Redetext Christoph Kiefer, Präsident GST, zum Antibiotika-Einsatz und zur Resistenzproblematik Ich bedanke mich bei den anwesenden Medienleuten für das Interesse. Die Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte hat sie zu dieser Medienkonferenz eingeladen um ihnen die Position der Tierärzteschaft in Bezug auf den Antibiotikaeinsatz bzw. der Resistenzproblematik darzulegen. Wir haben den Zeitpunkt für unseren Auftritt bewusst nach Ablauf der Fristen zur Vernehmlassung STAR und der Tierarzneimittelverordnungsrevision gewählt. Zuerst werde ich Ihnen die grundsätzliche Position unserer Gesellschaft erläutern, anschliessend wird Sie Corinne Bähler, TAM-Verantwortliche und Mitglied des GSTVorstands, in die Herausforderungen speziell in der Betreuung der Kälbermast einführen und zum Abschluss wird Ihnen Blaise Voumard, Mitglied des GST-Vorstands die praktischen Aspekte im Umgang mit der Tierarzneimittelverordnung näher bringen. Sie haben im Anschluss an die Präsentationen die Möglichkeit Fragen zu stellen, es sind wichtige Fachleute aus unseren Fachsektionen anwesend, die Ihnen kompetent antworten können. Ein zentrales Anliegen Ich möchte an dieser Stelle nicht mehr auf die Bedeutung der Antibiotika und der Resistenzentwicklung eingehen. Dazu nur soviel: Wenn wir die Wirksamkeit von Antibiotika erhalten wollen, gilt es die Entstehung und Verbreitung von Resistenzen einzudämmen. Das ist uns nicht erst seit der Veröffentlichung der nationalen Strategie gegen Antibiotikaresistenzen StAR bewusst, sondern bereits seit einigen Jahren ein Anliegen. Lassen Sie mich dazu die Rollen der und den Auftrag an die Tierärzteschaft umreissen. • Im Zentrum der tierärztlichen Tätigkeit stehen die Tiergesundheit, das Tierwohl und der Einsatz im Bereich Public Health. Grob aufgeteilt arbeiten wir in drei Bereichen. In der Zoonosen/Seuchenüberwachung und Bekämpfung sind wir die Spezialisten. Zoonosen sind übertragbare Krankheiten, die gleichermassen Mensch und Tier befallen können. Ich erwähne als konkretes Beispiel die Überwachung und Erkennung von Hunden, die aus dem Ausland importiert werden und potentiell mit Tollwut angesteckt sind. Durch lückenloses Screening der praktizierenden Tierärzte werden alle Verdachtsfälle sofort entdeckt und umgehend dem Veterinäramt gemeldet. • Die Arbeit der Tierärzteschaft im klinischen Bereich, sei es in der Heimtiermedizin oder auch in der Nutztiermedizin ist Ihnen allen sicher bestens vertraut. • Ein weiteres, in der Öffentlichkeit wenig bekanntes aber enorm wichtiges Arbeitsfeld der Veterinärmedizin ist die Lebensmittelhygiene. Der Solgan „from stable to table“ besitzt auch heute noch seine Gültigkeit – will heissen, wir begleiten die Tiere von der Geburt bis hin zur Schlachtung, überwachen die Schlachtung und Verarbeitung der tierischen Lebensmittel bis sie auf Ihrem Teller landen. Alles, was Sie an in der Schweiz produzierten tierischen Lebensmitteln verspeisen, wurde im Vorfeld lückenlos durch Veterinäre kontrolliert. Die Tierärzteschaft ist sensibilisiert Die Sensibilisierung und das Wissen über Antibiotika und resistente Keime sind in der Tierärzteschaft sowie bei den Tierhaltenden stark gewachsen. Dies wiederspiegelt sich unter anderem in folgenden Punkten: • Das Verbot von antimikrobiellen Leistungsfördern in der Tiermast seit 1999. • Die Aufzeichnungspflicht jedes Arzneimitteleinsatzes durch die Tierärzte und Tierärztinnen sowie durch den Tierhaltenden im Nutztierbereich seit 2004. Also jede medikamentöse Behandlung der Nutztiere wird schriftlich protokolliert und in einem Behandlungsjournal festgehalten. Dies mit Angaben zur genauen Dosierung, zur Anwendungsdauer und den entsprechenden Absetzfristen für Fleisch, Milch und Eier. • Seit 2004 bestehen gesetzlich vorgeschriebene Tierarzneimittelvereinbarungen zwischen Tierhalter und Bestandestierarzt. Im Rahmen dieser Vereinbarung kontrolliert der Bestandestierarzt den Betrieb in Bezug auf die Aufzeichnung und Anwendung der Tierarzneimittel. Blaise Voumard stellt Ihnen diesen Ablauf später präzise vor. • Wir konnten in den letzten Jahren einen grossen Erfolg bei der Ausrottung diverser ansteckender Krankheiten verbuchen. Ich denke an EP/APP, also Lungenerkrankungen bei Schweinen und BVD, also Durchfall und Schleimhauterkrankungen bei Wiederkäuern, CAE bei Ziegen und Salmonella Enteritidis bei Legehennen. Durch die Tilgung dieser Krankheiten konnte der Antibiotikaeinsatz bereits stark reduziert werden. • Die Einführung von Impfstrategien bei Heim- und Nutztieren. • Die integrierte Bestandesbetreuung durch spezialisierte Tierärztinnen und Tierärzte. • Anerkannte tierärztliche Spezialisierungen für die komplementärmedizinischen Therapierichtungen wie Homöopathie, Akupunktur und Phytotherapie. Die Tierärzteschaft hat sich daher auch bei der Erarbeitung der StAR sehr stark engagiert. Die Gesellschaft der Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte unterstützt die Strategie in ihrer wesentlichen Ausrichtung. Massnahmen zur Reduktion von Antibiotika-Anwendungen werden von der Tierärzteschaft begrüsst. Angestrebte Massnahmen in der Veterinärmedizin Nun, wie sieht der Alltag in einer tierärztlichen Praxis heute aus: • Der Einsatz von Antibiotika geschieht erst nach tierärztlicher Diagnose und wenn möglich nach Laboruntersuchung. • Wir dosieren die Antibiotika präzise nach Erhebung des Körpergewichts. • Eine optimale Compliance garantieren wir durch die tierärztliche Begleitung der Antibiotikatherapien unter anderem im Rahmen der Bestandesbetreuung durch unsere Spezialisten. Für die unmittelbare Zukunft sehen die GST und ihre Fachsektionen folgende Massnahmen als prioritär an: • Monitoring Antibiotikaresistenz: Die Erkenntnisse aus der Überwachung des Antibiotikaverbrauchs in der Veterinär- und Humanmedizin sollen die Basis für weitere gezielte Massnahmen darstellen. • Eine effiziente und äussert zurückhaltende Anwendung von Antibiotika entsprechend aktuell aufgestellter Leitlinien, wobei Reserve-Antibiotika in der Nutztiermedizin erst nach Laboruntersuchung, bzw. Resistenztest eingesetzt werden können. • Wir müssen Impfprogramme fördern und weiterentwickeln. • Wir unterstützen eine qualitativ hochwertige Labordiagnostik von pathogenen Keimen, sei es beim Einzeltier oder sei es auf der Bestandesebene. • Ganz wichtig erscheint uns das Erstellen von Richtlinien im Umgang mit tierischen Patienten und in der Tierarztpraxis. Die Hygiene steht hier an erster Stelle und besitzt ein grosses Verbesserungspotential. • Es ist unabdingbar dass die Alternativ- und Komplementärmedizin durch Forschungsprojekte und entsprechenden Erfahrungsaustausch gefördert werden muss. Durch ihren vermehrten Einsatz können wir grosse Einsparungen im Antibiotikaverbrauch erreichen. • Die Bestandesbetreuung und die Tiergesundheitsdienste müssen weiterentwickelt werden mit integrierten Datenauswertungen zu Diagnostik, Medikamenteneinsatz, Leistung und Verlustraten. Kritische Risikofaktoren über die Veterinärmedizin hinaus Die Veterinärmedizin ist keine isolierte Aktivität, sondern mit verschiedensten wirtschaftlichen und sozialen Anliegen eng verwoben. Wir haben neben den Rahmenbedingungen des Heilmittelgesetzes auch den Rahmenbedingungen des Tierschutzgesetzes Rechnung zu tragen. Die Landwirtschaftspolitik prägt die Produktion von tierischen Lebensmitteln und entsprechend damit die Haltung der Nutztiere in der Schweiz massgeblich. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Tierärzteschaft tagtäglich. Eine sorgfältige und sachgemässe Anwendung von Antibiotika in der Veterinärmedizin ist ein entscheidender Faktor in der Bekämpfung einer schnellen Entwicklung von resistenten Bakterien. Dies alleine reicht jedoch nicht. Es gibt zahlreiche weitere Risikofaktoren, die zielführend und zeitgerecht bearbeitet werden müssen. • One Health: Die Anstrengungen in der Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen sind auch in der Humanmedizin zu leisten. Es muss ebenfalls eine AB-Datenbank für stationäre und ambulante Behandlungen aufgebaut werden. Die Forschung zu neuen Antibiotikagruppen sowie therapeutischen Alternativen soll gefördert werden. • Haltung, Fütterung, Management und Tierverkehr: In der Produktion von tierischen Lebensmitteln müssen die Bedürfnisse der Tiere berücksichtigt und Stresssituationen auf das notwendige Minimum beschränkt werden. Wenn der Bund Antibiotikaresistenzen bekämpfen will, muss er gleichzeitig bereit sein, eine Landwirtschaft zu fördern, die eine tierfreundliche Haltung begünstigt. • Handel, Markt, Import: Mit dem Import von Lebensmitteln importieren wir gleichzeitig eine nicht zu unterschätzenden Menge an resistenten Bakterien. Aus Gründen der guten Überwachung in der Schweiz und der natürlichen, qualitativ hochstehenden Produktion durch unsere Landwirte setzen wir auf einen hohen Selbstversorgungsgrad mit tierischen Lebensmitteln. • Menschliche Aktivitäten: Resistente Keime werden durch den intensiven und globalen Reise- und Personenverkehr weit verbreitet. Die Gefahr von der Ansteckung mit resistenten Bakterien bei Reisen in bestimmte Länder, allen voran Indien, muss unbedingt thematisiert werden. • Verfügbarkeit von Antibiotika erster Wahl verbessern: Wir erachten es als zentral, dass sich auch die Pharmabranche ihrer Verantwortung bewusst ist. Antibiotika der ersten Wahl werden bei der Bildung von Resistenzen als weniger kritisch eingestuft und sollten deshalb weiterhin in einfach und genügender Quantität verfügbar sein. Zusammenfassend kann gesagt werden • Die GST und ihre Fachsektionen nehmen aktiv teil an interdisziplinären Arbeiten zum Thema Antibiotikaresistenz. • Die Tierärzteschaft arbeitet gezielt an einer Senkung von Antibiotika-Anwendungen, wobei die Tiergesundheit und das Tierwohl nicht beeinträchtigt werden dürfen. • Eine fundierte, realitätsnahe und regelmässige Information zu diesem Thema an die Öffentlichkeit erachten wir als zentrale Massnahme einer nationalen Strategie gegen Antibiotika-Resistenz. • Die GST fordert ein Massnahmenpaket, das über den Bereich der Veterinärmedizin hinausgeht. Antibiotika-Resistenz ist ein globales und integrales Problem. 30.3.2015/Christoph Kiefer, Präsident GST