Weder die Autorin noch der Fachschaftsrat Psychologie übernimmt Irgendwelche Verantwortung für dieses Skript. Das Skript soll nicht die Lektüre der Prüfungsliteratur ersetzen. Verbesserungen und Korrekturen bitte an [email protected] mailen. Die Fachschaft dankt der Autorin im Namen aller Studierenden! Version 1.0 (2011) Skript zur Vorlesung „Differentielle Psychologie“ (Prof. Dr. Jutta Stahl) Wintersemester 2010/2011 verfasst von Kim K. 2 1. Vorlesung Jeder Mensch ist in gewisser Hinsicht... a) wie jeder andere Allgemeine Psychologie b) wie mancher andere Differentielle Psychologie c) wie kein anderer Individuelle Persönlichkeitspsychologie Persönlichkeitspsychologie ist eine empirische Wissenschaft, die sich mit überdauernden, verhaltensrelevanten individuellen Besonderheiten des Menschen befasst. Differentielle Psychologie ist eine empirische Wissenschaft, die sich mit verhaltensrelevanten interindividuellen Unterschieden des Menschen befasst. Begriffe: Merkmale, Eigenschaften, Dispositionen, Traits & States Beispiele für Persönlichkeitsmerkmale: Extraversion, Impulsivität, Intelligenz, Ängstlichkeit (Angst), Optimismus, Aggressivität, Empathie… Traits = stabile Eigenschaften, z.B. Ängstlichkeit States = vorübergehende Zustände, z.B. Angst Implizite Persönlichkeitstheorie (IPT) = intuitive Theorie, die wir über Verhaltensweisen von Menschen bilden, um uns selbst und andere zu verstehen (ohne wissenschaftliche Basis) Verhalten Warum? IPT Erklärung für Verhalten Folgen IPT scheinen zu funktionieren, um sich in der Umwelt zurechtzufinden! Aber mögliche Fehleinschätzungen aufgrund mangelnder Informationen evtl. schwerwiegende Folgen! Persönlichkeit (lat. persona, Maske) ‐ Laiendefinition oft ähnlich, aber nicht identisch mit psychologischer Definition ‐ Problem: Beschreibung und Erklärung in einem ‐ Psychologische Definition: ‐ Allport (1961): „Persönlichkeit ist die dynamische Organisation derjenigen psychophysischen Systeme im Individuum, die dessen charakteristisches Verhaltensmuster, Denken & Fühlen determinieren.“ ‐ Persönlichkeit ist ein Konstrukt (d.h. ein mentales Konzept), dass Verhalten durch Seele‐Körper‐Interaktion erklärt ‐ Aktives, responsives System; jedoch gewisser Grad an Stabilität ( „typisch für die Person“) Ziele persönlichkeitspsychologischer Fragestellungen: ‐ 1. die Suche nach der motivationalen Basis von Verhalten ‐ 2. „Natur des Menschen“: Positives vs. negatives Menschenbild ‐ 3. Beschreibungen bzw. Kategorisierung individuellen Verhaltens: ‐ Menschen mit ähnlicher Persönlichkeit zeigen ähnliche Verhaltensmuster (Grundannahme) ‐ 4. Klassifikation von Persönlichkeitstypen macht Messung der „Persönlichkeit“ erst möglich ‐ Fragebogen mit vielen Items (= Frage im Fragebogen) ‐ 5. Persönlichkeitsentwicklung (Veränderung der Persönlichkeit über Zeit/ Lebensalter/ Situationen): Ist Persönlichkeit veränderbar? ‐ 6. tieferes Verständnis des menschlichen („normalen“) Verhaltens Interventionen (z.B. Psychotherapie), die dabei helfen, Persönlichkeitsveränderungen zu erleichtern ‐ 7. Erbe (Gene) vs. Umwelt (Erziehung) Ansätze der Persönlichkeitserforschung: ‐ Idiographisch vs. nomothetisch ‐ Idiographisch: Individuum & dessen Persönlichkeitsvariablen; Einzigartigkeit des Individuums; Unterschiede zwischen Individuen größer als Gemeinsamkeiten; 3 ‐ Nomothetisch: begrenzte Zahl an Eigenschaften, die Persönlichkeit beschreiben können; Gruppierungen der Individuen über Gemeinsamkeiten; Durchschnittswerte einer Eigenschaft (Normen), indem große Gruppen untersucht werden; grundlegende Basis‐Struktur der Persönlichkeit Merkmal Idiographisch Nomothetisch Strategie Einzigartigkeit des Individuums Gemeinsamkeiten verschiedener Individuen (nu Kombination von Eigenschaften ist verschieden Ziel Tiefgehendes Verständnis des Indiv Identifikation der Basisstruktur der Persönlichke mit wenigen Merkmalen eine Person beschreib können Methoden Qualitativ (single case studies) Quantitativ Datensammlung Interview, Tagebücher, Erzählungen Selbstbericht in Persönlichkeitsfragebögen Aufzeichnungen von Therapiesitzungen Vorteile Tiefes Verständnis Allgemeine Prinzipien Nachteile Keine Generalisierung Oberflächliches Verständnis einer Person ‐ Von den meisten Persönlichkeitsmerkmalen nimmt man an, dass sie normalverteilt sind, d.h. bei der Erfassung eines Merkmales über die gesamte Population sollte theoretisch jede Ausprägung möglich sein ‐ Die Verteilung der Ausprägungen variiert: extreme Ausprägungen sind selten wohingegen um den Mittelwert (0 +/‐ 1ơ ) 68% aller Ausprägungen liegen 3 Arten von Normen nach Allport (1970) ‐ 1) Universelle Normen = Vergleich mit der allg. Bevölkerung menschlicher Wesen ‐ 2) Gruppen‐Normen (Population) = universelle Normen gehen fließend in Gruppen‐Normen über (typischer Jurist, typischer Intellektueller,…) ‐ 3) Individuelle Normen = Vergleich der Person mit sich selbst über bestimmte Zeitpunkte (Er ist heute nicht er selbst!) Persönlichkeitsmerkmal: relativ stabil (über die Zeit), andauernd (unterschiedliche Situationen), bedeutend (grundlegend (in Sprache verankert: psycholexikalischer Ansatz)) Unterscheidungen von Merkmalen: ‐ Beobachtbare vs. nicht beobachtbare Aspekte der Persönlichkeit ‐ Bewusste vs. unbewusste Aspekte der Persönlichkeit ‐ Private und öffentliche Persönlichkeit Verhalten als Resultat von Persönlichkeit und Situation ‐ Anlage („die Gene“) ‐ Umwelt ‐ Anlage‐Umwelt‐Interaktion Messung von Persönlichkeit ‐ Fragebögen (Persönlichkeit im engeren Sinne) ‐ Tests (Leistungsaspekte) ‐ nicht in unqualifizierte Hände! ‐ andere Methoden (Interview, Verhaltensbeobachtung…) Beurteilung/Evaluation von Persönlichkeitstheorien nach Maltby: ‐ Kriterien einer Theorie (Was leistet sie?): ‐ Beschreibung: Wichtige Aspekte vereinfachen, identifizieren, klären, ordnen ‐ Erklärung: „Warum“ und „Wie“ des Verhaltens ‐ Empirische Validität (Gültigkeit): Generalisierbarkeit der Vorhersagen ‐ Prüfbarkeit der Konstrukte: Operationalisierung möglich? 4 ‐ ‐ ‐ ‐ Reichhaltigkeit: vielseitige Erklärungen von normalem & anormalem Verhalten Sparsamkeit: ökonomisch, genug Variablen untersuchen, aber nicht zu viele heuristischer Wert: weckt Interesse und weitere Forschung mit wissenschaftlichem Inhalt Anwendungswert: Theorie im Kontext; praktische Anwendbarkeit Geschichte: ‐ Philosophie als „Mutter“ der Psychologie Temperamenten‐ bzw. Charakterlehre von Hippokrates (460‐377 v. Chr.): ‐ Vier Persönlichkeitsstrukturen ‐ 1) Choleriker: zornig, bitter, reizbar, erregbar ‐ 2) Sanguiniker: lebhaft, emotiv, heiter, aktiv ‐ 3) Phlegmatiker: langsam, kalt, passiv, schwerfällig ‐ 4) Melancholiker: düster, pessimistisch, traurig, nachdenklich Experimentelle / naturwissenschaftliche Ära der Psychologie: ‐ Helmholtz, Fechner, Darwin, Wundt, Müller: Experimentell arbeitende Psychologen (allgemeine Psychologie) ‐ Galton (1822‐1911): Gründer der Forschung zu individuellen Unterschieden; interindividuelle Unterschiede und Entwicklung (Fragebögen und Test); Frage nach der Vererbung geistiger Fähigkeiten (Zwillingsforschung) ‐ Stern (1871‐1938): gilt als Begründer der wissenschaftlichen Differentiellen Psychologie; Intelligenzquotient Phrenologie & Physiognomik (nach Lavater & Gall) ‐ Craniometrie: Schädelvermessung liefert Schlüsse bezüglich der Gehirnform 5 ‐ ‐ ‐ Phrenologie: Zusammenhang zwischen Schädel‐ & Gehirnform einerseits und Charakter & Geistesgaben andererseits Physiognomie: persönliche Charakterzüge bzw. Eigenschaften im Gesicht über die Mimik abzulesen fMRI als moderne Phrenologie? 2. Vorlesung: Persönlichkeit I: Freud Inhalt: Freud ‐ Biographie & Geschichte ‐ Persönlichkeitsstrukturmodell ‐ Menschliche Motivation und Psychoanalyse ‐ Persönlichkeitsentwicklung ‐ Persönlichkeitstypen ‐ Abwehrmechanismen Sigmund Freud (1856 ‐1939): - Medizinstudium; Habilitation in Neuropathologie - Fall „Anna O.“ von Josef Breuer „Studien der Hysterie“ - „Zur Ätiologie der Hysterie“ - 1900: „Beginn“ der Psychoanalyse durch das Werk "Die Traumdeutung“ - „Psychopathologie des Alltagslebens" - Drei „Abhandlungen zur Sexualtheorie“ - "Jenseits des Lustprinzips" Fall Anna O. ‐ Bertha Pappenheim (1859 ‐ 1936): jüdische Frauenrechtlerin, erst posthum „enttarnt“ (1953) Symptome der damals so bezeichneten „Hysterie“ (heute: histrionische Persönlichkeits‐ & Konversionsstörung) - Sprachstörungen (Aphasien), Nervenschmerzen (Neuralgien), Lähmungserscheinungen (Paresen) & Taubheitserscheinungen, Sehstörungen, Stimmungsschwankungen (Angstzuständen, Depressionen, entspannte Zustände), Amnesien, Essstörungen, Veränderte Bewusstseinslagen, Dissoziative Identitätsstörungen Freuds Persönlichkeitstheorie: - Psychoanalytischer Ansatz: meisten unserer Verhaltensweisen sind von Motiven getrieben, derer wir uns nicht bewusst sind - Motive sind unbewusste Kräfte schwer, uns selbst zu kennen wir zeigen ab und zu Verhalten, das wir nicht erklären können - Theorie beinhaltet Stufen des Bewusstseins, Natur des Menschen, Quelle der menschlichen Motivation, Struktur der Persönlichkeit und Entwicklung der Persönlichkeit Persönlichkeitsstrukturmodell nach Freud: Stufen des Bewusstseins: - Bewusstsein: (Consciousness) = Gedankeninhalte sind zu jederzeit bewusst - Vorbewusstsein: (Preconsciousness) = Inhalte, die nicht unmittelbar im Bewusstsein sind. Es ist aber jederzeit möglich sie bewusst zu machen - Unbewusstes: (Unconsciousness) = Inhalte werden aktiv „zurückgehalten“ Bewusstes und sind auch nicht direkt „abrufbar“, weil inakzeptabel (Verdrängung = repression) Vorbewusstes - Übergänge zwischen Stufen sind fließend - Eisbergmetapher des Unbewussten - Zugriff auf Unbewusstes: unter Alkoholeinfluss, in Träumen, Fehlleistungen, Kunst, Neurosen/Psychosen, Rituale, Hypnose, freie Assoziation Unbewusstes - Träume: - Direkter Weg zum Unbewussten Manifester Inhalt: Beschreibung des Traumes , die vom Träumer abgerufen werden kann (aber: Zensur durch 6 Träumer, deshalb keine wahre Repräsentation des Unbewussten!) Latenter Inhalt: wahre Bedeutung des Traumes; kann nur von geschicktem Analysten „gefunden“ werden Verschiedene Denkarten stehen in Zusammenhang mit verschiedenen Stufen des Bewusstseins: - Primäres Prozessdenken (primary process thinking): irrationale mentale Aktivität; z.B. Träume; getrieben durch Lustprinzip (pleasure principle; angeborener primitiver Instinkt) Unbewusstes - Sekundäres Prozessdenken (secondary process thinking): rationales Denken (logisch, organisiert), getrieben vom Realitätsprinzip (reality principle; erlernt) Bewusstsein & Vorbewusstsein - - Der „psychische Apparat“: 3 Systeme (entwickeln sich in dieser Reihenfolge): Es (Id): - Elementare, nicht sozialisierte, innere motivierende Kräfte - angeborene Triebe - Psychische Grundenergie/‐motivation = Instinkte oder Impulse - Grundlegendes Prinzip: Lustprinzip (Libido) - Reduktion von innerer Spannung (Triebbefriedigung) - Reflexe, Primärprozess - Lokalisation im Unbewussten - Belohnungsaufschub nicht möglich unmittelbare Befriedigung nötig - Bsp: Nahrungsaufnahme beim Säugling, (Sexualtrieb) Ich (Ego): - Realitätsprinzip - Sekundärprozess (d.h. erlernt) - Vollstrecken (Umsetzen) der Triebe in der realen Welt (Triebreduktion) - Belohnungsaufschub möglich (Lustbefriedigung „zur richtigen Zeit“) - Hat eine exekutive Funktion in der Persönlichkeit: Vermittler zwischen Forderungen des ES & Beschränkungen der externen Welt - Lokalisation zwischen Bewusstsein & Unbewusstem - Bsp: Nahrungsaufnahme beim Erwachsenen, (Sexualtrieb) Über‐Ich (Super‐Ego): - Kind lernt durch Eltern - Internalisierung von traditionellen Werten und Idealen (Introjektion) - Um Liebe der Eltern zu erhalten ‐ den Wünschen der Eltern genügen - Perfektionsstreben statt Vergnügen - Gewissen und Ich‐Ideal (Regeln über gutes Verhalten vs. Regeln über schlechtes Verhalten) - (Selbst‐)Bestrafung bei Verletzung der Moral (Schuldgefühle, Unfälle...) - Belohnung bei regelkonformem Verhalten (Stolz) - Teile des Über‐Ichs sind unbewusst Erklärung von Abweichungen in der Persönlichkeit Konflikte - Es vs. Ich - Über‐Ich vs. Ich (z.B. moralisches Dilemma) - Über‐Ich vs. Es - z.B. durch Realitätsbeschränkungen Systeme stehen immer im Konflikt miteinander „Grundangst“ (da man immer eine Anforderung enttäuscht) Ziel eines gesunden Zustandes (Persönlichkeit): Balance zwischen den Systemen Ich‐Stärke in unterschiedlicher Ausprägung und die Auswirkungen Ungelöste Konflikte Neurosen Negatives Menschenbild Freuds (Mensch als Sklave seiner Triebe) Die menschliche Natur und Quellen der Motivation - Libido (Lustprinzip, Eros) - Interpretationen im Laufe der Jahre unterschiedlich 7 Sexualtriebe aber noch mehr, d.h. Lebenserhaltung (Fortpflanzung, Vergnügen, Hunger & Schmerzvermeidung) Thanatos (Todestrieb) - Trieb nach Selbstzerstörung - auch zellinterne Suizidprozesse (Apoptosis) - Aggression als Folge von unterdrücktem Thanatos Mensch = Energiesystem „Dampfkessel“ - Psychohydraulisches Prinzip - nicht ausgelebte Triebe stauen sich an (im Unbewussten) & „wollen raus“ (Fehlleistungen, Träume) - - - Mittel, Ziele und Probleme der Psychoanalyse Als Therapieform: Über das Prinzip der Katharsis: „durchspülen“, „reinigen“ Abreagieren (abreaction) - Emotionen zum Konflikt in Sitzung frei werden lassen - Zur Erlangung Verständnis des Konfliktes - Methode: Freies Assoziieren - Mögliche Folgen: Abwehr/ Widerstand - Wichtiges Prinzip: zunächst Abhängigkeit, dann Lösung vom Therapeut Übertragung (transference) = Therapeut als „Projektionsfläche“ für Klient (erwünscht!) Gegenübertragung (counter‐transference) = Klient als „Projektionsfläche“ für Therapeut (z.T. unerwünscht!) Gegenmaßnahme (Selbstanalyse & Supervision) Häufiges Vorgehen: Regression bzgl. der Phase (s. unten) Psychosexuelle Entwicklungsphasen - Instanzen (Es, Ich & Über‐Ich) bilden sich heraus - Entfaltung kindlicher & jugendlicher Sexualität - Sexuell sind Aktivitäten dann, wenn diese körperliche Lust entwickeln (nicht nur genital) - Unterschiedliche Partialtriebe (PT, einzelne Elemente der Libido) an unterschiedlichen erogenen Körperzonen - Vereinfachte Darstellung: PT1 + PT2 + … = Gesamttrieb Phasen der Entwicklung nach Freud Nicht alle der 3 Instanzen sind angeboren & entwickeln sich von 0 ‐18 Jahren: (Vorgeburtlich) Orale Phase (Ich) - 0 ‐ 1 Lebensjahr - Mund als erogene Zone (Lustgewinn und Befriedigung z.B. durch Lutschen) - Dient der Selbsterhaltung (Nahrung, etc.), aber auch unabhängig davon - Prozess vom Objekt „an mütterlicher Brust“ zum Subjekt: Unterscheidungsfähigkeit „Ich“ Anale Phase (Ich) - 1.