Kapitel I. Grundbegriffe

Werbung
Inhalt der Vorlesung
LAAG I
Prof. Dr. Arno Fehm
TU Dresden WS2017/18
Kapitel I. Grundbegriffe
1
Logik und Mengen
Bevor wir präzise über mathematische Objekte (zum Beispiel der linearen Algebra) sprechen können, müssen wir uns auf eine gemeinsame Sprache und Argumentationsgrundlage
einigen. Wir werden deshalb die Grundlagen der mathematischen Logik und der Mengenlehre ganz kurz und informell ansprechen.
1.1 Überblick (Aussagenlogik). Jede (sinnvolle) mathematische Aussage ist entweder
wahr oder falsch (aber nie beides). So sind zum Beispiel 1 + 1 = 2 und 3 > 0 wahre Aussagen, während 1 = 2 eine falsche Aussage ist. Man ordnet also jeder Aussage A
einen Wahrheitswert “wahr” oder “falsch” zu.
Aussagen lassen sich durch logische Verknüpfungen (sogenannte Junktoren) zu neuen
Aussagen zusammensetzen:
∧ “und” , ∨ “oder” , ¬ “nicht” , → / ⇒ “impliziert” , ↔ / ⇔ “äquivalent”
Sind also A und B zwei Aussagen, so sind auch A ∧ B, A ∨ B, ¬A, A → B, A ↔
B Aussagen. Dabei ist der Wahrheitswert einer zusammengesetzten Aussage durch den
Wahrheitswert ihrer Teile eindeutig bestimmt (wir schreiben hier “w” für “wahr” und
“f” für “falsch”):
A B A∧B A∨B A→B A↔B
A ¬A
w w
w
w
w
w
w
f
f
w
f
f
w f
w
f
w
w
f
f
f w
f f
f
f
w
w
Insbesondere wird “oder” im mathematischen Sprachgebrauch nicht-exklusiv verwendet (also “A oder B” ist auch dann wahr, wenn sowohl A als auch B wahr sind), im
Gegensatz zur Alltagssprache, wo “oder” meistens “entweder ... oder” bedeutet. Die Implikation A → B bedeutet nur, dass wenn A wahr ist, dann auch B. In diesem Sinne “folgt” aus einer falschen Aussage A jede beliebige andere Aussage B: Die Aussage
A → B ist wahr.
1.2 Überblick (Prädikatenlogik). Wir werden auch die Quantoren ∀ (der Allquantor,
“für alle”) und ∃ (der Existenzquantor, “es gibt”) benutzen: Ist P (x) eine Aussage,
deren Wahrheitswert von einem unbestimmten x abhängt (ein sogenanntes Prädikat),
z.B. x > 5, so ist die Aussage ∀xP (x) genau dann wahr, wenn P (x) für alle x wahr ist,
und die Aussage ∃xP (x) ist genau dann wahr, wenn es (mindestens) ein x gibt, für das
P (x) wahr ist.
1
Insbesondere ist ¬∀xP (x) genau dann wahr, wenn ∃x¬P (x) wahr ist; die Aussage
(¬∀xP (x)) ↔ (∃x¬P (x))
ist also wahr. Analog ist
(¬∃xP (x)) ↔ (∀x¬P (x))
wahr.
Auf eine solide formale Grundlage wird die Prädikatenlogik in Vorlesungen mit Titeln
wie Mathematische Logik oder Modelltheorie gestellt.
1.3 Überblick (Beweise). Im Gegensatz zu anderen Studienrichtungen müssen Sie Ihrem Dozenten (fast) nie etwas glauben, sondern der Dozent versucht, Sie durch Beweise
von der Richtigkeit seiner Behauptungen (Aussagen) zu überzeugen. Unter einem Beweis
wollen wir eine lückenlose Herleitung einer Aussage aus einer Menge von Axiomen, Voraussetzungen und schon früher bewiesenen Aussagen verstehen. Man kann streng formal
festlegen, was man unter einem gültigen Beweis verstehen will, aber wir werden das hier
nicht tun.
Einige Beweismethoden werden immer wieder benutzt und haben deshalb einen eigenen Namen. An dieser Stelle seien schon einige davon erwähnt:
1. Häufig beweist man die zu beweisende Aussage A indirekt, durch einen sogenannten Widerspruchsbeweis: Man nimmt an, dass A falsch ist, und leitet daraus
ab, dass eine bestimmte andere Aussage sowohl wahr als auch falsch ist, was nach
unserer Grundannahme (über den Wahrheitswert von Aussagen) nicht sein kann.
