Theologische Reflexion

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Theologische Reflexion
Schwerpunktthema der 56. – 58. Aktion
1. Nahrung ist Gabe des gütigen Schöpfers für alle
Nahrung und Ernährung ist in der Bibel kein Randthema. Es kommt
häufig vor und es ist grundlegend. In den Schöpfungserzählungen wird
Nahrung ausdrücklich erwähnt.
sprach: Sehet da, ich habe euch gegeben alle Pflanzen, die Samen
bringen, auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen
bringen, zu eurer Speise“.
Bekanntlich erzählen oder analysieren ja nicht alle Autoren der Bibel,
viele loben und preisen auch (und häufig geht eins in einander über
oder geschieht gemeinsam). In dem Zusammenhang loben und danken
sie oft Gott dafür, dass er Nahrung gibt, sogar Nahrung im Überfluss:
So heißt es in: Psalm 104,13–14: „Du feuchtest die Berge von oben her,
du machst das Land voll Früchte, die du schaffest. Du lässest Gras
wachsen für das Vieh und Saat zu Nutz den Menschen, dass du Brot
aus der Erde hervorbringst“.
Oft geht es auch weit über Hungerstillung hinaus: Auch zu Freude und
Glück soll Nahrung beitragen:
So heißt es im eben erwähnten Psalm 104 in Vers 15: „ … dass der Wein
erfreue des Menschen Herz und sein Antlitz schön werde vom Öl und
das Brot des Menschen Herz stärke.“ Und beim Profeten Joel heißt
es (Joel 2,23–24): „Und ihr, Kinder Zions, freut euch und seid fröhlich
im Herrn, eurem Gott, der euch gnädigen Regen gibt und euch herab
sendet Frühregen und Spätregen wie zuvor, dass die Tennen voll Korn
werden und die Keltern Überfluss an Wein und Öl haben sollen.“
2.Nahrungsvielfalt
Gottes Fürsorge für die Menschen drückt sich dadurch aus, dass Gott
sein Volk Israel in ein Land bringt, in dem die Nahrung nicht nur in
Fülle ist, sondern auch vielfältig und abwechslungsreich:
Dafür gibt es verschiedene Textbelege. Ich lese beispielhaft aus 5. Mose
8,7 –10, wo Gott dem Volk Israel das gelobte Land verheißt heißt:
„Denn der Herr, dein Gott, führt dich in ein gutes Land, ein Land, darin
Bäche und Brunnen und Seen sind, die an den Bergen und in den Auen
fließen, ein Land, darin Weizen, Gerste, Weinstöcke, Feigenbäume
und Granatäpfel wachsen, ein Land, darin es Ölbäume und Honig gibt,
ein Land, wo du Brot genug zu essen hast, wo dir nichts mangelt, ein
Land, in dessen Steinen Eisen ist, wo du Kupfererz aus den Bergen
haust. Und wenn du gegessen hast und satt bist, sollst du den HERRN,
deinen Gott, loben für das gute Land, das er dir gegeben hat.“
Interessant sind dabei die Überlegungen zum Fleisch, das in biblischen
Zeiten generell ein teures Gut war.
Da ist einmal der Zusammenhang zwischen Fleisch und Gewalt. Die
Menschen im Paradies wird man wohl als Frutarier bezeichnen müssen.
Weder betrieben sie Ackerbau noch hielten sie Herden, um Tiere zu
schlachten und zu essen. Sie aßen nur, was ihnen die Natur bereitwillig
überließ, wie Früchte. Das Leben im Paradies, im Garten Eden, wird
von der Atmosphäre her als leicht und harmonisch beschrieben. Damit
ist es mit dem Sündenfall vorbei – und erst recht mit dem ersten Mord
der Bibel, dem Mord von Kain an seinem Bruder Abel. Gott erkennt
mehr und mehr, dass die Menschen böse oder zumindest ein bisschen
windige Gesellen sind und setzt ihnen Grenzen. Zwischenzeitlich
beschließt er sogar, sie durch eine Sintflut vollständig zu vernichten,
was er auch fast tut, bis auf Noah und seine Familie. Aber das bereut
Gott. Und Grund seiner Reue ist ironischerweise ausgerechnet der
leckere Geruch des Brandopfers eines geschlachteten Tieres.