‐3. Lebensjahr - Anus als erogene Zone (Lustgewinn durch Ausscheidung; Beherrschung des Sphinktermuskels) - Sauberkeitserziehung - Aufschub von Befriedigung mit Kontrolle von triebhaften Bedürfnissen - Weiterentwicklung des „Ich“ - Realitätsprinzip - (Erleben der Wechselwirkung: Ich und Umwelt) Phallische Phase (Über‐Ich) - 4.‐6. Lebensjahr - Genitale als erogene Zone: Phallus - Penisstolz (♂) vs. Penisneid (♀) - Ödipuskomplex bzw. Elektrakomplex (geschlechtsspezifisch): - ♂: Mutter als Libido‐Objekt vs. Vater als Autorität und Rivale; Lösung: Identifikation mit Vater - ♀: Vater als Libido‐Objekt (Penisneid) vs. Mutter als Rivalin; Lösung: Identifikation mit Mutter - Verdrängung des Konflikts Neurose 8 - Über‐Ich (Außenwelt Innenwelt) Latenzphase (Ich & Über‐Ich) - 6.‐12. Lebensjahr - Sublimierung von Sexual‐ und Aggressionstrieben - freigewordene Energie Umlenkung auf Wissenserwerb - Libibo: Ideen oder sachliche Objekte (Desexualisierung) - Aufhebung des Ödipuskomplexes - Ich und Über‐Ich werden „verfeinert“ - Abwehrmechanismen, um Grundangst entgegenzutreten, entwickeln sich (siehe unten!) Genitale Phase (Ich & Über‐Ich) - > 13. Lebensjahr (Pubertät) bis Vollendung der Sozialisation (Ehe, Beruf…) - Von kindlicher zur „normalen“ Sexualität - Sexualtrieb nicht mehr autoerotisch, sondern auf Sexualobjekt abgezielt - Genitalzone als wichtigste erogene Zone - Zusammenwirken aller Partialtriebe - Ich und Über‐Ich Beispiele für unbearbeitete Phase: - Mangelnde Verarbeitung des Ödipuskomplex: Verdrängung Unbewusste Verarbeitung - Kastrationskomplex: Angst vor Kastration(♂) vs. Folge einer Kastration (♀) - ♂ = durch Vater Identifikation - ♀ = Akzeptanz der Penislosigkeit und Kompensation durch Wunsch nach Kind Persönlichkeitstypen nach Freud Fixierung vs. Regression - Phasenübergang wichtig für Persönlichkeitsentwicklung Einfluss auf Verhaltensweisen - Zu wenig Lustgewinn in einer Phase Fixierung („Verbleiben in der Phase“) - Zu viel Lustgewinn in einer Phase Regression („Zurückfallen in eine Phase“) - Prägung der Persönlichkeitstypen nach Freud Orale Persönlichkeit - Fixierung in oraler Phase - Eigenschaften: still, selbstbezogen/narzistisch, eifersüchtig, aufbrausend, keine Wahrnehmung anderer (nur deren „Fütterungsnutzen“) - Ursache: Nicht genug „gefüttert“ oder zu viel - Suche nach oraler Stimulation: Rauchen, Alkohol, Kaugummi… - Neurosenbild: schizoid, depressiv Anale Persönlichkeit - Fixierung in analer Phase: - Anal‐retentiv (Fixierung): ordentlich, sparsam, geizig, trotzig, pedantisch, ehrgeizig, nach Macht & Kontrolle, streben, beschäftigt sich entweder mit Zustimmung oder Ablehnung - Ursache: Misslungenes Sauberkeitstraining - Neurosenbild: zwanghaft - Regression in analer Phase: - Anal‐expulsiv (grausam, selbstbewusst, künstlerisch, rebellisch, sorgenfrei… ) Phallischer Charakter - Frauen: naiv, exhibitionistisch, kokett, verführerisch - Männer: kämpferisch, freiheitsdurstig, rücksichtslos, exhibitionistisch, Betonung der Männlichkeit - Ursache: Misslungene Lösung des Ödipus‐/Elektrakomplexes - Neurosenbild: hysterisch 9 Abwehrmechanismen - Verzerrung der Realität, um das Ich vor schmerzlichen Erfahrungen zu schützen, die vom Es kommen - Dauerhafte Präferenzen für bestimmte Mechanismen als Teil der Persönlichkeit - 1. Verdrängung - 2. Reaktionsbildung - 3. Verleugnung - 4. Projektion - 5. Verschiebung - 6. Sublimierung - 7. Regression - 8. Rationalisierung Verdrängung (repression) - bedrohliche oder unerwünschte Gedanken/ Triebimpulse werden ins Unbewusste geschoben & können nicht mehr erinnert werden - Bsp.: Erinnerung an Mordfall nach 21 Jahren - Belege für Verdrängungen: posttraumatische Belastungen, Flashbacks von Kriegsveteranen, Vergewaltigungsopfer - Problem der falschen Erinnerungen - Nach Freud: kaum Missbrauch durch Eltern; „nur Fantasie“ (Ödipus/Elektra) Reaktionsbildung - Prozess, bei dem Handlungen & Denkweisen übermäßig betont werden, die genau entgegengesetzt zu den bedrohlichen/unbewussten Impulsen des Individuums stehen - Bsp.: Homophobe Aktivitäten, aber unbewusste homosexuelle Neigungen; Monica von Friends (nach außen hin übertrieben ordentlich, hat aber verschlossenen, unordentlichen Schrank) - Belege: Untersuchung zur Homophobie (Adams et al., 1996) - Im Extremfall kann dies zu Zwangsneurosen führen Verleugnung - Strikte Weigerung, Angst erregende Stimuli anzunehmen; - unerwünschte Tatsachen werden durch Wunschvorstellungen ersetzt - Bsp.: 11. September 2001 (vermisste Leichen); Amnesie nach Trauma - Schmerzlosigkeit nach schweren Verletzungen - Schutzmechanismus Projektion - Angst auslösende Impulse werden auf andere externalisiert (Zuschreibung auf andere Personen) - Bsp.: Vorwurf Freundin sei in verheirateten Mann verliebt, obwohl sie es selber ist…. - Belege z.T. aus Vorurteilsforschung - Im Extremfall kann dies zu Paranoia führen Verschiebung - Triebimpulse, die nicht am Original befriedigt werden können, werden bei anderen befriedigt - „Verlagerung des Ziels der eigenen unbewussten Ängste oder Wünsche“ 10 - Bsp.: seinen Hund treten – wenn eigentlich der Chef gemeint ist Kann zu Einschränkungen in zwischenmenschlichen Beziehungen führen Sublimierung - bedrohliche Triebimpulse werden in positive, sozial akzeptierte Motive gewandelt - Bsp.: Kunst, Wissenschaft, Sexuelle Revolution = Untergang der Kreativität?!; Regression - Rückzug auf eine frühere sichere psychosexuelle Phase des Lebens - Bsp.: Schulkind zeigt kleinkindliches Verhalten; Kind, das schon zur Toilette ging, wird wieder zum Bettnässer, wenn es Geschwister bekommt; in Urlaub fahren Rationalisierung - Verhalten, welches durch unbewusste bedrohliche Triebimpulse hervorgerufen wurde, wird im Nachhinein logisch erklärt, anstatt sich mit den Ängsten auseinander zu setzen - Bsp.: Umzug wegen Partner/in andere Stadt: „das mache ich nicht aus Liebe, sondern weil es für meine berufliche Entwicklung wichtig ist“; nachdem man Job, den man haben wollte, nicht bekommen hat, redet man ihn schlecht - unlogisches Verhalten - hilft uns dabei, unser Gesicht zu wahren & unseren Selbstwert zu schützen & macht so erneute Versuche möglich Evaluation der Theorie von Freud: - Beschreibung: keine qualitativ guten Daten (Validität?); revidierte viele seiner Theorien ( schwer zu folgen); beschrieb große Bandbreite an Phänomenen; Konzepte & Theorien zwar gut erklärt, jedoch nur auf Basis von Beobachtungen neurotischer Menschen entwickelt; Komplexität des menschlichen Verhaltens angesprochen; Originalität? (viele Ideen wurden nur von ihm popularisiert!) - Erklärung: einige vage Aussagen darüber, was für gesunde Entwicklung nötig ist; Gründe für pathologische Entwicklung werden besser erklärt; zu große Betonung auf Sexualtrieben; Abwehrmechanismen: wichtigster Beitrag Freuds; tautologisch!!!; reduktionistische Sichtweise - Empirische Validität (Gültigkeit): wissenschaftstheoretisch fragwürdige Methodik - Prüfbarkeit der Konstrukte: einige Konstrukte konnten operationalisiert werden (hier konnten auch Belege für Freuds Theorien gefunden werden), andere Konstrukte waren nicht zu operationalisieren & müssen erneuert bzw. verändert werden - Reichhaltigkeit: recht breite Theorie; beschreibt normales & anormales Verhalten - Sparsamkeit: recht sparsam; allerdings nicht bei Erklärung der motivationalen Basis von Verhalten (nur sexuelle & aggressive Instinkte als ursächliche Motive allen Verhaltens zu wenig, um Komplexität des menschlichen Verhaltens zu erklären) - heuristischer Wert: erfuhr große Resonanz; auch heute noch viele Debatten & Forschung; stellte neue, aufregende Ideen vor; viele neue Therapieansätze auf Basis seiner Theorie; beeinflusste sogar Literatur & Kunst - Anwendungswert: große Fortschritte in Behandlungsmethoden (Freuds Theorie als Basis für viele Ansätze noch heute sehr bedeutsam); jedoch starke Modifikationen von der Psychoanalyse nach Freud; bezieht Umwelt nicht mit ein; sehr pessimistische, einseitige Sichtweise der menschlichen Natur 3. Vorlesung: Persönlichkeit II: Freud, Adler, Jung Alfred Adler (1870‐1937) ‐ Zweitgeborener von 6 Kindern, leidete an Rachitis und erlebte 2 Unfälle; Medizinstudium ‐ 1902: erste Begegnung mit Sigmund Freud ‐ 1907: „Studie über die Minderwertigkeit von Organen“ ‐ 1911: Bruch mit Freud & Austritt aus der „Psychoanalytischen Vereinigung“; gründet den „Verein für freie Psychoanalyse“, später Umbenennung in „Individualpsychologie“ ‐ 1912: „Über den nervösen Charakter“ ‐ 1934: Übersiedlung in die USA 11 Wie kam es zum Bruch mit Freud? ‐ zu negatives/deterministisches Menschenbild von Freud ‐ Adler: Beschäftigung mit vorbeugenden Maßnahmen, um Persönlichkeitsstörungen zu vermeiden (Freud nahm an, dass alle Menschen Neurosen haben) ‐ sehr unterschiedliche Einstellung zur menschlichen Motivation ‐ Nach Adler: Motivation ist einzigartig, d.h. individuell; es besteht nicht rein sexuelle (libidinöse) Motivation; auch Teil des sozialen Kontexts (v.a. Familie: Geschwisterreihung) ‐ Dominante Persönlichkeit von Freud Der Minderwertigkeitskomplex (inferiority complex) ‐ Nur eine Motivation: Mensch strebt nach Überlegenheit (Perfektionismus) ‐ kann bei Nicht‐Erreichen dazu führen, dass man sich minderwertig fühlt ‐ kann somatische und/oder psychische Ursachen haben (z.B. Organschwäche, anderes Handicap,…) ‐ Kompensation u.a. durch: ‐ Verstecken der Minderwertigkeit (z.B. Rückzug) ‐ Überdecken der Minderwertigkeit (z.B. Überheblichkeit, Arroganz & Prahlerei…) ‐ das kann wiederum zur Ablehnung führen (Teufelskreis) Lebensstil ‐ gleichmäßige, zielgerichtete Bestrebung ‐ individuelle Auseinandersetzung in der frühen Kindheit mit den angeborenen Anlagen & den umweltbedingten Anforderungen des Lebens; entsteht in den ersten 4‐5 Jahren der Kindheit ‐ wie wir unsere Minderwertigkeit angehen, bestimmt unseren Lebensstil (Einstellung, die unser gesamtes Verhalten leitet) ‐ Aspekte, die Lebensstil beeinflussen: ‐ Grad: je stärker das Minderwertigkeitsgefühl, desto stärker der Drang zur Kompensation ‐ Bereich: worin sie Minderwertigkeitsgefühle erleben ‐ Mittel: akzeptierte Mittel einsetzen oder nicht ‐ Nur akzeptierte Mittel führen auf Dauer zu einem integrierten Lebensstil ‐ Wenn ein Lebensstil ausgebildet worden ist, wird das Lernen aus neuen Erfahrungen erschwert (Stil wirkt wie ein Filter) ‐ Neurotischer Lebensstil: Kind hat seine Umwelt verzerrt wahrgenommen oder fehlinterpretiert ‐ 3 grundlegende Anliegen, mit denen man sich beschäftigen muss: Arbeit, Freundschaft und Liebe Aspekte von Adlers Theorie ‐ Aggressionstrieb: ‐ umgewandelter Trieb ‐ Reaktion auf Hilflosigkeit oder Minderwertigkeit ‐ Männlicher Protest: ‐ Versuch eines Individuums, kompetent & unabhängig zu sein ‐ Handeln, als wäre man überlegen (superior), um Minderwertigkeit zu kompensieren ‐ gilt für beide Geschlechter ‐ Weigerung des Individuums, das Stereotyp der weiblichen Rolle (Schwäche) anzunehmen ‐ Weiblicher Protest: ‐ Wenn typisch weibliche Verhaltensweisen im sozialen Umfeld als erstrebenswert gelten, werden besonders diese Eigenschaften angeeignet (Kulturabhängig) ‐ Teleologie: ‐ Ziel der Überlegenheit (superiority oder mastery) als Motivation dafür, unser Potential in jedem Abschnitt unseres Lebens zu optimieren (zielorientiertes Handeln Maximierung des eigenen Potentials) ‐ Fiktives Ziel (kann nie vollständig erreicht werden) ‐ ↔ Determinismus (Freud): Verhalten kann nicht frei gezeigt werden, sondern ist das Resultat anderer Ereignisse Geburtenfolge und Entwicklung der Persönlichkeit ‐ Erstes Kind: 12 ‐ ‐ ‐ ‐ ‐ ‐ ‐ ‐ ‐ zunächst Einzelkind, dann kommt „Konkurrent“ (Prinzip „entthronter Monarch“), ab dann muss es Vorbild sein versteht Wichtigkeit von Macht und Autorität am besten, da es sie erfahren & verloren hat leistungs‐ und machtorientiert, pflichtbewusst, konservativ, unterstützen Autorität, behalten Status quo bei, hervorragend in intellektuellen Aktivitäten Zweites Kind: Rivalität zum 1. („überrunden“ wollen) Entwicklung abhängig von Behandlung durch Älteren Wenn dieser unterstützend ist, ist gesunde Entwicklung wahrscheinlicher Minderwertigkeitsgefühl schwaches Selbstbewusstsein mit unrealistischen Zielen (wenn sie scheitern, enttäuschen sie den Älteren nicht), hohe Erwartungen an sich selbst ‐ ‐ ‐ ‐ ‐ ‐ ‐ ‐ ‐ Jüngstes Kind: Verwöhntes Nesthäkchen, erhält viel Aufmerksamkeit erlebt Druck, muss auf allen Gebieten erfolgreich sein später kreativ, rebellisch aber immer Bedürfnis nach Lob & Einzigartigkeit Einzelkind: Extrem verwöhntes Nesthäkchen ohne Druck von bzw. Verantwortung für Geschwister nicht kritikfähig, hohes Bedürfnis nach Beifall, intellektuell begabt Dabei ist nicht die Geburtenfolge selbst, sondern die damit verbundene unterschiedliche Motivation entscheidend Persönlichkeitstypologie nach Adler ‐ 2 Dimensionen: Energie (aktiv, passiv) & Sozial/emotional (sozial, unsozial) ‐ Daraus resultierende Typologie (vgl. Hippokrates) ‐ Herrschender Typ (Choleriker): aktiv & unsozial ‐ Mangelndes soziales Interesse, dominierend , Wunsch nach Macht, Überlegenheit, andere zur eigenen Zielerreichung benutzen, emotional manipulativ, tyrannisch ‐ Bsp.: Drogensüchtige, jugendliche Delinquenten, erfolgreiche Personen ‐ Vermeidender Typ (Melancholiker): passiv & unsozial ‐ Keine Vertrauen eigene Probleme lösen zu können, Verleugnen, Probleme behandeln, als existierten sie nicht (Vogelstrauß‐Taktik: Kopf in den Sand stecken), Schuld auf andere schieben ‐ Annehmender Typ (Phlegmatiker): passiv & sozial ‐ Passiv, machen nichts selber, um ihre Probleme zu lösen, Parasitär (sehr ungesund), da sie andere mit ihrem Charme dazu bringen, Dinge für sie zu erledigen ‐ Sozial nützlicher Typ (Sanguiniker): aktiv & sozial ‐ Zuversichtlich, problemlösend, positives soziales Interesse (social interest), kooperativ, für andere nützlich, hilft anderen (sehr gesund) Evaluation der Theorie von Adler: ‐ Beschreibung: gute Beschreibung der Persönlichkeitsentwicklung, normalen & anormalen Verhaltens ‐ Erklärung: gute & einfache Erklärungen von Überlegenheit & Minderwertigkeit, Einfluss von Eltern & Geschwistern, Eltern‐Kind‐Interaktionen; aber nicht sehr detailliert bei Entwicklung & Psychopathologie ‐ Empirische Validität (Gültigkeit) & Prüfbarkeit der Konstrukte: Lebensstil, soziales Interesse & Kooperation messbar; einige Belege für Geburtenfolge‐Effekte ‐ Reichhaltigkeit: sehr reichhaltig; aber (wie Freud) nur ein (zu wenig!) Motiv für Verhalten (soziales Interesse) ‐ Sparsamkeit: sehr globale Theorie; wenig Konstrukte, sehr generelle & unpräzise Anwendung dieser ‐ heuristischer Wert: Wichtigkeit des Selbst, frühe humanistische Theorie (ihm folgten Maslow & Rogers) ‐ Anwendungswert: effektive Elternschulungen; frühe Interventionen (schon im Kindesalter); Therapiekonzept Carl Gustav Jung (1875‐1961) ‐ Ab 1906 Briefwechsel mit Freud; 1909 gemeinsame Reise in USA zu einer Vorlesungsreihe 13 ‐ ‐ ‐ 1910: wird erster Präsident der Internationalen Psychoanalytischen Gesellschaft 1913 wird die Korrespondenz mit Freud langsam eingestellt 1914: tritt von seiner Präsidentschaft zurück & kündigt seine Mitgliedschaft Unterschiede zwischen Jung & Freud Jung Freud Verhalten Folge von individueller Geschichte & seiner Ursprünge der Persönlichkeit & des Verhaltens liegen in d „Stammesgeschichte“ Kindheit (schöpferische) Entwicklung, Suche nach Ganzheit & Endlose Wiederholung der Triebproblematik (bis zum Vollkommenheit, Sehnsucht nach Wiedergeburt unausweichlichen Tod) Bedeutung der Menschheitsgeschichte für Jung ‐ individuelle Persönlichkeit als Ergebnis & Behältnis der Ahnengeschichte ‐ jeder Mensch wird mit Prädispositionen geboren, die ihm von seinen Vorfahren vermacht wurden ‐ Steuert Selektion der Erfahrungen – Prägung der Wahrnehmungen ‐ Wechselwirkung zwischen Prädispositionen (durch Erfahrungen früherer Generationen) & eigenen Erfahrungen Struktur der Persönlichkeit nach Jung ‐ Psyche als komplexes Netzwerk entgegengesetzter Kräfte, in dem das Ziel der Entwicklung darin besteht, Harmonie zwischen den Strukturen der Persönlichkeit herzustellen ‐ Aus Konflikten zwischen Kräften entsteht Lebensenergie (life‐process energy; vergleichbar mit Freuds Libido als psychischer Kraft, aber in weiterem Sinne, nicht nur sexuelle & aggressive Triebe) Prinzip der Gegensätze ‐ Ich (Bewusstsein) = bewusste Wahrnehmungen, Erinnerungen, Gedanken & Gefühle; Zentrum des Bewusstseins; vermittelt inneres Gefühl der eigenen Persönlichkeit ‐ Persönliches Unbewusstes = Elemente innerhalb des persönlichen Unbewussten = „Komplex“; Kernelement wirkt wie ein Magnet; Komplexe können Ich kontrollieren; beinhalten persönliche Erfahrungen, die dem Bewusstsein vorenthalten bleiben, da sie inakzeptabel sind (vgl. Freud: Unbewusstes) ‐ Kollektives Unbewusstes = Erfahrungen der früheren Generationen ‐ Sammlung der „Stammesgeschichte“ (nicht nur menschliche, sondern auch vormenschliche Evolution) ‐ losgelöst von persönlichen Erinnerungen beinhaltet es Erfahrungen, die ganze Generationen von Menschen vor uns gemacht haben jeder Mensch hat das gleiche kollektive Unbewusste (angeboren) Archetypen im kollektiven Unbewussten ‐ „Uridee“ innerhalb des kollektiven Unbewussten, die eine bestimmte Bildvorstellung erzeugt ‐ Entstehen durch wiederkehrende, einschneidende Erfahrungen der Menschen/‐heit ‐ prägen das Erleben dieser Ereignisse & werden wiederum von diesen beeinflusst ‐ Entstanden aus Beobachtungen fremder Kulturen, Film, Literatur … Die Persona (lat. Maske) ‐ nach außen getragene Seite der Persönlichkeit, die sich nach den gesellschaftlichen Konventionen & nach der Rolle, die von einer Person erwartet wird, ausrichtet; für jede Rolle haben wir eine Persona ‐ Gefahr der Scheinpersönlichkeit & Stereotypisierungen ‐ Entstanden aus dem Archetyp der Notwendigkeit sozialer Beziehungen Die Anima und der Animus ‐ Anima = feminine Seite der männlichen Persönlichkeit ‐ Animus = maskuline Seite der weiblichen Persönlichkeit ‐ Durch Zusammenleben von Männern & Frauen wechselseitig geprägt ‐ ermöglicht Verständnis für anderes Geschlecht, kann aber auch für Missverständnisse sorgen, da diese Archetypen sehr stark das darstellen, was wir als „stereotpyisches“ Männer‐ oder Frauenbild sehen 14 Der Schatten ‐ Tierische Instinkte, die sich im Laufe der Evolution im Menschen erhalten haben („animalische“ Seite des Menschen) ‐ Archetypus für die Vorstellung der Ursünde ‐ Besteht aus Material, das Repression im Unbewussten hält; wir sind uns dessen nie ganz bewusst (zu angsteinflößend, unser Potential, Böses zu tun, zu kennen) ‐ Aber auch diese leidenschaftlichen, instinktiven Komponenten gehören zum Charakter des Menschen! Das Selbst ‐ Archetypus für das Streben des Menschen nach Einheit, nach dem Ganzen ‐ Selbst ist das Ziel des Lebens, nach dem die Menschen ständig streben ‐ Selbst kann erst entstehen, wenn die anderen Komponenten der Persönlichkeit voll entwickelt sind ‐ zwischen Bewusstsein & Unbewusstem 8 Persönlichkeitstypen aus 4 Grundfunktionen (Denken, Fühlen, Empfinden, Intuieren) und 2 Einstellungsformen (extravertiert vs. introvertiert): Extravertiert Introvertiert Introvertierter Denktypus Denken Extravertierter Denktypus orientiert sich an eigenen Ideen & seiner „inneren Re orientiert sich an Tatsachen als richtig gilt, was einer Formel entspricht „Zerstreuter Professor“ Reformatoren, Kritiker, Propagandisten Introvertierter Fühltypus Fühlen Extravertierter Fühltypus wirkt nach außen hin kühl, innen glüht aber eine strahlt gefühlsmäßig Sicherheit aus Leidenschaft ist taktvoll & hilfsbereit Personen, die sich z.B. für Religion einsetzen Vorsitzende, Fürsorger Introvertierter Empfindungstypus Empfinden Extravertierter Empfindungstypus orientiert sich an „sinn“‐haften Tatsachen ge erlebt die Welt höchst subjektiv, hat aber Schwierigke das Leben innere Erlebnisse auszudrücken ästhetisch hochdifferenzierte Menschen Musiker und Maler des Abstrakten Introvertierter Intuitionstypus Intuieren Extravertierter Intuitionstypus träumt & phantasiert gerne deutet die Wirklichkeit immer wieder neu greift viel auf & führt wenig zu Ende Künstler, Seher, Propheten Diplomaten, Spekulanten Evaluation der Theorie von Jung: ‐ Beschreibung: beschreibt Entwicklung nicht; Therapieziel: Selbstrealisation finden (Endstadium der Persönlichkeitsentwicklung); komplexe Verhaltensbeschreibungen; mystische Elemente (kollektive Unbewusstes, Archetypen); z.T. verwirrend & komplex; ‐ Erklärung: im Groben gute Erklärungen (z.B. Persona); im Detail oft defizitär ‐ Empirische Validität (Gültigkeit) & Prüfbarkeit der Konstrukte: schwierig zu testen; Schwerpunkt auf Persönlichkeitstypen (wurden ergänzt, heute 16 verschiedene); Archetypen nicht definierbar oder messbar ‐ Reichhaltigkeit: zwar viele Bereiche (Religion, Erziehung, Beziehungen, etc.) abgedeckt, aber oberflächlich ‐ Sparsamkeit: nicht sparsam; riesige Bandbreite an Persönlichkeitsstrukturen; verschiedene Konzepte um ähnliches Verhalten zu erklären; unklar, ob manche Archetypen mächtiger sind als andere, etc. ‐ heuristischer Wert: einflussreich in vielen Bereichen, v.a. Religion & Spiritualität (Hippies!), nicht so sehr in psychologischer Forschung (da schwer messbar) ‐ Anwendungswert: viel Diskussion in versch. Bereichen (das Böse, Religion, inneres Selbst, etc.); Persönlichkeitstypen weiter erforscht & gemessen; Eysenck: Introversion & Extraversion; AA; Kunsttherapie 4. Vorlesung: Persönlichkeit III: Theorien Einordnung der Persönlichkeitstheorien und Theoretiker 15 Psychoanalytische Sicht Lerntheorien Humanistische Theorien Kognitive Theorien Freud Pawlow Maslow Kelly Jung Skinner Rogers Maslow Adler Bandura Ellis Erikson Rotter Kognitive Persönlichkeitstheorien ‐ „Persönlichkeit“ als die Summe der Kognitionen (Denken, Aufmerksamkeit, Gedächtnis… ) einer Person George Alexander Kelly (1905‐1967) ‐ 1926: Mathematik & Physik Abschluss (USA); arbeitete eine Zeit als Luftfahrtingenieur ‐ 1929: Wechsel zu EZW & promoviert über Sprach‐ & Leseschwierigkeiten bei Kindern ‐ 1940: Professor für Klinische Psychologie ‐ 1955: Begründer der Psychologie der persönlichen Konstrukte ‐ Vertreter des Konstruktivismus (Überschneidungen zu anderen Ansätzen, z.B. Phänomenologie) Begrifflichkeiten ‐ Phänomenologisch = Alles, was sich dem Wahrnehmenden, Fühlenden oder Denkenden unmittelbar gibt, sofern er sich seinem schlichten Erleben überlässt; ein Gegenstand, eine Stimmung, ein Einfall sowie die gesamte erlebte Welt sind in diesem Sinne Phänomenologie ‐ Konstruktivistisch = Welt wird nicht „gespiegelt“ abgebildet, sondern von Personen konstruiert durch Kognitionen ‐ „Konstruktivismus“ oder „Theorie der persönlichen Konstrukte“ nach Kelly = aktives Bemühen der Menschen, sich durch Verstehen & Interpretieren in der Welt zurechtzufinden Theorie der persönlichen Konstrukte von Kelly ‐ Ein Mensch versucht ständig herauszufinden, wie seine Welt funktioniert mittels… ‐ Beobachtung Hypothesenbildung Experiment eigene Theorie ‐ Die (Informations‐) Verarbeitung einer Person wird durch die Art, in der sie Ereignisse antizipiert, psychologisch kanalisiert ‐ d.h. der Mensch = Wissenschaftler, der versucht der Welt einen Sinn zu verleihen, jeder auf seine eigene Weise ‐ Es gibt keine objektive Realität! Nur Individualität! Entstehung und Funktion der Persönlichen Konstrukte ‐ Persönliche Konstrukte = Kriterien, die der Mensch nutzt, um Ereignisse zu beobachten & zu interpretieren ‐ Handlungsmotivation durch zukünftige Ziele ‐ Konstrukte entstehen: ‐ durch die Beobachtung von Mustern & Regeln (Schulbesuch) ‐ durch viele Erfahrungen bemerkt man, dass Ereignisse Ähnlichkeit/Unähnlichkeiten haben (Kindergartenbesuch, Schulbesuch, Universitätsbesuch) ‐ Interindividuelle Differenzen werden durch unterschiedliche Konstruktsysteme erklärt, d.h. unterschiedliche Ereignisse können unterschiedlich interpretiert werden unterschiedliche Persönlichkeiten ‐ Strukturierung: mind. 3 Elemente sind nötig, um ein Konstrukt zu bilden, 2 müssen als ähnlich angenommen werden, das 3. als unähnlich zu den beiden anderen ‐ Eigenschaften von Konstrukten: ‐ Bipolarität (hilfsbereit vs. egoistisch) ‐ Ähnlichkeits‐Unähnlichkeits‐Vergleich führt zum Konstrukt ‐ Dichotom (!), nicht kontinuierlich ‐ Verbale vs. präverbale* Konstrukte ‐ *= Entweder man kann ein Konstrukt nicht in Worte fassen oder man kann keinen Gegenpol finden 11 Prozesse zur Konstruktbildung: Folgerungen aus Kellys Postulat ‐ Konstruktion (Konstruktion von Bedeutung hilft bei Verständnis von Ereignissen) 16 ‐ ‐ ‐ ‐ ‐ ‐ ‐ ‐ ‐ ‐ Individualität (jeder Mensch interpretiert Ereignisse individuell, je nach Vorlieben, Interessen, etc.) Organisation (jedes individuelle Konstruktsystem ist hierarchisch organisiert; Präferenzen für best. Konstrukte) Dichotomie (Konstrukte sind Gegensätze; wenn etwas „gut“ ist, ist es gleichzeitig nicht „schlecht“) Wahl (freie Wahl des Konstruktes, das am besten passt und zu Verständnis beiträgt) Fragmentierung (erklärt Inkonsistenzen im Verhalten; übergeordnete Konstrukte können z.B. erweitert werden eigentlich inkonsistente Subkonstrukte werden integriert) Sozialität (in sozialer Interaktion nutzt man Wissen über Konstrukte des Partners, um eigene Konstrukte anzupassen und somit mit Partner interagieren zu können) Breite der Angemessenheit Erfahrung (Veränderbarkeit der Konstrukte durch neue Erfahrungen) Modulation (permeables vs. unpermeables Konstruktsystem: anpassungsfähig vs. starr & unveränderbar) Kommunalität (ähnliche Konstruktsysteme ähnliches Verhalten) Konstruktarten ‐ 1) Präventive (pre‐emptive) Konstrukte = nur ein Element rigide Sichtweise (aber änderbar) ‐ 2) Konstellatorische (constellatory) Konstrukte = Stereotype Cluster nicht leicht änderbar ‐ 3) Propositionale Konstrukte = sehr flexibles Denken nur diese Konstrukte machen Leben unmöglich, da sie ständig uminterpretiert werden müssen (ein bisschen Stabilität muss sein!) Persönlichkeitsentwicklung ‐ Ziel: Maximierung des Wissens über die Welt mit Hilfe der Entwicklung von persönlichen Konstrukten ‐ Entwicklung motiviert durch angeborenes Bedürfnis, Wissen über die Welt zu erlangen ‐ Umwelt spielt Rolle bei Entwicklung (aber nicht so extrem wie in Lerntheorie) ‐ Durch dynamische Bildung von Konstrukten (Interpretation & Re‐Interpretation von Ereignissen) ‐ Folge: Verbesserung der Wahrnehmung der Umwelt: Hypothesenbildung – Prüfung ‐ Ziel: ähnliche Konstrukte machen soziale Interaktionen leichter ‐ Umwelt determiniert nicht zwangsläufig Verhalten (da unterschiedliche Konstrukte in gleicher Umwelt zu unterschiedlichem Verhalten führen können) ‐ Kinder haben flexibleres Konstruktsystem als Erwachsene Persönlichkeitsentwicklung: Circumspection‐pre‐emption control (CPC) cycle, Kelly (1958) ‐ Wenn eine Person in eine (neue) Situation kommt & diese für sich „konstruiert“: ‐ 1. Zunächst alle möglichen (bekannten) Konstruktarten der Situation erfassen (Circumspection = Umsicht) ‐ 2. Welches Konstrukt ist wahrscheinlich das Erfolgreichste? Untaugliche (nicht erfolgreich für Situation) entfernen (Pre‐emption = Vorwegnahme) ‐ 3. Evaluation gibt es Alternativen? Welches Konstrukt bringt uns am ehesten zu gewünschter Lösung? ‐ Gesundes System ist dynamisch & konstruktiv (Vermittlung zwischen Individuum & Umwelt): Lebenslange Modifikationen möglich (Control) Motivationskonzept nach Kelly ‐ Motivation: zukünftige Ziele erreichen; bessere Vorhersagen treffen können ‐ nicht durch Lernen in Vergangenheit oder Triebe etc. ‐ "…Since we prefer to look at the nature of the animal himself [between the pitchfork and the carrot], ours is probably best called the 'jackass' theory.” (Zitat von Kelly, 1958) ‐ d.h. weder „push“ (Triebe) noch „pull“ (Anreize), sondern aus sich selbst heraus motiviert Frage nach „freiem Willen“ ‐ Konstrukte (Interpretationen von Ereignissen) sind wandelbar frei? ‐ Trotzdem sind Gedanken & Verhalten manchmal durch andere Personen/Ereignisse determinier unfrei? ‐ Unterscheidung: Langfristige (übergeordnetes Konstrukt) vs. kurzfristige Ziele ‐ guter vs. schlechter Abschluss (frei gewähltes Ziel); aber ausgeschlafen in VL gehen vs. abendliches Vergnügen in Kneipe (unfrei) ‐ wenn eine Strategie nicht erfolgreich ist Änderung des Konstrukts 17 ‐ Mensch ist zukunftsorientiert (Antizipation) Teleologie (s. Adler) Messung der Konstrukte: Repertory