norma - Zachos Terzakis

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NORMA
Tragedia lirica in zwei Akten von Felice Romani
Musik von Vincenzo Bellini
- Konzertante Aufführung in italienischer Sprache -
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Besetzung
POLLIONE,
RÖMISCHER PROKONSUL IN GALLIEN •
ÜROVESO,
OBERHAUPT DER DRUIDEN·
NORMA,
Michael Burt
OBERPRIESTER IN DER DRUIDEN. OROVESOS TOCHTER·
AOALGISA,
NOVIZIN IM TEMPEL DER IRMINSUL·
C LOTI LD E.
VERTRAUTE NORMAS
FLAVIO,
Zachos Terzakis
FREUND POLLIONES •
•
Daniela Nedialkova
Susan MacleanjMonica Mascus
*
Natascha Meißner
Andre Schann
Chor und Extrachor des Theaters der Stadt Koblenz
Staatsorchester Rheinische Philharmonie
• Ooppelbesetzung In alphabetischer Reihenfolge.
Die Abendbesetzung entnehmen Sie bitte dem Aushang im Foyer.
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MUSIKALISCHE LEITUNG· Anton Marik
SZENISCHES ARRANGEMENT· Annegret Ritzel
CHOREINSTUDIERUNG . Bernhard Steiner
Wir danken herzlich dem Freundeskreis Stadttheater Koblenz e.V.
für die großzügige finanzielle Unterstützung der Produktion.
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STUDIEN LEITUNG . Werner Lemberg
MUSIKALISCHE ASSISTENZ· Bernhard Epstein
REGIEASSISTENZ UND ABENDSPIELLEITUNG . Thorsten Donat
INSPEKTION· Irene Hückel-Liessem
TECHNISCHER LEITER· Daniel Kaiser
PRODUKTIONSLEITER . Peter Rauscher
BÜHNENMEISTER· Reinhold Haupt, Erwin Manns
BELEUCHTUNGSMEISTER . Horst Krämer
TONMEISTER· Michael Werner
AUSSTATTUNGSLEITERIN KOSTÜM· Isolde Lehofer
CHEFMASKENBILDNERIN· Manuela Adebahr
REQUISITE· Liana Brodt, Nicole Elbert, Elke Wyeisk-Rings
Bild- und Tonaufnahmen während der Vorstellung
sind aus urheberrechtlichen Grunden nicht gestattet.
Im Interesse aller Zuschauer und der Darsteller bitten wir Sie,
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Ihr Handy vor der Vorstellung auszuschalten.
Premiere:
25. Oktober 2001, 19.30 Uhr, Großes Haus
Pause nach dem 1. Akt
Uraufführung am
26. Dezember 1831 im Teatro alla Scala, Mailand
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Die Handlung
1. Akt
Als alle gegangen sind, betritt Adalgisa
allein das Heiligtum. Am Stein der Ir-
Gallien ist von den Römern besetzt.
minsul beweint sie die Hoffnungslosigkeit ihrer Liebe. Sie fühlt, daß ihre lie-
Die gallischen Krieger und Druidenprie-
be zu dem feindlichen Römer Pollione
ster haben sich mit ihrem Anführer Oroveso nachts im heiligen Hain versam-
ein Unrecht ist, sowohl vor ihrem Land
als auch vor den Göttern, denen sie
melt und erwarten ungeduldig das Zei-
durch ein Gelübde geweiht ist.
chen der Gottheit, den Kampf gegen die
Pollione tritt hinzu. Auf sein Drängen hin
römischen Unterdrücker beginnen zu
dürfen. Die Oberpriesterin Norma, Oro-
erklärt sich Adalgisa bereit, in der kom-
vesos Tochter, wird eine heilige Zeremo-
menden Nacht mit ihm zu fliehen.
nie vornehmen, sobald der Mond zu sehen ist.
Das Bewußtsein, ihr heiliges Gelübde zu
brechen, läßt Adalgisa keine Ruhe. Sie
Währenddessen nähern sich der römi-
vertraut sich Norma an. Diese entbindet
sche Prokonsul Pollione und sein Be-
Adalgisa von ihrem Gelübde in Erinne-
gleiter Flavio vorsichtig dem Heiligtum.
rung an ihr eigenes Liebesverhältnis mit
Pollione hatte mit der Oberpriesterin
Pollione. Auf Normas Frage, wer ihr Er-
Norma lange ein heimliches Liebesver-
wählter sei, weist Adalgisa auf den ge-
hältnis, aus dem zwei Söhne hervorgin-
rade eintretenden Pollione. Zornig ent-
gen. Seit er die junge Priesterin Adalgi-
hüllt Norma der ahnungslosen Prieste-
sa kennt, liebt er Norma nicht mehr. Er-
rin das Geheimnis ihrer Liebe. Entsetzt
wendet sich Adalgisa von Pollione ab,
schreckt durch einen bösen Traum
fürchtet er sich vor Normas Rache und
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während Norma ihm Rache schwört.
möchte mit Adalgisa nach Rom fliehen.
Ein Signal kündigt Normas Ankunft im
2. Akt
Heiligtum an. Nachdem sie die heilige
Mistel von der Eiche geschnitten hat,
Norma will mit ihrer Rache nicht nur den
betet sie zur Gottheit. Den enttäuschten
treulosen Geliebten, sondern auch des-
Kriegern verkündet sie, der richtige Zeit-
sen Kinder, ihre Söhne, vernichten.
punkt für den Beginn des Kampfes sei
Aber ihre Muttergefühle siegen über die
noch nicht gekommen.
Rachegelüste. Sie beschließt, ihrem
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sinnlos gewordenen Leben selbst ein
gert und verlangt, mit dem Gefangenen
Ende zu setzen, und bittet Adalgisa, die
allein gelassen zu werden.
beiden Kinder ins römische Lager zu
bringen und ihnen, als Gattin Polliones,
Norma bietet Pollione die Freiheit, falls
Mutter zu sein. Adalgisa weist diesen
er auf Adalgisa verzichtet und zu ihr zu-
Vorschlag zurück. Sie will Pollione be-
rückkehrt. Als er ablehnt, beschließt
wegen, zu Norma zurückzukehren.
Norma voller Wut den Tod ihrer Rivalin
auf dem Scheiterhaufen.
Diese schöpft neue Hoffnung auf eine
Wiederkehr ihres Liebesglücks. Als sie
Sie kündigt den Versammelten als zwei-
aber erfährt, daß Adalgisas Bitte verge-
tes Opfer eine Priesterin an, die die
bens war und Pollione nicht zu ihr zu-
Gottheit und das Vaterland verriet. Als
rückkehren wird, gibt sie den Kriegern
man von ihr den Namen verlangt, wird
das Zeichen zum Kampf. Zuvor soll der
glückliche Ausgang des Krieges durch
sie unsicher. Kann man eigene Schuld
an anderen rächen? Norma nennt als
ein Opfer auf dem Altar erbeten werden.
Opfer ihren eigenen Namen. Sie bittet
Als Opfer bringt man einen Römer herbei, der ergriffen wurde, als er das Hei-
Kinder anzunehmen, und geht zusammen mit Pollione, dessen Herz sie in
ligtum geschändet hatte. Es ist Pollio-
der Stunde des Todes wiedergewonnen
neo Oroveso reicht Norma sein Schwert,
hat, gefaßt zum Scheiterhaufen.
ihren Vater Oroveso, sich der beiden
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um das Opfer zu richten. Doch sie zö-
Die Oper muß die Leute zum Weinen bringen, mit
Grauen erfüllen, sie durch Gesang sterben lassen.
Vincenzo Bellini
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In dieser Oper hat sich Bellini entschieden auf die größte Höhe seines Talentes
geschwungen, u. sie ist in diesen Tagen der romantischen Extravaganzen u. Ueberreitzungen in sogenannten pikanten musikalischen Genüssen jedenfalls eine Erscheinung, die gar nicht genug zu würdigen ist. Die Handlung, die aller Theatercoups
u. blendender Effekte entbehrt, erinnert unwillkürlich an die Haltung der griechischen
Tragödie, u. vielleicht möchte Schiller's Einsicht, die er in der Vorrede zu seiner Braut
von Messina aussprach, daß er von der Oper Alles für die Wiedererscheinung der antiken Tragödie auf unsrer Bühne gehofft habe, durch eine Anhörung dieser Norma
wieder neue Nahrung erhalten haben.