In tiefer Ambivalenz benennt Gott die Bosheit des Menschen, aber
gelobt trotzdem, so eine Vernichtungsaktion nie wieder zu machen.
Gott schließt mit Noah einen Bund, er beschreibt ein neues Setting,
eine neue Weltordnung für das Leben des gewalttätigen Menschen nach
der Sintflut. Viele dieser Regeln dienen dazu, Gewalt einzudämmen.
Aber zu diesen Regeln gehört auch, dass die Tierwelt in Angst und
Schrecken vor dem Menschen lebt. Und im Rahmen dieser nachsintflut­
lichen Ordnung wird dem Menschen erstmalig erlaubt, Fleisch zu essen.
Fleischverzehr ist kein freundliches Zugeständnis. Nach dem Motto
nehmt in Fülle von dem, was die Welt euch gibt. Sondern eher so: ihr
übertretet sowieso ständig Grenzen und tut Gewalt, meine Güte, dann
esst halt auch Fleisch. Die Erlaubnis, Fleisch zu essen, ist tief eingebet­
tet in einen Gewaltzusammenhang. Ich denke, unsere Vorfahren nicht
lange zurück wussten das noch. Sie schlachteten Tiere, die zum Hof
gehörten und ihnen vielleicht sogar ans Herz gewachsen waren und
wussten: Ohne Gewalt gegen die Kreatur keine lecker Buletten.
Zudem durften im alten Israel überhaupt nur bestimmte Tiere gegessen
werden. Das war durch Reinheitsvorschriften genau reglementiert:
Im 5. Mose 14,4– 6 heißt es: „Du sollst nichts essen, was dem Herrn ein
Gräuel ist. Dies aber sind die Tiere, die ihr essen dürft: Rind, Schaf,
Ziege, Hirsch, Reh, Damhirsch, Steinbock, Gämse, Auerochs und
Antilope. Jedes Tier, das gespaltene Klauen hat, ganz durchgespalten,
und das wiederkäut, dürft ihr essen.“
Spannend ist auch, dass schon in der hebräischen Bibel sich Leute
Gedanken über Gesundheit und Fleischkonsum machten.
Das Buch Daniel aus dem 2. Jahrhundert vor Christi Geburt überliefert
uns eine nette kleine Episode: Dem fleischlastigen Schlemmen am per­
sischen Hof wird die einfachere jüdische gemüse- und obstorientierte
Nahrung als gesünder gegenüber gestellt: Ich lese Daniel 1, 8 –17: „Aber
Daniel nahm sich in seinem Herzen vor, dass er sich mit des Königs
Speise und mit seinem Wein nicht unrein machen wollte, und bat den
obersten Kämmerer, dass er sich nicht unrein machen müsste. Und Gott
gab es Daniel, dass ihm der oberste Kämmerer günstig und gnädig
gesinnt wurde. Der sprach zu ihm: Ich fürchte mich vor meinem Herrn,
dem König, der euch eure Speise und euern Trank bestimmt hat. Wenn
er merken würde, dass euer Aussehen schlechter ist als das der andern
jungen Leute eures Alters, so brächtet ihr mich bei dem König um mein
Leben. Da sprach Daniel zu dem Aufseher, den der oberste Kämmerer
über Daniel, Hananja, Mischaël und Asarja gesetzt hatte: Versuch’s
doch mit deinen Knechten zehn Tage und lass uns Gemüse zu essen und
Wasser zu trinken geben. Und dann lass dir unser Aussehen und das
der jungen Leute, die von des Königs Speise essen, zeigen; und danach
magst du mit deinen Knechten tun nach dem, was du sehen wirst. Und
er hörte auf sie und versuchte es mit ihnen zehn Tage. Und nach den
zehn Tagen sahen sie schöner und kräftiger aus als alle jungen Leute,
die von des Königs Speise aßen.“
3. Achtung des Schöpfers und der Mitmenschen
Schon zu Zeiten des alten Israel ernährte sich die Oberschicht ganz
anders als einfache Leute.
