Logik für Informatiker Wintersemester 2007/08 Thomas Schwentick Teil B: Prädikatenlogik 4. Grundlagen Version von: 24. Januar 2008(14:35) Inhalt 4.1 Ein Beispiel 4.2 Relationen und Funktionen 4.3 Strukturen 4.4 Syntax der Prädikatenlogik 4.5 Semantik der Prädikatenlogik 4.6 Formeln Erstellen und Verstehen 4.7 Äquivalenzen und Normalformen Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 1 Ein einleitendes Beispiel • Die Modellierung von Minesweeper mit Mitteln der Aussagenlogik hat einige Nachteile: – Ziemlich viele lange Formeln – Keine Trennung von „Daten“ und „Logik“ – Die Formeln hängen stark von der Größe und Form des Spielfeldes ab • Wir betrachten jetzt eine einfachere Modellierung unter Verwendung von Prädikaten • Die formalen Definitionen für diesen Ansatz betrachten wir später Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 2 Ein einleitendes Beispiel (Forts.) Beispiel • Wir modellieren zunächst das „Spielfeld“ (der Größe n × n): – Grundmenge: Menge aller Felder (i, j), i, j ∈ {1, . . . , n} – Dass Felder p, q benachbart sind, drücken wir durch das Prädikat E(p, q) aus (dann soll auch E(q, p) gelten) • Weitere Prädikate: – M (p): Feld p enthält eine Mine – Nk(p): mindestens k Nachbarfelder von p enthalten eine Mine (für k ∈ {1, . . . , 8}) • Für k ∈ {1, . . . , 8} sei Fk(x) die Formel k ^ ^ xi 6= xj ∧ ∃x1 · · · ∃xk (E(x, xi) ∧ M (xi)) i6=j • Dann drückt die Formel 8 ^ i=1 ∀x Fk(x) ↔ Nk(x) die gesamte Semantik k=1 • der Modellierung aus Zusätzliches Wissen lässt sich nun durch Erweiterung der Relationen M und/oder Nk oder durch Hinzufügen von Formeln der Art M (c) für bestimmte Felder c modellieren Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 3 Inhalt 4.1 Ein Beispiel 4.2 Relationen und Funktionen 4.3 Strukturen 4.4 Syntax der Prädikatenlogik 4.5 Semantik der Prädikatenlogik 4.6 Formeln Erstellen und Verstehen 4.7 Äquivalenzen und Normalformen Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 4 Repräsentation von Daten: Informatik vs. Mathematik • Ein wichtiges Thema für Informatiker ist die geeignete Repräsentation von Daten/Informationen zur Verarbeitung durch Computer • Verschiedene Aspekte: – Kodierung...: ∗ ...im Rechner: Bit-Folgen ∗ ...in Dateien: Daten lassen sich im Zweifelsfall als Strings/Textdateien repräsentieren (z.B. in XML) – Datenstrukturen: ∗ Arrays, Pointerstrukturen, etc. bieten eine komfortablere Repräsentation von Daten, die sich für für die Manipulation „innerhalb von Programmen“ eignen – Datenbanken: „externe“ Speicherung von Informationen – Daten im Web... • Der mathematische Weg zur Repräsentation von Daten: Relationen, Funktionen, Strukturen Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 5 Relationen • Sei A eine Menge • Eine n-stellige Relation R über A ist eine Teilmenge von An = A × · · · × A • Beispiele: – A = N, R = {(m, n) ∈ N2 | m < n} – A = Z2 , R = {((z1 , n1 ), (z2 , n2 )) ∈ (Z2 )2 | z1 n2 = z2 n1 } – A = Menge aller Strings über {a, . . . , z}, R = {(x, y) ∈ A2 | x ist Vorname, y ist Nachname eines Hörers der Logik-Vorlesung} – Nebenbei bemerkt: zu jeder Grundmenge A gibt es zwei 0-stellige Relationen: ∗ ∅ ∗ {()} Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 6 Funktionen • n-stellige Funktionen f : An → A über einer Grundmenge A • Beispiele: – Addition über den natürlichen Zahlen: ∗ f+ : N 2 → N ∗ f+ (n, m) = n + m – Verkettete Liste als 1-stellige Funktion: f (x) = Element, auf das der Zeiger von x zeigt • Enger Zusammenhang zwischen Funktionen und Relationen: – Der Graph einer n-stelligen Funktion f : graph(f ) = {(a1 , . . . , an, a) | f (a1 , . . . , an) = a} • 0-stellige Funktionen über A: – Abbildung () 7→ c mit c ∈ A ➞ 0-stellige Funktionen über A entsprechen gerade Konstanten aus A Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 7 Ordnungen Beispiele • Eine 2-stellige Relation R ist eine Quasi-Ordnung (auch: Prä-Ordnung), wenn sie die folgenden Eigenschaften hat: – reflexiv: (a, a) ∈ R, für alle a ∈ A – transitiv: falls (a, b) ∈ R und (b, c) ∈ R, dann auch (a, c) ∈R • Eine partielle Ordnung R (auch: Halbordnung) ist eine Quasi-Ordnung mit der Eigenschaft: – antisymmetrisch: falls (a, b) ∈ R und (b, a) ∈ R, so ist a = b • Eine lineare Ordnung (auch: totale • ≤ auf N ist eine • Sei A die Menge aller Strings über {0, 1} – {(u, v) ∈ S 2 | |u| ≤ |v|} ist dann eine • {(F, F 0) ∈ AL2 | F ist Teilformel von F 0} ist eine • Sei B eine Menge und A die Potenzmenge von B – {(U, V ) ∈ A2 | U ⊆ V } ist eine Ordnung) ist eine partielle