Richard Wagner,
Rezension einer Norma-Aufführung 1837 in Königsberg
Hier sei es erwähnt, daß selten die ächt tragische Wirkung der Katastrophe, also die
durch sie herbeigeführte Resignation und Geisteserhebung der Helden, so rein motivirt und deutlich ausgesprochen hervortritt, wie in der Oper Norma, wo sie eintritt
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in dem Duett "Qual cor tradisti, qual cor perdesti" , in welchem die Umwendung des
Willens durch die plötzlich eintretende Ruhe der Musik deutlich bezeichnet wird.
Ueberhaupt ist dieses Stück, - ganz abgesehn von seiner vortrefflichen Musik, wie
auch andererseits von der Diktion, welche nur die eines Operntextes seyn darf, - und
allein seinen Motiven und seiner innern Oekonomie nach betrachtet, ein höchst vollkommenes Trauerspiel, ein wahres Muster tragischer Anlage der Motive, tragischer
Fortschreitung der Handlung und tragischer Entwickelung, zusamrht der über die Welt
erhebenden Wirkung dieser auf die Gesinnung der Helden, welche dann auch auf den
Zuschauer übergeht: ja, die hier erreichte Wirkung ist um so unverfänglicher und für
das wahre Wesen des Trauerspiels bezeichnender, als keine Christen, noch Christliche Gesinnungen darin vorkommen. Arthur Schopenhauer,
Die Welt als Wille und Vorstellung
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Zeittafel Vincenzo Bellini
1801
Vincenzo Bellini wird am 3. November im sizilianischen Catania als Sohn
eines Kapellmeisters geboren. Bereits in einem Alter von sechs Jahren soll
eine Komposition von ihm bei einer Darbietung gefeiert worden sein.
Bellini lernt die Kammermusik Haydns und Mozarts kennen und schreibt
weltliche und geistliche Kompositionen.
1819
Mit einem Stipendium wird Bellini ins Konservatorium San Sebastiano in
Neapel aufgenommen. Er wird u. a. vom berühmten Direktor und Opernkomponisten Nicola Zingarelli unterrichtet, und er studiert Werke von
Jommelli, Paisiello und Pergolesi.
1825
Der junge Komponist fällt am Konservatorium mit seiner ersten Oper
Ade/son e Sa/vini auf. Das Werk wird über ein Jahr lang jeden Sonntag im
Theater des Konservatoriums gegeben.
1826
Vom Impresario Barbaja erhält Bellini den Auftrag, für das Teatro San
Carlo in Neapel eine Oper zu komponieren. Dem Erfolg von Bianca e
Fernando folgt der Ruf an die Mailänder Scala.
1827
Bellini übersiedelt nach Mailand. Er lernt Felice Romani kennen, mit dem
er die meisten seiner künftigen Opern zusammen schreiben wird. Das
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erste gemeinsame Werk ist 11 Pirata (UA 27. Oktober an der Scala).
1828
Bianca e Fernando wird überarbeitet. Mit dieser Oper wird das Opernhaus
in Genua eröffnet. Bellini lernt seine langjährige Freundin Giuditta Cantu,
verheiratete Turina, kennen.
1829
La Straniera wird am 14. Februar an der Scala uraufgeführt. Nach
Voltaires Tragödie schreibt Bellini im selben Jahr für Parma die erfolglose
Oper Zaire.
1830
In Venedig wird die Shakespeare-Vertonung / Capu/eti e i Montecchi
erfolgreich uraufgeführt. Ein schweres Darmleiden fesselt Bellini längere
Zeit ans Bett.
1831
Bellini hegt den Plan, Ernani zu vertonen. Die Zensur vereitelt das
Vorhaben. La Sonnambu/a wird mit großem Erfolg am Teatro Carcano in
Mailand uraufgeführt. Das restliche Jahr verbringt Bellini meistens am
Comer See, wo er sich der Arbeit an der Norma für die Scala widmet.
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Am 26. Dezember wird die Oper der Druidenpriesterin in Mailand uraufgeführt. Das Publikum bleibt kalt, die Oper vorerst erfolglos. Bellini spricht
von Intrigen. Bald aber wird das Werk mit frenetischem Beifall überschüttet.
1832
Auf einer Reise in seine Heimat Sizilien wird Bellini stürmisch empfangen
und gefeiert.
1833
Beatrice di Tenda wird in Venedig uraufgeführt. Es kommt zu einem
vorübergehenden Bruch mit Romani.
1834
Nach privaten Skandalen verläßt Bellini Italien und geht für kurze Zeit nach
London, wo seine Opern große Erfolge feiern. Dann fährt er nach Paris.
Dort studiert er französische Opernwerke und lebt sich rasch in den
Künstlerkreisen ein, lernt Heinrich Heine, Fn§deric Chopin und seinen
Protege Rossini kennen. Für das Theatre Italien schreibt er zusammen mit
dem Grafen Pepoli seine letzte Oper I Puritani.
1835
Am 25. Januar findet die Uraufführung von I Puritani in Paris statt. Bellini
erlebt einen großen künstlerischen Erfolg.
Am 24. September stirbt Bellini - erst 33 Jahre alt - in Puteaux, einem
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Pariser Vorort. Unter großer Anteilnahme der Pariser Bevölkerung und
seiner Musikerkollegen wird Bellini beigesetzt. Rossini läßt seinen Körper
einbalsamieren, die "Messa da Requiem" von Cherubini wird im Invalidendom aufgeführt und Donizetti widmet ihm eine Totenmesse.
1876
Nach der Einigung Italiens findet die Exhumierung Bellinis statt. Die
Leiche wird unter größter Anteilnahme der Bevölkerung per Eisenbahn
und Schiff nach Catania überführt.
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Rein A. Zondergeld
Die Rätsel des Nirwana
Zum 150. Todestag Vincenzo Bellinis [1985]
Die Tragödie der Druidenpriesterin Nor-
mehren konnte. Als er am 24. Septem-
ma und ihres römischen Liebhabers Pollione, der sie betrogen hat, strebt ihrem
ber 1835 in Puteaux bei Paris starb,
hatte er der italienischen Oper, und
Ende entgegen. Die beiden stehen ein-
nicht nur ihr, neue Wege gezeigt, die an-
ander gegenüber, und im langsamen er-
dere zu Ende schreiten würden.
sten Teil ihrer großen Zwiesprache (In
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mia man alfin tu sei) kostet Norma ih-
Rossini, von dessen Opernreform sich
ren Triumph, den gehaßten, aber noch
der am strengen Konservatorium von
immer geliebten Römer endlich in ihrer
Macht zu haben, nicht in jenen brillan-
stro Zingarelli ausgebildete Sizilianer
Neapel bei dem einst berühmten Mae-
ten Koloraturausbrüchen aus, mit de-
Bellini von Anfang an bewußt entfernte,
nen weniger nonkonformistische Kom-
sprach anläßlich der umjubelten Auffüh-
ponisten des frühen Ottocento ihre Heroinen bedachten. Ihre Worte sind von
rungen der ersten Erfolgsoper seines
jungen Kollegen, 11 pirata (Scala, 1827),
einer düsteren Trauer umschattet, die
von dem philosophischen Charakter die-
Leidenschaft wird gebändigt, aber kei-
ser Musik. Zwar war seine Bewunde-
neswegs gemildert durch die klassische
rung groß und hörte er sich die Oper
Strenge der melodischen Form. Die
Szene wirkt wie eines jener heroischen,
wiederholt an, aber er bedauerte das
heute wieder zu Ehren gekommenen Ta-
Fehlen einer gewissen Brillanz. Auch
wenn es heute ein wenig schwerfällt,
bleaux aus der neoklassizistischen
den Begriff philosophisch auf die Musik
Schule Louis Davids. Bellini verzichtet
eines der größten Melodiker des 19.
