Zusätzlicher Stoff über Konvergenz in metrischen Räumen

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Z Zusätze
Z.1 Konvergenz in metrischen Räumen
Z.1.1 Konvergenz von Zahlenfolgen. Wir hatten in 1.4.1 definiert:
Eine Folge (an )n∈N reeller Zahlen heißt konvergent gegen den Grenzwert a,
wenn es zu jeder Fehlerschranke ε > 0 eine natürliche Zahl nε so gibt, dass
für alle natürlichen Zahlen n > nε gilt:
|a − an | < ε .
Eine dazu äquivalente Definition haben wir in 1.4.5 gegeben:
Eine Folge (an )n∈N reeller Zahlen heißt konvergent gegen den Grenzwert a,
wenn in jeder ε-Umgebung von a alle Folgenglieder bis auf endlich viele
Ausnahmen liegen.
Man schreibt in diesem Fall
a = lim an
n→∞
oder
an −→ a .
n→∞
Z.1.2 Allgemeinere Folgen. In der Praxis werden nicht nur Zahlenfolgen
auf Konvergenz untersucht, sondern auch Folgen von Vektoren, Matrizen,
Funktionen, . . .
Eine Folge (xn )n∈N von Elementen aus einer Menge X gibt zu jeder natürlichen
Zahl n ∈ N ein Folgenglied xn ∈ X an.
Z.1.3 Beispiele.
• Ist X = Rz , dann liegt eine Folge von (Koordinaten-)Vektoren vor
(eine sogenannte „Vektorfolge“).
• Ist X = Rz×s , dann liegt eine Folge von Matrizen vor.
• Ist X = C0 ([0, 1]), dann liegt eine Folge stetiger Funktionen vor (der
Definitionsbereich ist das Intervall [0, 1]).
252
Z Zusätze
Wir wollen den Konvergenzbegriff für Zahlenfolgen auf allgemeinere Folgen
übertragen. Intuitiv versteht man unter Konvergenz eine schrittweise Annäherung an ein festes Element. Um diese Annäherung zu fassen, wollen wir
messen, wie weit ein gegebenes Folgenglied von diesem Grenzelement entfernt ist. Dazu brauchen wir einen Abstandsbegriff, den wir durch Einführung
einer Metrik auf der Menge X realisieren.
Z.1.4 Definition. Sei X eine Menge. Eine Abbildung ρ : X × X → R heißt
Metrik auf X , wenn für alle x, y, z ∈ X gilt:
(M 1) ρ(x, y) ≧ 0 und
ρ(x, y) = 0 ⇐⇒ x = y.
(Definitheit)
(M 2) ρ(x, y) = ρ(y, x)
(Symmetrie)
(M 3) ρ(x, z) ≦ ρ(x, y) + ρ(y, z)
(Dreiecksungleichung).
Die Menge X , versehen mit der Metrik ρ, heißt dann metrischer Raum (X, ρ).
Z.1.5 Beispiel. Die Ähnlichkeiten zwischen den Bedingungen an eine Metrik
und Eigenschaften des Betrags sind kein Zufall:
In der Tat ist durch ρ(x, y) := |x − y| eine Metrik auf X = R gegeben.
Z.1.6 Beispiel. Der euklidische Abstand
p
ρ2 (v, w) := (v1 − w1 )2 + (v2 − w2 )2 + (v3 − w3 )2
zwischen Punkten in R3 ist eine Metrik auf X = R3 (die wir die euklidische
Metrik nennen).
Die euklidische Metrik kann man in offensichtlicher Weise auf Rz mit beliebiger Dimension z verallgemeinern: Man summiert eben alle Quadrate der
Differenzen der Einträge:
v
u
tX
z
(v j − w j )2 .
ρ2 (v, w) :=
j=1
Die Metriken in Z.1.5 und Z.1.6 beschreiben genau die Abstände, die wir
immer schon haben wollten. Es gibt (für spezielle Zwecke) aber auch ganz
andere Metriken:
Z.1 Konvergenz in metrischen Räumen
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Z.1.7 Beispiel. Es sei z ∈ N und p eine reelle Zahl mit p ≧ 1. Zwischen
x, y ∈ Rz kann man den Abstand
z
X
1p
p
ρp (x, y) =
|x j − y j |
j=1
einführen. Spezialfälle:
• Für p = 2 erhalten wir die euklidische Metrik.
z
P
• Für p = 1 ergibt sich ρ1 (x, y) =
|x j − y j | .
j=1
Wir messen hier die Länge eines Streckenzugs, auf dem man vom Ort x
zum Ort y entlang eines rechtwinkligen Straßensystems gelangt (deswegen nennen manche Leute dies die Manhattan-Metrik).
Für einen Taxifahrer
ist es egal, an welchen
Stellen er abbiegt
(solange er grob die
Richtung nach rechts
oben einhält).
Z.1.8 Beispiel. Ein weitere Möglichkeit ist die Maximum-Metrik auf Rz :
o
n
ρ∞ (x, y) = max |x j − y j | 1 ≦ j ≦ z .
Diese könnte z. B. nützlich sein, wenn man sich auf die größte Abweichung
zwischen den Koordinateneinträgen konzentrieren will. (Die Metriken ρp mit
1 ≦ p < ∞ verwenden jeweils eine Mittelbildung über diese Abweichungen.)
Die fünf schwarzen
Punkte haben in der
Maximum-Metrik alle
denselben Abstand von
dem besonders dicken
Punkt.
Siehe auch Z.1.15.
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Z Zusätze
Neben den bisher erwähnten Metriken können wir die Metrik des französischen
Eisenbahnsystems auf R2 betrachten:
Z.1.9 Beispiel. Wir wählen in R2 einen festen Punkt P (die französische
Eisenbahn hat P bei Paris gesetzt).
Als Abstand zwischen Punkten x, y ∈ R2 definieren wir