Ordnung mit der Eigenschaft: – konnex: für alle a, b ∈ A gilt (a, b) ∈ R oder (b, a) ∈ R Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 8 Äquivalenzrelationen • Eine 2-stellige Relation R ist eine Äquivalenzrelation, wenn sie die folgenden Eigenschaften hat: – reflexiv: (a, a) ∈ R, für alle a ∈ A – transitiv: falls (a, b) ∈ R und (b, c) ∈ R, dann auch (a, c) ∈ R – symmetrisch: falls (a, b) ∈ R, so auch (b, a) ∈ R Beispiel • Gleichheit: für jede Menge A ist R = {(a, a) | a ∈ A} eine Äquivalenzrelation • Die Relation Rn = {(i, j) ∈ N2 | n ist Teiler von (i − j)} ist für jedes n > 0 eine Äquivalenzrelation • Ist A eine Menge, so ist die Relation R = {(U, V ) ∈ P(A)2 | |U | = |V |} eine Äquivalenzrelation auf der Potenzmenge P(A) zu A • Die Relation {(F, G) ∈ AL2 | F ≡ G} ist eine Äquivalenzrelation auf AL Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 9 Inhalt 4.1 Ein Beispiel 4.2 Relationen und Funktionen 4.3 Strukturen 4.4 Syntax der Prädikatenlogik 4.5 Semantik der Prädikatenlogik 4.6 Formeln Erstellen und Verstehen 4.7 Äquivalenzen und Normalformen Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 10 Strukturen • Für die meisten Modellierungen ist es vorteilhaft, mehr als eine ➞ • Relation oder eine Funktion zur Verfügung zu haben Wir betrachten Strukturen, die aus mehreren Relationen, Funktionen (und Konstanten) bestehen dürfen Eine Struktur A besteht aus – einem Universum A, A, . . . , RA über A – Relationen R1 k – Funktionen f1A, . . . , flA über A A über A , . . . , c – Konstanten cA m 1 • Wir schreiben A dann als A) (A, R1A, . . . , RkA, f1A, . . . , flA, cA , . . . , c 1 m • Bemerkungen: – Es ist auch k = 0, l = 0 oder m = 0 möglich – Wir betrachten hier nur Strukturen mit endlich vielen Relationen und Funktionen – Wir nennen Relationen oft auch Prädikate – Wenn A durch den Kontext klar ist, schreiben wir oft einfach Ri statt RiA etc. Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 11 Strukturen: Graphen Beispiel • (Gerichtete) Graphen: a b c d G= – AG = (V, E G), wobei ∗ V = {a, b, c, d} und ∗ E G = {(a, b), (a, c), (c, b), (b, d), (d, c)}) • Erreichbarkeitsproblem – Für ein Erreichbarkeitsproblem werden ein Graph sowie ein Start- und ein Endknoten gegeben – Die Eingabe G, a, d lässt sich zum Beispiel durch die Struktur AG,a,d = (V, E G, a, d) beschreiben, mit V und E G wie oben Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 12 Strukturen: Algebraische Strukturen • In der Mathematik werden häufig Strukturen mit Funktionen betrachtet (die dann Operationen entsprechen) Beispiel • Gruppen: • – Gruppen lassen sich durch Strukturen der Art (G, ◦, e) repräsentieren, wobei ∗ G die Menge der Elemente ist, ∗ ◦ eine 2-stellige Funktion, die Gruppenverknüpfung, ist, und ∗ e eine Konstante ist, das neutrale Element – Eine andere Repräsentation ergibt sich durch Strukturen der Art (G, ◦, inv, e), wobei ∗ G, ◦, e wie zuvor sind und ∗ inv eine 1-stellige Funktion ist, die jedem Element sein inverses Element zuordnet Peano-Arithmetik: (natürliche Zahlen mit Addition und Multiplikation) – Sie lässt sich durch die Struktur (N, +, ×, 0, 1) repräsentieren: – – – N ist die Menge der natürlichen Zahlen +, × sind 2-stellige Funktionen 0 und 1 sind Konstanten Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 13 Strukturen: „Informatik-Strukturen“ Beispiel Beispiel • Zeichenketten: – Der String s = bacabba lässt sich • Transitionssysteme: B,C A durch die Struktur (P, ≤, Qa, Qb, Qc) repräsentieren, wobei ∗ P = {1, 2, 3, 4, 5, 6, 7} die Menge der Positionen von s ist, ∗ ≤ die natürlich lineare Ordnung auf P ist, ∗ Qa = {2, 4, 7} die Menge der Positionen, an denen ein a steht ist, ∗ und entsprechend: Qb = {1, 5, 6}, Qc = {3} • Relationale Datenbanken: – D = (U, R1 , . . . , Rk) – U : die Menge der in D vorkommenden Datenwerte – 1 A ¬o C 2 ¬o B 3 ¬o A 4 o B,C – Dieses Transitionssystem kann durch (Z, EA, EB , EC , Po, s) repräsentiert werden, wobei ∗ Z = {1, 2, 3, 4} (Zustände), ∗ EA = {(1, 2), (2, 2), (3, 4)}, „A-Transitionen“, ∗ entsprechend: EB = {(1, 1), (2, 3), (3, 1)}, EC = {(1, 1), (2, 1), (3, 1)}, ∗ P0 = {(4)} (Zustände mit Eigenschaft o), und (Anfangszustand) ∗ s=1 R1 , . . . , Rk: Die Relationen über U („Tabellen“) Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 14 Strukturen: Signaturen • Relationssymbole R und Funktionssymbole f haben eine Stelligkeit, die mit a(R) bzw. a(f ) bezeichnet wird • Wir unterscheiden zwischen den Symbolen, • mit denen Relationen und Funktionen bezeichnet