MDK Baden-Württemberg Ahornweg 2 77933 Lahr SEG 4 Begutachtung des OPS-Komplexkodes 8-918 Multimodale Schmerztherapie Ergänzender Begutachtungsleitfaden als Anlage zum Begutachtungsleitfaden DRG SEG 4 Sozialmedizinische Expertengruppe 4 „Vergütung und Abrechnung“ der MDK-Gemeinschaft November 2012 Begutachtung des OPS 8-918 Multimodale Schmerztherapie Mitglieder der SEG 4-Arbeitsgruppe Schmerztherapie (in alphabetischer Reihenfolge): Frau Dr. med. Sabine Antonioli Fachärztin für Anästhesie Chirotherapie, Spezielle Schmerztherapie MDK Sachsen Herr Dr. med. Martin Gerards (M.A.) Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie MDK Nordrhein ab 01.09.2012 SMD Knappschaft-Bahn-See Frau Dr. med. Constance Mitsch Ärztin für Anästhesiologie MDK Berlin-Brandenburg Herr Dr. med. Günter Seibold Facharzt für Innere Medizin MDK Bayern Frau Dr. med. Frauke Tappmeyer Fachärztin für Anästhesiologie Spezielle Schmerztherapie MDK Nord Die Inhalte dieses ergänzenden Begutachtungsleitfadens wurden konsentiert mit folgenden Vertretern des Berufsverbandes der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland (BVSD e.V.): Herr Dr. med. Bernhard Arnold Klinikum Dachau BVSD-Präsidium Herr Dr. med. Hubertus Kayser Praxis Dr. Auerswald & Partner Bremen BVSD-Präsidium Herr Olaf Klünder Praxis Dr. Auerswald & Partner Bremen BVSD-Mitglied SEG 4 „Vergütung und Abrechnung“, MDK Baden-Württemberg, November 2012 Seite 2 von 11 Begutachtung des OPS 8-918 Multimodale Schmerztherapie Präambel Im Juli 2011 beschloss die Sozialmedizinische Expertengruppe „Vergütung und Abrechnung“ der MDK-Gemeinschaft (SEG 4) die Bildung einer Arbeitsgruppe, um einen fachlichen Austausch mit Vertretern des Berufsverbandes der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland (BVSD e.V.) zum OPS 8-918 Multimodale Schmerztherapie vorzubereiten. Ziel des fachlichen Austausches war die Erarbeitung gemeinsamer Positionen hinsichtlich der Indikationen für eine vollstationäre multimodale Schmerztherapie, der Voraussetzungen zur Leistungserbringung und Kodierung des OPS 8-918 sowie der sozialmedizinischen Begutachtung durch die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK). Die gemeinsam erarbeiteten Positionen werden durch die SEG 4 allen Gutachtern der Medizinischen Dienste als ergänzender Begutachtungsleitfaden zur Verfügung gestellt. Auch die Kostenträger (gesetzliche Krankenkassen) erhalten Zugang zu diesem Dokument. Die Vertreter des BVSD stellen die gemeinsam erarbeiteten Positionen den Leistungserbringern (Krankenhäusern) zur Verfügung. Einführung Weder die Behandlung noch die sozialmedizinische Begutachtung eines Patienten mit einer chronischen Schmerzerkrankung kann standardisiert anhand eines „einheitlichen Schemas“ erfolgen. Die komplexe Thematik erfordert eine differenzierte und individuelle Beurteilung des betroffenen Patienten und auch des therapeutischen Gesamtkonzeptes durch den Gutachter. Im begründeten Einzelfall kann gegebenenfalls das Abweichen von konsentierten Positionen fachlich notwendig werden. Dieser Begutachtungsleitfaden gibt Hinweise zur Beurteilung der Notwendigkeit einer vollstationären multimodalen Schmerztherapie sowie zu ausgewählten Kriterien des OPS 8-918 (Struktur- und Leistungsmerkmale). Nicht möglich ist das Aufstellen harter Kriterien dafür, welche Patienten und welche Fallkonstellationen eine vollstationäre Behandlung mit multimodaler Schmerztherapie benötigen. Diese Entscheidung kann immer nur individuell – in Abhängigkeit vom Patienten und den geplanten / durchgeführten Maßnahmen – durch den Krankenhausarzt getroffen und durch den MDK-Gutachter beurteilt werden. Durch den Gutachter des MDK ist bei vorliegendem Auftrag