Grid Test (Rep Grid) ‐ Erfassung des individuellen Konstruktsystems: Qualitative Auswertung (auch faktorenanalytisch) ‐ Mensch mit komplexem Konstruktsystem: bessere Vorhersagen möglich (kommt besser in seiner Umwelt zurecht) ‐ Klinisch‐therapeutische Implikationen ‐ Entdecken des Konstruktsystems ‐ Dysfunktionale Konstrukte aufdecken (kontrollierte Elaboration) ‐ Oben: Elemente (z.B. Personen, Gegenstände, Produkte, Situationen, Lehrformen) ‐ Seite: Konstrukte (Eigenschaften) ‐ Personen/Gegenstände in 3er‐Sets vorstellen Kreis drunter Konstrukte an Seite schreiben (beide Pole, z.B. erfolgreich – nicht erfolgreich) 2 Personen/Gegenstände ankreuzen, die sich in jeweiligem Konstrukt ähneln, 3. Person ist unähnlich (kein Kreuz) ‐ Bsp.: Man Selbst & Mutter haben Sinn für Humor, Vater hat keinen Sinn für Humor ‐ Wenn in jeweiliger Reihe noch jemand anders (außer den 3 beachteten) z.B. einen Sinn für Humor hat, wird in dieses Kästchen ein Häkchen gesetzt ‐ VP bestimmt selbst, wie viele Konstrukte es verwendet ‐ Keine standardisierte Auswertung möglich! Nur Einsicht in persönliches Konstruktsystem der VP! Therapie: Induzierte Reorganisation ‐ Psychische Probleme entstehen durch ein ungünstiges Konstruktsystem ‐ Therapie als gesteuerte Veränderung eines „gestörten“ Konstruktsystems ‐ Selbstcharakterisierungssketche, Fixed‐Role‐Therapie: ‐ neue Konstrukte werden aufgebaut & in Experimenten werden Hypothesen verifiziert/falsifiziert ‐ neue Elemente werden eingeführt ‐ neue Datenquellen werden zugängig gemacht, um Konstrukte zu validieren Weitere Vertreter des Konstruktivismus: ‐ Albert Ellis & Rational‐Emotive Verhaltenstherapie ‐ Paul Watzlawick ‐ Kersten Reich (Uni Köln) Evaluation der Theorie von Kelly: ‐ Beschreibung: verwendet oft komplizierte Beschreibungen ‐ Erklärung: klare kognitive Systeme; Rep Grid gibt wichtige Einsichten in Kognitionen & deren Einfluss auf Verhalten; Fokus zu sehr auf individuellen Gedankenprozessen; aber: trotz Fokus auf Individuum, dennoch Generalisierung der Basiskonstrukte auf alle Menschen ‐ Empirische Validität (Gültigkeit) & Prüfbarkeit der Konstrukte: Kelly selbst keine Belege, aber Rep Grid von anderen bestätigt (aber keine systematische Auswertung); viel Selbstbericht, Korrelationen (!), keine experimentellen Belege für Kellys Theorie ‐ Reichhaltigkeit: nicht sehr reichhaltig; Fokus auf Vorgängen im Individuum; Umweltfaktoren nicht einbezogen zugunsten der Kognitionen; vereinfacht, geht davon aus, dass Denken immer rational ist ‐ Sparsamkeit: zu sparsam; wenig Konzepte, zu allgemein, zu weit/global 18 ‐ ‐ heuristischer Wert: populärer in England als in USA; forderte Psychoanalyse & Lerntheorien heraus; klinisch relevant in England, Kanada, Israel, Holland; immer noch Therapeuten, die Konzept nutzen Anwendungswert: Anwendung in Klinik; Einsichten in gestörtes Denken (z.B. Schizophrenie); Rep Grid auch in Marktforschung (Unternehmensberatung, Beziehungen in Firmen, Konsumentenerforschung, etc.) Humanistische Persönlichkeitstheorien ‐ Auch in der existenzialistischen Philosophie verankert (Kieerkegrad, Camus, Sartre, Heidegger) ‐ Betonung auf persönlichem Wachstum; Fokus auf Gegenwart (Vergangenheit hat zwar Einfluss, aber man kann sich ändern!); Menschliche Natur ist positiv (≠ Freud) ‐ Motivation: Bedürfnis zu wachsen & sich positiv zu entwickeln ‐ Freier Wille (man kann entscheiden, was man tun möchte) persönliche Verantwortung ‐ Phänomenologischer Ansatz: Individuelle Erfahrung & individuelles Bewusstsein (Einzigartigkeit!) ‐ Therapie: hilft dabei, Probleme zu erkennen anstatt Lösungen zu bieten Abraham Maslow (1908‐1970) ‐ wichtigster Gründervater der Humanistischen Psychologie, Kind jüdisch‐russischer Immigranten ‐ 1934 in Psychologie promoviert; 1937 Professur am Brooklyn College; 1967: „Humanist des Jahres“ ‐ Fokus auf positiven Möglichkeiten der menschlichen Entwicklung Maslow und Selbstaktualisierung ‐ Motivation menschlichen Handelns: ‐ Instinktive Verhaltenstendenzen (instinctoid tendencies) = angeborene Tendenz zu gesundem Wachstum & Entwicklung ‐ Diese sind schwach & leicht zu überwinden, z.B. durch negative Umwelteinflüsse ‐ Unterschiedliche Bedürfnisse in verschiedenen Ebenen, d.h. zunächst müssen Grundbedürfnisse befriedigt sein Mangelmotive ‐ Körperlicher/psychischer Mangel muss überwunden werden ‐ für alle Menschen gleich; wenn erreicht, kommen andere Motive ins Spiel ‐ Ziel: Überleben sichern ‐ Prinzip der Homöostase ‐ Bsp.: Hunger, Durst, Sicherheitsbedürfnis, Bedürfnis geliebt zu werden Wachstumsmotive ‐ Auch „Being“‐Motive oder „B“‐Motive ‐ Streben nach Verbesserung eines Zustandes ‐ individuell verschieden; wenn erreicht, werden sie intensiver ‐ entwickeln/erhöhen das Potential des Individuums (man belohnt sich selbst man will mehr) ‐ Prinzip der Heterostase ‐ Bsp.: uneigennützig Liebe geben, Erhöhung im Antrieb (Neugier; Wissensdurst), Entwicklung von Fertigkeiten, neue Erfahrungen sammeln Motivklassifikation nach Maslow: Bedürfnishierarchie ‐ Basisbedürfnisse (Mangel‐Motive) ‐ Physiologische Bedürfnisse: Hunger, Durst, Schlaf, Sauerstoff, körperliche Belastung eliminieren, Sex ‐ Sicherheitsbedürfnisse: Sicherheit, sicherere Lebensumstände, Selbstschutz, Gesetzestreue, Ordnungssinn ‐ Bedürfnisse nach Zugehörigkeit und Liebe: soziale Bindung jeglicher Art, Deficit‐ & Being‐Liebe ‐ Meta‐Bedürfnisse (Wachstums‐Motive) ‐ Bedürfnis nach Achtung: Durch einen selbst & durch andere ‐ Bedürfnis nach Selbstaktualisation: Lebenssinn finden 19 ‐ Müssen von unten an erfüllt sein/werden Eigenschaften eines „Selbstaktualisierten“ Menschen ‐ 1. Realistischere Wahrnehmung der Welt ‐ 2. Akzeptanz der eigenen Person und anderer ‐ 3. Spontaneität, Einfachheit und Natürlichkeit ‐ 4. Problemorientierte Einstellung ‐ 5. gute Selbstkenntnis ‐ 6. eigene ethische Grundsätze befolgend ‐ 7. Wohlfahrt unterstützend ‐ 8. Objektivität und das Bedürfnis nach Privatheit ‐ 9. Gemeinschaftsgefühl ‐ 10. Tiefe interpersonelle Beziehungen ‐ 11. Demokratische Charakterstruktur ‐ 12. Unterscheidung zwischen „Mittel und Zweck“, „Gut und Böse“ ‐ 13. Sinn für philosophischen Humor ‐ 14. Kreativität ‐ 15. Widerstand gegen gesellschaftliche Anpassung ‐ 16. Peak Experiences („Gipfel“‐Erfahrung) ‐ Niemand ist immer „selbstaktualisiert“; Wachstumsbedürfnisse & nicht Mangelbedürfnisse Eigenschaften einer „Gipfel‐Erfahrung“ ‐ 1. Aufmerksamkeitsabsorption durch Tätigkeit ‐ 2. Klare Zielsetzung der Tätigkeit ‐ 3. Herausfordernd aber schaffbar ‐ 4. Volle Konzentration auf Tätigkeit ‐ 5. Gefühl der Kontrolle der Tätigkeit ‐ 6. so einnehmend, dass man sich selbst vergisst ‐ 7. Zeit vergessen machend ‐ 8. Rückmeldung / Bewertung über Fortschritt Implikationen ‐ Persönlichkeitsentwicklung ‐ frei den Bedürfnissen nachkommen können ‐ aber durch Eltern und kulturelle Einflüsse gesteuert (eingeschränkt) ‐ Grenzen wichtig aber selbst gewählt (Beispiel: Summerhill School) ‐ Klinische Implikationen ‐ Psychische Störungen: abhängig vom Grad des nicht erfüllten Bedürfnisses ‐ Verschiedene Methoden Weitere Vertreter der humanistischen Sichtweise ‐ C.R. Rogers: bedingte & unbedingte positive Wertschätzung als Kernelemente der Persönlichkeitsentwicklung ‐ Selbstkonzept & Real‐organismisches Selbst Evaluation der Theorie von Maslow ‐ Beschreibung: nachvollziehbarer, aber auch vereinfachte Beschreibung von Verhalten; hohe face (?) Validität; extrem positive & fast zu einfache Sicht von menschlicher Natur & Menschen im Allgemeinen; zum Teil inkonsistent mit seiner Akzeptanz Freudianischer Abwehrmechanismen; Blockaden in Selbstaktualisierung als Ursprung von Verhaltensproblemen (zu vereinfacht); genetische Einflüsse werden nicht beachtet zu viel Betonung auf Umwelteinflüssen (unhaltbar!) ‐ Erklärung: Motivation wird als deutlicher dargestellt, als sie tatsächlich ist, & Verbindung zwischen Bedürfnissen & Verhalten wird als offensichtlich dargestellt (Grundlage von Verhalten immer nur ein Motivator statt mehrere); Bedürfnistypen & Liebenstypen interessant (neuer, kreativer Ansatz; weniger positiv: Menschen sind manipulierbar, respektlos, sehr fordernd) 20 ‐ ‐ ‐ ‐ ‐ ‐ Empirische Validität (Gültigkeit): nur sehr kleine Stichprobe bei Untersuchung der Selbstaktualisierung; keine randomisierte Auswahl der VP, sondern Wahl von Personen, von denen Maslow dachte, sie seien am ehesten selbstaktualisiert; keine objektiven Messungen; Mangel in Konsistenz der Untersuchungen der einzelnen VP extrem subjektiv, mehr deskriptiv als evaluativ Prüfbarkeit der Konstrukte: andere Konzepte auch schwer definierbar empirische Testung schwierig; Basis der 5 Basis‐Bedürfnisse unklar; viele andere menschliche Bedürfnisse wurden identifiziert Reichhaltigkeit: starker Fokus auf positivem Wachstum einseitig; keine systematische oder verständliche Diskussion von Psychopathologie; Beschreibung menschlicher Motivation ist beschränkt; starker Fokus auf Selbstaktualisierung, aber keine klare Erklärung, wie man diese erreichen kann; nur sehr generelle Ausführungen zur Persönlichkeitsentwicklung Sparsamkeit: zu sparsam! Sehr knappe Persönlichkeitstheorie; Motivationskonzept beschränkt, Wahl der 5 Basis‐Bedürfnisse z.T. willkürlich; Persönlichkeitsentwicklung nicht detailliert genug, Inkonsistenzen heuristischer Wert: einer der ersten, die gesunde Seite der Persönlichkeitsentwicklung beschrieben; großer Einfluss auf verschiedene Disziplinen; seine Kritik an Forschung (damals v.a. Laborstudien) führte dazu, dass viele Forschungsmethoden neu bewertet wurden; lebensnahe Fragestellungen Anwendungswert: größter Einfluss auf Wirtschaft; Motivationstheorie beliebt bei Managern; Betonung von Wichtigkeit von Aufstiegsmöglichkeiten; Zugehörigkeitsgefühl zu Firma schaffen; Umgang mit Angestellten; auch in Unternehmensberatung & Trainingsprogrammen & Bildung (Schüler‐zentrierter Unterricht; Bsp.: Summerhill) 5. Vorlesung: Methoden & Statistik Untersuchungsgegenstände ‐ Was wird in der Differentiellen Psychologie untersucht? ‐ Merkmale (j = 1..n) (auch „Variablen“): Ängstlichkeitswerte, Intelligenzwerte, Extraversionswerte, EEG‐Aktivität, Herzfrequenz, Blutdruck, Reaktionszeit… ‐ Personen (i = 1..v) ‐ Situationen (k = 1..m): vor dem Fernseher, im Büro, im Hörsaal, … Normalverteilung: Varianz und Streuung ‐ Abweichungen der Rohwerte (x) vom Mittelwert (Mx) ‐ Varianz: Summe der quadrierten Abweichungen vom Mittelwert ‐ Standardabweichung SD ( Streuung): Wurzel aus der Varianz ‐ SD und Varianz sind mehr im Interesse der Differentiellen Psychologie als der Mittelwert: Warum? Korrelation & Regression ‐ Frage: Wie stark variieren Variablen (X, Y) miteinander? ‐ keine Kausalitätsprüfung! ‐ rxy = Standardisierte Kovarianz (Werte von ‐1 bis +1) ‐ Sx, Sy = Streuung der Variablen X und Y ‐ Vorsicht bei Nullkorrelationen: es kann Teil‐SP (z.B. Männer/Frauen) geben, in denen ein Zusammenhang existiert! Einfache Regressionsgleichung ‐ auch ein korrelativer Ansatz (lineare Regression) ‐ Ziel ist es, Beziehungen zwischen einer AV (y) und einer UV (x) festzustellen ‐ z.B. zwischen Schulerfolg (y) und IQ (x): Vorhersagen möglich? ‐ y = a + byx x Multiple Regressionsgleichung 21 ‐ ‐ ‐ ‐ Korrelative Logik (lineare Regression) Ziel ist es, Beziehungen zwischen einer AV (y) und mehreren UV (x1, x2, x3…) festzustellen z.B. zwischen Schulerfolg und IQ + Motivation + Attraktivität + … y = a + b1x1 + b2x2 + b3x3 Faktorenanalyse (FA) ‐ Karl Pearson / Charles Spearman (Beginn des 20. Jhd.) ‐ Psychologische Konstrukte als „Faktoren“ ‐ Intelligenz‐Faktoren (verbal, numerisch, räumlich, …) ‐ Persönlichkeitsfaktoren (Extraversion, Neurotizismus, Impulsivität..) ‐ Einstellungen (zu ökologischem Verhalten, zur Gesundheitsprävention, recht/links Radikalismus…) ‐ Explorative FA: Frage: Welche Faktoren könnte es geben? ‐ Hypothesentestende FA: Frage: Gibt es die Intelligenzfaktoren verbal, numerisch, …? (auch als konfirmatorische FA, Pfadanalyse, Strukturgleichungsmodelle bezeichnet) ‐ Dichotome Antworten „ja“ oder „nein“ ‐ Datenreduktion (multivariat) ‐ Fragebogen mit Selbsteinschätzungen zu verschiedenen Themengebieten (z.B. 100 Fragen) ‐ Zu viele Infos, um eine klare Aussage zu machen (alleine 4900 Korrelationen) Daten reduzieren (wie?) ‐ Korrelative Logik der Faktorenanalyse ‐ Wenn von den 100 Fragen z.B. 20 Fragen gemeinsam variieren, d.h. wer hohe Werte bei Frage 1 hat auch hohe Wert bei Frage 7 (usw.), dann korrelieren sie und klären gemeinsam Varianz auf ‐ Gemeinsame Varianz der Faktoren ‐ Eigenschaften, Merkmale oder Fähigkeiten einer Person werden durch eine Kombination aus gewichteten Faktorwerten und einem Fehler beschrieben ‐ Mathematisch betrachtet ist ein Faktor ein Vektor ‐ Jedes Item (I) bildet einen Vektor, dann wird eine mathematische „Bündelung“ vorgenommen und ein „neuer“ Vektor in ein Item‐Bündel gelegt (=Faktor) ‐ Reduzierung der Varianz zwischen den Items Einsatz & Grenzen ‐ Intelligenzforschung ‐ Persönlichkeitsforschung ‐ Klinische Forschung ‐ Marktforschung ‐ Politikforschung ‐ Meinungsforschung ‐ Achtung: Man kann an vielen Parametern „drehen“ (z.B. Anzahl der Faktoren, Art der Rotation…) ‐ Daher sind FA‐Ergebnisse immer mit Vorsicht zu betrachten! ‐ Eysencks Persönlichkeitsmodell: Das Differentialpsychologische Experiment und Korrelationstechniken ‐ Echtes Experiment ‐ klare Trennung zwischen UV und AV ‐ Manipulierbarkeit der UV 22 ‐ ‐ ‐ ‐ ‐ ‐ ‐ ‐ ‐ ‐ Zufällige Zuordnung der Probanden auf Stufen der UV Quasi‐Experiment klare Trennung zwischen UV und AV Manipulierbarkeit der UV Zufällige Zuordnung der Probanden auf Stufen der UV nicht möglich Ex‐post‐facto‐Untersuchung Trennung zwischen UV und AV nur scheinbar Manipulierbarkeit der UV nicht gegeben Zufällige Zuordnung der Probanden auf Stufen der UV nicht möglich Differentialpsychologische Experimente sind idR Ex‐post‐facto‐Untersuchungen Korrelationstechnik nach Stern ‐ Idiographisch vs. Vergleich zwischen 2 Personen (Korrelation) ‐ Streuung vs. Korrelation Datenquader und Korrelationstechniken nach Cattell ‐ Merkmale (j = 1..n): Ängstlichkeitswert, Intelligenzwert, Extraversion, EEG‐Aktivität, Herzfrequenz, Blutdruck… (Variablen) ‐ Situationen (k = 1..m): vor dem Fernseher, im Büro, im Hörsaal, in der Mensa, Picknick im Grünen,… ‐ Personen (i = 1..v): Anna, Bert, Claudia, Daniel, Eva… (z.B. alle