werden und ihren konkreten Ausprägungen in einer Struktur Im Beispiel von Graphen ist E ein 2-stelliges Relationssymbol, die Kantenrelation des Graphen G bezeichnen wir mit E G Beispiel • Die Signatur von Zeichenketten über dem Alphabet {a, b, c} ist {≤, Qa, Qb, Qc}, wobei ≤ ein 2-stelliges Relationssymbol ist und Qa, Qb, Qc jeweils 1-stellige Relationssymbole sind • Die Signatur von Erreichbarkeitsproblemen ist {E, s, t}, wobei E ein 2-stelliges Relationssymbol ist und s, t Konstantensymbole sind • Meistens werden wir jeweils Strukturen eines • • gewissen „Typs“ betrachten, also z.B. nur Graphen, nur Strings oder nur Transitionssysteme Dieser „Typ“ ist durch die Anzahl und Stelligkeit der Relationen und Funktionen (und die Anzahl der Konstanten) gegeben Eine Menge von Relations-, Funktions- und Konstantensymbolen nennen wir eine Signatur Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 • Eine Struktur A heißt passend zu einer Signatur S , wenn A – zu jedem Relationssymbol R aus S eine Relation RA hat, – zu jedem Funktionssymbol f aus S eine Funktion f A hat, und – zu jedem Konstantensymbol c aus S eine Konstante cA hat B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 15 Inhalt 4.1 Ein Beispiel 4.2 Relationen und Funktionen 4.3 Strukturen 4.4 Syntax der Prädikatenlogik 4.5 Semantik der Prädikatenlogik 4.6 Formeln Erstellen und Verstehen 4.7 Äquivalenzen und Normalformen Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 16 Syntax der Prädikatenlogik Def. 4.2 [Syntax prädikatenlogischer Formeln] • Sei PV eine Menge prädikatenlogischer Variablen • Die Menge PL der prädikatenlogischen Formeln ist induktiv wie folgt definiert: (1) Ist R ein k-stelliges Relationssymbol und sind t1 , . . . , tk Terme, so ist R(t1 , . . . , tk) in PL (2) Sind F, F1 , F2 in PL, so auch (a) ¬F (b) (F1 ∧ F2 ) (c) (F1 ∨ F2 ) (3) Ist x eine Variable und F in PL, so sind auch (a) ∃x F und (b) ∀x F in PL • PV enthalte mindestens x, y, z sowie xi, yi, zi, für alle i ∈ N • Seien außerdem Mengen von Relationssymbolen, Funktionssymbolen und Konstantensymbolen gegeben Def. 4.1 [Terme] • Die Menge PT der prädikatenlogischen Terme ist induktiv wie folgt definiert: – Jede Variable aus PV ist ein Term – Jedes Konstantensymbol ist ein Term – Ist f ein k-stelliges Funktionssymbol und sind t1 , . . . , tk Terme, so ist f (t1 , . . . , fk) ein Term • Terme, die keine Variablen verwenden, nennen wir Grund-Terme Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 • ∃ heißt Existenzquantor, ∀ heißt • • Allquantor Formeln vom Typ (1) heißen atomar Formeln, die nur durch (1) und (2) gebildet werden können, heißen quantorenfrei B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 17 Ein Beispiel aus [KuK] Beispiel Beispiel • Kürzlich in der Logik-Übung: (1) Manche Studenten fanden die Aufgaben verständlich (2) Manche Studenten waren bei den jeweils besten Teilnehmern der Übungsgruppe beliebt (3) Dann war da noch eine Studentin, deren beste Freundin bei allen Studenten beliebt war • Alle drei Fälle führten zur Abgabe einer korrekten Lösung • Modellierung: – (1) - (3) machen jeweils eine Aussage über einen Ü-Teilnehmer – Für diesen verwenden wir die Variable x – Die Funktion f soll jedem Studierenden seine/n beste(n) Freund(in) zuordnen – g ordnet jedem Studierenden den besten Studierenden seiner Ü-Gruppe zu – P (x, y) soll ausdrücken, dass x bei y beliebt ist – R(x) soll ausdrücken, dass x die Aufgaben verstanden hat Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 • Ziel: eine Formel F , die wahr wird, falls x einer der in (1)-(3) beschriebenen Studis ist • Die drei Aussagen lassen sich dann wie folgt ausdrücken: (1) R(x) ∀z P (x, g(z)) (3) ∀y P (f (x), y) • Die Gesamtformel F ist dann also: R(x) ∨ ∀z P (x, g(z))∨ ∀y P (f (x), y) (2) B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 18 Syntax der Prädikatenlogik: Einige Begriffe • Eine Formel F ist Teilformel einer Formel F 0, wenn sie als Teilstring in F 0 vorkommt • (Die elegantere aber längere induktive • • • • • • Definition ersparen wir uns) Jedes Vorkommen einer Variablen x in einer Formel der Form ∃x F oder ∀x F heißt gebunden Jedes andere Vorkommen einer Variablen in einer Formel ist frei Die freien Variablen einer Formel sind alle Variablen, die mindestens einmal frei vorkommen Die Schreibweise F (x1 , , . . . , xk) soll implizit bedeuten, dass alle freien Variablen von F unter den x1 , , . . . , xk vorkommen Eine Formel ist geschlossen, wenn sie keine freien Vorkommen von Variablen