Kopfschmerz Christian Wöber Univ.Klinik für Neurologie Blockveranstaltung NEUROLOGIE Systematische Krankheitslehre Leitsymptom Kopfschmerz 95 % der Kopfschmerzen können aufgrund der Anamnese diagnostiziert werden! Leitsymptom Kopfschmerz Diagnostisches Procedere Obligat Anamnese Vitalparameter Klinisch neurologische Untersuchung Fakultativ Weiterführende fachärztliche Begutachtung Apparative Diagnostik Algorithmus: Potentiell bedrohliche KS-Ursachen 1. 2. 3. 4. Ist der Patient < 5 oder > 50 Jahre alt? Sind die KS neu aufgetreten (< 6 Mo)? Setzten die KS äußerst akut ein? Sind die KS assoziiert mit: a. atypischen oder isolierten Symptomen (z.B. Exanthem, morgendliches Erbrechen, etc.) b. Schädeltrauma, Infektion, Hypertonie c. prolongiertem neurologischem Defizit d. Auffälligkeiten im neurologischen Status Bedrohlicher KS bei Patienten mit bekannten primären KS Bei Patienten mit bekannten primären KS erfordern • das Auftreten einer neuen KS-Form, • eine signifikante Änderung der vorbestehenden KS, • progrediente KS, • neue oder atypische Begleitsymptome eine diagnostische Re-Evaluierung. Apparative Diagnostik (i) Keine apparative „Routinediagnostik“ ! Kraniale CT Untersuchung der ersten Wahl zum Ausschluss sekundärer KS Kraniale MRT u.a. bei V. a. Sinusvenethrombose bei Kindern Schädelröntgen obsolet Ausnahme: Z.n. frischer Schädelverletzung Apparative Diagnostik (ii) NNH- und HWS-Rötngen nur bei klarer klinischer Indikation keine Screeningmethoden Nichtinvasive Gefäßdiagnostik Ultraschall KS bei cerebraler Ischämie CT-, MR-Angiographie Ausschluss/Nachweis eines nicht rupturierten Aneurysmas Apparative Diagnostik (iii) Labordiagnostik Elektroenzephalogramm DD: Migräneaura – fokaler Anfall evtl. bei diagnostisch unklaren KS Lumbalpunktion Meningitis, Encephalitis bei V. a. SAB und unauffälligem CT i.a. Angiographie Aneurysmanachweis bei gesicherter SAB Elektive neurologische Begutachtung Sicherung der Diagnose Suspekter klinischer Befund Abklärung nicht eindeutig klassifizierbarer KS Häufige oder progrediente KS Therapierefraktäre KS Kopfschmerzklassifikation ICHD-II, 2004 1. Migräne 1.1 Migräne ohne Aura 1.2 Migräne mit Aura 1.3 Periodische Syndrome der Kindheit 1.4 Retinale Migräne 1.5 Migränekomplikationen 1.6 Wahrscheinliche Migräne Kopfschmerzklassifikation ICHD-II, 2004 2. KS vom Spannungstyp 2.1 2.2 2.2 2.3 Seltener episodischer SK Häufiger episodischer SK Chronischer SK Wahrscheinlicher SK Kopfschmerzklassifikation ICHD-II, 2004 3. Cluster-KS und andere trigeminoautonome KS 3.1 3.2 3.3 3.4 Clusterkopfschmerz Paroxysmale Hemikranie SUNCT Wahrscheinlicher trigemino-autonomer KS Kopfschmerzklassifikation ICHD-II, 2004 4. Andere primäre KS 4.1 Primärer stechender KS 4.2 Primärer Husten-KS 4.3 Primärer KS zurückzuführen auf körperliche Anstrengung 4.4 Primärer KS zurückzuführen auf sexuelle Aktivität 4.5 Schlaf- (Wecker-) KS 4.6 Primärer Donnerschlag-KS 4.7 Hemicania continua 4.8 Primärer täglicher KS Kopfschmerzklassifikation ICHD-II, 2004 5. 6. 