Formal nutzt man die Gültigkeit der folgenden Aussage:
((¬A) → (B ∧ ¬B)) → A.
2. Eng damit verwandt ist ein Beweis durch Kontraposition: Ist eine Implikation
A → B zu beweisen, kann man statt dessen die dazu äquivalente Aussage ¬B → ¬A
zeigen. Man nimmt also an, dass B falsch ist und zeigt, dass A falsch ist.
3. Will man eine Äquivalenz A ↔ B beweisen, so bietet es sich an, auszunutzen, dass
(A ↔ B) ↔ ((A → B) ∧ (B → A))
wahr ist: Man beweist zuerst “→” (also A → B) und dann “←” (also B → A).
4. Ein weiteres wichtiges Beweisprinzip ist die vollständige Induktion: Will man
eine Aussage P (n) für alle natürlichen Zahlen n = 1, 2, 3, . . . beweisen, so genügt
es, zu zeigen, dass P (1) gilt (der Induktionsanfang), und dass mit P (n) stets auch
P (n + 1) (der Induktionsschritt) gilt (man nimmt also als sogenannte Induktionshypothese an, dass P (n) gilt, und muss zeigen, dass unter dieser Bedingung
auch P (n + 1) gilt). Dann gilt P für alle n, denn andernfalls gibt es ein kleinstes
n0 > 1, für das P (n0 ) nicht gilt, doch für n = n0 − 1 gilt dann P (n), aber nicht
P (n+1), im Widerspruch zur Annahme. Es gilt also das folgende Induktionsschema:
(P (1) ∧ ∀n(P (n) → P (n + 1))) → ∀n(P (n)).
2
1.4 Überblick (Mengen). Nach Georg Cantor (1845–1918), dem Begründer der Mengenlehre, ist eine Menge eine Zusammenfassung bestimmter, wohlunterschiedener Objekte
unserer Anschauung oder unseres Denkens zu einem Ganzen. Eine Menge enthält also
bestimmte Objekte, die sogenannten Elemente der Menge, und ist durch ihre Elemente
vollständig bestimmt. Diese Objekte können für uns beliebige mathematische Objekte
sein, wie etwa Zahlen, Funktionen, oder andere Mengen. Man schreibt
x ∈ M bzw. x ∈
/ M,
wenn x ein bzw. kein Element von M ist. Ist P (x) ein Prädikat, so bezeichnet man mit
X := {x : P (x)}
die Menge aller x, für die P (x) wahr ist, zum Beispiel
X := {x : x ist eine gerade ganze Zahl}.
Hierbei muss man sehr vorsichtig sein, denn nicht immer kann man alle Objekte x, für
die P (x) gilt, widerspruchsfrei zu einer Menge zusammenfassen. Mit solchen Problemen
wollen (und müssen) wir uns in der linearen Algebra aber nicht beschäftigen und verweisen
auf Spezialvorlesungen mit Titeln wie Mengenlehre oder Axiomatische Mengenlehre, in
der all das auf eine streng formale Grundlage gestellt wird.
1.5 Beispiel (Endliche Mengen). Einfache Beispiele von Mengen sind endliche Mengen.
Eine Menge heißt endlich, wenn sie nur endlich viele Elemente besitzt, sonst heißt sie
unendlich. Endliche Mengen notiert man oft in aufzählender Form:
M := {x1 , . . . , xn }
definiert die endliche Menge M , die genau die Objekte x1 , . . . , xn als Elemente hat (n ist
hier eine natürliche Zahl). Hierbei ist die Ordnung der x1 , . . . , xn nicht relevant, und ein
Objekt kann mehrfach gelistet sein. So ist zum Beispiel
{1, 2, 3} = {2, 1, 3} = {1, 2, 2, 3, 3, 3},
aber
{1, 2, 3} =
6 {{1}, {2, 3}}.
Sind die x1 , . . . , xn paarweise verschieden, also xi 6= xj für i, j = 1, . . . , n und i 6= j, so
ist n die Mächtigkeit (oder Kardinalität) der Menge M = {x1 , . . . , xn }, die wir auch
mit |M | bezeichnen. (Ist M eine unendliche Menge, so schreiben wir |M | = ∞.) Zum
Beispiel ist
|{{1}, {2, 3}}| = 2, |{1, 2, 2, 3, 3, 3}| = |{1, 2, 3}| = 3.
