusetts Institute of Technology, Cambridge, MA. http://geothermal.inel.gov/ publications/ future_of_geothermal_energy.pdf FORUM GEOÖKOL. 20 (1), 2009 Schwerpunkt: Erneuerbare Energien Gunter Siddiqi arbeitet in der Sektion Energieforschung des Schweizer Bundesamts für Energie als Fachbereichsleiter für Geothermie, Carbon Capture und Storage, und Gasturbinen. Nach einem Studium der Geologie in London, UK, und der Geophysik in Cambridge, USA hat er in verschiedenen Forschungs- und Entwicklungsbereichen der Geothermie und Ölproduktion von Shell International in den Niederlanden, El Salvador, den USA und Kanada gearbeitet, bevor er 2008 an das Bundesamt für Energie in Bern gewechselt hat. Abb. 4: Während der hydraulischen Stimulation des EGS-Projektes Basel wurden ~3’500 der ~15’000 Mikrobeben lokalisiert, deren lokale Magnituden auf der logarithmischen Richter-Skala von -1,0 bis 3,4 waren. Das auf der Erdoberfläche spürbare Schwachbeben vom 08. Dezember 2006 hatte eine lokale Magnitude von 3,4 (Häring et al. 2008). Fördergemeinschaft Wärmepumpen Schweiz: www.fws.ch • Tropenhaus Frutigen: www.tropenhaus-frutigen.ch • Geothermie-Projekte in Deutschland: www.geothermie.de • Geothermische Stromerzeugung in Landau (EGS): www.geox-gmbh.de/media/ homepage/ projekt1407internetx.pdf • EGS-Projekt in Soultz-sous-Forêts: http://soultz.net/fr • Schweizer Erdbebendienst: www.seismo.ethz.ch/de • Erdbebendienst Bayern: www.erdbeben-inbayern.de/aktuelle-beben FORUM GEOÖKOL. 20 (1), 2009 Minder Energy Consulting Ruchweid 22 CH-8917 Oberlunkhofen +41 (0)56 640 14 64 Linkliste • Dr. Rudolf Minder rudolf.minder at bluewin.ch Dr. Gunter Siddiqi Bundesamt für Energie (BFE) CH-3003 Bern Tel. +41 (0)31/322 53 24 gunter.siddiqi at bfe.admin.ch Rudolf Minder ist seit vielen Jahren im Bereich der erneuerbaren Energien tätig. Nach einem Physik-Studium an der Universität Basel und einem postdoc-Aufenthalt an der Universität Modena (I) war er bei der damals grössten Schweizer Ingenieurunternehmung Elektrowatt Engineering AG tätig, wo er den Projektbereich Alternativenergien aufbaute und führte. 1996 erfolgte die Gründung des eigenen Büros Minder Energy Consulting, das sich schwerpunktmässig mit Geothermie sowie Photovoltaik befasst. Seit 2006 betreut R. Minder im Auftrag des Bundesamts für Energie das Forschungsprogramm Geothermie. Dieser Artikel gibt die persönliche Auffassung beider Autoren wieder. 33