Urologisches Skript - Urologische Universitätsklinik Göttingen

Werbung
Urologisches Skript
der Urologischen Klinik und Poliklinik,
Universitätsmedizin Göttingen
für Studenten der Humanmedizin
(verfasst von Herrn F . Kessel und Herrn Dr. A. Strauß),
letzte Änderungen Mai 2011
Inhaltsverzeichnis
I.
Seite
Anatomie und Physiologie des Urogenitalsystems
a. Niere und obere Harnwege
3
b. Untere Harnwege
5
c. Genitaltrakt
8
II.
Urologische Erkrankungen
a. Benigne Prostatahyperplasie
10
b. Harnröhrenstrikturen
14
c. Harninkontinenz
16
d. Akutes Skrotum/Hodentorsion
22
e. Phimose/Präputialverklebungen
24
f. Paraphimose
25
g. Urolithiasis
26
h. Erektile Dysfunktion
30
i. Prostatakarzinom
32
j. met. Prostatakarzinom
38
k. Nierenzellkarzinom
39
l. met. Nierenzellkarzinom
42
m. Hodentumoren
44
n. Harnblasenkarzinom
46
2
Anatomie und Physiologie des Urogenitalsystems
Niere und obere H arnwege
Niere
Die Nieren (Größe etwa 6 * 12 cm) liegen retroperitoneal in Höhe des 12. Brust- und 1.-3.
Lendenwirbelkörpers. Sie lagern sich beiderseits der oberen Lendenwirbelsäule in die Rinne
zwischen M. quadratus lumborum, M. psoas major und Zwerchfell. Lateral und ventral sind
sie durch die 11. und 12. Rippe geschützt. Die linke N
steht etwa ½ Wirbelkörperhöhe
höher als die rechte. Die Längsachsen der Nieren konvergieren nach kranial, so dass die
oberen Pole etwa 7 cm, die unteren 11 cm auseinanderliegen. Der obere N
erreicht
das lumbokostale Dreieck des Zwerchfells (Bochdalek) und wird hier nur durch eine dünne
Bindegewebsplatte vom Pleuraraum getrennt, weshalb beispielsweise paraneprhritische
Abszesse auf die Pleura übergreifen können. Aufgrund des unmittelbaren Kontaktes zum
Peritoneum und benachbarten Bauchorganen sind abdominelle Symptome bei krankhaften
Veränderungen der Nieren häufig. So können Steinkoliken, Entzündungen und Blutungen in
das Nierenlager sämtliche Störungsgrade der normalen Darmperistalt
bis zum paralytischen
Ileus hervorrufen. Daher müssen Nierenerkrankungen bei einigen Abdominalerkrankungen in
Betracht gezogen werden.
Funktion der Niere
Pro Minute fließen ungefähr 1,2 l Blut durch die Nieren, was etwa 25 % des
Herzzeitvolumens entspricht. Bei Schwankungen des systemischen Mitteldrucks im Bereich
von ca. 80 – 170 mmHg bleibt die Nierendurchblutung aufgrund der renalen Autoregulation
der intrarenalen Strömungswiderstände weitgehend konstant. Folglich bleibt auch die
glomeruläre Filtrationsrate (GFR) konstant. Die GFR steht für das Flüssigkeitsvolumen
welches von allen Glomeruli beider Nieren zusammen pro Zeiteinheit filtriert wird. Dies
beträgt ca. 125 ml pro Minute oder ca. 170 Liter am Tag. 99 % dieser Primärharnmenge
werden von den Nieren wieder ins Blut rückresorbiert.
den Aufgaben der Niere gehören
die Filtration, die Sekretion körpereigener und körperfremder Substanzen, wie z.B. Harnsäure,
3
Penicillin oder Paraaminohippursäure (PAH), die Resorption sowie die Harnkonzentrierung.
Die Niere hat auch eine endokrine Funktion, folgende Hormone werden hier synthetisiert:
Renin: eine Proteinase, gebildet in Zellen des juxtaglomerulären Apparates, wandelt
Angiotensinogen aus der Leber zu Angiotensin I um. Erythropoetin: EPO, ein Glykoprotein,
Hypoxie des Blutes triggert seine Synthese, EPO stimuliert die Erythropoese im
Knochenmark, bei verminderter EPO – Bildung z.B. aufgrund einer chronischen
Niereninsuffizienz kann eine renale Anämie (normochrom, normozytär) auftreten. Calcitriol
(1,25-Dihydroxycholecalciferol): steigert u.a. die Calcium - und Phosphatresorption im
Dünndarm und ist wichtig für die Einlagerung des Calciums in die Knochenmatrix.
Ureter
Die
Ureteren
befördern
den
Harn
durch
peristaltische
Kontraktionswellen
(sog.
Spindelperistaltik) bis zum Blasenfundus. Sie sind durchschnittlich 28 cm lang, verlaufen
senkrecht neben der Wirbelsäule ventral auf dem M. psoas major und projizieren sich im
Röntgenbild auf die Querfortsätze der Lendenwirbel und die Sakroiliakalgelenke. Man
unterscheidet am Ureter drei physiologische Engen, an
beispielsweise Steine leichter
hängen bleiben oder sich entzündliche Prozesse häufige lokalisieren:
1. Am Nierenbeckenabgang, dem sog. Ureterhals
2. An der Kreuzungsstelle mit den Iliakalgefäßen
3. An der Durchtrittsstelle durch die Harnblasenwandung (juxtavesikulärer Ureterteil)
Faustregel: Der Ureter unterkreuzt die Vasa testicularia (bzw. ovarica) über kreuzt die Vasa
iliacae unterkreuzt den Ductus deferens (bzw. die A. uterina).
4
Untere Harnwege
Harnblase
Die
Blase
ist
ein
schleimhautausgekleideter
Hohlmuskel,
dessen
Fasern
einen
scherengitterartigen Bau zeigen. Sie hat die Funktion, den Harn zu sammeln und ihn unter
willkürlicher Kontrolle auszustoßen. Das normale harndrangauslösende Fassungsvermögen
der Blase beträgt 300 – 500 ml, beim Mann können regelhaft auch größere Blasenvolumina
(bis 700 ml) auftreten, während die Blasenkapazität bei Frauen häufig etwas geringere
Volumina aufweist.
Bei einer Abflussbehinderung (subvesikale Obstruktion
. beim benignen Prostatasyndrom)
kann die Blase bis zu 1500 ml aufnehmen und sich dabei so weit ausdehnen, dass sie oberhalb
des Nabels tastbar wird.
Die Blase liegt extraperitoneal, nur die oberen Flächen des Blasenkörpers werden vom
Peritoneum überzogen. Bei stark gefüllter Blase wird oberhalb der Symphyse ein breiter
Streifen von Blasenwand frei, so dass hier ohne Gefahr einer Peritonealverletzung eine
Punktion oder die Anlage einer suprapubischen Blasendrainage möglich ist.
Die Muskulatur der Harnblase, auch als M. detrusor vesicae bezeichnet, besteht aus einem
dreischichtigen Geflecht glatter Muskelzellen: einer inneren und äußeren Längsmuskelschicht
und einer mittleren Ringmuskelschicht. Das Trigonum vesicae ist der Raum zwischen beiden
Uretermündungen und dem Ostium urethrea internum und ist muskelfrei. Der Verschluss der
Harnblase
wird
unwillkürlichen
durch
zwei
(Sphincter
Schließmuskel
urethrea
internus)
gewährleistet:
und
einen
einen
inneren,
glatten,
äußeren,
quergestreiften,
Innervation: Die parasympathischen Nn. pelvici splanchnici stammen
dem 2.-4.
willkürlichen (Sphincter urethrea externus).
Sakralsegment und aktivieren den M. detrusor vesicae.
Die sympathischen Nn. hypogastrici entspringen im Thorakolumbalmark und führen
einerseits zu einer Erschlaffung des oben genannten M. detrusor und damit zu einer
Hemmung der Blasenentleerung. Außerdem aktivieren sie den Sphincter urethrea internus.
Die somatorischen Nn. pudendi stammen aus dem 2.-4. Sakralsegment und innervieren den
5
willkürlich
kontrollierbaren
Sphincter
urethrea
externus
und
die
übrige
Beckenbodenmuskulatur.
Der Sympathikus unterstützt den Verschluss und die Füllung der Harnblase, der
Parasympathikus sorgt über eine Erregung des M. detrusor vesicae für eine Blasenentleerung.
Urethra
Die männliche Harnröhre ist etwa 25 cm lang und hat eine Weite von durchschnittlich 7 – 9
mm (27 Charr = Charrière, 1 Charrière entspricht 1/3 mm). Man unterscheidet drei
Abschnitte:
• Pars prostatica: Sie wird im klinischen Sprachgebrauch auch als hintere Harnröhre
bezeichnet und durchsetzt die Prostata in einer Länge
3 cm. An ihrer Dorsalfläche
befindet sich der Samenhügel (Colliculus seminalis) mit den Ausführungsgängen der
Ductus ejaculatorii und der Drüsen der Prostata.
• Pars membranacea: In ihrem Bereich liegt der willkürlich (N. pudendus) innervierte,
quergestreifte M. sphincter urethrae, auch als Sphincter urethrae externus (s.o.)
bezeichnet.
• Pars penilis: Dieser Harnröhrenabschnitt ist vom Schwellkörper (Corpus spongiosum)
umgeben und S – förmig gekrümmt. In seinem beweglichen Teil wird sie auch als Pars
liber oder Pars pendulans bezeichnet. Die Pars penilis beginnt unterhalb des M.
sphincter urethrae mit einer Erweiterung, der Fossa bulbi. Die Glans penis enthält die
etwa 2 cm lange Fossa navicularis, die sich am Meatus urethrae externum verengt.
Die männliche Harnröhre weist drei physiologische Engen auf:
1. Ostium urethrae externum = Meatus urethrae
2. Pars membranacea und des M. sphincter urethrae
3. M. sphincter vesicae = Blasenhals
Bei der Katheterisierung der Blase kann die präpubische Kurvatur durch Hebung des Penis
ausgeglichen werden, die infrapubische nicht, weshalb
Katheter in der Regel eine
6
gekrümmte Form aufweisen (Tiemann -Spitze) hat. Die wichtigste Enge bei der Einführung
eines Katheters liegt im Bereich des Diaphragma urogenitale mit dem Sphincter urethrae
externus (2. Enge).
Die weibliche Harnröhre ist 3 – 4 cm lang bei einem durchschnittlichen Durchmesser von
ungefähr 8 mm (24 Charr). Sie hat einen leicht bogenförmigen Verlauf zwischen Symphyse
und vorderer Scheidenwand und endet stern – oder schlitzförmig 2 – 3 cm hinter der Klitoris.
Die beiden Sphinkteren sind bei der Frau in die Beckenbodenmuskulatur integriert.
7
Genitaltrakt
Prostata
Die Prostata, in ihrer Form und Größe etwa einer dicken Esskastanie ähnlich, umschließt die
Urethra am Blasengrund. Sie lagert unmittelbar auf dem Diaphragma urogenitale, bleibt aber
2 – 3 cm vom Symphysenrand entfernt. Dorsal grenzt sie an das Rektum und ist von dort aus
tastbar, wobei die mediane Furche, der Sulcus, sowie die beiden Seitenlappen palpatorisch
beurteilt werden können. Eine sehr derbe bindegewebige Organkapsel umgibt die Prostata.
Die Prostata besteht aus 30 – 50 tubuloalveolären Einzeldrüsen, die von Bindegewebe
d
glatten Muskelzellen (Stroma) ungeben sind. Die Drüsen münden in die Pars prostaticae
urethrae seitlich des Colliculis seminalis.