auf jedes schmückende Beiwerk und
Jahrhunderts angewandt zu sehen, so
verhilft auf diese Weise den vor verhal-
ist dennoch deutlich, was Rossini mein-
tener Spannung vibrierenden Worten
seines Textdichters Felice Romani zu ei-
te. Während in seinen eigenen Opern
ner Wirkung, wie es kein italienischer
Komponist zu dieser Zeit, um 1830, ver-
Musik nur bedingt die Rede sein konnte, ging es Bellini, in enger Zusammen-
mocht hätte. Die Norma steht am Ende
arbeit mit Romani, der das Libretto zu 11
von einer wirklichen Beziehung Wort -
einer Entwicklung. Dem damals dreißig-
pirata geschrieben hatte und der bei
jährigen Bellini, dem erfolgreichsten
den nächsten sechs Opern des jungen
Opernkomponisten seiner Generation,
Sizilianers
blieben nur ein paar Jahre, in denen er
schimpfter, manchmal mit Lob über-
dessen
manchmal
be-
die Zahl seiner Opern noch um zwei ver-
schütteter Textdichter blieb, um etwas
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ganz anderes. Er wollte weg von den ko-
sten, erscheint auf den ersten Blick
loraturengeschmückten, exhibitionisti-
merkwürdig, da Romani sich selbst als
a la
Rossini, um
Klassizisten ansah und den von den jun-
zu einem wahren, neuen Stil zu gelan-
gen Literaten verhaßten Vincenzo Monti
gen, zu einer musikalischen Formge-
zu seinem Vorbild gewählt hatte. Er
bung, die direkt den affetti, den Emotio-
selbst äußerte sich zu diesem schein-
nen des Textes, entsprach. Mit dieser
baren Widerspruch: Ich mag weder die
Forderung nach Wahrhaftigkeit der Emo-
Unveränderlichkeit der extremen Klassi-
tionen, die zu einer Entrümpelung der
zisten noch die auf die Spitze getriebe-
schen Gesangsorgien
Formen, zu einer neuen Natürlichkeit
ne Zügellosigkeit der extremen Roman-
führen sollte, traf er sich mit den Dich-
tiker. Dennoch sind es gerade Szenen
tern der jungen italienischen Romantik.
extremer Leidenschaft, die Bellini forderte und die Romani ihm schrieb. Der
Daß Bellini sich zu seinem Mitstreiter
Kriegschor (Guerra, guerraf) aus Norma,
gerade Romani auswählte, einen schon
von dem Nicolo Zingarelli sagte, er sei
zur Zeit des Pirata bekannten Libretti-
schön, aber barbarisch, ist nicht nur ein
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Szenenbild der Uraufführung von Norma, Mailand 1831
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Szenen aus dem 2. Akt der Oper Norma in zeitgenössischer Darstellung
Beispiel für die neue dramatische Wahr16
deutet und den allerdings verblüffenden
haftigkeit, er hat in seiner rasenden Er-
Erfolg seiner Opern damit erklären wol-
regung auch einen direkt politischen
Charakter, und dieser wurde vom Publi-
len. Aber es bleibt eine einseitige Erklärung, wenn man sich der seltsam-sinn-
kum sehr wohl erkannt. Es ist die Zeit
lichen Faszination einer jener großen
des frühen Risorgimento, der sich all-
Bellini-Melodien ergibt, deren betören-
mählich vorbereitenden Auflehnung ge-
der Süße Wagner und Verdi erlagen.
gen die brutale Unterdrückung jeder freiheitlichen und nationalen Regung durch
Vom Rezitativ zum Arioso
die Österreicher. Die neuen, unter Napoleon errungenen Freiheiten waren
An der ergreifenden Schlußszene von
durch den Wiener Kongreß rückgängig
gemacht worden, die Situation erschien
Jahre 1830 komponierter Romeo-und-
hoffnungslos. Manche Kommentatoren
Julia-Oper I Capuleti e i Montecchi läßt
haben die eigentümliche Trauer, jene
sich eine seiner größten Erneuerungen
Bellinis für das Fenice in Venedig im
Melancholie, die oft als das eigenste
des italienischen Opernstils ablesen:
Merkmal der Musik Bellinis empfunden
der Ausbau des dramatischen Rezitativs
wird, als Ausdruck der politischen Fru-
zu ariosen Einheiten, die neben den
stration dieser restaurativen Periode ge-
Arien nach klassischem zweiteiligem
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Schema die Musiksprache Bellinis be-
das bis heute perpetuierte Vorurteil des
reichern. Zwar hatte schon Rossini in
angeblich schlechten Instrumentators
seinen neapolitanischen Opern auf das
Bellini verstummen lassen sollte. Einen
Secco-Rezitativ verzichtet, aber seine
Höhepunkt erreicht Bellini in dieser
Funktion, die einzelnen Nummern der
Oper miteinander zu verbinden, weit-
Kunst des dramatischen Rezitativs in
den beiden letzten Opern, die aus der
gehend unangetastet gelassen. Bellini
fruchtbaren Zusammenarbeit mit Roma-
versucht aber von seiner zweiten Oper
ni hervorgehen, in Norma und der wenig
Bianca e Gernando (später als Bianca e
erfolgreichen Beatrice di Tenda aus
Fernando umgearbeitet) an, die Rezitati-
dem Jahre 1833.
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ve zu einem in die Handlung integrierten
Bestandteil des dramatischen Ganzen
Die Protagonistinnen beider Opern bil-
zu machen. Ihre Wirkung wird durch ei-
den den denkbar größten Gegensatz:
ne subtile, bewußt neuartige, romanti-
gegenüber der aktiv in ihr Geschick ein-
sche Klangwirkungen suchende Instru-
greifenden Druidenpriesterin steht die
mentierung noch erhöht, wie die kurze
Dulderin Beatrice. Sie ist eine Heilige,
Szene der Giulietta aus dem zweiten Akt
das blutrünstige Renaissance-Gesche-
der Capuleti (Ne alcun ritorna) eindrucks-
hen um sie herum hat den Charakter ei-
voll belegt, deren Orchestereinleitung
nes Märtyrerdramas. Wer das verkennt
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und der Oper ein fehlendes dramati-
wenn sie sich zur Arie verdichtet, so
sches Zentrum vorwirft, hat die Inten-
bleibt ihre Funktion die gleiche wie die
tionen der beiden Schöpfer dieses aller-
der Ariosi: kein Vorwand zur Entfaltung
dings reichlich morbiden Spätwerks
von Virtuosität, sondern Erhöhung und
mißverstanden. Beatrice leidet mit Won-
Intensivierung der Handlung, die in ihr
ne, sie ist das ideale Opfer ihres sadi-
ihren jeweiligen Kulminationspunkt er-
stischen Ehemannes, sie ergibt sich
reicht.
dem Tod wie einem letzten Orgasmus.
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Wie völlig anders Normal Nachdem sie
Bellini formulierte seine Forderungen
im Rnale des ersten Aktes vom Verrat
nach einem Libretto, das seinen Vor-
ihres Liebhabers Pollione erfahren hat,
stellungen einer neuen Opernform ent-
entschließt sie sich jetzt, die beiden
sprach, am deutlichsten in einem Brief
Kinder, die sie von ihm hat, umzubrin-
an den Grafen Pepoli, der für seine
gen. Es ist Nacht, leise tritt sie in das
letzte Oper I puritani den Text schrieb,
Schlafgemach der beiden, aber ihr Vor-
nachdem Schwierigkeiten bei der Ent-
satz bleibt unausgeführt, obwohl sie im-
stehungsgeschichte der Beatrice di
mer wieder, nach neuem Zögern, das
Tenda und der anschließende Mißerfolg
Messer hebt. Aus ihren bewegten, ab-
zeitweilig zu einem Bruch zwischen dem
gerissenen Worten, in denen sich Ro-
Komponisten und Romani geführt hat-
mani nicht nur als Erschaffer höchst
ten. Pepoli erwies sich aber als ein
bühnenwirksamer Situationen, sondern
schlechter Ersatz für mio caro Romani,
und die ganzen Maßregelungen von sei-
auch als großer Wortkünstler zeigt, entwickelt sich beim Passus Teneri figli eine Melodie höchster Reinheit, eben ei-
ten des Komponisten nutzten nicht viel.
ne solche ariose Stelle, die Bellinis Re-
Vorstellung von Bellinis Ideen: Die Oper
zitativen ihre Einmaligkeit verleiht. Aber
muß die Leute zum Weinen bringen, mit
wieder schlägt die Stimmung um, bis
Grauen erfüllen, sie durch Gesang ster-
Wir verdanken ihnen aber eine genaue
Norma schließlich mit dem Aufschrei
ben lassen. Es wäre ein Irrtum zu glau-
No ... son miei figli, miei figli! die Waffe
ben, daß alle Nummern die gleiche Qua-
endgültig von sich wirft. Normas Über-
lität hätten, aber es ist eine Notwendig-
windung ihrer eigenen Rachegefühle -
keit, daß sie so gebildet sind, daß sie
ein deutlicher Gegensatz zum direkten
durch ihre Klarheit des Ausdrucks die
Vorbild dieser Szene in Cherubinis Me-
Musik verständlich machen. Dieser Aus-
dea - setzt hier ein, der Dramatiker Bel-
druck muß genau und frappierend sein.
lini gestaltete hier vielleicht seine ein-
Musikalische Kunstgriffe töten den Ef-
drucksvollste Szene. Die Melodie ist bei
fekt, den die Situationen hervorrufen,
Bellini nie Selbstzweck; sie geht als die
aber noch schlimmer sind in einer Oper
natürlichste Äußerung aus dem drama-
poetische Kunstgriffe. Die Poesie und
tischen Geschehen hervor, und auch
die Musik brauchen Natürlichkeit und
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sonst nichts. Jeder, der sich von diesem
sondern die rührende oder erschüttern-
Weg entfernt, ist verloren, und schließ-
de Einzelsituation, die in überzeugen-
lich kommt eine Oper dabei heraus, die
den, klangvollen Versen gestaltet wur-
schwerfällig und blödsinnig ist und die
de. Es wäre deshalb auch fehl am Platz,
nur irgendwelchen Pedanten, nie aber
die mangelnde Logik der vielleicht be-
dem Herzen gefallen wird. [... ] Wenn
deutendsten, aber auf jeden Fall konse-
das Herz bewegt ist, wird man immer
quentesten uReformoper" Bellinis und
recht haben, auch in Anbetracht sound-
Romanis, La straniera, zu beklagen, die
sovieler Worte, die gar nichts beweisen.