ρ2 (x, y)
falls x und y auf einer Ge




raden durch P liegen,




ρParis (x, y) := 

ρ2 (x, P) + ρ2 (P, y) sonst




[man macht immer den



Umweg über Paris].
Die Skizze zeigt einen Teil des
Netzes französischer Schnellbahnen (grob vereinfacht).
Um von Toulouse (T ) mit
dem TGV nach Marseille (M)
zu kommen, muss man einen
Umweg über Paris nehmen:
Der Abstand der Städte wird
damit wesentlich größer als
der per „Luftlinie“ (um diesen
wirklich exakt zu realisieren,
braucht man wohl eher einen
Hubschrauber . . . )
Z.1.10 Die Norm als Abstand. In Vektorräumen (auch solchen unendlicher
Dimension — man spricht auch von linearen Räumen) hatten wir mit Hilfe
von Skalarprodukten eine Norm eingeführt:
Ist h | i ein Skalarprodukt auf V , so heißt für x ∈ V die reelle Zahl
p
kxk := hx|xi
die Norm von x.
Z.1 Konvergenz in metrischen Räumen
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Mit Hilfe dieser Norm können wir wieder den Abstand zwischen zwei Elementen „messen“:
ρ(x, y) := kx − yk .
Dieser Abstand ist eine Metrik ρ : V → R.
Z.1.11 Beispiel. Als Abstand zwischen stetigen Funktionen f, g ∈ C0 ([0, 1])
ist die folgende Göße zweckmäßig:
ρ( f, g) =
Z
0
1
! 12
| f (x) − g(x)|2 d x .
D E R 1
Wir verwenden hier die Norm zum Skalarprodukt f g := 0 f (x) g(x) d x.
Dieses Skalarprodukt wird (samt dieser Norm) auch betrachtet in Zusatz Z.2
in Kimmerle-Stroppel, Lineare Algebra und Geometrie (Edition Delkhofen).
Z.1.12 Beispiel. In der numerischen Mathematik werden Abstände zwischen
Matrizen benutzt — jeweils angepasst an die gerade aktuelle Problematik.
Z.1.13 Konvergenz in metrischen Räumen. Wir betrachten einen fest gewählten metrischen Raum (X, ρ). Eine Folge (an )n∈N in X heißt konvergent
gegen den Grenzwert a, wenn es zu jedem ε > 0 eine natürliche Zahl nε so
gibt, dass gilt:
∀ n > nε : ρ(a, an ) < ε .
ρ
ρ
Man schreibt auch an → a oder lim an = a.
n→∞
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Z Zusätze
Z.1.14 Äquivalente Definitionen.
ρ
1. Es gilt an → a ⇐⇒ lim ρ(an , a) = 0.
n→∞
2. Die Folge (an )n∈N konvergiert genau dann im metrischen Raum (X, ρ)
gegen den Grenzwert a, wenn in jeder ε-Umgebung von a alle Folgenglieder bis auf endlich viele Ausnahmen liegen.
Dabei verstehen wir unter der ε-Umgebung um X die Menge
Uε (a) := {x ∈ X | ρ(a, x) < ε} .
Man kann wieder versuchen, sich die ε-Umgebung Uε (a) als „Kugel“ mit
Radius ε und Mittelpunkt a vorzustellen . . .
Z.1.15 Beispiel. Wir betrachten den metrischen Raum R2 versehen mit der
Maximum-Metrik ρ∞ , vgl. Z.1.8. Dann ist
x2
"
g replaements
"
a
0
1
Uε (a) = {x ∈ R2 | ρ∞ (a, x) < ε}
( !
(
)
)
x1
|a1 − x1 |
2
=
∈ R max
<ε
x2
|a2 − x2 |
x1
ein offenes Quadrat (ohne Rand) mit
Mittelpunkt a und Seiten der Länge
2ε, die parallel zu den Achsen des
Standard-Koordinatensystems liegen.
Z.1.16 Beispiel. Wir betrachten weiter den metrischen Raum R2 versehen
mit der Maximum-Norm ρ∞ . Sei
!
x1
x=
x2
ein fester Vektor aus U1 00 . Dann konvergiert die Folge der Vektoren
!
xn1
xn = n
x2
bezüglich der Maximum-Norm gegen den Nullvektor.

Es bedeutet x ∈ U1 00 hier gerade max{|x1 |, |x2 |} < 1.

!
!

xn1 ρ∞ 0

n
.
Nach 1.5.8 konvergiert |x j | gegen Null, also gilt n →
0
x2






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