7. KS zurückzuführen auf ein Kopf- und/oder Nackentrauma KS zurückzuführen auf eine Störung der kraniozervikalen Gefäße KS zurückzuführen auf eine nicht-vaskuläre intrakranielle Störung 8. KS zurückzuführen auf eine Substanz oder deren Entzug 9. KS zurückzuführen auf eine Infektion Kopfschmerzklassifikation ICHD-II, 2004 10. KS zurückzuführen auf eine Störung der Homöostase 11. KS oder Gesichtsschmerz zurückzuführen auf eine Störung des Schädelknochens, des Nackens, der Augen, der Ohren, der Nase, der Nebenhöhlen, der Zähne, des Mundes oder anderer Gesichts- oder Kopfstrukuren 12. KS zurückzuführen auf eine psychiatrische Störung 13. Kranielle Neuralgien und zentrale Ursachen von Gesichtsschmerzen 14. Sonstige KS, Gesichtsneuralgien, zentrale oder primäre Gesichtsschmerzen KS als Leitsymptom bedrohlicher Erkrankungen • Subarachnoidalblutung • Meningitis • • • • • Riesenzellarteriitis Sinusvenenthrombose Intrakranielle Neoplasie Hydrocephalus Idiopathische intrakranielle Drucksteigerung ("Pseudotumor cerebri") KS als Leitsymptom meist nicht bedrohlicher Erkrankungen • Akute Sinusitis • Andere Lokalprozesse im Kopf- und/oder Gesichtsbereich • Systemische Infekte • Zervikogener KS Migräne Eine • • • • häufige belastende unterdiagnostizierte und untertherapierte chronische Erkrankung Migräne Eine häufige, chronische Erkrankung • Prävalenz – Erwachsene: 10-15 % – Kinder: 3-10% • Rezidivierendes Auftreten – von Kopfschmerzattacken mit vielfältigen Begleitsymptomen – über Jahre oder Jahrzehnte Migräne Eine belastende Erkrankung • Individuelle Belastung – WHO: Ein Tag mit Migräne = ein Tag mit Tetraplegie • Sozioökonomische Belastung – reduzierte Arbeitsleistung – Krankenstände Migräne Eine unterdiagnostizierte Erkrankung 100% 75% 50% 25% 0% Von 100 Patienten mit schwerer Migräne waren 26 noch nie beim Allgemeinmediziner 33 noch nie beim Neurologen Migräne Eine untertherapierte Erkrankung 100% 75% 50% 25% 0% Von 100 Patienten mit schwerer Migräne haben 77 eine unzureichende Akutmedikation 86 keine prophylaktischen Medikamente Sozio-ökonomische Folgen neurologischer Erkrankungen (Ö) Demenz Migräne Schlaganfall Epilepsie Multiple Sklerose Parkinson Hirntumor Schädel-Hirn-Trauma 200 400 600 800 1000 1200 (in Mio €) Andlin-Sobocki et al. Eur J Neurol 2005 Neurologische Erkrankungen: Direkte und indirekte Kosten Migräne Epilepsie Schlaganfall Demenz Medizinische Kosten Direkte nicht-medizinische Kosten Indirekte Kosten Andlin-Sobocki et al. Eur J Neurol 2005 Migräne Eine genetisch determinierte neurovaskuläre Kalziumkanal-Krankheit Migräne Prädisposition • Migränefähigkeit: 100 % • Erhöhte Migränebereitschaft: ~ 25 % – Genetische Einflüsse – Besondere Verarbeitung von internen und externen Reizen • Aktive Migräne: ~ 10 % Migräne Klinisches Bild • • • • • • • Prodromalsymptome Aura Kopfschmerz Begleitsymptome Rückbildungsphase Migränefreies Intervall Triggerfaktoren Prodromalsymptome Hunger Gähnen Wortfindungsstörung Müdigkeit Gereiztheit Depression Konzentrationsprobl. Nackenverspannung Sens. Überempfind. 0 10 20 30 % Aura Reversible kortikale oder Hirnstammfunktionsstörung – – – – Sehstörung Sensibilitätsstörung Sprachstörung Selten: Lähmung Kopfschmerz • • • • • • Halbseitig Frontotemporal, periorbital Mäßig, stark Pochend, pulsierend Verstärkt durch Routinetätigkeiten Stunden oder wenige Tage anhaltend Begleitsymptome (i) • • • • Übelkeit Erbrechen Photophobie Phonophobie Begleitsymptome (ii) • Geruchsüberempfindlichkeit • Gesichtsblässe • Augenrötung • Verstopfte Nase • Flüssigkeits-retention • • • • • • • Polyurie Diarrhoe Verstopfung Frösteln Zittern Schwitzen Fieber Begleitsymptome (iii) • • • • • Beeinträchtigung des Befindens Inaktivierung Verlangsamung des Denkens Ruhebedürfnis Schläfrigkeit Rückbildungsphase • • • • • • Abklingen der Kopfschmerzen Erschöpfung