enthält Die Signatur einer Formel F ist die Menge der in F vorkommenden Relations-, Funktions- und Konstantensymbole Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 Beispiel • Sämtliche Vorkommen von x in F = R(x) ∨ ∀z P (x, g(z))∨ ∀y P (f (x), y) sind frei, die Vorkommen von y und z gebunden • Die Signatur von F ist {P, R, f, g} • In P (x) ∨ ∃x R(x, y) kommt x sowohl frei als auch gebunden vor • Die Menge der freien Variablen dieser Formel ist also {x, y} B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 19 Inhalt 4.1 Ein Beispiel 4.2 Relationen und Funktionen 4.3 Strukturen 4.4 Syntax der Prädikatenlogik 4.5 Semantik der Prädikatenlogik 4.6 Formeln Erstellen und Verstehen 4.7 Äquivalenzen und Normalformen Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 20 Prädikatenlogische Interpretationen • Um den Wahrheitswert einer PL-Formel F festzustellen, benötigen wir – eine Struktur, in der die Relations-, Funktions- und Konstantensymbole interpretiert werden, sowie – eine Zuordnung von Werten zu den freien Variablen von F • Eine Interpretation I = (A, β) besteht aus – einer Struktur A mit Grundmenge A 6= ∅ und – einer partiellen Abbildung β : PV → A (der Belegung) • Eine Interpretation (A, β) heißt passend für eine PL-Formel F , falls – A passend zur Signatur von F ist und – β(x) für jede freie Variable von F definiert ist • Entsprechend für Terme Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 21 Prädikatenlogische Interpretationen: Beispiel Beispiel • Seien Anton, Berta, Julius und Otto in einer ÜG (mit Julius als Bestem) • Seien Paula, Richard und Martha in einer anderen ÜG (mit Paula als Bester) • Bei Julius sei Anton beliebt, bei Anton sei Otto beliebt, bei Paula seien Anton und Martha beliebt Für alle (bis auf Otto) ist Otto der beste Freund, Ottos bester Freund ist Richard Außerdem habe Berta die Aufgaben verstanden • • • Eine zu F (x) = R(x) ∨ ∀z P (x, g(z)) ∨ ∀y P (f (x), y) passende Interpretation (A, β), die die obige Situation repräsentiert, ist dann: – Grundmenge: {Anton, Berta,Julius, Martha, Otto, Paula, Richard} Richard für x = Otto A – f (x) = Otto sonst Julius für x = Anton, Berta, Julius oder Otto – g A(x) = Paula für x = Paula, Richard oder Martha – P A = {(Anton, Julius), (Otto, Anton), (Anton, Paula), (Martha, Paula)} – RA = {Berta} – β(x) = Anton Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 22 Prädikatenlogische Interpretationen: Zweites Beispiel Beispiel • Eine andere zu F (x) = R(x) ∨ ∀z P (x, g(z))∨ ∀y P (f (x), y) passende Interpretation (A, β): – Grundmenge: R – f A sei die Sinus-Funktion – g A sei die Cosinus-Funktion – P A sei die ≤-Relation (also: (p, q) ∈ P A, falls p ≤ q ) – RA = [3, ∞) – β(x) = π/2 – β(y) = 1 Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 23 Semantik der Prädikatenlogik Def. 4.3 [Semantik prädikatenlogischer Formeln] • Die Semantik der Prädikatenlogik ordnet jeder Formel F und jeder passenden Interpretation I einen Wahrheitswert JF KI zu • Notation: β[x/a] bezeichne die Belegung β 0 , die aus β durch β 0(x) := a entsteht • Ist I = (A, β), so bezeichnet I[x/a] dann (I, β 0) Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 • Sei I = (A, β) eine Interpretation • Der Wert JtKI eines (zu I passenden) Terms t ist induktiv wie folgt definiert: – JxKI =def β(x) für Variablen x ∈ PV – JcKI =def cA für Konstantensymbole c – Jf (t1 , . . . , tk)KI =def f A(Jt1 KI , . . . , JtkKI ) für k-stellige Funktionssymbole f und Terme t1 , . . . , tk • Der Wahrheitswert JF KI einer (zu I passenden) PL-Formel F ist induktiv wie folgt definiert: (1) JR(t1 , . . . , tk)KI = 1, :⇐⇒ (Jt1 KI , . . . , JtkKI ) ∈ RA (2)(a) J¬F KI =def 1 − JF KI (b) JF1 ∧ F2 KI =def min(JF1 KI , JF2 KI ) (c) JF1 ∨ F2 KI =def max(JF1 KI , JF2 KI ) (3)(a) J∃x F KI =def maxa∈A{JF KI[x/a] } (b) J∀x F KI =def mina∈A{JF KI[x/a] } B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 24 Semantik der Prädikatenlogik: Beispiel Beispiel Beispiel (Forts.) • Sei wieder F = F1 ∨ F2 ∨ F3 mit – F1 = R(x) – F2 = ∀z P (x, g(z)) – F3 = ∀y P (f (x), y) • Sei I = (A, β) die Interpretation mit – Grundmenge: {Anton, Berta, Julius, Martha, Otto, Paula, Richard} – f A(x) – = Richard für x Otto sonst = Otto • JR(x)KI = 0 ➨ JF1 KI = 0 • Für alle a ∈ A ist Jg(a)KI[z/a] ∈ {Julius, Paula} ➨ Für alle a ∈ A ist JP (x, g(z))KI[z/a] = 1 ➨ JF2 KI = mina∈A{1} = 1 ➨ JF KI = max(JF1 KI , JF2 KI , JF3 KI ) = 1 A g (x) = Julius für x = Anton, Berta, Julius oder Otto Paula für x = Paula, Richard oder Martha – P