Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main Vorbeugen gegen AlzheimerWie Sie geistig fit bleiben können Eine Informationsbroschüre von Dipl.- Psych. Valentina Tesky Vortrag am Welt Alzheimertag, 21.09.2010 in Düsseldorf Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt Professur Gerontopsychiatrie Prof. Dr. J. Pantel in Kooperation mit der Alzheimer Forschung Initiative e.V. Was ist Demenz? Demenz (lat. dementia „Verrücktheit“) tritt meist im Alter in Folge einer chronischen Veränderung des Gehirns auf. Durch den fortschreitenden Abbau von Nervenzellen nimmt die geistige Leistungsfähigkeit im Verlauf der Erkrankung immer stärker ab. Die charakteristischen Symptome der Demenz sind Gedächtnisstörungen und Abbau der Intelligenz (Defizite im abstrakten Denken, Urteilsvermögen, Konzentrationsfähigkeit). Die zunehmende Beeinträchtigung des Gedächtnisses führt zu immer stärkeren zeitlichen und räumlichen Orientierungsstörungen. Weiterhin kann es zu Sprachdefiziten (z. B. Wortfindungsstörungen) und Veränderungen in der Persönlichkeit wie Änderungen im Sozialverhalten oder in der emotionalen Kontrolle kommen. Demenz stellt einen Oberbegriff dar: Man unterscheidet zwei wichtige Formen von Demenz, die Alzheimer-Demenz und die gefäßbedingte Demenz. Die gefäßbedingte Demenz, welche durch Durchblutungsstörungen im Gehirn verursacht wird, ist durch einen abrupten Beginn und eine stufenartige Verschlechterung gekennzeichnet. Die Alzheimer-Demenz, welche schleichend beginnt und zu einer kontinuierlichen Verschlechterung führt, stellt die häufigste Form einer Demenz dar (siehe Tortendiagramm: Abbildung 1.1.) und weist zusätzlich neben den oben beschriebenen Symptomen typische neuropathologische Veränderungen in Form von Eiweiß-Ablagerungen im Gehirn auf. Die Ursache für Demenz scheint eine Kombination von unveränderbaren genetischen Faktoren und beeinflussbaren Umwelt- und Sozialfaktoren zu sein. Abbildung 1.1.: Prozentuale Verteilung der Demenztypen 2 Symptome und Diagnose Zurzeit sind deutschlandweit ca. eine Million Menschen an Demenz erkrankt und aufgrund der gegenwärtigen demografischen Situation wird diese Zahl weiter ansteigen. Jedoch bedeuten altersbedingte Vergesslichkeit und verlangsamte intellektuelle Fähigkeiten im zunehmenden Alter nicht gleich, dass die Person an Demenz erkrankt ist. Wie lässt sich nun die Gedächtnisstörung aufgrund einer Alzheimer-Erkrankung von der normalen Vergesslichkeit unterscheiden? Die klinische Diagnose einer Alzheimer-Demenz kann heute von Ärzten mit 90-95 prozentiger Sicherheit mithilfe von standardisierten psychologischen Testverfahren, der Analyse der Krankengeschichte, Blutuntersuchungen und bildgebenden Verfahren wie die Computertomografie oder die Magnetresonanztomografie gestellt werden. Zusätzlich zu einer Störung des Gedächtnisses (Hauptsymptom) muss mindestens eine der folgenden Störungen vorliegen: • Störung der Sprache (Wortfindungsstörung) • Störung der Orientierung (zeitlich, räumlich) • Störung der Urteilsfähigkeit (keine Gefahrenerkennung) • Störung der Persönlichkeit (Wesensveränderungen, geizig, aggressiv, traurig, Erscheinungsbild wird vernachlässigt, Einbildungen rufen Eifersucht hervor) • Sowie Störungen weiterer geistiger Funktionen (Rechnen, Schreiben, Personen erkennen, komplexe Handlungen durchführen) nicht kognitive Symptome • Probleme der Stimmung : Aggression, Depressivität, Angst • Probleme im Verhalten : Davonlaufen, Nächtliche Unruhe, Passivität/ Apathie • Weitere Probleme : Misstrauen, Illusionen und Halluzinationen Anschließend muss festgestellt werden, ob die Alzheimer-Krankheit die Ursache für die verminderten geistigen Fähigkeiten ist und ähnliche Erkrankungen ausgeschlossen werden können. 