Stottern – eine kompensierbare Redeflussstörung

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Sozialpädiatrie
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Stottern – eine kompensierbare
Redeflussstörung
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Cornelia Tigges-Zuzok
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Übersicht
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Strategieansätze der
Stotterertherapie
Ursachen des Stotterns
Typische Einzelbeobachtungen:
Kinder und Jugendliche in der Praxis
Ausblick
25
28
29
31
21
23
Einleitung
sicherheit unter neuen Freunden oder der Weg über
die Schriftsprache, der Wechsel zum Gymnasium, der
Das vielschichtige Phänomen des Stotterns mit allen
Einstieg in den Wunschberuf, eine neue Liebe, oder
seinen Ausprägungs- und Verursachungsformen wird
auch die wie Balsam wirkende Zeit sein, die belastende
von keiner Definition vollständig erfasst. Ebenso wenig
Ereignisse (z. B. die Scheidung der Eltern) langsam
existiert eine bestimmte Stotterer-Persönlichkeit oder
durch neue positive Erlebnisse in den Hintergrund
eine Therapiemethode, die nach der Wunschvorstel-
treten lässt.
lung betroffener Patienten und Eltern das Stottern „an
der Wurzel packt und ausmerzt“ (Abb. 1). Stottern kann
ohne ersichtlichen Grund auftauchen und ohne Thera-
Primäre Herangehensweise
pie wieder verschwinden. Es ist ein unberechenbares
Phänomen, sodass es der Kreativität und Empathie des
Beratung und Therapie bei einem dreijährigen Kind
Therapeuten überlassen bleibt, welche Methode oder
beinhalten sowohl disponierende, Stottern auslösende
Methodenvielfalt für die stotternde Persönlichkeit in
und aufrechterhaltende Faktoren herauszufinden, als
seinem individuellen Lebensumfeld und in einem
auch Stottern lösende oder reduzierende Bedingungen
bestimmten Lebensalter greift oder hilfreich ist.
zu identifizieren, insbesondere durch die kontrollierte
Dialogführung der Eltern unter veränderten situativen
Stottern umgibt trotz ernsthafter wissenschaftlicher
Einflüssen. Beim Grundschulkind und Jugendlichen
Erklärungsversuche eine Aura des Geheimnisvollen,
umfasst die Therapie darüber hinaus, die Stottersymp-
zeigt doch die langjährige Erfahrung, „dass es vermutlich keine Einzelmethode gibt, auch wenn sie noch so
unorthodox oder skurril anmutet, mit der im Einzelfall
nicht tatsächlich eine positive Veränderung der Stö-
Definitionen
█
duell wirksam werden können.
sehr hohen suggestiven und therapeutenspezifischen
Wirkfaktor von Therapiemethoden erklärt werden
█
Stottern auslösende Faktoren fallen durch ihre zeitliche Nähe zum Stotterereignis auf.
█
Stottern aufrechterhaltende Faktoren verstärken die
kann“ [1] – oder durch glückliche Veränderung der
Lebensumstände hervorgerufen wird. So kann es z. B.
die Wohlfühlsituation des Kindes beim Bügeln der
Mutter, beim Rollenspiel, die zunehmende Sprech-
Pädiatrie up2date 1
Disposition bedeutet eine Veranlagung als Voraussetzung dafür, dass schädigende Einflüsse indivi-
rung herbeigeführt werden könnte, was durch den z. T.
Störung, erschweren ihre Rückbildung und können
zur Chronifizierung führen.
ê 2012 ê DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0031-1291877 ê VNR 2760512012137990845
Downloaded by: Thieme E-Books & E-Journals. Copyrighted material.
Einleitung
Primäre Herangehensweise
Stottersymptomatik
Differenzialdiagnostik
Screenings und Messverfahren
Beratung und Therapie
bei Kindern im Vorschulalter
Therapie bei Kindern
im Schulalter
Stottern – eine kompensierbare Redeflussstörung
Abb. 1 Keine
Lösungen von der
Stange – ebenso
vielfältig wie die
Erscheinungsformen des Stotterns
können die Ansätze
zur Therapie sein.
Quelle: Fotolia.
stottern beginnen. Nach Wirth [2] beginnt Stottern in
66 % der Fälle während der Sprachentwicklung im
dritten bis sechsten Lebensjahr, weniger häufig zum
Zeitpunkt der Einschulung im sechsten bis achten
Lebensjahr, selten während der Pubertät im 12. bis
15. Lebensjahr und noch seltener erst im Erwachsenenalter.
Obwohl der Begriff „Entwicklungsstottern“, den Wirth
für die „physiologische Phase nichtflüssigen Sprechens
während der Sprachentwicklung, also zwischen dem
dritten bis sechsten Lebensjahr, verwendet, von manchen Stotterexperten als obsolet bezeichnet wird, trifft
er doch auf den überwiegenden Teil unserer stotternden Kinder in dieser Altersklasse zu. Auch Johannsen
und Schulze [3] sprechen von einem dem Kind „nur in
seiner augenblicklichen kognitiven und linguistischen
tome unter Berücksichtigung der damit verbundenen
Entwicklung zukommenden physiologischen Stottern“.
Einstellungen direkt anzugehen. Dabei werden Verhal-
Es handelt sich also um ein vorübergehendes Auftreten
tensweisen und Persönlichkeitsvarianten im emotio-
einer Sprechunflüssigkeit mit oder ohne Störbewusst-
nal-affektiven und kognitiven Bereich mit den zur
sein, das mit zunehmender Sprechsicherheit sistiert.
Verfügung stehenden Therapiemethoden dahingehend
gelenkt, dass sich hieraus der individuelle Therapie-
Cave: Reagieren Eltern mit deutlicher Sorge und
ansatz für das Kind ergibt.
Angst auf die beginnende Stottersymptomatik, so
wird das Kind entscheidend verunsichert. Es
Das Phänomen Stottern lässt sich in seiner Komplexität
strengt sich an, die Symptome zu unterdrücken, so
anhand typischer Fallbeispiele erklären und wirft eine
dass die Gefahr eines sich chronisch entwickelnden
Vielzahl von Fragen auf, als da wären:
Stotterns besteht. Die Gefahr einer Chronifizierung
█
Ist Stottern vererbbar?
ist auch bei denjenigen Kindern gegeben, die von
█
Ist Stottern ein Anzeichen erhöhter Sensibilität oder
Anfang an ein ausgeprägtes Störbewusstsein sowie
psychischer Probleme?
Leidensdruck haben und sich über ihre Sprachun-
Beruht Stottern auf unterschiedlichen Wahrneh-
terbrechungen aufregen.
█
mungs- und Identitätsproblemen?
█
Ist das Elternverhalten ein Mitauslöser des Stotterns?
█
Warum reagieren manche Kinder auf angeblich
Herausbildung in der Anfangsphase
Stottern begünstigendes, rigides Elternverhalten
nicht mit Stottern?
Der Beginn des Stotterns kann schleichend-graduell mit
anfänglich lockeren Silbenwiederholungen oder aber
ganz plötzlich in dramatisch ausgeprägter Form mit
Stottersymptomatik
zusätzlichen Silbendehnungen, vermehrter Muskelanspannung und Atemstörung auftreten. Für den plötz-
Das Erscheinungsbild wechselt von muskulär span-
lichen Beginn des Stotterns werden ganz überwiegend
nungsarmen Wiederholungen (= klonische Symptome)
gravierende Ereignisse wie Scheidung, Todesfall, beruf-
bestimmter Laute, Silben und Wörter bis hin zu Deh-
licher Stress der Eltern (z. B. durch Prüfung mit unge-
nungen und Blockaden bei überhöhter Anspannung
duldigem Verhalten dem Kinde gegenüber) oder auch
artikulatorischer und/oder laryngealer Muskeln, in
die Geburt eines Geschwisterkindes angegeben.
unwillkürlichem Auftreten und Unkontrolliertheit des
Redeflusses und der Atmung (= tonische Symptome).
Das Stottern tritt bei Vorschulkindern noch so uner-
Auch schwer stotternde Personen können unter
wartet spontan auf, dass sie ihr Stottern nicht im
bestimmten kontrollierten Bedingungen unauffällig
Voraus antizipieren können, während ältere chronisch
reden. Meist sprechen diese Kinder anfangs flüssig, bis
Stotternde schon vorher wissen, in welchen Situatio-
sie im Alter von zweieinhalb bis drei Jahren bei zuneh-
nen und bei welchen Worten sie stottern werden. Sie
mender Satzbildung und Komplexität der Sprache zu
ersetzen dann bewusst Worte, bei denen vermutlich
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Sozialpädiatrie
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oder aktuell spürbar Symptome auftreten können.
Manche Stotterer finden blitzschnell ein Ersatzwort
Kasuistik: Robert, 5 Jahre
und wirken dadurch völlig unauffällig oder sogar als
In einem weiteren Fall in unserer
haltung – wie nach unseren Beob-
eloquente Sprecher. Andere reden wie manche Politiker mit Einschüben („ähm“) als Schwungrad für nach-
Praxis verlief die Sprachentwicklung sehr zügig, syntaktisch
achtungen fast alle Akademiker
und mittlerweile sukzessive auch
denkliches, besonnenes Sprechen; es wirkt wie ruhiges
komplex, grammatikalisch und
die Nichtakademiker. Aus der
Sprechen mit Denkpausen. Dieser Effekt könnte darauf
artikulatorisch mit fünf Jahren
Anamnese ergab sich, dass die
hinweisen, dass Stotterereignisse an bestimmte Stimuli
korrekt, als uns Robert vorgestellt
Mutter während ihrer Kindheit
wurde. Die Eltern waren Akademi-
und Jugend ebenfalls gestottert
ker, sprachen auffallend schnell
hatte und heute – auch ohne The-
und zeigten gegenüber ihrem
rapie – sehr eloquent spricht.
gebunden sind [3]. Die sehr geschickte Stottertarnung
ist ebenfalls eine Form des Stotterns, die allerdings
deutlich macht, dass Stottern nicht objektiv gemessen
werden kann und überdies stark situationsabhängig ist.
Kind eine sehr hohe Erwartungs-
Scham, Frustration, Aggression oder Regression, dabei
nicht unmittelbar sichtbar [4].
Neurophysiologische Faktoren beeinflussen das Stottern. Wir umschreiben das Stottern gern als eine
Ursachen
Befindlichkeitsstörung, die durch unangemessene
Reaktionen des sozialen Umfelds verstärkt wird. Stot-
Über die Ursachen des Stotterns wird viel spekuliert.
tern mit klonischen Symptomen wird in seinem Verlauf
Stottern tritt gehäuft familiär auf. Es wird angenom-
allgemein günstiger eingeschätzt als der Verlauf des
men, dass nicht das Stottern an sich, sondern die Ver-
tonisch-klonischen Stotterns. Dabei gibt es jedoch
anlagung dazu vererbt wird [5]. Für den schleichenden
immer wieder Fälle, die dieser Regel nicht entsprechen.
Beginn und zunehmende Verschlechterung des Rede-
Wir haben z. B. ein hochsensibles elfjähriges Mädchen
flusses werden disponierende und aufrechterhaltende
in Sprachtherapie, das trotz 20 Sitzungen die unkon-
Faktoren wie eine langsamere und damit anfälligere
trollierten, nicht steuerbaren Wiederholungen nicht
Sprachentwicklung mit Artikulationsstörungen,
stoppen kann, zwischendurch aber flüssig spricht. Es
Leseschwäche, Ausdrucksschwierigkeiten verbunden
spricht impulsiv und regt sich heftig über angebliche
mit Lautängsten und situativen Versagensängsten und
Ungerechtigkeiten und Ärgernisse auf. Dabei fällt das
Kommunikationsstörungen in Erwägung gezogen. Bis
klonische Stottern besonders auf.
auf eine erhöhte Sensibilität konnten wir keine Unterschiede in der Persönlichkeitsstruktur, im psychoso-
Andererseits erleben wir immer wieder hochdrama-
zialen Umfeld oder in der Intelligenz feststellen.
tisch wirkende Fälle, deren tonisch-klonische Symptomatik unerwartet in einer Spontanremission nach
Neben der Suche nach der genetischen Ursache wird
teilweise nur einer Behandlung oder bis zu maximal
der Frage nachgegangen, welche Faktoren Stottern
10 Sitzungen im Vorschulalter endet. Jeder Stotterer
auslösen können. Bedingungen, wie traumatische
zeigt ein individuelles Stottersprechprofil. Im Gegensatz
Kindheitserlebnisse oder ein hektischer Geschäfts-
zu den äußeren körperlichen Symptomen sind die
haushalt, die eine Stottern auslösende Wirkung haben,
inneren psychischen Symptome des Stotterers wie
bewirken nicht bei allen Kindern ein Stottern. Über
Gefühle, Reaktionen und Einstellungen, wie Angst,
diese hypothetischen Annahmen hinausgehend gibt es
bisher noch keine wissenschaftliche Fundierung.