A = {(Anton, Julius), (Otto, Anton), (Anton, Paula), (Martha, Paula)} – RA = {Berta} – β(x) = Anton Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 25 Semantik der Prädikatenlogik: Zweites Beispiel Beispiel Beispiel (Forts.) • Sei wieder F = F1 ∨ F2 ∨ F3 mit – F1 = R(x) – F2 = ∀z P (x, g(z)) – F3 = ∀y P (f (x), y) • Sei I = (A, β) wieder die Interpretation mit – Grundmenge: R – – – – – – f A: Sinus-Funktion g A: Cosinus-Funktion P A: die ≤-Relation (also: (p, q) ∈ P A, falls p ≤ q ) RA = [3, ∞) β(x) = π/2 β(y) = 1 Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 • JR(x)KI = 0 • JP (x, g(z))KI[z/r] = 0, für jedes r ∈ R, da cos(r) ≤ 1 < π/2 ➨ JF2 KI = minr∈R {0} = 0 • Jf (x)KI = sin(π/2) = 1 • JP (f (x), y)KI[y/r] = 1 falls r ≥ 1 0 falls r < 1 ➨ JF3 KI = minr∈R {JP (f (x), y)KI[y/r] } = min(1, 0) = 0 ➨ JF KI = max(JF1 KI , JF2 KI , JF3 KI ) = 0 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 26 Prädikatenlogik: einige Begriffe und Bemerkungen Beispiel • Eine Interpretation I mit JF KI = 1 heißt • ∀x P (x) ∨ ∃y ¬P (y) ist allgemein Modell von F gültig (Andere Notation: I |= F ) • ∀x ¬P (x) ∧ ∃y P (y) ist unerfüllbar • Ist F eine Menge von prädikatenlogischen Formeln, so heißt I Modell von F , falls für • Bemerkungen: alle F ∈ F gilt: I |= F – Ist F eine geschlossene Formel mit • Eine Formel F heißt erfüllbar, falls sie ein Modell (A, β), so nennen wir auch A Modell hat, andernfalls unerfüllbar ein Modell von F • Analog für Mengen F von Formeln – Es gelten: • Eine Formel F heißt allgemein gültig ∗ J∃x F KI = 1 ⇐⇒ (oder: Tautologie), falls jede zu F es gibt a ∈ A mit JF KI[x/a] = 1 passende Interpretation ein Modell von F ist ∗ J∀x F KI = 1 ⇐⇒ • Der Zusammenhang zwischen unerfüllbaren und allgemein gültigen Formeln ist genauso für alle a ∈ A gilt: JF KI[x/a] = 1 wie bei aussagenlogischen Formeln – Für das 2-stellige Relationssymbol = erlauben wir immer nur die Interpretation {(a, a) | a ∈ A} ∗ Infix-Schreibweise: „t1 = t2 “ statt „= (t1 , t2 )“ ∗ Wir sprechen dann von Prädikatenlogik mit Gleichheit Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 27 Inhalt 4.1 Ein Beispiel 4.2 Relationen und Funktionen 4.3 Strukturen 4.4 Syntax der Prädikatenlogik 4.5 Semantik der Prädikatenlogik 4.6 Formeln Erstellen und Verstehen 4.7 Äquivalenzen und Normalformen Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 28 Prädikatenlogik: Formeln Erstellen (1) Beispiel Beispiel (Forts.) • Zur Erinnerung: • In allen Gruppen hat jemand die – Das Übungsgruppen-Szenario haben wir wie folgt modelliert: ∗ f (a) ist bester Freund von a ∗ g(a) ist bester Student in der Übungsgruppe von a ∗ P (a, b) bedeutet, dass a bei b beliebt ist ∗ R(a) bedeutet, dass a die Aufgaben verstanden hat • Wir suchen jeweils Formeln in der PL mit Gleichheit für umgangssprachlich formulierte Aussagen: – Jeder ist für jemand der beste Freund ∗ Umformuliert in „umgangssprachliche Aussage mit Quantoren“: Für jeden Studenten gibt es einen Studenten, der ihn als besten Freund hat Aufgaben verstanden – Für jeden Studenten gibt es einen Studenten, der in derselben ÜG ist (denselben ÜG-Besten hat) und die Aufgabe verstanden hat – ∀x ∃y g(x)=g(y) ∧ R(y) • In einer der ÜGs haben alle die Aufgaben verstanden – Es gibt einen Studenten, so dass alle Studenten mit demselben ÜG-Besten die Ü-Aufgaben verstanden haben – ∃x ∀y g(x)=g(y) → R(y) • Student und Freund stehen hier jeweils sowohl für männliche und weibliche Personen ∗ ∀x ∃y f (y) = x Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 29 Prädikatenlogik: Formeln Verstehen (1) Beispiel Beispiel (Forts.) • Zur Erinnerung: – Das Übungsgruppen-Szenario haben wir wie folgt modelliert: ∗ f (a) ist bester Freund von a ∗ g(a) ist bester Student in der Übungsgruppe von a ∗ P (a, b) bedeutet, dass a bei b beliebt ist ∗ R(a) bedeutet, dass a die Aufgaben verstanden hat • ∀x P (x, f (x)) – Für jeden Studenten gilt: er ist bei seinem besten Freund beliebt – Einfacher formuliert: Jeder Student ist bei seinem besten Freund beliebt Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 • ∃x R(x) ∧ ∀y x6=g(y) – Es gibt einen Studenten x, der die Aufgaben verstanden hat, und der für keinen Studenten y der ÜG-Beste ist – Einfacher formuliert: Es gibt einen Studenten, der die Aufgaben verstanden hat, obwohl er nicht Bester seiner ÜG ist • ∀x ∀y g(x)=g(y) → g(f (x)) = g(f (y)) – Für alle Studenten x und alle Studenten y gilt: falls x und y denselben ÜG-Besten haben, haben ihre besten Freunde auch denselben ÜG-Besten – Einfacher