3 Ähnliche Erkrankungen, die Ursache für Gedächtnisstörungen sein können: Depression: Häufig ebenfalls Störungen des Gedächtnisses, der Konzentration und • des Denkvermögens („Pseudodemenz“ ) • Andere Erkrankungen und Läsionen (Verletzungen) des Gehirns • Hormon- und Stoffwechselstörungen • Vitaminmangel oder extremer Alkoholkonsum Entstehung der Alzheimer-Demenz: Eiweiß-Ablagerungen im Gehirn Durch die Ablagerung von Eiweiß-Spaltprodukten, welche die Reizübertragung zwischen den Nervenzellen verhindert, kommt es zur Beeinträchtigung von Lern- und Gedächtnisleistungen. Besonders betroffen sind Hirnregionen, die für Gedächtnis, Sprache und Denkvermögen zuständig sind. Man unterscheidet die Plaques (Amyloide), die sich klumpenartig außerhalb der Nervenzelle ablagern und die Tangles, welche sich fadenartig innerhalb der Nervenzelle ablagern. Durch die zunehmende Ablagerung innerhalb und außerhalb der Nervenzellen werden die wichtigen Lebensvorgänge der Zellen lahm gelegt, so dass weniger Botenstoffe (besonders Acetylcholin – für Gedächtnisfunktionen zuständig) produziert werden. Dies führt zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Speicherns und Abrufens von Informationen bis hin zur Zerstörung von Nervenzellen und -verbindungen. Man geht davon aus, dass die Eiweiß-Ablagerungen, welche genetisch- und umweltbedingt auftreten, die Entstehung einer Alzheimer-Demenz mit verursachen. Der Verlauf demenzieller Erkrankungen Die ersten Anzeichen der Erkrankung treten in der Regel im Alter von 65 und später auf. Es kommt zu einer zunehmenden Verschlechterung der geistigen Fähigkeiten. Man unterscheidet hierbei drei Krankheitsstadien: Frühstadium: Vergesslichkeit • kaum auffällige Symptome • Aktivitäten im täglichen Leben reduziert, Vitalitätsverlust • Gedächtnis, Sprachverarbeitung, örtliche und zeitliche Orientierung nur leicht gestört • Leidensdruck 4 Mittleres Stadium: Deutliche Ausfälle • deutlich ausgeprägte Symptomatik • selbständige Lebensführung erheblich eingeschränkt • Unterstützung notwendig Schweres Stadium: Kontrollverlust • selbständige Lebensführung aufgehoben • hochgradige Störungen aller geistigen Funktionen • körperliche Symptome, z.B. schleppender Gang • Im Endstadium Körperlicher Verfall, Bettlägerigkeit, Infektionen Abbildung 1.2.: Verlauf der Demenz Behandlung der Demenz Medikamentös: • Acetylcholinesterase-Blocker: Im Gehirn eines Demenz-Kranken herrscht ein Mangel an Acetylcholin, ein Botenstoff der für die Denk- und Gedächtnisprozesse zuständig ist. Durch die Einnahme der Acetylcholinesterase-Blocker kommt es zu einer Steigerung von Acetylcholin und somit zu einer Verbesserung der Konzentrationsleistung und Verzögerung des geistigen Abbaus. (Anwendung bei leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz) 5 • Glutamat-(NMDA-) Antagonisten: Bei Patienten mit Demenz ist die Glutamatkonzentration (Glutamat - Botenstoff des Gehirns) anhaltend erhöht. Dadurch kommt es zu einer Dauererregung und Überreizung der Nervenzellen und schließlich zu einem Absterben. Durch die medikamentöse Behandlung mit GlutamatAntagonisten wird die Überreizung verhindert und die Nervenzellzerstörung und der damit verbundene geistige Abbau gestoppt. (Anwendung bei mittelschwerer bis schwerer Alzheimer-Demenz) Nicht-medikamentös: • Gedächtnistraining