Abgeschlagenheit Müdigkeit Introversion Dauer: Stunden bis 1-2 Tage Migräne ohne Aura Diagnosekriterien ICHD-II A Mindestens 5 Attacken, die die Kriterien B-D erfüllen B Kopfschmerzdauer: 4-72 h (bei Kindern 1-72 h) C Mindestens 2 der folgenden Kriterien 1. Schmerzlokalisation einseitig 2. Schmerzqualität pochend/pulsierend 3. Schmerzintensität mäßig bis stark 4. Leichte oder mäßige körperliche Aktivität verstärkt die Schmerzen oder wird vermieden D Mindestens 1 der folgenden Kriterien 1. Übelkeit und/oder Erbrechen 2. Photo- und Phonophobie E Nicht auf eine andere Erkrankung zurückzuführen Migräne mit Aura: Typische Aura (ICHD-II) A Mindestens 2 Attacken, die die Kriterien B-D erfüllen B Mindestens eines der folgenden vollständig reversiblen Symptome: 1. visuell, 2. sensibel, 3. dysphasisch C Mindestens 2 der folgenden Punkte sind erfüllt 1. homonyme visuelle od. einseitige sensible Symptome 2. mindestens 1 Symptom entwickelt sich über > 5 min 3. jedes Symptom hält > 5 min und < 60 min an D Kopfschmerzen beginnen noch während der Aura oder folgen der Aura innerhalb von 60 min 1. Migränekopfschmerz (Migräne ohne Aura) 2. Kopfschmerzen, die nicht einer Migräne entsprechen Triggerfaktoren • Hormone: Menstruation, Pille • Umwelt: Licht, Lärm, Gerüche, bestimmte Wettersituationen • Lebensstil: Stress, Anspannung, unregelmäßiger Schlaf, unregelmäßiges Essen und Trinken • Nackenverspannung, Müdigkeit • Alkohol, Medikamente • Nahrungsmittel ? Migräne und Lebensqualität • Einschränkung von Aktivitäten ("impaired function") – Partnerschaft, Familie – Beruf – Soziale Kontakte – Sport – Kultur – Reisen und Urlaub Kopfschmerz im Kindes- und Jugendalter: Prävalenz • > 80 % der Kinder hatten schon einmal in ihrem Leben KS • 23 % der Kinder- und Jugendlichen leiden in Österreich an wiederkehrenden KS Migräne im Kindes- und Jugendalter: Prävalenz • Prävalenz 3 - 10 % • Geschlechtsverteilung – < 7 Jahre: Mädchen < Knaben – 7 – 12 Jahre: Mädchen = Knaben – > 12 Jahre: Mädchen > Knaben • Langfristige Entwicklung – KS in den letzten 6 Mo – Migräne 1974 1992 14,4 1,9 51,5 5,7 Auswirkungen der Migräne auf die Betroffenen • Unvorhersehbare Attacken – Schmerzen, Begleitsymptome • Beeinträchtigung der Sozialaktivitäten – Familie – Peer group, Freunde – Freizeitaktivitäten • Beeinträchtigtung der Schulleistung – Absenzen – Verminderte Fähigkeit dem Unterricht zu folgen Was ist anders beim Kopfschmerz im Kindesalter ? • Das Patientenalter erfordert entsprechenden Zugang bei • Anamnese • klinischer Untersuchung • Indikationsstellung für Zusatzuntersuchungen • Sorgen und Wünsche der Eltern müssen berücksichtigt werden Was ist anders bei der Migräne im Kindesalter ? • • • • Kürzere Attackendauer Bilaterale oder median-frontale Lokalisation Seltener Aurasymptome Assoziierte Zustandsbilder • Rezidivierende Bauchschmerzen • Zyklisches Erbrechen Periodische Syndrome in der Kindheit • Zyklisches Erbrechen • Attacken mit starker Übelkeit/Erbrechen • Episodisch wiederkehrend, stereotyp • 1 Stunde bis 5 Tage anhaltend • Abdominelle Migräne • Attackenartige Bauchschmerzen (1-72 h) • Dumpf; Mittellinie, periumbilikal oder diffus • Begleitet von Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen • Gutartiger paroxysmaler Schwindel Hypothese Hypothesezur zur Entstehung Entstehung der der Migräneattacke Migräneattacke GenmutaGenmutation(en) tion(en) + Trigger Trigger •• Hormone Hormone •• Umwelt