Es ist überliefert, dass der Hofstaat des Königs Samuel sich äußerst
üppig und fleischlastig ernährte. Die Profeten, unter anderem Amos,
kritisieren die üppige Ernährung der Oberschicht: So heißt es bei Amos
6,4-7: „die ihr schlaft auf elfenbeingeschmückten Lagern und euch
streckt auf euren Ruhebetten? Ihr esst die Lämmer aus der Herde und
die gemästeten Kälber und spielt auf der Harfe und erdichtet euch
Lieder wie David und trinkt Wein aus Schalen und salbt euch mit dem
besten Öl, aber bekümmert euch nicht um den Schaden Josefs. Darum
sollen sie nun vorangehen unter denen, die gefangen weggeführt
werden, und soll das Schlemmen der Übermütigen aufhören.“
Grundlage dieser Kritik ist die Überzeugung: Was du isst, ist nicht egal
für dein Verhältnis zu Gott. Gewalt zu vermindern, Gewalt gegen den
Nächsten und gegen die Schöpfung, bleibt eine dauernde Aufgabe für
den Menschen. Gerade in so etwas grundlegendem wie Essen äußert sie
sich. Ehrfurcht vor dem Nächsten und vor der Schöpfung beim Essen
ist Gradmesser für Ehrfurcht gegen Gott, den Heiligen.
Im neuen Testament steht die Bitte um das tägliche Brot an entscheiden­
der Stelle, im Vaterunser. Welche anderen Bitten davor und danach
kommen, ist nicht zufällig. „Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so
auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute, und vergib uns unsere
Schuld.“ Nahrung erhalten wir, weil es Gottes Wille ist. Und wie unser
täglich Brot mögen wir so essen, dass wir wir nicht allzu schuldig
werden.
4. Essen und Gemeinschaft
Brot miteinander zu brechen und gemeinsam zu essen, symbolisiert
Gemeinschaft. Gemeinschaft mit Gott, Gemeinschaft unter Menschen,
Gastfreundschaft. Das zieht sich durch die ganze Bibel. Es gibt eine
Erzählung, wo Abraham von Gott in Gestalt von drei Männern besucht
wird, die seine Frau bewirtet. Eine wesentliche Erzählung ist die Pas­
sah-Tradition. Und natürlich das Abendmahl. Und die Jünger erkennen
den auferstanden Jesus daran, dass er mit ihnen Brot bricht.
Und für die jungen Gemeinden der ersten Stunden ist Brot-Teilen ganz
wesentlich: So heißt es in der Apg 2,42 46: „Sie blieben aber beständig
in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen
und im Gebet. Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter
alle, je nachdem es einer nötig hatte. Und sie waren täglich einmütig
bei­einander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häu­
sern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen.“
5. Nahrung und Reich Gottes
Im 1. Korintherbrief 10:31 heißt es: „Ob ihr nun esst oder auch trinkt,
oder was ihr auch tut, das tut alles zur Ehre Gottes.“
Also wenn wir essen, sollen wir Gott ehren. Daran denken, wem wir es
verdanken. Daran denken, dass es uns zum Guten dienen soll. Daran
denken, dass andere Menschen auch essen wollen, daran denken, dass
andere Menschen es unter Mühen hergestellt haben. Sorgsam damit
umgehen.
Daher ist ein wichtiges Gleichnis des Reichs Gottes auch die Geschichte
vom großen Gastmahl. Nachdem die geladenen Gäste nicht erschienen
sind, geht die Einladung an alle: In Lukas 14,23 sagt der Herr zum
Knecht: „Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und
führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein. Und der
Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber
noch Raum da. Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die
Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass
mein Haus voll werde.“
Diese Vision begleitet die Arbeit von Brot für die Welt – Evangelischer
Entwicklungsdienst. Als Christinnen und Christen glauben wir: Die
reichen Gaben Gottes unseres Schöpfers sind in ihrer für alle da. Gott
will, dass wir sie reichhaltig und vielfältig genießen und dass sie uns
erfreuen. Wir glauben daran, dass sie gerecht verteilt werden können.
Wir glauben, dass dadurch Sattwerden möglich ist, im umfassenden und
ganzheitlichen Sinne. Für alle Menschen. In Gerechtigkeit und Erwar­
tung von Gottes Reich.
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