der Krankenkasse zu prüfen, ob das Behandlungsziel nur durch vollstationäre Krankenhausbehandlung erreicht werden konnte (§ 39 SGB V). Eine Besonderheit stellen durch den Gutachter des MDK zu beurteilende Fallkonstellationen dar, bei denen die Aufnahme in das Krankenhaus unter Verweis auf das Fehlen geeigneter ambulanter oder teilstationärer Versorgungsstrukturen erfolgt ist. Der Gutachter des MDK beurteilt aus ex ante-Sicht des Krankenhausarztes anhand des individuellen Gesundheitszustandes des Patienten, ob das Behandlungsziel nur durch vollstationäre Therapie erreicht werden konnte. Bestand aus medizinischer Sicht des Gutachters eine Alternative zu vollstationärer Behandlung, die jedoch aus anderen Gründen (z.B. organisatorische Probleme, Unterversorgung) nicht genutzt werden konnte, gibt der Gutachter in seiner Stellungnahme die vom Krankenhaus geschilderten Gründe wertfrei an die beauftragende Krankenkasse weiter. Die Krankenkasse kann somit ihre leistungsrechtliche Entscheidung auf der Basis der medizinischen Empfehlungen und weiterer Hinweise des Gutachters treffen. SEG 4 „Vergütung und Abrechnung“, MDK Baden-Württemberg, November 2012 Seite 3 von 11 Begutachtung des OPS 8-918 Multimodale Schmerztherapie Definition der multimodalen Schmerztherapie OPS 8-918 Multimodale Schmerztherapie definiert eine „interdisziplinäre Behandlung“. Hierunter ist eine multidisziplinäre integrative Behandlung zu verstehen, bei der alle Therapeuten in das Team integriert sind und in deren Mittelpunkt der Patient steht. Mehrere Therapeuten verschiedener Fachdisziplinen („multidisziplinär“) arbeiten nicht nur „gleichzeitig am selben Patienten“, sondern eng untereinander vernetzt gemeinsam mit dem Patienten. Die „Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) Kreuzschmerz“ führt zur multimodalen Schmerztherapie aus: „Definition Multimodale Behandlung und Rehabilitation sind Therapieformen, bei denen verschiedene Bausteine auf der Grundlage eines strukturierten interdisziplinären Assessments inhaltlich und zeitlich abgestimmt auf die individuellen Bedürfnisse kombiniert werden. Sie bestehen aus medizinischen (Pharmakotherapie, Edukation), physischen (Bewegungstherapie), berufsbezogenen und verhaltenstherapeutischen Komponenten. Inhalte Multimodale Behandlungskonzepte sind durch ein multiprofessionelles Vorgehen unter einem übergeordneten integrativen Konzept der funktionalen Wiederherstellung auf verschiedenen Ebenen charakterisiert. Auch die vorwiegend körperlich orientierten Behandlungsteile folgen dabei einer verhaltenstherapeutischen Ratio, nach der die Steigerung der Kontrollfähigkeit und des Kompetenzgefühls der Betroffenen in den Vordergrund der therapeutischen Bemühungen gestellt wird.“ Hinweise zur Begutachtung der Indikation zur vollstationären Aufnahme Eine Indikation für multimodale Schmerztherapie besteht bei chronischen Schmerzzuständen, jedoch nicht bei akutem Schmerz. Abzugrenzen von akutem Schmerz ist die akute Exazerbation eines chronischen Schmerzes – hier kann eine multimodale Schmerztherapie indiziert sein. Das Erstellen einer „Positivliste für Indikationen“ ist aus fachlicher Sicht nicht möglich. Der Zeitpunkt einer drohenden, eintretenden oder bereits eingetretenen Chronifizierung ist patientenindividuell, es kann keine starre Zeitgrenze definiert werden. In bestimmten patientenindividuellen Konstellationen kann bereits nach 6 Wochen eine multimodale Schmerztherapie indiziert sein (psychosoziale und somatische Risikofaktoren für eine Chronifizierung siehe z.B. NVL Kreuzschmerz). Anhaltspunkte für eine Chronifizierung liegen z.B. in folgenden Konstellationen vor: - seit mehr als 6 Wochen bestehende Arbeitsunfähigkeit - psychosoziale Veränderungen - Empfinden des Schmerzes als Beschwerde mit eigenständigem Krankheitswert - Fehlschlag ambulanter Therapie - Fehlschlag interventioneller/operativer Maßnahmen Es handelt sich hierbei um eine beispielhafte, nicht abschließende Nennung von Anhaltspunkten; nicht um obligate Voraussetzungen zur Feststellung einer Chronifizierung. SEG 4 „Vergütung und Abrechnung“, MDK Baden-Württemberg, November 2012 Seite 4 von 11 Begutachtung des OPS 8-918 Multimodale Schmerztherapie Die vollstationäre Durchführung einer multimodalen Schmerztherapie ermöglicht die Behandlung mit einem multimodalen Konzept bei Patienten mit - Begleiterkrankungen, die eine Überwachung mit den Mitteln des Krankenhauses erfordern - Einschränkungen und Behinderungen, die eine intensive und umfassende ambulante Behandlung nicht zulassen (z.B. eingeschränkte Mobilität, limitierte Leistungsfähigkeit, eingeschränkte koordinative Fähigkeiten) erforderlicher Intensivierung der Therapie (z.B. bei Komplexem regionalem Schmerzsyndrom = Complex regional pain syndrome / CPRS) - akuter Exazerbation bei chronischem Schmerz (z.B. chronischer Kreuzschmerzpatient mit akutem Bandscheibenvorfall) - parallel zur multimodalen Schmerztherapie erforderlicher Diagnostik oder Therapieeinleitung (z.B. wegen spezifischer Nebenwirkungen einer medikamentösen Neueinstellung mit Überwachungsnotwendigkeit) - erforderlicher komplexer Diagnostik zur Erstellung eines langfristigen Behandlungsplanes. Eine Vorstellung bei einem Schmerztherapeuten – gegebenenfalls ambulant im aufnehmenden Krankenhaus – soll im Vorfeld der vollstationären Aufnahme bereits stattgefunden haben. Ziel dieser Vorstellung ist es festzustellen, ob eine stationäre multimodale Schmerztherapie indiziert ist und ob ambulante Behandlungsalternativen ausgeschöpft sind. Der Zeitpunkt der Vorstellung ist für die Begutachtung nicht relevant. Die Indikation kann auch in kurzem zeitlichem Abstand vor der Aufnahme durch den erstmalig konsultierten Schmerztherapeuten gestellt werden, wenn die bisherige Therapie in den Händen eines Arztes ohne schmerztherapeutische Ausbildung lag. Bei Vorliegen eines Notfalls kann die Aufnahme zur stationären multimodalen Schmerztherapie ohne vorherige schmerztherapeutische Vorstellung indiziert sein. Vorliegen soll zum Zeitpunkt der Aufnahme eine aussagefähige ärztliche Schmerzdiagnostik bzw. patientenseitige Schmerzdokumentation (z.B. anhand des „Deutschen SchmerzFragebogens“ der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS)). Liegen nachvollziehbare Gründe (z.B. Alter, Notfall) dafür vor, dass durch den Patienten keine Schmerzdokumentation geführt wurde, stellt dies kein Ausschlusskriterium für die Durchführung einer multimodalen Schmerztherapie dar. Folgende Kriterien stellen positive Hinweise für die Indikation zur multimodalen Schmerztherapie bei entsprechenden Beschwerden dar: - eine Schmerzdokumentation durch den Patienten oder Arzt liegt vor - eine Vorstellung beim Schmerztherapeuten hat bereits stattgefunden es besteht eine patientenseitige Motivation Fachlich nicht begründet sind Forderungen, dass vor der Indikationsstellung zur Multimodalen Schmerztherapie bereits - eine „invasive Therapie“ des Schmerzes durchgeführt worden sein muss, - die Schmerztherapie nach „WHO-Stufenschema“ ausgereizt sein muss, eine Therapie mit Opioiden durchgeführt worden sein muss (Indikationen und Kontraindikationen siehe S3-Leitlinie „Langzeitanwendung von Opioiden bei nicht tumorbedingten Schmerzen / LONTS“). SEG 4 „Vergütung und Abrechnung“, MDK Baden-Württemberg, November 2012 Seite 5 von 11 Begutachtung des OPS 8-918 Multimodale Schmerztherapie Ebenfalls fachlich nicht begründet