Umwelt •• Psychische Psychische Faktoren Faktoren •• Andere Andere FunktionsFunktionsstörung störung der der Hirnrinde Hirnrinde → → cortical cortical spreading spreading depression depression ? FunktionsFunktionsstörung störung im im Hirnstamm Hirnstamm Aktivierung Aktivierung d. d. trigeminotrigeminovaskulären vaskulären Systems Systems Neurogene Neurogene EntzünEntzündung dung Migräneattacke Migräneattacke Ch. Wöber, modifiziert nach Pietrobon D & Striessnig J: Nature Rev Neurosci, 2003 Zentrale Zentrale SensitivieSensitivierung rung Therapie der Migräne • Akuttherapie • Prophylaxe • Medikamentös • Nicht-medikamentös Empfehlungen zur Akuttherapie • KEIN starres Schema, sondern individuelle Entscheidung • Gesicherte Diagnose • KS-Kalender • Ausführliche Anamnese zur bisherigen Therapie • Therapieziel: Rückkehr zur üblichen Tätigkeit innerhalb von zwei Stunden Allgemeinmaßnahmen • Reizabschirmung • Ruhe Antiemetika • Fakultativ – Metoclopramid – Odansetron 10–30 mg 4-8 mg Analgetika und NSAR (p.o.) • Mittel erster Wahl – Acetylsalicylsäure, 1000 mg – Ibuprofen, 400–800 mg – Diclofenac, 50–100 mg • Mittel zweiter Wahl – Paracetamol, 1000 mg – Ketoprofen, 75 - 100 mg – Metamizol, 1000 mg Spezifische Migränemittel • Triptane – Sumatriptan: Tabl., Nasenspray, Suppositorium, Ampulle – Zolmitriptan: Tabl, Schmelztbl., Nasenspray – Naratriptan: Tabl. – Rizatriptan: Tabl, Schmelztbl. – Eletriptan: Tabl. – Frovatriptan: Tabl. • (Ergotamine) – Dihydroergotamin: Nasenspray – Ergotamintartrat (+Koffein) Spezifische Migränemittel • Triptane – – – – selektive 5HT1B/1D Rezeptor Agonisten 5HT1B-Rezeptoren an Blutgefäße 5HT1D-Rezeptorenan Nervenzellen KI: AVK, unkrontrollierte Hypertonie, nicht abgeklärter Thoraxschmerz • Ergotamine – binden neben 5HT1B/1D Rezeptoren an zahlreichen anderen Rezeptoren – weniger wirksam als Triptane, mehr NW – preisgünstig Verordnung von Triptanen sold package units in 1999 [in 1000] 2000 1849 1800 1600 1400 1200 985 1000 800 600 430 365 400 200 67 1 80 0 .9 56 64 0 A u s t r ia It a ly N o rw ay e r g o ts Sweden tr ip ta n s U n it e d K in g d o m Attackentherapie zum optimalen Zeitpunkt - Empfehlung • Migräneakutmedikation ohne Zuwarten einsetzen, – sobald die Entwicklung einer Migräneattacke sehr wahrscheinlich ist. • Voraussetzungen – Patient kann zwischen Migräne und Spannungskopfschmerz differenzieren – Führen eines Kopfschmerzkalenders – Akutmedikation an nicht mehr als 8 d / Mo Triptanwirkung und Allodynie Mit Allodynie (34 Attacken) VAS Ohne Allodynie (27 Attacken) vor Triptan 1h 2h danach Therapie 1 h nach Attackenbeginn vor Triptan 1h 2h danach Therapie 4 h nach Attackenbeginn Burstein et al., Ann Neurol 2004;55:19-26 Parenterale Therapie beim Status migraenosus • Subcutan durch Pat. – Sumatriptan • Intravenös/Infusion – – – – Acetylsalicylsäure Metamizol evtl. zusätzlich Antiemetikum evtl. zusätzlich Tranquilizer (z.B.: Diazepam) Empfehlungen zur Prophylaxe • > 3-4 Attacken pro Monat • Ausführliche Anamnese zur bisherigen Therapie • Patienteninformation über prinzipielle Therapiemöglichkeiten • Individuelle Therapie • KS-Kalender • Therapieziel: Reduktion der Attackenhäufigkeit um > 50 % Allgemeine Maßnahmen • Erkennen und Vermeiden von Triggerfaktoren • Regelmäßige Mahlzeiten • Ausreichende Flüssigkeitszufuhr • Geregelter Schlaf-Wach-Rhythmus Medikamentöse Prophylaxe (i) • Betablocker – Metoprolol, Propranolol, Atenolol, Bisoprolol • Kalziumkanalblocker – Flunarizin • Antiepileptika – Valproinsäure, Topiramat, Gabapentin • Antidepressiva – Amitriptylin • Naproxen (bei menstrueller Migräne) Weitere prophylaktische Maßnahmen • Entspannungstraining z.B. Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson • • • • Biofeedback Verhaltenstherapie Akupunktur Pflanzliche und andere Wirkstoffe – Pestwurz, Mutterkraut, Riboflavin, Magnesium • (Botulinumtoxin) Erfolgreiche Migränetherapie • Individuell behandeln • Synergieeffekte nützen • Patienten informieren – Vor- und Nachteile medikamentöser und nicht-medikamentöser Therapien – Wirkung – Mögliche Nebenwirkungen – Realistischer Therapieerfolg Spannungskopfschmerz Klinisches Bild Schmerzlokalisation Meist beidseits frontal, temporal, parietal, occipito-nuchal „wie Reifen um den Kopf“ „wie Schraubstock“ Schmerzcharakter dumpf, drückend Keine Verstärkung bei körperlicher Tätigkeit Keine oder nur geringe Begleitsymptome Spannungskopfschmerz Diagnosekriterien ICHD-II A Mindestens 10 KS-Episoden, die die Kriterien B-D erfüllen B KS zwischen 30 Minuten und 7 Tagen C Mindestens zwei der folgenden Kriterien: 1. Schmerzqualität drückend-ziehend 2. Schmerzintensität leicht – mäßig 3. Lokalisation: beidseitig 4. Keine Verstärkung durch körperliche Aktivität D Beide der folgenden Kriterien 1. Kein Erbrechen, keine (mittel)schwere Übelkeit 2. Photo- oder Phonophobie beim ESK Photo- oder Phonophobie oder leichte Übelkeit beim CSK E Nicht auf eine andere Erkrankung zurückzuführen Spannungskopfschmerz Therapie Akuttherapie Prophylaxe Medikamentös Nicht-medikamentös Spannungskopfschmerz Akuttherapie Beim episodischen SK nur bei heftigeren Schmerzen Beim chronischen SK äußerst restriktiv KEINE regelmäßige Analgetikagabe KEINE Migränemedikamente zur Behandlung von SK Akuttherapie • Mittel erster Wahl – Acetylsalicylsäure, 1000 mg – Ibuprofen, 400–800 mg – Naproxen 250 - 550 mg • Mittel zweiter Wahl – Paracetamol, 1000 mg – Ketoprofen, 75 - 100 mg – Metamizol, 1000 mg Spannungskopfschmerz Prophylaxe • Beim chronischen SK • Patienteninformation über prinzipielle Therapiemöglichkeiten • Kombination von medikamentösen und nicht-medikamentösen Maßnahmen effektiver als Monotherapien Prophylaxe (i) • Medikamente – Amitriptylin – Nortriptylin – Doxepin – Maprotilin – Mirtazapin Prophylaxe (ii) • Nichtmedikamentöse Verfahren – Entspannungstraining – EMG-Biofeedback – Streßbewältigungstraining – Kognitive Methoden – Heilgymnastik – Manualmedizin – TENS – Akupunktur Clusterkopfschmerz Selten Heftige Schmerzattacken Charakteristisches klinisches Bild Oft jahrelang fehldiagnostiziert und daher fehltherapiert Spezifische Therapie erforderlich Clusterkopfschmerz Fehldiagnosen Fragebogenuntersuchung via Internet (Klapper JA et al., Headache 2000): 789 Patienten, IHS-Kriterien bei 87 % erfüllt Durchschnittliche Dauer bis zur Diagnosestellung: 6,6 Jahre Zahl der Ärzte: 4,3 Zahl der falschen Diagnosen: 3,9 Clusterkopfschmerz Diagnosekriterien A Mindestens 5 Attacken, die die Kriterien B-D erfüllen B Sehr starker einseitiger Schmerz, (peri)orbital und/oder temporal, unbehandelt für 15 - 180 Minuten anhaltend C Begleitend tritt mindestens 1 der folgenden Zeichen auf: 1. ipsilaterale konjunktivale Injektion / Lakrimation 2. ipsilaterale nasale Kongestion / Rhinorrhoe 3. ipsilaterales Lidödem 4. ipsilaterales Schwitzen (Stirn, Gesicht) 5. ipsilaterale Miose und/oder Ptose 