Sind adipöse Erwachsene psychisch krank

Werbung
Thema der Präsentation
Sind adipöse Erwachsene psychisch krank?
1. St.Galler
Adipositas Symposium
14.02.08
Dr. Urs Stillhard
Fachbereich Psychosomatik
Thema der Präsentation
2
Ja und Nein: Was ist psychische Krankheit
Psychische Krankheit versus psychische Störung
ICD-10 spricht von Störung
Krankheit wird als abweichend von der Norm definiert
Im Bereich des „Psychischen“ werden Symptome oftmals
als subjektives Leiden erlebt und sind einer „objektiven“
Untersuchung schwer zugänglich
Viele Symptome erhalten „Krankheitswert“ durch deren
subjektiv erlebte Intensität
Die Grenzen vom Normalen zur Krankheit sind fliessend
Thema der Präsentation
Multifaktorielles Modell
Bei psychischen Störungen haben sich multifaktorielle
Krankheitsmodelle bewährt
Psychische Störungen sind nicht einheitlich
ätiopathogenetisch
Biologische Faktoren
Psychologische Faktoren
Soziale Faktoren
Spirituelle Faktoren spielen eine Rolle
Und haben eine Bedeutung für die Therapie
3
Thema der Präsentation
Bio-psycho-sozialer Krankheitsbegriff
Psychologisches
Biologie
Soziales
Lebenssinn
Spiritualität
4
Thema der Präsentation
5
Soziokulturelle Faktoren der Adipositas
Sitzende Tätigkeit
Geringe Bewegung durch Auto, Fahrstuhl
Passive Freizeit (Fernsehen, Computerspiele, „Rumhängen“)
Frust, Langeweile, Stress: Essen als Übersprungshandlung
Waren-Überangebot
Essen als Ersatz für emotionale und persönliche Zuwendung
Erziehung: „Der Teller wird leer gegessen“, „Iss was, dann wirst du was!“
keine gemeinsamen Mahlzeiten
Fertignahrung statt frisch gekochter Mahlzeiten aus Grundnahrungsmitteln
negative Vorbilder: übergewichtige Eltern haben oft übergewichtige Kinder
Essen vor dem TV oder im Kino, Lesen beim Essen, „Frühstücken“ im Auto auf dem
Weg zur Arbeit, Drive-in-Schalter bei Fastfood-Ketten und Essen auf dem Parkplatz
etc.
Thema der Präsentation
6
Soziokulturelle Faktoren der Adipositas
Fastfood: Portionengröße, Essgeschwindigkeit, zu hoher Fett-, Salz- und
Zuckergehalt, dabei nicht ausreichend sättigend.
Geschmacksverstärker Glutamat (verhindert Sättigungsgefühl)
Farb- und Geruchsstoffe, die das Essen appetitlicher erscheinen lassen
Werbung für Süßes und Fettes
Geschmacksprägung durch Zuckerzusatz (Softdrinks, Baby-Nahrung, gesüßter
Tee; selbst Würste (!) enthalten Zuckerstoffe)
Jojo-Effekt nach einer Diät (durch Rückfall in alte Essgewohnheiten)
Übergewicht als Schönheitsideal in manchen Kulturen
fehlende Aufklärung, Mangel an alternativen Produkten
Zunehmender Verzehr von frischem, gekühltem oder tiefgefrorenem Fleisch, statt
dem traditionellen Verzehr von gepökelten und geräucherten Fleisch (verminderte
Nitritzufuhr).
Thema der Präsentation
Ja und Nein: Essstörungen als Beispiel
Anorexia nervosa
Bulimia nervosa
werden allgemein als psychische Störungen betrachtet
Süchtiges Essverhalten und Zwanghafte
Gewichtskontrolle und zwanghaftes Denken ans Essen
als wesentliche Elemente
Binge eating (Essattacken mit Heisshungergefühl) als
Verhaltensstörung
7
Thema der Präsentation
8
Bulimie
Betrifft hauptsächlich junge Erwachsene
Frauen mehr als Männer
Bulimie bedeutet Essanfälle mit Erbrechen nach
Essanfällen
Zwanghaftes Denken an Nahrungsaufnahme und
Körpergewicht
Bei Bulimie kann das Körpergewicht normal, erhöht oder
untergewichtig sein, eine bulimische Phase kann sich an
eine Anorexie anschliessen
Thema der Präsentation
Körperschemastörung
Andauernde Beschäftigung mit dem Essen
Nicht richtige Wahrnehmung des eigenen Körpers =
Körperschemastörung
Patienten empfinden sich zwanghaft zu dick, versuchen
zu Hungern und reagieren im Hunger mit Fressattacken
Erbrechen, Sport betreiben, Laxantien, Diäten,
Appetitzügler, Laxantien, Schilddrüsenhormone
Meist langdauernde Störung, Behandlungsverzögerung
wegen Schamgefühlen
9
Thema der Präsentation
Der Teufelskreis der Essstörungen
10
Thema der Präsentation
Hintergrundskonflikte
Selbstwertstörung
Selbstbelohnung durch diszipliniertes Fasten
Belastende Lebensereignisse in Familie, Schule, Arbeit
und sozialem Umfeld
Sexualität
Missbrauchserlebnisse
Beschämung
Nicht abwendbare Furcht vor Gewichtszunahme
11
Thema der Präsentation
Comorbidität
Angststörungen
Zwangsstörungen
Depression
Körperdysmorphe Störungen
Borderline Persönlichkeitsstörungen
Alkohol- und Drogenabhängigkeit
12
Thema der Präsentation
Körperliche Folgekrankheiten
Über- / Untergewicht
Elektrolytstörungen
Speiseröhre, Zähne
Endokrinologische Störungen
Schwäche, Schwindel,
Usw.