Nach McNeal wird die Prostata in 4 Zonen unterteilt: Unterschieden werden die periphere
Zone, die konische Zentralzone, die Transitionszone un die anteriore fibromuskuläre Zone.
Die periphere Zone enthält den größten Anteil des Drüsengewebes. Die konische Zone
beginnt am Colliculus seminalis und führt bis zum Blasenhals (ca. 25% des Drüsengewebes).
Die periphere Zone und die konische Zone entsprechen der Außenzone. Die Transitionszone
besteht aus Drüsen lateral des Colliculus seminalis und entspricht der inneren Zone. Ein
Drüsengewebsanteil von 5-10% findet sich in dieser Zone. Zur Beschreibung der
präprostatischen Region fasst man die Transitionszone
d die periurethralen Gänge
zusammen. Die anteriore fibromuskuläre Region reicht vom Sphincter internus am Blasenhals
bis zum Sphincter externus an der Prostataspitze. Dieses Areal ist fast drüsenfrei.
Prostatakarzinome entwickeln sich bevorzugt in der peripheren Zone, die benigne
Prostatahyperplasie entsteht hingegen in erster Linie
Transitionszone.
Samenblasen (Bläschendrüsen)
Die 6 – 7 cm langen Drüsenkörper liegen cranial der Prostata,
nach lateral aufsteigend
lagern sie sich dem Blasenboden jeweils seitlich an. Der Ausführungsgang des
Samenbläschens, der Ductus excretorius, vereinigt sich innerhalb der Prostata mit dem Ductus
deferens zum Ductus ejaculatorius, der beidseits auf dem Colliculus seminalis im Bereich der
Pars prostatica urethrae mündet. Der Begriff „Samenblase“ ist irreführend, da die
Samenblasen keine Samen, sondern ein alkalisches Begle
et des Ejakulats bilden. Das
8
Ejakulat besteht neben den Spermien aus Begleitsekreten der Samenblasen (70%), der
Prostata und der periurethralen Drüsen (ca. 30%).
Hoden und Nebenhoden
Hoden (Testis) und Nebenhoden (Epididymis) liegen im Hodensack (Skrotum), umgeben von
mehreren Hüllen, die eine Fortsetzung der Bauchwandschichten darstellen. Der eiförmige
Hoden hat ein durchschnittliches Volumen von 18 ml, dieser schwankt aber individuell
zwischen 12 und 30 ml. Der Hodenkörper ist von der derben Tunica albuginea umschlossen
und hat eine prall – elastische Konsistenz. Der Nebenhoden lagert sich dem
n
dorsolateral auf und ist durch eine tastbare Furche vom Hodenkörper getrennt. Er besteht aus
einem etwas verdickten oberen Kopf, einem im Querschnitt nahezu dreieckigen dünnen
Körper und einem kräftigen Schwanz der hinten – unten in den Samenstrang übergeht. Hoden
und Nebenhoden bilden eine funktionelle Einheit und sind daher bei Erkrankungen oft
gemeinsam betroffen.
9
Urologische Erkrankungen
Benigne Prostatahyperplasie (BPH)
Die benigne Prostatahyperplasie ist definiert als Vergrößerung der Prostata durch numerische
Zunahme der Zellen des Stromas. Die BPH ist die häufigste Ursache der männlichen
Blasenentleerungsstörung. Bei Männern, die aus Gründen, die nicht mit der Prostata in
Zusammenhang stehen, frühzeitig gestorben sind, konnte gezeigt werden, dass bereits ab dem
30. Lebensjahr eine Zunahme der Gewebevergrößerung der Prostata zu verzeichnen ist. Etwa
die Hälfte der Männer über 60 Jahre weist eine gutartige Vergrößerung der Prostata auf, die
aber allein noch nicht als krankhaft zu werten ist. Nur bei Beschwerden, die durch die benigne
Prostatahyperplasie entstehen können, ist von einer behandlungsbedürftigen Erkrankung, dem
so genannten benignen Prostatasyndrom (BPS) auszugehen. Etwa ¼ der Männer im Alter
zwischen 50 und 60 Jahren und ca. 40 % der über 70 – jährigen leiden unter
Miktionsbeschwerden (lower urinary tract symptoms - LUTS). In Deutschland sind
schätzungsweise 5 Mio. Männer betroffen.
Ätiologie
Die Ätiopathogenese ist nicht eindeutig geklärt, es werden verschiedene Theorien diskutiert:
1. Wachstumsreize v.a. des Hormons 5 a
– Dihydrotestosteron (DHT),
Akkumulation in den Zellen der Prostata.
Verschiebung im Östrogen - / Androgenstoffwechsel zugunsten der Östrogene
2.
und eine erhöhte Konzentration des sexualhormonbindenden Globulins (SHBG).
3.
Einfluss peptidaler stromaler Wachstumsfaktoren.
4.
Stammzellen
–
Theorie:
Hyperplasie
der
prostatischen
Zellen
ohne
Hormoneinfluss.
5.
Verminderter Zelltod von Prostatazellen.
Pathologie:
Bei
der
BPH
hypertrophieren
insbesondere
die
periurethralen
Drüsenanteile
der
Transitionalzone (Syn: Übergangszone), während gleichzeitig die periphere Zone mit
zunehmendem Alter atrophiert.
10
Das infravesikale Abflusshindernis ist somit dem periurethralen Wachstum geschuldet und
führt zur Abschwächung des Harnstrahls, ggf. zur Restharnbildung bis hin zum Harnverhalt.
Bei chronischer infravesikaler Widerstandserhöhung kommt es zur reaktiven Hypertrophie
der Blasenwandmuskulatur bis hin zur Ausbildung einer
die subvesikalen
Verschlussdrücke weiterhin
Balkenblase. Bleiben
erhöht, können
(Schleimhautausstülpungen durch die Muskelschicht der
sich
Pseudodivertikel
bilden. Weiterhin besteht die
Gefahr der Ausbildung eines vesikoureteralen bzw. -renalem Reflux oder auch einer
Obstruktion
am
ureterovesikalen
Übergang
mit
der
möglichen
Folge
einer
Nephropathie/Niereninsuffizienz
Klinik:
Man unterscheidet bei der BPH folgende Miktionsbeschwerden (LUTS = lower urinary tract
symptoms):
-
Reizerscheinungen (irritative Symptome): erhöhte Miktionsfrequenz (Pollakisurie > 3
– stündlich am Tag), Nykturie, imperativer Harndrang bis hin zur Dranginkontinenz,
Restharngefühl.
-
Zeichen
von
Entleerungsstörungen
(obstruktive
Symptome):
verzögerter
Miktionsbeginn, Harnstottern, verlängerte Miktionszeit (> 30 sek.), Nachträufeln.
Erst bei Harnwegsinfekten wird das Wasserlassen schmerzhaft. Im Endstadium kann es zum
akuten Harnverhalt kommen sowie zum postrenalen Nierenversagen und terminaler
Niereninsuffizienz.
Einteilung:
Stadium I:
„Reizstadium“, abgeschwächter Harnstrahl, erschwerte Miktionsinitiierung,
aber insg. kompensiert, kein Restharn.
Stadium II:
„Restharnstadium“, Beginn der Dekompensation des Entleerungsmechanismus,
Restharn 100 – 150 ml.
Stadium III:
„Dekompensationsstadium“,
Überlaufblase,
Harnstauungsniere
bis
zum
postrenalen Nierenversagen (Hydronephrose) od. akuter Harnverhalt.
Diagnostik:
Von einem internationalen Konsensus – Komitee wurde ein standardisierter Fragebogen
entworfen, in dem 7 Symptome von den Patienten bewertet werden können.
11
IPSS: Internationaler Prostata Symptomen Score. Mittels dieses Scores können Patienten in
drei Gruppen eingeteilt werden:
0 – 7 Punkte: gering symptomatisch
8 – 19 Punkte: mäßig symptomatisch
20 – 35 Punkte: ausgeprägt symptomatisch
Bei einem IPSS-Score von > 7 liegt in der Regel ein behandlungsbedürftiges BPS (benignes
Prostata Syndrom) vor. In diesem Fall sollte ein Urologe aufgesucht werden.
Digitale rektale Untersuchung: Größe, Kontur mit Sulkus (verstrichener Sulkus??),
Konsistenz, Druckschmerz.
Labor: Urinstatus und Sediment, Serum – Krea, PSA (kann bei BPH erhöht sein, bei Werten >
4 ng/ml Biopsie zum Ausschluss eines Karzinoms).
Sonographie:
abdominal
oder
besser
transrektal,
genaue
Größenbestimmung,
Strukturveränderungen, Restharnbestimmung (> 50 ml).
Uroflowmetrie: Normalwert für max. Harnflussvolumen liegt > 15 ml/s, reduzierter
Harnfluss??, verlängerte Miktion??
Weitere urodynamische Untersuchungen und evtl. ein Urethrozystogramm oder eine
Urethrozystoskopie
müssen
in
Abhängigkeit
von
Anamnese
und
Beschwerdebild
angeschlossen werden.
Therapie:
Medikamentös:
-
a1 – Rezeptorenblocker: Relaxation der glatten Muskulatur des Prostatastromas und
Blasenausgangs, Besserung der irritativen Symptomatik. Präp: Tamsulosin, Alfuzosin,
Doxazosin od. Terazosin.
-
5a
– Reduktasehemmer: Hemmung der Umwandlung von
Testostero
zu
Dihydrotestosteron führt zur Drüsenvolumenreduktion, insb. bei sehr großer Prostata
> 40 ml. Die PSA – Werte werden durch die Hormontherapie um bis zu 50 %
12
reduziert, so dass bei der Vorsorge Normalwerte vorgetäuscht werden können.
Wirkung erst nach 3 – 6 Mon. Präp: Finasterid, Dutasterid
-
Phytotherapeutika: antiphlogistische
und
dekongestive
irkung,
bisher
kein
wissenschaftlicher Wirkungsnachweis. Aus Erfahrung kann aber bei einigen Patienten
im Frühstadium der Erkrankung eine Besserung unter Therapie mit pflanzlichen
Präparaten beobachtet werden. Zur Anwendung kommen Kür
parate,
Sägepalmextrakte, Brenesselwurzelextrakte.
Operativ:
Eine Operationsindikation ist gegeben bei rezidivierendem oder chronischem Harnverhalt,
hohen Restharnwerten, stauungsbedingten Nierenschäden, rezidivierender Makrohämaturie,
Harnblasenstein.
Fast alle operativen Eingriffe (> 90 %) erfolgen endoskopisch transurethral. Die
Operationsmortalität liegt deutlich unter 1 %.
-
Transurethrale Resektion der Prostata (TUR – P): Abtragung der benignen
Prostatahyperplasie mit der Hochfrequenzschlinge, heute Standardeingriff bei 90 %
d.F. (Geweberesektion mittels Hochfrequenzstrom mit einer U – förmigen
Schlingenelektrode)
-
Alternative Resektionsverfahren sind die Laservaporisation (KTP – Laser), die
Laserkoagulation (Nd:YAG – Laser), die Laserenukleation oder-resektion (Holmium Laser), die transurethrale Mikrowellenthermotherapie oder die transurethrale
Nadelablation der Prostata.
-
offene Prostataadenomektomie, transvesikal oder retropubisch, erzielen sehr gute
Ergebnisse bzgl. der postoperativen Miktion, werden aber wegen der größeren
Operationsbelastung auf große Drüsenvolumina (> 80 g) beschränkt.