6. körperliche Unruhe oder Agitiertheit D Attackenfrequenz zwischen 0,5 und 8 pro Tag E Nicht auf eine andere Erkrankung zurückzuführen Clusterkopfschmerz Therapie • • • • Sumatriptan s.c. Sumatriptan, Zolmitriptan nasal Dihydroergotamin nasal Sauerstoff – über Maske – 7-10l/min – sitzende Position Clusterkopfschmerz Kurzzeitprophylaxe • • • • Kortikosteroide Naratriptan Eletriptan Ergotamintartrat Clusterkopfschmerz Langzeitprophylaxe • Mittel erster Wahl – Verapamil • Mittel zweiter Wahl – Lithium (beim chronischen Cluster-KS) • Mittel dritter Wahl – Valproat, Topiramat, Gabapentin – Indometacin – Baclofen, Melatonin Medikamenteninduzierter Kopfschmerz - Entstehung Patienten mit rezidivierenden KS steigern kontinuierlich die Dosis der Akutmedikation ... bemerken eine Verschlechterung der Kopfschmerzen ... steigern die Dosis weiter ... bemerken ein Nachlassen der Wirkung und eine weitere Verschlechterung der Kopfschmerzen ... und steigern die Dosis neuerlich... Medikamenteninduzierter Kopfschmerz - Klinik Tägliche KS, “Dauerkopfschmerz” Kopfschmerzen oft drückend gelegentlich pulsierend Lokalisation holokran, evtl. mit Schwerpunktsbetonung Keine oder nur geringfügige vegetative Begleitsymptome Medikamenteninduzierter Kopfschmerz - Klassifikation Kopfschmerz bei übermäßigem Medikamentengebrauch Analgetika Ergotamine Triptane Kopfschmerz durch Substanzentzug Ergotamine Koffein Opioide Kopfschmerz bei übermäßigem Medikamentengebrauch A Kopfschmerz an > 15 Tagen pro Monat B Regelmäßige Einnahme über > 3 Monate von - Ergotaminen an > 10 Tagen/Monat oder - Triptanen an > 10 Tagen/Monat oder - Analgetika an > 15 Tagen/Monat oder - Opioiden an > 10 Tagen/Monat C Entwicklung oder deutliche Verschlechterung der KS während des Medikamentengebrauchs D Abklingen der KS oder Zurückkehren des ursprünglichen KS-Musters innerhalb von 2 Monaten nach Absetzen der Substanz. Therapie Aufwendige ambulante oder stationäre Entzugstherapie Ohne Medikamentenentzugstherapie ist KEINE sinnvolle KS-Therapie möglich Nach der Entzugstherapie kann der ursprüngliche Kopfschmerz gezielt therapiert werden. Ambulante Entzugsbehandlung • Geeignet für “unkomplizierte” Fälle • Abusiertes Medikament schlagartig absetzen • 2 x 500 mg Naproxen • Amitriptylin (alternativ: Doxepin) • “Rescue” Medikation bei heftigen KS – – – Substanz, die nicht abusiert wurde < 2 x pro Woche < 2 Einzeldosen pro Tag Stationäre Entzugsbehandlung I Bei langjährigem und / oder massivem Analgetika-, Ergotamin-, Triptanabusus (schlagartiges Absetzen) Bei Benzodiazepin- und Opiatabusus (langsames Absetzen) Bei psychosozialen Stressoren Stationäre Entzugsbehandlung II Infusion für 8 - 10 d mit (sofern Substanz nicht abusiert) Lysinacetylsalicylat oder Metamizol Evtl.: Antieemetika, Diazepam Evtl. Piracetam 12 g i.v. Prothipendyl 80 mg (TD bis 1-1-0-2) Thromboseprophylaxe Weitere Therapieoptionen Cortison Valproinsäure iv. Gabapentin Tizanidin Generelles Problem: keine größeren, randomisierten kontrollierten Studien Entzugsbehandlung - Nachsorge Führen eines KS-Kalenders Engmaschige Kontrollen „Rescue“ Medikation Substanz, die nicht abusiert wurde Nicht mehr als 2 x pro Woche Max. 2 Einzeldosen/Tag Entzugsbehandlung - Prognose Rückfallsrisiko in den ersten sechs Monaten am höchsten Fünf Jahre nach Behandlung: 1/3: guter Therapieerfolg (=kein Medikamentenabusus, weniger KS) 1/3: kein Medikamentenabusus 1/3: erneuter Abusus