1829 ihre von Begeisterungsstürmen
begleitete Uraufführung an der Scala er-
Nicht auf die rationale, sondern allein
lebte. Wenn wir im Werk beider Künstler
auf die emotionale Qualität des Libret-
eine gewisse Polarität zwischen roman-
tos kommt es Bellini an, und es ist die-
tischen und klassizistischen Neigungen
se emotionale Qualität, die er in den
spüren können, die in Norma ihre un-
Versen seines Felice Romani fand, nicht
die logische Handlung, wie sie noch die
deutet La straniera das romantische Ex-
Dichtungen des Metastasio vorführen,
trem. Anknüpfend an die Mode der lite-
übertroffene Synthese erreichen, so be-
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Szenenbild der Uraufführung von La straniera, Mailand 1829
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rarischen Schauerromantik, der auch ih-
der ersten Fassung dieser elegischen
re erste gemeinsame Arbeit, 11 pirata,
Melodie, Ecco, signor, /a sposa, die sich
schon Tribut gezollt hatte, werden hier
in Bellinis Gesellenstück Ade/son e Sa/-
die Reize des Geheimnisvollen, Nächt-
vini findet, deutlich. Solche "Parodien"
lichen ausgekostet. Das Schicksal der
rätselumwitterten Fremden, die am
früher geschriebener Melodien sind in
dieser Zeit in der italienischen Oper
Seeufer traurige Lieder zur Harfe singt,
noch gang und gäbe, und auch Bellini
bildet das Zentrum einer kaum nacher-
pflegte melodisches Material aus sei-
zählbaren Handlung, die ausschließlich
nen unbekannteren Opern in ein neues
auf wirkungsvolle Stimmungsbilder an-
Werk, allerdings immer mit wesent-
gelegt wurde. [... ]
lichen und für seine Entwicklung be-
Wie groß die Meisterschaft auch in der
gen, zu übernehmen. So wurden größe-
melodischen Gestaltung dieser zweiten
Reformoper Bellinis schon war, macht
Mißerfolg, der für Parma geschriebenen
ein Vergleich zwischen der Cavatine Val-
Zaira, der klassizistischsten seiner
sonders aufschlußreichen Veränderun-
misera aus
Opern - / Capu/eti e i Montecchi - in-
dem zweiten Akt von La straniera und
tegriert. Über Valdeburgos Cavatine äu-
deburgos Meco tu vieni,
20
re Teile aus seinem einzigen wirklichen
0
(WERBUNG)
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ßerte sich Hector Berlioz, der La stra-
rüst eingebaut worden. Von einem sol-
niera für Bellinis Meisterwerk hielt, mit
chen Finale nach altem Stil, zu dem die
Worten, die großes Verständnis für die
großen Ensemblesätze bei Mozart und
Eigenart des Bellinischen Melos verra-
Rossini das Vorbild abgaben, wird sich
ten: All diese Gefühle des Schmerzes,
Bellini in seinen nächsten Opern immer
der Abreise, der Trennung, der Tränen,
mehr entfernen. Getreu seiner Auffas-
des Todes, des Grabes und des Verges-
sung von der Wahrhaftigkeit des musikalischen Ausdrucks, die ihn des öfte-
sens werden hier mit überwältigender
Wahrheit ausgedrückt. Wenn es je Inspiration gegeben hat, dann doch wohl
ren in die Nähe von Gluck und Cherubi-
hier.
neuen Wegen auch in der Gestaltung
Wahrheit des Ausdrucks
kontrapunktische Verzweigung der ver-
ni zu bringen scheint, sucht er nach
des Ensembles.
Nicht die virtuos
schiedenen Stimmen mit ihrer betonten
Neben den langen, langen, langen Me-
Künstlichkeit, sondern Leidenschaft
lodien, die Verdi so sehr bewunderte,
und den dramatischen Rezitativen, de-
des Ausdrucks und rauschhafte Entfaltung des Klanges bestimmen diese Su-
nen Bellini, nicht zuletzt durch jene ario-
che im Zeichen einer neuen Natürlich-
sen Erhöhungen, eine völlig neuartige,
keit, die allerdings ihrerseits wieder zu
ganz im musikalischen Drama integrier-
einer anderen Künstlichkeit führt.
te Funktion zu geben vermochte, werden die Reformbestrebungen des jun-
Die genaueste Auskunft über Bellinis
gen Sizilianers vor allem in den Ensem-
Kompositionsmethode erhalten wir aus
blesätzen seiner Opern deutlich, zumal
dem sogenannten Brief an Agostini Gal-
in den großen ersten Finali, die immer
10, der zwar offensichtlich nicht von Bel-
die komplizierten Verwicklungen des
linis Hand stammt, aber doch wohl eine
langen ersten Aktes auf die Spitze trei-
recht wahrheitsgetreue Darstellung ent-
ben. Ein frühes Beispiel eines solchen
hält: Da ich davon ausgehe, daß der Er-
höchst komplexen Ensembles ist das
folg einer Oper nicht zuletzt in der Wahl
Sextett, welches das erste Finale jener
eines interessanten Themas begründet
Oper einleitet, die Bellinis Namen über
ist, in dem Aufeinanderprallen von Lei-
die Grenzen Italiens hinweg berühmt
denschaften, in den harmonischen und
machte, 11 pirata (Parlarti ancor per po-
glutvollen Versen und, nicht zu verges-
co). Die unterschiedlichsten Gefühle der
sen, in den effektvollen coups de thea-
Protagonisten, Mißtrauen, Wut, Entset-
tre, mache ich mir zuerst die Mühe, ei-
zen, Angst und Verzweiflung sind hier
nen perfekten Text von einem guten
noch einmal, wie schon in Bianca e
Dichter zu erhalten, und deshalb bevor-
Fernando, nach den klassischen Regeln
zuge ich Romani, der eine große Bega-
der Mehrstimmigkeit in ein strenges Ge-
bung für das musikalische Drama be-
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sitzt. Nachdem sein Werk beendet ist,
die musikalischen Motive und Tempi,
studiere ich die Charaktere der Protago-
die jenen Leidenschaften entsprechen
nisten genau, die Leidenschaften, die
und sie mittels der Harmonie in etwas
sie bewegen und die Emotionen, die sie
anderes verwandeln. Ich bringe sie eilig
zum Ausdruck bringen. [... ] Da ich weiß,
zu Papier und probiere sie am Klavier
daß die Musik aus einer Reihe von Klän-
aus und wenn die richtige Emotion in
gen entsteht und daß die Leidenschaf-
mir erweckt wird, dann bin ich zufrie-
ten der Menschen sich in den verschie-
den. Ein Beispiel für dieses genaue Be-
denen Modulationen der Stimme offen-
obachten der Stimmbeugungen und ihr
baren, ist das emotionale Idiom meiner
Kunst in der fortwährenden Beobach-
tet das Quartett, welches das Finale
tung dieser Eigenheiten begründet. Ich
von La straniera einleitet. Das Singen
Umsetzen in die Sprache der Oper bie-
schließe mich darauf in mein Zimmer
ist hier eher zu einem erregten Stam-
ein und fange an, die verschiedenen
meln geworden, alle Figuren erreichen
Rollen mit größter Leidenschaft zu de-
in diesem erstaunlichen Ensemble die
klamieren, während ich dabei auf die
Grenzen des noch Ertragbaren, gleich
Modulationen meiner Stimme achte.
anschließend wird die Katastrophe
[... ] Und auf diese Weise entdecke ich
über sie hereinbrechen. Hinter der
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Szenenbild der Uraufführung von La sonnambula (Die Nachtwandlerin), Mailand 1831
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äußersten Zurückhaltung des musika-
Charakter der Musik des Sizilianers in
lischen Idioms lauern jene Hysterie und
Worte zu fassen. Hinter den erregten
jener Wahnsinn, von denen Bellinis Pro-
Ensembles und Chören verbirgt sich
tagonisten nie weit entfernt sind.
