Im Kampf gegen AIDS und Krebs

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Informationen aus dem GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit
Heft 3
Dezember 2003
Im Kampf gegen AIDS und Krebs
T-Zellen markieren den Erfolg
T-Zellen haben das Kommando
Killerzellen alarmieren spezifische Abwehr
Interview mit Prof. Reiner Leidl
Mutation macht Mäuse mutig
Autumn Lecture 2003
Paula und Richard von Hertwig-Preis
Wenn die Haut juckt
✍
Liebe Leserinnen, liebe Leser
ls die GSF vor vier Jahren beschloss, ihre Forschungsaktivitäten auf den Gebieten Umwelt und Gesundheit
enger zu verzahnen, ging sie ein Wagnis ein. Mittlerweile hat sich heraus gestellt, dass der eingeschlagene Weg der
richtige war. So hat die GSF bei der Begutachtung des Helmholtz-Forschungsbereichs Gesundheit im vergangenen Jahr
überragend abgeschnitten. Auch die Ergebnisse der Evaluierung des Helmholtz-Programms Erde und Umwelt können
sich sehen lassen. Die von der GSF mitgetragenen Forschungstopics erhielten von den internationalen Gutachtern gute, zum
Teil sehr gute Noten. Dass auf die Institute im Umweltbereich,
die 20 Prozent der GSF-Aktivitäten ausmachen, letztlich dennoch Einschnitte zukommen werden, liegt daran, dass sich
andere Helmholtz-Zentren im Vorfeld insgesamt besser
positionieren konnten.
A
Wiederum überdurchschnittliche Bewilligungsquoten erzielte
die GSF beim sechsten Forschungsrahmenprogramm der
Europäischen Union. Rund 35 Prozent der von GSF-Forschergruppen eingereichten Anträge werden aller Voraussicht nach
finanziert werden. Zum Vergleich: Im Schnitt liegen die Bewilligungsquoten der Europäischen Union je nach Themenbereich
zwischen fünf und 20 Prozent.
Die GSF sieht sich bestärkt, ihre Kapazitäten an der Schnittstelle Umwelt – Gesundheit zu verstärken und gegebenenfalls
durch gemeinsame Berufungen mit benachbarten Universitäten weiter auszubauen. Die Berufungen von Dr. Martin Göttlicher an die Spitze des Instituts für Toxikologie sowie von Dr.
Rainer Meckenstock als Direktor des Instituts für Grundwasserökologie waren wichtige Schritte auf diesem Weg. Gemeinsam mit der Ludwig-Maximilians-Universität München konnte
Prof. Dr. Reiner Leidl als Direktor des Instituts für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen gewonnen werden. In einem Kurz-Interwiew in dieser Ausgabe
von mensch+umwelt skizziert Prof. Leidl seinen Forschungsansatz. Dr. Magdalena Götz, die ab Januar die Leitung des neu
gegründeten Instituts für Stammzellforschung übernimmt,
werden wir in der nächsten Ausgabe vorstellen können.
Allen Freunden, Kooperationspartnern und Mitarbeitern sagen
wir an dieser Stelle Dank und wünschen Frohe Weihnachten
und ein gutes Jahr 2004!
Prof. Dr. Dr. Ernst-Günter Afting
Wissenschaftlicher Geschäftsführer
Dr. Hans Jahreiß
Kaufmännischer Geschäftsführer
Impressum:
Herausgeber:
GSF – Forschungszentrum für
Umwelt und Gesundheit GmbH
in der Helmholtz-Gemeinschaft
Redaktion:
Sonja Duggen, Cordula Klemm,
Heinz-Jörg Haury, GSF-Öffentlichkeitsarbeit, Neuherberg,
Ingolstädter Landstraße 1,
85764 Neuherberg,
Telefon: (089) 3187 - 2804
unter Mitarbeit von
Monika Wiedemann und
Brigitte Schmid
E-Mail: [email protected]
World Wide Web:
http://www.gsf.de/Aktuelles/
mensch+umwelt/
Fotos und Zeichnungen:
Ulrich Heinzmann, Ernst
Schmid, Helga Wehnes, Margit
Ellendorf, Evelyn Bieber, Dirk
Busch, Michael van den Heuvel,
Ralph Mocikat, Ulf Darsow,
Helga Bernhard
Titelbild: T-Zellen sind wichtige
Bestandteile des Immunsystems. Hier abgebildet sind humane T-Zellen; sie haben typischerweise diese sphärische
Form, wenn sie im Blut kreisen.
Aufnahme: Ulrich Heinzmann,
Ernst Schmid, Helga Wehnes
Layout:
Karl-Heinz Krapf
Belichtung und Druck:
Heichlinger Druckerei
Gedruckt auf Recyclingpapier
Mensch+Umwelt erscheint dreimal
jährlich. Der Bezug ist kostenlos.
Auszüge aus diesem Heft dürfen ohne jede weitere Genehmigung wiedergegeben werden, vorausgesetzt,
dass bei der Veröffentlichung die
GSF genannt wird. Um ein Belegexemplar wird gebeten. Alle übrigen
Rechte bleiben vorbehalten.
ISSN 0949-0671
2
mensch+umwelt 3/2003
Der Neuherberger
Forschungscampus
aus überraschender
Perspektive:
Die Aufnahme
der Wetterstation
des Instituts für
Strahlenschutz wurde im Rahmen des GSF-Fotowettbewerbs von Margit Ellendorf eingereicht, das Bild der Lysimeteranlage des Instituts für Bodenökologie von Evelyn Bieber.
Das Forschungs- und Entwicklungsprogramm des GSF – Forschungszentrums für
Umwelt und Gesundheit dient der Lösung öffentlicher Aufgaben im Bereich der
Umwelt- und Gesundheitsforschung. Die Arbeiten konzentrieren sich auf den Schutz
des Menschen und seiner Umwelt vor schädigenden Einflüssen sowie auf die Nutzbarmachung von naturwissenschaftlich-technischen Erkenntnissen für die Verbesserung des Umweltschutzes und der Gesundheitsversorgung.
Die GSF ist Mitglied der Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher
Forschungszentren. Gesellschafter der GSF sind die Bundesrepublik Deutschland
zu 90 Prozent und der Freistaat Bayern zu zehn Prozent. Das Gesamtbudget beträgt
rund 113 Millionen Euro. Die Zahl der Beschäftigten liegt bei 1550 Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern.
Im Kampf gegen AIDS und Krebs
T-Zellen markieren den Erfolg
K
rankheiten wie AIDS und Krebs steht das körpereigene Immunsystem oft machtlos gegenüber. Therapeutisches Impfen mit Viren als Vektor-Impfstoff
und andere neue immunologische Verfahren können dem
Immunsystem auf die Sprünge helfen – allerdings ist hierbei ein genaues Immunmonitoring als Erfolgskontrolle unverzichtbar.
■ „Wichtig sind Marker, die zeigen, ob eine Immuntherapie angesprochen hat“, sagt Dr. Dirk Busch. Er ist Leiter
der Klinischen Kooperationsgruppe „Vakzinologie“, an der
das GSF-Institut für Molekulare Virologie, die III. Medizinische Klinik des Klinikums rechts der Isar und das Institut
für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene
der TU München beteiligt sind. Busch und seine Mitarbeiter konzentrieren sich bei ihrer Suche nach Markern für
das Immunmonitoring auf T-Zellen. Diese Zellen des
Immunsystems können auf bestimmte Zielstrukturen, so
genannte Antigene, spezifisch reagieren. Bei Infektionen
oder bestimmten Krebserkrankungen produziert das befallene Gewebe erreger- oder tumorassoziierte Antigene, die
prinzipiell von T-Zellen erkannt werden können. Die Zahl
der spezifisch auf das jeweilige Antigen reagierenden TZellen sowie ihre Funktion sind daher gute Indizien für die
Abwehrbereitschaft des Immunsystems.
■ Bei der Suche nach Methoden zur Charakterisierung
antigenspezifischer T-Zellpopulationen kam den Wissenschaftlern die so genannte MHC-Restriktion zu Hilfe: T-Zellen können Antigene nur dann erkennen, wenn die Antigene durch ein MHC-Molekül präsentiert werden. Allerdings
werden einzelne MHC-Antigen-Komplexe nur schwach gebunden und dissoziieren schnell. Die Wissenschaftler
lösten dieses Problem mit einem Trick: Sie verbanden
meist vier Komplexe miteinander, so dass vernetzte Strukturen stabil zu so genannten Tetrameren aneinander gekettet waren. An T-Zellen gebundene MHC-Antigen-Kom-
plexe wiederum können mit Hilfe von Fluoreszenz-Farben
nun direkt sichtbar gemacht und genau untersucht werden.