Fazit
„Die Variablen, die tatsächlich für die Herausbildung
Remission
eines kindlichen chronischen Stotterns relevant sind,
sind also bis heute nur vorläufig bekannt. Trotz des
60 – 80 % der stotternden Kinder verlieren das Stottern
Vorliegens zahlreicher Richtlinienschemata lässt sich
wieder bis zur Pubertät [6], ein weiterer Teil nach
daher noch keine eindeutige Abgrenzung zwischen
unseren Erfahrungen auch noch später nach einer über
physiologischem Entwicklungsstottern und echtem
längere Zeit verteilten Therapie von insgesamt 10 – 20
chronischen Stottern vornehmen; insbesondere lässt
sich nicht sicher voraussagen, ob sich aus einem Entwicklungsstottern ein echtes Stottern entwickelt“ [2].
Sitzungen. Dabei ist das Ergebnis der Therapie so
unberechenbar und wenig vorhersehbar wie das Stottern selbst.
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Individuelle Profile
Stottern – eine kompensierbare Redeflussstörung
wird von einer Prävalenz (Verbreitung) bei präpuber-
Kasuistik: Andreas, 23 Jahre
tären Schulkindern von etwa 1 % ausgegangen. Auf-
Ein inzwischen 23-jähriger Stu-
jahrelang seine weiteren „Thera-
grund der hohen Spontanremissionsrate kann bei Vor-
dent, der bereits im Alter von fünf
Jahren zwanzig Sitzungen in unse-
piebegleiter“ im Alltag.
Als er uns dann als Erwachsener
schulkindern von einer höheren Prävalenz ausgegan-
ren Institut erhalten hatte, stot-
aufsuchte, fragte ich ihn, was er
terte nach dieser ersten Serie
studierte. „Politologie“ ist die
immer noch, auch nach der
Antwort. Er führte ein ruhiges,
anschließenden „Del Ferro“-The-
flüssiges Gespräch mit mir. Die
rapie in den Niederlanden und
früher heftigen Verkrampfungen
nach zehn weiteren Sitzungen bei
der Sprechwerkzeuge zeigten sich
uns als Neunjähriger. Gute Leistungen in der Schule, wertschät-
nur ansatzweise gelegentlich und
allenfalls dem genauen Beobach-
zende Lehrer und Freunde waren
ter und Kenner der Störung.
gen werden“ [3].
Differenzialdiagnostik
Zunächst ist bei einem unflüssig sprechenden Kind zu
klären, ob es sich noch um eine Entwicklungsunflüssigkeit als Durchgangsphase der Sprachentwicklung (auch
physiologische oder entwicklungsbedingte Sprechunflüssigkeit, sog. „Entwicklungsstottern“) ohne stottertypische Symptome handelt oder ob die Gefahr einer
Ambrose und Yairi konnten Remissionen noch vier
überdauernden, sich chronifizierenden Störung droht.
Jahre nach Stotterbeginn feststellen [7]. Bei den von
Hierzu ist die Beobachtung des Sprachverhaltens beim
ihnen dokumentierten Kindern wurde kein Zusam-
Vorschulkind im Rollenspiel mit den Eltern unerläss-
menhang zwischen der Stärke des Stotterns und der
lich, z. B. am Kaufladen oder mit der Eisenbahn und bei
Wahrscheinlichkeit einer Remission gefunden. Das
einer Märchenerzählung anhand von Bildern. Nach
Stottern verschwand sowohl mit Therapie, wenn die
dem fünften Geburtstag lassen wir eine Tierfabel nach-
Eltern sie wünschten, als auch ohne Therapie. Dass sich
erzählen und setzen damit das Kind bewusst einer
das Zeitfenster für die Remission –wie oft behauptet –
erhöhten Anstrengung aus.
mit Beginn der Pubertät schließt, konnten wir nicht
generell beobachten. Auch nach dem Abitur, nach der
Es gibt Abgrenzungskriterien, nach denen eine „noch
Ausbildung oder sinnerfülltem Studium traten Verbes-
normale“ Sprechunflüssigkeit von einem Stottern
serungen bis hin zur expressiven Unauffälligkeit ein.
unterschieden werden kann (s. differenzialdiagnostische Unterscheidung Tab. 1). Gleichwohl besteht keine
Über Spontanremissionen ohne Therapie gibt es keine
Garantie, dass sich aus der Sprechunflüssigkeit nicht
genauen Angaben. Begründet wird dies häufig damit,
noch ein Stottern entwickelt. Als Konsequenz schließen
dass es ethisch nicht vertretbar sei, einem symptoma-
wir zu Behandlungsbeginn bei jedem Kind der initialen
tischen Kind die Therapie vorzuenthalten. Die Mög-
Elternberatung immer auch eine Therapiesitzung an,
lichkeit einer Spontanremission besteht im Vorschul-
um die Voraussetzungen für flüssiges Sprechen aufzu-
alter zu etwa 70 %, im Schulalter zu etwa 60 % und im
zeigen und um damit die Eltern wie auch ihr Kind
Schulalter bei einer zuvor länger als 5 Jahre anhalten-
abzusichern. Ebenso werden Stottern auslösende und
den Stottersymptomatik zu etwa 20 % [8]. „In jedem Fall
Stottern aufrechterhaltende Faktoren eruiert und
remittiert eine große Anzahl ohne therapeutische
dokumentiert. In seltenen, sehr dramatisch imponie-
Behandlung. Verlässliche Prädiktoren dafür, welche
renden Ausnahmefällen begleiten wir Eltern und Kind
Kinder spontan remittieren, liegen nicht vor. Allgemein
bis zur Schulzeit mit insgesamt maximal zehn Kontrollsitzungen (Coaching statt übender Therapie in der
Praxis).
Ausschlussdiagnosen
Analog den Leitlinien für Diagnostik und Therapie der Deutschen
Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
(DGKJP) [8]
Rückbildung
In den meisten Fällen versandet bei zunehmender
neurologische Erkrankung, die
Sprechsicherheit und optimierten Sprechbedingungen
keit (z. B. vorübergehendes
zur Störung des Sprechrhyth-
„Entwicklungsstottern“ in der
das kindliche Stottern bis zum sechsten Geburtstag.
mus führt (insbesondere infanti-
Wenn sich in Einzelfällen entgegen den Erwartungen
frühen Kindheit)
le Zerebralparese oder Erkran-
Ticstörungen (F95)
kungen des extrapyramidalen
das Stottern manifestiert, bieten die Schriftsprache,
█
█
Poltern (F98.6)
Systems)
Zwangsstörungen (F42)
█
physiologische Sprechunflüssig-
█
█
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schulische Leistungserfolge und ein gutes Lernumfeld
die Chance, dass sich während der Schule und Ausbildung die Redeflussstörung mit phasenweise unterstüt-
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Sozialpädiatrie
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Tabelle 1
Differenzialdiagnostische Unterscheidung.
Sprechunflüssigkeit
Stottern
Poltern
Satzteilwiederholungen
–
Wortwiederholungen
einsilbige Wörter
überhöhte Sprechgeschwindigkeit mit spannungslosen Wortund Silbenwiederholungen
bis zu drei Mal
Silbenwiederholungen
bis zu neun Mal mit Sprechtempoerhöhung, nicht steuerbar
1
2
Laut-/ Silbendehnungen
max. 1 Sekunde
mehr als 1 Sekunde
nein
Blockierungen vor/im Wort
nein
ja
nein
Anstrengung und Anspannung in
Gesicht, Kiefer-, Lippen-, Halsmuskulatur
nein
ja
nein
Tonhöhen- und/oder Lautstärkeanstieg
nein
ja
nein
Störung der Atmung
nein
ja
nein
Pausen
dem kognitiv-linguistischem
Stand entsprechende stille Wortund Satzplanung mit Pausen
stille Pausen zur linguistischen
Planung eines Wortaustauschs
nein
überschießende Wort- und
Satzplanung
dem kognitiv-linguistischem
Stand entsprechende überschießende Wort- und Satzplanung
mit Sprechhast
nein
sprachliche Strukturierungsschwäche mit Wortfindungsstörungen; bei erhöhter Konzentration: besserer Redefluss und
undeutliche verwaschene Artikulation
Sprechangst
nein
ja
nein
Störbewusstsein
nein
ja
nein, bei eingeschränkter
Symptomwahrnehmung
Blickkontakt
vorhanden
unstet, vermeidend
vorhanden
(Verdachts-)Diagnose
„Verdacht auf Entwicklungsstottern“, wenn eine Remission
für sehr wahrscheinlich gehalten
wird (bei ca.75 % aller stotternden Vorschulkinder!)
„Balbuties“, wenn entwicklungsbedingte Sprechunflüssigkeiten
schon zusammen mit stottertypischen Sprechunflüssigkeiten
auftreten1
Poltern
Verordnungsempfehlung 2
obligat
individuell im Vorschulalter
individuell im Schulalter
eine Beratungssitzung
eine Beratungssitzung
max. 10 Kontrollsitzungen,
z. B. ¼-jährlich
10 Sitzungen u. ggf. Folgeverordnungen
eine Beratungssitzung
eine Kontrollsitzung
10 Sitzungen u. ggf. Folgeverordnung
Dies geschieht hauptsächlich, um die Eltern nicht zusätzlich zu beunruhigen. Wird ein überwiegend entwicklungsunflüssiges Kind fälschlicherweise als stotterndes Kind diagnostiziert, resultiert daraus nach unserer Erfahrung nicht selten eine „self fulfilling prophecy“ (selbst erfüllende Prophezeiung).
Die Entscheidung bezüglich einer Beratungssitzung bei jedem Kind, einer Kontrollphase mit max. 10 Kontrollsitzungen im Vorschulalter oder einer Therapiephase mit 10 Sitzungen
und Folgeverordnungen im Schulalter muss einzelfallabhängig unter Berücksichtigung der Individualsituation erfolgen, d. h. der physiologischen, psycholinguistischen und psychosozialen Bedingungen des Kindes.
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Lautwiederholungen
Stottern – eine kompensierbare Redeflussstörung
Screenings und Messverfahren
Tabelle 2
Kriterien: Risikokind für chronisches Stottern.
Ein anamnestischer Elternbogen für die pädiatrische
Praxis ist die SLS Screening List for Stuttering nach Riley
Dauer
Die Redeunflüssigkeit dauert länger als 6 Monate an.
Verlauf
Das Stottern des Kindes hat sich von zunächst spannungsfreien Wiederholungen zu Blockierungen weiterentwickelt. Es kommen Mitbewegungen des Gesichts,
des Rumpfes oder der Extremitäten hinzu.
[9]. Die SLS ist kein Instrument für die logopädische
Diagnostik, sondern kann im Vorfeld aufzeigen, ob eine
solche erforderlich ist. Eine für die Praxis ausreichende
Entscheidungshilfe kann allerdings ebenso gut mittels
gezielter selbstformulierter Fragen an die Eltern entsprechend der vorstehenden Kriterienliste erreicht
Art der Symptomatik
Es treten Dehnungen mit Tonhöhen- oder Lautstärkeanstieg und Blockierungen mit sichtbarer Anstrengung
auf.
werden.
Reaktionen des Kindes
Das Kind selbst zeigt deutliche Reaktionen auf seine
Redeunflüssigkeit.
wurde 2011 der Redeflusskompass Version 2.0 vorge-
Sprachentwicklung
Das Kind hat deutliche Defizite in der Sprachentwicklung.
anleitung und den Bogen zum Screening können kos-
Einstellung der Eltern
Die Eltern äußern die Überzeugung, dass das Stottern
sich gefestigt hat und zeigen Sorge und Angst.
Zur quantitativen Erfassung hat sich das Messen und
familiäre Belastung
Mindestens ein weiteres Familienmitglied oder enger
Verwandter stottern ebenfalls.
Von Braun, Baumann und Bolthauser in der Schweiz
stellt, der als deutschsprachige Version ein praktikables
Werkzeug für die Praxis darstellt. Die Durchführungstenlos aus dem Internet geladen werden [10].