zur Steigerung der geistigen Aktivierung • Verhaltenstherapie um die Bewältigung des Alltags des Erkrankten zu erleichtern • Alltagstraining zur Verbesserung der räumlichen und zeitlichen Orientierung • Selbst-Erhaltungstherapie zum Erhalt der Identität und des Selbstwertgefühls des Betroffenen (Beschäftigung mit wertvollen und erhaltenden Erinnerungen (Fotoalbum, Musik, Filme, Bücher)) • Unterstützende Beratung und Einbeziehung der Angehörigen Momentan ist die Heilung eines bereits Erkrankten noch nicht möglich. Die medikamentöse und nicht-medikamentöse Behandlung zielt darauf ab, den Verlauf der Demenz aufzuhalten oder zumindest herauszuzögern. Die klinische Forschung versucht nun Schutz- und Risikofaktoren zu untersuchen um vorbeugende Maßnahmen entwickeln zu können, die das Risiko an Demenz zu erkranken, verringern. Risiko- und Schutzfaktoren Zu den nicht beeinflussbaren Risikofaktoren gehören das zunehmende Alter und genetische Ursachen. Das Alter wirkt sich zunehmend auf die Entwicklung einer Demenz aus, so erkrankt im Alter von 80 bereits jeder Vierte und im Alter von 90 sogar jeder Zweite an Demenz. Genetische Ursachen werden nur bei den frühen Alzheimer-Erkrankungen diskutiert (Mutationen von Genen auf bestimmten Chromosomen als Risikofaktoren). Die Angehörigen eines (älteren) Patienten haben in der Regel nur ein gering erhöhtes Risiko, selber zu erkranken. 6 Es existieren weitere wesentliche Faktoren, die jedoch beeinflussbar und behandelbar sind. Dazu gehören Depressionen, Diabetes, erhöhter Blutdruck, Übergewicht, Rauchen, keine sozialen Kontakte, wenig Bewegung und geringe geistige Aktivitäten. Um Demenzerkrankungen zu verringern, ist es wichtig, potenzielle Risikofaktoren zu minimieren. So führt eine gesunde vitaminreiche Ernährungsweise mit ungesättigten Fettsäuren (mediterrane Küche/“Mittelmeer-Diät“ mit viel Fisch, Obst, Gemüse, Olivenöl) zu einem verringerten Risiko an Demenz zu erkranken. In diesem Zusammenhang schützt auch eine Reduktion von Übergewicht vor Demenz. Ein maßvoller Konsum der Genussmittel Kaffee und Rotwein hat ebenfalls eine leicht protektive Wirkung. Zu weiteren Schutzfaktoren zählt die Aufrechterhaltung von geistigen und sozialen Aktivitäten. Ein geistig höheres Niveau, geistige Regsamkeit, soziale Kontakte sowie Freizeitaktivitäten mit Freunden können die Symptome der Demenz kompensieren. Zudem wirkt regelmäßige körperliche Betätigung risikomindernd. Schließlich verringert die medikamentöse Behandlung von erhöhtem Blutdruck, erhöhtem Cholesterinspiegel oder Diabetes das Risiko an Demenz zu erkranken. Zusätzlich ist die Wirksamkeit der Gabe von Vitaminen (zum Beispiel Vitamin E, das die Membrane der Nervenzellen stabilisieren und so den Untergang der Nervenzellen verhindern bzw. verzögern soll) und Gingko-Präparaten im Gespräch. Bisher existieren jedoch keine überzeugenden Studien zu ihrer präventiven Wirkung. Das können Sie täglich tun: Geistig stimulierende Tätigkeiten • • • • • • • • • • • • • Fernsehen gucken (aber nicht stundenlang und alles!, Dokus, Bildungssendungen) Radio hören Lesen (Zeitung, Magazine, Bücher) Gesellschaftsspiele (Karten, Dame, Schach, Bridge) Puzzle Ins Museum gehen / Konzerte besuchen Bücherei besuchen Briefe schreiben vermutlich auch Fremdsprachen lernen Studieren (Uni des 3. Lebensalters) Malen / Zeichnen Musizieren produktive Tätigkeiten wie Gartenarbeit, Kochen, Nähen, Stricken, Häkeln, Weben 7 Weitere nützliche Informationen und Anregungen zu einem demenzpräventiven Lebensstil finden Sie in: 8