(wie hinter den elegischen Gesängen,
die für immer mit seinem Namen ver-
Eine gewisse Ausnahmeposition im
bunden sind, und die man - einmaliger
Werk Bellinis nimmt die 1831 im Mai-
Fall in der Musikgeschichte - als BelIi-
länder Teatro Carcano erfolgreich urauf-
nismen bezeichnet) eine Todessucht,
geführte lyrische Tragödie La sonnam-
die den modischen Weltschmerz nach
bula ein, die dem Genre der Opera se-
dem Vorbild Byrons weit übersteigt und
miseria zuzurechnen ist. Der bukolische
die Bewunderung des Tristan-Komponi-
Ton dieser artifiziellsten aller Bellini-
sten für Bellini verständlich werden läßt.
Opern, in der auch mittels ungewohnt
Vielleicht ist ein Grund für diese schon
neapoli-
erotische Beziehung zum Tode, die das
tanischen Schule zurückrufender Kolo-
ganze Werk Bellinis durchzieht und in
raturen die leicht parfümierte Stimmung einer Schäferszene a la Watteau
den Schlußszenen der Norma ihre
vollendetste Gestaltung erreicht, im si-
brillanter,
den
Glanz
der
heraufbeschworen wird, sollte nicht
zilianischen Wesen zu suchen, über das
über ihre dunkleren Seiten hinwegtäu-
Tomasi di Lampedusa in seinem Roman
schen. Die künstliche Süße der Einlei-
Der Leopard schreibt: Alle Offenbarun-
tungsszenen weicht von dem Augen-
gen des sizilianischen Wesens kommen
blick, in dem Amina, die unschuldige
aus krankhafter Träumerei; auch die
Hauptfigur, schlafwandelnd die Bühne
heftigsten:
betritt, einer tragischen Emphase. Aus
Sehnsucht nach Vergessen; unsere Flin-
der Tiefe der Psyche steigen neue, zer-
tenschüsse und Messerstiche Sehnsucht nach Tod; eine Sehnsucht nach
störerische Wahrheiten auf, und im an-
Unsere
Sinnlichkeit ist
schließenden ersten Finale erreicht Bel-
wollüstiger Unbeweglichkeit - das heißt:
lini jene Form des Ensembles, deren
wieder nach Tod - sind unsere Trägheit
Wirkung von der rauschhaften Stei-
und auch unsere Eisgetränke; unsere
gerung seiner Melodie abhängig ist
grüblerische Art richtet sich auf das
(O'un pensiero e d'un accento).
23
Nichts, als wollten wir damit die Rätsel
des Nirwana lösen.
Obwohl es also möglich ist, die Neuerungen zu benennen, welche Bellini in
der italienischen Oper des frühen 19.
Jahrhunderts durchgesetzt hat und die
als solche vom Publikum auch verstanden und begeistert akzeptiert wurden,
ist es viel schwerer, den spezifischen
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r---
24
Der Librettist Felice Romani
Lithographie von 1830
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Felice Romani
geb. 31. Januar 1788 in Genua
gest. 28. Januar 1865 in Moneglia (La Spezial
In seiner Monographie über Romani be-
Librettist. Er verfaßte weit über 100
zeichnete Mario Rinaldi den Dichter, Li-
Libretti, die in vielen Fällen mehrfach
brettisten und Kritiker als einen Klassi-
(insgesamt über 200mal) vertont wur-
zisten, der gegen sein Wissen zur Ro-
den, und war Mitarbeiter der wichtigsten
mantik tendierte. Romani stand zwi-
Komponisten seiner Zeit, neben Mayr
schen den stilistischen Strömungen sei-
zunächst von Rossini (/I turco in Italia;
ner Zeit. Dem Klassizismus war er auf-
Bianca e Falliero), Meyerbeer (Margheri-
grund seiner humanistischen Bildung
ta d'Anjou; L'esule di Granata), Pavesi,
und der Vorliebe für Metastasio seit Ju-
Generali und Pacini, später von Luigi
gend an eng verbunden, der Romantik
Ricci und Mercadante, der allein 16 sei-
kam er allein schon durch die Stoffwahl
ner Libretti vertonte. Donizetti erzielte
für seine Libretti, in die er zunehmend
1830 an der Seite Romanis seinen
Vorlagen von Hugo, Scott und Byron
Durchbruch mit Anna Bolena, dem sich
einbezog, nahe. Romani studierte in Ge-
die großen Erfolge von L'elisir d'amore
nua und Pisa zunächst Jura, dann klas-
und Lucrezia Borgia anschlossen. Die
sische Philologie und ließ sich nach
engste Bindung ging Romani jedoch mit
ausgedehnten Reisen durch mehrere
Bellini ein, seinem bevorzugten Kompo-
europäische Länder 1814 in Mailand
nisten, für den er von /I pirata bis zum
nieder. Dort war er als Librettist ver-
Zerwürfnis über Beatrice di Tenda sämt-
traglich der Scala verpflichtet und mach-
liche Libretti schrieb, sieben an der
te sich schon mit seinen ersten Texten
Zahl, unter ihnen La sonnambula und
für Mayr (La rosa bianca e la rosa ros-
Norma. Mit einem absolut sicheren Stil-
sa; Medea in Corinto) einen Namen. In
gefühl begabt, das sich in dem breite-
den zwanzig Jahren, die er in Mailand
sten stofflichen Spektrum von der Buffa
blieb, bevor er 1834 als Direktor der
über die Zwischengattung der Semiseria
"Gazzetta Ufficiale Piemontese" nach
Turin wechselte und seine Tätigkeit vor-
war Romani der überragende italieni-
wiegend auf die Kritik verlegte, erwies
sche Librettist seiner Epoche.
25
bis zur Seria gleichermaßen bewährte,
sich Romani als äußerst fruchtbarer
Peter Ross
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"Norma" - eine Oper der italienischen Romantik
Bellinis Norma darf neben Donizettis
Normas innere Zerrissenheit äußert
Lucia di Lammermoor als Paradigma für
sich in dem Zwang, ein Doppelleben zu
führen: Für ihr Volk ist sie die angese-
den romanticismo gelten, der seine vollim
hene Priesterin, die in direktem Kontakt
Sprechtheater als vielmehr im melo-
mit der Gottheit steht und die mit einem
kommene
26
Realisierung weniger
dramma gefunden hat. Zwar scheint die
einzigen Wort einen Krieg entfesseln
Tatsache, daß das Geschehen in vor-
kann, doch was ihr Denken und Fühlen
christlicher Zeit angesiedelt ist, eher
auf die opera seria des 18. Jahrhun-
zu Pollione. Diese Ambiguität spiegelt
letztlich bestimmt, ist einzig ihre Liebe
derts zu verweisen, läßt das Motiv der
sich in dem fraglos berühmtesten Stück
Kindestötung an Medea denken, ist der
der gesamten Oper wider (Rezitativ und
Konflikt zwischen Liebe und Pflicht eher
ein Metastasianischer Topos als eine
Während das Cantabile "Casta diva" -
romantische Errungenschaft. Doch der
es stand ursprünglich in G-Dur, wurde
Kampf zwischen Römern und Galliern
bildet nur die historische Folie; auch
aber dann auf Wunsch von Giuditta Pasta nach F-Dur transponiert - als ein-
wenn der kriegerische Geist der Gallier
drucksvolles Porträt der Oberpriesterin
sich immer wieder in martialischen Chö-
zu begreifen ist, die, wenn auch aus
ren ("Norma viene", 1. Akt) äußert, so
rein persönlichen Motiven, die Göttin
ist dieses Moment dramaturgisch doch
peripher. Was die Autoren ungleich
sänftigen, läßt die cabaletta "Ah bello a
Cavatine "Sediziose voci - Casta diva").
bittet, die Kampfeswut der Gallier zu be-
mehr faszinierte, war der Druidenkult
me ritorna" , die Bellini seiner früheren
der Kelten, der mit der Aura des Grau-
Oper Bianca e Femando entnommen
envollen, Geheimnisvollen, Verbotenen
hat, erkennen, daß Normas Gedanken
umgeben ist; auch daß die Handlung zu
einzig um die Rückkehr ihres Geliebten
nächtlicher Zeit spielt, ist überaus
kreisen.
symptomatisch für den romanticismo.