Es gibt genau eine Menge, die keine Elemente enthält – die leere Menge
∅ := {}.
1.6 Beispiel. Ein Beispiel für eine unendliche Menge ist die Menge
N := {1, 2, 3, 4, 5, . . . }
3
der natürlichen Zahlen. Die Notation “. . . ” bedeutet hier nur “und so weiter” und ist
sehr vorsichtig einzusetzen, nämlich nur dann, wenn Einigkeit darüber besteht, wie die
Folge fortzusetzen ist! Weitere Beispiele für unendliche Mengen und mögliche Notationen
sind die Menge der natürlichen Zahlen mit Null
N0 := {0, 1, 2, 3, 4, 5, . . . },
die Menge der ganzen Zahlen
Z := {. . . , −3, −2, −1, 0, 1, 2, 3, . . . },
und die Menge der rationalen Zahlen
p
Q :=
: p, q ∈ Z, q 6= 0 .
q
Auch die reellen Zahlen bilden eine Menge R, aber diese können wir nicht in aufzählender
Form hinschreiben!
1.7 Definition (Teilmengen). Sind X und Y zwei Mengen, so heißt X eine Teilmenge
von Y , in Zeichen X ⊆ Y , wenn jedes Element von X auch Element von Y ist, d.h. wenn
∀x(x ∈ X → x ∈ Y )
gilt. Da eine Menge durch ihre Elemente bestimmt ist, gilt
X = Y ↔ (X ⊆ Y ) ∧ (Y ⊆ X).
Will man Gleichheit von X und Y zeigen, genügt es also, die beiden Inklusionen X ⊆ Y
und Y ⊆ X zu zeigen. Ist X eine Menge und P (x) ein Prädikat, so bezeichnet man mit
Y := {x ∈ X : P (x)}
die Teilmenge von X, die aus den Elementen von X besteht, für die P (x) wahr ist, z.B.
2Z := {. . . , −4, −2, 0, 2, 4, . . . } = {2x : x ∈ Z} = {x ∈ Z : ∃y ∈ Z(2y = x)}.
Im Gegensatz zu den in 1.4 erwähnten Problemen ist dies immer ohne Gefahr möglich.
1.8 Definition (Mengenoperationen). Seien X und Y Mengen. Man definiert daraus weitere Mengen wie folgt:
1.
2.
3.
4.
X ∪ Y := {x : (x ∈ X) ∨ (x ∈ Y )}, die Vereinigung von X und Y
X ∩ Y := {x : (x ∈ X) ∧ (x ∈ Y )}, der Durchschnitt von X und Y
X \ Y := {x ∈ X : x ∈
/ Y }, die Mengendifferenz von X und Y
X × Y := {(x, y) : (x ∈ X) ∧ (y ∈ Y )}, das kartesische Produkt von X und
Y . Hierbei bezeichnet (x, y) das (geordnete) Paar aus x und y, und es ist (x, y) =
(x0 , y 0 ) genau dann, wenn x = x0 ∧ y = y 0 . Allgemeiner schreiben wir (x1 , . . . , xn )
für das (geordnete) n-Tupel, wobei (x1 , . . . , xn ) = (x01 , . . . , x0n ), wenn xi = x0i für
i = 1, . . . , n (n ∈ N).
4
5. P(X) := {Z : Z ⊆ X}, die Potenzmenge von X, deren Elemente alle Teilmengen
von X sind.
1.9 Beispiel. Neben den offensichtlichen Gesetzen für die Mengenoperationen, wie etwa
X ∪ Y = Y ∪ X und X ∩ X = X gibt es auch einige weniger offensichtliche. Zum Beispiel
gelten die Gesetze von De Morgan:
X \ (X1 ∪ X2 ) = (X \ X1 ) ∩ (X \ X2 ),
X \ (X1 ∩ X2 ) = (X \ X1 ) ∪ (X \ X2 ).
Seien X und Y endliche Mengen. Dann ist |X ×Y | = |X|·|Y | und |P(X)| = 2|X| (Übung!).
2
Abbildungen
2.1 Überblick (Abbildung). Eine Abbildung f von einer Menge X in eine Menge Y ist
eine Vorschrift, die jedem x ∈ X auf eindeutige Weise genau ein Element f (x) ∈ Y
zuordnet. Man schreibt dies als
(
X→Y
f:
x 7→ f (x)
oder
f : X → Y, x 7→ f (x),
oder einfach f : X → Y . Dabei heißt X die Definitionsmenge und Y die Zielmenge der
Abbildung f . Zwei Abbildungen heißen dann gleich, wenn sowohl ihre Definitionsmengen
als auch ihre Zielmengen gleich sind und sie jedem x ∈ X das gleiche Element von Y
zuordnen. Die Abbildungen von X nach Y bilden wieder eine Menge, welche wir mit
Abb(X, Y ) bezeichnen.
2.2 Beispiel. Ein paar Beispiele zur Gleichheit und Wohldefiniertheit von Abbildungen:
(a) Aus der Schule bekannt sind Abbildungen wie f : R → R, x 7→ x2 , oder f : R → R,
x 7→ 3x, (Abbildungen mit Zielmenge R nennt man oft auch Funktionen), aber
wir lassen hier auch Abbildungsvorschriften zu, die nicht durch einen geschlossenen
Ausdruck wie “x2 ” oder “3x” beschrieben werden können.
(b) Es bezeichne R≥0 := {x ∈ R : x ≥ 0} die nichtnegativen reellen Zahlen. Die
Funktionen f1 : R → R, x 7→ x2 und f2 : R → R≥0 , x 7→ x2 sind verschieden, da sie
nicht die selbe Zielmenge haben.
(c) Die Funktionen f1 : {0, 1} → R, x 7→ x, und f2 : {0, 1} → R, x 7→ x2 sind gleich
(obwohl wir die Abbildungsvorschrift unterschiedlich notiert haben), da sie gleiche
Definitionsmenge und gleiche Zielmenge haben, und allen (beiden) Elementen der
Definitionsmenge jeweils den gleichen Wert zuordnen.
2.3 Beispiel. Wir erwähnen einige wichtige Beispiele von Abbildungen und Möglichkeiten,
sie zu notieren:
(a) Auf jeder Menge X gibt es die identische Abbildung (oder Identität)
(
X→X
idX :
x 7→ x
5
Allgemeiner hat man zu jeder Teilmenge A ⊆ X die Inklusionsabbildung
(
A→X
ιA :
x 7→ x
(b) Zu je zwei Mengen X, Y und y0 ∈ Y gibt es die konstante Abbildung
(
X→Y
cy0 :
x 7→ y0
(c) Zu jeder Menge X und Teilmenge A ⊆ X definiert man die charakteristische
Funktion
(
1, falls x ∈ A
χA : X → R, x 7→
0, falls x ∈
/A
(d) Zu jeder Menge X gibt es die Abbildung
X × X → R, (x, y) 7→ δx,y
(
1 falls x = y
:=
0 falls x 6= y
genannt das Kroneckersymbol1 .
2.4 Definition (Eigenschaften von Abbildungen). Sei f : X → Y eine Abbildung.
1. f heißt injektiv, wenn ∀x, x0 ∈ X(f (x) = f (x0 ) → x = x0 )
2. f heißt surjektiv, wenn ∀y ∈ Y ∃x ∈ X(f (x) = y)
3. f heißt bijektiv, wenn f injektiv und surjektiv ist
2.5 Beispiel. (a) Die identische Abbildung idX : X → X ist stets bijektiv.
(b) Für jede Teilmenge A ⊆ X ist die Inklusionsabbildung ιA : A → X injektiv aber
im Allgemeinen nicht surjektiv.
(c) Die Funktion f : R → R≥0 , x 7→ x2 ist surjektiv aber nicht injektiv.
(d) Die Funktion f : R → R, x 7→ x3 ist bijektiv.
2.6 Definition (Restriktion, Bild, Urbild). Sei f : X → Y eine Abbildung. Für A ⊆ X
definiert man die Restriktion (oder Einschränkung) von f auf A als die Abbildung
(
A→Y
f |A :
.
a 7→ f (a)
Das Bild von A ⊆ X unter f ist
f (A) := {f (a) : a ∈ A},
das Urbild einer Menge B ⊆ Y unter f ist
f −1 (B) := {x ∈ X : f (x) ∈ B}.
Man nennt Im(f ) := f (X) auch das Bild von f .