13
Thema der Präsentation
Psychische Folgestörungen
Depression
Sozialer Rückzug / Ausbildungsabbruch
Suizidalität
Suchterkrankung
14
Thema der Präsentation
Binge eating
Im DSM IV aufgenommene Verhaltensstörung
Über > 6 Monate mehr als 2 x pro Woche Essanfälle
Essanfälle mit schneller Aufnahme grosser
Kalorienmengen vor allem fetthaltiger und
kohlenhydratreicher Nahrung ohne kompensatorische
Gegenmassnahmen
Meist alleine ausgeführt
Depression und
Verzweiflung / Schamgefühle
15
Thema der Präsentation
Depression und Adipositas
Übergewichtige sind mit überdurchschnittlicher
Häufigkeit depressiv
Stark Übergewichtige haben überdurchschnittlich in der
Kindheit Misshandlungserlebnisse durchgemacht
Emotionale
Physische
und sexuelle Traumatisierungen
Besonders für Mädchen:
Depression und Angststörungen
Jungs
Vermehrte soziale Auffälligkeiten
16
Thema der Präsentation
Adipositas und Depression
Keller U.: Schweiz Med Forum 2002 908-913
17
Thema der Präsentation
18
Depression und Adipositas
Depression und Adipositas oft kombiniert
Bei Adipösen wirken Antidepressiva weniger gut
Die Antidepressiva können allerdings die
Gewichtszunahme abbremsen
Kloiber S et al. Overweight and Obesity Affect Treatment Response in Major Depression
J. Biol. Psychiatry, 2006.10.001
19
Thema der Präsentation
Morbide Adipositas und psychische Störungen
Psychiatrische Diagnosen Frequenz
ICD-10-Diagnosen
Essstörung F50
Essattacken F50.4
Atypische Bulimia nervosa F50.3
Anpassungsstörungen F43.X
Persönlichkeitsstörungen F60.X
Substanzmissbrauch F1X.202
Anzahl psychiatrische Diagnosen pro Patient
keine psychische Störung
eine psychiatrische Diagnose
zwei psychiatrische Diagnosen
drei oder mehr psychiatrische Diagnosen
Lang T. et al.; Schweiz Med Wochenschr 2000;130: Nr 20
%
25,3
19,0
6,3
15,2
10,1
2,5
%
54,5
25,3
17,7
2,5
Thema der Präsentation
20
Übergewicht und Adipositas als Folge von Medikamenten
Atypische und typische Neuroleptika
Trizyklische und SSNRI-Antidepressiva
Ovulationshemmer
Corticosteroide
Und andere
21
Thema der Präsentation
Atypische Neuroleptika und Gewichtszunahme
Metaanalyse von 81 Studien*:
Gewichtszunahme nach 10 Wochen geschätzt:
Haloperidol und Fluphenazin
04 - 1.1
kg / 10 Wochen
Clozapin
4.4
kg / 10 Wochen
Olanzapin
4.2
kg / 10 Wochen
Risperidon
2.1
kg / 10 Wochen
Thioridazin
3.2
kg / 10 Wochen
Chlorpromazin
2.6
kg / 10 Wochen
Ziprasidon
0
kg / 10 Wochen
Erhöhung des Serum Leptin Spiegels?**
*Allison DB et al. Am J Psychiatry 1999; 156: 1686-96
**Heran A et al. Brit J Psychiatry 2001; 179: 59-62
22
Thema der Präsentation
Wirshing DA et al. J Clin Psychiatry
25.02.2008
1999; 60:358-63
*nutritional consultation, suggested exercise regimen
Referent
Thema der Präsentation
23
Zusammenfassung
Adipositas und psychiatrische Störungen sind häufig,
aber nicht immer assoziiert
Ess-Störungen sind klassische psychiatrische Störungen
Depression / Psychische Störungen und Übergewicht sind
überdurchschnittlich assoziiert und sollen bei der
Behandlung des Übergewichts berücksichtigt werden
Übergewicht kann depressiv machen
Missbrauchserlebnisse in Kindheit und Jugendzeit sind bei
Übergewichtigen gehäuft
Gewisse (psychiatrische) Medikamente haben deutliche
Gewichtszunahme als Nebenwirkung
Thema der Präsentation
Therapie
Grundsätzlich multidisziplinär
Somatische Therapie
Bewegung
Ernährungsberatung
Verhaltenstherapie / Psychotherapie
Psychopharmaka
Herunterladen