Studenten) 23 Korrelationstechniken nach Cattell ‐ O‐Technik: Vergleich von 2 Situationen über verschiedene Merkmale bei einer Person ‐ P‐Technik: Vergleich von 2 Merkmalen über verschiedene Situationen bei einer Person ‐ Q‐Technik: Vergleich von 2 Personen über verschiedene Merkmale in einer Situation ‐ R‐Technik: Vergleich von 2 Merkmalen über verschiedene Personen in einer Situation ‐ S‐Technik: Vergleich von 2 Personen über verschiedene Situationen hinsichtlich eines Merkmals ‐ T‐Technik: Vergleich von 2 Situationen über verschiedene Personen hinsichtlich eines Merkmals Verschiedene Methoden zur Messung von Differenzen ‐ Q‐Sort: z.B. Ideal & Real‐Selbst (Rogers) ‐ Rep‐Test: Konstruktsystem (Kelly) ‐ Fragebogen / Test (Persönlichkeit, Einstellung vs. Leistungsaspekte) ‐ Apparative Methoden (Reaktionszeit, EEG, fMRI, …) 6. Vorlesung: Eigenschaftstheoretische Ansätze Persönlichkeit und verschiedene Ansätze - Typenansatz - Basis waren Aristoteles, Hippokrates (Melancholiker, Choleriker….), Kretschmer, Jung (Extraversion/Introversion), Adler - Individualität - Humanistische & kognitiven Theorien - Dimensionaler Ansatz - Wilhelm Wundt: Emotionalität & Stabilität (emotional vs. unemotional & veränderbar vs. nicht veränderbar) Trait‐Theorien - Nomothetischer Ansatz - Ziel: Persönlichkeitseigenschaften (Traits), die konsistent über Gruppen von Personen auftreten, und so die grundlegende Struktur der Persönlichkeit aufdecken - Trait/Eigenschaft = Persönlichkeitsdimension, die Personen nach ihrem Ausprägungsgrad bzgl. eines bestimmten Merkmals kategorisiert (Burger, 1997) - „A trait is a conditional probability of a category of behaviours in a category of contexts“ (Mischel, 1999) - Je nach Ausprägung der Eigenschaft (E), verändert sich die WS für unterschiedliche Auswahl von Verhaltenskategorien in unterschiedlichen situativen Zusammenhängen - Wichtig: Stabilität über Zeit & Situationen! (leichte Variabilität möglich, aber schon intern konsistent) - Nur wenige Aussagen zur Veränderungen in Persönlichkeit Trait‐Theorien: Lexikalischer Ansatz (Galton, Allport, Cattell) - Grundannahme: Persönlichkeitsmerkmale, die besonders wichtig für sozialen Umgang der Menschen miteinander sind & deshalb auch deutlich wahrgenommen werden, haben eine sprachliche Repräsentation 24 - Je wichtiger ein solches Merkmal, um so eher werden sich ein oder mehrere Synonyme dafür in der Sprache finden Gordon Allport: Lexikalischer Ansatz - Aus 550.000 Wörtern eines Lexikons extrahierte er zunächst 18.000 Wörter, die interindividuelle Unterschiede beschreiben 4500 Traits - Annahme biologischer Mechanismen, die Persönlichkeitseigenschaften bestimmen - Einzigartigkeit eines Individuums: Kombination von Traits mit unterschiedlichen Ausprägungsgraden - Unterscheidung verschiedener Traits: - Kardinaleigenschaft = einzelne Traits, die die Persönlichkeit des Individuums dominieren können & sein Verhalten stark beeinflussen; Art Obsession Bedürfnis, das befriedigt werden muss - Zentrale Eigenschaft = 5‐10 Traits, die die Persönlichkeit eines Individuums am besten beschreiben; allgemeine Anwendbarkeit (stabil über Situationen hinweg) - Sekundäreigenschaft = Traits, die Vorlieben eines Individuums widerspiegeln; keine Kernelemente der Persönlichkeit; nur in manchen Situationen erkennbar - Lebenslange Entwicklung des Selbst‐(konzepts) - Zeichnete Grenzen des Trait‐Ansatzes auf (Vorhersage des Verhaltens einer Person nur aus der Kenntnis seiner Traits fast unmöglich) - Erste Schritte zum Interaktionismus: Person x Situation - Kein Messinstrument entwickelt (4500 Traits: zu viel für praktischen Einsatz) - Positives Menschenbild (rational, kreativ, aktiv, selbstbewusst) Cattell: Trait‐Arten - Baute auf Allports Ansatz auf - identifizierte Cluster von Eigenschaften (korrelierten miteinander; z.B. „entschlossen“, „beharrlich“, „produktiv“ & „zielgerichtet“) mit Faktorenanalyse Faktoren (z.B. Leistungsorientierung) - Traits als recht stabile, dauerhafte Bausteine der Persönlichkeit - Verschiedene Unterscheidungen: - Common traits vs. unique traits: vielen gemeinsam vs. sehr individuell - Konstitutionelle Traits (genetisch) vs. umweltbedingte Traits - Test, um genetischen Anteil von Traits zu erfassen: MAVA („multiple abstract variance analysis“) - Surface vs. source traits - Trait‐Typen - Fähigkeits‐Eigenschaften (ability traits): beschreiben Umgang mit bestimmten Situationen & Zielerreichung in diesen; Bsp.: Intelligenz, Kreativität - Temperaments‐Eigenschaften: Stile, die Menschen zur Zielerreichung anwenden; Bsp.: ruhig, impulsiv, ängstlich - Dynamische Eigenschaften: motivationale Aspekte & Energiequellen des Verhaltens; Bsp.: leistungsorientiert, künstlerisch ambitioniert, sich um andere sorgend Surface vs. source traits - Surface Traits = Oberflächenwesenszüge - Verhaltensweisen, die oberflächlich zusammenpassen, aber nicht immer zusammen auftreten müssen - z.B. gesellig, sorgenfrei, hoffungsvoll, zufrieden (korrelieren miteinander) - Source Traits = Grundwesenszüge - Ausdruck von korrelierten Verhaltensweisen, die eine Einheit bilden (bildet „Basis“ für surface traits) - relativ unabhängige Persönlichkeitsdimension (ein „Faktor“) - verantwortlich für beobachtete Varianz in den surface traits - z.B. Extraversion (gemessen an surface traits: gesellig, sorgenfrei, hoffnungsvoll, zufrieden) - Fragebögen messen surface traits, die zu entsprechendem source trait gehören Cattell: Ausgangsdaten der Persönlichkeitsforschung 25 - - L‐Daten = life record data; Verhaltensmaße aus dem wirklichen Leben des Individuums - objektive L‐Daten (z.B. nachprüfbare biographische Angaben) - subjektive L‐Daten (z.B. Fremdbeurteilungen) Q‐Daten = questionnaire - Selbstbeurteilungen (z.B. Antworten in Fragebögen) T‐Daten = test; „objektive“ Testdaten - Reaktionen von Personen in kontrollierbaren Testsituationen (z.B. physiologische Maße, Reaktionszeit) Faktorenanalytische Extraktion von 16 Grundwesenszügen (source traits; 16 Personality Factor Questionnaire (16PF)) Die 16 Persönlichkeitsfaktoren (nach Potential zur Verhaltensvorhersage): - A Sachorientierung vs. Kontaktorientierung (reserved/outgoing) - B Konkretes Denken vs. abstraktes Denken (intelligence) - C Emotionale Instabilität vs. emotionale Stabilität (emotional/stable) - E Soziale Anpassung vs. Selbstbehauptung (humble/assertive) - F Besonnenheit vs. Begeisterungsfähigkeit (sober/happy‐go‐lucky) - G Flexibilität vs. Pflichtbewusstsein (expedient/conscientious) - H Zurückhaltung vs. Selbstsicherheit (shy/venturesome) - I Robustheit vs. Sensibilität (tough‐minded/tender‐minded) - L Vertrauensbereitschaft vs. skeptische Haltung (trusting/suspicious) - M Pragmatismus vs. Unkonventionalität (practical/imaginative) - N Unbefangenheit vs. Überlegenheit (forthright/shrewd) - O Selbstvertrauen vs. Besorgtheit (placid/apprehensive) - Q1 Sicherheitsinteresse vs. Veränderungsbereitschaft (conservative/experimenting) - Q2 Gruppenverbundenheit vs. Eigenständigkeit (group‐tied/self‐sufficiency) - Q3 Spontaneität vs. Selbstkontrolle (casual/controlled) - Q4 Innere Ruhe vs. Innere Gespanntheit (relaxed/tense) Trait‐Theorien: Big‐Five - Costa & McCrae: Big 5 - Offenheit für Erfahrung (Openness to experience) - Gewissenhaftigkeit (Conscientiousness) - Extraversion (Extraversion) - Verträglichkeit/Liebenswürdigkeit (Agreeableness) - Neurotizismus (Neuroticism) Messung der Big 5 - Adjektiv‐Listen (lexikalischer Ansatz) - NEO‐FFI (NEO‐Fünf‐Faktoren Inventar) - NEO‐PI‐R (NEO‐Fünf‐Faktoren Persönlichkeitsinventar, revidierte Fassung) - BFI (Big Five Inventory) - Selbstbericht vs. Fremdbericht! Selbst‐ vs. Fremdbeurteilung auf den „Big Five“ 26 Eysenck: 3 Faktoren - Extraversion - Psychotizismus - Neurotizismus Wie viele Faktoren sind es denn nun? Evaluation der Big 5 und der Trait‐Theorien - Zunehmende Einigung auf 5 Faktoren, aber immer noch Diskussion um genaue Natur der einzelnen Faktoren - Auch muss weiterhin nach alternativen Modellen gesucht werden - Auch Diskussion um Bezeichnungen der Faktoren - Messungen der Fragebögen beeinflussen letztendlichen Faktor (z.B. wenige Items, die Offenheit erheben Beschreibung von Offenheit der Person beschränkt) - Auch Diskussion um Anzahl der Faktoren (von Eysencks 3 bis hin zu 7 Faktoren) - In 5 Faktoren Modellen: keine evaluativen Traits mit ihnen wären es um die 7 Faktoren - Einige Diskussion darum, was manche Traits genau bedeuten (z.B. bloß linguistische Kategorien, die zugrunde liegende Persönlichkeitsstruktur gar nicht wiedergeben?) - Modell basiert auf Daten wurde dafür kritisiert, keine theoretische Basis zu haben - Allgemeiner Kritikpunkt: Art & Weise, indem die verschiedenen Maße interpretiert & genutzt werden - Viele stark deskriptiv, keine gute Vorhersage von Verhalten - Dennoch werden sie weit verbreitet dazu genutzt, wichtige Entscheidungen über das Leben von Personen zu treffen & v.a. in Arbeitssituationen oft von Nicht‐Psychologen blind interpretiert (Fehlerquellen!) - Nur ca. 10% der Varianz im beobachteten Verhalten geht auf Traits zurück 90% der Varianz durch andere Faktoren als den Effekt der Persönlichkeit beeinflusst! - Verbesserungen, die diese Kritik hervorbrachte: Assessment‐Pakete zur Erfassung der Persönlichkeit (nicht mehr nur ein Test), v.a. in Arbeitssituationen 7. Vorlesung: Eysencks Persönlichkeitstheorie Hans J. Eysenck (1916‐1997) - Biologische Theorie der Persönlichkeit - 3‐Faktoren Theorie (PEN) Faktor 1: Extraversion Faktor 2: Neurotizismus Faktor 3: Psychotizismus 27 - - Psychotizismus - Extraversion - Neurotizismus Introvertiert vs. extravertiert & labil vs. Stabil - Melancholiker: introvertiert & labil - Phlegmatiker: introvertiert & stabil - Choleriker: extravertiert & labil - Sanguiniker: extravertiert & stabil Eysencks Forderungen an Persönlichkeitstheorien - zur Vermeidung von Zirkularität (trotzdem aber nicht auszuschließen!): - 1. methodisch exakte Vorgehensweise bei der Messung von „Traits“ - validierte Fragebögen (MMPI, EPI, EPQ) - Einsatz von sog. „Objektive Verfahren“ (Reaktionszeiten, EEG…) - 2. Entwicklung von prüfbaren Theorien (damit auch falsifizierbar!) experimentelles Vorgehen - 3. Belege einer biologischen Basis eines Traits (physiologische Korrelate) - 4. Faktorenanalyse nur hypothetico‐deduktiver Einsatz Eysencks PEN‐Modell - Psychotizismus: - Impulsiv - Aggressiv - Unempathisch - Kalt - Kreativ - Egozentrisch - Hart - Unpersönlich - Unsozial - Extraversion: - Sensation‐seeking - Sozial - Sorgenfrei/unbeschwert - Lebendig - Dominant - Aktiv - Aufgeschlossen - Bestimmend - Abenteuerlich - Neurotizismus - Angespannt - Ängstlich - Irrational - Depressiv - Schüchtern - Schuldgefühle - Launisch - Niedriges Selbstbewusstsein - Emotional - Hierarchie (gilt für alle 3 Faktoren) - Typen‐Niveau (Faktor, z.B. Extraversion) - Trait‐Niveau (Facette, z.B. Impulsivität, Aktivität, etc.) - Habit‐Niveau (z.B. Dauer der Entscheidungsfindung) - Reiz‐Reaktions‐Niveau 28 Erregungs‐Hemmungs‐Theorie der Extraversion - Extraversion: gesellig, lebhaft, aktiv, durchsetzungsfähig, Erlebnis suchend, sorglos, dominant, aufgeschlossen, abenteuerlustig - Exzitatorische Potentiale: - Langsam & schwach extravertierte Verhaltensmuster (Erregung erwünscht) Schnell & stark introvertierte Verhaltensmuster (Erregung unangenehm) Reaktive Hemmungen: - Schnell & stark extravertierte Verhaltensmuster - Langsam & schwach introvertierte Verhaltensmuster - - Arousal‐Theorie der Extraversion - Arousal = allgemeine, unspezifische Aktivierung mit zentralnervösem Ursprung - Ziel: Erreichen eines wachen, aktivierten Zustandes - d.h. Bewusstsein braucht Arousal - Reduktion von Arousal Schlaf - Yerkes‐Dodson‐Gesetz: umgekehr‐U‐förmiger Zusammenhang zwischen Leistung & Arousal - Entstehungsorte & Verbreitungsorte des Arousals: Reticulär‐Kortikales System: ARAS (aufsteigendes retikuläres Aktivierungssystem) im Hirnstamm (Formatio reticularis) Thalamus, Hypothalamus, Kortex Biologische Grundlage der Variation in Extraversion - Eysenck postuliert extraversionsspezifische Unterschiede in der zentral‐nervöser Aktivität im ARAS - Extravertierte: ARAS produziert geringes kortikales Arousal - Introvertierte: ARAS produziert hohes kortikales Arousal - Frage (bisher nicht geklärt): Erregungsschwelle oder absolutes Niveau des Arousals unterschiedlich? Extraversion, Arousal und Hedonischer Tonus nach Eysenck - Basierend auf dem Yerkes‐Dodson‐Gesetz - Extravertierte: optimaler Stimulationsgrad höher - Introvertierte: optimaler Stimulationsgrad niedriger - Introvertierte reagieren auf Stimulierung mit einem stärkeren Anstieg des Arousal als Extravertierte - Introvertierte sind üblicherweise stärker „aroused“ als Extravertierte Überprüfen der Eysenckschen Arousaltheorie (z.T. + Hemmungsttheorie) - 1. Reaktionen auf Stimulierung - 2. Orientierungsreaktion (Sokolov, 1963) - 3. Vigilanz (Daueraufmerksamkeit) - 4. Pupillometrie (Größe & Reaktivität) - 5. Klassische Konditionierung, Operante Konditionierung: Introvertierte leichter konditionierbar - 6. Elektrophysiologische Daten: EEG‐Maße, Herzaktivität, Hautleitfähigkeit - 7. Verbales Lernen und Gedächtnis - 8. Psychomotorische Leistungen - 9. Wahrnehmungseffekt - 10. Unterschiedliche dopaminerge Neurotransmitter‐Systeme (mesostriatal / mesolimbocortical) - 11. Unterschiedliche Responsivität (Dopamin) - 12. Sensomotorische Verarbeitung Zu 1.: Sensorische Stimulation - Einstellen der Intensität eines Ton für ein nachfolgendes Lernexperiment - Reaktion auf den gewählten Ton in der folgenden Lernaufgabe 29 Ergebnisse: - Introvertierte wählen leiseren Ton, Extravertierte wählen lauteren Ton - Leistungsabfall in Lernaufgabe bei beiden geringer, wenn sie tatsächlich mit ihrem jeweils gewählten Ton lernen - Introvertierte zeigen starken Leistungsabfall, wenn sie mit lautem Ton der Extravertierten lernen - Extravertierte zeigen Leistungsabfall, wenn sie mit leisem Ton der Introvertierten lernen Zu 6.: Elektrophysiologische Daten - Ereigniskorrelierte Potentiale (gemittelte EEG Kurven) - N1 = Negative Komponente im ereignis‐korrelierten Potential ca. 100 ms nach Reizbeginn - Ergebnisse: - N1 (Introvertierte) > N1(Extravertierte) bei 80db Ton - Extravertierte: SCR (Hautleitfähigkeit) bei 80dB sehr gering, bei 