1
nach Leopold Kronecker (1823–1891)
6
2.7 Bemerkung. Abstraktere Betrachtungsweise: Man ordnet der Abbildung f : X → Y
auch Abbildungen auf den Potenzmengen, P(X) → P(Y ) und P(Y ) → P(X) zu. Man
benutzt hier also das gleiche Symbol f (·) sowohl für die Abbildung f : X → Y als auch
für f : P(X) → P(Y ), was etwas unvorsichtig ist, aber keine Probleme bereiten sollte. In
anderen Vorlesungen wird für y ∈ Y auch f −1 (y) anstatt f −1 ({y}) geschrieben.
2.8 Bemerkung. Die Abbildung f : X → Y 
ist genau dann surjektiv, wenn 
Im(f ) = Y .


injektiv
≤ 1
−1
Die Abbildung f : X → Y ist genau dann surjektiv , wenn |f ({y})| ≥ 1 für




bijektiv
=1
alle y ∈ Y .
2.9 Definition (Komposition). Sind f : X → Y und g : Y → Z Abbildungen, so ist die
Komposition g ◦ f (sprich “g nach f ”) die Abbildung
(
X→Z
g◦f :
.
x 7→ g(f (x))
Abstraktere Betrachtungsweise: Man kann die Komposition als eine Abbildung
◦ : Abb(Y, Z) × Abb(X, Y ) → Abb(X, Z)
auffassen.
2.10 Satz. Die Komposition von Abbildungen ist assoziativ: Sind f : X → Y , g : Y → Z
und h : Z → W Abbildungen, so ist
h ◦ (g ◦ f ) = (h ◦ g) ◦ f.
Beweis. Sowohl h ◦ (g ◦ f ) als auch (h ◦ g) ◦ f haben die Definitionsmenge X und die
Zielmenge W , und für jedes x ∈ X ist
(h ◦ (g ◦ f ))(x) = h((g ◦ f )(x)) = h(g(f (x))
gleich
((h ◦ g) ◦ f )(x) = (h ◦ g)(f (x)) = h(g(f (x)).
Somit ist h ◦ (g ◦ f ) = (h ◦ g) ◦ f nach Definition der Gleichheit von Abbildungen.
2.11 Definition. Ist f : X → Y eine bijektive Abbildung, so gibt es zu jedem y ∈ Y genau
ein xy ∈ X mit f (xy ) = y (2.7), durch f −1 : Y → X, y 7→ xy wird also eine Abbildung
definiert, die Umkehrabbildung zu f .
2.12 Satz. Ist f : X → Y bijektiv, so gilt f −1 ◦ f = idX und f ◦ f −1 = idY .
Beweis. Es ist f −1 ◦ f ∈ Abb(X, X) und f ◦ f −1 ∈ Abb(Y, Y ). Für y ∈ Y ist
(f ◦ f −1 )(y) = f (f −1 (y)) = f (xy ) = y = idY (y),
also f ◦ f −1 = idY . Für x ∈ X ist deshalb
2.10
f ((f −1 ◦ f )(x)) = (f ◦ (f −1 ◦ f ))(x) = ((f ◦ f −1 ) ◦ f )(x) = (idY ◦ f )(x) = f (x),
da f injektiv ist folglich (f −1 ◦ f )(x) = x = idX (x). Somit ist f −1 ◦ f = idX .
7
2.13 Bemerkung. Wir benutzen hier das selbe Symbol f −1 für zwei verschiedene Dinge:
Die Abbildung f −1 : P(Y ) → P(X) aus 2.6 existiert für jede Abbildung f : X → Y ,
die Umkehrabbildung f −1 : Y → X aus 2.10 existiert nur für bijektive Abbildungen
f :X →Y.
2.14 Definition (Familien). Seien I und X Mengen. Eine Abbildung x : I → X, i 7→ xi
nennt man auch eine Familie von Elementen von X mit Indexmenge I (oder ein I-Tupel
von Elementen von X) und schreibt diese als (xi )i∈I . Im Fall I = {1, . . . , n} identifiziert
man die I-Tupel mit den n-Tupeln aus Def. 1.8. Die mengentheoretischen Operationen
aus Def. 1.8 verallgemeinern sich wie folgt auf Familien: Ist (Xi )i∈I eine Familie von
Teilmengen einer Menge X, so ist
[
Xi := {x ∈ X : ∃i ∈ I(x ∈ Xi )} ,
i∈I
\
Xi := {x ∈ X : ∀i ∈ I(x ∈ Xi )} ,
i∈I
Y
Xi := {f ∈ Abb(I, X) : ∀i ∈ I(f (i) ∈ Xi )} .
i∈I
Die Elemente von
Q
i∈I
Xi schreibt man in der Regel als Familien (xi )i∈I .