ist die Forderung, dass bei Indikationsstellung zur multimodalen Schmerztherapie ein bestimmtes Stadium der Chronifizierung (Stadieneinteilung nach Gerbershagen) erreicht sein muss. Die Indikation zur Durchführung einer multimodalen Schmerztherapie bei Kopfschmerzpatienten wird durch die Schmerztherapeuten in der MDK-Gemeinschaft unterschiedlich beurteilt. Beispiele für bestehende Indikationen sind: - chronische Migräne - chronischer Spannungskopfschmerz (> 15 Tage/Monat, psychosoziale Auswirkungen z.B. häufige Arbeitsunfähigkeit) - posttraumatischer Kopfschmerz - trigeminoautonomer Kopfschmerz - fehlgeschlagener ambulanter Entzugsversuch - geplanter Opioidentzug Zur Beurteilung durch den Gutachter des MDK gelangen auch Fälle, bei denen Patienten mit somatoformer Schmerzstörung mittels multimodaler Schmerztherapie behandelt wurden. Die Behandlung einer somatoformen Schmerzstörung kann sowohl in der Psychosomatik, als auch mittels multimodaler Schmerztherapie bei Vorliegen eines entsprechenden integrativen Konzeptes erfolgen. Der Behandlung in der Psychosomatik ist dem Grunde nach der Vorzug zu geben. Jedoch steht dem häufig entgegen, dass der Patient auf Grund seiner Selbstwahrnehmung („ich habe ein körperliches, keinesfalls ein psychisches Problem“) eine psychosomatische Therapie verweigert. Um für diese Patienten eine zielgerichtete psychosomatische Behandlung zu bahnen, kann eine multimodale Schmerztherapie erforderlich sein. Hat der Gutachter des MDK zu prüfen, ob bei einem Patienten mit somatoformer Schmerzstörung und durchgeführter multimodaler Schmerztherapie das Behandlungsziel nur durch vollstationäre Krankenhausbehandlung erreicht werden konnte, sind bei der Beurteilung die gleichen Kriterien wie bei anderen Schmerzpatienten anzulegen. Hinweise zur „Beurlaubung“ bei vollstationärer Therapie: Die Fallpauschalenvereinbarung 2012 führt in § 1 Abs. 7 aus: „Vollständige Tage der Beurlaubung sind gesondert in der Rechnung auszuweisen und zählen nicht zur Verweildauer. Eine Beurlaubung liegt vor, wenn ein Patient mit Zustimmung des behandelnden Krankenhausarztes die Krankenhausbehandlung zeitlich befristet unterbricht, die stationäre Behandlung jedoch noch nicht abgeschlossen ist.“ Eine Beurlaubung ist aus fachlicher Sicht im Regelfall nicht mit den Merkmalen einer stationären Krankenhausbehandlung vereinbar. Zu beachten sind die diesbezüglichen Festlegungen der jeweiligen Landesverträge gemäß § 112 SGB V, die Ausnahmen in unterschiedlichem Umfang definieren. Findet während einer Behandlung eine regelmäßige Beurlaubung an den Wochenenden („Tage ohne Berechnung“ in der Therapiepause) statt, so ist zu prüfen, ob eine teilstationäre Therapie möglich und ausreichend gewesen ist. Ergeben sich aus dem jeweiligen Landesvertrag gemäß § 112 SGB V keine Ausschlüsse und erfordert der Gesundheitszustand des Patienten ausschließlich an Therapietagen die vollstationäre Überwachung und Behandlung im Krankenhaus, kann im Ergebnis der Prüfung durch den Gutachter des MDK die Beurlaubung an Wochenendtagen sinnvoll sein. Die Schlussfolgerung, dass ab dem Zeitpunkt einer Beurlaubung per se keine stationäre Behandlungsnotwendigkeit mehr bestanden hat (unabhängig von der Wiederaufnahme der Therapie), ist nicht gerechtfertigt. SEG 4 „Vergütung und Abrechnung“, MDK Baden-Württemberg, November 2012 Seite 6 von 11 Begutachtung des OPS 8-918 Multimodale Schmerztherapie Hinweise zur Begutachtung ausgewählter Kriterien des OPS 8-918 OPS-Kriterium „manifeste oder drohende Beeinträchtigung der Lebensqualität und/oder der Arbeitsfähigkeit“ Der Nachweis dieses Kriteriums ist obligater Bestandteil des Assessments bei Aufnahme. Belegt wird das Kriterium