100dB extrem hoch - Introvertierte: SCR bei 80dB mittel, bei 100dB leicht erhöht Zu 7.: Gedächtnis - Introvertierte: Je länger das Retentionsintervall, umso mehr Wörter erinnern sie durchschnittlich - Extravertierte: Je länger das Retentionsintervall, umso weniger Wörter erinnern sie durchschnitlich Zu 9.: Spiralnacheffekt - Vorhersage: - Extravertierte: größerer Effekt, kurze Adaptation - Introvertierte: kleinerer Effekt, längere Adaptationsphase Zu 12.: Sensomotorische Verarbeitungsgeschwindigkeit und Extraversion - Extravertierte verarbeiten schneller motorisch - Introvertierte verarbeiten schneller sensorisch Alltagsbeobachtungen und Arousal‐Theorie Extravertierte Introvertierte Schmerzunempfindlicher Schmerzempfindlicher Langsamer müde Schneller müde Aufregung erhöht Leistung Aufregung wirkt leistungsmindernd Berufswahl: Interaktionen mit Menschen Wahl einsamer Berufe (geringer Bedarf an neuen Sucht Zerstreuung der Berufsroutine Erlebnissen) Expliziter sexueller, aggressiver Humor Bevorzugt intellektuelle Formen von Humor (Wortspiele, subtile Witze) Sexuell aktiver Sexuell zurückhaltender Leicht beeinflussbar Nicht so leicht beeinflussbar Laute Musik, „Lärm“ beim Lernen in Bibliothek Ruhige Plätze zum Lernen In Schule schlechter (aber nicht unintenlligenter!) Bewertung der Arousal‐Theorie - einfach, klare Hypothese ableitbar - Viel Forschung, aber inkonsistente Befundlage - Theorie falsch oder nur falsche Operationalisierung? - Spezifizierungen erforderlich?! - Interaktionen zu anderen Persönlichkeitsmerkmalen - Einfluss des experimentellen Settings Neurotizimus - 30 - - Neurotizismus: ängstlich, niedergeschlagen, voller Schuldgefühle, niedriges Selbstwertgefühl, angespannt, irrational, schüchtern, launisch, emotional Biologische Grundlage: Limbische System (Viszerales System; Amygdala, Hippocampus, Parahippocampal gyrus, Cingulum (Gyrus), Fornix, Hypothalamus, Thalamus,…) nicht im pathologischen Sinne zu verstehen! Personen mit hohen Neurotizismuswerten (N+) reagieren stärker auf emotionale Stimuli als emotional stabile Personen (N‐), insbesondere in Stresssituationen „Aktivierung“ bzw. Activation („Arousal“ ist hier nicht richtig!) Interaktion neuronaler Korrelate - Retikuläres Arousal (FR) beeinflusst nicht notwendigerweise limbische Aktivation (z.B. laute Musik) - Limbisches System beeinflusst aber immer FR und damit kortikales Arousal (Freude, Trauer) Erklärung von Verknüpfung von N & E Weniger Untersuchungen zu N als zu E Psychotizismus - Psychotizismus: aggressiv, kalt, egozentrisch, unpersönlich, impulsiv, antisozial, uneinfühlsam, kreativ, hartherzig - Benannt in Anlehnung an psychopathologische Phänomene der Psychose (insbesondere der Schizophrenie/ Schizotypie) durch Eysencks Beobachtungen entwickelt) - aber nicht psychopathologisch zu verstehen!! - Linksschiefe Verteilung: konfundiert mit „Sozialer Erwünschtheit“ - Kalte vs. warme Aggression? - wenig untersuchtes Konstrukt - Zusammenhänge mit anderen Persönlichkeitsmerkmalen - Impulsivität vs. Impulskontrolle - Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit (Big 5) … „Über‐Ich“ - Zuckermann, 1991: P‐ImpUSS (Psychotizismus, Impulsivität, unsoziales Sensation Seeking) - Dopaminerges System (indirekte Belege): Amphetamine, Cortisol Messung der Faktoren - Deutsche Fassung der Eysenck‘s Personality Questionnaire - 102 Item‐Fragebogen zur Erfassung der 3 Eigenschaften Verfahren zur Erfassung der Konstrukte nach Eysenck - 1. MMQ (Maudsley Medical Questionaire): Erfassung von N - 2. MPI (Maudsley Personality Inventory): Erfassung von N & E, dt. Version eine Lügenskala aus MMPI beigestellt - 3. EPI (Eysenck Personality Inventory): Parallelskalen: A & B erfassen jeweils N & E + L‐ Skala - 4. EPQ (Eysenck Personality Questionaire): Erfassung von P, E, N, L - Übersetzung in viele Sprachen zur Prüfung der Universalität der Konstrukte & Adaptation in verschiedenen Ländern - 5. EPQ‐R (revidierte Form des EPQ): Vor allem Verbesserung der P‐Skala durch Austausch von Items - 6. EPQ‐RK (Kurzfassung) Evaluation der Theorie von Eysenck - Gut verständlich - Nicht alle Aspekte sind gleich gut entwickelt (v.a. Entwicklung, biologische Basis) - Stark auf genetische Faktoren fokussiert, sozialer Kontext wird weitaus weniger beachtet Eysenck dazu: Persönlichkeit bestimmt in gewisser Hinsicht die Situationen, die sich das Individuum aussucht (fragwürdig!) - Hoher heuristischer Wert: Vertreter des Behaviourismus (Verhaltenstherapie) übte starke Kritik an allen anderen Therapieformen Evaluationswelle in Therapie 31 - Hoher Anwendungswert: nicht nur Beschreibung von Persönlichkeit, sondern auch Erklärung für Persönlichkeitsunterschiede (genetische Studien, biologische Theorie) Außerdem: recht robustes Maß für Persönlichkeit Seinem Ansatz folgte viel Forschung! Zu sparsam, da nur 3 Faktoren (siehe Evaluation der Trait‐Theorien) 8. Vorlesung: Genetik Biologische Persönlichkeitsansätze ‐ Genetik - 1. Genetik - 2. Verhaltensgenetik - 3. Erblichkeit und/oder Umgebung - 4. Molekulargenetik DNA (Desoxyribonukleinacid) - Gen: Abschnitt auf der Desoxyribonukleinsäure,Erbanlage mit spezifischer Funktion - Allel: mögliche Ausprägungen eines Gens, das sich an einem bestimmten Ort auf einem Chromosom befindet - Hier sind Variationen möglich! (z.B. Augenfarbe) über Menge der Basenpaare (bp): Adenin ‐ Thymin & Cytosin ‐ Guanin; kurze & lange Basenpaare - ca. 99.9% des menschlichen Genoms ist identisch! Gene und Co. - Genotyp = Genetischer Code (auf DNA), individueller Zusammenstellung der Gene im Zellkern - Phänotyp = Erscheinungsbild, Summe aller äußerlich feststellbaren Merkmale eines Individuums; Gene & Umwelt - Wozu gehören die Persönlichkeitseigenschaften? Heritabilität (Erblichkeit, h²) - h² = Maß für mittleren Varianzanteil für ein bestimmtes Verhalten, das auf Gene zurückgeführt werden kann - Erblichkeitsschätzung eines Verhaltens in einer Population Additivitätsannahme - In diesem einfachen Modell wird angenommen, dass der Phänotyp eines Merkmals (z.B. Intelligenz, Persönlichkeit) additiv zusammengesetzt ist & sich zu 100% aus Genen & Umwelt ergibt - Es kann individuell variieren, daher „mittlerer Varianzanteil“! - Erblichkeitsschätzungen nie auf Individualebene (s.u.) Verhaltensgenetik - Methoden zur Erhebung der genetischen Erblichkeit: - Familienstudien - Zwillingsstudien - Adoptionsstudien - Basierend auf der Annahme „gemeinsamer Gene“ - 50% mit jedem Elternteil - 50% mit Geschwistern - aber auch bei Geschwistern nur als geschätztes Mittel, denn: Entwicklung ein‐ und zweieiiger Zwillinge & Idee der Zwillingsstudien 32 - MZ: d.h. identisches Genmaterial = 100% DZ: d.h. nicht identisches Genmaterial = im Mittel 50% (wie „normale“ Geschwister) Annahmen der Studienarten (vereinfacht) - Vergleich Zwillinge (MZ/DZ), normale Geschwister (NG), Adoptivkinder (AK) & Eltern im Verhalten (Persönlichkeit) - Zusammen aufgewachsen (A; 100% gleiche Umwelt) oder getrennt aufgewachsen (B: 0% gleiche Umwelt) Zwillingsforschung erstmal intuitiv! - Korrelationen zwischen Geschwistern (MZ/DZ) werden erhoben - (Korrelationen zwischen MZ – Korrelationen zwischen DZ) x 2 = Erblichkeit h2 (z.B. von Extraversion) Erblichkeitsschätzung für Persönlichkeit aus Zwillingsstudien - z.B. getrennt lebende Zwillinge (MZ): Neurotizismuswerte korrelierten zu rMZ = .70 - hohe Korrelation erlaubt aber zunächst keine Rückschlüsse hinsichtlich der Genetik Warum? Korrelationen zwischen ein‐ und zweieiigen Zwillingen (gemeinsam aufgewachsen) - Annahmen: Umwelt jeweils 100%, Gene 100 bzw. 50% - Korrelationen ergeben: rMZ > rDZ Erblichkeit - Erste Evidenz: Big Five Eigenschaften scheinen genetisch determiniert zu sein - Replikation über verschiedene Nationen ergeben: rMZ > rDZ Erblichkeitsschätzung (h²) - h ² soll Varianz, die auf genetische Unterschiede rückführbar ist, schätzen! - Es gibt unterschiedliche Schätzer (mathematisch überführbar): Erblichkeitsschätzung (h²) aus unterschiedlichen Zwillingsstudien 33 Zusammenfassung aus Zwillingsstudien - Ergebnisse implizieren Erblichkeit der grundlegenden Persönlichkeitseigenschaften (3 bzw. 5‐Faktoren) beträgt ca. 29 – 58% - Entscheidende Frage: Kann man das so sagen? - Antwort: Zwillingsstudien reichen nicht aus, weitere Perspektiven erforderlich! Wie helfen Adoptionsstudien? Adoptiertes Kind, biologische (BE) bzw. Adoptiveltern (AE) - BE: Gemeinsame Gene, aber keine gemeinsame Umwelt - AE: Gemeinsame Umwelt, aber keine gemeinsamen Gene - Korrelationen (r) für extraversionsverwandte Eigenschaften ergeben: rBE > rAE - Weitere Evidenz: Persönlichkeit scheint genetisch determiniert zu sein Eineiige bzw. zweieiige Zwillingen (je getrennt & zusammen aufgewachsen) - Für E & N: Gene wichtiger als Umwelt; für Offenheit nicht! Probleme und Grenzen der Verhaltensgenetik - Maß für Umwelteinflüsse: - 70% genetisch d.h. 30% Umwelt?! NEIN! - Additivitätsannahme zu einfach! Nicht: Gene + Umwelt (.70 + .30 = 1.0) Das würde bedeuten, es kann immer nur ein Aspekt einen sehr hohen Wert annehmen (oder beide mittel) - Sondern eher: Gene x Umwelt (.8 x .9 = .72) Hier können beide Aspekte eine wichtige Bedeutung haben Interaktion! Erblichkeit und Umgebung - „Gene“ & „Umwelt“ sind hier abstrakte Größen, daher schwer numerisch ausdrückbar - Populationsabhängige Größen nur im Mittel (s.o.) & nicht individuell übertragbar - Sind Schätzer wirklich sinnvolle Größen für so spezifische Aspekte? 34 Unterschiedliche genetische Varianz (GV) - 1) Additive GV (enge Erblichkeit): genetische Varianz im Verhalten, von Eltern geerbt (=h2) - 2) Dominante GV (breite Erblichkeit): nicht additiv - dominante Gene - rezessive Gene - 3) Epistatische (interaktive) GV (breite Erblichkeit): nicht additiv - ein Gen kann die Unterdrückung der phänotypischen Ausprägung eines anderen Gens bewirken - Bsp.: Merkmal A (schwarz/braun (A, a)) kann sich nur ausprägen, wenn Merkmal B (farbig/nicht‐farbig (B, b)) vorhanden ist - Alle 3 GV ergeben die totale genetische Varianz der Persönlichkeit - Für Zwillingsstudien könnte das bedeuten: - MZ = 1 x Additive GV + 1 x Nicht‐Additive GV (anstatt nur 1 x additive GV) - DZ = 0.5 x Additive GV + 0.25 x Nicht‐Additive GV (anstatt nur 0,5 x additive GV) - Somit sind die bisherigen Erblichkeitsschätzungen (h²) viel zu ungenau, da diese sich nur auf additive GV beziehen! Geteilte und nicht‐geteilte Umwelt - 2 Arten, wie nicht‐geteilte Umweltfaktoren entstehen: innerhalb der Familie & außerhalb der Familie - 3 Wege, wie geerbte Gene den Phänotyp beeinflussen, basierend auf der familiären Umwelt: - 1) passives Modell: Persönlichkeit lässt sich aus den 50% der Überlappung zwischen Kind & Elternteil erklären; geteilte Gene beeinflussen Verhalten des Kindes - 2) Kind‐Effekt Modell: Gene (und nur diese!) verursachen Verhalten beim Kind, das wiederum ähnliches oder gleiches Verhalten beim Elternteil hervorruft - 3) Eltern‐Effekt Modell: Verhalten des Kindes verursacht Antwort beim Elternteil, die wiederum Antwort des Kindes hervorruft; Verhalten des Elternteils hat Einfluss auf Entwicklung des Kindes! - können zu Über‐ oder Unterschätzungen der Erblichkeit führen - Bsp.: Zwillinge, einer aktiv, einer ruhig - Eltern bestärken beider in ihren natürlichen Tendenzen größere Unterschiedlichkeit Unterschätzung der Erblichkeit - Eltern bestärken beide in entgegengesetzter Tendenz größere Ähnlichkeit Überschätzung der Erblichkeit - Was in den Studien „geteilt“ heißt, ist nicht gleich „geteilt“! - Umwelt außerhalb der Familie (sehr wichtig für Persönlichkeitsentwicklung) - Kontext‐spezifische Sozialisation (zu Hause, im Unterricht, mit Freunden, mit „Feinden“) - Soziale Gruppen: Peers, Vereine… - Kulturelle Einflüsse Weitere Grenzen der Verhaltensgenetik - Repräsentativität Zwillings‐ und Adoptionsstudien - Adoptionsfamilien nicht repräsentativ („Mittelschicht“ oder besser, bzw. ähnliche Schicht) - MZ werden oft ähnlicher behandelt als andere Geschwister (also mehr gemeinsame Umgebung als DZ) - soziökonomischer Status von Adoptionsfamilien mittel bis hoch - Assortatives Mating (gesteuerte Partnerwahl) - Bsp.: schlau sucht schlau (positiver Zusammenhang), introvertiert sucht extravertiert (negativer Zusammenhang) keine zufällige Auswahl des Partners Einfluss auf Erblichkeitsschätzungen Somit weitere Varianzanteile - a² = h² = additive genetische Varianz - d² = nicht‐additive genetische Varianz - c² = geteilte Umgebungsvarianz - e² = nicht geteilte Umgebungsvarianz - Dominanzabweichung, Epistase, nicht selektive Partnerwahl 35 - Sowie: - Kovarianz: Umwelt und Gene (COVU,G) - Interaktion zwischen Umwelt und Genen (U x G) - Phänotypische Varianz = a² + d² + c² + e² + (U x G) + Fehlervarianz - Fehlervarianz = nicht erklärte Varianz (z.B. Messfehler) Molekulargenetik - Quantitative Trait Loci (QTL): Phänotypische Eigenschaften, die zu unterschiedlichem Ausmaß variieren aufgrund der Interaktion zwischen 2 oder mehr Genen und ihrer Umgebung (multiple Gensysteme) Ethik und Molekulargenetik - Rasanter Fortschritt in Genetik! - Moralischer Fortschritt ebenso schnell? - Zukunft: Eignungsdiagnostik mittels Gentest? - Pro und Contra 9. Vorlesung: Evolution Biologische Persönlichkeitspsychologie: Perspektiven - Biologischer Determinismus I: „Biologie“ des Menschen (Gene) beeinflusst Persönlichkeit - Gene Persönlichkeit - Biologischer Determinismus II: Psychologische Betrachtungsweise - Umwelt ↔ Physiologische Mechanismen ↔ Persönlichkeit - Auf der Suche nach physiologischen Korrelaten (und Indikatoren) der Persönlichkeit - Genetische Einflüsse nicht ausgeschlossen! Faktorenanalytische Trait‐Modelle mit biologischer Perspektive - Eysencks PEN‐Modell - Zuckermans Sensation‐Seeking‐Modell Biologische Persönlichkeitstheorien - Grays BIS/BAS‐Theorie - Cloningers Modell der Persönlichkeit Definitionen der Persönlichkeitsmerkmale von Gray - Ängstlichkeit - Persönlichkeitsmerkmal, das die intra‐individuelle, relativ stabile, aber interindividuell variierende Tendenz beschreibt, Situationen* als bedrohlich wahrzunehmen & hierauf mit einem erhöhten Angstzustand zu reagieren - *(selbstwertbedrohliche, physisch bedrohliche Situationen und durch soziale Interaktion) - Hochängstliche tendieren dazu, mehr Situationen als bedrohlich einzustufen als Niedrigängstliche - Abgrenzung