2.15 Beispiel. Eine Folge ist eine Familie (xi )i∈N0 mit Indexmenge N0 (manchmal auch
N), die man dann auch (x0 , x1 , . . . ) notiert.
2.16 Definition (Graph). Der Graph einer Abbildung f : X → Y ist die Menge
Γf := {(x, y) ∈ X × Y : y = f (x)} .
2.17 Bemerkung. Unsere Definition von Abbildung ist etwas schwammig, da nicht ganz
klar ist, was eine gültige “Vorschrift” ist, und was nicht. In der Linearen Algebra wird dies
kein Problem sein, wir erwähnen an dieser Stelle trotzdem die formal korrekte Definition
einer Abbildung: Eine Abbildung f ist Tripel (also ein 3-Tupel) (X, Y, Γ), wobei Γ ⊆
X × Y für jedes x ∈ X genau ein Paar (x, y) mit y ∈ Y enthält. Die Abbildungsvorschrift
schickt dann x ∈ X auf das eindeutige y ∈ Y mit (x, y) ∈ Γ. Wir sehen: Γ ist der Graph
der so beschriebenen Abbildung, also Γ = Γf .
2.18 Bemerkung. In anderen Vorlesungen wird die Zielmenge nicht immer als Teil der
Definition einer Abbildung aufgefasst, d.h. man betrachtet zwei Abbildungen f : X → Y ,
g : X → Z mit gleicher Definitionsmenge dann als gleich, wenn f (x) = g(x) für alle
x ∈ X. Dies ist gleichbedeutend mit Γf = Γg . So würde man dann zum Beispiel f1 und
f2 aus 2.2(b) als gleich auffassen. Die wichtigen Begriffe surjektiv und bijektiv verlieren
dann jedoch ihre Bedeutung.
3
Gruppen
3.1 Definition. Sei G eine Menge. Eine (innere, zweistellige) Verknüpfung auf G ist eine
Abbildung ∗ : G × G → G, (x, y) 7→ x ∗ y. Das Paar (G, ∗) ist eine Halbgruppe, wenn
das folgende Axiom erfüllt ist:
8
(G1) Für x, y, z ∈ G ist (x ∗ y) ∗ z = x ∗ (y ∗ z). (Assoziativität)
Eine Halbgruppe (G, ∗) ist ein Monoid, wenn zusätzlich das folgende Axiom gilt:
(G2) Es gibt ein e ∈ G, für das für alle x ∈ G gilt: x ∗ e = e ∗ x = x.
Ein e wie in (G2) heißt ein neutrales Element der Verknüpfung ∗.
3.2 Beispiel. (a) Für jede Menge X ist (Abb(X, X), ◦) eine Halbgruppe (Satz 2.10) mit
neutralem Element idX , also ein Monoid.
(b) Die natürlichen Zahlen N bilden mit der Addition eine Halbgruppe (N, +), aber
kein Monoid.
(c) Die natürlichen Zahlen mit der Null N0 bilden mit der Addition ein Monoid (N0 , +).
(Man beachte, dass dieses “+” nicht die selbe Abbildung wie in (b) ist. Genauer
müssten wir +N0 : N0 ×N0 → N0 und +N : N×N → N in der Notation unterscheiden,
tun dies aber nicht, da wir uns einig sind, welche Abbildung jeweils gemeint ist.)
(d) Die natürlichen Zahlen N bilden mit der Multiplikation ein Monoid (N, ·).
(e) Die ganzen Zahlen Z bilden mit der Addition ein Monoid (Z, +).
3.3 Satz (Eindeutigkeit des neutralen Elements). Ein Monoid (G, ∗) besitzt genau ein
neutrales Element e ∈ G.
Beweis. Seien e, e0 ∈ G neutrale Elemente von ∗. Dann ist e = e ∗ e0 = e0 , wobei die erste
Gleichheit gilt, da e0 ein neutrales Element ist, und die zweite gilt, da e ein neutrales
Element ist.
3.4 Definition. Eine Gruppe2 ist ein Monoid (G, ∗) mit neutralem Element e, in dem
zusätzlich das folgende Axiom gilt:
(G3) Für jedes x ∈ G gibt es ein x0 ∈ G mit x ∗ x0 = x0 ∗ x = e.