durch aussagekräftige Aufzeichnungen, z.B. im „MIDASFragebogen“ oder im „SF-36“. Alternativ ist die konkrete Angabe ausreichend, seit wann Arbeitsunfähigkeit besteht. Nicht gerechtfertigt ist eine Ablehnung der Indikation zur multimodalen Schmerztherapie allein mit der Begründung, dass der Patient arbeitslos bzw. zu alt sei oder dass bereits ein Rentenantragsverfahren eingeleitet wurde. OPS-Kriterium „Fehlschlag einer vorherigen unimodalen Schmerztherapie, eines schmerzbedingten operativen Eingriffs oder einer Entzugsbehandlung“ Durch das Krankenhaus muss dargelegt werden, welche ambulanten Behandlungen des Schmerzes im Vorfeld der Krankenhausaufnahme stattfanden. Hierfür ist die gründliche Erhebung der diesbezüglichen Anamnese ausreichend. Geeignet ist auch ein aussagekräftig ausgefüllter „Selbstauskunftsbogen“ des Patienten vom Aufnahmezeitpunkt. Kopien ambulanter Behandlungsunterlagen müssen nicht vorliegen. Die Verabreichung einer Kombination verschiedener Schmerzmedikamente im Vorfeld der Aufnahme kann nach dem Wortlaut des OPS 8-918 formal nicht gefordert werden. Das grundsätzliche Vorliegen einer Medikamentenabhängigkeit kann nach dem Wortlaut des OPS 8-918 („oder“) formal nicht gefordert werden. Die Forderung des Nachweises invasiver Vortherapien ist fachlich nicht begründet. Invasive Therapien sind bei vielen Patienten mit chronischem Schmerz sogar kontraindiziert, z.B. beim Vorliegen einer Fibromyalgie. OPS-Kriterium „bestehende(r) Medikamentenabhängigkeit oder -fehlgebrauch“ Eine nachvollziehbare anamnestische Dokumentation des Fehlgebrauchs ist erforderlich. Diese umfasst eine eindeutig dokumentierte und aussagekräftige ärztliche Exploration/Diagnosenfindung sowie eine ausführliche Medikamenten-, Abusus- und Suchtanamnese. Die unkoordinierte Verschreibung verschiedener Medikamente durch unterschiedliche Ärzte kann ein Hinweis auf einen Medikamentenfehlgebrauch darstellen, beweist diesen aber nicht. In der vorliegenden Dokumentation muss klar werden, ob die verschriebenen Medikamente auch eingenommen wurden. OPS-Kriterium „schmerzunterhaltende psychische Begleiterkrankung“ F45.41 Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren kann nicht gleichzeitig Hauptdiagnose und „schmerzunterhaltende psychische Begleiterkrankung“ sein. Als Begleiterkrankung kann nur eine Erkrankung anerkannt werden, die neben der Hauptdiagnose (Diagnose, die nach Analyse hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes verantwortlich war) besteht. SEG 4 „Vergütung und Abrechnung“, MDK Baden-Württemberg, November 2012 Seite 7 von 11 Begutachtung des OPS 8-918 Multimodale Schmerztherapie Bei F45.41 Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren handelt es sich – obwohl die Erkrankung im ICD-10-GM-Verzeichnis dem Kapitel V (Psychische und Verhaltensstörungen) zugeordnet wurde – nicht um eine primär psychische Erkrankung, sondern um die im Jahr 2009 neu aufgenommene Möglichkeit der differenzierten Abbildung einer bestehenden Schmerzerkrankung. Hinweis zur Anwendung der Speziellen Kodierrichtlinie 1806g „Schmerzdiagnosen und Schmerzbehandlungsverfahren – Chronischer/therapieresistenter Schmerz/Tumorschmerz“ auf Fälle, in denen das Krankenhaus als Hauptdiagnose F45.41 Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren kodiert hat: „Wird ein Patient speziell zur Schmerzbehandlung aufgenommen und wird ausschließlich der Schmerz behandelt, ist der Kode für die Lokalisation des Schmerzes als Hauptdiagnose anzugeben. Dies gilt auch für den Tumorschmerz. Die zu Grunde liegende Erkrankung ist analog zu DKR D002 Hauptdiagnose (Seite 4) Absatz „Zuweisung eines Symptoms als Hauptdiagnose“ als Nebendiagnose zu kodieren.