zu Angst! - Impulsivität - stabiles Persönlichkeitsmerkmal, das bei hoher Ausprägung mit mangelnder Verhaltenskontrolle verbunden ist, d.h. Handeln ohne nachzudenken. Dies führt häufig zu schnellem, aber auch fehlerhaftem Verhalten (Dickman, 1990). - Kann unterschiedliche Ursachen und auf unterschiedliche Funktionen Auswirkungen (z.B. kognitiv, motorisch, Aufmerksamkeit) haben Grays BIS – BAS Theorie - Entwickelt an Tiermodellen - Biologische Mechanismen bewegen sich auf Dinge zu, die sie begehren - 3 Systeme: - 1. Behavioural Approach (Activation) System (BAS): 36 - Verhaltensannäherung Belohnungsensitive Personen - 2. Behavioural Inhibition System (BIS): Verhaltensmeidung Bestrafungssensitive Personen - (3. Fight‐and‐Flight‐System) Interaktion zwischen BIS & BAS im Gehirn ist Basis der Persönlichkeit Verbindung der Theorie mit 2 Persönlichkeitsmerkmalen: Impulsivität (BAS) & Ängstlichkeit (BIS) Grays BAS/BIS Theorie: Reinforcement Sensitivitätstheorie/Modell zur Sensitivität des Verstärkungslernen - Hoch‐Impulsive: Suche nach Belohnung bzw. Ereignissen, die Belohnung versprechen - Niedrig‐Impulsive: keine Suche nach Belohnung und solchen Ereignissen - mehr oder weniger BAS‐Aktivität - Hoch‐Ängstliche: Vermeidung von Strafe und Situationen, die Strafen beinhalten könnten - Niedrig‐Ängstliche: Keine Vermeidung von Strafe und Situationen, die Strafen beinhalten könnten - mehr oder weniger BIS‐Aktivität Methoden zur Überprüfung biologischer Theorien - Neurotransmitter - Gen‐Analysen - Pharmakologische Untersuchungen - Blut‐/ Liquoruntersuchungen - Hirnaktivität: Elektroencephalogramm (EEG) - Roh‐EEG (Frequenzbänder) - Ereigniskorrelierte Potentiale - Quellenanalyse - Peripher‐physiologische Aktivität: - Elektrodermale Aktivität (EDA) - Blutdruck & Puls & EKG - Bildgebende Verfahren - Funktionelle Magnet‐Resonanz‐Tomographie (fMRI) - Positronen Emissionstomograph (PET) - Optical Imaging - Verhaltensgenetik, Molekulargenetik Evolutionstheorien Darwin und die natürliche Selektion - Ziel evolutionärer Prozesse: Anpassung an die entsprechende Lebenssituation - individuelles Überleben & Überleben der eigenen Art - Spezifizierung - Domäne: Lösung spezifischer Probleme (z.B. opponierbare Daumen) - Funktionalität: Ziel einer Entwicklung ist die Funktion - Vielfältigkeit: mehrere adaptive Mechanismen, die ein Ziel haben - Persönlichkeitseigenschaften / Verhalten im Interesse von Soziobiologen - Bindung zur Mutter - Territorialverhalten, Aggression - Partnerwahlverhalten - Attraktivität & gleiche Gene 37 - Altruismus Entwicklung von unterschiedlicher Intelligenz/Persönlichkeit?! Partnerwahl und Geschlechtsunterschiede - Evolutionsbiologische Vorhersagen: Unterschiede in sexuellen Strategien Frauen Männer Reproduktive Beschränkungen Zeitlich und „räumlich“ begrenzt Ohne Grenzen lebenslang möglich Optimale Strategie Suchen & halten des qualitativ besten So viele wie möglich Partners Gesuchte Qualität beim Ressourcen Schutz & Unterstützung Gebärfähigkeit Anderen des Nachwuchses Bewertungsmaßstäbe des Verdienstmöglichkeiten, Status, Körperliche Attraktivität, Anderen Besitztümer, Großzügigkeit Gesundheit, Jugend Eifersucht Emotional Sexuell - Evolutionsbiologische Erklärung: sexuelle Strategien Männer Frauen Wenig Aufwand in Elternschaft Suche nach Männern mit unmittelbaren Ressourcen (Macht, Sta Mehr Kurzzeitbeziehungen (KZB) Geld, >Alter) Suche nach gutem Langzeitpartner (Stabilität, keine Promiskuitä Mehr Interesse an KZB Identifikation sexuell „williger“ Frauen; „prüde Fr sind doof“ Kein hoher sozialer/emotionaler Einsatz für Bezie Ökonomische Präferenzen nötig Bei KZB nicht nötig, fruchtbare Frau zu finden In LZB reproduktionsfähige Frau Sexuelle Eifersucht in LZB (Vaterschaft?) Ähnlichkeit in der Persönlichkeit zwischen Partnern Spezies & Persönlichkeit - Mating‐Effort (Anstrengung bei der Partnerwahl) vs. Parental Investment (Aufwand in der Kindererziehung) - K‐Faktor: je mehr Mating‐Effort, desto weniger Anstrengung in der Kindererziehung notwendig (kleines K, eher bei Männern) ‐ und umgekehrt (großes K; eher bei Frauen) - Modell für Zwischenspezies‐Vergleich Anwendung auf Humanbereich Modell für Persönlichkeitsentwicklung aus einer evolutionären Perspektive - Neurotizismus, Extraversion & Verträglichkeit können auch bei Tieren gefunden werden wahrscheinlich früh im Evolutionsprozess entstanden niedrigere Stufe der evolutionären Persönlichkeitsentwicklung - Offenheit & Gewissenhaftigkeit reflektieren höhere evolutionäre Persönlichkeitsentwicklung - Spezies formen Gruppen & zeigen Anpassungen in ihrer Persönlichkeit, um ihre Überlebens‐ & Reproduktionschancen zu steigern 38 Biologische Persönlichkeitspsychologie: Perspektiven 10. Vorlesung: Intelligenztheorien Inhalt Intelligenztheorien: - Implizite Theorien (Laientheorien) der Intelligenz - Geschichte der Intelligenzmessung & des „Intelligenzquotienten“ - Francis Galton, Alfred Binet - Intelligenzquotient - Erstes Intelligenzmodell und Intelligenzmessung - Charles Spearman - Wechsler Test: Messung von allgemeiner Intelligenz - Abweichungsquotient - Differenziertere Strukturmodelle der Intelligenz - Thurstones 7 Primärfaktoren - Raymond Cattell: Multiple‐Faktoren Modell - Guilfords Strukturmodell der Intelligenz - hierarchische Intelligenz‐Modelle Implizite Theorien (Laientheorien) der Intelligenz - Ideen von Intelligenz im Alltagsleben (wichtiger Aspekt im alltäglichen Leben, z.B. für Beruf, Alltag, Kinder) - Beeinflussen, wie Menschen ihre eigene Intelligenz und die anderer wahrnehmen & beurteilen Schlussfolgerungen & Bewertungen von alltäglichen Situationen - Ebnen den Weg für formellere Intelligenztheorien, die wissenschaftlich erforscht werden können - Bieten nützliche Zugänge zur Forschung, wenn explizite Theorien für falsch gehalten werden - Dienen als Informationsquelle über die vorherrschenden Ideen von Intelligenz im jeweiligen Land länderübergreifende Erforschung möglich Interkulturelle Unterschiede impliziter Intelligenztheorien - Westliche Kulturen (Individuum): kognitive Fähigkeiten, Gedächtnis, Schnelligkeit mentaler Prozesse, adäquater sprachlicher Ausdruck - Östliche Kulturen (Individuum, Familie, Freunde): soziale, historische & spirituelle Aspekte von Interaktionen, Kenntnissen und Problemlösen - China: 39 Konfuzianisten: Nächstenliebe, Elternehrung, das tun, was richtig ist; Gutmütigkeit (benevolence) Taoisten: Ordnung der Dinge, Ying‐Yang, Bescheidenheit, responsiv auf Veränderungen reagieren, Wissen und Verständnis von sich selbst & anderen Indianische Kultur: Selbstbewusstheit (self awareness), Gewissenhaftigkeit, Wertschätzung anderer, Freundlichkeit, Interesse für andere, Bescheidenheit Taiwan: kognitiver Intelligenzfaktor, interpersonelle Intelligenz, intrapersonelle Intelligenz, intellektuelle Selbstbehauptung, intellektuelle Selbstauflösung - - Meinungen psychologischer Experten zur Intelligenz - Binet: Gut urteilen, gut verstehen, gut denken - Wechsler: Fähigkeit des Individuums, zweckvoll zu handeln, vernünftig zu denken & sich mit seiner Umgebung wirkungsvoll auseinanderzusetzen - Asendorpf: Fähigkeit zu hoher Bildung - Stern: personale Fähigkeit, sich unter zweckmäßiger Verfügung der Denkmittel auf neue Forderungen einzustellen - Boring: Intelligenz ist das, was der Intelligenztest misst! - Thorndike: Kraft guter Antworten vom Blickpunkt der Wahrheit oder Fakten aus - Terman: Fähigkeit zu abstraktem Denken - Thurstone: Kompetenz, eine instinktive Anpassung zu inhibieren, diese im Licht denkbarer „trial and error“ neu zu definieren & die modifizierte instinktive Anpassung in offenem Verhalten zu realisieren (zum Vorteil des Individuums als sozialem Wesen) - Übergreifend: Anpassung an Umwelt, grundlegende mentale Prozesse, Aspekte von hochrangigem Denken (logisches Denken, Problemlösen, Entscheidungsfindung) - Uneinigkeit: Nur ein Aspekt oder Mehrzahl verschiedener Qualitäten/Fähigkeiten? - Beschreibung der „idealen intelligenten Personen“ variieren stark (je nachdem, was für eine Gruppe man fragt; Bsp.: Kunst‐, Wirtschafts‐, Philosophie‐ & Physikprofessoren) Geschichte der Intelligenzmessung & des „Intelligenzquotienten“ (IQ): Sir Francis Galton - 1822‐1911; England; Darwins Cousin - Annahme I: Intelligenz ist erblich - Erste Feststellung & Untersuchung von Intelligenzunterschieden - Annahme II: Intelligente sind gute Informationsverarbeiter (verschiedene Sinnesmodalitäten) - Sensorische Diskriminationsleistung (Temperatur, Schmerz) & Responsivität auf Stimulation (Reaktionszeit, Sehschärfe, Hörschärfe, Farbdiskrimination) bei geringerer Intelligenz vermutlich geringer/schlechter - Intelligenzmaße: Reaktionszeit, Sehschärfe, Hörschärfe, Farbdiskrimination, einfache Gedächtnisaufgaben, etc. - bezeichnet als Anthropometrie - Auch wenn heute Reliabilität & Validität einiger Maße fast lächerlich klingen, so unternahm er doch die ersten Versuche, Intelligenz zu messen & einige Maße werden auch heute noch verwendet (z.B. Reaktionszeiten) Alfred Binet - 1857‐1911; Frankreich - Entwickelte 1. Intelligenztest (Binet‐Simon‐Test, 1905) - 30 Aufgaben: für jede Altersstufe 5 Aufgaben, die von 50‐75% der Kinder der betreffenden Altersstufe gelöst werden konnten) - Von 3‐10 Jahren, später auch von 12‐15 Jahren & für Erwachsene - Modifikation des Binet‐Simon‐Tests (Terman, 1916): 1000 Kinder statt 50 von 4‐14 Jahren; Übertragung auf amerikanische Kinder - alltagsrelevante Aufgaben: Licht mit Augen folgen, Händeschütteln, Zählen von Münzen, Wortbedeutungen, Objektbenennung in Bild, Gedächtnisaufgaben, … (entsprechend dem Entwicklungsstand) 40 - - Frage: Ist Kind besser/schlechter als sein biologisches Alter (Lebensalter; LA) erwarten lässt? Berechnung des mentalen Alters (Intelligenzalter; IA) Ziel & Problem: Vergleichbarkeit nur zwischen Kindern gleichen Lebensalters (schafft alle Aufgaben des Tests für 7‐Jährige, 3 des Tests für 8‐Jährige, 3 des Tests für 9‐Jährige & 1 des Tests für 10‐Jährige) Vergleich von Kindern zum Standard & untereinander Stern: Intelligenzquotient (1912) - Beobachtung an Binets Test, dass das Intelligenzalter mit dem Lebensalter proportional variiert - IQ = IA/LA x 100 - Vergleich zwischen unterschiedlichen Altersgruppen möglich Yerkes: Army Alpha und Beta Test - 1. Weltkrieg: Suche nach guten Soldaten durch psychologisches Know‐How - viele Probanden mussten vermessen werden Gruppentestung erforderlich (war bisher nicht möglich, da pro VP ein VL benötigt wurde, der durch die Aufgaben führt) - Entwicklung der Testbatterien (Alpha‐Test & Beta‐Test) - Alpha Test: - Für gebildete Personen geeignet - Mündliche & schriftliche Aufgaben - 8 Aufgabentypen: Mündliche Anweisungen verstehen & befolgen, Arithmetische Probleme, praktische Beurteilungen, Synonyme‐Antonyme, vertauschte Sätze, unvollendete Zahlenreihen, Analogien, Alltagwissen - Beta Test: - Für weniger gebildete und fremdsprachige Personen geeignet - Kein Verständnis der englischen Sprache oder hohe Bildung (Lesen!) nötig - 7 Aufgabentypen: Labyrinth‐Aufgabe, Würfel zählen, X‐O Serien, Zahlen‐Symbole Zuordnung, Symbol‐ Zahlen Zuordnung, Puzzle (Bild vervollständigen), Geometrische Konstruktionen - Bewertung über Buchstaben (Noten): A, B, C+, C, C‐, D, D‐ - A = überdurchschnittlich - B, C+, C = durchschnittlich - C‐, D, D‐ = unterdurchschnittlich - 1,75 Millionen Personen wurden mit diesen Tests untersucht Intelligenzmodelle und Intelligenzmessung Charles Spearman: Zwei‐Faktoren Theorie - Basis: Faktorenanalyse 41 Beobachtung: Korrelationen zwischen unterschiedlichen Intelligenztests wer gut in einem Intelligenztest abschneidet, tut dies auch bei anderen intellektuellen Tests, egal ob Mathe, Vokabular oder räumliches Vorstellungsvermögen - positive Mannigfaltigkeit (positive manifold) - Zwei‐Faktoren‐Theorie (allgemeine Intelligenz & spezifische Fähigkeiten) - g‐Faktor = Allgemeine Intelligenz - s‐Faktor = spezifische Fähigkeiten (z.B. Wortschatz, mathematische oder räumliche Fähigkeiten) - Alles mehr oder weniger intelligente Verhalten wird durch die Ausprägung einer Fähigkeit erklärt - Allgemeine Intelligenz als Art mentale Energie, die spezifischen Faktoren von Intelligenz zu Grunde liegt für jede Art von Intelligenztests nötig - Messung von “g”: über Wechsler‐Test & Raven Matrizen Wechsler Test: Messung von allgemeiner Intelligenz (g) - Hamburg‐Wechsler Intelligenztest für Erwachsene/Kinder (HAWIE/HAWIK) - Wechsler Adult Intelligence Scale (WAIS/WISC) - Wechsler Intelligenztest für Erwachsene (WIE) - Für alle Menschen jeglichen Alters geeignet (≠ Binet) - Aufgabenarten: - Arithmetik (verbal) - Block Design (Handlung) - Textverständnis (verbal) - Zahlenspanne (verbal) - Zahlen‐Symbole (Handlung) - Allgemein/Alltagswissen (verbal) - Objekte zusammensetzen (Handlung) - Bilderreihenfolgen (Handlung) - Bildervervollständigen (Handlung) - Ähnlichkeiten finden (verbal) - Wortschatz (verbal) - Beispiele: Bilderreihenfolgen (a), Block Design (b), Buchstaben‐Zahlen‐Sequenzen (c); logisches Denken: Matrizen (d) & Bildervervollständigung (e); Alltagswissen, Verständnis, Objektzusammensetzen, Arithmetik, Ähnlichkeiten finden, Wortschatz - Wechsler: Abweichungsquotient - Problem von Sterns IQ: bei Kindern enormer Intelligenzanstieg in wenigern Jahren ( deshalb hier noch geeignet), aber nicht tauglich für Erwachsene (mehr Jahre, weniger starker Zuwachs) - fairere Variante des Abweichungs‐IQ - IQ = (individueller Testwert / altersgemäß erwarteter Wert) x 100 - Voraussetzungen: zu erwartende Werte („Intelligenznormen“) für jede Altersstufe herausfinden & Standardisierung - Mentales Alter (IA) schwankt im Vergleich zum Lebensalter (LA)! - 100 als durchschnittlicher IQ beibehalten - Abweichungs‐IQ: Abweichung vom Durchschnitts‐IQ von 100 42 Raven: Progressive Matrizen - Messung von allgemeiner Intelligenz (g) - Raven’s Colored Progressive Matrices (CPM) (a) - Raven’s Standard Progressive Matrices (SPM) (b) - Raven’s Advanced Progressive Matrices (APM) (c) - Nonverbale Probleme (abstraktes logisches Denken) Frei von kulturellen Einflüssen & Sprachbarrieren - Für Kinder ab 6 Jahren & bis ins Erwachsenenalter zu gebrauchen - 60 items (5 Sets mit steigendem Schwierigkeitsgrad) - Gutes Maß für g (allgemeine Intelligenz), da abstrakte (theoretische) Fähigkeit