An die Stelle der im settecento üb-
Bellinis besondere Fähigkeit, seelische
lichen, in ein lieto fine einmündenden
Zustände auf ergreifende Weise in Töne
zu bannen - eine Kunst, die von den
Konfrontation zweier Paare, tritt hier der
tödlich endende Dreieckskonflikt, mit
Zeitgenossen immer wieder bewundert
dem ein weiteres Moment verknüpft ist:
wurde - tritt wohl nirgends deutlicher
der unüberbrückbare Gegensatz zwi-
zutage als zu Beginn des 2. Aktes,
schen Keuschheit und Sinnlichkeit, ein
als Norma ihre schlafenden Kinder be-
Thema, welches das 19. Jahrhundert
trachtet und zwischen Haß - sie sieht in
immer wieder beschäftigte.
ihnen das Abbild des treulosen Gelieb-
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ten - und Mutterliebe hin- und hergeris-
einem breitangelegten Crescendo, einer
sen wird. Daß Norma am Ende darauf
kreiselartig verlaufenden, sich dabei
verzichtet, ihre Macht auszuspielen, um
langsam höher schraubenden Melodie,
sich an ihrer Rivalin zu rächen und statt
die sehr spät den Höhepunkt ansteuert,
dessen ihr eigenes Ende herbeiführt,
synkopierten Rhythmen sowie chromati-
geschieht aus der Erkenntnis, daß ein
scher Harmonik. Zugleich stellt sie den
Leben ohne die Liebe Poil iones sinnlos,
Musterfall jener "melodie lunghe" dar,
die auf Chopin wie Wagner nicht ohne
daß eine Vereinigung mit dem Geliebten
nur im Tode möglich ist.
Einfluß geblieben sind und noch vom alten Verdi bewundert wurden; gegen alle
Was Bellinis Norma von den meisten
Konvention hat Bellini die reguläre Peri-
zeitgenössischen Opern unterscheidet,
odik der Verse mit einer irregulären Me-
liegt vor allem in einem spezifisch ro-
lodiestruktur verschränkt. Die Koloratur,
mantischen Tonfall, in einer ungewöhn-
die Bellini in der Straniera radikal zu-
lichen Expressivität begründet. Die Aus-
rückgedrängt hatte, gelangt in Norma
drucksintensität, die etwa in "Casta diva" erzielt wird, resultiert aus dem Zu-
wieder zu größerer Bedeutung, wobei
sich allerdings gegenüber Rossini ein
sammenwirken verschiedener Faktoren:
Funktionswechsel vollzogen hat: Von
,.
27
Partiturautograph der Cavatine .Casta Diva"
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wenigen Ausnahmen abgesehen, sind
Vielen seiner Kollegen galt Bellini als
die Fiorituren nicht mehr als äußeres
Komponist, der zwar für die menschli-
Zeichen vokaler Virtuosität, sondern als
che Stimme Unvergleichliches schrieb,
Ausdrucksträger zu begreifen. Stehen
aber dem Orchesterpart nur wenig Auf-
die Melismen in "Casta diva", die hier
merksamkeit schenkte, ein Urteil, das
zum integralen Bestandteil der Melodie
nur partiell richtig ist. Gerade in Norma
zählen, in engstem Zusammenhang mit
zeigt sich, daß das Orchester oft einen
dem rituellen Moment, so lassen sich
beachtlichen Anteil an der frappieren-
Normas Koloraturen im Terzett des
den Wirkung einer Szene hat. In der In-
1. Aktes als Ausdruck ihres höchsten
troduktion des 2. Aktes ("Dormon en-
Zornes verstehen.
trambi") wird Normas emotionale Ambivalenz beim Anblick ihrer schlafenden
Vergleicht man die Norma mit früheren
28
Kinder vor allem vom Orchester reflek-
Opern Bellinis, so wird offenkundig,
tiert. Neben den üblichen musikdrama-
welch enormer Wandel sich in den Chor-
tischen Floskeln stehen individuell ge-
und Orchesterpartien hinsichtlich Um-
prägte Motive, daneben eine emphati-
fang und Funktion vollzogen hat. In zehn
sche, weitausschwingende Kantilene
von insgesamt 14 Szenen (Nummern)
ist der Chor präsent, nicht nur wie üb-
("Teneri figli"), die vom Orchester in einem gewichtigen Vorspiel antizipiert
lich in Introduktion und Finale, sondern
wird - ein Verfahren, das gerade in Nor-
auch in den Soloformen ("Casta diva",
ma häufig Anwendung findet. Und nicht
"Meco all'altar di Venere") dient teils
dekorativen Zwecken, fungiert anderer-
zuletzt ist die grandiose Steigerung im
Finale des 2. Aktes ("Padre che piangi")
seits als Dialogpartner von Norma und
nur durch den genau kalkulierten Ein-
Oroveso, erfüllt nicht selten formale
satz des Orchesters zu erreichen, das
Aufgaben wie im 1. Akt, in dem drei
hier eine Sequenzkette exponiert, die
Nummern durch einen marschartigen
um 1830 ein absolutes Novum darstellt
Chorsatz zu einem riesigen Szenenkom-
und später Richard Wagner zu seinem
plex zusammengefaßt werden. Beein-
ekstatischen Liebesduett in Tristan und
druckend ist die expressive Spannweite
Isolde inspiriert haben dürfte.
der Chorpartien; das Spektrum reicht
von weichen Kantilenen in Terzparalle-
Norbert Christen
len ("Non parti" , 2. Akt) bis hin zu jenem "Guerra-Chor", der in seiner Brutalität die Zeitgenossen verstört und zweifellos Verdi bei der Komposition seines
Kriegerchores in Aida (1. Akt) inspiriert
hat.
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Maria Callas in der Titelpartie von Bellinis Norma,
Teatro dell'Opera, Rom 1958
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Richard Wagner
Bellini
Ein Wort zu seiner Zeit (1837)
Die Bellinische Musik, d. i. der Bellini-
möge es sich zeigen, in welcher Form
sche Gesang, hat in dieser Zeit selbst
es wolle. - Wie wenig sind wir doch ei-
im hochgelehrten Deutschland ein sol-
gentlich von all dem närrischen Krame
ches Aufsehen erregt und einen sol-
von Vorurteilen und Einbildungen wirk-
chen Enthusiasmus entflammt, daß
lich überzeugt; wie oft mag es uns wohl
schon diese Erscheinung an und für
passiert sein, daß wir bei der Anhörung
sich wohl einer näheren Untersuchung
einer italienischen oder französischen
Oper entzückt wurden, und als wir das
wert wäre. Daß der Bellinische Gesang
in Italien und Frankreich entzückt, ist
einfach und natürlich, - denn in Italien
30
Theater verließen, mit einem mitleidigen
Witz unsre Aufregung hinweg spotteten,
und Frankreich hört man mit den Ohren,
und dann, in unsrem Hause angelangt,
daher denn auch unsre Phrasen vom
mit uns übereinkamen, daß man sich
"Ohrenkitzel" u. dgl. - (vermutlich im
eigentlich vor Entzücken hüten müsse.
Gegensatz zu dem "Augenjucken" , das
Machen wir nun einmal diesen Witz
uns z. B. die Lektüre so mancher Parti-
nicht und treffen wir einmal diese Über-
tur von neueren deutschen Opern verur-
einkunft mit uns nicht, sondern halten
sacht); - daß aber selbst der deutsche
wir das fest, was uns eben entzückt hat-
Musikkenner die Brille von den strapa-
te, so werden wir inne werden, daß es
zierten Augen wegnahm und sich ein-
zumal bei Bellini die klare Melodie, der
mal so ganz rücksichtslos der Freude ei-
einfach edle und schöne Gesang war,
nes schönen Gesanges hingab, das läßt
der uns entzückte; dies zu bewahren
uns zugleich tiefer in sein eigentliches
Herz blicken, - und da gewahrt man
keine Sünde; es ist vielleicht selbst kei-
und daran zu glauben, ist doch wahrlich
denn eine so tiefe und inbrünstige
ne Sünde, wenn man vorm Schlafenge-
Sehnsucht nach einem vollen und kräf-
hen noch ein Gebet zum Himmel schick-
tigen Aufatmen, um sich's mit einem
te, daß den deutschen Komponisten
Male leicht zu machen und all den
Schwulst von Vorurteilen und üblen Ge-
doch endlich einmal solche Melodien
lehrtheiten von sich zu werfen, der ihn
handeln, einfallen möchten. - Gesang,
so lange zwang, ein deutscher Musik-
Gesang und abermals Gesang, ihr Deut-
kenner zu sein, und statt dessen end-
schen! Gesang ist nun einmal die Spra-
lich einmal ein Mensch zu werden, froh,
che, in der sich der Mensch musikalisch
und eine solche Art, den Gesang zu be-
frei und begabt mit all den herrlichen
mitteilen soll, und wenn diese nicht
Empfängnisorganen für jedes Schöne,
ebenso selbständig gebildet und gehal-
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ten wird, wie jede andere kultivierte
Striche in eine klare, faßliche Melodie
Sprache es sein soll, so wird man euch
gebracht wird, als wenn sie durch hun-
nicht verstehen. Das übrige, was an die-
dert kleine Kommentationen, durch die-
sem Bellini schlecht ist, kann ja jeder
se und jene harmonische Nuance,
eurer Dorfschulmeister besser machen,
durch das Hineinreden dieses und je-
das ist bekannt; es liegt demnach ganz
nes Instrumentes verbaut und endlich
außer der eigentlichen Sache, sich über
ganz hinweggeklügelt wird.