Zählen der Stotterereignisse etabliert, obwohl hierdurch
situationsabhängig eine weitere Stressquelle entstehen
kann. Als natürliche Grenze wird für englisch- und
deutschsprachige Kinder eine Häufigkeit von drei stotzender Sprachtherapie bis zur Unauffälligkeit zurück-
tertypischen Sprechunflüssigkeiten auf 100 Silben
bildet. Sprechunflüssigkeit und Sprechhast können
angenommen. „Trotzdem sollte sich die Diagnose nicht
aber auch als Restsymptome der Rückbildungsprozesse
allein auf das Zählen stottertypischer Sprechunflüssig-
bestehen bleiben. Trotz frühzeitiger Intervention im
keiten beschränken, denn zum einen könnte die Stot-
Vorschulalter wird bei genetischer Disposition und in
terhäufigkeit in der Untersuchungssituation nicht
belastenden Lebenssituationen das Stottern dennoch
repräsentativ sein und zum anderen könnte das Kind
immer wieder auftreten und sich erneut manifestieren.
durch ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten das
Neben der physiologischen Sprechunflüssigkeit ergibt
hierzu Natke [3].
Auftreten von Stotterereignissen verhindern“ bemerkt
sich in der pädiatrischen Alltagspraxis als häufigste
differenzialdiagnostisch abzugrenzende Redefluss-
Ungeachtet dessen werden weitere Tests entwickelt,
störung das Poltern. Die DGKJP definiert Poltern als
durch welche die schon bekannten Unterschiede zwi-
„eine Redeflussstörung, die durch eine überstürzte und
schen Sprechunflüssigkeiten und Stottern, aber auch
unregelmäßige Sprechweise gekennzeichnet ist und
der Schweregrad des Stotterns gemessen und künftig
mit einer Beeinträchtigung der Verständlichkeit ein-
besser abgebildet werden sollen. Das eigentliche Phä-
hergeht. Die Störung liegt in der gedanklichen Vorbe-
nomen „Stottern“ entzieht sich allerdings üblichen
reitung, nicht im Sprechvorgang selbst“.
Kategorisierungsschemata. Es macht so gesehen – weil
es die Vielzahl seiner Facetten bisher nicht in Zahlen
Generell ergibt sich die Diagnose aus der Beobachtung
fassen lässt – konventionell arbeitende Wissenschaftler
des Redeflusses mit den typischen Symptomen. Zwi-
nicht glücklich, wobei der aus unserer Sicht fragwür-
schen Sprechunflüssigkeit, beginnendem Stottern und
dige offene Einsatz einer Stoppuhr beim stotternden
Poltern bestehen die in Tab. 1 genannten differenzial-
Kind keinen Anreiz im Sinne einer Wettkampfatmo-
diagnostischen Unterscheidungsmerkmale.
sphäre auslöst. Vielmehr sollte die Bewertung des Therapieerfolgs am Sprechen im Alltag und nicht am Spre-
Die Zuordnung eines Kindes in die Kategorien eines
chen in einer standardisierten Untersuchungssituation
physiologischen Stotterns oder eines Risikokindes für
erfolgen [8].
(chronisches) Stottern wird unterstützt durch weitere
Kriterien, die sich aus der gezielten Befragung der
Eltern ergeben (Tab. 2; in Anlehnung an Johannsen [1]).
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Sozialpädiatrie
Beratung und Therapie
bei Kindern im Vorschulalter
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Eine längere Überwachungsphase mit regelmäßigen
Kontrollsitzungen – bisweilen bis zur Schulreifeuntersuchung – ist in der Regel erforderlich. Bestehen noch
Weder bei den normalen Sprechunflüssigkeiten noch
Defizite in Wortschatz, Satzbildung und Artikulation,
bei stottertypischen Symptomen kann vorausgesagt
erhalten die Eltern ein altersgerechtes Übungspro-
werden, ob eine Spontanremission eintritt oder die
gramm. Falls eine Sprachtherapie erforderlich wird,
Sprechunflüssigkeit zum Stottern manifestiert und
arbeiten wir schwerpunktmäßig an diesen Defiziten.
dann einen chronischen Verlauf nehmen kann. Hilf-
Mit zunehmender Erzählfähigkeit und Sprechsicher-
reich zur Einschätzung, dass es sich nicht um patholo-
heit bilden sich in den allermeisten Fällen die Sprech-
gische Sprechunflüssigkeiten handelt, ist die Kenntnis
unflüssigkeit aber auch ein beginnendes Stottern bis
des Stotterns in seiner individuellen Entwicklung über
zur Schulreife zurück. In der ärztlichen Verordnung
eine mehrjährige Verlaufsbeobachtung und der Bedin-
steht in derartigen Fällen als Hauptsymptomatik
gungen für seinen Abbau in der Einzelfallbeobachtung
„Sprachentwicklungsverzögerung (SEV)“.
Die Prognose einer Spontanremission ist in der Regel
bei Sprechunflüssigkeit günstiger als beim Stottern.
Therapieinhalte bei Sprechunflüssigkeiten
und grenzwertigem Stottern
Das bedeutet jedoch nicht generell, dass ein stotterndes
Kind normalerweise lebenslang weiter stottern wird.
Die Abgrenzung zwischen Sprechunflüssigkeit und
Die in kontinuierlicher Arbeit mit betroffenen Kindern
beginnendem Stottern sollte günstigenfalls möglichst
gesammelten Erfahrungen zeigen, dass es Stottern
schnell nach Eintritt der Symptomatik erfolgen und
auslösende und aufrechterhaltende Situationen, aber
nicht erst nach Monaten bangen Abwartens durch die
auch Stottern reduzierende und Stottern lösende Maß-
Eltern. Wenn sich das Kind in seinem Sprachverhalten
nahmen gibt.
von den Eltern sorgenvoll beobachtet fühlt, wirkt sich
diese „Observation“ keinesfalls förderlich auf die
Sprechsicherheit aus, sondern verunsichert das Kind
Tipp
zunehmend. Bestimmte Voraussetzungen für eine gute
In der Praxis wird bei uns den besorgten Eltern in
Sprachentwicklung werden den Eltern bereits in der
einer Beratungs- und einer Therapiesitzung von
ersten Beratungssitzung mit dem Kind gezeigt. Der
60 Minuten auch schon bei noch normal erscheinen-
wichtigste Rat der Experten für eine gute Sprachent-
den Sprechunflüssigkeiten demonstriert, wie sie
wicklung ist aber immer noch, „mit dem Kind freudig
stotterauslösende Verhaltensweisen reduzieren und
flüssiges Sprechen fördern können. Diese individuellen Empfehlungen werden ihnen schriftlich als
Übungsprogramm mitgegeben.
zu kommunizieren“ [11, 12].
Es ist sinnvoll, entwicklungspsychologische Fragen, die
mit dem Spracherwerb verbunden sind, in den Vordergrund zu stellen [1]. Eltern müssen Kenntnisse über
den Verlauf der normalen Sprachentwicklung und sei-
Die Diagnose, dass es sich um noch normale Sprech-
ne Variabilität erhalten, um ggf. ihr überkritisches
unflüssigkeiten handelt, führt bei den Eltern zur
Anspruchs- und Erziehungsverhalten reflektieren zu
Erleichterung und zu einem entspannteren Kommuni-
können. Dabei lernen sie, welches Verhalten dem
kationsverhalten mit ihrem Kind. Nach drei Monaten
Wohlbefinden ihres Kindes zuträglich ist, um ein ruhi-
ist eine Kontrollsitzung wegen „physiologisch beding-
ges, sprachförderliches Gesprächsklima zu schaffen.
tem Stottern“ oder „Balbuties“ sinnvoll, um den weiteren Entwicklungsverlauf der Sprache zu beobachten. In
Schnell und ohne Pausen sprechende Eltern machen es
vielen Fällen ist schon diese eine Kontrollsitzung zur
dem Kind schwer, unter Zeitdruck selbst zu formulie-
Absicherung der Eltern und für das zukünftige Vermei-
ren. Abbau des Zeitdrucks und das Einlegen von Pausen
den Stottern auslösender Situationen ausreichend. Falls
zwischen Sprecherwechseln erleichtern dem Kind das
hingegen noch keine Besserung eingetreten ist, zeigen
flüssige Sprechen. Stottern provozierende Einflussfak-
wir den Eltern, wie sie sich bei weiterhin auftretenden
toren im Alltag sind vielfältig und nur individuell bei
Sprechunflüssigkeiten verhalten, z. B. in der Dialog-
jedem stotternden Kind zu regulieren mit dem Ziel, die
oder Bilderbuchsituation durch gezielte Fragetechni-
Chronifizierung des Stotterns zu vermeiden. Stattdes-
ken, die der Flüssigkeitsstufe des Kindes angepasst
sen schaffen wir sprachförderliche und sprachunter-
sind.
stützende Situationen wie das Wechselgespräch am
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und Dokumentation.
Stottern – eine kompensierbare Redeflussstörung
Tipp
Eltern erwarten vor allem Hilfestellung, wie sie sich
gegenüber ihrem Kind sprachlich verhalten sollen,
wenn eine Stotterphase eintritt. Das Abwarten bei
Stotterblockaden oder bei bis zu neunmaligen Wiederholungen ist für alle Beteiligten qualvoll (Abb. 2).
Wir ersetzen es durch gezielte Zwischenfragen, die
das Sprachkonzept des Kindes stützen, es flüssig
weiter reden lassen und seinen Redefluss stabilisieren. Merken wir, dass nach dreimaliger Wiederholung
das Kind weiter an dem kritischen Wort hängen
bleibt, sprechen wir es betont und gemeinsam mit
dem Kind.
Abb. 3 Ein zugewandtes und empathisches Umfeld ist Vorraussetzung, um Spannungen abzubauen. Quelle: Dynamic Graphics,
Symbolbild.
Kaufladen oder mit Bilderbuch, Märchenerzählungen
oder bei einem Rollenspiel.
Entwicklung des Stotterns
Das Kind imitiert diese Sprechweise, betont dann allmählich selber und kommt so über die Sprachmelodie
Trotz der statistisch hohen Wahrscheinlichkeit einer
in die flüssige Rede. Bei steigendem Selbstvertrauen
Remission von mehr als 80 % und regelmäßiger Bera-
und Sprechsicherheit in der Wohlfühlsituation rückt
tungs-, Kontroll- und Therapiesitzungen entwickeln
nicht das Sprechen, sondern das Spiel oder das Buch ins
sich bei wenigen Kindern oder Jugendlichen aus den
Zentrum seiner Aufmerksamkeit. Es ist dann nicht
anfangs normalen Sprechunflüssigkeiten später
mehr angespannt.
zunehmend häufiger Wiederholungen mit Anstrengungsbereitschaft und letztlich ein Vermeidungsver-
Für manche Eltern ist es aufgrund ihrer übergroßen
halten.
Ängstlichkeit und Besorgnis anfangs kaum mehr möglich, freundliche, sich ihrem Kind zuwendende
Die Entwicklung der Stottersymptomatik erfolgt zumeist
Gesprächspartner zu sein. Diesen empathischen Reso-
nicht schleichend-linear sondern in Sprüngen. Phasen
nanzboden zu vermitteln ist aber wichtig für das emo-
des nahezu flüssigen Sprechens wechseln mit denen
tionale Wohlfühlen des Kindes – und durch therapeu-
des Stotterns. Nach Yairi [13] zeigen ein Drittel der
tisches Vorbild den Eltern aufzuzeigen (Abb. 3).
Kinder ein sofortiges Stottern in heftiger Ausprägung.
Yairi erklärt dies als Symptom neurophysiologischer
Veränderungen. Andere Autoren deuten es als Kennzeichen einer emotionalen Reaktion [14].
Abb. 2 Stotterblockaden
sind belastende Erlebnisse
für Kind und Gesprächspartner. Quelle Fotolia.
Im Alter von 6 bis 7 Jahren sind nach Bloodstein Wiederholungen das dominante Merkmal des Stotterns
[15], aber auch Dehnungen und Blocks sind in allen
Altergruppen zu beobachten. Die Anzahl derjenigen
Kinder, die als einzige Symptome anstrengungslose
Wiederholungen und Dehnungen aufweisen, nimmt
von 43 % im Alter von 2 bis 3 Jahren auf nur noch 4 % im
Alter von 14 bis 16 Jahren ab. Die Zahlenangaben zur
Remission sind damit widersprüchlich.
Cave: Die ersten emotionalen Reaktionen des
Kindes auf das Stottern sind häufig Irritation, Frustration und Ärger, wenn das Sprechen nicht mit der
Sprechplanung koordiniert werden kann (Abb. 4).
Das Kind ist sich seiner Sprechunflüssigkeiten
bewusst. Es beginnt, auf sein Sprechen zu achten
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Sozialpädiatrie
23
Auch Erwachsene müssen trotz entsprechender Anlage
nicht stottern, wenn sie auf gewisse Bedingungen des
flüssigen Sprechens achten, gelegentlich Kontrollmechanismen einsetzen und auf die Sprechsituation vorbereitet sind. Menschliche Alltagserfahrung ist allerdings, dass man seine Reaktionen im täglichen Leben
nicht immer und allerorts kontrollieren kann. Die Ausprägungsart des Stotterns und Unterschiede im Temperament und in der Persönlichkeit (Resiliance) sowie
der Lebensphase scheinen bei der Prognose jeweils
eine eigene Rolle zu spielen.
Abb. 4 Wenn Kinder sich der Sprechunflüssigkeiten bewusst
werden, stelllt sich Frustration ein. Quelle: Diamar, Symbolbild.
Anfangslaute oder Silben oder es spricht sie an-
Therapie bei Kindern
im Schulalter
gestrengt. Mit zunehmender Selbst- und Fremdbeobachtung – wie auch der Besorgnis der Eltern –
Stottern in seiner Entstehung, seiner Aufrechterhaltung
entwickeln sich beim Kind Versagensängste. Sobald
und seinem Verlauf wird von multiplen, koexistieren-
Frustration, Angst vor dem Sprechen und Vermei-
den und miteinander interagierenden Faktoren phy-
dungsverhalten den Redefluss in unterschiedlicher
siologisch-organischer, psychosozialer und psycholin-
und wechselnder Ausprägung irritieren und moto-
guistischer Natur beeinflusst [1]. Die für jedes Kind
risch blockieren, kann sich das Stottern verselbst-
spezifischen Komponenten, die den chronischen Ver-
ständigen.
lauf seines Stotterns steuern, müssen in einer prozesshaft orientierten Diagnostik aufgedeckt und eine daraus
resultierende Methoden kombinierende Individual-
Prognose
therapie abgeleitet werden. Die direkte Behandlung des
Kindes beinhaltet eine Ausweitung des bereits vorhan-
Während bei Sprechunflüssigkeiten und beginnendem
denen flüssigen Sprechmusters durch ein Sprechauf-
Stottern eher präventive Maßnahmen in Form von
bauprogramm mit Hilfe einer positiven Verstärker-
Beratungs- und Kontrollsitzungen durchgeführt wer-
technik sowie eine Übertragung der erreichten
den, ist bei chronischem Stottern eine direkte Inter-
Sprechflüssigkeit auf verschiedenste Situationen und
vention angezeigt, allerdings mit unsicherer Prognose.
Lebensbereiche mit Hilfe eines sogenannten Transfer-
Wir haben stotternde Kinder vom vierten Geburtstag
programms [2].
an begleitet, die schon im Vorschulalter nach Angaben
der Eltern auf eigenem Wunsch Lesen gelernt haben,
Der Therapeut verschafft sich einen Überblick über den
die im Grundschulalter phasenweise trotz Intervall-
gesundheitlichen Status des Kindes, sein Hörvermögen,
therapie von maximal 30 Sitzungen immer wieder mit
seine kognitiven Leistungsmöglichkeiten, den Stand
häufigen Silbenwiederholungen aber mit wenig
seiner Sprach- und Sprechentwicklung, seiner mund-
Anspannung gestottert haben, gute Schüler waren und
motorischen Fähigkeiten und seines Kommunikations-
das Stottern erst auf dem Gymnasium ab der ersten
verhaltens sowie eine Familien- und Sozialanamnese
Klasse aufgaben.
durch Befragung der Bezugspersonen.
Dies setzte in der Regel voraus, dass sie sich in einer
Das Stottern selbst ist durch Funktionsstörungen in den
neuen, für sie angenehmen Lernatmosphäre mit über-
Bereichen der Wortfindung, Atmung, Phonation und
wiegend freundlichen Lehrern und Mitschülern wohl
Artikulation gekennzeichnet und rekrutiert aus den
fühlten. Etwa 1 % der Jugendlichen hat trotz Therapie
individuellen psychosozialen Bedingungsfaktoren, aus
weiter gestottert, dann allerdings eher situativ. Typi-
dem Verhalten des Kindes, der Eltern und anderer
scherweise stotterten sie so gut wie gar nicht beim
Kommunikationspartnern. Bloodstein und Bernstein
Theaterspiel oder Vortrag in ihrem Fachgebiet, vor-
Ratner resümieren, dass nach heutigem Kenntnisstand
bereitet durch ständige Übung und Wiederholung.
jedoch keine endgültigen Schlussfolgerungen über die
Natur und die Ätiologie des Stotterns möglich seien
[16]. So wird weiter unter Berücksichtigung der Per-
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und vermeidet dann möglichst bestimmte
Stottern – eine kompensierbare Redeflussstörung
Rhetorische und verhaltenstherapeutische Elemente
Dem stotternden Kind wird ein erhöhtes Maß an auditivem Aufmerksamkeitsverhalten abverlangt. Neben
der Kontrolle der Atmung und des weichen Einsatzes
mit lockerer Kieferhaltung fließen weitere rhetorische
Elemente wie aufrechte Körperhaltung, fester und
lächelnder Blickkontakt und unterstreichende Körpergestik in die Rede ein. Das Kind muss sich mit seiner
Selbstdarstellung identifizieren können, um emotionalaffektive Vorbehalte oder Hemmungen abzubauen und
ein sicheres Gefühl der Kontrolle über seine Sprechwerkzeuge und über sich selbst zu bekommen.
Merke: Die Eltern sind bei Grundschulkindern in der
Abb. 5
„Rock and Roll“ oder Schwungrad der Rede.
Therapie ausnahmslos anwesend, um ihre Verhaltensweisen, Einstellungen und Gefühle gegenüber
ihrem stotternden Kind durch informative Bera-
sönlichkeit des Kindes an auslösenden und aufrechter-
tung und Einbeziehung in die Therapie zu überden-
haltenden Faktoren des Stotterns gearbeitet.
ken und ggf. zu verändern.
Mit diesen Sprechhilfen unter Einbeziehung rhetori-
Erlernbare praktische Sprechstrategien
scher Elemente gleich in der Anfangsphase eines
umfassenden Therapieprogramms erreicht der Thera-
Aus der die Therapie steuernden Diagnostik ergeben
peut eine sofortige Verbesserung des Redeflusses. Der
sich die an seinem Stottern ansetzenden Modifikatio-
Patient lernt, Sprechhilfen diskret anzuwenden, um die
nen. Ansatzpunkte sind die Regulierung der Atmung:
Natürlichkeit seines Redeflusses zu bewahren und nur
„Es wird auf einem Luftkissen gesprochen (= Zwerch-
dann anzuwenden, wenn er sein Stottern antizipiert.
fellatmung)“. Die Gliederung sprachlicher Inhalte unter
Einbeziehung der Sprechatmung dient als „Schwung-
Das individuelle Sprechmuster mit Sprechatmung,
rad der Rede“ (Abb. 5). Die Verspannung der Mund-
Sprechgeschwindigkeit, Prosodie, Phonation und Arti-
motorik wird gelöst durch den fast unhörbaren, leicht
kulation erarbeitet sich der Patient mit Hilfe eines
verhauchten weichen Einsatz bei Vokalen („h…aber“,
erfahrenen Therapeuten und durch Ausprobieren
„h…und“) und bei Explosivlauten („ k…h…omm“) und
sowie Anwendung im Alltag. Er wird ermutigt, z. B. in
Dehnung der Vokale. Bedeutungsvolle Worte werden
der Schule über ein Thema zu sprechen, in welchem er
mit leichtem Nachdruck gesprochen, ähnlich dem Poli-
sich sicher fühlt, das ihn interessiert und das inhaltlich
tiker in einer Rede. Statt „äääh“ wird eine Pause zur
klar strukturierbar ist. Die Schule wird für ihn ein
Sprechplanung eingelegt.
wesentliches Übungs- und Bewährungsterrain, denn
bekanntlich gilt: Reden lernt man nur durch Reden –
Der Schüler wählt schwerpunktmäßig bestimmte
und dies auch über den Weg der Schriftsprache.
Themenbereiche aus Schule oder Hobby, um Wortschatz, Grammatik und Kommunikationsverhalten
Bei älteren Schülern bieten eigene Vorträge mit
durch Übung und Wiederholung zu trainieren, ähnlich
Präsentationsprogrammen (z. B. MS Powerpoint,
wie der britische Staatsmann Sir Winston Leonard
OpenOffice.org, Lotus Freelance Graphics, Apple Key-
Spencer-Churchill, der seine Parlamentrede hundert
note) und Funkmaus wichtige Hilfen zur klaren Struk-
Mal geübt hat, um nicht zu stottern.
turierung und zum Präsentieren der Inhalte, so dass
das eigentliche Sprechen nicht verstärkt in das Zentrum der Aufmerksamkeit rückt und dabei möglicherweise verspannt. Durch Einüben von nachhaltiger Betonung wichtiger Fakten wird der Aufmerksamkeitsfokus
verschoben und das flüssige Sprechen erleichtert.
Zunehmende Erfolgserlebnisse beim Sprechen wieder-
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Sozialpädiatrie
um führen zu erhöhter Sprechsicherheit und auch noch
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Vermeidung von Stottern
im Jugendalter zur Remission des Stotterns, wie unsere
Verlaufsbeobachtungen zeigen.
Angst vor dem Stottern
Reduktion der
Muskelspannung
Sprechangst
Strategieansätze der
Stotterertherapie
Vermeidungsverhalten
Es gibt eine Fülle von Therapieprogrammen und Ein-
//
Frustrationsgefühle
//
Sprechanstrengung
//
Stottern
//
Reduktion
zeltechniken zur Behandlung des Stotterns, die zum
Verstärkung
Teil verschiedene und auch gegensätzliche Zielsetzungen verfolgen. Einerseits muss der Arzt die Therapie,
die er verordnet, nicht unbedingt selbst beherrschen.
kennen, um Behandlungsprozesse verantwortlich zu
Abb. 6
Stottermodifikation.
steuern und gezielt in die Diskussion über Therapieanpassung oder -verlängerung einsteigen zu können.
ablaufs sind und daraus resultierende Scham- und
Angstgefühle abgebaut werden müssen.
Zwei Hauptansätze und verhaltenstherapeutische
Maßnahmen sind in der Stotterertherapie verbreitet:
Daher setzt die Stottermodifikation an den aufrecht-
die Stottermodifikation und das Fluency-Shaping. Die
erhaltenden Faktoren an: das Vermeiden von Stottern
Stottermodifikation zielt darauf ab, die Reaktionen auf
verstärkt die Angst vor dem Stottern, die wiederum
das Auftreten bzw. die Antizipation von Stottererereig-
zu verstärktem Vermeidungsverhalten führt. Frustra-
nissen effizienter zu gestalten, so dass Stottern kon-
tionsgefühle führen zu mehr Anstrengung beim Spre-
trolliert und in ein „flüssiges Stottern“ umgewandelt
chen, um das Stottern zu vermeiden. Anstrengung
werden kann. Tolerierbares Stottern wird also auch als
steigert jedoch die Schwere des Stotterns und damit
Therapieziel angesehen [3] – daher auch die Bezeich-
wiederum die Frustrationsgefühle [17]. Das Vermei-
nung Nicht-Vermeidungsansatz („Non-Avoidance“).
dungsverhalten und die Sprechangst müssen folglich
abgebaut werden.
Das Fluency-Shaping hingegen strebt ein symptomfreies Sprechen an, in dem durch eine kontrollierte
Dazu lernt der Stotterer, bei ersten Anzeichen des Stot-
Sprechweise das Stottern bis zur Unauffälligkeit redu-
terns die Muskelanspannung willentlich abzubauen,
ziert wird. Dieses Ziel ist realistisch, wenn die Situation
um leichter und weniger zu stottern. Dies bewirkt eine
so überschaubar ist, dass das Kind oder der Jugendliche
Reduktion der Sprechangst und Modifikation des Stot-
sich gut und sicher fühlt und sein Sprechen optimaler-
terns in leichtere Formen und damit auch eine Reduk-
weise vom Tun und Handeln wie beim Spiel oder Vor-
tion des Vermeidungsverhaltens. Es wird eine Art des
stellen eines Projekts oder Experiment begleitet wird.
Stotterns erlernt, die möglichst frei von Anstrengung,
Der situative Wohlfühlfaktor bahnt die Sprechsicher-
Angst und Vermeiden ist, so dass nicht nur leichter,
heit.
sondern auch weniger gestottert wird. Im Gegensatz
zum „Fluency-Shaping“ ist jedoch nicht – wie der Name
suggerieren könnte – eine Modifikation des gesamten
Stottermodifikation
Sprechablaufs das Ziel.
Die Stottermodifikation wurde von Charles Gage Van
Der Ansatz der Stottermodifikation für Jugendliche und
Riper (1905 – 1994) in der Form entwickelt, wie sie
Erwachsene dient als Rahmen für die Therapieplanung
heute am meisten verbreitet ist. Van Riper hat selbst
und beinhaltet vier Phasen (Abb. 7):
lebenslang gestottert und duldete beim Patienten bis
zu einem gewissen Grade eine Toleranz so zu stottern,
█
1. Identifikation
dass die Kommunikation wenig beeinträchtigt ist
In der Identifikationsphase lernt der Patient seine stot-
(Abb. 6). Die Theorie der Stottermodifikation geht
tertypischen Symptome und damit verbundene Gefüh-
davon aus, dass die stottertypischen Verhaltensweisen
le und Einstellungen als Voraussetzung für eine Verän-
gelernte Reaktionen auf Unterbrechungen des Sprech-
derung der Stottersymptomatik bewusst wahrzuneh-
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Zumindest aber sollte er die theoretischen Ansätze
Stottern – eine kompensierbare Redeflussstörung
langsamer, kontrollierter Weise. Neben der erhofften
desensibilisierenden Wirkung wird van Ripers Absicht
Stabilisierung
Modifika
tion
der Löschung des Stotterns als instrumentell konditioniertes Verhaltens angestrebt.
Nach dem willentlichen Stoppen wird die Sprechtechnik des Pull-Outs, einer Blocklösetechnik, angewendet,
d. h. nach dem Stoppen des Stotterereignisses lernt der
Desen
sibilis
Stotterer, sich langsam und entspannt aus diesem
ierung
Iden
tifika
tion
„herauszuziehen“ und ein leichteres, beziehungsweise
ng
mu
h
e
hrn
Wa
te
s
s
u
bew
flüssigeres Stottern ohne Anstrengung zu erlernen, die
sog. Modifikation.
Die letzte Sprechtechnik besteht im Erlernen der Preparatory Sets, d. h. vorbereitende Einstellungen. Stotte-
Abb. 7
Stufenmodell der Stottermodifikation.
rer wissen häufig schon vorher, bei welchen Worten sie
stottern werden. Bei kritischen Worten sollen sie von
Beginn an das langsame und willentlich gesteuerte
men. Stottern auslösende Situationen und Laute oder
Sprechen einsetzen mit dem Ziel, dann nicht zu stot-
Wörter, die ein Stotterereignis ankündigen oder
tern.
gefürchtete Kommunikationsklippen werden besprochen und festgehalten.
█
4. Stabilisierung
In der letzten Phase der Stottermodifikation werden
█
2. Desensibilisierung
die erreichten Therapieziele gefestigt. Die oben
Durch die Konfrontation mit dem eigenen Stottern soll
genannten Sprechtechniken sollen in angstauslösen-
der Patient lernen, das Stottern gelassen zu analysieren
den Kommunikationssituationen und bei zu erwarten-
und dadurch negative Emotionen und Ängste abzu-
den stotterauslösenden Wörtern im Alltag eingesetzt
bauen. Zur Desensibilisierung stoppt der Patient auf ein
und auftretende Ängste durch Übung und Konfrontati-
Signal der Therapeutin hin sein Stottern. Beim zweiten
on weiter abgebaut werden. Durch die Reduktion von
Signal dehnt er willentlich weiter oder repetiert span-
Angst und Vermeidung soll die Kommunikation ver-
nungslos. Durch das wiederholte Erleben der Stotter-
bessert und schrittweise eine willentliche Kontrolle
symptomatik sollen die Emotionen des Patienten
über das Sprechen erreicht werden.
abnehmen.
Unsere bisherigen Erfahrungen sind, dass die Patienten
Fluency-Shaping
diese Form der Desensibilisierung überwiegend ablehnen. Das willkürliche Steuern der Stottersymptomatik
Neben der Kombination von Sprechhilfen, die auf die
ist vielen Patienten mit dieser Vorgehensweise nicht
individuelle Sprechweise mit ihren flüssigen und Stot-
oder kaum möglich und führt bei ihnen zu zusätzli-
teranteilen angepasst ist und von leichter Sprechtem-
chem Frust. Generell und unabhängig von der Gesamt-
poreduzierung, erhöhtem Atemdruck und Lautstärke,
methode muss der Patient allerdings Desensibilisie-
deutlicher Artikulation, fließenden Übergängen zwi-
rung als Voraussetzung lernen, um während des
schen den Lauten, bis hin zur Spannungsreduzierung
Stotterns in den Sprechablauf eingreifen zu können,
durch einen weichen, leichten oder langsamen Einsatz
d. h. „sich innerlich zu stoppen“.
reicht, werden Elemente der Fluency-Shaping-Methode in der Stotterertherapie angewendet: Von der
█
3. Modifikation
Sprechleistungsstufe ausgehend, bei der das Risiko zu
In der Modifikationsphase lernt der Stotterer ein leich-
stottern erfahrungsgemäß möglichst gering ist, wird
teres, flüssiges Stottern mit den Sprechtechniken Can-
die Äußerungslänge schrittweise erhöht und mit positi-
cellation, Pull-Out und Preparatory Set.
ven Verstärkungen versehen.
Cancellation wird auch Nachbesserung genannt, d. h.
Die Übertragung der erreichten Sprechflüssigkeit auf
nachdem bei einem Wort gestottert wurde, wird das
verschiedenste Situationen und Lebensbereiche wird
kritische Wort noch einmal gesprochen, jedoch in
mit Hilfe eines sog. Transferprogramms angestrebt. So
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Sozialpädiatrie
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niken verwenden, die der kindlichen Flüssigkeitsstufe
Lidcombe
angepasst sind, so dass das Kind möglichst wenig oder
Das Lidcombe-Programm ist nach
Die Eltern werden durch einen
gar nicht stottert. Anerkennung und Zufriedenheit der
Eltern, aber auch der Lehrer mit ihrer Frage-Antwort-
dem Stadtteil in Sydney/Australien benannt, in dem es an der
Therapeuten angeleitet, kontrolliert und fortlaufend gecoacht.
Methode des Unterrichtens wirken als positive Ver-
dortigen Universität entwickelt
Wichtig ist nach Onslow [18], dass
stärker für flüssiges Sprechen.
wurde. Die Behandlungsmethode
ein Verhältnis von fünf Mal Lob zu
für stotternde Vorschulkinder
einer Korrektur eingehalten wird.
verfügt über eine Evidenzbasis.
Elemente des Lidcombe-Pro-
Das operante Verfahren beruht
gramms werden in der Therapie
darauf, flüssige Sprache durch
teilweise bereits seit Jahrzehnten
verbale Rückmeldung anzuerkennen, zu loben und zu fördern.
eingesetzt, so das Lob nach gelungenem Sprechen. Unflüssige,
Gestotterte Sprache hingegen
gestotterte Passagen bei Vor-
wird systematisch durch korrigie-
schulkindern ignorieren wir hin-
rende verbale Rückmeldung abge-
gegen und gestalten die Sprech-
baut. Nach Autorenangaben soll
situation derart um, dass das Kind
dies in 11 Sitzungen möglich sein.
danach möglich selten in ein Stot-
Merke: Beim Fluency-Shaping als systematisches
Sprechaufbauprogramm für flüssiges Sprechen
wird erst einmal ein neues Sprechmuster erarbeitet. Es ist eine kontrollierte flüssige Sprechweise,
bei der nicht gestottert wird, die mit zunehmendem Gebrauch automatisierter und natürlicher
klingt und in Alltagsituationen immer wieder
Anwendung finden muss – damit der Stotterer
nicht in alte Gewohnheiten zurückfällt.
tern gerät.
Auch die emotionale Belastung kann sich nur durch
Steigerung der Schwierigkeitsgrade der sprachlichen
Situation und der Rahmenbedingungen (z. B. Sprechen
Therapierichtungen ermöglichen, sind allerdings nicht
vor einer Gruppe) reduzieren. Verbliebene Ängste kön-
bekannt. Die Frage, ob Stottern mit Hilfe des Fluency-
nen in Grenzen gehalten werden, wenn man sich ihnen
Shaping verlernt werden kann, sich also das flüssige
immer wieder stellt, so wie es auch in einem Leben
Sprechen auf Dauer automatisiert, und der Patient sein
ohne Stottern der Fall ist.
Sprechen nicht mehr bewusst kontrollieren muss, lässt
sich bislang nicht positiv beantworten“, bemerkt dazu
Ebenso sind Elemente der Stotterermodifikation wich-
Natke [3].
tige Therapiebausteine, da man aus einer im Einzelfall
erreichten Veränderung nicht auf eine generelle
Daher empfiehlt Johannsen [3]: „Bei der Abwägung, ob
Brauchbarkeit einer Methode schließen kann. Es han-
eine Sprechhilfe oder ein Fluency-Shaping-Ansatz ein-
delt sich nach Wirth vielmehr „um einen hohen sug-
gesetzt wird, bietet sich bei der Mehrzahl der Kinder
gestiven und therapeutenspezifischen Wirkfaktor sol-
eher eine die individuellen Schwierigkeiten berück-
cher Therapiemethoden“ [2].
sichtigende Sprechhilfe an.“ Leider kann mit individuell
angepassten Sprechhilfen das flüssige Sprechen nicht
immer erreicht werden, oder der erforderliche Auf-
Effektivität der Therapien
wand ist auf Dauer für den Patienten zu anstrengend.
Mit anderen Worten:
Wenngleich der verordnete Kinder- und Jugendarzt
nicht selbst therapiert, sollte er dennoch Kenntnisse
Merke: Keine der vorhandenen Therapiemethoden
über Theorie und praktische Anwendungsmöglichkei-
allein ist besser und bringt den erwünschten Erfolg,
ten der Stotterertherapie besitzen, um die Bezugsper-
wenn nicht weitere Variablen, die bei jedem
sonen kompetent zu beraten und Therapie sinnvoll zu
Patienten individuell verschieden sind, Berück-
verordnen. Bei kleineren und Vorschulkindern können
sichtigung finden. Das Problem des Stotterns mit
die symptomorientierten Programme noch nicht ange-
seinen vielen unbekannten Größen ist noch nicht
wendet werden. In diesem Alter reicht die Beobach-
gelöst.
tungs- und Wahrnehmungsfähigkeit des eigenen Stotterns noch nicht aus und die Kinder erfassen nur das,
Unter bestimmten Sprechbedingungen ist der Stotterer
was sie gerade verarbeiten können.
symptomfrei, d. h. er kann spontan flüssig sprechen.
Auch schwer Stotternde erleben, das sie „an guten
Schulkinder und Jugendliche reagieren unterschiedlich
Tagen“ bei gehobener Laune und im ausgeruhten
auf die am häufigsten und mit unterschiedlicher
Zustand weniger stottern, bei kurzen Antworten gar
Gewichtung angewendeten Verfahren. „Prognostisch
nicht, bei Erklärung und Demonstration eines Compu-
valide Kriterien, die eine Zuordnung Einzelner zu den
terspiels, oder bei Übung und Wiederholung von
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sollen Bezugspersonen in der Unterhaltung Fragetech-
Stottern – eine kompensierbare Redeflussstörung
Gedichten oder in Theaterstücken trotz Publikum
tert der eine bei bestimmten Herausforderungen und
nicht, und wenn sie „für ein Thema brennen“ auch
der andere nicht? Liegt es an der vermehrt zu beob-
nicht in Referaten und Vorträgen.
achtenden Sensibilität und kritischen Einstellung sich
selbst gegenüber, besonders bei stotternden Jugend-
Ein gewisser Pegel an emotionaler Gestimmtheit muss
lichen?
also vorhanden sein, damit die Rede in Schwung
kommt. Ein zehnjähriger Gymnasiast, der seit dem
Nach Bloodstein wird eine Unterteilung der Theorien
fünften Lebensjahr mit den Eltern zu Kontrollsitzungen
des Stotterns in Breakdown-Theorien, Lerntheorien
kam und phasenweise insgesamt 30 Therapiesitzungen
und „Stottern als neurotische Reaktion“ vorgenommen
in Anspruch genommen hatte, stottert seit Einnahme
[19, 20].
von Methylphenidat (wird gegen Überaktivität bei
Kindern mit ADHS-Syndrom eingesetzt) immer weniger und in der letzten Kontrollsitzung während der
Breakdown-Theorien
stressreichen, aber schönen Weihnachtszeit gar nicht
mehr. Liegt es an der positiven Persönlichkeitsent-
Bei den Breakdown-Theorien wird angenommen, dass
wicklung, dem ausgleichenden Medikament und/oder
das einzelne Symptom aufgrund eines momentanen
an der momentanen Wohlfühlsituation, der Zufrieden-
Versagens der komplizierten Koordination der am Spre-
heit des Kindes und seiner Eltern? Ist Stottern eher ein
chen beteiligten Systeme unter Stress zustande kommt.
organisch-physiologisches Problem?
Es wird ein konstitutioneller Unterschied zwischen
stotternden und nicht stotternden Personen in Form
eines vererbten neurophysiologischen Defizits ange-
Ursachen des Stotterns
nommen, das mit einer Basisstörung oder neurophysiologischen Dysfunktion erklärt wird. Das wäre auch
Hypothesen und Erkenntnisse zum
vorübergehenden Stand des Wissens
eine Begründung dafür, dass die Stotterereignisse
schwanken, dass das Sprechkontrollsystem stotternder
Patienten instabil ist, jedoch normal arbeitet, solange
Generell können Redeflussstörungen Symptome unter-
es keinem Stress ausgesetzt ist.
schiedlicher Grundstörungen sein, sodass Sicht- und
Erklärungsweisen des Stotterns verschieden sind und
demzufolge auch das therapeutische Vorgehen mit
Zwei Praxisbeispiele
unterschiedlicher Gewichtung. Bereichsspezifische
In unserem Patientenkollektiv haben wir Erwachsene,
Schwerpunkte in der Therapie wandeln sich, weil man
die unter hohem beruflichen Stress auch noch nach
in der Praxis beobachten kann, dass die individuellen
dem vierzigsten Lebensjahr anfingen zu stottern. Ein
Erwartungen und Verhaltensweisen bei dem Patienten
sich mit Dauer und Veränderung der Symptome ebenso
Röntgenologe musste während seiner Tätigkeit oft
mehrere Patienten in verschiedenen Kabinen nahezu
verändern und die ursprüngliche Störung durch eine
gleichzeitig und unter hohem Zeitdruck behandeln.
Sekundärstörung überlagert sein kann.
Ein anderer – ein KFZ-Meister – musste unter Zeitdruck Autos reparieren und gleichzeitig die Kundschaft beraten und bedienen. Für beide gilt: Pla-
Randnotiz/Praxisbeispiel
nungs- und Ausführungsaufwand von Lauten, Silben
Ein Abiturient hat in seinen favorisierten Leistungs-
und Worten sind in solchen Extremsituationen mit
kursen Referate und mündliche Prüfung gut bestanden, bekam dann aber bei Kontaktaufnahme und ers-
erhöhter Konzentration verbunden. Auch die kindliche Unsicherheit beim Syntaxerwerb könnte so
ten Annäherungsversuchen eines von ihm glühend
erklärt werden. Stottern kann man bei genetischer
verehrten Mädchen leider „kein einziges Wort
Disposition unter bestimmten Bedingungen experi-
heraus“…
mentell erzeugen und aufrechterhalten.
Dass die Therapie nicht nur die Redeflussblockaden,
Die Annahme einer Prädisposition in den Breakdown-
sondern ebenso die damit verbundenen Einstellungen,
Theorien gibt eine Erklärung für das Zusammenwirken
Verhaltensweisen und Persönlichkeitsmerkmale auf-
von genetischen und Umweltfaktoren beim Stottern.
greifen, ggf. verändern und die eigene Kompetenz auch
Die Hypothese für ein genetisches Defizit als Ursache
durch Mimik, Gestik, Körperhaltung und sogar Klei-
für Stottern wurde in 2010 durch die Entdeckung von
dung stärken sollte, ist naheliegend. Aber warum stot-
drei sog. „Stottergenen“ durch eine interdisziplinäre
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Sozialpädiatrie
multinationale Arbeitsgruppe in den USA bestätigt
29
Multikausale Theorien
[21].
Bei den multikausalen Theorien werden weniger einzelne Faktoren für die Entstehung des Stotterns ver-
Lerntheorien
antwortlich gemacht, als vielmehr ihr Zusammenwirken im Einzelfall. Beim Stottern als vielschichtiges
Unter die Lerntheorien des Stotterns fallen die der
Phänomen werden physiologisch-organische, psycho-
„voraus gefühlten Anstrengung“. Die Erwartung des
linguistische und psychosoziale Faktoren ausfindig
Stotterns führt tatsächlich zu Stottern. Die ängstliche
gemacht, die als disponierendes, auslösendes und auf-
Selbstbeobachtung führt zu Blockierungen, so dass der
rechterhaltendes Bedingungsgefüge des Stotterns gel-
Ablauf von automatisierten Bewegungen gestört ist.
ten. Die einzelfallorientierte spezifische Ursachenkon-
Lernprozesse und Umwelteinflüsse werden für die
stellation ergibt für den Behandler ein individuell
Entstehung des Stotterns verantwortlich gemacht. So
daraus abgeleitetes, methoden-kombiniertes Therapie-
könnte der alltägliche kommunikative Druck zu
modell.
lich zur operanten Konditionierung entsteht das Kern-
Das Anforderungs-Kapazitäten-Modell [22] ist solch ein
verhalten des Stotterns aufgrund von emotionalem
multikausales Therapiemodell: Sprechunflüssigkeiten
Stress und daraus resultierendem klassisch konditio-
treten nach dieser Theorie auf, wenn die Anforderun-
niertem Verhalten auf bestimmte Sprechreize. Die
gen an flüssiges Sprechen die mundmotorischen,
Sekundärsymptome sind instrumentell erworbenes
kognitiven und linguistischen Kapazitäten eines Kindes
Flucht- und Vermeidungsverhalten. Das frühe
chronisch übersteigen. Verzögert sich die Entwicklung
Ankämpfen und das Vermeidungsverhalten sowie die
feinmotorischer Fähigkeiten und eilt die lexikalisch-
spätere Entwicklung von Sekundärsymptomen beru-
syntaktische Entwicklung voraus, so kann sich bei
hen jedoch auf Vermeidungslernen.
drängendem Sprachbedürfnis eine Redeflussstörung
entwickeln. Stottern entsteht nach diesem Modell
Das Gesamtphänomen des Stotterns lässt sich nicht
sowohl durch unterentwickelte Kapazitäten als auch
rein lerntheoretisch begründen, da es phasenweise
durch zu hohe Anforderungen.
weniger, dann wieder verstärkt und manchmal wieder
gar nicht auftritt – ob mit oder ohne Therapie. Unsere
Ein einheitliches Modell für das Gesamtphänomen
Sichtweise des Stotterns als „Befindlichkeitsstörung“
Stottern, für den Ablauf stottertypischer Symptome
weist auch auf physiologische Prozesse hin.
und deren Verursachung ist noch zu entwickeln. Die
vermutete Ätiologie des Stotterns gibt aber den Rahmen für die Entwicklung flüssigen Sprechens und für
Neurotische Reaktion
den individuellen Therapieansatz vor. Statt nach wissenschaftlicher Absicherung von immer weiteren
Theorien des Stotterns als neurotische Reaktion
Theorien, Modellen und Sichtweisen zu suchen, sind
betrachten das Symptom als zwanghaftes Verhalten,
aus unserer Sicht Einzelfalluntersuchungen von Stot-
das nur durch Lösung des zugrunde liegenden Konflik-
tern reduzierenden und Stottern verursachenden Fak-
tes abgebaut werden kann. Stottern wird als Psycho-
toren sinnvoll, um individuelle Therapiestrategien zu
neurose angesehen und sei Ausdruck frühkindlicher
gewinnen.
Entmutigung. Schwerpunkt der Therapie ist die Aufdeckung des neurotischen Systems einer Beziehungsund Identitätsstörung.
Theorien des Stotterns als neurotische Reaktion treffen
nach unseren Beobachtungen vielfach nicht zu, da
Typische Einzelbeobachtungen:
Kinder und Jugendliche in der
Praxis
Eltern, Großeltern und auch Tanten mit dem stotternden Kind harmonisch spielen und wechselseitig spre-
Die Abgrenzung zwischen normalen Sprechunflüssig-
chen können. Psychologische Faktoren spielen bei der
keiten und beginnendem Stottern wurde bereits vor-
Entwicklung des Stotterns in Form emotionaler Dispo-
genommen. Trotzdem ist eine Beratung zur Absiche-
sition und Reaktion sicher eine Rolle, aber nicht als
rung der Eltern und zur Unterstützung des flüssigen
alleinige Verursacher.
Sprechens im Dialog und Spiel sinnvoll, auch wenn die
Spontanremissionsrate hoch und nur ungenügende
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Anspannungen und Sprechhemmung führen. Zusätz-
Stottern – eine kompensierbare Redeflussstörung
Kasuistik: Ben, 2,5 Jahre: der Sprechspur folgen
Die Sprachentwicklung verläuft bei Ben
als Impulsgeber und Ablenker von der
Umfang die Kontroll- und Beratungssit-
ungewöhnlich schnell, die Artikulation ist
bis auf den R- und Sch-Laut schon korrekt,
Wortblockade. Diese aufgezeigte
„Sprechspur“ hilft dem Kind dann wieder
zungen über das Vorschulalter verteilt
werden, hängt vom Schweregrad des
die Bildung einfacher Aussagesätze
flüssig zu sprechen.
Stotterns und von der Besorgnis und Ver-
ebenfalls. Der Junge reagiert sehr emo-
In einem Fall bekam das Kind nach Anga-
unsicherung der Eltern ab. Nach eigener
tional, als er mit der Eisenbahn spielen
ben der Mutter unerwartet einen Wut-
Erfahrung sind nur in wenigen Fällen
darf und fängt vor Freude sofort an zu
ausbruch mit flüssigem Protest, als die
maximal 10 Kontrollsitzungen nötig. Bei
stottern mit bis zu fünfmaligen Wieder-
Mutter wohl zuviel des Guten beim
den allermeisten Kindern bildet sich das
holungen von Lauten und Silben. Häufig
betonten Mitsprechen tat. In solch einer
Stottern im Vorschulalter und auch noch
hat schon das Wechselgespräch mit der
Bezugsperson im Spiel mit der Eisenbahn
Situation sollte man ruhig bleiben und
antworten: „Dann mache es so wie ich –
während der folgenden Lese- Rechtschreibprozesse zurück. Falls doch eine
oder am Kaufladen spannungsreduzie-
aber alleine.“
Therapie erforderlich werden sollte,
rende Wirkung, so dass das Kind allmäh-
Bei jungen Kindern, vor allem dann, wenn
sorgen wir allerdings dafür, dass auch das
lich weniger oder zwischendurch auch
sie negativ auf ihr Stottern reagieren,
Lesen dem Kind Spaß macht und sinnvoll
gar keine Wiederholungen zeigt. Bei
sollte nach drei Monaten häuslichem
als therapeutische Maßnahme eingesetzt
mehr als drei Wiederholungen spricht die
Training eine Kontrollsitzung mit weite-
wird.
Bezugsperson das kritische Wort betont
rer Beratung zur Führung des sprachlich
mit oder stellt gezielte Zwischenfragen
auffälligen Kindes erfolgen. In welchem
Kasuistik: Fabian, 3 Jahre: Sprechbeginn im dritten Lebensjahr
Fabian hat trotz zweimaliger Beratung
de Sprachentwicklungsverzögerung war
vor der Klasse vorzulesen. Ich brachte ihn
erst Ende des dritten Lebensjahres die
ersten Worte gesprochen und dabei von
bis zur Schulreife behoben, so dass die
Untersuchung gut verlief.
dazu, sich beim Lesen häufig zu melden
und beim Gedichtaufsagen ebenso. Bei
Anfang an ohne Anstrengungsbereit-
Im freien Gespräch waren spannungsfreie
kurzen Antworten im Mathematikunter-
schaft Laute und Silben unflüssig geäu-
Laut- und Silbenwiederholungen bei
richt klappte das Sprechen nun auch.
ßert und abwechselnd grenzwertig
unruhigen, leichten körperlichen Mitbe-
Diese ersten Erfolge gaben ihm Rücken-
gestottert. Fabian sprach sehr leise und
wegungen – wie Wippen mit den Beinen –
wind und beflügelten ihn, beim Lese-
galt bei kleiner, zarter Statur als sehr
auffällig, besonders in ungewohnten
wettbewerb im zweiten Schuljahr mitzu-
sensibel. Im Vorsorgeheft war die Allge-
Situationen. Zur Schule ging er anfangs
machen. Er gewann den dritten Platz und
meinentwicklung bis auf die Sprachentwicklung unauffällig. Der Schwerpunkt
gerne, beteiligte sich aber nicht am
Unterricht, so dass der Lehrer ihn auch
stieg in der Achtung der Mitschüler. Fabian war ein guter Schüler und ein verträg-
der Sprachtherapie nach dem dritten
einmal aufrief. Prompt bekam Fabian kein
licher Klassenkamerad. Mit zunehmender
Geburtstag bestand in der Erweiterung
Wort heraus. Nach einer halbjährlichen
Sprech- und Selbstsicherheit war das
des Wortschatzes und des systemati-
Pause mit schulischer Beobachtungspha-
Stottern im dritten Schuljahr überwie-
schen Satzaufbaus mit Nachsprechübun-
se und Rückmeldung der Mutter empfahl
gend nicht mehr bemerkbar, auch ohne
gen, die in Rollenspielen und Märchen-
ich im Therapiebericht 10 Sitzungen
den Einsatz von Sprechtechniken. Die
erzählungen anhand von Diaserien und in
wegen klonisch-tonischem Stottern.
insgesamt wegen Stottern verordneten
freier Nacherzählung von Tierfabeln eingebaut wurden. Fabian kam trotz insge-
Schwerpunkt war jetzt ein Verhaltenstraining für die Schule, in dem das Lesen
20 Sitzungen verteilte ich als Intervalltherapie mit Kontrollsitzungen über die
samt 40 Sitzungen gerne und hat bereit-
eine erfolgreiche Rolle spielte. Beim
vier Grundschuljahre – zum einen, um
willig mitgearbeitet. Bei Nachsprech-
geübten und natürlicherweise langsam-
Überdrusserscheinungen zu vermeiden,
übungen, im Rollenspiel und bei geübten
betonten Lesen konnte sich Fabian „am
zum anderen, um bei aufkommenden
Tierfabeln hat Fabian wenig oder gar
Buch festhalten“ und flüssig lesen, was
Stottern sofort einzugreifen mit Atem-
nicht gestottert. Das Drücken der Fern-
ihm sichtlich Freude machte. Er „las“ den
Sprechübungen und Verhaltenstraining
bedienung zum Herbeizaubern der Mär-
Eltern, seiner größeren Schwester, den
bei schulischen Anforderungen. Zur Auf-
chenbilder machte ihm sehr viel Freude
und seine Spontansprache war dabei
Großeltern, dem Onkel und mir vor. Da
Fabian den Lehrer und mehrere Kinder in
frischung waren phasenweise eine oder
einmal auch sechs Therapien erforder-
überwiegend unauffällig. Die gravieren-
der Klasse gut fand, ermutigte ich ihn,
lich.
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Sozialpädiatrie
31
Leonard begann mit fünf Jahren Laute
Verbesserung wieder verschlechtert.“
und schulische Erfolge entspannen den
und Silben in bis zu viermaligen, spannungslosen Wiederholungen zu stottern,
Eine erkennbare Ursache dafür fand sich
nicht.
Redefluss.
Leonard ist jetzt im zweiten Schuljahr,
ohne dass emotionale Reaktionen beim
Warum der Junge erst mit fünf Jahren
liest gut, arbeitet ehrgeizig mit, ist aber
Kind zu beobachten waren. Die Mutter
anfing zu stottern, könnte mit seiner
wasserscheu, so dass Schwimmen und
sprach schnell und machte einen eher
zunehmenden Wahrnehmung von
das Springen ins Schwimmbecken bei
unruhigen, nervösen Eindruck, auch aus
Sprechsignalen seiner Dialogpartner
ihm große Angst auslösen – zur Gaudi für
der Sorge um ihr Kind, während das Kind
zusammenhängen: Stirnrunzeln oder
die Klasse. Nach einer überwiegend
selbst ruhig und ausgeglichen wirkte. Der
zustimmende Mimik, anspruchsvolle
guten Phase im ersten Schuljahr schlei-
Vater war Firmensprecher bei einem großen Konzern. Von den genetischen
Erwartungshaltung, Einstellungen und
Emotionen. Die Reaktion der Mutter:
chen sich beim Sprechen jetzt immer
wieder spannungsfreie Laut- und Silben-
Voraussetzungen her hatte das Kind
„Was wird nur, wenn er in die Schule
wiederholungen bis zur Atemlosigkeit
offensichtlich eine gute Prognose dafür,
kommt?“, reicht aus, um ein Kind zu ver-
ein. Wir haben mit Leonard eine Sportart
dass sich das Stottern mit zunehmendem
unsichern und den Sprechfluss aus sei-
ausgewählt, die ihm zusagt und auch
Alter zurückbilden würde – wenn nicht
nen ruhigen Bahnen zu bringen. Ich
Anerkennung bei anderen Kindern
die Mutter mit ihrem hektischen Spre-
empfahl der Mutter, auch auf solche Sig-
bringt: Judo. Als Kompromiss braucht er
chen und ungeduldigem Warten auf eine
nale zu achten und sich beim Sprechen in
nicht mehr ins Schwimmbecken zu sprin-
Antwort des Jungen ihn zum beschleunigten Sprechen animierte.
der Lautstärke und Hektik zurückzunehmen und Pausen beim Sprecherwechsel
gen mit der medizinischen Begründung:
„Ohrproblem“.
Die nervöse Mutter forderte ihn oft auf:
einzuhalten. Da der Junge Bilderbücher
Ich werde ihn nochmals mit 10 Sitzungen
„Erzähl doch mal, was da los war!“ – Leo-
liebte und die Mutter sehr bildungsbe-
begleiten, habe aber angekündigt, dass
nard hatte keine Zeit, sich zu besinnen
flissen war, fiel es ihr leichter, eine Wohl-
ich danach eine lange Pause und höchs-
und beeilte sich dann beim Sprechen.
fühlatmosphäre zu schaffen und mit Bil-
tens noch Kontrollsitzungen machen
Unter Zeitdruck sprechen provoziert
dern und gezielten Zwischenfragen ein
werde, um zu sehen, dass alles gut läuft.
Stottern. Bei gezielten Zwischenfragen
flüssiges Sprechen zu erreichen.
Wenn nicht immer wieder „Aufreger“
konnte der Junge flüssig antworten. In
ruhiger Gesprächsatmosphäre fiel ihm
Der Junge wiederholte im freien
Gespräch immer noch phasenweise Laute
passieren, hat Leonard gute Chancen, das
Stottern auch noch im Jugendalter zu
auch inhaltlich mehr ein. Ich empfahl der
und Silben, besonders wenn er viel
verlieren, da er trotz erhöhter Sensibilität
Mutter so vorzugehen, wie ich es in der
erzählte und dabei das Atmen vergaß: „Er
gute physiologische, psychische und
Therapiesitzung gezeigt hatte.
erzählt, ohne Luft zu holen.“ Ich habe im
sprachliche Voraussetzungen hat. Auch
Von einem Schnellsprecher zu verlangen,
Therapiebericht um eine Verordnung von
Starkweather hat beobachtet, dass sich
betonter und etwa langsamer zu artiku-
10 Sitzungen gebeten. Leonard machte
Änderungen in der Sprechflüssigkeit des
lieren, funktioniert in der Regel nicht,
ich bewusst, in welchen Situationen er
Kindes schnell einstellen, wenn Änderun-
oder nur für kurze Zeit. Nach drei Monaten rief die Mutter unverkennbar mit
flüssig sprechen kann, dass er sich auf die
Schule ruhig freuen sollte und ich ihm
gen in der Umgebung gezielt vorgenommen werden [23].
hektischem Redefluss wie vereinbart an:
dabei helfen werde. Auch eine angeneh-
„Das Sprechen hat sich nach anfänglicher
me Lernatmosphäre, Stolz auf sportliche
Nachweise über die Effektivität von Therapien existie-
Ausblick
ren. Entsprechende Therapieevaluationsstudien sind
besonders deshalb problematisch, weil die Symptoma-
Bei Jugendlichen, die jahrelange Therapieerfahrung
tik interindividuell sehr unterschiedlich und intraindi-
hinter sich haben, arbeiten wir mit Kontrollsitzungen
viduell sehr wechselnd sein kann [5]. Valide Prädikto-
oder insgesamt maximal zweimal 10 Sitzungen mit
ren für eine Chronifizierung des Stotterns gibt es bisher
diskreter psychologischer Gesprächsführung sowie mit
nicht, da die am Stottern beteiligten Faktoren im Ein-
Hilfe individuell angepasster rhetorischer, stimmthe-
zelfall unterschiedlichen Einfluss haben, sich über die
rapeutischer und atem-sprechtherapeutischer Ele-
Zeit verändern können und damit auch den Stotterver-
mente, bis wieder ein flüssiges Sprechmuster erreicht
lauf modifizieren.
ist.
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Kasuistik: Leonard, 5 Jahre mit normaler Sprachentwicklung
Stottern – eine kompensierbare Redeflussstörung
Kasuistik: Daniel, 14 Jahre: Sprechen auf dem „Luftpolster“
Daniel hatte schon eine mehrjährige
natürlichem Tonfall. Allerdings untersag-
Mit der Mutter hatte ich Telefonkontakt
Therapiekarriere von fünfzig Sitzungen
hinter sich seit dem er nach dem fünften
te ich ihm sehr schnell, ohne Luft zu
sprechen. Vielmehr sollte er bei unserem
und wollte sofort Termine festlegen,
falls Daniel die Sprechmethode vernach-
Geburtstag anfing zu stottern, und eine
Gespräch mit erhöhtem Atemdruck spre-
lässigte. Tatsächlich verhielten sich bei-
ambivalente Therapiemotivation. Einer-
chen wie ein Schauspieler, der diese
de überwiegend so, wie wir besprochen
seits wollte er nicht mehr stottern, ande-
Atem-Sprechübung als Turnübung täglich
hatten. Nach drei Monaten berichtete
rerseits wollte er sich den Anstrengun-
machen und einhalten muss. Da er sich
Daniel, dass es bei der mündlichen
gen einer Stotterertherapie nicht mehr
gerne sportlich bewegte, was ohne
Beteiligung auch nach Angaben der Leh-
unterziehen, da er als Gymnasiast nicht
Atemvolumen nicht möglich ist, erschien
rer viel besser klappt. Nur zu Hause und
viel Freizeit hätte. Zudem kam Daniel mit
seiner Mutter aus der 60 km entfernten
ihm das Einhalten dieser Sprechweise
einleuchtend, und sie funktionierte im
mit Freunden vergesse er sich, aber
beim Sport und bei den Computerspie-
Stadt Köln. Sie machte sich wegen seiner
Alltag.
len mit Freunden brauche er die Sprech-
Zukunft große Sorgen.
Neu war ihm, dass er seine Aufmerksam-
technik nicht. Tatsächlich sprach der
Da er sozial und leistungsmäßig trotz
keit nicht auf den Lautanfang, sondern
Gymnasiast – vielleicht durch positive
seines Stotterns Akzeptanz fand, war sein
auf das Aussprechen der Wortendung
Erlebnisse bedingt – viel entspannter und
größter Wunsch, nicht mehr zu stottern.
legen sollte. Ich bat ihn, diese Sprech-
größtenteils eher unwillkürlich auf
Auffälligstes Merkmal seines Stotterns
methode sogleich in der Schule bei sei-
einem „Luftpolster.“
war die Atemverschwendung: er holte
Luft, ließ sie entweichen – und presste
nen bevorzugten Fächern und Lehrern
auch in Referaten einzuhalten: „Sprechen
Ich bat ihn, zwischendurch auch zu Hause
an die Sprechregeln zu denken, da es
erst auf der Restluft hastig ein paar Wör-
lernt man nur durch Sprechen.“ Er solle
immer wieder bis ins Erwachsenenalter
ter flüssig oder mit wenigen Wieder-
vor allem dann Sprechgelegenheiten in
zu Rückfällen kommen kann. Tatsächlich
holungen heraus. Diese Symptomatik
Angriff nehmen, wenn er sich wohl fühle.
trat in der Weihnachtszeit bei dicht
trat intermittierend auf, d. h. bei kurzen
Wenn er mir das zusichere, brauche er
gedrängtem Arbeitsplan ein Rückfall in
Antworten sprach Daniel flüssig, musste
zur Belohnung erst in drei Monaten wie-
Form von Atemverschwendung und
er auf meine Fragen über Schule und
derzukommen zur Kontrolle und Auf-
Wortblockaden auf. Die Luft entwich,
Freizeit weiter ausholen, entwich die Luft
erst ohne Artikulation, bist auf dem
frischung. Mutter und Sohn waren sehr
überrascht, versprachen aber, ihr Bestes
ohne dass intoniert werden konnte. Nach
meinem Winterurlaub berichtete mir die
Druck der Restluft die Artikulation
zu geben, zumal die Mutter meine
Mutter dann, dass es in den Weihnachts-
zustande kam. Je länger wir uns aber zu
Dialogführung mit ihrem Sohn sehr auf-
ferien wieder besser wurde, am Schulan-
dritt unterhielten, desto mehr flüssige
merksam verfolgte.
fang wieder schlechter. Wir haben einen
Sätze produzierte er zwischendurch mit
Die erlernte Sprechtechnik wird nur bei Stotterrückfäl-
weiteren Termin vereinbart.
Wir beobachten dieses Phänomen, wenn Eltern stot-
len reaktiviert, aber auch die Lebensplanung angespro-
ternder Kinder sich „outen“, oder wenn uns ehemalige
chen und überdacht. Die Erfahrung zeigt, dass sich auch
Patienten aufsuchen, um eine „Auffrischungssitzung“
ein jahrelanges, juveniles Auf und Ab des Stotterns
zu absolvieren oder ihren Nachwuchs vorstellen. Noch
durch innere und äußere Lebensumstände zurückbil-
immer gilt: „Ganz allgemein ist die Remission der Stot-
den kann, ebenso wie man andererseits im Erwachse-
tersymptomatik umso besser, je weniger Toni vorliegen
nenalter noch ein Stottern ausbilden kann. Auch bei
und je leichter die Störung ausgeprägt ist. Somit stellt
Erwachsenen kann es aber zu einer „völligen Regre-
Stottern letztlich immer noch ein ungelöstes therapeu-
dienz der Stottersymptomatik kommen“ [5].
tisches, aber auch ätiologisches Problem dar“ [2].
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32
Sozialpädiatrie
Über die Autorin
4 Seemann M. Sprachstörungen. Halle, Saale: Marhold; 1959
Cornelia Tigges-Zuzok
6 Silverman FH. Stuttering and other Fluency Disorders.
33
5 Ptok M, Natke U, Oertle H. Stottern – Pathogenese und Therapie. Deutsches Ärzteblatt 2006; 103: 993 – 997
2. Ed. Needham Heights, MA: Allyn & Bacon; 1996
Sprachheilpädagogik und Psychologie an der Universität Dortmund,
Erziehungswissenschaftlerin, Sprachheillehrerin und Logopädin. 1977 Einrichtung des ersten Sprachheilinstituts einer großen überregionalen
Krankenkasse in Essen, 25 Jahre
Leitung der Einrichtung bis 2003,
parallel 9 Jahre Lehrtätigkeit an der Universität Dortmund, 1985 Promotion im ersten Spezialgebiet Sprachverlust nach Schlaganfall (Aphasie, summa cum laude),
Interdisziplinäre Kieferorthopädische Studie in Essen mit
erstmaligem Wirksamkeitsnachweis der Frühbehandlung
im Milchgebiss, seit 1992 Fachreferentin auf Kongressen
und Fortbildungen für Ärzte und Therapeuten, 2000 Präventionspreis des Berufsverbandes der Kinder- und
Jugendärzte (BVKJ), seit 2003 Leitung des audiente Institut für Therapie und Fortbildung in Essen. Arbeitsschwerpunkte Sprach-Sprech-Stimmtherapie zum richtigen Entwicklungszeitpunkt („just in time“), Prävention und
Behandlung der Legasthenie sowie Prophylaxe von KieferZahnfehlstellungen und Aussprachestörungen, Autorin,
Fachpublikationen und Beiträge in Publikumsmedien,
Beratungstätigkeit in Berufs- und Gesundheitspolitik.
7 Ambrose NG, Yairi E. Normative disfluency data for early
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Jugendalter. 3. Aufl. Köln: Deutscher Ärzte Verlag; 2007:
393 – 407
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10 Braun W, Baumann U, Bolthauser M. Der Redeflusskompass
Version 2.0. 2011. Zugriff am 3.2.2012 unter: www.logopaedieundpraevention-hfh.ch
11 Szagun G. Sprachentwicklung beim Kind. Weinheim, Basel:
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12 Szagun G. Das Wunder des Spracherwerbs. Weinheim, Basel:
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Treatment. 3. Ed. Baltimore: Williams & Wilkins; 2006
15 Bloodstein O. The development of stuttering: I. Changes in
nine basic features. J. Speech Hear. Dis 1960; 25: 219 – 237
16 Bloodstein O, Bernstein Ratner N. A Handbook on Stuttering.
6. Aufl. San Diego: Singular Publishing Group; 2008
17 Van Riper C, Emerick L. Speech Correction: Principles and
Methods. 7. Ed. Englewood Cliffs, N.J: Prentice- Hall; 1984
Korrespondenzadresse
Dr. päd. Cornelia Tigges-Zuzok
audiente Institut
Ahornstr. 5
45134 Essen
[email protected]
18 Onslow M, Packmann A. The Lidcombe Program of early stuttering intervention. In: Bernstein R, Healy EC Eds. Treatment
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In: Eisenson JHrsg. Stuttering: A Symposium. New York: Harper & Brothers; 1958: 1 – 69
20 Bloodstein O. A Handbook on Stuttering. 5. Ed. San Diego:
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21 Kang Cet al. Mutations in the Lysosomal Enzyme-Targeting
Literatur
Pathway and Persistent Stuttering. The New England Journal
of Medicine 2010; 362: 08677
22 Starkweather CW, Gottwald RS. The Demands and Capacities
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112
2 Wirth G. Stottern bei Kindern. Ein noch ungelöstes ätiologi-
Model: II. Clinical Applications. J. Fluency Disord 1990; 15:
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23 Starkweather CW. Therapy for younger children. In: Curlee RF,
Siegel GMHrsg. Nature and Treatment of Stuttering: New
Directions. 2. Aufl. Needham Heights: Allyn & Bacon; 1997:
257 – 279
sches und therapeutisches Problem. Deutsches Ärzteblatt
1990; 87: 1472 – 1473
3 Natke U, Alpermann A. Stottern. Erkenntnisse, Theorien,
Behandlungsmethoden 3. Aufl. Bern: H. Huber; 2010
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Dr. päd., Jahrgang 1952. Studium der
Stottern – eine kompensierbare Redeflussstörung
CME-Fragen
█
1
Welche Aussage über
anamnestische Hinweise zum
Stottern trifft am ehesten zu?
A Stottern ist auf eine genetische Disposition zurückzuführen.
B Stottern ist ein Symptom psychischer Probleme.
C Stottern ist Ausdruck unterschiedlicher Wahrnehmungs- und Identitätsprobleme.
D Auslöser für Stottern ist falsches Elternverhalten.
E
Stottern ist Ausdruck einer labilen Persönlichkeit.
█
2
Zu welchem Zeitpunkt tritt die
Stottersymptomatik am häufigsten
auf?
A während der Sprachentwicklung im dritten bis sechsten Lebensjahr
B zu Schulbeginn
C zu Beginn der Pubertät
D durch Stresssituationen im Jugend- und Erwachsenenalter
E
aufgrund des demografischen Wandels im Alter
█
3
Wie äußert sich die Stottersymptomatik typischerweise?
A bis zu neunmal muskulär spannungsarme, nicht steuerbare Wiederholungen
(klonische Symptome) mit Laut- und Silbendehnungen von mehr als einer Sekunde
B überhöhte Sprechgeschwindigkeit mit spannungslosen Wort- und Silbenwiederholungen
C sprachliche Strukturierungsschwäche mit Wortfindungsstörungen
D keine Sprechangst
E
kein Störbewusstsein bei eingeschränkter Symptomwahrnehmung
█
4
Wie äußert sich das sog.
„physiologische Stottern“
( = „Entwicklungsstottern“)?
A Sprechangst
B Störbewusstsein
C kein Blickkontakt
D dem kognitiv-linguistischen Stand entsprechende stille Wort- und Satzplanung
E
überhöhte Sprechgeschwindigkeit mit spannungslosen Wort- und Silbenwiederholungen
█
5
Mit welchen Screenings und
Messverfahren lässt sich die
Diagnose „Stottern“ mit hoher
Zuverlässigkeit stellen?
A SLS Screening List for Stuttering nach Riley
B Redefluss-Kompass von Baumann, Boltshauser und Braun
C Sprechen in einer standardisierten Untersuchungssituation (z. B. Zeit-Intervall-Methode von
Cordes & Ingham, mod. von Nathke)
D Messen und Zählen der Stotterereignisse (drei stottertypische Sprechunflüssigkeiten auf
100 Silben)
E Die Diagnose „Stottern“ bleibt selbst dann unsicher und subjektiv, wenn eine umfangreiche
standardisierte Testbatterie eingesetzt wird.
CME
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34
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| Pädiatrie up2date
CME-Fragen
35
Stottern – eine kompensierbare Redeflussstörung
█
6
Wann ist ein Kind ein Risikokind
für chronisches Stottern?
A Das Stottern des Kindes hat sich von zunächst spannungsfreien Wiederholungen zu Blockierungen
weiterentwickelt. Mitbewegungen des Gesichts, des Rumpfes oder der Extremitäten kommen
hinzu.
B Die Redeunflüssigkeit dauert länger als sechs Wochen.
C Es tritt überhöhte Sprechgeschwindigkeit mit spannungslosen Wort- und Satzwiederholungen auf.
█
7
In welchem Alter sollte ein Kind
zur Beratung und zu einer Therapiesitzung vorgestellt werden?
A Nach sechs Monaten unflüssigen Sprechens.
B Nach sechs Wochen unflüssigen Sprechens.
C Bei Eintritt in die Schule, da erst zu diesem Zeitpunkt die Sprachentwicklung abgeschlossen ist.
D Sobald die Eltern beunruhigt sind, da weder bei normalen Sprechunflüssigkeiten noch bei
stottertypischen Symptomen vorausgesagt werden kann, ob eine Spontanremission eintreten
wird oder sich die Sprechunflüssigkeit zum Stottern manifestiert und einen chronischen Verlauf
nehmen wird.
E Zunächst möglichst gar nicht, da kein Störbewusstsein geweckt werden soll und das Stottern in
den überaus meisten Fällen von allein überwunden wird.
█
8
Welche Aussage zur Beratung
und Therapie bei Kindern im
Vorschulalter ist richtig?
A Eltern sollen abwarten, wenn das Kind durch Stotterblockaden am Weitersprechen gehindert wird.
B Eltern sollen dem kleinen Kind einen hohen Input an Sprache anbieten und möglichst viel und
schnell mit dem Kind sprechen, damit die Sprachentwicklung optimal gefördert wird.
C Sinnvoll ist, entwicklungspsychologische Fragen, die mit dem Spracherwerb verbunden sind, in
den Vordergrund zu stellen.
D Ständig wechselnde kognitive und sprachliche Angebote sowie ein hohes Anspruchsniveau im
Umgang mit dem Kind fördern seine Intelligenz und Redegewandtheit.
E Das Vorschulkind soll möglichst viel und oft Stottertherapie erhalten, damit sich das Stottern legt.
█
9
Welche Aussage zur Remission
des Stotterns trifft nicht zu?
A Die Zahlenangaben zur Remission des Stotterns sind uneinheitlich.
B Etwa 4 % der Kinder und Jugendlichen stottern.
C Ca. 1 % der Erwachsenen stottern.
D Die Wahrscheinlichkeit einer Spontanremission beträgt ca. 80 %.
E
Stottern ist durch einen hohen therapeutischen Aufwand heilbar.
█
10
Welche(s) Verfahren zählen/zählt
zu den Hauptansätzen in der
Stottertherapie?
A KIDS (Kinder dürfen Stottern) von P. Sandrieser
B Lidcombe-Programm von M. Onslow & Packmann
C Stottermodifikation von C. van Riper und Fluency-Shaping
D Kasseler Stottertherapie von W. von Gudenberg
E
The Demands and Capacities Model (Anforderungskapazitäten-Model) von C.W. Starkweather
CME
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D Es treten Satzteilwiederholungen, Silbenwiederholungen und bis zu dreimalige
Lautwiederholungen auf.
E Es fallen Laut- und Silbendehnungen von zunächst nur maximal einer Sekunde auf.
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