Suchtkranke Eltern ….haben Kinder ! Entwicklungspsychologie Dr. med. Roland Ebner Kinder- und Jugendpsychiatrie am Klinikum Deggendorf Außenstelle des BKH Landshut Süchtige Eltern.... Am folgenschwersten für die kindliche Entwicklung sind Suchterkrankungen (!) und Persönlichkeitsstörungen Extrem ungünstig fürs Kind: Die Kombination Sucht und Persönlichkeitsstörung, v.a. Borderline-PS Folge: Beeinträchtigte körperliche, kognitive, emotionale und soziale Entwicklung Die unerkannten Süchte Alkohol ➔ Medikamente (Opioide, Benzos) ➔ Süchtiger Internetkonsum ➔ Folgen von Suchtmitteln in der Schwangerschaft - Nikotin : ADHS, Früh-Mangelgeburt - Alkohol: Fetales Alkoholsyndrom mit Intelligenzminderung, Unruhe, Konzentrationsschwäche, Impulsivität, Naivität, gestörter Gemeinschaftsfähigkeit..... - Opiate: Entzugssyndrom des Neugeborenen Nadine Nadine, 9 Jahre, Mutter alkoholabhängig, alleinerziehend. Mutter ist Liebevoll, eher verwöhnend, wenn nüchtern Keine Grenzen, keine Regeln Konflikte werden nicht durchgestanden Wenn alkoholisiert: mal weinerlich-anhänglich, mal aggressiv, dann im Tiefschlaf über Stunden nicht erreichbar Im Zweifel hat das Suchtmittel Vorrang Nadine Nadines Symptome: Übervernünftig, versorgend Lügt, stielt, „weiß nicht warum....“ Verhaltens- und Leistungsprobleme in der Schule Unaufmerksam, Impulsiv, hyperaktiv „Macht alles mit sich selber ab“ (Unsicher-vermeidend gebunden) Früher Substanz-Konsum zur Affektregulation (Nikotin, Alkohol) Auswirkung der Sucht auf das Elternverhalten Elternstimmung und -verhalten sind von Substanzwirkung und -entzug bestimmt, nicht von der Interaktion mit dem Kind Unfähigkeit, die Bedürfnisse, Stimmungen des Kindes wahrzunehmen Geringe u./o. stark schwankende Feinfühligkeit Störung der frühkindlichen Bindungsentwicklung Unvorhersehbar-impulsives Verhalten Schlechte Affektregulation Auswirkung der Sucht auf das Elternverhalten Impulsive Aggressivität gegen das Kind Aggressivität zwischen den Eltern Reaktionslosigkeit, Wegtauchen, Rausch Längere Abwesenheiten Ungenügende Versorgung (Hunger, Frieren, Wundliegen, panische Angst) Wunsch, vom Kind getröstet zu werden Suchtdruck ist viel stärker als Mutter- /Vaterliebe Folgen …. - Sehr schlechte Affektregulation - Ängste, Depressionen - Impulsivität, Aggressivität, Unruhe - Konzentrationsschwäche - Entwicklungsstörungen Motorisch-somatisch-kognitiv-emotional-sozial - Probleme in Beziehungen, Schule, Gruppen - Borderline-Entwicklungen ...ein Säugling erlebt Sucht - Hunger - Frieren - Wundsein - Kein Trost - Alleinesein, panische namenlose Existenzangst - Keine Kommunikation (>1000 Interaktionen tgl. sind essentiell nötig für die Hirnentwicklung!) – Wachstums- und Entwicklungsrückstand ...ein Kleinstkind erlebt Sucht - Bindungsdesorganisation /-Störung - Entwicklungs- und Wachstumsstörung - Sprachverzögerung - Kognitive Retardierung - Erste Verantwortungsübernahme, für die elterliche Stimmung - pathologische „Feinfühligkeit“ des Kindes statt physiologischer elterlicher Feinfühligkeit ...ein Klein- und Schulkind erlebt Sucht - Parentifizierung, Rollenumkehr - Schuldgefühle - Verantwortungsübernahme, für die elterliche Stimmung und Suchtmittelkonsum - Co-Abhängigkeit - chronische Überlastung emotional - Agressivität u./o. Depressivität - Konzentrationsstörung, „ADHS“ - Einsamkeit, Isolation … Jugendliche erleben Sucht - Parentifizierung, Rollenumkehr - Schuldgefühle - Co-Abhängigkeit - chronische Überlastung emotional - Agressivität u./o. Depressivität - Dysfunktionale Versuche der Affektregulation mit Suchtmitteln, Promiskuität, Delinquenz, Schnippeln - Selbstaufopferung Kevin Symptome: Extreme Trennungsangst Aggression Kevins gegen seine Mutter Rücksichtslos gegenüber anderen Kindern Schlechte Affektregulation Kombinierte Störung von Wahrnehmung (visuel, auditiv) und Motorik Unaufmerksam, Impulsiv, Hyperaktiv Lernschwäche Kevin Behandlungsplanung: Kontextklärung Multidisziplinäre Hilfen Netzwerkarbeit Elternarbeit, Elternpsychotherapie Erst dann wirkt die Kinder-Psychotherapie ! Bindung Bindung ist DIE unverzichtbare biologische Basis der psychischen und körperlichen Entwicklung des Menschenkindes Affektregulation braucht sichere frühe Bindung Sichere frühe Bindung braucht feinfühlige, einschätzbare, geduldige und belastbare Bezugsperson Bindungs- Störungen Unsicher-vermeidende Bindung : „ich mach alles mit mir alleine aus, brauche keine Hilfe“ ➔ ➔ Ambivalente Bindung: Trennungsangst, Klammern, Angstbindung, Unsicherheit bzgl. Bindung Desorganisierte Bindung: bizarrer Wechsel von Klammern, Aggression gegen Bindungsperson und Ignorieren, bizarre Verhaltensweisen. Gewalterfahrung mit der Bindungsperson !!! Bindungs- Störungen - Bindungsstörung mit Enthemmung: distanzlos-wahllos-bindungsloses, pseudo-“heiteres“ Verhalten: Schwerste Vernachlässigung, „da war niemand da!“ - Reaktive Bindungsstörung: Distanziert-kühl-einsam-unglückliche Kinder, die niemandem vertrauen können: Gewalt durch Bindungspersonen, „ich traue niemandem, nicht mal Mama !“ Frühe (auch emotionale) Vernachlässigung u./o. Gewalterfahrung …. schädigen die Bindungsentwicklung und verändert das Gehirn ! Das kindliche Gehirn passt sich an diese -unnormalen- Umstände möglichst optimal an, was später unweigerlich zu Problemen führt. Entwicklungsbezogene Traumafolgestörung Diagnosekriterien A: Ereigniskriterium: Traumatische Erfahrungen und Vernachlässigung B: Affektive und physiologische Dysregulation C: Dysregulation von Aufmerksamkeit und Verhalten D: Schwierigkeiten der Selbstregulation und Beziehungsgestaltung E: Symptome aus dem posttraumatischen Spektrum F: Dauer von mindestens 6 Monaten G: Funktionelle Beeinträchtigungen.... B.A. Van der Kolk, R. S. Pynoos, C. Cicetti, M. Cloitre, W. D’Andrea, J. D. Ford et al. Adverse Childhood Experiences – Studie Copeland et al. 2007 Eine psych. Diagnose Sozialverhaltens - Störung Depression Angststörung Folgen für die Kinder Verhaltensauffälligkeiten wie Hyperaktivität, Aggressivität und sozialen Rückzug Schwierigkeiten in der Schule, Schulversagen, Schulvermeidung 30% - 50%der Kinder entwickeln selber eine Suchterkrankung Viele haben später selbst suchtkranke Partner Kinder suchtkranker Eltern brauchen... Mit ihrer Belastung gesehen werden, auch wenn sie „brav“ und angepasst sind. Die ausdrückliche Erlaubnis der Eltern, über sich und die Familie zu sprechen. Die Möglichkeit, ihre Gefühle wahrnehmen und ausdrücken zu können. Altersentsprechende Information über die Krankheit der Eltern Mindestens eine „gesunde“ Bezugsperson Fazit - Vergesst die Kinder Suchtkranker nicht ! Sie sind höchstwahrscheinlich hochbelastet ! Lasst euch nicht von braven, stillen Kindern täuschen ! Seht auf das Funktionsniveau, den körperlich- emotionalund kognitiven Zustand der Kinder ! Das Funktionsniveau Suchtkranker -was Kindererziehung angeht- ist meistens sehr viel schlechter als es scheint ! Kindererziehen ist sehr viel anspruchsvoller als die meisten Jobs ! Eine enge Kooperation von Jugendhilfe und Suchthilfe und dem gesamten Netzwerk ist zwingend erforderlich Unter Federführung des Jugendamtes, und, ganz wichtig: gegenseitige Schweigepflichtentbindungen der an der Versorgung von Eltern und Kindern Beteiligten !