13
Strikturen der Harnröhre
Von einer Harnröhrenenge sind in der Mehrzahl Männer betroffen, wobei die Enge in allen
Bereichen der Harnröhre auftreten kann. Unbehandelt stellt eine Harnröhrenenge ein
infravesikales Abflusshindernis dar und kann bei Restharnbildung als Folge einer
unvollständigen Blasenentleerung zu rezidivierenden Harnwegsinfekten führen. Weitere
Komplikationen sind der vesikoureterale Reflux und die Detrusorhypertrophie bei länger
bestehender Obstruktion bis hin zur beidseitigen obstruktiven Nephropathie.
Ätiologie:
Meistens
sind
perioperative/iatrogene
Verletzungen
der
Harnröhre
(gewaltsame
Katheterisierung, Dauerkatheter, transurethrale Eingriffe, etc.) Ursache der Strikturen, aber
auch Verletzungen der Harnröhre durch ein stumpfes Beckentrauma oder direkt durch
Beckenfrakturen können im Verlauf zur Ausbildung einer Harnröhrenenge führen. Ebenso
können unspezifische Entzündungen der Urethra (Urethritis) oder eine Urotuberkulose eine
Harnröhrenenge verursachen.
Auch bindegewebige Veränderungen wie z. B. ein Lichen
oder eine Balanitis
xerotica obliterans können Harnröhrenengen verursachen. Bis zur Antibiotikatherapie der
Gonorrhoe waren ca. 70 % aller Harnröhrenstrikturen postgonorrhoischer Natur. Heute wird
sie nur noch gelegentlich angetroffen. Etwa 10 % der Fälle einer Harnröhrenstriktur sind
angeboren.
Klinik:
-
Abgeschwächter oder sistierender Harnstrahl (obstruktive Miktion), bei Meatusstenose
streuender oder geteilter Harnstrahl, terminales Nachträufeln
-
Dysurie, Pollakisurie
-
Rezidivierende Harnwegsinfekte bei Restharnbildung
Diagnostik:
1. Anamnese und klinische Untersuchung
2. Sonographie: Blase vor und nach Miktion (Restharn)
3. Uroflowmetrie: verminderter Fluss
14
4. Röntgen: retrograde Urethrographie und Miktionszystourethrographie: genaue
Stenosenlokalisation
5. Urethroskopie
Therapie:
-
Bougierung (Dehnung): ambulant möglich, allerdings mit hoher Rezidivrate behaftet,
was häufig eine Wiederholung des Verfahrens im Verlauf notwendig macht.
-
kurze Stenose: endoskopische Urethrotomia interna: Schlitzung der Harnröhre bei 12
Uhr unter Sicht (Sachse – Urethrotom) oder blind (Otis – Urethrotom) mit einem
kleinen Messer an der Spitze des Endoskopes. Rezidivrate ca. 50 %. Bei wiederholter
Enge ggf. offene End -zu-End-Anastomose der Harnröhre.
-
lange Stenose > 2 cm: offene plastische Rekonstruktion der Urethra - mit Hautlappen
(Vorhaut, Mundschleimhaut) in Onlaytechnik, ggf. auch zweizeitig.
Jedwede Therapie der Harnröhrenenge geht mit einer erneuten Narbenbildung einher und
birgt somit die Gefahr eines Rezidivs. Die Wahrscheinl
it der Ausbildung eines Rezidivs
ist abhängig vom gewählten therapeutischen Verfahren.
15
Harninkontinenz
Nach
der
Internationalen
Kontinenzgesellschaft
(ICS)
w rd
Harninkontinenz
als
unwillkürlicher, objektivierbarer Urinverlust definiert, der ein soziales und hygienisches
Problem darstellt. Unwillkürlicher Harnabgang ist ein
verschiedener Störungen des
Sphinktersystems und/oder des Detrusors der Harnblase.
Das breite Spektrum der Inkontinenzformen und – grade reicht vom häufigen, oft
überfallartigem (imperativen) Urinverlust, über gelegentlichen, insbesondere bei körperlicher
Belastung auftretenden Urinverlust bis hin zu hochgradigen Inkontinenzformen, die eine
permanente Versorgung erforderlich machen.
Harninkontinenz ist ein weltweit verbreitetes Leiden und kann bei beiden Geschlechtern in
jedem Lebensalter auftreten. In Deutschland leiden zurzeit etwa 4 -5 Mio. Menschen unter
Harninkontinenz. Für die Betroffenen stellt sie oft eine schwere körperliche und seelische
Belastung dar, die zur Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit und zu sozialem Rückzug
führt sowie mit einer deutlichen Einbuße an Lebensqualität einhergeht. Aus Scham wird das
Leiden häufig sehr lange – auch dem Arzt gegenüber – verschwiegen. Nach dem Vorschlag
der ICS werden folgenden Formen der Harninkontinenz unterschieden:
• Belastungsinkontinenz (Stressinkontinenz)
• Dranginkontinenz (Urgeinkontinenz)
• Mischinkontinenz (aus den beiden oberen)
• Inkontinenz bei chronischer Harnretention (alt: Überlaufinkontinenz)
• Inkontinenz bei neurogener Detrusorhyperaktivität (alt: Reflexinkontinenz)
• extraurethrale Harninkontinenz
Aufgrund der unterschiedlichen Formen und Ursachen von ungewolltem Urinverlust ist es für
Betroffene ganz entscheidend, sich an einen erfahrenen Arzt bzw. an ein spezialisiertes
Zentrum, insbesondere an einen Urologen, zu wenden.
Nur in einem kompetenten Behandlungs- und Beratungszentrum erhält der Betroffene durch
gezielte Fragestellungen und Untersuchungen eine individuell angepasste Therapie. Durch die
16
verschiedenen konservativen und operativen Behandlungsmöglichkeiten kann die Inkontinenz
heute in sehr vielen Fällen geheilt oder zumindest deutlich gebessert werden.
Belastungsinkontinenz
Durch Steigerung des intravesikalen Druckes, z.B. beim Husten, Niesen, Lachen, Heben,
Hüpfen oder beim Geschlechtsverkehr, kommt es zu einem unwillkürlichen Harnabgang. Eine
Detrusoraktivität bleibt aus. Typischerweise verspüren die Betroffen vorher keinen
Harndrang. Ursache sind eine Verminderung des Urethraldruckes und eine Erschlaffung der
Beckenbodenmuskulatur mit oder ohne Deszensus der Urogenitalorgane.
Nach Ingelmann – Sundberg und Stamey werden folgende Schweregrade unterschieden.
Grad I: Harnverlust beim Husten, Niesen, Lachen.
Grad II: Harnverlust beim Gehen, Aufstehen, Treppensteigen.
Grad III: Harnverlust beim Liegen.
Dranginkontinenz
Leitsymptom der Dranginkontinenz (Urgeinkontinenz) ist der unwillkürliche Harnverlust bei
sog. imperativem, nicht unterdrückbarem Harndrang. Dabei kann es zur vollständigen
Blasenentleerung oder zum Verlust kleiner Urinmengen zwischen einzelnen Miktionen
kommen. Im Gegensatz zur Belastungsinkontinenz ist der unwillkürliche Urinabgang bei
Dranginkontinenz die Folge einer Detrusorkontraktion o
einer sensiblen Reizüberflutung,
die zu einer reflektorischen Erschlaffung des Beckenbodens und damit zum Harnabgang
führt. Eine Detrusorinstabilität in Folge rezidivierender Harnwegsinfekte kommt ebenso als
Ursache in Frage. Der Sphinktermechanismus ist nicht gestört.
Mischinkontinenz
Unter
Mischinkontinenz
Belastungsinkontinenz.
versteht
Diagnostisch
man
eine
bestehen
Kombination
hier
von
verständlicherweise
Drangnicht
und
selten
Schwierigkeiten. Werden sowohl das Vorliegen einer Sphinkterschwäche als auch eine
Detrusorüberaktivität nachgewiesen, kann die Diagnose Mischinkontinenz gestellt werden.
Inkontinenz bei chronischer Harnretention
Die chronische Harnretention mit Harninkontinenz ersetzt den früheren Begriff der
Überlaufinkontinenz. Es kommt zu Urinverlust, der mit
Überdehnung der Blase bei
17
intaktem Harnröhrenverschlussmechanismus einhergeht.
Beispielsweise
kann
eine
länger
bestehende
infravesika e
Obstruktion,
oder
eine
Detrusorhypokontraktilität ursächlich sein. Die Inkontinenz bei chronischer Harnretention
kann sich akut oder chronisch entwickeln. Ätiologisch liegt eine Blasenentleerungsstörung
zugrunde.
Inkontinenz bei neurogener Detrusorhyperaktivität
Patienten die unter dieser Inkontinenzform leiden haben die willkürliche Kontrolle des
Miktionsreflexes verloren. Die Inkontinenz entsteht durch eine neurogene Störung wie sie
durch Bandscheibenvorfälle, Rückenmarksläsionen aber auch Fehlbildungen im Sinne einer
Myelomeningocele oder Spina bifida ausgelöst werden können. Der Miktionsreflex kann
bereits durch äußere taktile Reize ausgelöst werden. Früher wurde die Inkontinenz bei
neurogener Detrusorhyperaktivität auch als Reflexinkontinenz bezeichnet.
Neurogene Blasenentleerungsstörungen treten bei vielen Erkrankungen des Nervensystems
oder Erkrankungen mit Auswirkungen auf das Nervensystem auf (Morbus Parkinson,
Multiple Sklerose, Diabetes mellitus etc.).
Extraurethrale Inkontinenz
Die extraurethrale Inkontinez kennzeichnet einen typischerweise kontinuierlichen Urinabgang
unter Umgehung der Harnröhre bzw. des Urethralsphinkters. Ursächlich können Fisteln, z.B.
Blasen – Scheiden – Fisteln oder extravesikal mündende Harnleiter sein.
Diagnostik:
Basisdiagnostik:
1.
Anamnese,
insbesondere
Miktionsanamnese
(Frequenz,
Nykturie,
Trinkmenge, Dysurie, Harndrang, Vorlagenzahl/Tag, ggf. Miktionsprotokoll für 3 – 4
Tage führen lassen). Menge und Situation des unwillkür chen Urinabgangs,
gynäkologische Anamnese (Zahl der Geburten, Uterusprolaps etc.), neurologische
Erkrankungen, Medikamente?
2. Inspektion und klinische Untersuchung
3. Urindiagnostik: Ausschluss eines HWI, Vorlagentest (Vorlagengewicht vor und nach
einem Standard – Belastungsprogramm bestimmen = Pad -Test)
18
4.
Sonographie:
Sonographie
Restharnbestimmung,
zur
Erkennung
von
transvaginale/transrektale
Harnröhrendivertikeln,
oder
perineale
Bestimmung
von
Urethralänge und Urethrablasenwinkel
Spezialisierte Diagnostik
1.
Urodynamik:
Uroflowmetrie
(graphische
Darstellung
des
?
Harnflusses
Blasenentleerung),
Zystomanometrie, Urethradruckprofil
2.
Röntgendiagnostik: Urethrozystographie, Ausscheidungsurographie, Refluxprüfung
3.
Endoskopie: Urethrozystoskopie, Harnröhrenkalibrierung, Biopsie, Spülzytologie,
ggf. Rektoskopie
Therapie:
Für die Behandlung der Harninkontinenz existieren je nach Form und Schweregrad
verschiedene Behandlungsoptionen, die sich in konservative (physiotherapeutische und
medikamentöse Behandlung) und operative Maßnahmen einteilen lassen. Indiziert ist eine
Behandlung immer dann, wenn die Inkontinenz als störend empfu
n wird. Im Folgenden
sollen die Therapioptionen für die jeweilige Inkontinenzform aufgezeigt werden.
