Datum: 24.06.2013 Thema: Allgemeine Erkrankungen des Gehirns und Epilepsie Früherkennung, Risikofaktoren und neueste Therapien Referenten: Univ.-Prof. DI Dr. Christoph Baumgartner OÖ Dr.in Susanne Pirker Karl Landsteiner Institut für Klinische Epilepsieforschung und Kognitive Neurolgie Epilepsiezentrum Wien an der 2. Neurologischen Abteilung, KH Hietzing Das menschliche Gehirn besteht aus mindestens 100 Milliarden Nervenzellen. Durch unzählige Nervenfortsätze sind die Nervenzellen miteinander verbunden und bilden so ein einzigartiges Netzwerk, welches wichtige Funktionen wie Denken, Sprechen, Bewegen, Fühlen, Sehen oder Hören ermöglicht. Erkrankungen dieser Nervenzellen und Nervenzellverbände können u. a. zur Entstehung einer Epilepsie führen. Epilepsien sind organische Erkrankungen des Gehirns, die sich durch wiederholte epileptische Anfälle äußern. Epileptische Anfälle entstehen durch eine plötzliche extreme Aktivitätssteigerung von Nervenzellen, entsprechend einem Gewitter oder Kurzschluss im Gehirn. Epileptische Anfälle können sehr verschieden aussehen, wobei das Erscheinungsbild von der Funktion der betroffenen Gehirnregion abhängt. Es kann dabei zu Veränderungen der Wahrnehmung (aufsteigendes Gefühl aus der Magengegend, unbegründetes Angstgefühl, Vertrautheits- oder Fremdheitsgefühl), zu einseitigen Zuckungen des Gesichts, eines Armes oder Beines bei erhaltenem Bewusstsein, zu einer Verdämmerung des Bewusstseins verbunden mit merkwürdigen Verhaltensweisen (Nesteln, Schmatzen, Kaubewegungen), von denen der Betroffene nichts weiß, und schließlich zu generalisierten Krampfanfällen mit Bewusstlosigkeit, Sturz, Verkrampfung am ganzen Körper, Zuckungen der Arme und Beine und einem nachfolgenden Erschöpfungs- oder Verwirrtheitszustand kommen. Da die Anfälle in jeder Lebenssituation und oft ohne Vorwarnung auftreten können, ist die Epilepsie auch heute noch eine sehr stark stigmatisierte Erkrankung. Die Hirnfunktion zwischen den Anfällen ist zumeist völlig normal. Mit einer Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) von 0,8 % ist die Epilepsie eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen, an der in Österreich ca. 65.000 Menschen leiden. Wenn Gelegenheitsanfälle hinzugerechnet werden, kann angenommen werden, dass mindestens 10 % der Bevölkerung zumindest einmal in ihrem Leben einen epileptischen Anfall erleiden. Die optimale Epilepsietherapie setzt eine sorgfältige Diagnostik voraus, die sich auf eine exakte Anamneseerhebung inklusive Anfallsbeschreibung durch Angehörige, auf das Elektroencephalogramm (EEG), in dem in die elektrischen Hirnströme abgeleitet werden, und schließlich auf die hochauflösende Magnetresonanztomographie, mittels der auch kleinste Veränderungen, wie z. B. umschriebene Störungen der Architektur der Hirnrinde oder kleine Narben als mögliche Ursache der Anfälle nachgewiesen werden können, stützt. Die Therapie der Epilepsie erfolgt mit Medikamenten, so genannten Antiepileptika, die durch einen stabilisierenden Einfluss an den Nervenzellmembranen oder über eine Regulation des NeurotransmitterStoffwechsels wirken. Das Ziel der medikamentösen Epilepsietherapie ist dabei die Anfallsfreiheit bei fehlenden oder minimalen Nebenwirkungen. In den letzten Jahren konnten durch die Entwicklung neuer Antiepileptika wesentliche Fortschritte erzielt werden, wobei insbesondere Nebenwirkungen, wie z. B. Müdigkeit und Schwindel, weniger oft auftreten. Entgegen der weit verbreiteten Ansicht von einer unheilbaren Erkrankung besitzt die Epilepsie eine relativ günstige Prognose. So können zwei Drittel aller Epilepsiepatienten erfolgreich mit Medikamenten behandelt werden, wobei in vielen Fällen die Medikamente langfristig auch wieder abgesetzt werden können. Bei einem Drittel der Patienten kann jedoch keine befriedigende medikamentöse Einstellung erreicht werden, man spricht dann von einer medikamentös therapieresistenten Epilepsie. Falls bei diesen Patienten die Lokalisation derjenigen Hirnregion gelingt, von der die Anfälle ihren Ausgang nehmen, kann durch einen epilepsiechirurgischen Eingriff eine Heilung erreicht werden. In Österreich leben ca. 6.000 Patienten, die von einer derartigen Operation profitieren könnten. Weitere Therapiemöglichkeiten für Patienten mit medikamentös therapieresistenten Epilepsien bestehen in Neurostimulationsverfahren wie der Vagus-Nerv-Stimulation und der tiefen Hirnstimulation, wobei es sich dabei um palliative Verfahren handelt, die zwar zu einer Verbesserung der Anfallssituation, aber in der Regel nicht zur Anfallsfreiheit führen. Weitere Informationen: Univ.-Prof. DI Dr. Christoph Baumgartner OÄ Dr. Susanne Pirker 2. Neurologische Abteilung Krankenhaus Hietzing mit Neurologischem Zentrum Rosenhügel Karl Landsteiner Institut für Klinische Epilepsieforschung und Kognitive Neurologie Riedelgasse 5 1130 Wien Telefon: 01-88000-266 E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected]