Quantitative Analytik 10. -239- Bioanalytik Bioanalytik Die Vielfalt der organischen Verbindungen (> 107) stellt eine Herausforderung für die Analytik dar, wenn einzelne Analyte selektiv in komplexen Matrices, oder wenn alle Komponenten in einer Probe bestimmt werden sollen. Dies ist insbesondere wichtig bei biologischen Proben und relevant in der klinischen Analytik, in der Proteomik und in der Systembiologie. Empfohlene Literatur: • A. Manz, N. Pamme and D. Iossifidis, "Bioanalytical Chemistry", Imperial College Press, London, 2004. • S. R. Mikkelsen, E. Corton, "Bioanalytical Chemistry", Wiley, Hoboken, 2004. 10.1 Bio-Assays Bei diesen Methoden wird die Selektivität biochemischer Reaktionen für analytische Anwendungen ausgenützt. • Vielseitig: von Umweltanalytik für Pestizide zu Nachweis von Viren wie etwa SARS • Aufwendig in der Entwicklung, dann aber recht einfach, relativ schnell und billig 10.1.1 Enzym-Assays Meist Substrat als Analyt, manchmal auch Cofaktoren oder Enzyme selbst (klinische Analytik). • Selektiv für Naturstoffe in komplexen Proben die sonst nur mit aufwendigen Trennmethoden (HPLC) zu bestimmen wären. • Enantioselektivität • Selektivität bedeutet, dass nur geringe Probenaufarbeitung zur Unterdrückung von Matrixeffekten notwendig ist. Quantitative Analytik -240- Bioanalytik Die meisten der eingesetzten Verfahren beruhen auf redoxaktiven Enzymen mit Nicotinamid-adenin-dinucleotid (NAD) als Coenzym, welches direkt anhand der UVAbsorption nachgewiesen werden kann, oder auf Reaktionen welche H2O2 als Nebenprodukt aufweisen, welches dann in einer nachfolgenden Sekundärreaktion zur Bildung eines farbigen Produktes führt. Höhere Empfindlichkeiten als mit der UV-Vis-Absorptionsmessung können mit der Fluoreszenz (NAD, oder derivatisierte Verbindungen (FTIC), Radiometrie oder der Amperometrie erhalten werden. Bei relativ langsamer Reaktion wird der vollständige Umsatz des Analyten nicht abgewartet sondern die Reaktionskinetik gemessen und aus der Reaktionsrate die Konzentration abgeleitet. Die kinetische Messung erlabut auch eine Diskrimination gegen ein Hintergrundsignal durch die Probenmatrix. Eine einfache enzymatische Reaktion mit einem Substrat (und solche bei denen das Lösungsmittel Wasser Cosubstrat ist) kann wie folgt beschrieben werden: E + S <-> E·S -> E + P Quantitative Analytik -241- Bioanalytik Die anfängliche Reaktionsrate kann mit der Michaelis-Menton-Gleichung beschrieben werden: v = Vmax [S] / (Km + [S] (where Km = (k-1 + k2)/k1) Für tiefe Konzentration von S gilt: v = Vmax [S] / Km = Konstante · [S] Die Konzentration des Substrates kann also aus der anfänglichen Reaktionsrate hergeleitet werden. Enzymreaktionen sind immer abhängig vom pH-Wert und die höchste Umsatzrate wird in der Regel um den physiologischen pH-Wert von 7.4, und einer Temperatur von 37°C erreicht. Anwendungen liegen im Bereich der Biochemie, Lebensmittelanalytik, Pharmazie und klinische Chemie (da man auf Enzyme und damit auf natürlich vorkommende Analyte angewiesen ist). Beispiele: • Ethanolbestimmung mit Alkoholdehydrogenase: CH3CH2OH + NAD+ -> CH3CHO + NADH + H+ • Glukosebestimmung mit Hexokinase und Adenosin-5'-triphosphat als Coenzym gefolgt von einer Indikatorreaktion des Produktes in einer mit NAD gekoppelten weiteren Enzymreaktion: Glukose + ATP -> ADP + Glukose-6-Phosphat Glukose-6-Phosphat + NAD+ -> 6-Phosphoglukonolacton + NADH + H+ (oder mit Glukoseoxidase via Peroxid) • Cholesterin mit Cholesterinoxidase (via Peroxid) • Harnsäure mit Uricase (via Peroxid) • Harnstoff mit Urease und Nachweis des gebildeten NH4+ photometrisch (via Quantitative Analytik -242- Bioanalytik Berthelotreaktion) • Kreatin mit Creatinase und Nachweis des gebildeten Sarcosin mit Sarcosinoxidase (via Peroxid) • Laktat mit Laktatdehydrogenase (via NAD) Enzymatische Sensoren: Enzymatische Sensoren weisen ein in einer Membran immobilisiertes Enzym auf (wichtigstes Beispiel: Glukosesensor in Diabetes). Quantitative Analytik -243- Bioanalytik 10.1.2 Immuno-Assays Analyte (Antigene) werden mittels einer immunologischen Abwehrreaktion (Antikörper-Antigen) erkannt. Spezifische Antikörper (Immunoglobuline) werden durch Inkubation von Lebewesen (Mäusen) erzeugt. Es kommen entweder Gemische von Antikörpern (polyklonal, aus dem Blutserum) oder sogenannte monoklonale Antikörper zum Einsatz. Quantitative Analytik -244- Bioanalytik Die Produktion von monokonalen Antikörpern ist aufwendig und teuer hat aber den Vorteil dass ein standardisiertes und stabiles Produkt erhalten wird. Kleine Analytmoleküle (< 1000 g/Mol) (Haptene) müssen vor der Inkubation kovalent an Trägerproteine gebunden werden da sonst keine Antikörper gebildet werden. In den meisten Verfahren werden die Antikörper an eine Oberfläche gebunden. Kompetitive Immuno-Assays Der Nachweis der Antigene erfolgt mittels kompetitiver Absorption von markierten (labelled) Analytderivaten. Quantitative Analytik -245- Bioanalytik Nicht-Kompetitive Immuno-Assays Die gebundenen Antigene werden in einem zweiten Schritt mit einem markierten zweiten Antikörper versehen. Markierungsmethoden: Radio-Immuno-Assay (RIA): Die älteste Methode basiert auf radioaktiven Markern (etwa 125I, Gamma-Emitter mit einer Halbwertszeit von 60 Tagen) und hat wegen der Radioaktivitätsmessung eine inhärente hohe Empfindlichkeit. Die Methoden werden heute aber oft durch Alternativen ersetzt. Fluoreszenz-Immuno-Assay (FIA): ELISA (enzyme-linked immunosorbent assay): Antikörper die mit einem Enzym wie Meerrettich-Peroxidase derivatisiert sind werden eingesetzt. Das Enzym katalysiert die Bildunge einer gefärbten Substanz aus einem nicht gefärbten Substrat. Quantitative Analytik -246- Bioanalytik Dieser chemische Verstärkungsmechanismus erlaubt den Einsatz der molekularen Absorptionsspektrometrie welche sonst nur ungenügende Empfindlichkeit aufweisen würde. Für den Routineeinsatz werden Einwegtestkits für einzelne Nachweise eingesesetzt (Umweltanalytik zur Kontaminationskontrolle etwa auf Erdöl, Schwangerschaftstests). Wo hohe Probenzahlen anfallen (klinische Analytik) kommen standardisierte sogenannte Mikrotiterplatten, mit 96 Vertiefungen als Gefässe, in Robotern zum Einsatz die mit Vielfachmikropipetten und CCD-Kameras ausgestattet sind. Quantitative Analytik -247- Spezielle Beispiele: ELISA zum Nachweis von HIV-Antikörpern Schwangerschaftsnachweis: Bioanalytik Quantitative Analytik 10.2 -248- Bioanalytik DNA-Analytik (Genomics) 10.2.1 Amplifikation: Polymerase Chain Reaction (PCR) Die PCR erlaubt die Vervielfachung der DNA, und somit eine Erhöhung der Konzentration, vor der eigentlichen Analyse. Diese Verdopplung wird 20 bis 35 mal wiederholt. 10.2.2 DNA-Nachweis durch "Fingerprinting" Die Identität einer DNA ist durch deren Sequenz an Nukleinsäuren bestimmt. Die komplete Sequenzierung der gesamten DNA ist aber im Einzelfall zu aufwendig (das menschliche Genom wurde erst vor wenigen Jahren vollständig erfasst). Ein eindeutiger Nachweis lässt sich aber bereits durch die Analyse von enzymatisch erhaltenen DNA-Fragmenten durchführen. Quantitative Analytik Gelelektrophorese: DNA-Arrays / DNA-Chips -249- Bioanalytik Quantitative Analytik -250- Bioanalytik Anwendungen: Nachweis von genetisch vererbten Krankheiten, Vaterschaftsnachweis, Forensik, Identifikation von Fleischsorten, Nachweis von genetisch veränderten Lebensmitteln. Quantitative Analytik 10.3 -251- Bioanalytik Protein-Analytik (Proteomics) Die Analyse von Proteinen ist sehr viel aufwendiger als diejenige von DNA da nicht nur eine Spezies vorliegt sondern eine enorm grosse Vielzahl und kein Äquivalent zur PCR zur Erhöhung der Konzentration zur Verfügung steht. Trennung: Biologische Proben werden in der Regel mittels einer planaren 2D-Gelelektrophorese (2D-GE) getrennt, wobei im ersten Schritt die Isoelektrische Fokussierung, und im zweiten Schritt die SDS-PAGE zum Einsatz kommt. Isoelektrische Fokussierung in einem pH-Gradienten. Die amphoterischen Proteine wandern entweder in anionischer oder kathionischer Richtung entlang des pHGradienten bis zur Stelle an welchem der pH-Wert dem isoelektrischen Punkt entspricht (keine Nettoladung). SDS-PAGE: (Sodium Dodecyl Sulfate-Polyacrylamide Gel Electrophoresis) Dodecylsulfat bindet während der Probenvorbereitung (Erhitzen auf 95°C) an die Proteine welche dabei denaturieren und eine lineare Form annehmen. Die Ladung wird dabei stark negativ und ist für alle Proteine pro Masseneinheit gleich. Die Trennung erfolgt dann nur noch nach Grösse durch Siebung im Gel und die Methode wird daher zur Bestimmung der Molekularmasse eingesetzt (5-10% Genauigkeit). Quantitative Analytik -252- Bioanalytik Identitätsnachweis: • Detektion mittels Antikörpern • MALDI-MS (matrix assisted laser desorption ionization-mass spectrometry): milde Ionisation durch Einbetten in eine UV-absorbierende Matrix welche mit einem Laser bestrahlt wird. • ICP-MS: zur selektiven Bestimmung von Metallo-Proteinen. • Fingerprinting: Fragmentierung durch Enzyme (z. B. Trypsin) und dann Bestimmung der Fragmentierungsmuster mittels Gelelektrophorese oder mittels MS. Die Muster sind charkteristisch für die Proteine und durch Vergleich mit einer Datenbank (Computer) lassen sich diese identifizieren.