Sebastian Stösser Dr. med. Charakterisierung molekularer Tumor-Nerv-Interaktionen bei Krebsschmerz Promotionsfach: Pharmakologie Doktorvater: Prof. Dr. Rohini Kuner Chronische Schmerzen charakterisieren sehr häufig die Spätstadien einer Vielzahl von Krebserkrankungen und schränken die Lebensqualität der Betroffenen maßgeblich ein. Krebsschmerzen haben sowohl eine nozizeptive als auch eine neuropathische Komponente. Ein neues Konzept zur Erklärung der Pathogenese von Krebsschmerzen sind Tumor-Nerv-Interaktionen. Darunter versteht man Wechselwirkungen zwischen nozizeptiven Neuronen und Tumorzellen im Mikromilieu des Tumors über parakrine Mediatoren. Diese Tumor-Nerv-Interaktionen können eine Sensibilisierung oder Erregung nozizeptiver Neurone im Tumorgewebe bewirken und damit zu chronischen Schmerzen führen. Da konventionelle Analgetika bei Krebsschmerzen oft nicht erfolgreich sind, werden neue therapeutische Strategien benötigt. Die Untersuchung von Tumor-Nerv-Interaktionen stellt in diesem Zusammenhang einen hochinteressanten Ansatzpunkt dar und könnte die Identifikation neuer pharmakologischer Zielstrukturen ermöglichen. In dieser Arbeit wurden drei solcher Tumor-Nerv-Interaktionen im Hinblick auf ihren Mechanismus und ihre therapeutische Relevanz am Tiermodell untersucht: die Endotheline, die hämatopoietischen Wachstumsfaktoren G-CSF und GM-CSF sowie der Wnt-Signalweg. Die eingesetzten Tiermodelle basieren auf der Injektion isogener Tumorzellen in den Calcaneus zur Modellierung von Knochenmetastasen-induzierten Schmerzen oder in das Weichgewebe der Hinterpfote zur Modellierung von Weichgewebetumoren. In dieser Arbeit wurde gezeigt, dass die Versuchstiere bei beiden Modellen im Zeitraum weniger Tage reliabel eine mechanische und thermale Hyperalgesie entwickeln. Die beiden Tiermodelle eignen sich somit sehr gut zur Modellierung stimulusinduzierter Krebsschmerzen. Endotheline sind eine der ersten Zielstrukturen zur Behandlung von Krebsschmerzen, die im Tiermodell identifiziert wurden und zur Zeit in klinischen Studien untersucht werden. In dieser Arbeit wurde der genaue Wirkmechanismus auf Rezeptorebene von Endothelinen mittels der genetisch veränderten Mauslinie SNS- ETA–/– untersucht. SNS-ETA–/– Mäuse weisen eine selektive Deletion des ETA Rezeptors in nozizeptiven Neuronen auf. Verhaltensversuche zeigten, dass SNSETA–/– Mäuse eine normale basale nozizeptive Sensibilität haben, aber eine geringere Responsivität für Capsaicin aufweisen. Die Endothelin-1-induzierte Hyperalgesie war bei SNS-ETA–/– Mäusen ebenfalls stark vermindert. In Tiermodellen inflammatorischer und Krebs-assoziierter Schmerzen reduzierte die selektive Deletion des ETA Rezeptors ebenfalls Schmerz-assoziiertes Verhalten. Die Ergebnisse dieser Arbeit unterstreichen somit die therapeutische Relevanz des ETA Rezeptors bei Schmerzen multipler Genese und zeigen, dass hierfür insbesondere ETA Rezeptoren auf nozizeptiven Neuronen entscheidend sind. Die hämatopoietischen Wachstumsfaktoren G-CSF und GM-CSF vermitteln ebenfalls Tumor-Nerv-Interaktionen und Krebsschmerzen. In dieser Arbeit wurde gezeigt, dass G-CSF und GM-CSF periphere Nozizeptoren dosisabhängig sensibilisieren. Die selektive Ausschaltung des GM-CSF-Rezeptors in sensorischen Neuronen mittels eines shRNA-exprimierenden Lentivirus reduzierte die durch Knochenmetastasen induzierte Hyperalgesie im Tiermodell signifikant. Von Tumorzellen freigesetztes GMCSF sensibilisiert somit Nozizeptoren direkt durch Aktivierung des GM-CSFRezeptors. Hämatopoietische Wachstumsfaktoren vermitteln also Tumor-NervInteraktionen mit der Folge von Krebsschmerzen und stellen somit eine viel versprechende Zielstruktur zur Behandlung von Krebsschmerzen dar. Der Wnt-Signalweg wurde in dieser Arbeit als neuer Mediator von Tumor-NervInteraktionen identifiziert. Mittels einer RT-PCR-basierten Expressionsanalyse wurde gezeigt, dass eine Vielzahl von Komponenten des Wnt-Signalwegs in sensorischen Neuronen und dem Verhaltensversuchen Rückenmark eine exprimiert mechanische und wird. Wnt3a thermale induzierte Hyperalgesie. in Die umfangreichen pharmakologischen Untersuchungen dieser Arbeit deuten daraufhin, dass die Wnt3a-induzierte mechanische Hyperalgesie über die Aktivierung des WntRezeptors Fzd3 und nachgeschalteter Aktivierung von Rac1 und JNK vermittelt wird. Die Wnt3a-induzierte thermale Hyperalgesie dagegen wird vermutlich durch Aktivierung des Wnt/β-Catenin-Signalwegs vermittelt. Untersuchungen am Tiermodell zeigten, dass die Blockade des Wnt-Signalwegs mittels der Antagonisten sFRP2/3 bei Krebsschmerzen effektiv ist. Die Untersuchung dieser und weiterer Tumor-Nerv-Interaktionen ist somit eine viel versprechende Strategie zur Behandlung von Krebsschmerzen und hat das Potenzial, die Entwicklung neuer zielgerichteter Therapieformen zu ermöglichen.