“ Im Falle der Durchführung einer multimodalen Schmerztherapie bei Patienten mit F45.41 Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren wird zwar „der Schmerz“ behandelt, aber ganzheitlich in seiner Komplexität als multifaktorielles Geschehen (inkl. psychischer Faktoren), das zur Unterhaltung, Ausprägung und Exazerbation des Schmerzes geführt hat. Bei Vorliegen von F45.41 Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren ist die psychische Komponente für die Aufrechterhaltung des Schmerzes maßgeblich, und diese nimmt auch in der Behandlung eine Schlüsselstellung ein. Die überwiegende Zahl der Patienten mit dieser Erkrankung gibt mehr als eine Lokalisation des Schmerzes an. Die Lokalisation ist darüber hinaus nicht immer punktgenau zu bestimmen, sondern lässt sich gegebenenfalls nur grob einer anatomischen Region zuordnen. Bei Vorliegen von F45.41 Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren muss sich der Einfluss psychischer Problematiken auf das Schmerzgeschehen aus der Dokumentation – insbesondere des psychotherapeutischen Erstgespräches – ableiten lassen. Die Festlegung in der Speziellen Kodierrichtlinie 1806g, die „Lokalisation des Schmerzes“ als Hauptdiagnose anzugeben, ist auf Patienten mit F45.41 Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren nicht anzuwenden, da nicht ausschließlich dieser (lokalisierte) Schmerz behandelt wird. Die in der Speziellen Kodierrichtlinie aufgeführten Beispiele zielen auf den (lokalisierten) Schmerz ohne aufrechterhaltende psychische Faktoren. Zur Anwendung kommt daher die Allgemeine Kodierrichtlinie D002f „Hauptdiagnose“, wonach diejenige Diagnose zu verschlüsseln ist, die nach Analyse hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes verantwortlich war. OPS-Kriterium „gravierende somatische Begleiterkrankung“ Eine „gravierende somatische Begleiterkrankung“ ist eine Erkrankung, die eine Überwachung mit den besonderen Mitteln des Krankenhauses (ständige Arztpräsenz mit Interventionsbereitschaft) während der multimodalen Schmerztherapie erfordert. Hierbei kann es sich beispielhaft um eine somatische Erkrankung handeln, deren Beschwerden durch die multimodale Schmerztherapie negativ beeinflusst werden (z.B. Diabetes mit Entgleisungsgefahr, Herzinsuffizienz mit Dekompensationsgefahr). Die Begleiterkrankung muss nicht so gravierend sein, dass sie per se bereits die Krankenhausaufnahme erfordert. Beispielsweise kann unter multimodaler Schmerztherapie bei einem Patienten mit Herzklappenfehler und Herzinsuffizienz im Stadium NYHA II Dekompensation drohen. Eine ausschließliche Anerkennung vollstationärer Behandlungsbedürftigkeit bei höhergradiger Herzinsuffizienz (NYHA III/IV) ist daher nicht gerechtfertigt. Bei schwerer SEG 4 „Vergütung und Abrechnung“, MDK Baden-Württemberg, November 2012 Seite 8 von 11 Begutachtung des OPS 8-918 Multimodale Schmerztherapie Ausprägung verhindert eine vorliegende Begleiterkrankung sogar die Durchführung einer multimodalen Schmerztherapie. Die Behandlung mit multimodaler Schmerztherapie unter vollstationären Bedingungen ist auch medizinisch begründet bei Erkrankungen mit fortgeschrittenem Mobilitätsdefizit und Hilfsmitteleinsatz, schwerwiegenden neurologischen Defiziten, immundefizitären und konsumierenden Erkrankungen sowie Hirnabbauprozessen. Beim Vorliegen von Hirnabbauprozessen ist zu beachten, dass bei stark eingeschränkter Kognition in der Regel keine multimodale Schmerztherapie indiziert ist. Eine Ausnahme besteht, wenn eine nachvollziehbare Therapiestrategie zur Umsetzung der angestrebten Verhaltensänderung dargestellt wird (z.B. gesteigerte körperliche Aktivität im Alltag) – gegebenenfalls auch unter Nutzung pflegerischer Begleitung. OPS-Kriterium „… sowie die gleichzeitige Anwendung von mindestens drei der folgenden aktiven Therapieverfahren: Psychotherapie, Physiotherapie, Entspannungsverfahren, Ergotherapie, medizinische Trainingstherapie, sensomotorisches Training, Arbeitsplatztraining, künstlerische Therapie (Kunst- oder Musiktherapie) oder sonstige übende Therapien. Die Therapieeinheiten umfassen durchschnittlich 30 Minuten.