formuliert: Sind zwei Studenten in derselben ÜG G, so sind auch ihre besten Freunde in derselben (aber möglicherweise von G verschiedenen) ÜG B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 30 Prädikatenlogik: Formeln Erstellen (2) Beispiel Beispiel (Forts.) • Zur Erinnerung: Strings über {a, b, c} werden modelliert durch Strukturen mit – mit der Menge der Positionen des Strings als Grundmenge, – einem 2-stelligen Prädikat ≤, – 1-stelligen Prädikaten Qa, Qb, Qc • Wir charakterisieren im Folgenden Mengen von (nicht leeren) Strings durch PL-Formeln: – Strings von der Form a∗b∗ (beliebig viele a gefolgt von beliebig vielen b) ∗ Für alle a-Positionen x und alle b-Positionen y gilt: x ≤ y ∗ Für alle Positionen x und alle Positionen y gilt: Ist x eine a-Position und y eine b-Position, so gilt x ≤ y ∗ ∀x ∀y ¬Qc(x)∧ (Qa(x) ∧ Qb(y)) → x ≤ y Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 • Strings, die abwechselnd aus a’s und b’s bestehen – Für je zwei Positionen, die unmittelbar hintereinander stehen, gilt: genau eine hat ein a, die andere ein b – Hilfsformel für „unmittelbar hintereinander stehen“: F+1 (x, y) = x≤y ∧ ¬(y≤x)∧ ∀z (z≤x ∨ y≤z) – Dann: ∀x ∀y F+1 (x, y) → ((Qa(x) ∧ Qb(y))∨ (Qb(x) ∧ Qa(y))) • Strings, die den Teilstring abc enthalten – Es gibt drei Positionen hintereinander, die a, b, c enthalten – ∃x ∃y ∃z F+1 (x, y) ∧ F+1 (y, z)∧ Qa(x) ∧ Qb(y) ∧ Qc(z) B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 31 Prädikatenlogik: Formeln Verstehen (2) Beispiel • ∀x ∀y F+1 (x, y) → (¬Qa(x)∨¬Qa(y)) – Für zwei aufeinander folgende Positionen gilt, dass sie nicht beide a enthalten – Im String kommt aa nicht als Teilstring vor • ∃x ∀y y ≤ x ∧ Qa(x) – Es gibt eine Position, für die alle Positionen „kleiner gleich“ sind, und die ein a enthält – Das letzte Zeichen ist ein a • ∀x ∀y (F+1 (x, y) ∧ Qa(x)) → Qb(y) – Für jede Position, die ein a enthält und eine rechte Nachbarposition hat, steht dort ein b – Auf jedes a folgt direkt ein b (außer am Ende) Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 32 Inhalt 4.1 Ein Beispiel 4.2 Relationen und Funktionen 4.3 Strukturen 4.4 Syntax der Prädikatenlogik 4.5 Semantik der Prädikatenlogik 4.6 Formeln Erstellen und Verstehen 4.7 Äquivalenzen und Normalformen Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 33 Äquivalente Formeln und Ersetzungslemma • Analog zur Aussagenlogik definieren wir: – Zwei Formeln F1 , F2 heißen äquivalent, falls für jede zu F1 und F2 passende Interpretation I gilt: JF1 KI = JF2 KI • Das Ersetzungslemma gilt auch völlig analog (wir verzichten wieder auf eine formale Definition der Begriffe „vorkommen“ und „ersetzen“) Lemma 4.4 (Ersetzungslemma) • Sei F1 eine Formel, in der eine Teilformel G1 vorkommt • Sei G1 ≡ G2 • Sei F2 die Formel, die aus F1 entsteht, indem (ein Vorkommen von) G1 durch G2 ersetzt wird • Dann gilt: F1 ≡ F2 Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 34 Substitutionen: einleitende Beispiele Beispiel • In der Aussagenlogik haben Substitutionen aussagenlogische Variablen durch aussagenlogische Formeln ersetzt • In der Prädikatenlogik ersetzen: Substitutionen Variablen durch Terme • Formal: Eine (prädikatenlogische) Substitution ist eine partielle Funktion σ : PV → PT • Intuitiv: eine Substitution wird auf eine Formel angewendet, in dem jedes Vorkommen einer Variablen x durch σ(x) ersetzt wird • Vorsicht! Hier lauern ein paar Fallstricke Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 • Sei F = ∃y E(x, y) • F hat die freie Variable x • Intuitiv: F sagt, dass in einem Graphen der x zugeordnete Knoten eine ausgehende Kante hat • Substitution σ1 : x 7→ a – σ1 (F ) = ∃y E(a, y) – Der Knoten a hat eine ausgehende Kante ✓ • Substitution σ2 : y 7→ x – σ2 (F ) = ∃x E(x, x)? – Es gibt einen Knoten, der eine Kante zu sich selbst hat ➞ Hier ändert die Substitution die Semantik völlig • Substitution σ3 : x 7→ y – σ3 (F ) = ∃y E(y, y)? ➞ Gleiches Phänomen ➞ Dieser Ansatz ist schlecht!!! ➞ Vorsicht bei gebundenen Variablen! B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 35 Substitutionen • Wie können wir diese Probleme bei der • Sei σ : x1 7→ t1 , . . . , xk 7→ tk, Substitution vermeiden? – Die Anwendung der Ersetzungen einer Substitution erfolgt simultan unter • Erste Konvention: Beachtung der drei Konventionen – Wir ersetzen immer nur freie Vorkommen – Für das Resultat schreiben wir σ(F ) von Variablen ➞ Das behebt das Problem mit σ2 oder F [x1 /t1 , . . . , xk/tk] – Es gilt: entsteht F 0 aus F durch