Gilt zusätzlich
(A) Für alle x, y ∈ G ist x ∗ y = y ∗ x. (Kommutativität)
so heißt die Gruppe (G, ∗) abelsch3 . Ein x0 wie in (G3) heißt inverses Element zu x,
und da es, wie wir sehen werden, eindeutig ist, auch das inverse Element zu x.
3.5 Beispiel. (a) Das Monoid (N, ·) ist keine Gruppe.
(b) Das Monoid (Z, +) ist eine abelsche Gruppe. Auch (Q, +) und (R, +) sind abelsche
Gruppen.
(c) Das Monoid (Q, ·) ist keine Gruppe. Die von Null verschiedenen rationalen Zahlen
Q× := Q \ {0} hingegen bilden mit der Multiplikation eine abelsche Gruppe (Q× , ·),
ebenso die von Null verschiedenen reellen Zahlen R× := R \ {0}.
3.6 Satz (Eindeutigkeit von Inversen). Ist (G, ∗) eine Gruppe, so gibt es zu jedem x ∈ G
genau ein inverses Element.
2
3
Der Begriff einer Gruppe geht auf Évariste Galois (1811–1832) zurück.
nach Niels Henrik Abel (1802–1829)
9
Beweis. Seien x0 , x00 ∈ G inverse Elemente zu x. Dann ist
x0 = x0 ∗ e = x0 ∗ (x ∗ x00 ) = (x0 ∗ x) ∗ x00 = e ∗ x00 = x00 .
3.7 Beispiel. (a) Eine triviale Gruppe besteht nur aus ihrem neutralen Element. Tatsächlich ist G := {e} mit e ∗ e = e eine Gruppe!
(b) Sei X eine Menge. Die Menge Sym(X) = {f ∈ Abb(X, X) : f bijektiv} der Permutationen von X bildet mit der Komposition eine Gruppe (Sym(X), ◦) (Abgeschlossenheit nach A18, Assoziativität nach Satz 2.10, Existenz von Inversen nach
Satz 2.12). Sie heißt die symmetrische Gruppe auf X. Für n ∈ N schreibt man
Sn := Sym({1, . . . , n}). Für n ≥ 3 ist Sn nicht abelsch!
3.8 Bemerkung. Es gibt zwei häufig benutzte Notationen für die Gruppenverknüpfung
∗: In der multiplikativen Notation schreibt man · für ∗ und lässt dies auch oft weg (man
schreibt also z.B. xy für x·y), bezeichnet das inverse Element zu x mit x−1 und bezeichnet
das neutrale Element oft mit 1. In der additiven Notation schreibt man + für ∗, bezeichnet
das inverse Element zu x mit −x (und schreibt dann z.B. auch x−y für x+(−y)) und das
neutrale Element mit 0. Die additive Notation wird nur für abelsche Gruppen benutzt!
3.9 Bemerkung. In einer Gruppe (G, ·) gilt auf Grund der Assoziativität stets x(yz) =
(xy)z für alle x, y, z ∈ G, die Klammerung spielt also keine Rolle. Man lässt die Klammern deshalb oft ganz weg und schreibt für diesen Ausdruck einfach xyz. Das Gleiche
gilt für Produkte x1 · · · xn von mehr als drei Elementen – auch hier spielt die Klammerung keine Rolle und man braucht daher keine Klammern zu schreiben (Übung). In
abelschen Gruppen notiert man solche Ausdrücke auch gerne mit dem Summen- bzw.
dem Produktzeichen:
n
X
xi := x1 + · · · + xn .
i=1
bzw.
n
Y
xi := x1 · · · xn
i=1
Ist x1 = · · · = xn = x, so schreibt man auch xn := x1 · · · xn bzw. nx := x1 + · · · + xn .
3.10 Satz. Sei (G, ·) eine Gruppe und seien x, y ∈ G. Es ist (x−1 )−1 = x und (xy)−1 =
y −1 x−1 .
Beweis. Nach Definition erfüllt z := x die Identitäten x−1 z = zx−1 = 1, und somit
ist (x−1 )−1 = z = x. Ebenso ist (y −1 x−1 ) · (xy) = y −1 (x−1 x)y = y −1 y = 1 und (xy) ·
(y −1 x−1 ) = x(yy −1 )x−1 = xx−1 = 1, also y −1 x−1 = (xy)−1 .
10
Herunterladen