So können die Forscher erstmals die Effekte prophylaktischer beziehungsweise therapeutischer Impfungen auf das
Immunsystem direkt überprüfen. Als Impf-Vektor werden
harmlose gentechnisch veränderte Viren eingesetzt, die
Körperzellen zu einer Immunantwort anregen sollen. Diese
so genannten MVA-Viren wurden von Dr. Gerd Sutter vom
GSF-Institut für Molekulare Virologie als rekombinante
virale Impfstoffe entwickelt und werden auch als solche in
der KKG genutzt.
■ Zunächst wurde das MVA-Virus als Vektor beim therapeutischen Impfen gegen HIV eingesetzt. Auf die Infektion
mit HIV erfolgt eine messbare virusspezifische Immunantwort, die aber normalerweise nicht ausreicht, um die HIViren zu kontrollieren. Deshalb müssen HIV-Infizierte ihr
Immunsystem durch eine antivirale Therapie unterstützen.
Aber keine Regel ohne Ausnahme: Einige wenige Personen
schaffen es, die Viren nach einer Infektion auch ohne Medikamente in Schach zu halten. Diese Menschen haben das
Glück, dass ihr Immunsystem anders auf eine HIV-Infektion
reagiert: „Bei ihnen bleibt die Anzahl der HIV-spezifischen
CD4-positiven T-Zellen nach der Infektion konstant erhöht“,
erläutert Dr. Antonio Cosma, der für das therapeutische
Impfen zuständig ist. „Normalerweise steigt die Zahl der
HIV-spezifischen CD4-Zellen in der Frühphase der Infektion
zwar an, fällt dann aber auf sehr niedrige Werte ab“. CD4positive T-Zellen sind so genannte Helferzellen, die wichtige regulatorische Funktionen übernehmen. HIV attackiert
diese Zellen, daher sinkt deren Zahl bei den meisten Infizierten.
■ „Unsere Idee war nun, durch ein therapeutisches Impfen
die Immunantwort so zu stimulieren, dass bei den Patienten der Level an HIV-spezifischen CD4-positiven T-Zellen
hoch bleibt“, erläutert Cosma. „Im Idealfall sollten diese
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Die MHC Multimer Färbung: T-Zellen erkennen mit ihrem
T-Zellrezeptor Antigene als kleine Peptidfragmente (Epitope), die über MHC- oder HLA-Moleküle präsentiert werden. Einzelne MHC/Epitop-Komplexe dissoziieren allerdings schnell wieder (links). Durch die Vernetzung mehrerer MHC-Moleküle zu Tetrameren entsteht eine stabile
Bindung (unten). Fluoreszenzfarbstoffe machen die markierten T-Zellen sichtbar.
Adoptiver T-Zelltransfer für Immuntherapie von Krebspatienten: Antigen-präsentierende dendritische Zellen
eines Patienten werden in vitro gezüchtet und mit dem
Tumorantigen beladen. Diese Antigen-produzierenden
dendritischen Zellen stimulieren dann T-Zellen von demselben Patienten. Anschließend werden die antigenspezifischen T-Zellen gewonnen, vermehrt und dem
Patienten als Infusion zurück gegeben.
mensch+umwelt 3/2003
3
monitoring entscheidend. Denn da sich am
klinischen Zustand der
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dert, lässt sich nur so
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Immunsystem passiert.
■ Die MHC-TetramerTechnologie ist aber
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nicht nur für das Monitoring nützlich, sondern
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werden können. Dieser
adoptive T-Zelltransfer
hat vor allem bei der BeHLA-A*0201/pp65495-503
handlung von Krebserkrankungen Vorteile gegenüber dem direkten therapeutiMit MHC Multimer Färbung sichtbar
schen Impfen: „Für die Erkennung
gemachte CMV-spezifische T-Zellen
von körperfremden Antigenen, wie et(zytotoxische CD8-Zellen) eines gewa bei einer Virusinfektion, ist das
sunden Probanden. In der zweidiImmunsystem sowieso ausgerichtet.
mensionalen Darstellung sind die
Tumoren dagegen sind körpereigene
CD8-T-Zellen auf der y-Achse und
Strukturen, so dass eine Impfung gedie MHC Multimere auf der x-Achse
gen Tumor-Antigene unter Umstänaufgetragen.
den nicht so effektiv ist“, erklärt Dr.
Helga Bernhard von der III. Medizinischen Klinik des Klinikums rechts der
Personen nach der Impfung die InfekIsar, die diesen Arbeitsbereich der
tion ohne zusätzliche Medikamente
KKG leitet.
■ Erfolg versprechender kann es
selbst kontrollieren können“. Hierfür
sein, den Krebs anzugreifen, indem
schleusten die Forscher den Bauplan
T-Zellen des Patienten in vitro stimufür das HIV-Protein Nef in den MVAliert, also auf den individuellen Tumor
Impfstoff ein. Sie wählten Nef als
„abgerichtet“ werden. Werden diese
Target, weil es im Lebenszyklus des
Zellen dem Patienten zurück gegeben,
HI-Virus eine entscheidende Rolle
können sie den Krebs wesentlich wirspielt: Es wird von infizierten Zellen
kungsvoller angreifen. In der KKG
bald nach der Infektion gebildet und
Vakzinologie gibt es hierzu erste klinisorgt für eine möglichst effektive Versche Versuche mit HER2/neu spezifimehrung des Virus. Ohne Nef bricht
schen zytotoxischen T-Zellen.
AIDS nicht aus. Funktioniert die ImpHER2/neu ist ein Rezeptor für Wachsfung, schlägt sie das HI-Virus mit seitumshormone, wird er vermehrt genen eigenen Waffen: Die eingeimpfbildet, kann Brustkrebs entstehen.
ten Vektoren befallen Körperzellen
■ Um die bisherigen, laut Bernhard
und regen sie zur Bildung von Nef
„eher anekdotischen“ Heilversuche
an. Dadurch soll die Immunantwort
zu ergänzen, wünschen sich die Forgegen Nef so stimuliert werden, dass
scher der KKG Reinraumlabore, die
insbesondere HIV-spezifische T-Heldie Richtlinien für kontrollierte kliniferzellen gebildet werden, die für eische Studien erfüllen. „Erste Möglichne eigenständige Kontrolle der Infekkeiten dazu bahnen sich an“, freut
tion unabhängig von weiteren Medisich Busch.
kamenten entscheidend sind.
■ Ein Jahr nach Beginn der klini■ Monika Gödde
schen Studie sind die ersten ErgebLiteratur:
nisse laut Cosma ermutigend: „Von
zehn geimpften Personen stieg bei
I. Drexler et al.: Identification of vaccinia virus
epitope-specific HLA-A*0201-restricted T-cell
vier die Zahl der CD4-Zellen nach
responses and comparative analysis of immunodem Impfen an. Der am besten auf
genicity and protective capacity of smallpox
die Impfung ansprechende Patient
vaccines. PNAS 100(1) (2003) pp 217-22.
zeigt bis jetzt keinen weiteren AnA. Cosma: Therapeutic vaccination with recomstieg des HI-Virus, obwohl die Therabinant modified vaccinia virus Ankara-HIV-1 nef
pie mit antiviralen Medikamenten abelicits a strong Nef specific T-helper cell response
gesetzt wurde“. Um den Impferfolg
in chronic HIV infected individuals. Vaccine
(in press) (2003).
beurteilen zu können, ist das Immun-
CMV
4
mensch+umwelt 3/2003
T-Zellen ha
Gezieltes Steuern der Helfer
M
ein Interesse gilt vor allem
den Schlüsselfiguren des
menschlichen Abwehrsystems – den T4-Helfer-Lymphozyten“,
sagt Dr. Falk Nimmerjahn, Mitarbeiter
am Institut für Klinische Molekularbiologie und Tumorgenetik. Spätestens
seit HIV weiß man, dass fast das gesamte Immunsystem ohne diese Zellen lahm läge. „Wenn wir lernen, wie
diese Zellen aktiviert werden, können
wir sie später vielleicht gezielt an- und
abschalten“, erklärt der Biologe. Dadurch könnte man Tumoren, Virus-Infektionen oder Autoimmunkrankheiten
wie Rheuma bekämpfen.
■ Bisher weiß man, dass die Helferzelle das entscheidende Aktivierungs-Signal erhält, wenn sie auf ihr jeweiliges
spezifisches Antigen trifft. Erst dann erteilt sie Abwehrzellen wie den Antikörper produzierenden B-Lymphozyten
den Einsatzbefehl. Um allerdings ein
Peptidstück überhaupt als Kennzeichen
eines Erregers wahrnehmen zu können,
müssen ihr Fresszellen die Antigene
aufbereiten und präsentieren.
■ „Bis vor kurzem gab es hier eine klare Regel“, sagt Nimmerjahn. „Wenn die
Fresszelle Antigene von außen aufnimmt, packt sie diese in EndosomenBläschen im Zellinneren und bindet sie
dort an MHC-II-Rezeptoren. Erst in diesem Rahmen können sie auf der Zelloberfläche von T4-Lymphozyten erkannt werden.“ Von einem Virus oder
Tumor im Inneren der Zelle gebildete
Antigene werden dagegen vermutlich
im Endoplasmatischen Retikulum, der
zellulären Produktions-Fabrik, in MHC-IMoleküle eingebaut. Diese Rezeptoren
können ausschließlich durch Killer-Lymphozyten gelesen werden, Helferzellen
können sie nicht deuten.
■ „Durch AIDS haben wir lernen müssen: Auch Killerzellen sind auf die Befehle von T4-Lymphozyten angewiesen.
Die Helferzellen müssen also ebenfalls
durch Viren aktiviert werden“, erklärt
Nimmerjahn. Die Annahme, dass sie
für die Präsentation intrazellulärer Antigene wichtig sind, bestätigt auch der
Fund von Virus- und Tumorantigenen
in MHC-II-Rezeptoren.
■ Die GSF-Forschungsgruppe um Dr.
Josef Mautner entschloss sich, diesem
Widerspruch auf den Grund zu gehen.
Zunächst versuchte sie, das sehr zuverlässige Antigen NeoR in die MHC-II-
„
ben das Kommando
bekämpft Krebs
Rezeptoren von B-Lymphozyten zu
schleusen. Der Trick: Wenn Zellen in ein
DNA-Bad gelegt werden und ein elektrisches Feld angelegt wird, öffnen sie für
kurze Zeit ihre Poren, so dass die fremde Erbsubstanz in die Zelle gelangen
kann. Tatsächlich reagierten die T-Lymphozyten im Versuch mit einer vermehrten Ausschüttung von Zytokinen.
NeoR wurde also von den B-Zellen gebildet, dort in die MHC-II-Moleküle gepackt und von den Helferzellen erkannt.
■ Ort der Synthese sind wie bei den anderen MHC-II-Rezeptoren die Endosomen. Sobald die Wissenschaftler durch
eine Veränderung des pH-Wertes in den
Bläschen die wichtigsten Enzyme lahm
legten, wurde kaum noch NeoR in die
MHC-II-Rezeptoren eingebaut. Wie allerdings die Antigene dorthin gelangen,
war zunächst ein Rätsel. Als einzige
Möglichkeit blieb, dass sich – wie in der
Leber – die Endosomen im Zellinneren
bilden. „Sollte dieser Mechanismus
auch für Zellen des Immunsystems gelten, dann müsste sich mit einer Substanz, die in der Leber verhindert, dass
solche Autophagosome gebildet werden, auch die Präsentation von NeoR
verhindern lassen“, erklärt Nimmerjahn.
Tatsächlich sammelten sich bei dem Versuch Antigene im Zytosol an. Letzte Sicherheit gab der T-Zell-Test: Kaum eine
der blockierten B-Zellen war in der Lage
Helferzellen zu aktivieren.
■ In Zukunft möchte der Wissenschaftler, der im Rahmen der diesjährigen
Autumn Lecture einen Doktorandenpreis im Bereich Gesundheitsforschung
erhalten hat, prüfen, ob die Ergebnisse
auch für den lebenden Organismus gelten: „In diesem Fall könnte man vielleicht autoaggressive Immunzellen
bremsen oder Krebszellen für das Immunsystem erkennbar machen –
zunächst bei der Maus, später beim
Menschen“, hofft Nimmerjahn.
■ Michael Brendler
Literatur:
F. Nimmerjahn et al.: Major histocompatibility
complex class II-restricted presentation of a cytosolic antigen by autophagy. European Journal of
Immunology 33 (2003) pp 1250-1259.
R. F. Wang: The role of MHC class II-restricted tumor antigens and CD4+ T cells in antitumor immunity. Trends in Immunology 22; 5 (2001) pp 269-76.
E. Ogier-Denis and P. Codogno: Autophagy: a
barrier or an adaptive response to cancer. Biochimica et Biophysica Acta 1603 (2003) pp 113-128.
Bei den durchgeführten Experimenten muss die Anzahl der MHC-II-Rezeptoren auf den Zellen überprüft werden. Falk Nimmerjahn bestimmt hier die
Menge dieser Rezeptoren auf der Zelloberfläche mit dem abgebildeten
FACS-Gerät (Fluoreszenz-aktivierter Zellsorter).
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Um das intrazelluläre Antigen NeoR bildet sich ein Vesikel-Bläschen – das
Phänomen der Autophagie. Verschmilzt dieses Endosom mit anderen Vesikeln, die verschiedene Abbau-Enzyme enthalten, entstehen Lysosomen.
Deren Enzyme zerlegen das NeoR-Protein in kleine Bruchstücke. Einzelne
Eiweißstückchen werden in die MHC-II-Rezeptoren eingebaut und den TZellen an der Außenseite der Zelle präsentiert. Andere Wege wie über das
Proteasom und das Endoplasmatische Retikulum oder die direkte Aufnahme des Antigens mit Hilfe des Enzyms Hsc 70 in die Lysosomen konnten
die Forscher dagegen ausschließen.
mensch+umwelt 3/2003
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Killerzellen alarmieren
spezifische Abwehr
Neue Brücke zwischen angeborenem und erworbenem Immunsystem entdeckt
A
ngeborenes und erworbenes
Immunsystem hängen enger
zusammen, als man bisher
dachte: Prof. Ralph Mocikat vom
GSF-Institut für Molekulare Immunologie und Prof. Martin Röcken
von der Universitäts-Hautklinik Tübingen haben nachgewiesen, dass
■ Virusbefallene oder bösartige Zellen entziehen sich jedoch der spezifischen ZTL-Immunabwehr oft mit einem Trick: Sie lassen MHC-I von ihrer Membranoberfläche verschwinden. Daraufhin werden sie vom Körper nur noch mit verringerter Effizienz bekämpft, weil die ZTL sie nicht
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Der neu entdeckte Weg zwischen angeborener und erworbener Immunität:
NK-Zellen zerstören nicht nur krankhaft veränderte Zellen direkt, sondern
aktivieren zusätzlich über eine Kaskade CD8-positive T-Zellen, die zu ZTL
differenzieren (rechts). Bisher wusste man nur, dass T-Zellen durch Antigenpräsentierende Zellen (dendritische Zellen, DZ) über den Kontakt mit so
Abb.: Mocikat/GSF 2003
genannten PAMPs aktiviert werden (links).
natürliche Killerzellen (NK-Zellen)
des angeborenen, also unspezifischen Immunsystems die spezifische Abwehr aktivieren. Demnach
spielen sie für einen erfolgreichen
Kampf gegen Virusinfektionen und
Krebs eine wichtige Rolle.
■ Als erste, schnelle Abwehr erkennen NK-Zellen virusinfizierte oder
maligne Zellen und zerstören sie sofort. Zytotoxische T-Lymphozyten
(ZTL) des erworbenen Immunsystems dagegen reagieren spezifisch
gegen jeweils ein bestimmtes zellständiges Antigen aus einer großen
Vielfalt von viralen oder tumorassoziierten Antigenen. Voraussetzung:
Die Antigene müssen den ZTL innerhalb des Haupt-Histokompatibilitätskomplexes MHC-I präsentiert werden.
6
mensch+umwelt 3/2003
mehr als fremd erkennen. Dennoch
sind auch hier schützende T-Zell-Antworten festgestellt worden.
■ Die Gründe dafür haben Mocikat
und Röcken jetzt herausgefunden:
Die NK-Zellen führen zur Stimulierung der ZTL. Denn für NK-Zellen ist
umgekehrt genau das Fehlen von
MHC-I das Signal für die eigene Aktivierung. Über Antigen-präsentierende dendritische Zellen (DZ) sowie
durch Zytokine wie Interferon-␥ (IFN-␥)
und Interleukin-12 (IL-12) vermittelt,
kommt es schließlich zur spezifischen T-Zell-Reaktion (Abb., rechts).
„Damit haben wir einen alternativen
Pfad zwischen angeborenem und erworbenem Immunsystem entdeckt“,
sagt Mocikat. Bisher war nur der Aktivierungsweg bekannt, der durch
pathogenassoziierte molekulare
Strukturen, kurz PAMPs, initiiert
wird (Abb., links).
■ In den Versuchen der Forschergruppe konnten Mäuse mit Hilfe von
Krebszellen, deren MHC-I-Expression
zuvor durch den Transfer von Genen
des Zytomegalievirus gezielt herunterreguliert worden war (MHC-I-minus), erfolgreich gegen Tumoren
immunisiert werden. Die gentechnisch so veränderten Tumorzellen
selbst wurden erwartungsgemäß
wegen des niedrigen MHC-I-Gehaltes
durch NK-Zellen abgestoßen. Überraschend an den Ergebnissen war
jedoch, dass auch spezifische Reaktionen der ZTL feststellbar waren.
■ Diese ZTL konnten nicht-transfizierte Tumorzellen mit normaler
MHC-I-Expression noch nach einem
Jahr abstoßen. Das beweist, dass
sich ein spezifisches immunologisches Gedächtnis gebildet hat, das
NK-Zellen nicht haben. Die Immunantworten der ZTL waren umso ausgeprägter, je mehr MHC-I-minusZellen bei der ursprünglichen Immunisierung verwendet worden waren.
■ Die einzelnen humoralen sowie
zellulären Zwischenschritte innerhalb des neu entdeckten Pfades der
koordinierten Tumorabwehr wurden in der Studie im Einzelnen entschlüsselt. Immunologische Botenstoffe und deren Transkripte wurden dabei in unterschiedlichen Zellpopulationen gemessen. Dazu wurden die immunologischen Zellen zu
verschiedenen Zeitpunkten aus der
Milz isoliert und anschließend im
Durchflusszytometer auf Grund der
Expression charakteristischer Oberflächenmoleküle sortiert.
■ Heiko Laufenberg
Literatur:
R. Mocikat et al.: Natural Killer Cells Activated
by MHC Class I-Low Targets Prime Dendritic
Cells to Induce Protective CD8 T Cell Responses.
Immunity 19 (2003) pp 561-569.
R. Medzhitov, C. A. Jr. Janeway: Decoding
the Patterns of Self and Nonself by the Innate Immune System. Science 296 (2002) pp 298-300.
P. Hoglund et al.: Host MHC class I gene control of NK-cell specificity in the mouse.
Immunol. Rev. 155 (1997) pp 11-28.
Gesundheitsökonomie ist keine
Forschung im Elfenbeinturm
Interview mit Prof. Reiner Leidl, Direktor des GSF-Instituts für
Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen
tungen. In Zusammenarbeit mit Kollegen aus der Klinik, die neue Verfahren
hinsichtlich ihrer medizinischen Effektivität untersuchen, fügen wir eine
ökonomische Komponente hinzu. Wir
bewerten neben den Kosten auch die
gesamten Auswirkungen und Vorteile
für den Patienten. Die gesundheitliche
Verbesserung insgesamt in eine Zahl
zu fassen ist eines der methodischen
Probleme, mit denen wir uns auseinandersetzen.
Prof. Leidl hat zum 1. September 2003
die Leitung des GSF-Instituts für Gesundheitsökonomie und Management
im Gesundheitswesen übernommen.
m+u: Herzlichen Glückwunsch zur
Ernennung als Leiter des Instituts für
Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen. Wo
liegt der Schwerpunkt Ihrer Forschungstätigkeit?
Leidl: Ein besonders wichtiger Arbeitsschwerpunkt ist die Wirtschaftlichkeit von Gesundheitsleistungen. In
Deutschland gibt es im internationalen Vergleich relativ wenige Arbeiten
im Bereich der ökonomischen Evaluation von einzelnen Gesundheitsleis-
m+u: Wie beurteilt der Ökonom eine
medizinisch richtige Therapie?
Leidl: Der Ökonom beurteilt das nicht
selbst, sondern fragt den Patienten. Er
glaubt an eine Ergebnisbewertung
durch die Individuen. Dabei sollte hier
der Patient angeben, wie seine Gesundheit verbessert wurde. Mit Fragebögen erfassen wir die gesundheitsbezogene Lebensqualität, etwa ob die
Menschen in der Lage sind, ihren alltäglichen Aktivitäten nachzugehen, ob
sie Schmerzen haben oder ob sie unter psychischer Belastung stehen. Aus
diesem Verfahren kann man eine Zahl
berechnen, die ein ganz gutes Abbild
des Gesundheitsstatus des Patienten
gibt. Ergänzt werden diese Berechnungen durch klinische Parameter.
Leidl: Der Ökonom ist gefragt, bevor
eine neue medizinische Maßnahme
oder Intervention allgemein angewendet wird. Medizinisch geprüft werden
die Interventionen am besten im Rahmen von klinischen Versuchen. Dabei
unterscheidet man drei verschiedene
Phasen. Die dritte Phase, die der randomisierten klinischen Studien, ist für
den Ökonomen die interessanteste.
Die Patienten werden zufällig in zwei
Gruppen eingeteilt, die eine erhält die
neue Intervention, die andere nicht.
Am Ende wird der Behandlungserfolg
ermittelt. Der Ökonom berechnet zusätzlich die Kosten und wertet das
Verhältnis von Kosten und Erfolg aus.
In manchen Fällen soll auch die Wirtschaftlichkeit über einen längeren
Zeitraum untersucht werden als dies
im Rahmen klinischer Versuche möglich ist. Ökonomen können hierzu Modelle entwerfen, die zeigen, wie sich
die Kosten und die Gesundheitseffekte der Intervention langfristig entwickeln. Gerade im Rahmen chronischer Erkrankungen gibt es eine
ganze Reihe von Interventionen, bei
denen man die gesundheitliche Verbesserung erst vollständig erkennt,
wenn man Patienten über einen langen Zeitraum beobachtet.
m+u: Welche Rolle nimmt der
Gesundheitsökonom in der klinischen
Forschung ein?
m+u: Herr Prof. Leidl, ich danke Ihnen
für das Gespräch.
Das Gespräch führte Beatrix Leser
Mutation macht Mäuse mutig
Ausgeschalteter Hormonrezeptor nimmt die Angst
E
ine Mutation macht die Mäuse von Professor Wolfgang Wurst zu Draufgängern: Sie klettern – ganz im
Gegensatz zu ängstlicheren Artgenossen – mutig
durch offene Röhren und erkunden hellerleuchtete Käfigbereiche. Ihre Besonderheit: In bestimmten Regionen ihres
Gehirns ist der Rezeptor für das Neuropeptid CRH (Corticotropin freisetzendes Hormon) ausgeschaltet. Wurst und
seinen Kollegen vom GSF-Institut für Entwicklungsgenetik
sowie des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie gelang es,
diesen so genannten Crhr1-Rezeptor zu blockieren. Und
zwar nur in den Teilen des limbischen Systems, die für das
Angstverhalten wichtig sind. Die von anderen Hirnregionen
gesteuerte hormonelle Stressregulation dagegen läuft normal ab. Trotz vieler Stresshormone in ihrem Körper zeigen
diese Mäuse weniger Angst und weniger kognitive Störun-
gen als der Wildtyp in vergleichbaren Situationen. Damit
gelang den Forschern erstmals der Nachweis, dass für psychische Krankheiten typische Verhaltensweisen wie Angst
nicht über Stresshormone, sondern direkt über den Crhr1Rezeptor im limbischen System, das heißt vom Nervensystem, gesteuert werden. Crhr1 ist demnach nicht nur für die
hormonelle Stressadaptation wichtig, sondern es ruft auch
direkt Verhaltensänderungen hervor. Diese Erkenntnis eröffnet neue Möglichkeiten für die Entwicklung von Medikamenten gegen Depressionen und Phobien, die möglicherweise schneller und breiter wirken als herkömmliche Präparate. Neben dem bei Depressionen überhöhten Stresshormonpegel könnten zudem auch Verhaltensauffälligkeiten
behandelt werden.
■ Monika Gödde
mensch+umwelt 3/2003
7
Berichte + Publikationen
Eine Auswahl
■ J. Bertaux, M. Schmid, N. Chemidlin Prevost-Boure, J. L. Churin, A. Hart-
mann, J. Garbaye, P. Frey-Klett: In situ identification of intracellular bacteria related to Paenibacillus sp. in the mycelium of the ectomycorrhizal fungus Laccaria bicolor S238N. Appl. Environ. Microbiol. 69 (2003) 42434248
Es werden Bakterien identifiziert und durch spezifische fluoreszenzmarkierte Oligonukleotidsonden innerhalb von Hyphen eines Ectomykorrhizapilzes mit Hilfe des Laser Scanning Mikroskops lokalisiert. Bisher
waren diese im Pilzmycel lebenden Bakterien unentdeckt geblieben,
doch als sie in einer Fermenterkultur auch außerhalb der Hyphen sich
vermehrten, konnten sie erfasst und identifiziert werden. Die Funktion
dieser Bakterien im Pilz ist bisher nicht bekannt.
■ P. Roth, V. Höllriegl, E. Werner, P. Schramel: Assessment of exposure to
depleted uranium. Radiat. Prot. Dosim. 105 (1-4) (2003)157-161
Interne Strahlenbelastung durch abgereichertes Uran (depleted uranium, DU), das in den Körper aufgenommen wurde, kann durch unterschiedliche Bestimmungsmethoden quantifiziert werden. Die Eignung
und Effizienz der unterschiedlichen Verfahren richtet sich dabei nach
dem Aufnahmepfad, der physikalischen und chemischen Form des Urans,
der zwischen Aufnahme und Messung verstrichenen Zeit, der Empfindlichkeit der Untersuchungsmethode und weiteren Parametern. Bei der
Bestimmung der DU-Inkorporation mit Hilfe von Ausscheidungsmessungen im Urin stellt die Aufnahme von natürlich vorkommendem Uran mit
der Nahrung ein gewisses Problem dar. Trotzdem können eventuell gesundheitlich relevante DU-Inkorporationen mit dieser Methode sehr zuverlässig erkannt werden, auch noch lange Zeit nach Exposition.
■ J. John, R. Holle: Probleme der Erschließung und Nutzung von Daten
der Gesetzlichen Krankenversicherung für bevölkerungsbezogene gesundheitsökonomische Evaluationsstudien: Erfahrungen aus KORA. Informatik, Biometrie und Epidemiologie in Medizin und Biologie 34/2
(2003) 96-111
Im Rahmen der KORA-Studie „Krankheitskosten von Asthma und Allergien“ wurde ein organisatorisches, technisches und datenschutzrechtliches Konzept für die Kassenarten übergreifende Erschließung und versichertenbezogene Zusammenführung von Daten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sowie für deren personenbezogene Verknüpfung
mit Primärdaten entwickelt und erprobt. Eine Verknüpfung beider Datenarten ist im Rahmen von Evaluationsstudien meist unumgänglich, da
sich gesundheitliche Ergebnisse der Versorgung in den GKV-Daten nur
unzureichend abbilden. Der Test zeigte, dass der Aufbau einer GKV-Datenbasis für eine räumlich definierte Bevölkerungsstichprobe machbar
ist, trotz aller in den letzten Jahren erzielten datentechnischen und datenlogistischen Verbesserungen aber ein aufwändiges Unterfangen
bleibt. Die Datenherren in der GKV stehen in der Pflicht, die Bemühungen um eine verbesserte Nutzbarkeit ihrer Daten fortzusetzen.
■ E. Guenzi, K. Töpolt, C. Lubeseder-Martellato, A. Jörg, E. Naschberger,
R. Benelli, A. Albini, M. Sturzl: The guanylate binding protein-1 GTPase
controls the invasive and angiogenic capability of endothelial cells through
inhibition of MMP-1 expression. The EMBO Journal 22 (2003) 3772-3782
Bei Entzündungserkrankungen spielt sowohl die Aktivierung als auch die
Hemmung des Blutgefäßwachstums eine wichtige Rolle. Die Mechanismen der Hemmung der Angiogenese sind weitgehend unbekannt. Die
Arbeit beschreibt einen neuen Mechanismus, wie das entzündungsassoziierte Protein Guanylate Binding Protein-1 (GBP-1) die Angiogenese bei
Entzündungen hemmt. Es wird gezeigt, dass die GTPase-Funktion des
Moleküls die Expression der Matrix-Metaloprotease-1 unterdrückt und
dadurch die Gefäßbildung verhindert. Es wurde ein neues transdominant negatives Molekül konstruiert, mit dem die anti-angiogene Wirkung
von GBP-1 verhindert werden kann. Diese Befunde bieten neue Perspektiven, um mit molekularen Methoden das Gefäßwachstum bei der Behandlung von Erkrankungen zu steuern.
■ M. B. Müller, S. Zimmermann, I. Sillaber, T. P. Hagemeyer, J. M. Deussing, P. Timpl, M. S. D. Kormann, S. K. Droste, R. Kühn, J. M. H. M. Reul,
F. Holsboer, W. Wurst: Limbic corticotropin-releasing hormone receptor 1
mediates anxiety-related behaviour and hormonal adaptation to stress.
Nat. Neurosci. 6 (2003) 1100-1107
Das Corticotropin freisetzende Hormon (CRH) und sein Rezeptor 1 (CRHR1) sind zentral an der Koordinierung stressassoziierter Reize beteiligt
8
mensch+umwelt 3/2003
und werden mit der Entstehung humaner affektiver Störungen in
Verbindung gebracht. Wir haben ein Mausmodell erzeugt, in dem
die Funktion des CRH-Rezeptors 1 nur im anterioren Bereich des
Vorderhirns und in limbischen Hirnstrukturen ausgeschaltet wurde.
Diese Mäuse zeigen im Vergleich mit Kontrollen geringere Angst,
sind aber überempfindlich gegenüber Stress; somit moduliert speziell der limbische CRH-Rezeptor 1 sowohl Angstverhalten als auch
neuroendokrine Stressverarbeitung.
■ J. Hansen, T. Floss, P. van Sloun, E. M. Füchtbauer, F. Vauti, H. H.
Arnold, F. Schnütgen, W. Wurst*, H. von Melchner*, P. Ruiz*
(*corresponding authors): A large scale, gene-driven mutagenesis approach for the functional analysis of the mouse genome. Proc. Natl.
Acad. Sci. USA 100 (2003) 9918-9922
Das Postgenomzeitalter steht vor der großen Herausforderung, jedes
einzelne Gen des Säugetiergenoms zu charakterisieren. Um uns diesem wichtigen Ziel zu nähern, haben wir unter Verwendung der Genfallentechnologie die weltweit größte öffentlich zugängliche Sammlung von Mutationen in embryonalen Stammzellen (ES-Zellen) der
Maus angelegt. Wir konnten über 11.000 mutierte ES-Zellklone molekular charakterisieren und 5.142 über das gesamte Genom verteilte
Vektorintegrationen in – zum Teil mit menschlichen Krankheiten assoziierten – Genen nachweisen. Darüberhinaus konnten wir die Vorund Nachteile verschiedener Genfallenvektoren beschreiben. Unsere
Sammlung mutierter ES-Zellklone stellt eine wertvolle Ressource in
Hinblick auf die weitere Charakterisierung des Genoms und die in vivo Modellierung menschlicher Krankheiten dar.
■ C. Brodski, D. M. Vogt-Weisenhorn, M. Signore, I. Sillaber, M. Oesterheld, V. Broccoli, D. Acampora, A. Simeone, W. Wurst: Location
and size of dopaminergic and serotonergic cell populations are controlled by the position of the mid-hindbrain organizer. J. Neurosci. 15
(2003) 4199-4207
Dopamin erzeugende Nervenzellen des Mittelhirns und Serotonin
produzierende Neuronen des Hinterhirns beeinflussen das menschliche wie tierische Verhalten und sind in eine Reihe neuropsychiatrischer Erkrankungen involviert. Wir zeigen hier, dass die Position des
Mittel-/Hinterhirn-Organisators (MHO) im Gehirn für Ort und Größe
der beiden Nervenzellpopulationen verantwortlich ist. Wenn wir
durch entsprechende Positionsveränderung des MHO eine größere
Zahl Dopamin produzierender Neuronen erzeugen, führt dies im
Mausmodell zu Hyperaktivität.
■ H. Eichholtz-Wirth, E. Fritz, L. Wolz: Overexpression of the "silencer
of death domain", SODD/BAG-4, modulates both TNFR1- and CD95dependent cell death pathways. Cancer Letters 191 (2003) 1-9
In einer früheren Arbeit hatten wir nachgewiesen, dass die Resistenzbildung von Tumoren bei Strahlentherapie korreliert mit einer
signifikanten Erhöhung eines Regulationsproteins, dem SODD/BAG4
(silencer of death domain) Protein. In dieser Arbeit zeigen wir, dass
Überexpression von SODD/BAG 4 (mit Hilfe eines entsprechend konstruierten Plasmids) in HeLa Zellen zur Erhöhung der TNFR1 und
CD95 Rezeptoren führt, die unterschiedliche Apoptosewege initiieren. In einigen der transfizierten und klonal expandierten Klone
führt Überexpression von SODD/BAG 4 zu Resistenzbildung nach
Bestrahlung. Daraus folgern wir, dass SODD/BAG4 Protein ursächlich an dieser Resistenzbildung beteiligt ist.
■ E. Fritz, M. Digweed: Nijmegen breakage syndrome. In: Chromosomal Instability and Aging: Basic Science and Clinical Implication (F.
Hisama, S. Weisman, G. Martin, Eds.) M. Dekker, New York. (2003)
311-344
In diesem Übersichtsartikel werden die klinischen und zellulären
Charakteristika der seltenen Erbkrankheit Nijmegen Breakage Syndrome mit den bisher bekannten Funktionen des betroffenen Gens
(NBS1) korreliert. Dieses Syndrom steht als Paradebeispiel dafür,
wie ein einzelner Gendefekt Strahlenüberempfindlichkeit, genomische Instabilität und erhöhtes Krebsrisiko bedingt, vermutlich aufgrund einer Funktion des NBS1-Gens in der Erkennung, der Reparatur oder der Signalisierung von DNA-Schäden.