Belastungsinkontinenz
konservativ:
Beckenbodentraining; Biofeedback – Training; Magnetstimulationstherapie (stimuliert die
Beckenbodenmuskulatur);
Verhaltensmodifikation
durch
Trinkmengenregulation
und
Toiletten - /Miktionstraining (z.B. Miktion nach der Uhr alle 2 – 3 Std.)
medikamentös:
Duloxetin (SSRI) 2 x 40 mg/d, steigert die M. sphincter urethrae Aktivität a –
Sympathomimetika,
z.B.
Midodrin,
Sympathomimetika,
verstärkt
Tonuserhöhung
Kontraktionen
des
der
glatten
quergestreiften
Muskulatur
Sphincter
ß
–
externus
Östrogensubstitution
operativ:
19
periurethrale Kollageninjektion: initial > 80 % erfolgreich, auf Dauer (5 J.) nur ca. 20 %
Harnröhrenschlingensuspension (TVT – OP, tension free vaginal tape): minimalinvasives
Verfahren mit ca. 90 % Erfolg, daher heute Methode der Wahl. Bei diesem Verfahren wird
ein Kunststoffband spannungsfrei unter die Harnröhre eingelegt und oberhalb des
Schambeinknochens (in der Bikinizone) oder durch das F
obturatorium ausgeleitet.
Retropubische Suspensionsplastik: Bei der retropubischen Suspensionsplastik wird über einen
kleinen Unterbauchschnitt in der Nähe von Blasenhals die Harnröhre mit Hilfe von Fäden an
einem
Beckenknochen
oder
benachbarten
Stützgeweben
befestigt,
um
die
Harnblase/Harnröhre in der richtigen Position zu halten. Diese Technik kann auch
laparoskopisch durchgeführt werden.
Artefizieller Sphinkter (künstlicher Schliessmuskel): Hauptindikation für dieses Verfahren
besteht bei einer Belastungsinkontinenz nach operativen Maßnahmen an der Prostata,
insbesondere nach radikaler Prostatektomie beim Prostatakarzinom. Der Sphinkter besteht aus
einem druckregulierenden Ballon, einer Manschette, die um die Urethra plat ert wird und
einer Pumpe, die im Skrotum platziert wird und manuell bedient und deaktiviert wird.
Dranginkontinenz
konservativ:
Primärtherapie der auslösenden Ursache, z.B. Infektsanierung, Entfernung eines Blasensteins,
Blasentraining, sakrale Reizstromtherapie, lokale Östrogengabe
medikamentös:
Parasympatholytika
(Anticholinergika,
Muskarinrezeptorenblocker)
z.B.
Tolterodin,
Propiverin, Trospiumchlorid; neu sind M³ – Muskarinrezeptorantagonisten (selektiv am
Detrusor wirksam), z.B. Solifenacin, Darifenacin Botulinum – Toxin Injektion in die
Harnblasenwand (wirkt für 3 – 6 Monate)
Inkontinenz bei neurogener Detrusorhyperaktivität
Anticholinergika zur Erhöhung der Blasenkapazität
Inkontinenz bei chronischer Harnretention
medikamentös:
20
Bei Blasendenervierung (neurologische Störung) können
versucht
werden
(Betanechol,
Carbachol).
Blasenentleerung
Parasympathomimetika
durch
Selbst
– oder
Fremdkatheterismus.
operativ:
Beseitigung des subvesikalen Hindernisses (Resektion einer Harnröhrenstriktur, transurethrale
Prostataresektion oder transvesikale Prostatektomie).
lten diese Maßnahmen nicht möglich
sein oder keinen Erfolg zeigen, erfolgt eine dauerhafte Harnableitung über einen
transurethralen oder suprapubischen Katheter.
Extraurethrale Inkontinenz
operativ: Sanierung der Ursache, z.B. Fistel
21
Akutes Skrotum
Definiert ist das akute Skrotum als schmerzhafte Schwellung des Hodensacks, die eine
sofortige Abklärung erfordert. Das akute Skrotum kann verschiedene Ursachen haben:
eingeklemmte Leistenhernie
-
Epididymitis/Orchitis
-
Hydatidentorsion
-
Skrotaltrauma
-
Hodentumor (z.B. bei Einblutung)
-
Hodentorsion
Hodentorsion
Die Hodentorsion ist die häufigste auslösende Ursache
Symptoms „geschwollener
Hoden“ bei Kindern. Sie ist definiert als partielle oder totale Stieldrehung des Hodens. Neben
dem Samenleiter verlaufen innerhalb des Samenstranges arterielle und venöse Gefäße, die den
Hoden versorgen. Durch die Torsion des Samenstranges werden die Blutgefäße abgeschnürt.
Der arterielle Druck reicht meistens aus, um weiter Blut zu liefern, der venöse Rückfluss ist
jedoch nicht mehr gewährleistet was zu einer Blut – und Lymphstauung und damit massiven
Schwellung führt. Bleibt die Torsion länger bestehen wird auch die arterielle Blutzufuhr
beeinträchtigt.
Klinik:
Meistens heftige, akut einsetzende Schmerzen im Skrotum und in der Leistengegend die
charakteristischerweise spontan (50 % nachts), aber auch während Spiel und Sport einsetzen.
Vegetative Begleitsymptomatik wie Übelkeit und Erbrechen.
Diagnostik:
22
Anamnese und körperliche Untersuchung: Wegen der Samenstrangrotation besteht in der
Regel ein
einseitiger Hodenhochstand (BRUNZEL – Zeichen). Schmerzzunahme beim Anheben des
Hodens, im Gegensatz zur Epididymitis. Dieses sogenannte PREHN – Zeichen gilt allerdings
als unsicher.
Sonographie: Die Dopplersonographie zur Darstellung der Hodenperfusion über die A.
testicularis ist bei der Differentialdiagnostik hilfre
Dabei müssen intraparenchymatöse
Perfusionssignale nachgewiesen werden. Sonographisch können eine Hydrozele, eine
Varikozele oder auch eine Leistenhernie als mögliche Ursache der Beschwerden
ausgeschlossen werden.
Eine zuverlässige Diagnose ist mittels MRT oder Perfusionsszintigraphie möglich, wird aber
aufgrund des Zeitfaktors sowie der Kosten in der Regel nicht durchgeführt.
Im Zweifelsfall immer operative Freilegung!!!
Therapie:
Als urologischer Notfall erfordert die Hodentorsion eine sofortige Behandlung. Eine
Operation sollte innerhalb von 6 Stunden erfolgen, da onst eine irreversible Nekrose droht.
Operativ wird das Skrotum eröffnet, der Hoden detorquiert und eine Orchidopexie
vorgenommen (= Befestigung mittels Naht am tiefsten Punkt des Skrotums, prophylaktisch
auch kontralateral, entweder Einpunktfixation oder besser Dreipunktfixation). Bei Nekrose
sind eine Orchiektomie und eine kontralaterale Orchidopexie indiziert.
23
Phimose/Präputialverklebungen
Die Phimose oder Vorhautenge ist definiert als ein Missverhältnis zwischen Größe der Glans
penis und Weite des Präputiums (Vorhaut). Bis zum 3. Lebensjahr ist die Verengung der
Vorhaut durch Verklebung mit der Glans penis physiolog
allerdings ist zu
berücksichtigen, dass sich eine Phimose bzw. Präputialverklebungen noch bis etwa zum 12.
Lebensjahr vollständig zurückbilden bzw. lösen können, ohne das eine Therapie notwendig
ist.
Die Prävalenz beträgt 5 – 7 % bei 6 – 7 – jährigen und 1 % bei 16 – jährigen Jungen.
Diagnostik:
Anamnese und körperliche Untersuchung: Bei der Anamneseerhebung ist darauf zu achten,
ob bereits Entzündungen der Vorhaut (Balanitiden) aufgetreten sind. Weiterhin sollte erfragt
werden, ob bei der Miktion eine Ballonierung der Vorhaut auftritt. Dieses wären Zeichen, die
die Einleitung einer Therapie notwendig erscheinen
lassen. Bei der
lichen
Untersuchung zeigen sich möglicherweise entzündliche Veränderungen an der Vorhaut
(Rötung), weiterhin kann der Lokalbefund beurteilt werden Bei einer rüsselförmigen oder
auch narbigen Phimose sollte eine Therapie eingeleitet werden. Ein forciertes Zurückziehen
der Vorhaut über den Sulcus coronarius sollte vermieden werden, um keine Paraphimose zu
verursachen.
Therapie:
Die Therapie der Phimose richtet sich nach dem Ausmaß
Verengung. Bei relativen
Phimosen oder Präputialverklebungen kann primär ein Therapieversuch mit der lokalen
Anwendung einer östrogenhaltigen Salbe (Betnesol® 0,1%) unternommen werden. Ansonsten
wird die kindliche Vorhautverengung wird durch operative Zirkumzision therapiert. Je nach
Wunsch der Eltern ist eine totale oder vorhauterhaltende Resektion möglich. Als Zeitpunkt
der Therapie wird heute ein Alter ab dem 2. Lebensjahr bis zum Kindergarten – oder
Schuleintritt empfohlen.
Aktuell bestehende lokale Infektionen und Penisanomalien, z. B. die Hypospadie, da hier die
Vorhaut für die Harnröhrenrekonstruktion bevorzugt wird, sind Kontraindikationen der
Zirkumzision.
24
Paraphimose
Die Paraphimose (sog. spanischer Kragen) ist ein urologischer Notfall. Es kommt durch das
Zurückziehen einer zu engen Vorhaut in den Sulcus coro
hinter der Eichel zu einer
Minderperfusion des Präputialanteils distal vom Schnürring sowie evtl. der Glans. Es
resultiert eine ödematöse Schwellung von Präputium und Glans bei unauffälligem
proximalem Penis. Im schlimmsten Fall kann die Minderperfusion zur Nekrose der Glans
führen. Auffällig werden die betroffenen Patienten durch die o. g. Schwellung sowie eine
ausgeprägte Schmerzsymptomatik.
Diagnostik:
Körperliche Untersuchung
Therapie:
Lokalanästhesie in Form eines Penisblocks, manuelle Kompression des ödematöden Gewebes
und manuelle Reposition. Gelingt dies nicht, wird der chnürring in Narkose dorsal inzidiert.
Eine
Zirkumzision
erfolgt
nach
Abklingen
des
Ödems
bzw.
der
entzündlichen
Veränderungen.
25
Urolithiasis
Eine Harnsteinbildung in der Niere und / oder den ableitenden Harnwegen wird als
Urolithiasis bezeichnet. Harnsteine setzten sich vorwiegend aus kristallinen und amorphen
organischen und / oder anorganischen Substanzen zusammen und können von einer nicht
kristallinen Matrix durchsetzt sein. Ihre Entstehung resultiert aus einer Störung des
physikalisch – chemischen Gleichgewichts des Harns. Die Symptomatik w
durch
Bildungsort, Größe und Verhalten der Steine und deren Folgeerscheinungen wie Harnstauung
und Nierenschädigung bestimmt.
Epidemiologie:
Die Häufigkeit der Harnsteinbildung (Prävalenz) liegt
Deutschland bei 5 %. Mit
zunehmendem Wohlstand hat die Prävalenz in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich
zugenommen und erreicht in den USA noch höhere Werte als in Deutschland. Männer sind
doppelt so häufig betroffen wie Frauen. Das prädisponierende Alter liegt zwischen dem 35.
und 65. Lebensjahr.
