VINCENZO BELLINI (1801-1835) Bellini bildet mit Rossini und Donizetti das leuchtende Dreigestirn am Himmel der BelcantoOper; er ist zugleich Italiens echtester Romantiker. In deutschen Opernbereichen unterschätzte man ihn lange Zeit gewaltig; in Büchern kam er, wenn überhaupt, als „Vorläufer Verdis“ vor, auf den Bühnen selten zu Wort. Eine Ausnahme bildete gelegentlich „Norma“, von der sich mancher deutsche Musiker, so etwa Wagner, begeistert zeigte. War Bellini ein zu „nationaler“ Komponist Italiens, vielleicht ein südliches Gegenstück zum sehr „deutschen“ Lortzing? Es wäre ungerecht, ihn so zu beurteilen. Seine Melodik, der stärkste Teil seiner Kompositionen, mag zwar „echt italienisch“ sein, aber sie ist allen abendländischen - Völkern der Erde verständlich und erfühlbar. Zudem hat dieses Italienertum der Melodie jahrhundertelang die Opernwelt beherrscht. Die besten Werke Bellinis gehören, wie die seines Rivalen Donizetti - ganz zu schweigen vom dritten Meister dieses Dreigestirns, Rossini - zum internationalen Repertoire. Mag auch das eine oder andere darin verblasst sein, einige seiner schönsten Melodien können nicht verblassen, so wie der Glanz eines Diamanten sich nicht verflüchtigt. Bellini besass die überaus seltene Gabe der reichen Melodie, eines der seltensten Geschenke der Inspiration. Er wusste seine edelsten Tonfolgen so vollendet in die menschliche Kehle zu legen, dass jeder echte Sänger sie zu interpretieren wünscht. Es gelangen ihm Musikstücke von bleibender Schönheit. Ohne die geeigneten Stimmen sollte allerdings kein Theater an die Wiedergabe einer Bellini-Oper gehen. In Catania, auf Sizilien, kam Bellini am 1. November 1801 zur Welt. In Neapel studierte er Musik, dann aber entwickelten die Kreise seines - kurzen, sehr kurzen - Lebens sich immer weiter nach Norden (während bei Donizetti, etwa gleichzeitig, die entgegengesetzte Entwicklung festzustellen ist: der Norditaliener wird vorwiegend im Süden berühmt). Nach mehreren Anfangserfolgen kommt es zum stürmischen Durchbruch im Jahre 1831. Knapp nacheinander erleben „La Sonnambula“ (Die Nacht - oder Schlafwandlerin) und „Norma“ aufsehenerregende Premieren, bei denen einige der berühmtesten Sänger jener Epoche mitwirken. Zwei Jahre später finden wir Bellini in Paris, wo sich das Opernleben der Zeit zu konzentrieren beginnt. In Paris leben Rossini, Spontini, Cherubini, Donizetti, die Deutschen Meyerbeer, Offenbach, Flotow neben einer stattlichen Schar französischer Komponisten wie Auber, Boieldieu, Berlioz, Adam, Halévy, Hérold und manchen anderen. Doch Bellinis Tage in Paris sind kurz bemessen. Heine hat ihn uns in seinen klug beobachteten, aber zumeist sehr boshaften Schilderungen festgehalten. Mit „I Puritani“ erringt er noch einen starken Erfolg. Dann unterbricht der frühe Tod am 24. September 1835 seine glänzende Laufbahn. Man beerdigt ihn auf dem Père Lachaise, wo 1849 sein Freund Frédéric Chopin in ein ebenfalls frühes - Grab in seiner Nähe versenkt werden wird. Genau ein Jahr nach seinem Tod stirbt übrigens seine vielleicht grossartigste Interpretin, die erst 28jährige Sängerin Maria Malibran. Eine Generation später wird Bellinis Leichnam exhumiert und in die Heimatstadt Catania überführt. Auszug aus „OPER DER WELT“ von Prof. Dr. Kurt Pahlen ACS-Reisen AG