■ L. Drobyshev, C. Machka, m. Horsch, M. Seltmann, V. Liebscher,
M. Hrabé de Angelis, J. Beckers: Specifity assessment from fractionation experiments (SAFE): a novel method to evaluate microarray probe
specificity based on hybridisation stringencies. Nucleic Acids Res
31, E1-1.
Die in internationaler Zusammenarbeit entstandene Veröffentlichung beschreibt eine fundamentale Entdeckung zur genetischen
und molekularen Grundlage von degenerativen Erkrankungen der
Motorneuronen einschließlich der Amyotrophen Lateralsklerose
(ALS).
■ W. F. Heidenreich, U. Nyberg, P. Hall: A Biologically Based Mo-
del for Liver Cancer Risk in the Swedish Thorotrast Patients. Rad. Research 159 (2003) 656-662
In den 30er und 40er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde das
Kontrastmittel Thorotrast in vielen Ländern eingesetzt. Der AlphaStrahler Thorium 232 wird nur sehr langsam aus der Leber ausgeschieden. Im Lauf des Lebens treten zusätzliche Leberkrebsfälle auf,
in Schweden bis 1997 unter 432 Patienten 65 Fälle, bei nur zwei zu
erwartenden Fällen. Wir haben die auftretenden Abhängigkeiten
zwischen Lebensalter und dem Alter bei Exposition mit einem biologisch motivierten Krebs-Entstehungsmodell gut beschrieben und
dabei einen ähnlichen Wirkungsmechanismus wie bei der Induktion
von Lungenkrebs durch Radon gefunden.
■ H. Javot, V. Lauvergeat, F. Martin, V. Santoni, J. Güclü, J. Vinh, J.
Heyes, K. I.Franck, A. R. Schäffner, D. Bouchez, C. Maurel: Role of a
single aquaporin isoform in root water uptake. Plant Cell 15 (2003)
509–522
Heterologe Expressionsstudien hatten gezeigt, dass Aquaporine
Kanäle für Wasser über zelluläre Membranen bilden können. Allerdings ist ihre Funktion in vivo auch als Wasserkanäle nur teilweise
geklärt. Hier konnte durch die Untersuchung von knock-out Mutanten zum ersten Mal gezeigt werden, dass ein einziges Mitglied der
Arabidopsis Aquaporin Familie zur Wasserpermeabiltät und Leitfähigkeit in Wurzeln beiträgt. Dieses Aquaporin ist in der Plasmamembran in Zellen um die vaskulären Leitgefäße exprimiert.
■ B. Meßner, O. Thulke, A. R. Schäffner: Arabidopsis glucosyltrans-
ferases with activities toward both endogenous and xenobiotic substrates. Planta 217 (2003)138-146
Die Übertragung von Zuckerresten auf Metaboliten und Signalmoleküle durch Glycosyltransferasen ist in Pflanzen ein weit verbreiteter Mechanismus zur Regulierung ihrer biologischen Aktivitäten.
Bisher war es unklar, ob die Glycosylierung und Detoxifizierung von
xenobiotischen Substraten durch spezifische Enzyme erfolgt oder
eine Seitenaktivität von Enzymen ist, die endogene Verbindungen
umsetzen. Durch biochemische Untersuchung von sieben rekombinant exprimierten Glycosyltransferasen aus Arabidopsis konnte
hier gezeigt werden, dass das phytotoxische 2,4,5-Trichlorphenol
insbesondere von zwei Vertretern gut umgesetzt wird und mit den
jeweiligen endogenen Substraten konkurriert.
Patente + Technologietransfer
Neue Technologien zur Herstellung
von Vaccinia-Vektoren
entechnologisch veränderte Viren auf der Basis des hoch attenuierten Vacciniavirus MVA sind weltweit als sichere und effiziente eukaryotische Expressionsvektoren etabliert. MVA-Vektoren eignen sich
hervorragend zur Produktion und experimentellen Untersuchung rekombinanter Proteine sowie zur Entwicklung neuartiger Impfstoffe.
In der Arbeitsgruppe von Dr. Gerd Sutter am GSF-Institut für Molekulare
Virologie ist es jetzt gelungen mit neuen Techniken rekombinante MVAViren deutlich einfacher und besser herzustellen. Das Prinzip: Viruseigene
regulatorische Proteine werden zur selektiven Isolierung von rekombinanten Viren genutzt, ohne dass auf zusätzliche Reporterenzyme oder
Antibiotikaresistenzfaktoren zurückgegriffen werden muss. Ein Verfahren
beruht auf der transienten Co-Expression des viralen Gens K1L, das für
ein wichtiges Protein zur Steuerung des Wirtszellspektrums von Vacciniavirus kodiert (1). Das kurzfristige Einbringen eines funktionstüchtigen
K1L-Leserahmens in das Genom des MVA-Virus verleiht den gesuchten
rekombinanten MVA-Viren eine vorübergehende Wachstumsfähigkeit auf
Kaninchennierenzellen RK13. Da sich nicht-rekombinante Viren in diesen
Zellen nicht vermehren, können die MVA-Vektoren in einfacher RK13-Zellkulturpassage isoliert werden. Unerwünschte Rekombinationsereignisse
bei der Insertion der K1L-Gensequenzen können nahezu gänzlich vermieden werden. Eine zweite kürzlich etablierte Vektortechnologie beruht auf
einem ähnlichen Verfahren zur stringenten Wachstumsselektion von rekombinanten MVA-Viren in Kulturen embryonaler Hühnerembryofibroblasten (HEF) (2). Das MVA-Virus wurde in über 570 Passagen an HEF
adaptiert, die sich daher auch zur großtechnischen Vermehrung von
MVA-Impfstoffen gut eignen. Hornemann et al. identifizierten den MVALeserahmen E3L als essentielles Gen für das Wachstum von MVA in HEF.
Das Wiedereinsetzen eines funktionstüchtigen E3L Gens in das Genom
einer MVA-DE3L-Deletionsmutante stellt die spontan verlorengegangene
Vermehrungsfähigkeit auf HEF wieder her und erlaubt ebenfalls eine unmittelbare Gewinnung von MVA-Vektorviren.
G
Rekombinante Vacciniaviren MVA: Das Zielgen wird
in einen Plasmidvektor kloniert, der die selektierbaren
Markergene K1L oder E3L
enthält. Durch Transfektion
dieser Plasmide in mit MVA
infizierten Zellen wird die
Zielsequenz durch homologe Rekombination bei etwa
0,1 Prozent der neu gebildeten Viren stabil eingebaut.
Die rekombinanten Viren
können dann durch K1L
beziehungsweise E3Lspezifische Wachstumsselektion isoliert und kloniert
werden. Durch weitere
Amplifikation dieser Virusklone in Zellkulturen wird
ein Vorrat an MVA-Vektorviren gewonnen.
■ H. Wolff, R. Brack-Werner, M. Neumann, T. Werner 1,2 and R.
Schneider 1: Integrated functional and bioinformatics approach for
the identification and experimental verification of RNA signals: Application to HIV-1 INS. Nucleic Acids Research 31/11 (2003) 28392851
Durch die Integration von experimentellen Daten in bioinformatische Methoden konnte eine neue Strategie zur computerunterstützten Identifizierung von mRNA-Signalen entwickelt werden, die es
erlaubt, unterschiedliche Signale aus einem gemischten Datensatz
herauszufiltern. Mit Hilfe dieser neuen Strategie konnten am Beispiel der experimentell bestimmten inhibitorischen Sequenzelemente (INS) von HIV-1 insgesamt vier Signale unterschieden werden, die durch jeweils eine computergenerierte Beschreibung (Matrix) erkannt werden. Diese Matrix-Beschreibungen erlaubten erstmals eine computerunterstützte vergleichende Analyse vieler genomischer HIV-1 Sequenzen, die einen weiteren Einblick in die Organisation der HIV-1 INS ermöglichte und zur Vorhersage neuer, bisher
nicht experimentell bestimmter INS-Regionen führte. Die Funktionalität einiger vorhergesagter INS-Regionen konnte durch eine
neue experimentelle Methode bestätigt werden.
■ C. Staib, M. Löwel, V. Erfle and G. Sutter: Improved host range sel-
ection for recombinant modified vaccinia virus Ankara. BioTechniques
34 (2003) 694-700
In dieser Arbeit werden Mechanismen für unterschiedliche Rekombinationsereignisse beim Einbau von heterologen Gensequenzen in
das MVA-Genom untersucht. Die hierbei erhaltenen Erkenntnisse
erlauben substantielle technologische Verbesserungen für Herstellung und Selektion von MVA-Vektorviren.