erhoben wird Normalverteilung der Intelligenzwerte - Eine Standardabweichung = 15 IQ Punkte! - Mittelwert immer 100 - 68% zwischen 85 & 115 (+ bzw. – eine Standardabweichung vom Mittelwert) - 95% zwischen 70 & 130 (+ bzw. – zwei Standardabweichungen vom Mittelwert) Traditionelle „Labels“ für IQ‐Punkte - Normen (bezogen auf Population) - Subgruppen (z.B. Alter, Geschlecht) - Stichproben: Soziodemographisch, soziale Klasse, Geschlecht, Regionen (Stadt, Land) Differenziertere Strukturmodelle der Intelligenz - Faktorenanalytisch belegte Intelligenztheorien - (Zwei‐Faktoren Theorie: ein Intelligenz‐Faktor Spearmans „g“‐Faktor) - Mehrfaktoren Theorien (Basis: Faktorenanalyse) - Thurstones sieben Primärfaktoren - Cattells: Fluide vs. Kristaline Intelligenz - Guilford: Würfelmodell - Hierarchische Intelligenz‐Modelle - Vernon - Cattell, Horn & Carroll - Jäger Thurstones 7 Primärfaktoren - Widersprach Spearman: „g“ beeinflusst nicht die spezifischen Fähigkeiten, sondern resultiert aus ihnen - Multifaktorieller Ansatz, Basis: Faktorenanalyse - Allgemeine Intelligenz resultiert aus 7 primären, mentalen Fähigkeiten: - 1. Verbal Comprehension (Wortschatz & Verständnis) - 2. Word Fluency (große Anzahl von Wörtern/Buchstaben generieren & effektiv nutzen) 43 3. Number (Geschwindigkeit & Präzision bei einfachen Rechenaufgaben) 4. Space (räumliches Vorstellen) 5. Memory (behalten paarweise gelernter Assoziationen) 6. Perceptual Speed (Geschwindigkeit beim Vergleich oder Identifizieren visueller Konfigurationen) 7. Reasoning (schlussfolgerndes Denken; Auffinden von Regeln); nimmt in Intelligenzforschung meisten Raum ein & wird von vielen Laien am ehesten als Intelligenzfaktor gesehen) Erst 9, später 7 unabhängige Faktoren konnten von Thurstone bestätigt werden Mehr oder weniger intelligentes Verhalten als Summe der Einzelausprägungen Tests zur Erfassung der Primärfaktoren (erfassen nicht alle 7): - Intelligenzstrukturtest (IST2000) - Wilde Intelligenztest (WIT) - Leistungs‐Prüfsystem (LPS) Kritik & Grenzen des Primärfaktoren‐Modells - Korrelation zwischen den als separat angenommenen Faktoren - Keine repräsentative SP für die Faktorenanalyse - Keine einheitlichen Replikationen - - - Cattell: Fluide & Kristalline Intelligenz - Allgemeine Intelligenz („g“) beinhaltet 2 verschiedene Komponenten: - Fluide Intelligenz (gf) - aktive, geistige Aktivität bzw. Energie - erblicher Anteil der Intelligenz (beruht nicht auf Lernerfahrungen) - unabhängig von kulturellen Einflüssen - Fähigkeit, abstrakte Vergleichsprobleme zu lösen; Erlernen neuer Dinge; neue Beziehungen, Muster & Analogien verstehen - Von Geburt an vorhanden; stabilisiert sich im Erwachsenenalter - Voraussetzung für die kristalline Intelligenz - Kristalline Intelligenz (gc) - durch Umwelteinflüsse geprägt - erworbenes Wissen & Fähigkeiten (z.B. Faktenwissen) - von kulturellen Einflüssen abhängig - verbales & numerisches Problemlösen; Vokabelwissen, Verständnis, Allgemeinwissen - steigt mit dem Alter (kumulative Lernerfahrungen) - dynamische Beziehung zwischen diesen beiden Komponenten - Wechsler Tests messen z.T. kristalline Intelligenz (Verständnis, Wissen, Vokabular) - Ravens progressive Matrizen messen eher fluide Intelligenz (abstraktes Denken) - Eindeutige empirische Belege für diese Annahmen fehlen bisher! Guilfords Strukturmodell der Intelligenz (Würfelmodell) - Nahm allgemeine Intelligenz „g“ nicht an (≠ Spearman, Thurstone, Cattell) - Structure of Intellect (SI) Theorie - Intelligenz als Resultat von 150 (5x5x6) unabhängigen Fähigkeiten (3 Gruppen): - Operations (Vorgänge) - Mentale Prozesse - 5 Typen: Kognition, Gedächtnis, divergente & konvergente Produktion, Evaluation - Contents (Inhalte) - Mentales Material, auf dem Operations ausgeführt werden - 5 Typen: visuell, auditiv, symbolisch, semantisch, behavioral - Products (Produkte) - Form, in der Information aufbewahrt, verarbeitet & verwendet wird - 6 Typen: Einheiten, Klassen, Beziehungen, Systeme, Transformationen, Implikationen - Vorteile: - Hoher heuristischer Wert – erleichterte Entdeckung neuer Fähigkeiten 44 - - Einschluss kreativer Fähigkeiten & sozialer Intelligenz - Ansatzmöglichkeiten, musikalische & kinästhetische Fähigkeiten zu integrieren Probleme: - Keine Unabhängigkeit der meisten Faktoren - Replizierbarkeit & Interpretierbarkeit der Faktoren - Psychometrisch kein Fortschritt zur Vorhersage schulischer Leistungen im Vergleich zu allgemeinen Intelligenztests Hierarchische Intelligenz‐Modelle - beinhalten einzelne Faktoren & nehmen g‐Faktor an - Basis: Faktorenanalyse Vernons hierarchische Theorie der Intelligenz - Verschiedene Stufen von Intelligenz - Spearman & Thurstone: keine Gruppenfaktoren, die “g” mit spezifischen Fähigkeiten verbinden - Intelligenz beinhaltet verschiedene Sets von Fähigkeiten, die auf verschiedenen Stufen beschrieben werden können (z.B. von spezifisch nach gruppiert nach allgemein) - verschiedene Gruppenfaktoren zwischen „g“ & „s“ - 1. Stufe: „g“ als höchste Intelligenzstufe (wichtigster Faktor, der Intelligenz zu Grunde liegt; für größten Anteil der Varianz zwischen Menschen verantwortlich) - 2. Stufe: 2 Hauptgruppenfaktoren - verbal/educational (v:ed) - kinaesthetical/mechanical (k:m) - 3. Stufe: untergeordnete Gruppenfaktoren (von Hauptgruppenfaktoren abgeleitet) - V:ed: Kreativität, verbale, numerische, bildende& mathematische Fähigkeiten - K:m: praktische, mechanische, räumliche & physikalische Fähigkeiten - 4. Stufe: spezifische Intelligenzfaktoren (von untergeordneten Gruppenfaktoren abgeleitet) - z.B.: lesen, buchstabieren, Grammatik, Zeichensetzung; Objekte aus verschiedenen Blickwinkeln erkennen, Bewegungsvorstellung, räumliches Vorstellungsvermögen, … Jäger: Berliner Intelligenzstrukturmodell - allgemeine Intelligenz (g): 2 Komponenten - Denkoperationen (Verarbeitungskapazität, Einfallsreichtum, Gedächtnis, Bearbeitungsgeschwindigkeit) - Denkinhalte (numerisch, verbal, figural‐bildhaft) Andere Modelle mit anderer Pespektive - Sternbergs Triarchisches Model - Gardners Theorie der multiplen Intelligenzen Intelligenz und interessante „Effekte“ - Mozart‐Effekt: - Verbesserung der räumlich‐zeitlichen Intelligenz‐Leistung durch das Hören einer Mozart‐Sonate - Flynn‐Effekt: - Kontinuierliche Zunahme der Werte in Intelligenztests überall auf der Welt über die Jahre hinweg - Größerer Anstieg fluider (nonverbaler) Intelligenz als kristalliner (verbaler) Intelligenz - 5 Hauptgründe aufgedeckt: Bildung, Erfahrenheit mit Testsituationen, Erziehungsstil & Frühförderung, visuelle & technische Umwelt, Ernährung - Savants: spezifische Hochbegabung mit ungewöhnlichen sozialen und/oder sonstigen Fähigkeiten 45 11. Vorlesung: Intelligenz: Erbe, Umwelt, Geschlechtsunterschiede Erblichkeit und Intelligenz - Erbe‐Umwelt‐Debatte zum Thema Intelligenz ist alt! - z.B. Galton (1865): Familienstudien Intelligenz ist erblich; „nature“ vs. „nurture“?; Zwillingsstudien - Methoden: - Zwillings‐ & Adoptionsstudien (siehe Persönlichkeitsforschung) - Erblichkeitsschätzung (h²): durchschnittliche Schätzung des Varianzanteils (von Intelligenz), der durch genetische Faktoren erklärt werden kann - Umweltschätzung: gemeinsame Umwelt (c²) - Aber auch hier gilt: - Additive & nicht additive genetische Varianz (Epistase, Dominanz) - Repräsentativität der Studienarten, gesteuerte Partnerwahl, nichtgeteilte/geteilte Umwelt Zwillingsstudien: - Newman et al. (1937) - 19 Paare getrennt aufgewachsener MZ: Rekrutierung über Radio & Zeitung - Zygositätsdiagnose: „Fern‐“diagnose (psych. Ähnlichkeit, Handlinien) - Trennung: 12 Paare im 1. LJ, 4 Paare im 2. LJ & 3 Paare später (Trennungsperiode: 11‐53 Jahre) - IQ‐Diagnostik: Stanford‐, Binet‐ & Otis‐Test - Ergebnisse: h² = .70; c² = .22 - Selektionsproblem: Nähe zum Untersuchungsort, nicht immer vollständige Separierung (z.B. wohnten in Nähe) - Shields - N = 44 Paare; Rekrutierung über Radio - IQ‐Diagnostik: Domino‐Test, Mill‐Hill‐Vocabulary‐Scale - Zygositätsdiagnose: z.T. Blutuntersuchung, Handlinien, äußere Erscheinung - h² = .77 - Problem: alle in naher Umgebung, große Altersschwankung - Loehlin & Nichols 46 - N = 3014 Paare Leistungsdiagnostik: Englisch, Mathematik, Sozial‐ & Naturwissenschaften, Wortschatz h² = .48; c² = .38 Bouchard: Minnesota‐Studie - Beginn der Studie: ab 1979 mehr als 100 Paare - 56 getrennt aufgewachsene, eineiige Mehrlingspaare (50 MZ & 2 Drillingsgruppen mit je 3 Vergleichen) - 19‐68 Jahre (Mittleres Trennungsalter: 5M, mittleres Wiedersehensalter: 30 Jahre) - IQ‐Diagnostik: Raven‐Test; Wechsler‐Intelligenztest; Mill‐Hill‐Vocabulary‐Test - Korrelationen - Wechsler: r = .69; Kombination aus Raven & Mill‐Hill: r = .78 - Zusätzlich auch Einschätzung des Umweltanteils durchgeführt - h² = .70, wobei immer noch prä‐ & perinatale Einflüsse mit hineinwirken! Konkordanzraten (Übereinstimmung) der Intelligenz: Ridley (1999) gleiches Intelligenzlevel bei 2 Individuen Nicht‐genetische Erklärungen - Ernährung (vgl. Flynn‐Effekt) - Bleiintoxikation während Schwangerschaft bzw. nach der Geburt - andere pränatale Faktoren: Rauchen, Alkohol - Geteilte/ungeteilte Umwelt: familienspezifische Aspekte, Schule, Freunde - Sozioökonomischer Status (r = .30 ‐ .40): IQ‐Punkterhöhung bei Familienwechsel - Familiengröße & Geburtenfolge (Belmont & Marolla) - Je größer die Familie, desto geringer der IQ: Mittelwert(1., 2. , 3. , 4. , 5) < Mittelwert(1., 2., 3.) - Geburtenfolge: 1. > 2. > 3 - nicht repliziert von Rodgers et al. (2000): 11.406 Personen im Alter von 14‐22 - Erklärungen - Ressourcen‐Verdünnung (erstmals von Galton): Ressourcen der Eltern (Zeit, Energie, Finanzen) nehmen mit steigender Kinderzahl ab - Konfluenz‐Modell (Zajonc): Tutoraufgaben der älteren Geschwister - Erziehung & Frühförderung - Kulturelle Einflüsse (Falsche) Implikationen der hohen Erblichkeitsschätzung - Weiss (2001): über die Vererbung von Intelligenz & die gesellschaftlichen Folgen: Deutschland in der Intelligenzfalle Wird unser Volk dümmer, weil die Hochbegabten immer weniger Kinder bekommen? - The Bell‐Curve (kognitive Elite, Zusammenhang zwischen „Rasse“ & Intelligenz, soziale Implikationen) - Sarrazin‐Diskussion: „Deutschland schafft sich ab“ - Geschlechtsunterschiede Geschlechtsunterschiede & Intelligenz Historisches - Möbius (1900): „Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes“ 47 - Schopenhauer (1831): „Sie sind sexus sequior (geringeres Geschlecht), das in jedem Betracht zurückstehende, zweite Geschlecht, dessen Schwäche man demnach schonen soll, aber welchem Ehrfurcht zu bezeugen über die Maßen lächerlich ist und uns in ihren eigenen Augen herabsetzt.“ Mit der feministische Bewegung Gender‐Forschung & Intelligenz Geschlechtsunterschiede und Intelligenz: Allgemeine Intelligenz - meisten Studien zeigten keine Unterschiede (oder leichte Unterschiede in die eine oder andere Richtung) - Meta‐Analyse (Irwing & Lynn, 2005): - 57 Studien von 1939 – 2002 aus 30 Länder - 195 Stichproben mit insgesamt 80.000 Personen - Unterschiede in Abhängigkeit vom Alter: Mit Zunahme des Alters prägt sich der Geschlechtsunterschied in der allgemeinen Intelligenz zugunsten der Männer aus - Positive Werte des d: Männer haben höhere Werte - Aber: d‐Werte klein bis mittel Effekte nicht sehr groß! Ergebnisse einiger Metaanalysen: Spezifische Aspekte der Intelligenz - Geschlechtsunterschiede und Intelligenz in der Adoleszenz: - M > F: Mechanisches Denken, Naturwissenschaftliches Denken, mentale Rotation, räumliche Wahrnehmung - F > M: Buchstabieren, Sprachverständnis, Wahrnehmungsgeschwindigkeit, Sprachproduktion Biologische Erklärungen - Lynn & Irwin (2005) - Allgemeine Intelligenz: F < M - Gehirngröße & Intelligenz (r = .33‐.43) - Männer haben im Durchschnitt 10% größere Gehirne - Warum nicht als Kinder & Jugendliche? unterschiedliche Entwicklungsrate (Mädchen entwickeln sich schneller als Jungs ähnliche Gehirngrößen ähnliche Intelligenzwerte) - Aber: nur geringe Effektgrößen! - Räumliche Intelligenz: F < M - Evolutionäre Hypothesen: Nahrungssuche, Spannweite der Partnersuche, Kriegsführung - Hypothesen zu Hirnfunktionen und Hirnareale (ff) & zu Testosteron (ff) Hirnareale & Geschlechtsunterschiede (Haier et al. 2005) - 14 Frauen & 9 Männer (mittleres Alter 27) - 12 Frauen & 13 Männer (mittleres Alter 59) - Wechsler‐Test & MRI‐Untersuchung - Männer - Graue Substanz in bilateralem LF (Areale 8, 9) & linkem LP (Areale 39, 40, Wernicke) - Sprachverständnis, Sprache mit natürlichem Rhythmus - Mehr Areale mit grauer Substanz, die mit IQ zusammenhängen - Intelligenz hängt bei Männern mit grauer Substanz zusammen (Informationsverarbeitung) - Frauen - Graue Substanz in rechtem LF (Areale 10, 44, 45; Broca) 48 - Interpretation von Stimuli, verbale Prozesse, Koordination der Sprachorgane (Sprachproduktion & Grammatik) Mehr Areale mit weißer Substanz, die mit IQ zusammenhängen Intelligenz hängt bei Frauen mit weißer Substanz zusammen (Informationsübertragung) Hemisphärenunterschiede Lateralisierungsunterschiede & Hormon‐Zyklus Testosteron‐Hypothese - Aufgabe: Routen finden geschlechtsspezifische Strategie‐Arten - Frauen: Relative Richtungen, Landmarken, Regeln lernen - Männer: Streckenlänge, Maßeinheiten, Himmelsrichtungen - Östrogen kein Zusammenhang zur Leistung - Testosteronspiegel (nur bei Männern): positive Korrelation zur Strategie - Testosteronspiegel & mentale Rotation (bei Männern) Nicht‐biologische Erklärungen - Stereotype außerhalb der Schule - Intelligenzentwicklung & Spielzeug (Präferenzen bereits mit 9 Monaten) - Spielzeugpräferenz bei Affen auch geschlechtsabhängig - auch untypischen Präferenzen, aber typische werden verstärkt durch Eltern & andere Kinder - Spielorte (drinnen vs. draußen) - Übertragene „Selbsterfüllende Prophezeiung“ der Eltern (Identifikation mit gleichgeschlechtlichem Elternteil) - Stereotype innerhalb der Schule - Ähnliche Leistungen, aber unterschiedliche Fächerwahl - Mathematik & Naturwissenschaften (Suche/Vermeidung der Fächer) Räumliche Fähigkeiten (allg. Intelligenz) - Selbsterfüllende Prophezeiung - Lehrer, Eltern, andere Schüler/innen - Stereotype (Be‐)Drohung (sich unter Beobachtung fühlen; Bestätigungssuche, dass man „dumm“ ist) - Mathetest (Spencer et al., 1999) mit und ohne „Stereotypen Bedrohung“