“ Die geforderte Mindestdauer von 30 Minuten für eine Therapieeinheit muss – wie vom OPSText vorgegeben – durchschnittlich erreicht werden, d.h. es handelt sich nicht um eine Mindestforderung von „täglich mindestens 30 Minuten“. Im Rahmen der Behandlungsplanung erfolgt die individuelle Zusammenstellung der Therapieverfahren, da nicht bei jedem Patienten alle drei Therapiebereiche (bio-psycho-sozial) gleichermaßen betroffen sein müssen. In der Behandlung wird Gewicht auf unterschiedliche Schwerpunkte gelegt. Eine Forderung nach täglicher Anwendung von drei verschiedenen Therapien ist aus dem Text des OPS formal nicht ableitbar und daher nicht gerechtfertigt. Die eingesetzten Therapieverfahren müssen aktiv, übend sein, d.h. passive Verfahren wie physikalische Therapie sind nicht den Therapieeinheiten hinzuzurechnen. Die Therapieeinheiten sind konsistent und vollständig zu dokumentieren. Ein „Gegenzeichnen der Therapien durch den Patienten“ als Beweis für die Erbringung kann nicht gefordert werden. OPS-Kriterium „Der Kode umfasst weiter die Überprüfung des Behandlungsverlaufs durch ein standardisiertes therapeutisches Assessment, …“ Notwendig ist eine regelmäßige Dokumentation. Die Forderung nach einheitlich zu verwendenden „Bögen/Formularen“ ist nach dem Text des OPS 8-918 formal unzulässig. Der Verlauf der Behandlung beim konkreten Patienten muss nachvollziehbar dokumentiert sein durch eine behandlungstägliche Dokumentation von Veränderungen, entsprechend eingeleiteten Maßnahmen, Zielen und gegebenenfalls Korrekturen des Therapieplanes. In der Zusammenschau muss das Konzept sichtbar werden. SEG 4 „Vergütung und Abrechnung“, MDK Baden-Württemberg, November 2012 Seite 9 von 11 Begutachtung des OPS 8-918 Multimodale Schmerztherapie OPS-Kriterium „… eine tägliche ärztliche Visite oder Teambesprechung …“ Dieses Leistungsmerkmal greift für „Behandlungstage“ im Sinne des OPS 8-918. Ein Tag ohne Visite oder Teambesprechung ist kein Behandlungstag und wird bei der Berechnung der Behandlungstage für den OPS 8-918 nicht herangezogen. (siehe FAQ Nr. 8022 des DIMDI) Eine Forderung nach Durchführung von Visiten an Tagen, die keine Behandlungstage im Sinne des OPS 8-918 sind, ist formal nicht gerechtfertigt. Allerdings ist für Tage ohne Durchführung einer Visite zu prüfen, welche Gründe (z.B. Diagnostik, Überwachung, Therapie) die vollstationäre Behandlung im Krankenhaus erforderten. Die Durchführung einer Visite oder Teambesprechung muss dokumentiert und durch Handzeichen bestätigt sein. Hinweis: Auch Tage, an denen ausschließlich eine Visite oder Teambesprechung durchgeführt worden ist, können als Behandlungstage im Sinne des OPS 8-918 gezählt werden. Die zusätzliche Anwendung eines der im OPS genannten Therapieverfahren ist nicht obligat. OPS-Kriterium „… und eine interdisziplinäre wöchentliche Teambesprechung“ Die Dokumentation einer interdisziplinären wöchentlichen Teambesprechung ist für den Gutachter des MDK nachvollziehbar, wenn folgende Inhalte enthalten sind: Namen der Teilnehmer mit Berufsbezeichnung, Inhalt der Teambesprechung (für alle Teilnehmer einmaliges gemeinsames Ausführen aller Inhalte ausreichend), Handzeichen aller Teilnehmer. Eine Forderung nach isoliertem inhaltlichem Eintrag durch jeden einzelnen Teilnehmer ist nicht