Ätiologie:
Ursache und Ablauf der Steinbildung sind bei bis zu 80 % der Patienten ungeklärt
(idiopathisch). Man weiß jedoch, dass eine Überschreitung des Löslichkeitsprodukts
steinbildender Substanzen zu Kristallbildung, Kristallwachstum und – aggregation und somit
zum Stein führt. Prädisponierend sind:
-
Hyperkalzämie: vermehrte Ca-Resorption im Darm, Hyperparathyreodismus, renaler
Ca-Verlust ? PTH? (sek. Hyperparathyreodismus).
-
Hyperurikämie: erhöhte Harnsäuren z.B. durch zu hohen
m od. bei
Leukosen, Tumorzerfall, massive Reduktionsdiät.
-
Infekte des Harntrakts: Hemmung der Ureterperistaltik bei Infektionen führen zur
Stase, was eine Steinbildung begünstigt.
-
Abflussbehinderungen: Stenosen, BPH, Blasendivertikel, Urethradivertikel, neurogene
Blasenentleerungsstörung.
Klinik:
akute Nierensteinkolik:
26
-
anfallsartige, krampfartige, stechende Schmerzen
-
der Schmerz wandert („der Stein wandert, der Schmerz wandert, der Patient wandert
auch“)
-
Flankenschmerz, evtl. Ausstrahlung in den Rücken oder ins Genitale.
-
imperativer Harndrang bei verminderter Harnmenge.
-
Harnstottern od. „Stakkatomiktion“
-
Mikro – oder Makrohämaturie.
Unbehandelt kann ein Harnsteinleiden über eine bakteri le Infektion, z.B. eine obstruktive
Pyelonephritis, bis zur Urosepsis führen!
Diagnostik:
Anamnese und klin. Untersuchung (typische Klinik? Familiäre Disposition?)
Urin: Sediment, pH, Kultur, 24 Std. Sammelurin.
Sonographie: echoreicher Bezirk (Steindurchmesser > 2 – 3 mm) mit typischem dorsalen
Schallschatten. Im Ureter sind Steine schlecht sonographisch nachweisbar. Harnstauungsniere
? aufgeweitetes Nierenbeckenkelchsystem mit Schallverstärkung hinter dem Nierenbecken.
Röntgen-Leeraufnahme: Ca-haltige Steine sind röntgendicht, Harnsäuresteine nicht!!
Ausscheidungsurographie: Nachweis der nicht sichtbaren Steine durch KM-Aussparung oder
Abbruch der KM-Säule im Ureter. CAVE1: In der gestauten Niere kann es zu verzögerter KM
Ausscheidung kommen, Spätaufnahme bis zu 24 h nach KM-Gabe erforderlich. CAVE2:
Keine Kontrastmitteluntersuchung in der akuten Nierenkolik, da ein Abflusshindernis besteht
und durch die Kontrastmittelgabe eine vermehrte Urinausscheidung erfolgt (diuretischer
Effekt des KM), Folge können zunehmende Schmerzen und
Fornix -Ruptur (Einriss des
Nierenbeckens) sein.
Computertomographie nativ: Sensitivste Methode zum Nachweis auch nicht röntgendichter
Konkremente
(Harnsäuresteine);
höhere
Strahlenbelastung
und
höhere
Kosten
als
Ausscheidungsurographie
Labor: Harnsäure (Norm 3 -6mg/dl) u. Kalzium (2,25-2,75 mmol/l), evtl. PTH.
Therapie:
27
Bei einer akuten Nierenkolik steht die Therapie der Schmerzen im Vordergrund. Hierzu
erfolgt eine symptomatische Infusionstherapie mit spas
und analgetischer
Medikation (Spasmoanalgesie). Z. B. Buscopan + Tramal od. Novalgin od. potente Opioide
(z.B. Dipidolor). Erst bei Schmerzfreiheit sollte sich eine entsprechende Diagnostik
anschließen (siehe oben). Meist kommt es bei Steinen mit einem Durchmesser < 6 mm im
Verlauf zu spontanem Steinabgang. Hierbei ist eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr sowie
Bewegung dem spontanen Steinabgang förderlich („Saufen und Laufen“).
Wenn ein Patient unter der Schmerzmedikation nicht oder nicht dauerhaft beschwerdefrei
wird, ist es zur Schmerzbeseitigung notwendig, den Abfluss des Urins aus der Niere zu
gewährleisten. Dieses erfolgt durch die transurethrale, zystoskopiegesteuerte Anlage einer
Harnleiterschiene (DJ-Schiene, Pigtail), wobei gleichzeitig eine retrograde
Diagnosesicherung erfolgen
kann, oder die
Anlage einer
zur
Nierenfistel (perkutane,
ultraschallgesteuerte Punktion des aufgeweiteten Nierenbeckenkelchsystems, in der Regel
über die untere Kelchgruppe).
Urolitholyse:
Bei kalziumfreien Harnsäure – und Cystinsteinen durch Harnalkalisierung (Ziel pH: 6,2 -6,8)
mit Alkalizitraten möglich. Bei Hyperurikämie zusätzlich Urikostatika (Allopurinol, Zyloric).
Stoßwellentherapie:
Bis zu 90 % der nicht spontan abgehenden Steine sind damit behandelbar.
ESWL (extrakorporale Stoßwellenlithotripsie): Über ein Gelk
werden von außen 500 –
2500 fokussierte Stoßwellen abgegeben, wodurch der Stein in kleinere Konkremente zerfällt
die dann spontan abgehen können. Bis zu 2 cm große Steine können auf diese Art behandelt
werden.
KI: Schwangerschaft, Gerinnungsstörungen.
PCNL (perkutane Nephrolitholapaxie): Über eine perkutan nephroskopisch eingeführte Sonde
werden Stoßwellen angewandt. Option bei Nierenbecken – oder Kelchausgusssteinen.
Endourethrale Stoßwellenlithotripsie.
Bei Blasensteinen können unter endoskopischer Kontrolle die Konkremente transurethral
lithotripsiert und mittels Zange die Steinfragmente entfernt werden.
Ureterorenoskopie (Harnleiterspiegelung)
28
Bei der Ureterorenoskopie wird transurethral mit einem semiregiden oder flexiblen optischem
Instrument in den Harnleiter bzw. das Nierenbeckenkelchsystem eingegangen. Das
Konkrement wird über das Instrument aufgesucht, mittels eines Körbchens eingefangen und
anschließend entfernt. Ist eine Entfernung aufgrund der Größe primär nicht möglich, besteht
die Möglichkeit, über das Instrument eine Laserfaser oder eine Sonotrode an den Stein
heranzuführen und hierüber den Stein unter visueller Kontrolle zu zertrümmern und die
Steinreste zu entfernen. Diese Methode kann sowohl bei Harnleitersteinen als auch bei
Nierensteinen Anwendung finden, da durch die semiregiden und flexiblen Instrumente eine
Ortung der meisten Konkremente möglich ist.
Offen chirurgische Steinsanierung
Die offene Steinchirurgie wird heute nur noch in weniger als 1 % der Fälle angewandt, kann
aber zum Beispiel bei Versagen der oben genannten minimal invasiven Verfahren indiziert
sein. Anwendung findet dieses Verfahren in erster Linie bei sehr großen Konkrementen oder
anatomischen Verhältnissen, die ein anderes operatives Verfahren nicht möglich machen.
Prognose:
¾ der Steine gehen spontan (mit konservativer Therapie) ab. Ohne Rezidivprophylaxe ist die
Rezidivrate sehr hoch, 50 – 100 %.
Rezidivprophylaxe:
-
aussreichende Trinkmenge (Harnfluss 2,5 – 3 l/Tag)
-
körperliche Aktivität, Gewichtsreduktion, Salzrestrikt
Eine
adäquate
Empfehlung
zur
Risikominimierung
basiert
laststoffreiche Kost
auf
Laborwerten,
der
Zusammensetzung des Steines, und ggf. bekannten Begleiterkrankungen.
29
Erektile Dysfunktion (ED)
Die erektile Dysfunktion, oder Erektionsstörung, ist definiert als die Unfähigkeit eine
Erektion, die zum Geschlechtsverkehr ausreicht, zu erzielen bzw. zu halten.
Ätiologisch spielen sowohl psychologische (oft Versagensängste, Depression) als auch
organische
Ursachen
eine
Rolle.
Mögliche
organische
Veränderungen
bzw.
Grunderkrankungen die zu einer ED führen können sind unter anderem Diabetes mellitus,
Hypertonie, Gefäßerkrankungen, Verletzungsfolgen oder
operative Zustände. Ebenso
können Nervenerkrankungen, z.B. Multiple Sklerose oder Spinalerkrankungen eine ED
bedingen.
In Deutschland haben insgesamt 20 % aller Männer, und ca. 40 % der Männer > 40 Jahre
zeitweilig Probleme mit ihrer Erektion.
Diagnostik:
-
Körperliche Untersuchung: Penis, Hoden, Nebenhoden, digital rektal, Leistenregion.
-
Medikamentenanamnese
(
ß
– Blocker?,
TZA,
SSRI,
Lipidsenker...)
und
Sozialanamnese, am besten unter Einbeziehung der Partnerin.
-
Frage nach Alkohol -, Drogen - , Nikotinabusus.
-
Hormonbestimmungen (Testosteron, FSH, LH, Prolaktin)
-
Vorerkrankungen, neurologischer Status.
-
Labor: Schilddrüse, Leber- und Nierenwerte, Blutfette, Blutbild
Therapie:
An erster Stelle der Therapie steht die Beseitigung möglicher Risikofaktoren oder eine
Umstellung
der
bisherigen
medikamentösen
Therapie
(z.B.
Wechsel
des
Antihypertensivums). Nach Ausschluss organischer Ursachen kann eine psychotherapeutische
Intervention, z.B. als Paartherapie, hilfreich sein. Hierbei kann eine Kombination mit
Medikamenten erfolgen.
lokal:
Vakuumerektionshilfen: Saugzylinder erzeugt Erektion,
dann mittels komprimierbarem
Ring gehalten wird, relativ gut wirksam (ca. 70 %) aber geringe Akzeptanz.
medikamentös
30
oral: Phosphodiesterasehemmer (PDE), Kontraindikation
KHK Patienten, die mit Nitraten
behandelt werden.
-
Sildenafil (Viagra): 25 – 100 mg, 1 Std. vor Verkehr einnehmen.
-
Tadalafil (Cialis): 5 – 20 mg, wirkt bis zu 36 Std.
-
Vardenafil (Levitra): bei Bed. 10 – 20 mg, schneller Wirkungseintritt.
intraurethral: Prostaglandin E1 Applikation od. MUSE = „medicaled urethral system for
erection“
Alprostadil: initial 250 µg, Titrierung bis max. 1000
Max. 2 Anwendungen/Tag od.
7/Woche, UAW: häufig Penisschmerzen (30 %), Brennen beim Wasserlassen, vaginale
Schmerzen bei der Partnerin.
intrakavernös: SKAT = „Schwellkörper – Autoinjektionstherapie
-
Alprostadil (Caverject, Viridal): Selbstinjektion nach individueller Dosistitration
verdünnt in ein Corpus cavernosum, Gerinnungsstatus vor der ersten Anwendung
überprüfen.
Bei allen medikamentösen Therapien ist auf die Gefahr ines Priapismus (Dauererektion mit
Gefahr der Schwellkörperschädigung) hinzuweisen.
operativ
Schwellkörperprothese: Implantation einer flexiblen oder hydraulischen Prothese in den
Penis.
flexible Prothese: Nebenwirkungsarm (keine „mechanische“ Defekte)
hydraulische Prothese: Pumpe im Skrotum, manuell von außen bedienbar, realitätsnah,
häufiger Infekt ionen.
31
Prostatakarzinom
Das Prostatakarzinom ist mit 19 % der Krebserkrankungen das häufigste nachgewiesene
Karzinom des Mannes (gefolgt vom Bronchialkarzinom). In Deutschland werden jährlich ca.
