MAX-PLANCK-INSTITUT FÜR EXPERIMENTELLE MEDIZIN Pressemitteilung Neue Medikamenten-Entwicklung Das FDA (Food and Drug Administration) in den USA hat am 29. Januar 2013 das Oligonucleotid Kynamro (Handelsname), bis dahin als Mipomersen bekannt, zur Behandlung von Patienten freigegeben. Diese von der Firma ISIS entwickelte Verbindung kann bei Erkrankungen an der Homzygoten Familiären Hypercholesterinämie (HoFH) eingesetzt werden, bei der ein stark erhöhtes Cholesterin vorliegt, was ein erhöhtes Risiko für Gefäßerkrankungen wie Arterieosklerose darstellt. Kynamro ist das erste Oligonucleotid, das für die systemische Verabreichung genehmigt wurde, repräsentiert also einen Durchbruch auf dem Gebiet der Oligonucleotid Medikamente. Da diese Entwicklung zu einer neuen Medikamentenklasse sehr wesentlich auf Pionierarbeiten hier am Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin aufbaut, soll dies hier kurz beschrieben werden. Die Wirkung des Oligonucleotids beruht auf der Antisense Methodik, bei der das Oligonucleotid sequenzspezifisch an die mRNA des Zielgens bindet und diese durch eine RNase geschnitten wird, so dass die Translation in das Protein verhindert wird (Bild). Diese Idee wurde 1978 von P. Zamecnik in den USA entwickelt und erstmals eingesetzt. Allerdings waren die Ergebnisse unbefriedigend und nicht zufriedenstellend reproduzierbar. Erst die Einführung der Phosphorothioat-Modifikation an der Phosphatbrücke brachte den Durchbruch. Dabei wird ein nicht verbrückender Sauerstoff des Phosphats durch einen Schwefel ersetzt. Diese Modifikation hat die Gruppe von Prof. F. Eckstein hier am Institut in den 60-iger Jahren entwickelt. Die Einführung in die Antisense-Methodik ist begründet in einer Arbeit, in der an einem sehr einfachen in vitro System 1968 gezeigt werden konnte, dass die Phosphorothioate den Abbau von Polynucleotiden durch Nucleasen verhindern. In Zusammenarbeit mit T. Merigan an der Stanford University konnte diese Eigenschaft auch auf in vivo Systeme bei der Induktion von Interferon übertragen werden. Auf Grund dieser Nucleasestabilität wurde die Modifikation 1987 von einer Gruppe am National Institute of Health in den USA in die Antisense-Oligonucleotide eingeführt, um ihren Abbau in den Zellen zu verhindern. Dies brachte dann den Durchbruch der Methodik. So tragen alle der ca. 25 z. Zt. in klinischen Phasen sich befindenden AntisenseOligonucleotide und auch mehrere andere diese Phosphorothioat-Modifikation. Obwohl diese Oligonucleotide in Zellkulturen den gewünschten Effekt zeigen, ist die Entwicklung zu einem Medikament damit noch nicht gesichert. So ist besonders die zellspezifische Aufnahme beim Patienten noch mit Problemen behaftet, obwohl auch dabei die Phosphorothioate durch Bindung an bestimmte für den Transport verantwortliche Proteine einen Gewinn gebracht haben. Für das Kynamro erwiesen sich solche Einschränkungen als nicht schwerwiegend. Das Zielgen des Kynamro ist die mRNA des Apolipoproteins B (ApoB). Dieses Protein ist Bestandteil der LDL-C (low density lipoprotein cholesterol) Partikel und ist verantwortlich für die Bindung an den LDL-Rezeptor, der für die LDL Aufnahme in Zellen für den Lipidstoffwechsel verantwortlich ist. Die Rolle des überhöhten ApoB ist wohl folgendermaßen zu erklären: Große Mengen an LDL führen zur Sättigung des Rezeptors und damit zu einer längeren Verweilzeit des nicht gebundenen LDL im Blut, wo es zur Bildung von Plaques kommt und damit zu atherosklerotischen Herzerkrankungen wie dem Herzinfarkt führt. Erniedrigung des ApoB bedingt eine Reduktion des LDL und bewirkt somit eine Verringerung dieses Risikos. Mit diesem ersten klinischen Erfolg der systemischen Verabreichung eines Oligonucleotids mit dem erwünschten gesundheitlichen Effekt wird eine neue Arzneimittelklasse erschlossen. Sie beruht nicht wie die zurzeit verwendeten Medikamente auf der Inaktivierung eines Proteins, sondern setzt mit der Verhinderung der Entstehung eines für die Krankheit verursachenden Proteins schon früher an. Dies sollte wegen seiner Sequenzspezifität mit weniger Nebenwirkungen verbunden sein. Die an unserem Institut vor vielen Jahren erfolgte chemische Modifikation von DNA hat zu diesem Durchbruch wesentlich beigetragen. Die FDA-Genehmigung für das Kynamro wird dem Gebiet der Oligonucleotide mit therapeutischer Zielsetzung wie siRNAs und microRNAs einen lange erhofften Schub versetzen. Kontakt: Prof. Fritz Eckstein Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin Hermann-Rein-Str. 3 37075 Göttingen Tel.: +49-551-3899-274 Fax: +49-551-3899-389 E-mail: [email protected]