Ersetzen • Sei wieder F = ∃y E(x, y). dann: aller freien Vorkommen von x durch y , so 1. F [x/a] = ∃y E(a, y) ist ∃x F ≡ ∃yF 0 2. F [x/z] = ∃y E(z, y) • Zweite Konvention: 3. F [y/z] = ∃y E(x, y) – Wir benennen Varablen so um, dass keine 4. F [x/y] = ∃z E(y, z) Variable frei und gebunden in einer Formel vorkommt (oder andere Variable 6= x, y statt z ) • Dritte Konvention: • R(x, y, z)[x/a, y/z] = R(a, z, z) – Vor Anwendung von σ auf F werden (einige) gebundene Variablen in F so Lemma 4.5 (Substitutionslemma) umbenannt, dass keine in einem Term Ist σ eine Substitution und gilt F1 ≡ F2 , so σ(x) (mit x aus F ) vorkommende gilt auch σ(F1 ) ≡ σ(F2 ) Variable in F gebunden vorkommt ➞ Anwendung von x 7→ y auf • Eine Substitution, die jeder Variablen eine ∃y E(x, y) würde dann beispielsweise Variable zuordnet, heißt ∃z E(y, z) ergeben Variablenumbenennung Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 36 Äquivalenzen der Prädikatenlogik (Teil 1) Satz 4.6 • Für prädikatenlogische Formeln F, F1 , F2 , F3 gelten: Kommutativität – F1 ∧ F2 ≡ F2 ∧ F1 – F1 ∨ F2 ≡ F2 ∨ F1 Assoziativität – (F1 ∧ F2 ) ∧ F3 ≡ F1 ∧ (F2 ∧ F3 ) – (F1 ∨ F2 ) ∨ F3 ≡ F1 ∨ (F2 ∨ F3 ) Idempotenz – F ∧F ≡F – F ∨F ≡F Absorption – F1 ∧ (F1 ∨ F2 ) ≡ F1 – F1 ∨ (F1 ∧ F2 ) ≡ F1 Distributivität – F1 ∨ (F2 ∧ F3 ) ≡ (F1 ∨ F2 ) ∧ (F1 ∨ F3 ) – F1 ∧ (F2 ∨ F3 ) ≡ (F1 ∧ F2 ) ∨ (F1 ∧ F3 ) Doppelnegation – ¬¬F ≡ F De Morgansche Regeln – ¬(F1 ∧ F2 ) ≡ ¬F1 ∨ ¬F2 – ¬(F1 ∨ F2 ) ≡ ¬F1 ∧ ¬F2 Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 37 Äquivalenzen der Prädikatenlogik (Teil 2) Satz 4.7 • Für prädikatenlogische Formeln F, F1 , F2 gelten: und (1) ¬∀x F ≡ ∃x ¬F ¬∃x F ≡ ∀x ¬F (2) (∀x F1 ) ∧ (∀x F2 ) ≡ ∀x (F1 ∧ F2 ) und (∃x F1 ) ∨ (∃x F2 ) ≡ ∃x (F1 ∨ F2 ) (3) ∀x ∀y F ≡ ∀y ∀x F und ∃x ∃y F ≡ ∃y ∃x F (4) Falls x in F2 nicht vorkommt: ∀x (F1 ∧ F2 ) ≡ (∀x F1 ) ∧ F2 und ∃x (F1 ∨ F2 ) ≡ (∃x F1 ) ∨ F2 (5) Falls x in F2 nicht vorkommt: ∀x (F1 ∨ F2 ) ≡ (∀x F1 ) ∨ F2 und ∃x (F1 ∧ F2 ) ≡ (∃x F1 ) ∧ F2 Beweisskizze • Die Beweise erfolgen jeweils direkt durch Rückführung auf die Semantik von PL-Formeln • Wir betrachten beispielhaft den Beweis von (5) links: J∀x (F1 ∨ F2 )KI = mina∈A{JF1 ∨ F2 KI[x/a] } = mina∈A{max(JF1 KI[x/a] , JF2 KI[x/a] )} = mina∈A{max(JF1 KI[x/a] , JF2 KI )} wg. Vorbeding. = max(mina∈A{JF1 KI[x/a] }, JF2 KI ) Distributivg. = max(J∀x F1 KI , JF2 KI ) = J(∀x F1 ) ∨ F2 KI Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 38 Normalformen: Begriffe • Eine PL-Formel ist in reduzierter Form, wenn sie nur ∃, ∨, ¬ verwendet, aber nicht ∀ und ∧ • Eine PL-Formel F ist in Negations-Normalform, wenn Negationen in F nur unmittelbar vor atomaren • Formeln vorkommen Eine PL-Formel F ist in Pränexform, wenn sie die Gestalt Q1 x1 Q2 x2 · · · QkxkF 0 hat, wobei – die Qi jeweils entweder ∃ oder ∀ sind, – die xi paarweise verschieden sind und – F 0 quantorenfrei ist Lemma 4.8 • Zu jeder prädikatenlogischen Formel F gibt es jeweils eine äquivalente Formel in (a) reduzierter Form, (b) Negations-Normalform und (c) Pränexform • (a) und (b) lassen sich durch Anwendung der De Morgan-Regeln und von Lemma 4.7 (1) beweisen • Für (c) geben wir einen Algorithmus an Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 39 Ein Algorithmus zur Berechnung der Pränexform Beweisskizze zu Lemma 4.8 (c) Beweisskizze (Forts.) • Durch Induktion nach der Struktur von F lässt sich zeigen, dass der folgende Algorithmus eine zu F äquivalente Formel F 0 in Pränexform berechnet Algorithmus PF Eingabe: PL-Formel F Ausgabe: PL-Formel F 0 ≡ F in PF 1: Wandle F äquivalent so um, dass alle quantifizierten Variablen paarweise verschieden und von den freien Variablen verschieden sind 2: case F ist von der Form 3: atomar: 4: RETURN F 5: ¬G: 6: Berechne Q1 x1 · · · Qkxk H:= PF(G) 7: Return Q1 x1 · · · Qkxk ¬H (wobei ∃ = ∀ und ∀ = ∃) Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 1: 2: 3: 4: 5: 6: 7: 8: 9: 10: 11: 12: 13: 14: 15: Algorithmus PF (Forts.) case F ist von der Form F1 ∨ F2 : Berechne Q1 x1 · · · Qkxk G1 := PF(F1 ) Berechne Q01 y1 · · · Q0lyl G2 := PF(F2 ) Return Q1 x1 · · · QkxkQ01 y1 · · · Q0lyl(G1 ∨ G2 ) F1 ∧ F2 : Berechne Q1 x1 · · · Qkxk G1 := PF(F1 ) Berechne Q01 y1 · · · Q0lyl G2 := PF(F2 ) Return Q1 x1 · · · QkxkQ01 y1 · · · Q0lyl(G1 ∧ G2 ) ∃x G: Berechne Q1 x1 · · · Qkxk H := PF(G) (alle xi 6= x) Return ∃xQ1 x1 · · · Qkxk G ∀x G: Berechne Q1 x1 · · · Qkxk H := PF(G) (alle xi 6= x) Return ∀xQ1 x1 · · · Qkxk G B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 40 Berechnung der Pränexform: Beispiel Beispiel • Wir betrachten die Formel R(x) ∨ ∀y P (x, g(y)) ∨ ¬∀x ∃y P (f (x), y) • Da x gebunden und frei vorkommt und y zweimal quantifiziert wird, müssen wir zwei quantifizierte Variablen umbenennen: R(x) ∨ ∀z P (x, g(z)) ∨ ¬∀u ∃y P (f (u), y) • PF(R(x) ∨ ∀z P (x, g(z))) liefert die Formel ∀z (R(x) ∨ P (x, g(z)) • PF(¬∀u ∃y P (f (u), y)) führt zum Aufruf PF(∀u ∃y P (f (u), y)) und liefert dann ∃u ∀y ¬P (f (u), y) • Insgesamt erhalten wir also: ∀z ∃u ∀y (R(x) ∨ P (x, g(z)) ∨ ¬P (f (u), y)) Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 41 Skolemform Beispiel • Beobachtung: Wenn wir eine Formel F auf Erfüllbarkeit testen wollen, genügt es, wenn die Umwandlungsschritte ihre Erfüllbarkeit nicht ändern • Formaler: Formeln F1 , F2 heißen erfüllbarkeitsäquivalent, wenn sie entweder beide erfüllbar oder beide unerfüllbar sind • Ist ∀x1 ∀x2 · · · ∀xk∃yG in Pränexform ohne Vorkommen des Funktionssymbols f , so ist die Formel ∀x1 ∀x2 · · · ∀xkG[y/f (x1 , . . . , xk)] erfüllbarkeitsäquivalent • Durch induktive Anwendung dieses Schrittes lässt sich jede Formel in Pränexform in eine erfüllbarkeitsäquivalente Formel in Pränexform umwandeln, die nur Allquantoren hat • Solche Formeln sind in Skolemform Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 • Beispielformel: ∃x ∀y ∃z ∀w ((¬P (x, y) ∧ ¬R(y, f (z)))∨ P (g(x, w), x)) • Der erste ∃-Quantor wird durch eine 0-stellige Funktion, also durch ein Konstantensymbol a ersetzt: ∀y ∃z ∀w ((¬P (a, y) ∧ ¬R(y, f (z)))∨ P (g(a, w), a)) • Der zweite ∃-Quantor wird durch eine 1-stellige Funktion h ersetzt: ∀y ∀w ((¬P (a, y) ∧ ¬R(y, f (h(y))))∨ P (g(a, w), a)) Lemma 4.9 • Zu jeder prädikatenlogischen Formel gibt es eine erfüllbarkeitsäquivalente Formel in Skolemform B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 42 Matrixklauselform • Die erfüllbarkeitsäquivalente Beispiel (Forts.) Vereinfachung von Formeln können wir noch etwas erweitern • Sei F eine Formel in Pränexform • Seien x1 , . . . , xm die freien Variablen von F • Dann ist F erfüllbarkeitsäquivalent zu G = ∃x1 · · · ∃xm F • Sei G0 = ∀y1 · · · ∀yk H die Skolemform zu G • Sei H 0 eine KNF zu H • Die Klauselmenge K zu H 0 nennen wir nun eine Matrixklauselform zu F Beispiel • Wir betrachten wieder die Formel R(x) ∨ ∀y P (x, g(y))∨ ¬∀x ∃y P (f (x), y) Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 • In Pränexform: ∀z ∃u ∀y (R(x) ∨ P (x, g(z))∨ ¬P (f (u), y)) • Diese Formel ist erfüllbarkeitsäquivalent zu: ∃x ∀z ∃u ∀y (R(x)∨ P (x, g(z)) ∨ ¬P (f (u), y)) • Durch die Substitution x 7→ b und u 7→ h(z) erhalten wir die Skolemform: ∀z ∀y (R(b) ∨ P (b, g(z))∨ ¬P (f (h(z)), y)) • Die entstehende Matrixformel R(b) ∨ P (b, g(z)) ∨ ¬P (f (h(z)), y) ist bereits in KNF • Deshalb ergibt sich die Matrixklauselform: {{R(b), P (b, g(z)), ¬P (f (h(z)), y)}} B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 43 Prädikatenlogik vs. Aussagenlogik • Vieles ist ähnlich in Aussagen- und Prädikatenlogik • Aber irgendwie scheint die Prädikatenlogik mächtiger zu sein • Wie ist denn nun das genaue Verhältnis zwischen den beiden? • Aussagenlogik kann als Prädikatenlogik auf Strukturen aufgefasst werden, die ausschließlich 0-stellige Prädikate haben: Aussagenvariablen ≡ Prädikate • Vorsicht: manches, was ähnlich heißt, hat unterschiedliche Bedeutung! – Aussagenlogische Variablen entsprechen nicht prädikatenlogischen Variablen – Deshalb entsprechen sich auch aussagenlogische und prädikatenlogische Substitutionen nicht (deshalb: unterschiedliche Notation) Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 44 Zusammenfassung • Prädikatenlogische Formeln werden auf Strukturen ausgewertet, die aus Relationen, Funktionen und Konstanten über einer Grundmenge bestehen • Syntax und Semantik der Prädikatenlogik • Erstellen und Verstehen von prädikatenlogischen Formeln • Substitutionen • Äquivalenzen • Normalformen: – – – – Negations-Normalform Pränex-Normalform Skolemform Matrix-Klauselform Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 45 Notationsunterschiede KuK Hier Formeln werden in Strukturen α = (ϕ, ψ, ξ) ausgewertet Formeln werden in Interpretationen I = (A, β) ausgewertet mit: Struktur A = (U, R, f , c) Belegung β Die Relation R der Struktur α = (ϕ, ψ, ξ) heißt: ϕ(R) Die Relation heißt: RA Der Wahrheitswert einer Formel F in einer Struktur α: α(F ) Der Wahrheitswert einer Formel F in einer Interpretation I : R der Struktur A JF KI Logik für Inf. / Schwentick / WiSe 07/08 B: Prädikatenlogik - 4. Grundlagen Folie 46