diese Mängel lustig zu machen; wäre
Bellini bei einem deutschen Dorfschul-
Wie sehr aber den Italienern ihre, in der
meister in die Lehre gegangen, er hätte
Ausartung gewiß einseitige und bloß
es wahrscheinlich besser machen ler-
floskelartige Form und Manier, zumal
nen, ob er aber dabei nicht vielleicht
bei gewissen Opernsujets, dennoch zu-
seinen Gesang verlernt hätte, steht
statten kommt, davon liefert Bellini ei-
allerdings sehr zu befürchten. - Lassen
nen Beweis in seiner Norma, ohnstreitig
wir also diesem glücklichen Bellini den,
seiner gelungensten Komposition; hier,
allen Italienern einmal gebräuchlichen
Zuschnitt seiner Musikstücke, seine re-
wo sich selbst die Dichtung zur tragi-
gelmäßig dem Thema folgenden Cre-
schwingt, erhöht diese Form, die Bellini
schen Höhe der alten Griechen auf-
scendos, Tutti, Kadenzen und derglei-
dabei entschieden auch veredelt, nur
chen stehende Manieren, über die wir
den feierlichen und grandiosen Charak-
uns so grimmig ärgern; es sind die sta-
ter des Ganzen; alle die Leidenschaf-
bilen Formen, die der Italiener einmal
ten, die sein Gesang so eigentümlich
nicht anders kennt, und die in manchem
verklärt, erhalten dadurch einen maje-
Betracht gar nicht so verwerflich sind.
stätischen Grund und Boden, auf dem
Betrachten wir die grenzenlose Unord-
sie nicht vague umherflattern, sondern
nung, den Wirrwarr der Formen, des Pe-
sich zu einem großen und klaren Ge-
riodenbaues und der Modulationen so
mälde gestalten, das unwillkürlich an
mancher neuer deutscher Opern kom po-
Glucks und Spontinis Schöpfungen erin-
nisten, durch die sie uns oft den Genuß
nern.
31
vieler einzelner Schönheiten verkümmern, so möchten wir wohl oft wünschen, durch jene stabile italienische
Mit dieser freien und unverkümmerten
Hingebung aufgenommen, haben Bellinis Opern in Italien, Frankreich und
Form diesen krausen Knäuel in Ordnung
gebracht zu sehen; und in der Tat wird
Deutschland Beifall gefunden; warum
die augenblickliche klare Erfassung ei-
sollten sie es nicht auch in Livland?
ner ganzen Leidenschaft auf der Bühne
bei weitem erleichtert werden, wenn sie
eben ganz mit allen Nebengefühlen und
Nebenempfindungen mit einem festen
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Die Sänger der Uraufführung: Domenico Donzelli (Pollione), Giulia Grisi (Adalgisa)
und Giuditta Pasta (Norma)
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Brief Bellinis nach der Uraufführung
Liebster Rorimo,
ich schreibe dir unter dem Eindruck des Schmerzes, eines Schmerzes, den ich dir
nicht ausdrucken kann, den du allein aber verstehen kannst. Ich komme aus der Scala, on der ersten Vorstellung der "Norma". Willst du es glauben? Fiasko!!! Fiasko!!!
Glanzvolles Fiasko!!! Wahrhaftig, das Publikum war streng, es schien eigens gekommen, um mich zu verurteilen, und es schien, als wollte es meine arme Norma das
Los der Druidin leiden lassen. Ich habe meine lieben Mailänder nicht wiedererkannt,
die mit Begeisterung, mit sichtbarer Freude und herzlichem Jubel den "Piraten", die
.Straniera" und die "Sonnambula" aufgenommen haben; und ich glaubte ihnen doch
eine würdige Schwester in der "Norma" zu bieten: aber unglücklicherweise war es
nicht so, ich habe mich betrogen, habe geirrt; meine Berechnungen sind fehlgeschlagen und meine Hoffnungen enttäuscht. Aber trotz alledem sage ich zu dir allein
mit dem Herzen auf den Lippen (wenn mich die Erregung nicht irreführt), daß die Introduction, der Auftritt und die Cavatine der Norma, das Duett der beiden Frauen, das
Terzett, das folgt als Finale des ersten Aktes; dann das andere Duett der beiden Frauen und das ganze Finale des zweiten Aktes, das beginnt mit der Kriegshymne, so gute Stücke sind und mir so gut gefallen (Bescheidenheit), daß ich offen gesagt glücklich wäre, wenn ich noch ähnliche in meinem Leben machen könnte. Genug!!! Über
Bühnenstücke ist das Publikum oberster Richter. Gegen das Urteil, das es gegen
33
mich ausgesprochen hat, hoffe ich Berufung einzulegen, und wenn es dazu kommt,
daß es anderen Sinnes wird, habe ich den Prozeß gewonnen, und dann werde ich die
.Norma" für die beste meiner Opern erklären; wenn nicht, muß ich mich mit meinem
Mißgeschick bescheiden und werde mir zum Trost sagen: haben nicht etwa auch die
Römer die .Olimpiade" des göttlichen Pergolesi durchfallen lassen? - Ich reise mit
der Schnell post und hoffe früher anzukommen als dieser Brief; ich oder dieser Brief
wird dir die traurige Nachricht vom Fiasko der .Norma" bringen. Sorge dich nicht darum, mein lieber Florimo. Ich bin jung und fühle in mir die Kraft, Genugtuung für diese furchtbare Niederlage zu schaffen. Lies dies allen unseren Freunden vor. Ich liebe die Wahrheit zu sagen im Glück wie im Unglück. Leb wohl und auf baldiges Wiedersehen. Inzwischen nimm eine Umarmung von deinem dich liebenden Freund Bellini.
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Giuditta Pasta, die Norma der Uraufführung
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Vom Fiasko zum Erfolg
Die Gründe für den totalen Mißerfolg
ter Jenny Lind und Lilli Lehmann. Zu Be-
der Norma bei der Uraufführung lagen
ginn des 20. Jahrhunderts standen die
zum einen in den enttäuschenden Dar-
Interpretationen von Ester Mazzoleni,
bietungen von Giuditta Pasta (Norma),
Gina Cigna und Maria Caniglia im Zeichen des Verismus; einzig Rosa Ponsel-
Giulia Grisi (Adalgisa) und Domenico
Donzelli (Pollione), die von der übermäßigen Probenarbeit erschöpft waren;
le suchte an die Tradition des Belcanto
anzuknüpfen. Interpretationsgeschichte
darüber hinaus war das Fiasko fraglos
in dieser Rolle hat vor allem Maria Cal-
das Werk einer gegnerischen Claque,
las gemacht, indem sie Geist und Tech-
welche die Interessen von Pacini ver-
nik des Belcanto mit einer faszinieren-
trat. Doch bereits mit der zweiten Auf-
den Art der Darstellung verband, welche
führung begann die Wende, so daß die
die der Partie innewohnende Dramatik
Scala das Werk innerhalb der ersten
freilegte; insbesondere durch das Wir-
Saison noch weitere 32 Male aufführte.
1832 wurde Norma erstmals in Neapel
ken der Callas erfuhr die Oper des Belcanto eine Renaissance. Später über-
gegeben, 1833 in Wien und London,
nahmen weitere Sängerinnen wie Elena
1834 in Berlin, Madrid und Budapest,
Souliotis, Montserrat Caballe und Joan
1835 in Prag, Paris und St. Petersburg.