40000 Neuerkrankungen registriert. Insgesamt betrachtet kommt das Prostatakarzinom noch
häufiger vor, was Obduktionsbefunde zeigen: Bei 1/3 der 60 – jährigen und bis zu 90 % der
90 – jährigen findet sich ein latentes Prostatakarzinom, das keine Beschwerden verursacht und
auch nicht zum Tod geführt hat. Das „Life – time – risk“ an einem klinisch manifesten
Prostatakarzinom zu erkranken beträgt 10 %.
Ätiologie:
Über die Entstehung des Prostatakarzinoms herrscht noch weitgehend Ungewissheit. Da bei
Eunuchen Prostatakarzinom so gut wie nicht vorkommen,
heint eine androgene Stimulation
zur Entstehung beizutragen. Verschiedene Gen – Mutationen werden diskutiert, z.B. im
BRCA – 1 – Gen (verursacht bei Frauen Mammakarzinome), HPC1, HPC2, oder im HPCx
Gen. Das Prostatakarzinom tritt familiär gehäuft auf,
von Patienten erkranken
dreimal häufiger. Eine fettreiche Ernährung, Sonneneinstrahlung und die damit verbundene
Vitamin D Bildung sowie die Einnahme von Calcium scheinen das Entstehungsrisiko zu
erhöhen.
Pathologie:
In 97 % der Fälle handelt es sich um ein Adenokarzinom, ausgehend von Epithelzellen der
Prostatadrüsen. Makroskopisch zeigen sich gelbe oder grau – weißliche, derbe, unscharf
begrenzte Herde.
Mehrheitlich geht das Karzinom von den Epithelien der peripheren Drüsenanteile aus, zu etwa
85 % in den hinteren (rektalen) Anteilen der Vorsteherdrüse, und breitet sich in den äußeren
Zonen des Organs aus. Zur Verlegung der Harnröhre mit
des Harnlassens
kommt es daher erst spät, meist nachdem die Organkapsel schon durchbrochen wurde. Per
continuitatem breitet es sich auf die Bläschendrüsen,
M. levator ani aus, selten
werden auch Rektum, Urethra oder die Harnblase infiltr
Metastasierung: hämatogen v.a. in Knochen, seltener Leber oder Lunge; lymphogen in
iliakale LK, fortgeschritten auch in paraaortale und parakavale LK.
32
Einteilung:
Adenokarzinome der Prostata werden nach TNM klassifiziert.
Folgende Tabelle soll eine Übersicht geben, Unterstadien (z.B. T1a, T1b, etc.) werden hier
nicht aufgeführt.
T1:
klinisch nicht erkennbarer Tumor, nicht tastbar, nicht bildgebend sichtbar
T2:
Tumor auf die Prostata begrenzt
T3:
Tumor durchbricht die Prostatakapsel
T4:
Infiltration von Nachbarorganen / - strukturen: Blasenhals, M. sphincter urethrae,
Rektum...
regionäre LK – Metastasen
N1:
M1a: nichtregionäre LK – Metastasen
M1b: Knochenmetastasen
M1c: andere Fernmetastasen, bzw. multiple Metastasen
Grading, Gleason -Score
Lange
wurde
zur
Einstufung
das
sogenannte
Grading-System
der
Weltgesundheitsorganisation WHO verwendet, abgekürzt mit dem Buchstaben G: Es
beschreibt, wie stark sich die Tumorzellen mikroskopisch von normalen "ausgereiften" Zellen
unterscheiden. Nach bestimmten Merkmalen teilt man in
ier Grade von G1 bis G4 ein.
Tumorzellen von Grad 1 (G1) sind gut differenziert, sie sind den normalen Zellen noch
vergleichsweise ähnlich. Schlecht differenzierte Tumoren (G4) unterscheiden sich dagegen
stark von normalen Zellen, sie wachsen besonders schnell und sind aggressiver als bei Grad 1.
G2 und G3 liegen entsprechend dazwischen.
International gebräuchlicher und heute auch in Deutschland Standard ist der sogenannte
Gleason-Score, benannt nach dem amerikanischen Arzt Donald Gleason. Er beschreibt
ebenfalls
das
Ausmaß
der
Abweichung
der
Tumorzellen
Wachstumsmusters vom gesunden Gewebe. Dazu werden die
beziehungsweise
ihres
einer Probe sichtbaren Zellen
nach ihrem Aussehen in fünf verschiedene Gruppen eingeteilt und nach dem Grad ihrer
Differenzierung mit einem Wert von 1 bis 5 belegt:
• 1 steht für gut ausdifferenziert und damit einer gesunden Zelle bzw. gesundem
Gewebe noch weitgehend ähnlich.
• 5 steht für sehr wenig differenziert.
33
Für die klinische Bedeutung ist dabei der Punktwert, der bei einer großen Gruppe von
Zellproben vorliegt, wichtiger als ein einzelner, auffallend abweichender Wert, der nur für
wenige Zellen zutrifft. Daher werden nur die beiden größten Gruppen (die mit den meisten
Zellen) für den Gleason -Score herangezogen. Zählt man ihre beiden Werte zusammen, erhält
man den Score. Er kann also mindestens 2 und maximal 10 betragen, dabei ist 10 der
ungünstigste Wert. Auch die beiden größten Gruppen werden noch gewichtet: Die Punktwerte
erhalten eine Reihenfolge, die häufigere Wertung steht vor der selteneren. 4 plus 3 ist
demnach ungünstiger als 3 plus 4 - bei der ersten Angabe wurde der Wert "4" in mehr Zellen
gefunden als bei der zweiten Angabe, obwohl beide Male die Summe einen Gleason -Score
von 7 ergibt.
Klinik:
Im Frühstadium verursacht das Prostatakarzinom keine Symptome, da es fast usschließlich
in den urethrafernen peripheren Zonen entsteht. Das Zeitfenster, in dem ein Prostatakarzinom
ohne Symptome besteht, wird auf 10 – 15 Jahre geschätzt.
Symptome wie Blasenentleerungsstörungen, wie man sie von der BPH kennt, treten erst im
fortgeschrittenen Stadium auf, ebenso wie Makrohämaturie oder Hämatospermie.
In
fortgeschrittenen
Stadien
können
durch
die
lymphogene
Metastasierung
eine
Harnabflussbehinderung der Nieren auftreten, was zu Schmerzen im Nierenbereich und einem
postrenalem Nierenversagen führen kann. Weiterhin können durch ossäre Metastasen Rücken
– oder Beckenschmerzen auftreten.
Diagnostik:
Da das Prostatakarzinom lediglich im Frühstadium auf Dauer geheilt werden kann, ist eine
Früherkennung äußerst sinnvoll, wofür zudem ein exzellentes Instrumentarium zur Verfügung
steht.
Bei Männern sollte ab dem 45. Lj eine regelmässige dig
l rektale Untersuchung und die
Bestimmung des Serum PSA (prostataspezifisches Antigen) alle 2 Jahre erfolgen. PSA ist ein
Glykoprotein das zur Verflüssigung des Samens beiträgt und in den Ductuli prostatae gebildet
wird. Von der Kasse wird lediglich die digitale Untersuchung, nicht aber die PSA –
Bestimmung übernommen. Der PSA-Wert ist nicht als Tumormarker anzusehen, sondern als
Prostatamarker. Das bedeutet, dass neben dem prostatakarzinom auch andere Erkrankungen
oder Ereignisse zu einer PSA-Erhöhung führen können (benigne Prostatahyperplasie,
Prostatitis, digitale rektale Untersuchung, Harnwegsinfekt etc.).
34
Als oberer Normwert des PSA wird allgemein eine Wert von > 4 ng/ml angegeben, hierbei ist
jedoch zu berücksichtigen, dass es auch altersspezifische Normwerte gibt, so dass bei jungen
Männern bereits geringere Werte als auffällig angesehen werden müssen. Besteht aufgrund
des PSA-Wertes, der digitorektalen Untersuchung oder anderweitigen diagnostischen
Methoden der Verdacht auf das Vorliegen eines Prostatakarzinoms sollte eine Biopsie
erfolgen.
Prostatabiopsie: > 10 Stanzbiopsien transrektal od. perineal.
Sonographie: Insbesondere transrektal (Tumor echoarm oder - reich möglich), heute auch
endorektales MRT möglich.
Bei PSA-Werten > 10 ng/ml und histologischen Nachweis eines Prostatakarzinoms sollte vor
der Entscheidung über weitere therapeutische Massnahmen eine Skelettszintigraphie zum
Ausschluss einer ossären Metastasierung durchgeführt werden.
Therapie:
Die Therapie richtet sich nach dem Tumorstadium, Diffe
rungsgrad, Allgemeinzustand
sowie Begleiterkrankungen des Patienten. Auch das Alter der Patienten ist entscheidend, bei
über 70 – jährigen Patienten und histologisch gut differenziertem Tumor ist auch eine aktives
Zuwarten gerechtfertigt (active surveillance), da das
iko in den nächsten 10 Jahre an
diesem Prostatakarzinom zu versterben lediglich 10 % beträgt. Für die Patienten bedeutet dies
regelmässige PSA-Kontrollen sowie eine Re-Biopsie der Prostata im Verlauf, um eine
Veränderung des Karzinoms in eine agressivere Form frühzeitig zu erkennen.
Für jüngere Patienten gilt in der Regel:
lokal begrenztes Karzinom: lokale Therapie (operative
Strahlentherapie).
fortgeschrittenes Karzinom: systemische Therapie (meist antiandrogene Behandlung).
Operativ
Radikale Prostatektomie: Vollständig Resektion der Prostata inklusive Kapsel und
Samenbläschen = Prostatavesikulektomie inkl. regionärer Lymphadenektomie. Ist indiziert,
wenn Lymphknoten – und Fernmetastasen bildgebend ausgeschlossen sind und der Tumor die
Organgrenzen noch nicht überschritten hat.
Die OP kann retropubisch, perineal oder laparoskopisch durchgeführt werden.
In Abhängigkeit vom Tumorstadium kann bei den operativen Eingriffen das periprostatisch
verlaufende Gefäß -Nerven -Bündel (Walshe´ Bündel) einseitig oder doppelseitig erhalten
35
werden, was einen positiven Einfluss auf die postoperative Erektionsfähigkeit
vermutlich
auch Kontinenzfähigkeit hat.
Strahlentherapie:
Die Strahlentherapie kann als externe Strahlentherapie oder als interstitielle Strahlentherapie
(Brachytherapie) durchgeführt werden.
Die
perkutane
Strahlentherapie
stellt
das
klassische
Bestrahlungsverfahren
beim
Prostatakarzinom dar und kann ambulant durchgeführt werden. Es wird über einen Zeitraum
von etwa 7 – 8 Wochen fünf Mal wöchentlich bestrahlt.
Low – dose – Brachytherapie: kleine Strahlenkörper (radioaktive Seeds) werden
ultraschallgesteuert dauerhaft in die Prostata implantiert. Ind: Prostatakarzinom auf einen
Seitenlappen begrenzt, Prostatavolumen > 20 ml und < 50 ml, PSA < 10, Gleasonscore = 7
High – dose Brachytherapie: Über perineal in die Prostata eingestochene Hohlnadeln wird
eine Strahlenquelle in die Prostata eingeführt und nac vorgegebener Bestrahlungszeit wieder
entfernt, d. h. dass in einer kurzen Zeit eine hohe Strahlendosis an der Prostata appliziert wird.
Die HDR- Brachytherapie wird ggf. mit einer perkutanen Bestrahlung kombiniert. Ind: T3 –
Prostatakarzinome.