■ S. Hornemann, O. Harlin, C. Staib, S. Kisling, V. Erfle, B. Kaspers,
G. Häcker, G. Sutter: Replication of modified vaccinia virus Ankara in
primary chicken embryo fibroblasts requires expression of the interferon resistance gene E3L. J. Virol. 77 (2003) 8394-8407
Diese Veröffentlichung beschreibt die Identifizierung des Vacciniavirus MVA E3L-Proteins als essentiellen viralen Faktor für die Vermehrungsfähigkeit des Virus in Hühnerfibroblasten. Von besonderer Bedeutung sind hierbei Funktionen des E3L Proteins, die die Apoptose
beziehungsweise die Interferonproduktion hemmen.
1. Improved host range selection for recombinant MVA
Angemeldet beim Europäischen Patentamt unter der Nummer
PLA 03A01 am 18.02.2003
2. Vaccinia virus MVA-E3L-Knock-out-mutants and use thereof.
Angemeldet beim Deutschen Patentamt unter der Nummer
101 44 664.0 am 11.09.2001
Nähere Auskünfte:
Dr. Gerd Sutter
GSF-Institut für Molekulare Virologie
Tel.: 089/4140-7443
E-Mail: [email protected]
Auskunft über GSF-Patente sowie Informationen zum
Technologietransfer bei:
Patente & Technologietransfer
Tel.: 089/3187-2481, Fax: 089/3187-4000
mensch+umwelt 3/2003
9
Autumn Lecture 2003
GSF-Doktorandenpreise vergeben
„
M
embranproteine als Angriffsort für Wirkstoffe
in Medizin und Pflanzenschutz“ lautete das
Thema der Autumn Lecture, die im Rahmen
der Jahrestagung des Vereins der Freunde und Förderer
der GSF (VdFF) in Neuherberg stattfand. Festredner war
Prof. Hartmut Michel, Direktor der Abteilung Molekulare
Membranbiologie am Max-Planck-Institut für Biophysik.
Er erhielt gemeinsam mit Prof. Johann Deisenhofer und
Prof. Robert Huber 1988 den Nobelpreis für Chemie. Die
drei Wissenschaftler klärten als erste detailiert die räumliche Struktur eines Membranproteins im photosynthetischen Reaktionszentrum auf.
Stadium ihrer Arbeit hat sie sich auf die technisch
schwierige Suche nach CD83 bindenden Zellpopulationen mit Hilfe der Tetrametertechnik eingelassen. Damit
hat sie den Grundstein für die Identifikation eines
CD 83 Liganden gelegt.
■ Einen weiteren Preis im Bereich Gesundheitsforschung
erhielt Dr. Falk Nimmerjahn. Im Institut für Molekularbiologie und Tumorgenetik konnte er einen neuen Präsentationsweg endogener Proteine auf MHC-Klasse II Molekülen aufklären und dabei die Beteiligung „klassischer“
Komponenten des MHC-Klasse I Präsentationsweges ausschließen. Näher wird seine Arbeit in dem Beitrag „T-Zellen haben das Kommando“ in diesem Heft beschrieben.
■ Preisträger im Bereich Umweltforschung ist Dr. Henrik
Buschmann vom Institut für Biochemische Pflanzenpathologie. Er hat ausgehend von einer in der Arbeitsgruppe phänotypisch beschriebenen Arabidopsis Mutante das entsprechende Gen Tortifolia 1 (tor 1) kloniert. Auf
der Basis bioinformatischer Analysen hat der Forscher
dann Hypothesen zur Struktur und möglichen Funktion
des abgeleiteten Proteins aufgestellt. Tortifolia Mutanten
in Arabidopsis thaliana haben die Fähigkeit verloren, die
Blattstiele gerade auszubilden. Stattdessen kommt es in
tor1 und tor2 Mutanten zu konsistenten rechtsgängigen
Torsionen der Blattstiele. Diese führen zu Drehbewegungen der Laminae während des Zell-Elongationswachstums. Eine unabhängige Mutante, tor3, zeigt dagegen
schächere, aber linksgängige Torsionen. Nachdem der
Preisträger den molekularen Effekt in einer dieser
Die Preisträger und ihre Betreuer: Anton Schäffner,
Preisträger Henrik Buschmann, Preisträgerin Diana Dudziak, Josef Mautner, Preisträger Falk Nimmerjahn, GSFGeschäftsführer Ernst-Günter Afting, Gerhard Laux und
Nobelpreisträger Hartmut Michel (v. l.).
■ Im Anschluss an die Autumn Lecture überreichte Hartmut Michel gemeinsam mit dem wissenschaftlich-technischen Geschäftsführer der GSF, Prof. Ernst-Günter Afting, die von der Münchner Bank eG gestifteten Doktorandenpreise. Die mit jeweils 1500 Euro dotierten Auszeichnungen wurden für zwei hervorragende Promotionsarbeiten aus dem Bereich Gesundheitsforschung
und eine aus dem Bereich Umweltforschung vergeben.
■ Dr. Diana Dudziak wurde im Bereich Gesundheitsforschung geehrt. Sie untersuchte im Institut für Molekularbiologie und Tumorgenetik das auf Zelloberflächen
exprimierte Molekül CD83, das für die Aktivierung von
T-Zellen wichtig ist. Sie konnte beweisen, dass CD 83
zwar eine schwache aber dennoch stimulatorische Aktivität zeigt. Das Molekül ist einerseits ein Zielgen von
EBNA-2, das als eines der ersten viralen Proteine nach
einer Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) exprimiert wird. Das EBV infiziert humane ruhende B-Zellen.
Andererseits legt die Struktur von CD 83 als Mitglied
der Immunoglobulin Supergen Familie eine Funktion
als Rezeptor mit noch unbekannten Partnern oder Liganden nahe. Dudziak hat erstmals funktionell möglicherweise sehr wichtige alternative Spleißformen der
CD83 mRNA identifiziert. Diese löslichen Proteine sind
besonders für therapeutische und immunologische
Ansätze interessant. In einem schon fortgeschrittenen
10
mensch+umwelt 3/2003
Der Nobelpreisträger Hartmut Michel gratuliert dem
Nachwuchswissenschaftler Henrik Buschmann zu seiner
herausragenden Promotionsarbeit im Bereich Umweltforschung.
rechtsdrehenden Mutanten identifiziert hatte, unternahm
er weitere biomathematische Analysen nicht nur an Tortifolia, sondern auch an einer Gruppe von verwandten
Proteinen. Und er war in zweifacher Hinsicht erfolgreich:
Er konnte eine neue Genfamilie in Pflanzen definieren
und zwei interessante Strukturmotive entdecken. Ferner
fand er heraus, dass Mikrotubuli daran beteiligt sind, in
welche Richtung die Zellen wachsen. Werden ähnliche
molekulare Mechanismen auch bei der Kontrolle des
Längenwachstums von Kulturpflanzen gefunden, spielen
diese Ergebnisse für die angewandte Pflanzenforschung
eine große Rolle.
■ Beatrix Leser
Ausgezeichnete interdisziplinäre
Zusammenarbeit
Forscherteam erhielt den Paula und Richard von Hertwig-Preis
Namen &
Nachrichten
■ Dr. Magdalena Götz
hat den Ruf als Direktorin
des neu gegründeten
GSF-Instituts für Stammzellforschung zum 1. Januar 2004 angenommen.
■ Prof. Dr. Dr. H.-Erich
Wichmann, Institut für
Epidemiologie, wurde
zum Präsidenten der
Deutschen Gesellschaft
für medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS) gewählt.
■ Dr. Herbert E. Heilmaier, Institut für Epidemiologie, wurde zum
Schriftführer der Deutschen Gesellschaft für
medizinische Informatik,
Biometrie und Epidemiologie (GMDS) gewählt.
■ Dr. Martin Hrabé de
Angelis, Institut für Experimentelle Genetik, ist
zum C4-Professor an der
TU München ernannt
worden.
Die Preisträger: Dr. Johannes Beckers, Prof. Ulrich Heinzmann, Dr. Gerhard K. H. Przemeck
und Prof. Martin Hrabé de Angelis, v.l.
D
er Verein der Freunde und Förderer
der GSF (VdFF) verlieh im Rahmen
seiner Jahrestagung den Paula und
Richard von Hertwig-Preis für interdisziplinäre Zusammenarbeit 2003. Ausgezeichnet wurde das Forscherteam Dr. Gerhard K.
H. Przemeck, Dr. Johannes Beckers und Prof.
Martin Hrabé de Angelis vom GSF-Institut
für Experimentelle Genetik sowie Prof.