Zu den führenden Darstellerinnen der Ti-
Sutherland diese Rolle in ihr Repertoire,
telgestalt zählten in den 30er Jahren
der Callas heranzureichen.
ohne an die exzeptionellen Leistungen
35
Giuditta Pasta und Maria Malibran, späNorbert Christen
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Biographien
36
Daniela Nedialkova
Susan Maclean
Norma
Adalgisa
geb. in Bulgarien; Studium an der Musik-
geb. in Sacramento/California; Schauspiel-
akademie in Sofia; Solistin an der Staats-
und Gesangsstudium an der University of
oper Sofia; Preisträgerin verschiedener Wett-
Minnesota in Minneapolis; erste Engage-
bewerbe, darunter der Internationale Wettbe-
ments in den USA; Mitglied im Interna-
werb Mario dei Monaco; erste Engagements
tionalen Opernstudio in Zürich; anschließend
in Deutschland am Hans-Otto-Theater in
Festengagements am Opernhaus Zürich
Potsdam und am Theater Hagen; rege Opern-
sowie an den Bühnen der Stadt Bielefeld;
und Konzerttätigkeit, mit Gastspielen u. a.
Gastspiele bei den Schwetzinger Festspie-
an der Komischen Oper Berlin, am Essener
len, den Heidelberger Schloßfestspielen, an
Aalto-Theater, in Spanien, Griechenland,
der Oper Leipzig (Dorabella in CosT fan tutte)
Korea, China und der Schweiz; wichtige Par-
und der Semperoper Dresden (Komponist in
tien: Abigaille (Nabucco) sowie die Titelrollen
Ariadne auf Naxos); wichtige Partien: Titel-
in Aida und Madama Butterfly; Debüt bei den
rollen in La Cenerentola, Carmen, Die Ita-
Koblenzer Festungsspielen 2001 als Tosca
lienerin
in Algier,
Die Afrikanerin,
Der
Rosenkavalier sowie Venus (Tannhäuserj,
Brangäne (Tristan und Isolde) und Amneris
(Aida)
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Monica Mascus
Natascha Meißner
Adalgisa
Cloti/de
geb. in Wiesbaden; Gesangsstudium an den
geb. in Moskau; seit ihrer Kindheit Mit-
Musikhochschulen in München und Würz-
wirkung in verschiedenen Chören; nach dem
burg; 1990 Stipendiatin des Richard-Wagner-
Abitur zunächst Ausbildung zur Kranken-
Verbandes Wiesbaden; Engagements am
schwester; Gesangsunterricht bei den Pro-
Stadttheater Gießen und - seit 1999 - am
fessorinnen Gertruda Trojanowa (Moskau)
Theater der Stadt Koblenz; wichtige Partien:
und Ulrike Fuhrmann (Leipzig) sowie bei der
Ruggiero (Alcina), Neris (Medea) , Charlotte
Opernsängerin Vivian Hanner; 1998 Preis-
(Werther), Die Frau (Die menschliche Stim-
trägerin beim Internationalen Wettbewerb für
me), Cherubino (Die Hochzeit des Rgaro) ,
Solisten und Chöre auf Rhodos (3. Preis);
Orlofsky (Die Fledermaus) und Frau Reich
seit 1999 Ensemblemitglied mit Chor- und
(Die lustigen Weiber von Windsor); Gastspie-
Soloverpflichtung am Theater der Stadt
le als Niklaus (Hoffmanns Erzählungen) und
Koblenz; solistische Partien: u. a. in Die
Hänsel (Hänsel und
Grete~
am Hessischen
lustige Witwe, Der bekehrte Trunkenbold von
Staatstheater Wiesbaden sowie als Orfeo in
Christoph Willibald Gluck und Hoffmanns
Glucks Orfeo ed Euridice im Mai 2001 in
Erzählungen
37
München
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38
Zachos Terzakis
Michael Burt
Pollione
Oroveso
geb. in Athen; naturwissenschaftliches Stu-
geb. in Guildford (Großbritannien); mit Aus-
dium an der Universität seiner Heimatstadt;
zeichnung abgeschlossenes Studium im
Gesangsausbildung am Apollonion Odeon in
Fachbereich Chemietechnologie, bevor er
Athen; Gewinner des 1. Preises beim Maria-
sich zum Sänger ausbilden ließ; begann sei-
Callas-Gesangswettbewerb; feste Engage-
ne Karriere in den USA; Engagements an der
ments an den Bühnen der Stadt Bielefeld
Deutschen Oper Berlin, der Staatsoper Han-
und am Opernhaus Nürnberg; seit 1987 als
nover, der Oper Graz sowie in Salzburg; da-
freier Opern- und Konzertsänger tätig (Gast-
neben regelmäßiger Gast an den Opernhäu-
spiele u. a. in Berlin, Hamburg, München,
sern in Wien, Barcelona, Lyon und Rio de
Wien, Brüssel und Zürich); CD-Einspielungen
Janeiro; wichtige Partien: Hans Sachs (Die
(u. a. Rosillon in Die lustige Witwe und
Meistersinger von Nürnbert!, Wotan, Wande-
Pendereckis Polnisches Requiem); wichtige
rer und Gunther (Der Ring des Nibelungen).
Partien: Titelrollen in Hoffmanns Erzählun-
Soris (Boris Godunow), Sarastro (Die Zauber-
gen und Werther, Herzog (Rigoletto); Debüt
flöte); Auftritte bei den Koblenzer Festungs-
bei den Koblenzer Festungsspielen 2001 als
spielen 2000 und 2001 als Zaccaria (Na-
Cavaradossi (Tosca)
bucco) und Scarpia (Tosca)
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Andre Schann
Anton Marik
Ravio
Musikalische Leitung
geb. in Straßburg (Frankreich); Gesangsaus-
geb. in Wien; musikalische Grundausbildung
bildung am dortigen Konservatorium bei Eric
bei den Wien er Sängerknaben; Studium an
Maison sowie bei Christiane Stutzmann in
der Wiener Musikakademie (Dirigieren, Kom-
Nancy; Preisträger verschiedener Wettbewer-
position und Orgel); 1. Kapellmeister an den
be in Frankreich; Konzerte in Belgien, Lu-
Theatern in Klagenfurt, Bielefeld, Kassel und
xemburg und Deutschland; breites Reper-
Dortmund; von 1989 bis 1993 Generalmu-
toire an Opern, Operetten, Oratorien und Lie-
sikdirektor in Heidelberg, anschließend in
derzyklen, u. a. die großen lyrischen Tenor-
gleicher Funktion wiederum in Dortmund;
partien von Mozart wie Belmonte (Die Ent-
zahlreiche Gastdirigate, besonders als ge-
Serai~,
Don Ottavio (Don
fragter Wagner- und Strauss-Spezialist, im
Giovanm) und Tamino (Die Zauberflöte) so-
ln- und Ausland; Gastspiele u. a. in Mailand,
wie Partien aus dem italienischen und fran-
Budapest und USA; Aufnahmen für Rund-
zösischen Fach wie Graf Almaviva (Der Bar-
funkanstalten und CD-Einspielungen (u. a.
bier von Sevilla) und Nadir (Die Perlen-
Strauss' .Alpensinfonie", Bruckners Sinfonie
fischer)
Nr. 8 und Mahlers Sinfonie Nr. 6); Debüt bei
führung aus dem
39
den Koblenzer Festungsspielen 2001 mit
Puccinis Tosca
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Nachweise
Textnachweise:
Vincenzo Bellini. Herausgegeben von Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn. München 1985
(Musik-Konzepte. 46)
Programmheft .,Norma
M
•
Volksoper Wien. Saison 1997/98
Rein A. Zondergeld: Die Rätsel des Nirwana. Zum 150. Todestag Vincenzo Bellinis.
In: Neue Zeitschrift für Musik. 146. Jg. (1985), H. 9
Attila Csampai/Dietmar Holiand: Opernführer. Hamburg 1989
Werner Gehlrnann: Vincenzo Bellini. Zurich, Freiburg i. Sr. 1974
Bildnachweise:
Jürgen Kesting: Maria Calias. Düsseldorf 1990
Maria Rosaria AdamojFriedrich Lippmann: Vincenzo Bellini. Torino 1981
Richard Somerset-Ward: Oper. Ein Streifzug durch 400 Jahre Musiktheater. München 1999
Werner Gehlrnann: Vincenzo Bellini. Zürich, Freiburg i. Sr. 1974
Vincenzo Bellini: Norma. Herausgegeben von der Staatsoper Unter den Linden Berlin. Frankfurt am Main, Leipzig 1999
Titel:
Maria Callas als Norma in einer Inszenierung von Franeo Zeffirelli an der Pariser Oper im Jahre 1964
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Impressum
Theater der Stadt Koblenz
Spielzeit 2001/02 . Intendantin: Annegret Ritzel (V.i.S.d.P.)
Redaktion: RÜdiger Schillig
Layout und Satz: Marius Cofflet . Druck und Anzeigen: Görres-Druckerei, Koblenz
www.terzakis.com
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