Hormontherapie:
Ziel der Hormontherapie ist die Suppression der androgenen Stimuli. 1941 hat der
Nobelpreisträger Huggins gezeigt, dass der Entzug androgener Substanzen zu einer
Rückbildung sowohl der gesunden Prostata als auch des
ostatakarzinoms führt. Im
Gegenzug kann Testosteron zu einem Wachstumsschub bei
dem Prostatakarzinom
führen.
-
GnRH – Analoga: Zunächst Anstieg des Serum – Testosteron – Spiegels (Flare-upPhänomen, kann durch eine passagere parallele Gabe von Antiandrogenen supprimiert
werden), dann Abfall des Testosterons in den Kastrationsbereich. Präp: Goserelin,
Buserelin, Leuprorelin.
-
GnRH-Antagonisten: zügiger Abfall des Testosterons in den Kastrationsbereich (kein
Flare -up-Phänomen)
-
Antiandrogene: nichtsteroidale Antiandrogene hemmen die Aufnahme bzw. die
Bindung von Testosteron oder DHT an Zellrezeptoren. Serum – Testosteron – Spiegel
wird nicht gesenkt. Präp: Flutamid, Nilutamid, Bicalutamid.
36
-
Cyproteronacetat ist ein Gestagen und hemmt die Testosteronbildung in den Leydig –
Zellen der Hoden.
-
Plastische Orchiektomie beidseits: Unter Belassung der Hodenhüllen und der
Nebenhoden wird das androgenproduzierende Hodengewebe ausgeschält. Senkung
des Testosteron – Spiegels auf Kastrationsniveau, d.h. 10 % des Normwertes.
-
Orchiektomie beidseits
Die Hormontherapie kommt in aller Regel bei Patienten
Anwendung, bei denen ein
metastasiertes Prostatakarzinom vorliegt oder bei denen nach Durchführung einer primär
kurativen Therapie (radikale Prostatovesikolektomie/Strahlentherapie) Hinweise auf einen
Progress der Erkrankung bestehen (PSA-Rezidiv, biochemisches Rezidiv).
Nebenwirkungen
der
Hormontherapie:
Libido -/Potenzverlust,
Osteoporose,
Anämie,
Hitzewallungen
Prognose:
5 – JÜR aller Prostatakarzinome 70 %. (T1 – T2 90 %, T3 – M1 40 %)
perioperative Letalität 0,3 %
Nachsorge:
Bestimmung des PSA als Rezidivparameter, nach rad. Prostatektomie sollte der PSA unter der
Nachweisgrenze liegen. Ein Wiederanstieg des PSA auf Werte > 0,1 ng/ml ist ein Hinweis auf
Rezidiv od. Metastasierung. Nichtrauchen. Raucher haben ein 3,2 % höheres Risiko an einem
Prostatakarzinom zu versterben.
37
Metastasiertes Prostatakarzinom
Metastasierung: hämatogen v.a. in Knochen, seltener Leber oder Lunge; lymphogen in
iliakale LK, fortgeschritten auch in paraaortale und parakavale LK.
Ein metastasiertes Prostatakarzinom ist in aller Regel nicht kurativ therapierbar. Wenn bei
einem Patienten Metastasen nachgewiesen wurden, ist die Therapie der Wahl eine
Hormontherapie. Hierdurch kann ein Fortschreiten der Erkrankung teilweise mehrere Jahre
verhindert
werden.
Unter
der
Hormontherapie
sind
regelmässige
PSA-
und
Testosteron(Überprüfung der chemischen Kastration) –kontrollen notwendig. Sollte unter der
Hormontherapie
ein
weiterer
Progress
der
Erkrankung
(castrationsresistentes
Prostatakarzinom) zu verzeichnen sein, ist eine komplette Androgenblockade (z. B. Goserelin
+ Bicalutamid) angezeigt, um neben einer Blockade der Androgenrezeptoren auch die
testikulären und adrenalen Androgene zu hemmen.
Bei einem weiteren Progress des Tumorleidens unter maximaler Androgenblockade kommen
sekundäre Hormonmanipulationen (anderes Antiandrogen gleicher Klasse, Östrogene,
Korticosteroide etc.), eine Chemotherapie oder palliative Maßnahmen zur Anwendung.
Chemotherapie:
Den aktuellen Standard in der Chemotherapie des metastasierten Prostatakarzinoms stellt die
Medikation mit Docetaxel und Prednisolon in einem 3-Wochen-Schema dar.
Palliative Therapie
•
Schmerztherapie
•
Externe Strahlentherapie
•
Bisphophonate
•
Radionuklidtherapie
38
Nierenzellkarzinom
Das Nierenzellkarzinom ist ein Adenokarzinom und geht
den Tubuluszellen aus. Es
macht 3 % aller bösartigen Tumoren bei Erwachsenen aus und wird bei etwa 9 von 100000
Einwohnern jährlich diagnostiziert. Betroffen sind vorwiegend Menschen im 5. und 6.
Lebensjahrzehnt, Männer erkranken 3 mal häufiger als Frauen. Das Nierenzellkarzinom
macht 85 % aller Nierentumoren beim Erwachsenen aus.
Im Kindesalter ist der WILMS – Tumor häufigster Nierentumor und macht 6 – 8 % aller
Tumoren im Kindesalter aus.
Ätiologie:
Das Nierenzellkarzinom tritt am häufigsten sporadisch
Patienten mit einer chronischen
Niereninsuffizienz haben ein erhöhtes Risiko. Als Risikofaktoren werden Nikotin (> 20 py),
arterielle Hypertonie, fettreiche Kost, Übergewicht (bei Frauen( und hormonelle Einflüsse
(bei Männern) diskutiert. Ca. 5 % der Fälle sind hereditär.
Pathologie:
Das Nierenzellkarzinom entsteht meistens in einem Nierenpol. Auf hämatogenem Weg
metastasiert es bevorzugt in die Lunge, das Skelett, die Leber und das Gehirn. Per
continuitatem ist eine Ausbreitung auf umliegende Organe wie Leber, Milz, Pankreas oder
Kolon möglich, sowie eine Gefäßinfiltration, z.B. V. renalis oder V. cava inf.
Das Nierenzellkarzinom wird nach TNM unterteilt:
TNM für Nierenzellkarzinome nach UICC 2002
TX Primärtumor kann nicht beurteilt werden
T0 Kein Anhalt für Primärtumor
T1 Tumor <= 7 cm in größter Ausdehnung, begrenzt auf die Niere
T1a Tumor 4 cm oder weniger in größter Ausdehnung
T1b Tumor mehr als 4 cm, aber nicht mehr als 7 cm in größter Ausdehnung
T2 Tumor > 7 cm in größter Ausdehnung, begrenzt auf die Niere
T3a Tumor infiltriert Nebenniere oder perirenale Fettkapsel, aber nicht Gerota’sche
Faszie
T3b Tumorausbreitung in Nierenvenen oder Hohlvene unterhalb des Zwerchfells
T3c Tumorausdehnung in Hohlvene oberhalb des Zwerchfells
39
T4 Tumorausdehnung über Gerota’sche Faszie hinaus
NX Benachbarte (regionäre) Lymphknoten sind nicht beurteilbar
N0 Kein Anhalt für benachbarte Lymphknotenmetastasen
N1 Metastase in einem benachbarten Lymphknoten
N2 Metastase in mehr als einem benachbarten Lymphknoten
Mx Vorliegen von Fernmetastasen kann nicht beurteilt werden
M0 Kein Anhalt für Fernmetastasen
M1 Fernmetastasen treten am häufigsten in der Lunge, im Skelett und in den
Lymphknoten, eher selten im Gehirn und in der Leber auf.
Im klinischen Alltag ist inzwischen auch die Stadieneinteilung nach UICC gebräuchlich
I: T1 N0 M0
II: T2 N0 M0
III: T3 N0 M0 – T1-3 N1 M0
IV: alle T4, alle N2, alle M1
Klinik:
Da das Frühstadium asymptomatisch ist, sind über die Hälfte der Nierenzellkarzinome
Zufallsbefunde (Sonographie, CT). Ein alarmierendes Krankheitszeichen ist eine klinisch
asymptomatische schmerzlose Hämaturie, was jedoch auch kein Frühsymptom mehr darstellt.
Weitere Symptome wie Flankenschmerz, Gewichtsverlust und Temperaturerhöhung sind
unspezifisch. In Abhängigkeit von den T – Stadien sind in bis zu 5 % der Fälle
paraneoplastische Veränderungen nachweisbar:
metabolisch: sog. Stauffer – Syndrom (erhöhte AP, Verlängerung der Prothrombinzeit,
Dysproteinämie)
hämatologisch: Polyglobulie (1 – 5 %)
endokrin:
Hypertonie
(Renin),
Hyperkaliämie
(ACTH),
Hyperkalzämie
(PTH).
neuromuskulär.
Diagnostik:
Neben der körperlichen Untersuchung und einer Blut- und Urinuntersuchung sind
bildgebende Verfahren wie z.B. die Ultraschalluntersuchung zur Darstellung oder zum
Ausschluss des Tumors notwendig. In der Bildgebung können weiterhin die Infiltration
40
umgebender Organe oder eine bereits vorhandene Absiedlung (Metastasen) des Tumors
festgestellt werden. Bestätigt sich der Verdacht auf einen Nierentumor, erfolgen weitere
bildgebende Untersuchungen wie eine Computertomographie (CT) des Bauches und Beckens,
eine Skelettszintigraphie, eine Röntgenuntersuchung oder CT des Brustkorbes sowie eine
Kernspintomographie (MRT) oder ein CT des Schädels. In seltenen Fällen kann eine
Angiographie oder ein Ausscheidungsurogramm zur Diagnosestellung durchgeführt werden.
Therapie:
Therapie der Wahl beim Nierentumor ist die operative Therapie.
• Radikale Tumornephrektomie bei großen Tumoren > 4 cm:
Fettkapsel mit der Fascia renalis + ggf. Nebenniere. D
iere + perirenale
radikale Nephrektomie kann
transperitoneal, retroperitoneal, oder laparoskopisch, seltener thorakoabdominal
durchgeführt werden.
• Nierentumorresektion/-enukleation: Bei Tumoren < 4 cm und/oder peripher gelegenen
Tumoren < 7cm ist diese Operation Therapie der Wahl.
Nichtoperative Therapie:
Die adjuvante Strahlentherapie hat zu keiner Verbesserung der Überlebensraten geführt. Das
Nierenzellkarzinom
ist
nicht
chemotherapiesensibel;
Immuntherapiekonzepte und „target spezifische Methoden
es
werden
derzeit
im Rahmen von Studien
überprüft.
Prognose:
Bis T2 ohne Metastasen: 5 – JÜR 65 %; bei V. cava Infiltration 35 %; bei T4 15 %.
41
metastasiertes Nierenzellkarzinom
Das metastasierte Nierenzellkarzinom hatte bis vor einigen Jahren eine sehr schlechte
Prognose, da dieser maligne Tumor als strahlen - und zytostatikaresistent angesehen werden
muss. Die Überlebensrate korrelierte hierbei mit verschiedenen Faktoren, die von Motzer
1999 publiziert wurden:
1. Niedriger Karnofsky Index (Performance Status < 80%)
2. Hohe Laktatdehydrogenase-Spiegel (> 1,5 x OGN)
3. Niedrige Hämoglobin -Serumspiegel (< UGN)
4. Hohe korrigierte Serum Calciumkonzentrationen (> 10 mg/dl)
5. Zeitraum < 1 Jahr zwischen Diagnose und syst. Therapie
(6. > 2 Organe metastasiert (zusätzlich zur Beurteilung von „poor prognosis“ -Patienten)
0
1 oder 2
3 bis 5
niedrig
mittel
hoch
Mediane Überlebenszeit
20 Monate
10 Monate
4 Monate
Patientenverteilung
25%
53%
22%
Anzahl der prognostischen Faktoren
Diese Faktoren werden auch heute noch in der Beurteilung der Prognose eingesetzt, wobei
sich die Prognose inzwischen seit Einführung neuer Therapieformen, die zum größten Teil
über eine Hemmung der Gefäßneubildung wirken, deutlich verbessert hat.