gerechtfertigt. Hinweis: Die Dokumentation der Namen der Teilnehmer zusätzlich zu ihrer Berufsbezeichnung ermöglicht die direkte Klärung offener Fragen im Fallgespräch des MDK-Gutachters bei einer Krankenhausbegehung. Hinweis zur Und-Oder-Verknüpfung der Kriterien „Der Kode umfasst weiter die Überprüfung des Behandlungsverlaufs durch ein standardisiertes therapeutisches Assessment, eine tägliche ärztliche Visite oder Teambesprechung und eine interdisziplinäre wöchentliche Teambesprechung“: Die Überprüfung des Behandlungsverlaufs durch ein standardisiertes therapeutisches Assessment und eine interdisziplinäre wöchentliche Teambesprechung sind für die Kodierung des OPS 8-918 obligat zu erbringende Leistungen. Hinsichtlich der täglichen ärztlichen Visite und der Teambesprechung kann das Krankenhaus die geeignete Form der Leistung frei wählen. OPS-Kriterium „Bei Gruppentherapie ist die Gruppengröße auf maximal 8 Personen begrenzt“ Eine multimodale Schmerztherapie wird im Regelfall als Gruppentherapie auf der Basis eines curricularen Programmes durchgeführt. Ausdrückliches Ziel ist es, die positiven Effekte durch Behandlung in der Gruppe zu nutzen. Die Gruppentherapie setzt einen „festgelegten Behandlungsplan“ – wie vom OPS 8-918 gefordert – voraus. Die Ablehnung der Notwendigkeit einzelner Behandlungstage bei einem Patienten, der Teil dieser behandelten Gruppe ist, muss daher als fachlich nicht sinnvoll eingeschätzt werden. SEG 4 „Vergütung und Abrechnung“, MDK Baden-Württemberg, November 2012 Seite 10 von 11 Begutachtung des OPS 8-918 Multimodale Schmerztherapie OPS-Kriterium „Die Anwendung dieses Kodes setzt die Zusatzbezeichnung Spezielle Schmerztherapie bei der/dem Verantwortlichen voraus“ Der für die Behandlungsleitung verantwortliche Arzt muss über die Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“ verfügen. Formal fordert der OPS 8-918 einen Arzt mit dieser Zusatzbezeichnung. Die Forderung nach einem ständigen Vertreter, der ebenfalls die Zusatzbezeichnung führt, ist daher formal nicht zulässig. Ist kein Vertreter mit entsprechender Zusatzbezeichnung vorhanden und benannt, so kann in Zeiträumen der Abwesenheit des Verantwortlichen (z.B. Urlaub, Krankheit) keine Kodierung des OPS 8-918 erfolgen. Der Verantwortliche muss nicht bei jeder Therapie persönlich anwesend sein, muss jedoch die Behandlung des Patienten leiten, z.B. in Form regelmäßiger Visiten und Teilnahme an der Teambesprechung. Formal nicht zulässig ist die Forderung, der Verantwortliche müsse im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses Angestellter des Krankenhauses sein. Auch kann z.B. ein niedergelassener Arzt diese Aufgabe wahrnehmen. Voraussetzung ist dann jedoch, dass entsprechende Regelungen im Vertragsverhältnis zwischen Krankenhaus und Arzt getroffen wurden: Es darf sich nicht um eine reine Konsiltätigkeit handeln. Der Verantwortliche muss mit einer Weisungsbefugnis gegenüber den Krankenhausmitarbeitern ausgestattet sein. OPS-Kriterium „psychiatrische, psychosomatische oder psychologische Disziplin“ Eine kontinuierliche Einbindung psychiatrischen, psychosomatischen oder psychologischen Sachverstandes in die Behandlung muss zwingend vorliegen. Nicht ausreichend zur Erfüllung dieses Kriteriums ist das Einholen eines psychiatrischen Konsils (z.B. zur Diagnostik einer psychischen Begleiterkrankung) oder die Einbindung eines ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten allein zur Durchführung standardisierter Tests (z.B. zur Erfassung von Depressivität oder einer Persönlichkeitsstörung), ohne dass eine Einbindung in die Therapie stattfindet. SEG 4 „Vergütung und Abrechnung“, MDK Baden-Württemberg, November 2012 Seite 11 von 11