Ulrich Heinzmann vom GSF-Institut für
Pathologie für seine Arbeit „Node and midline defects are associated with left-right
development in Delta 1 mutant embryos“,
erschienen in Development 130, 3-13 (2002).
■ Der mit insgesamt 5000 Euro dotierte
Preis wird seit 1988 vom VdFF für die beste
Publikation verliehen, deren Forschungsergebnisse aus mindestens zwei unterschiedlichen Fachgebieten stammen.
■ In der preisgekrönten Arbeit untersuchte
das Team die Folgen eines Gendefekts der
Delta 1 Knock-out-Maus für die frühe embryonale Entwicklung. Bereits 1997 konnte
Hrabé de Angelis nachweisen, dass der Gendefekt für eine fehlerhafte Entwicklung des
Skelettaufbaus, insbesondere der Wirbelsäule verantwortlich war. Die Wissenschaftler
konnten nun zeigen, dass diese Mäuse neben den groben Fehlern im Wirbelkörperbereich auch Defekte beispielsweise im Aufbau
und speziell in der Lage der Organe haben.
Dass diese Fehlentwicklung schon sehr früh
entsteht, fanden die Genetiker in Kooperation mit dem Morphologen Heinzmann heraus. Mit Hilfe des Rasterelektronenmikroskops stellte Heinzmann fest, dass sich die
Wirbelsäule bereits am fünften Tag während
der Embryonalentwicklung der Maus in ei-
nem primitiven Knoten auszubilden beginnt. Beim Menschen entspricht dies der
dritten Schwangerschaftswoche. In diesem Knoten werden zudem schon relativ
früh die symmetrische Anlage des Körpers, die Anlage der Organe und viele andere Differenzierungen festgelegt. So war
bereits die Struktur des Knotens durch den
Gendefekt verändert. Es befinden sich hier
Zellen mit einem Durchmesser von einem
Zehntel Millimeter. Jede Zelle hat ein Flimmerhaar, das das Fruchtwasser in eine
Richtung bewegt, normalerweise von
rechts nach links. Schlagen diese Flimmerhaare nicht in die gleiche Richtung, kommen zufällige Veränderungen vor. So kann
das Herz etwa rechts statt links plaziert
werden. Ergänzt wurde diese Arbeit durch
methodisch aufwändige Analysen von
zwölf Genen in der Nachbarschaft des Knotens. Dabei fanden die Forscher heraus,
dass bei dem Gendefekt die Signale für die
Fruchtwasserbewegungen nicht an der
richtigen Stelle angeschaltet werden.
Das daraus resultierende Chaos verursacht
die anatomischen Defekte sowohl bei der
Maus als auch beim Menschen.
Die betroffenen Gene beeinflussen aber
nicht nur die Embryonalzeit. Neben Missbildungen können sie später bei einer fehlerhaften Schaltung auch für eine Tumorentwicklung verantwortlich sein. Die
Ergebnisse der preisgekrönten Arbeit
leisten daher nicht nur einen wichtigen
Beitrag zur Grundlagenforschung, sondern
bieten auch neue Ansätze im Bereich
der Onkologie.
■ Beatrix Leser
■ Dr. Harald Seidlitz
wurde zum Leiter der Abteilung für Experimentelle
Umweltsimulation im
GSF-Institut für Bodenökologie ernannt.
■ Dr. Gerd Sutter, Institut für Molekulare Virologie, hat den Ruf an die
Abteilung Virologie des
Paul-Ehrlich-Instituts in
Frankfurt angenommen.
■ Prof. Dr. Piotr Maloszewski, Institut für Hydrobiologie, wurde zum
Vizepräsidenten der International Commission on
Tracers der International
Association of Hydrogeological Sciences gewählt.
■ Dr. Hartmut Führ,
Institut für Biomathematik
und Biometrie, hat sich an
der TU München im Fach
Mathematik habilitiert.
■ Christine Machka,
Institut für Experimentelle
Genetik, wurde auf dem
Internationalen Maus Genom Kongress mit dem
Verne Chapman Preis für
die beste mündliche Präsentation eines Nachwuchswissenschaftlers
ausgezeichnet.
■ Prof. Dr. Klaus Peter
Seiler, ehemaliger Leiter
des Instituts für Hydrologie, wurde von den Vereinten Nationen zum Gutachter für die Bewertung
hydrologischer Großprojekte ernannt.
mensch+umwelt 3/2003
11
Wenn die Haut juckt
Pflastertest entlarvt verantwortliches Allergen
Q
uälender Juckreiz sowie rote
und trockene Haut kennzeichnen ein atopisches Ekzem. Oft
ist es nicht möglich das verantwortliche Allergen eindeutig zu bestimmen, zu viele Faktoren beeinflussen
die genetisch veranlagte Überempfindlichkeitsreaktion. Dieses diagnostische Dilemma scheint nun lösbar
zu sein: Mit dem Atopie-Patch-Test
(APT) – ein Pflastertest – kann man
Allergene wie Gräserpollen, die IgEReaktionen auslösen, in vielen Fällen
exakt feststellen. Das hat die Arbeitsgruppe „klinisch-experimentelle Forschung“ um Dr. Ulf Darsow innerhalb
der Klinischen Kooperationsgruppe
Umweltdermatologie und -Allergologie der GSF / TU München in einer
nationalen Multicenterstudie herausgefunden.
■ Beim APT handelt es sich um ein
lokales Provokationsmodell auf der
Haut: Das schädigende Luftallergen
lässt sich so spezifisch nachweisen.
Für ein positives Testergebnis muss
eine allergische Entzündungsreaktion
auftreten und die epidermale Hautbarriere in der Hornschicht gestört
sein. Bei dem Verfahren werden verschiedene hochmolekulare Antigene
in eine Trägersubstanz, meist Vaseline, eingearbeitet und mit Pflastern
auf die Haut aufgebracht. So entstehen keine verfälschenden Artefakte
durch Manipulationen an der Haut.
Quantifiziert werden die Testergebnisse mit einem europäischen Konsensus-Ableseschlüssel; objektive Messmethoden, etwa mittels Laser, sind
bisher noch nicht zuverlässig genug.
■ Eine klare Aussage ist für Betrof-
fene jedoch sehr wichtig: Nur
wenn sie die entscheidenden Antigene kennen, können sie den Kontakt zu ihnen meiden oder zumindest einschränken. Mittels herkömmlicher Tests ist es Patienten
oft nicht möglich, den Auslöser des
Ekzems zu identifizieren: Zu groß
ist die Zahl der in Frage kommenden Soforttyp-Allergene aufgrund
jeweils erhöhter Titer von Immunglobulin E (=IgE, Antikörper der
Klasse E) im Serum. Das tatsächlich auslösende Antigen der Neurodermitis bleibt bei den Methoden
Prick oder RAST meist unerkannt
unter vielen klinisch irrelevanten
Befunden.
■ Der Erfolg der aktuellen Studien
basiert auf einem multidisziplinären Ansatz: Ergebnisse klinischer Diagnosen, Laborwerte, Immunstatus und Gewebeentnahmen
von Patienten wurden berücksichtigt. Nächstes Ziel der Arbeitsgruppe ist es, das APT-Verfahren europaweit als standardisierte Methode
in der allergologischen Routinediagnostik zu etablieren.
■ Außerdem wollen die Forscher
die Sensitivität des Atopie-PatchTests verbessern: „Entweder werden wir die Allergene höher dosieren – dies allerdings mit erhöhten
Kosten pro Pflaster. Oder wir verbessern die Eigenschaften der Trägersubstanz“, sagt Darsow. Dadurch würde es den überwiegend
polaren Antigenen besser gelingen, in die Haut überzutreten.
■ Heiko Laufenberg
Literatur:
U. Darsow, D. Vieluf, J. Ring: Evaluating the
relevance of aeroallergen sensitization in atopic
eczema with the atopy patch test: A randomized,
double-blind multicenter study. J Am Acad
Dermatol 40 (1999) pp 187-193.
E. Mitchell et al.: Basophils in allergeninduced patch test sites in atopic dermatitis.
Lancet (1982) I: pp 127-30.
Mit Pflastern wird beim APT der
Auslöser des Ekzems ausfindig gemacht. Besonders deutlich reagiert
die Haut dieses Patienten auf das
Hausstaubmilben-Allergen (zweite
Säule v. l., D. pter.). Je höher die aufgetragene Konzentration ist, desto
stärker ist die Haut nach 48 Stunden gerötet (zweite Säule unten).
J. Ring et al.: The "atopy patch test" with
aeroallergens in atopic eczema. J Allergy Clin
Immunol 82 (1989) pp 195 (abstract).
Vor allem auf Hausstaubmilben (Bild links) und
Gräserpollen reagieren viele Menschen allergisch.
12
mensch+umwelt 3/2003
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