- Tyrosinkinaseinhibitoren (Sunitinib, Sorafenib, Pazopanib)
- VEGF-Antikörper (Bevacizumab)
- mTOR-Inhibitoren (Everolimus, Temsirolimus)
Nebenwirkungen dieser Präparate sind je nach Substanzgruppe insbesondere:
42
Hypertonus,
Hypothyreose,
Hand -Fuss-Syndrom,
Mukositis,
Fatigue,
Diarrhoe,
Wundheilungsstörungen, Pneumonitis
Trotz der deutlichen Verbesserung der Prognose durch diese Präparate ist eine Heilun g durch
diese Medikation in aller Regel nicht möglich. Daher ist bei solitären Metastasen weiterhin
Therapie der Wahl die Metastasenresektion. Weiterhin g lt, dass auch im metastasierten
Stadium die Durchführung einer Tumornephrektomie prinzipiell indiziert ist, da hierdurch
eine Verbesserung des Gesamtüberlebens erreicht werden kann. Nach Literatur kann es bei
bis zu 5% der Patienten nach Durchführung einer Nephrektomie zur Spontanremission der
Metastasen auch ohne weitere Therapie kommen.
43
Hodentumoren
Hodentumoren machen etwa 1 % aller Tumoren des Mannes us. 3500 Männer erkranken
jährlich in Deutschland, davon versterben 180 – 300. Der Hodentumor ist noch vor den
Leukämien und Hodgkin – Lymphomen der häufigste maligne Tumor bei jüngeren Männern.
Der Häufigkeitsgipfel liegt zwischen dem 20. und 40. LJ, im Zeitraum der maximalen
sexuellen Aktivität.
Ätiologie:
Die Ursache ist häufig unbekannt. Ein wichtiger bekannter Risikofaktor ist der
Kryptorchismus (Hodenhochstand = Maldescensus testis)
Erkrankungsrisiko als bei normotopen Hoden. Auch nach
einem 4 – 30 fach höheren
Orchidopexie bleibt ein
erhöhtes Risiko bestehen. Eine X – chromosomal mütterlicherseits vererbte Mutation im Gen
TGCT1 bringt sogar ein 50fach höheres Erkrankungsrisiko mit sich. Weitere Risikofaktoren
sind kalorienreiche Ernährung im Kindesalter, mütterlicher Nikotinkonsum vor/während der
Schwangerschaft, Hodentraumata.
Pathologie:
In 95 % der Fälle sind die Tumoren maligne, maligne Vorstufe ist die TIN (testikuläre
intraepitheliale Neoplasie) mit einer fast 100 %igen Entartungswahrscheinlichkeit. Wiederum
95 % der malignen Tumoren gehen von den Keimzellen aus, sogenannte germinative
Hodentumoren. Diese lassen sich in Seminome (50 % d. F.) und Nichtseminome
(Teratokarzinome, embryonale Karzinome, Chorionkarzinome) unterteilen. Die nicht
germinativen Hodentumoren (= gonadale Stromatumoren) machen 4 % der malignen
Hodentumoren aus. Hierzu zählen LEYDIG – Zelltumor, SERTOLI – Zelltumoren,
Granulosazelltumoren. Sie sind oft nur niedrig maligne. Die Metastasierung erfolgt fast
ausschließlich lymphogen in die paracavalen, paraaorta
retroperitonealen Lymphknoten.
Die erste LK – Station liegt am Abgang der Nierengefäße. Eine Ausnahme hinsichtlich der
Metastasierung stellen die Chorionkarzinome dar, die primär hämatogen in Lunge und Gehirn
metastasieren.
Klinik:
-
schmerzlose einseitige Hodenvergrößerung
44
-
Schweregefühl im Skrotum
-
ziehende Schmerzen im Samenstrang durch die Gewichtszunahme des Hodens
-
Rückenschmerzen bei mögl. retroperitonealen Metastasierung
-
Gynäkomastie
Diagnostik:
Klinische Untersuchung mit der Frage einer Verhärtung am Hoden.
Sonographie: Tumor meist echoärmer als Hodengewebe, oder gemischt echoreich/echoarm.
Mikrokalzifikationen.
Laborchemisch, zur Prognose und Verlaufskontrolle, sollten präoperativ bestimmt werden: ß
– HCG (HWZ 24h), AFP (HWZ 5 – 7 d), LDH.
Staging und Metastasenausschluss mittels CT od. MRT von Thorax und Abdomen.
Therapie:
Jeder solide Tumor mit Malignitätsverdacht sollte operiert werden.
-
Orchiektomie (Semikastration, Ablatio testis), inguinaler Zugang, Samenstrang +
Hodenentfernung. CAVE: bei skrotalem Zugang Eröffnung eines anderweitigen
Lymphabflussgebietes, so dass dann im Verlauf auch inguinale LK-Metastasen
auftreten können.
-
Bei CIS und Tumoren < 2 cm ist eine reine Tumorexzision vertretbar. (postop.
Radiatio)
-
Zum Ausschluss einer TIN der Gegenseite grundsätzlich kontralaterale Hodenbiopsie
Abhängig vom Tumortyp und Stadium sind postoperativ we
re Maßnahmen wie
Nachbestrahlung und Polychemotherapie sowie ggf. eine operati
Entfernung von
Metastasen indiziert.
Prognose: Seit Einführung der cisplatinbasierten Polychemotherapie sehr gut. Die 5 JÜR
aller Hodentumoren liegt bei 93 %
45
Harnblasenkarzinom
Harnblasenkarzinome sind in 95 % der Fälle Urothelkarz
überwiegend mit papillärem
Wachstumsmuster mit mehr als 8 übereinander liegenden
ellschichten. Selten treten
Plattenepithelkarzinome und Adenokarzinome z. B. Urachuskarzinome auf (5 %).
Häufigkeitsgipfel liegt im 5. - 6.
3 % aller bösartigen Tumore sind Harnblasenkarzinome,
Lebensjahrzehnt, Männer sind 3mal häufiger betroffen als Frauen.
Ätiologie:
Größter Risikofaktor ist das Rauchen mit einem bis zu
höheren Risiko. Zwischen
Einwirkung der Kanzerogene und Tumorentstehung wird eine Latenzzeit von > 10 – 20 Jahre
angenommen. Bestimmte Berufsgruppen, z.B. aus der chemischen, gummiverarbeitenden,
Farb-/Druck-/Textilindustrie u.a., mit Kontakt zu aromatischen Aminen, haben ein teilweise
200fach höheres Risiko. Weitere Risikofaktoren sind chronische Zystitiden, Bilharziose,
Cyclophosphamid
und
vorangegangene
Radiatio
im
kleinen
Becken
(insb.
bei
Zervixkarzinom).
TNM-Klassifikation
T/pT Beschreibung des P rimärtumors
T0
Kein Anhalt für Primärtumor
Tis
Carcinoma in situ: "flacher Tumor", d.h. nicht exophytisch, nicht infiltrativ
Ta
exophytisch, nicht infiltrativ
T1
Invasion in die Lamina propria
T2
Tumor infiltriert Muskulatur
T2a
Tumor infiltriert oberflächliche Muskulatur (innere Hälfte)
T2b Tumor infiltriert tiefe Muskulatur (äußere Hälfte)
T3
Tumor infiltriert perivesikales Gewebe
T3a
mikroskopisch
T3b makroskopisch
T4
Invasion in Nachbarorgane
T4a
Prostata, Uterus, Vagina
T4b Bauch- oder Beckenwand
TX
Angaben zur Infiltration können nicht gemacht werden
46
Regionäre Lymphknoten sind die iliakalen und pelvinen Lymphknoten unter der Bifurkation der A.
ilica communis.
N
Regionäre Lymphknoten
NX
Regionäre LK können nicht beurteilt werden
N0
Kein Anhalt für regionäre LK
N2
Metastase in solitären KK >2 cm, aber <5 cm in größter Ausdehnung oder multiple LKn,
keiner mehr als 5 cm
N3
Metastasen in LK's >5 cm in größter Ausdehnung
Fernmetastasen finden sich vor allem in Lunge, Leber und Knochen
Klinik:
-
schmerzlose Hämaturie ist das typische Erstsymptom
-
zystitische und dysurische Beschwerden können ein Karzinom maskieren
-
später Flankenschmerz, Gewichtsabnahme, Anämie
Diagnostik:
-
Anamnese und klinische Untersuchung (seit wann Blut im
in? Bimanuelle
Tastuntersuchung)
-
Urin: Blutnachweis. Jede Makrohämaturie ist tumorverdächtig!!, aber auch jede
Mikrohämaturie sollte kontrolliert und ggf. weiter abgeklärt werden
-
Sonographie bei gefüllter Blase
-
Zystoskopie: obligat bei jeder schmerzlosen Hämaturie
-
Ausscheidungsurogramm
zum
Ausschluss
einer
tumorbedingten
Harnabflussverzögerung und eines Primär-bzw. eines Zweittumors im oberen
Harntrakt
-
CT / MRT
Therapie:
Bei Verdacht auf einen Blasentumor ist prinzipiell primär die Zystoskopie und Resektion des
Tumors inkl. Proben der Randbereiche und des Tumorgrun
rt.
47
Je nach histologischem Befund muss dann über das weitere Vorgehen entschieden werden.
Hierzu kommen
Chemotherapeutika
neben
und
der Nachsorge Instillationstherapien
Immuntherapeutika
zur
mit
Rezidivprophylaxe
lokal wirksamen
sowie
operative
Maßnahmen in Betracht.
pTa, G1 Erstbefund: Nachsorge
pTa, G1 Rezidiv: Mitomycininstillation
pTa, G2: transurethrale Nachresektion und nachfolgend Mitomycininstillation
pT1, G1 -2: transurethrale Nachresektion und nachfolgend Mitomycininstillation
pTa/pT1, G3: Nachresektion und n achfolgend BCG-Instillation
pT2: Zystektomie
lokale Instillation von Chemotherapeutika (Mitomycin, Adriamycin, Epirubicin)
lokale Instillation von BCG (Bacille-Calmette-Guérin) = Lebend -Impfstoff gegen TBC
Mehrfache Wiederholung der Instillationen über 6 Mon. bei Chemotherapie und lebenslang
bei BCG. 46
Radikale Zystektomie, Harnblase + distale Ureteren, Prostata und Samenbläschen bzw.
Uterus und 2/3 der Urethra. Lymphadenektomie. Im Anschluss an die radikale Zystektomie
erfolgt noch eine Harnableitungs – OP:
kontinente Harnableitung:
-
Harnleiterdarmimplantation
-
Neoblase (Darmblasenanschluss an die Harnröhre)
-
Pouch: Darmblasenanschluss an die Haut mit zu katheter ierendem Stoma
inkontinente Harnableitung:
-
Harnleiter – Haut – Fistel
-
Ileum Conduit: ständig Urinbeutel erforderlich
Eine Radiatio verbessert die Prognose nicht!
Prognose:
5 JÜR aller Harnblasenkarzinome bei Männern 78 % und bei Frauen 63 %.
48
Herunterladen